Anlage 1

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

DER LEHRPLÄNE FÜR DEN

ISLAMISCHEN RELIGIONSUNTERRICHT

Allgemeines Bildungsziel des islamischen Religionsunterrichtes

Der Religionsunterricht als eigener Unterrichtsgegenstand betrachtet es als seine vornehmste Aufgabe, an der Entwicklung der Jugend nach sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen, ihrer Entwicklungsstufe entsprechenden, Unterricht – entsprechend dem §2 (1) des Schulorganisationsgesetzes i.V.m. Artikel 14, (2) 5 B-VG – mitzuwirken. Die konfessionelle Prägung des Religionsunterrichtes führt zu einer klaren Orientierung der Schülerinnen und Schüler und befähigt sie dazu, einen eigenen Standpunkt einzunehmen und gleichzeitig den Standpunkt von Mitschülerinnen und Mitschülern anderer Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung zu respektieren und zu akzeptieren. In der Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und der Zugehörigkeit zur Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich soll ein Beitrag zur Bildung von Identität geleistet werden, der eine verantwortungsbewusste, unvoreingenommene, von Toleranz geprägte und selbstbestimmte Lebensführung in einer pluralistischen Gesellschaft ermöglicht.

Der Unterricht versteht sich als Dienst an den Schülerinnen und Schülern sowie an der Schule und hat die Erziehung zur muslimischen Österreicherin und zum muslimischen Österreicher bzw. zu Muslimen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, zum Ziel. Hierbei ergibt sich eine Verbindung zur Förderung der staatsbürgerlichen Erziehung, wie sie aus Artikel 14, Absatz 5 a, B-VG und Paragraph 2, SchOG hervorgeht. Der islamische Religionsunterricht gewinnt seinen Standpunkt aus seiner Orientierung an den Quellen des Islam und geht gleichzeitig von der konkreten Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler aus. Dabei werden die unterschiedlichen Herkunftsländer mancher Schülerinnen und Schüler durchaus wahrgenommen und als Bereicherung betrachtet – wichtigstes Ziel ist allerdings die Herausbildung einer Identität, die Österreich als Heimat und den Islam als persönliches Glaubensbekenntnis anerkennt. Erst in der Hinwendung zu Österreich kann ein verantwortungsvolles, konstruktives und sinnvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse und Identitäten umgesetzt werden.

Allgemeine Bildungs- und Lehraufgaben des islamischen Religionsunterrichtes

Im Unterricht sollen sich die Schülerinnen und Schüler der Sinnfrage stellen und einen persönlichen Weg zu Gott finden. Sie sollen sich in ihrer Verantwortung vor Gott, vor sich selbst, vor ihren Mitmenschen und vor der Schöpfung insgesamt besonders für die Weiterentwicklung der Menschheit, für Gleichheit, Respekt, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen.

Der Unterricht stellt einen Teil des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule und die religiöse Bildung einen Teil der Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler dar. In seiner ethisch-moralischen Begründung unterstützt der islamische Religionsunterricht grundlegend alle Aufgabenbereiche der Schule.

Durch Wissensvermittlung im Bereich der islamischen Religion und der Betonung der österreichisch-islamischen Identität erfolgt ein Beitrag zur ethisch-moralischen Werte-Erziehung junger Menschen, welcher sie befähigt, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und eigenverantwortlich und in Respekt anderen gegenüber zu handeln.

Allgemeine didaktische Grundsätze des islamischen Religionsunterrichtes

Am islamischen Konsens orientiert – authentisch

Der Unterricht ist ein konfessioneller Unterricht, dessen Inhalte authentisch aus den islamischen Quellen heraus begründet und auf Österreich und die österreichische Gesellschaft als Ort und das 21. Jahrhundert als Zeit bezogen werden. Er orientiert sich am Islam der Mitte und lehnt jeglichen Radikalismus und Extremismus ab. Ermutigend zu einer Wahrnehmung der dem Islam innewohnenden Dynamik, stellt sich der islamische Religionsunterricht den Herausforderungen der modernen Zeit. Mit der zunehmenden Mobilität und dem schnellen Wandel der Bedürfnisse der Menschen steigt auch die Frage nach der Flexibilität seiner Ansichten und methodischen Vorgehensweisen. In diesem Kontext berücksichtigen die islamischen Religionslehrerinnen und Religionslehrer die dem Islam innewohnende Prioritätenregel und stellen den Schülerinnen und Schülern zeitgemäße und gleichzeitig religiöse Handlungsoptionen zur Verfügung.

Ganzheitlich

Der Unterricht ist ein ganzheitlicher Unterricht, welcher die Dimensionen Körper, Seele und Geist gleichermaßen anspricht. Dies ergibt sich direkt aus der Lehre des Islam als einer Religion, welche alle Dimensionen des menschlichen Daseins thematisiert und um eine Balance zwischen ihnen bemüht ist. Die Lehrkräfte haben daher die jeweiligen Inhalte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und innerhalb des islamischen Kontextes didaktisch und methodisch so aufzubereiten, dass die Schülerinnen und Schüler ein ganzheitliches Verständnis für ihre Religion entwickeln können.

Schülerorientiert

Im Unterricht stehen die Schülerin und der Schüler im Mittelpunkt des Unterrichtes. Die Lehrerin und der Lehrer bemühen sich darum, die jeweiligen Themen mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler zu verbinden und schüleraktivierende sowie handlungsorientierte Methoden anzuwenden. Dies kann nur bei Beachtung der unterschiedlichen Bedürfnisse sowie der sozialen und kognitiven Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler geschehen.

Geschlechtergerecht

In der Behandlung der Themen werden die unterschiedlichen Bedürfnisse und Zugänge der jungen Frauen und Männer berücksichtigt. In diesem Zusammenhang werden traditionelle Rollenzuschreibungen aus religiöser Perspektive thematisiert und konstruktiv kritisiert.

Zur Mündigkeit erziehend

Die Schülerinnen und Schüler werden zur Mündigkeit erzogen. In der Auseinandersetzung mit den Themen und Inhalten des Unterrichts werden die Schülerinnen und Schüler dazu befähigt, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und selbstständig einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und zu begründen. Ziel ist die, bzw. der aktive, verständige, verantwortungsbewusste, selbstbestimmte und an der Gesellschaft partizipierende Schülerin und Schüler.

Individualisierend

Die Lehrkraft hat jede ihrer Schülerinnen und Schüler als Individuum mit unterschiedlichen Grundvoraussetzungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten anzuerkennen. Die Einzigartigkeit jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers ist im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen. Darauf aufbauend werden sie in der Entwicklung ihrer Talente und Fähigkeiten unterstützt. Auf diese Weise entsteht ein geschützter Raum, der die Entfaltung der jedem Menschen von Gott gegebenen Potentiale ermöglicht und Unterschiede nicht wertend, sondern einander ergänzend und befruchtend wahrnimmt. Individualisierung setzt insofern bei den Schülerinnen und Schülern an, als die Kompetenz vermittelt werden soll, sich selbstgesteuert Wissen anzueignen und zu selbständigen und eigenen Erkenntnissen zu gelangen.

Identitätsstiftend

Im Unterricht befinden sich Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund, aus verschiedenen Kulturkreisen, religiösen Traditionen und Schulstufen sowie mit divergierendem Wissensniveau. Die Schülerinnen und Schüler werden befähigt, sich mit der eigenen Identität auseinander zu setzen und zu lernen, dass Identität immer kontextbezogen und situativ verstanden werden muss und dass jeder Mensch viele verschiedene Teilidentitäten in sich vereint. Die Gemeinsamkeiten der Schülerinnen und Schüler im islamischen Religionsunterricht bestehen in ihrer Zugehörigkeit zu Österreich und zum Islam – davon ausgehend sollen die Lehrerinnen und Lehrer in jeder Schulstufe die Elemente der österreichisch-islamischen Identität sowohl theoretisch als auch praktisch vermitteln.

Befähigend zu kritischem Denken und Handeln

Wie der Islam in seiner Lehre Mut zur produktiven Selbstkritik und zur Kritik der Tatbestände durch sachlichen, auf Fakten beschränkten Ratschlag predigt, so werden die Schülerinnen und Schüler zum kritischen Denken und Handeln befähigt. Es werden keine Tabus zugelassen und auch keine unantastbaren Inhalte vermittelt – es wird jedoch auch ein methodisch reflektierter Umgang mit Texten und Inhalten, der von Respekt und Achtung geprägt ist, erlernt.

Interdisziplinär – fächerübergreifend

Der Unterricht ist ein fester Bestandteil der Schulen und hat viele thematische Überschneidungen mit anderen Disziplinen. In der Durchführung fächerübergreifender Unterrichtseinheiten bemühen sich die Lehrerin und der Lehrer in jedem Jahr entweder an einem interdisziplinären oder interkonfessionellen Projekt zu beteiligen oder zumindest ein interdisziplinäres Projekt mit Kolleginnen und Kollegen zu planen und durchzuführen. Dies etwa mit Kolleginnen und Kollegen aus den Fächern Biologie, Geschichte, Geographie, künstlerische Bildung, da in den Lehrplänen dieser Fächer viele Anknüpfmöglichkeiten bestehen. Die interreligiöse Zusammenarbeit mit den Religionslehrerinnen und Religionslehrern anderer Konfessionen wird ausdrücklich empfohlen.

Diskursiv – diskussionsorientiert

Die sinnvolle Absicherung von Erkenntnissen entsteht im Diskurs. Weder der Monolog noch die stete Instruktion führen zu einer ernsthaften und wahrhaftigen Überzeugung und Identifikation mit den islamischen Idealen. Im Gegenteil - in der Diskussion erwerben die Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit, Inhalte anhand der Quellen zu begründen und in Form einer sachlichen und themenbezogenen Argumentation mit ihren Schulkolleginnen und -kollegen auszutauschen.

Pflege der Lektüre religiöser Quellentexte im Original / Verwendung religiöser Fachbegriffe

Da religiöse Handlungen wie etwa das Gebet nicht ohne die arabische Rezitation etwa von Qur´anversen und anderen arabischen Texten verrichtet werden können, müssen die Schülerinnen und Schüler an die Lektüre von Qur´an und Hadith im Original herangeführt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen den Qur´an auf Arabisch im Original lesen und rezitieren können – wenn möglich in der kunstvollen Vortragsweise des Tadschwid.

Um dieses Ziel erreichen zu können wird den Unterrichtenden empfohlen, in der Volksschule wie in allen weiteren Schulstufen und Schulformen einen bestimmten Teil der Stunde (Anfang oder Ende) speziell zur Pflege der Rezitation und Lektüre zu reservieren. Da ein sehr unterschiedliches Niveau der Klasse in diesem Punkt zum Alltag gehört, sollen die Lehrkräfte hier besonders auf die individuelle Förderung achten.

Darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler im Laufe ihres Religionsunterrichtes die wichtigsten religiösen Fachbegriffe sowohl in arabischer Sprache als auch in ihrer ungefähren Bedeutung erlernen. Dies ist deshalb notwendig, da oftmals keine äquivalenten bzw. eindeutigen Übersetzungen dieser Begriffe existieren.

In diesem Lehrplan wurde aus technischen Gründen eine vereinfachte Transkription für die arabischen Begriffe verwendet, die sich an der englischen Umschrift orientiert.

Akzentuierungen durch die Lehrkraft

Lehrerinnen und Lehrer erhalten mit den vorliegenden Lehrplänen einen Überblick über Inhalte und Ziele des Unterrichts. Allerdings steht es der Lehrperson zu, im eigenen Unterricht unterschiedliche Akzentuierungen vorzunehmen und Schwerpunkte zu setzen, so dass Inhalte je nach Klassensituation mit unterschiedlicher Intensität und unterschiedlichen Methoden vermittelt werden können. Dies umso mehr, als der IRU je nach situativen Gegebenheiten entweder eine oder zwei Wochenstunden umfasst – es liegt demnach im Verantwortungsbereich der Lehrerin und des Lehrers, aus den vorgegebenen Lehrstoffen gegebenenfalls nur eine begründete Auswahl zu lehren.

Dabei ist zu beachten, dass die Ordnung der Themenbereiche keinen notwendigen inneren Zusammenhang bzw. keine zeitliche Reihenfolge vorschreibt.

Es soll darüber hinaus im Unterricht immer auch möglich sein, Bezüge zu aktuellen Themenstellungen herzustellen und diese genauer zu betrachten.

Zusätzliche Hinweise

Die Lehrerinnen und Lehrer sind dazu angehalten, in ihrer konkreten Planung für das Schuljahr die Lehrinhalte in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche, die je nach Möglichkeit absolviert werden können, zu teilen, da einige Schülerinnen und Schüler zwei Wochenstunden Religionsunterricht erhalten und andere nur eine.

Weiterhin ist auf unterschiedliche Bedingungen in Hauptschulen Rücksicht zu nehmen: je nach Aufnahmefähigkeit der Schülerinnen und Schüler können von den Lehrerinnen und Lehrern jederzeit Themen des AHS-Lehrplans für den islamischen Religionsunterricht zu den Themenfeldern der Hauptschule hinzugefügt werden (Differenzierung).

Es soll beachtet werden, dass diese Lehrpläne sowohl für die jeweils angegebenen Schularten gelten, als auch – nach Adaptierung durch die Lehrpersonen auch für die Höheren Anstalten der Lehrer- und der Erzieherbildung (in Anlehnung an AHS), die Volksschuloberstufe (in Anlehnung an die Hauptschule) sowie die Berufsschulen (in Anlehnung an BMHS).

Die Inhalte des Lehrplans für islamische Religion in den unterschiedlichen Schularten und Schulstufen gründen sich auf die Interpretation der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich als offizielle Vertretung der Musliminnen und Muslime in diesem Land und steht in keinem Widerspruch zu staatlichem Recht.