BUNDESGESETZBLATT
FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 2006

Ausgegeben am 8. Mai 2006

Teil I

55. Bundesgesetz:

Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG

(NR: GP XXII RV 1299 AB 1381 S. 142. BR: AB 7518 S. 733.)

55. Bundesgesetz über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz - PatVG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen

Anwendungsbereich

§ 1. 

  1. Absatz einsDieses Bundesgesetz regelt die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Patientenverfügungen.
  2. Absatz 2Eine Patientenverfügung kann verbindlich oder für die Ermittlung des Patientenwillens beachtlich sein.

Begriffe

§ 2.

  1. Absatz einsEine Patientenverfügung im Sinn dieses Bundesgesetzes ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist.
  2. Absatz 2Patient im Sinn dieses Bundesgesetzes ist eine Person, die eine Patientenverfügung errichtet, gleichgültig, ob sie im Zeitpunkt der Errichtung erkrankt ist oder nicht.

Höchstpersönliches Recht, Fähigkeit der Person

§ 3.

Eine Patientenverfügung kann nur höchstpersönlich errichtet werden. Der Patient muss bei Errichtung einer Patientenverfügung einsichts- und urteilsfähig sein.

2. Abschnitt
Verbindliche Patientenverfügung

Inhalt

§ 4.

 In einer verbindlichen Patientenverfügung müssen die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, konkret beschrieben sein oder eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Aus der Patientenverfügung muss zudem hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt.

Aufklärung

§ 5.

 Der Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung muss eine umfassende ärztliche Aufklärung einschließlich einer Information über Wesen und Folgen der Patientenverfügung für die medizinische Behandlung vorangehen. Der aufklärende Arzt hat die Vornahme der Aufklärung und das Vorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift zu dokumentieren und dabei auch darzulegen, dass und aus welchen Gründen der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt, etwa weil sie sich auf eine Behandlung bezieht, die mit einer früheren oder aktuellen Krankheit des Patienten oder eines nahen Angehörigen zusammenhängt.

Errichtung

§ 6.

  1. Absatz einsEine Patientenverfügung ist verbindlich, wenn sie schriftlich unter Angabe des Datums vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen (§ 11e Kranken- und Kuranstaltengesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1957,) errichtet worden ist und der Patient über die Folgen der Patientenverfügung sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs belehrt worden ist.
  2. Absatz 2Der Rechtsanwalt, Notar oder rechtskundige Mitarbeiter der Patientenvertretungen hat die Vornahme dieser Belehrung in der Patientenverfügung unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift durch eigenhändige Unterschrift zu dokumentieren.

Erneuerung

§ 7.

  1. Absatz einsEine Patientenverfügung verliert nach Ablauf von fünf Jahren ab der Errichtung ihre Verbindlichkeit, sofern der Patient nicht eine kürzere Frist bestimmt hat. Sie kann unter Einhaltung der Formerfordernisse des § 6 nach entsprechender ärztlicher Aufklärung erneuert werden; damit beginnt die Frist von fünf Jahren neu zu laufen.
  2. Absatz 2Einer Erneuerung ist es gleichzuhalten, wenn einzelne Inhalte der Patientenverfügung nachträglich geändert werden. Dabei sind die Bestimmungen über die Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung entsprechend anzuwenden. Mit jeder nachträglichen Änderung beginnt die in Abs. 1 genannte Frist für die gesamte Patientenverfügung neu zu laufen.
  3. Absatz 3Eine Patientenverfügung verliert nicht ihre Verbindlichkeit, solange sie der Patient mangels Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit nicht erneuern kann.

3. Abschnitt
Beachtliche Patientenverfügung

Voraussetzungen

§ 8.

 Eine Patientenverfügung, die nicht alle Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 erfüllt, ist dennoch für die Ermittlung des Willens des Patienten beachtlich.

Beachtung der Patientenverfügung

§ 9.

 Eine beachtliche Patientenverfügung ist bei der Ermittlung des Patientenwillens umso mehr zu beachten, je eher sie die Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit der Patient die Krankheitssituation, auf die sich die Patientenverfügung bezieht, sowie deren Folgen im Errichtungszeitpunkt einschätzen konnte, wie konkret die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, beschrieben sind, wie umfassend eine der Errichtung vorangegangene ärztliche Aufklärung war, inwieweit die Verfügung von den Formvorschriften für eine verbindliche Patientenverfügung abweicht, wie häufig die Patientenverfügung erneuert wurde und wie lange die letzte Erneuerung zurückliegt.

4. Abschnitt
Gemeinsame Bestimmungen

Unwirksamkeit

§ 10.

  1. Absatz einsEine Patientenverfügung ist unwirksam, wenn
    1. Ziffer eins
      sie nicht frei und ernstlich erklärt oder durch Irrtum, List, Täuschung oder physischen oder psychischen Zwang veranlasst wurde,
    2. Ziffer 2
      ihr Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist oder
    3. Ziffer 3
      der Stand der medizinischen Wissenschaft sich im Hinblick auf den Inhalt der Patientenverfügung seit ihrer Errichtung wesentlich geändert hat.
  2. Absatz 2Eine Patientenverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn sie der Patient selbst widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll.

Sonstige Inhalte

§ 11.

 Der Wirksamkeit einer Patientenverfügung steht es nicht entgegen, dass darin weitere Anmerkungen des Patienten, insbesondere die Benennung einer konkreten Vertrauensperson, die Ablehnung des Kontakts zu einer bestimmten Person oder die Verpflichtung zur Information einer bestimmten Person, enthalten sind.

Notfälle

§ 12.

 Dieses Bundesgesetz lässt medizinische Notfallversorgung unberührt, sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet.

Pflichten des Patienten

§ 13. 

Der Patient kann durch eine Patientenverfügung die ihm allenfalls aufgrund besonderer Rechtsvorschriften auferlegten Pflichten, sich einer Behandlung zu unterziehen, nicht einschränken.

Dokumentation

§ 14.

  1. Absatz einsDer aufklärende und der behandelnde Arzt haben Patientenverfügungen in die Krankengeschichte oder, wenn sie außerhalb einer Krankenanstalt errichtet wurden, in die ärztliche Dokumentation aufzunehmen.
  2. Absatz 2Stellt ein Arzt im Zuge der Aufklärung nach § 5 fest, dass der Patient nicht über die zur Errichtung einer Patientenverfügung erforderlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt, so hat er dies, gegebenenfalls im Rahmen der Krankengeschichte, zu dokumentieren.

Verwaltungsstrafbestimmung zum Schutz vor Missbrauch

§ 15.

 Wer den Zugang zu Einrichtungen der Behandlung, Pflege oder Betreuung oder den Erhalt solcher Leistungen davon abhängig macht, dass eine Patientenverfügung errichtet oder dies unterlassen wird, begeht, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 50 000 Euro, zu bestrafen.

5. Abschnitt
Schlussbestimmungen

Personenbezogene Bezeichnungen

§ 16.

 Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

Verweisungen

Paragraph 17,

 Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

In-Kraft-Treten

§ 18.

 Dieses Bundesgesetz tritt mit dem auf den Monat seiner Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft. Patientenverfügungen, die zu diesem Zeitpunkt bereits errichtet sind, sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen.

Vollziehung

§ 19.

 Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz betraut.

Fischer

Schüssel