Gericht

Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum

30.07.2013

Geschäftszahl

D18 405977-1/2009

Spruch

D18 405977-1/2009/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin MMag. Dr. SCHNEIDER als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI als Beisitzer über die Beschwerde der römisch 40 , StA Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.03.2009, FZ 08 02.351-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.04.2013 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 3,, 8 Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, und Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

römisch eins.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, reiste laut eigenen Angaben am 10.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sie gab an, die im Spruch genannte Identität zu führen.

römisch eins.2. In ihrer Erstbefragung nach Asylgesetz am 10.03.2008 vor der Polizeiinspektion römisch 40 gab sie zusammengefasst als Fluchtgrund an, eine Woche nach dem neuen Jahr werde in römisch 40 , einem Dorf in Edo State, ein Festival mit einem Ritual zelebriert. Dabei werde immer ein junges Mädchen geopfert. Der so genannte "Chief Priest" habe dieses Jahr (Anmerkung: somit 2008) die Beschwerdeführerin als Opfer ausgesucht. Es würden ausschließlich Mädchen geopfert, die älter als 16 Jahre alt wären. Damit die Polizei der Beschwerdeführerin helfen würde, müsste sie dieser Geld bezahlen. Wenn aber die Leute, welche die Beschwerdeführerin opfern wollten, darüber Kenntnis erlangen würden, dass sie der Polizei Geld bezahlt habe, würden diese Personen der Polizei noch mehr Geld zahlen und die Beschwerdeführerin würde dennoch zu den Leuten (welche sie opfern wollten) gebracht werden. Auf die Frage hin, ob die Leute, welche die Beschwerdeführerin opfern wollten, einen eigenen Namen bzw. Bezeichnung hätten, konnte die Beschwerdeführerin dazu keine Angaben tätigen.

römisch eins.3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin am 13.03.2008 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes einvernommen. Sie gab zusammengefasst an, dass ihre Angaben richtig, vollständig und wahrheitsgetreu wären. Nach Schilderungen hinsichtlich ihrer Ausreise gab die Beschwerdeführerin an, sie habe ihren Herkunftsstaat verlassen, weil in ihrem Dorf römisch 40 jedes Jahr bei einem Ritual ein Mensch geopfert werde. Dies erfolge im Rahmen eines Festivals namens "Igwe", welches eine Woche nach Neujahr stattfinde und zwei Wochen dauere. Jedes Jahr werde ein Kandidat von den Medizinmännern dazu ausgewählt. Einen Tag vor ihrer Opferung habe sie ihr Vater darüber informiert, dass sie dafür ausgewählt worden wäre. Er habe ihr erklärt, dass sie die nächste sei, welche für dieses Ritual "verwendet" werde. Sie habe geweint und gesagt, dass sie doch nicht einfach auf diese Art sterben könne. Die Beschwerdeführerin habe ihren Vater angefleht, dass er die Leute bitte, sie nicht zu opfern. Er habe jedoch gemeint, es sei nicht möglich, weil es Tradition im Dorf wäre. Sie wäre zu einem Pastor gerannt und habe diesem alles erzählt. Er habe erklärt, dass sich die Beschwerdeführerin zunächst in der Kirche aufhalten solle.

Befragt führte sie aus, dass sie das Opferritual nicht beschreiben könne, dies würden die Medizinmänner im Wald durchführen. Befragt konnte sie den Namen des Opfers aus dem Vorjahr nicht angeben, weil die Person nicht aus ihrer Familie gewesen wäre. Befragt gab sie an, dass sie sich nicht an die Polizei gewandt habe, weil diese bestechlich wäre und untätig bliebe.

Auf Vorhalt, dass Menschenopfer in Nigeria unter Mord subsumiert werden und befragt, wie sie sich erkläre, dass die Behörden noch nicht darauf aufmerksam geworden wären, wenn tatsächlich jährlich ein Opferfestival abgehalten werde, schilderte die Beschwerdeführerin, dass die lokalen Behörden daran gewöhnt wären und nichts machen würden, um dies zu stoppen.

römisch eins.4. Am 30.09.2008 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich im Beisein der gesetzlichen Vertretung von einem Organwalter der Außenstelle Linz befragt und gab zusammengefasst an, sie wäre die letzte Nacht vor ihrer Ausreise in Kaduna im Norden bei ihrem Pastor aufhältig gewesen. Ihr Dorf römisch 40 , in welchem sie geboren und aufgewachsen wäre und bis zu ihrer Ausreise gelebt habe, liege im Edo State. Benin City sei rund eine halbe Stunde von ihrem Heimatort entfernt und es würden rund 100 Einwohner in diesem Dorf leben.

Die Beschwerdeführerin verwies befragt nach ihrem Fluchtgrund erneut darauf, dass sie von ihrem Vater erfahren hätte, dass sie am folgenden Tag als Opfer im Zuge eines Festes ihres Heimatortes geopfert hätte werden sollen. Sie wäre deshalb zu ihrem Pastor geflüchtet, der sie nach Kaduna gebracht habe. Der Pastor habe sie mit seinem Auto in einer rund sechsstündigen Fahrt nach Kaduna gebracht. Sie verneinte, dass sie mit Bus nach Kaduna gelangt wäre, wie sie im Rahmen ihrer Erstbefragung angegeben hatte. Befragt, was Igue bedeute, gab die Beschwerdeführerin an, dies sei der Name des Festes. Auf erneute Frage, gab die Beschwerdeführerin an, dies nicht zu wissen. Das Fest würde zwei Wochen dauern, sie selbst würde dieses Fest jedoch nicht feiern, weil sie Christin wäre. Seit sie ungefähr acht oder zehn Jahre alt gewesen wäre, habe sie dieses Fest nicht mehr gefeiert. Ihr Vater sei kein Christ. Sie habe die Mädchen, welche im Laufe der Jahre geopfert worden wären, nicht gekannt, denn es wären immer Mädchen von anderen Straßen gewesen. Auf Vorhalt, dass es sich um andere gleichaltrige Mädchen in einem rund 100 Einwohner umfassenden Dorf gehandelt hätte, und diese ihr deshalb bekannt sein müssten, erwiderte die Beschwerdeführerin, sie wäre mit diesen Mädchen nicht zusammengekommen ,weil sie eine Christin wäre und viele andere Mädchen keine Christen gewesen wären.

Ihr Vater habe ihr erzählt, dass die Schwester ihrer verstorbenen Mutter in Warri lebe, sie kenne diese jedoch nicht. In römisch 40 gebe es weitschichte Verwandte ihres Vaters, zu denen sie keinen guten Kontakt habe.

römisch eins.5. Am 02.10.2008 wurde seitens des Organwalters eine Anfrage an die Staatendokumentation gestellt und das Ergebnis (a-6371-1), datiert mit 17.10.2008, langte am 24.10.2008 beim Bundesasylamt ein.

römisch eins.6. Ihrer gesetzlichen Vertretung wurden die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation und die Allgemeinen Feststellungen der Behörde zu Ihrem Herkunftsland im Postwege übermittelt. Weiters wurde die gesetzliche Vertretung darauf aufmerksam gemacht, dass die Beschwerdeführerin innerhalb von drei Wochen zu den Feststellungen Stellung nehmen könne und widrigenfalls aufgrund der Aktenlage entschieden werde.

römisch eins.7. Zu den Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland brachte das Amt für Soziales, Jugend und Familie als gesetzliche Vertretung innerhalb offener Frist eine schriftliche Stellungnahme, datiert mit 04.12.2008, ein. Darin wurde zusammengefasst eine Einvernahme der minderjährigen Beschwerdeführerin wiedergegeben, wonach sie ausgeführt hätte, in ihrem Heimatdorf finde das Igue-Fest so statt, wie sie es in der Einvernahme beschrieben habe. Die in der Anfragebeantwortung dargestellt Version des Festes werde offensichtlich in großen Städten gefeiert, bei ihnen würden sich die Ältesten des Dorfes an einen Platz im Wald begeben, wo sie das Opfer darbringen würden. Die Beschwerdeführerin behauptete erneut, dass in ihrem Dorf Mädchen geopfert würden, da dies manche Christen nicht akzeptierten, würden diese als Feinde betrachtet. Der Oba sei der Chef der Igue¿s, im Dorf der Chef der Chiefpriest, dieser entscheide, was gemacht werde. Würde die Mutter der Beschwerdeführerin noch leben, wüsste die Beschwerdeführerin nunmehr vielleicht Bescheid, was bei den Ältesten im Wald vor sich gehe. Nach ihrem Kenntnisstand würden die Ältesten auch entscheiden, wer geopfert werde. Sie müssten dem Chiefpriest Respekt erweisen, nach dem Fest würden die Ältesten zum "Oba" gehen, um mit ihm zu sprechen. Die Opfergaben sollten Frieden und Glück bringen.

römisch eins.8. Mit Bescheid vom 30.03.2009, FZ 08 02.351-BAL, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, idgF., ab (Spruchpunkt römisch eins.), erklärte, dass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen werde (Spruchpunkt römisch II.), und wies die Beschwerdeführerin unter einem gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt römisch III.).

Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht habe. Es habe nicht festgestellt werden können, wie sie von Nigeria nach Österreich gelangt wäre. Es habe nicht festgestellt werden können, dass in Edo State alljährlich im Dezember das Igue-Fest gefeiert werde, welches vom Oba zelebriert werde und das neue Jahr einleite. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Festes in ihrem Heimatdorf geopfert hätte werden sollen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie in ihrem Heimatdorf einer konkreten gegen sie gerichteten Verfolgung von Seiten der Dorfbewohner ausgesetzt gewesen wäre. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK festgestellt werde können. Es habe unter der Berücksichtigung aller bekannter Umstände nicht festgestellt werden können, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Verletzung von Artikel 2,, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder sie als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt wäre. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie in Österreich über schützenswerte private oder familiäre Bindungen verfüge. Aufgrund der erheblichen Diskrepanzen in wesentlichen Teilen ihres Vorbringens werde im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Glaubwürdigkeit hinsichtlich ihres Gesamtvorbringens erheblich erschüttert. Ferner gehe das Bundesasylamt im Lichte der Anfragebeantwortung, welche in sich schlüssig und nicht widerlegbar sei, davon aus, dass sie ihr Vorbringen nicht selbst erlebt habe.

römisch eins.9. Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde ein, da der Bescheid inhaltlich rechtwidrig und rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sei. Ihr Vorbringen sei als gänzlich unwahr erachtet worden und als Feststellung einer rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden hätte können. Aus den Feststellungen gehe jedoch hervor, dass zumindest in der Vergangenheit Menschenopfer im Rahmen des Igue Festes durchgeführt worden wären und es diesbezüglich auch Gerüchte gebe. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte die Behörde daher die Möglichkeit, dass es beim Igue Fest zur Opferung von Menschen komme, nicht verneinen können. Die vom Bundesasylamt festgestellten Widersprüche seien weder der Anzahl noch dem Inhalt nach derart, dass sie die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens erschüttern vermocht hätten. Bei "chief priest" und "Medizinmann" würde es sich zudem um die gleiche Person handeln. Die Behörde habe sich nicht hinreichend mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt, weshalb eine mündliche Verhandlung anzuberaumen wäre.

Zusammen mit der Beschwerde wurde eine Bestätigung vom 06.03.2009 übermittelt, wonach die Beschwerdeführerin im Schuljahr 2008/09 die sechse M-Klasse der Schulform Gymnasium bis 14. Februar 2009 besucht hat.

römisch eins.10. Am 14.04.2011 wurden der Beschwerdeführerin Länderfeststellungen aus 2010 und 2011 zum Herkunftsstaat mit der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt.

römisch eins.11. Am 02.05.2011 langte beim Asylgerichtshof eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin ein, in welcher zusammengefasst angegeben wurde, sie habe von September 2008 bis Februar 2009 ein Gymnasium besucht. Am 10.03.2011 habe sie die Abschlussprüfungen an der Hauptschule erfolgreich abgelegt. Von 03.11.2010 bis 25.03.2011 habe sie an der Bildungsmaßnahme "Interkulturelle Qualifizierung zum Einstieg in Gesundheitsberufe für MigrantInnen" teilgenommen, darüber habe sie ein Zertifikat über den erfolgreichen Abschluss erhalten. Zusätzlich habe sie einen "Erste Hilfe Grundkurs" und ein Praktika in einem Krankenhaus und einem Pflegeheim absolviert. Sie spreche gut Deutsch und sei bemüht, ihre Deutschkenntnisse weiter zu vertiefen. Sie habe bereits an verschiedenen Deutschkursen teilgenommen, verfüge diesbezüglich auch über Urkunden, welche besagen, dass sie diese Deutschkurse mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen habe. Sie wolle so bald wie möglich einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehen und somit für ihren Lebensunterhalt aus Eigenem aufkommen. Für dieses Anliegen habe sie bereits mehrere aktive Schritte eingeleitet, jedoch ohne Erfolg. Sie ersuche um Berücksichtigung, dass sie in Österreich ein Privatleben führe. Sie pflege tiefe Freundschaften zu vielen österreichischen Staatsbürgern, die sie unterstützen würden und diesbezüglich brachte sie ein Unterstützungsschreiben in Vorlage. Sie sei aktives Mitglied der römisch 40 und nehme regelmäßig an Gottesdiensten teil. Sie verfüge über keinerlei Bindungen zum Herkunftsstaat, seit ihrer Flucht aus Nigeria bestünden keine Kontakte mehr zu ihren Verwandten. Im Falle einer Rückkehr nach Nigeria habe sie weder eine Wohnmöglichkeit noch eine Arbeitsmöglichkeit. Niemand könne ihr einen finanziellen Rückhalt gewähren. Eine Ausweisung aus Österreich würde einen unzulässigen Eingriff in ihr Privatleben darstellen und würde eine unzumutbare Entwurzelung darstellen. Hinsichtlich ihrer dargelegten Aktivitäten in Österreich wurden Bestätigungen und Zeugnisse übermittelt.

römisch eins.12. Am 18.05.2011 wurde dem Asylgerichtshof eine Stellungnahme hinsichtlich der aktuellen Situation in Nigeria übermittelt, wonach die Feststellungen des Asylgerichtshofs zum Heimatland (aus 2010 und 2011) belegen würden, dass es zu zahlreichen Ritualtötungen komme und dass diese Ritualtötungen zu einer allgemeinen (gebräuchlichen, alltäglichen) Praxis in Nigeria gehören würden. Die Gründe für derartige Tötungen wären Religion, Aberglaube und Armut. Jährlich würden hunderte Nigerianer durch die Ausübung dieser Rituale ihr Leben verlieren, es könne davon ausgegangen werden, dass der Staat Nigeria nicht im Stande sei, die Durchführung der Ritualtötungen zu verhindern und die ausgewählten Opfer dieser Rituale ausreichend zu beschützen. Sie sei während des Igue Festes zum Menschenopfer auserwählt worden und hätte umgebracht werden sollen. Aus diesem Grund habe sie ihre Heimat verlassen. Im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria würde sie sich an keinem Ort sicher fühlen, weil man sie überall finden könnte. Die Polizei in Nigeria lasse sich leicht bestechen und würde den Dorfbewohnern als Gegenleistung für Bezahlung von Geld mit Sicherheit eine Information über ihren neuen Aufenthalt vermitteln. Die Dorfbewohner würden die Beschwerdeführerin daraufhin finden und töten. Ihr Heimatland könne ihr vor Verfolgungen dieser Art keinen ausreichenden Schutz bieten. Ihr Leben würde in Nigeria einer großen Gefahr ausgesetzt sein. Die Beschwerdeführerin verweise überdies auf den Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria, Stand Februar 2011, vom Auswärtigen Amt, in dem festgestellt werde, dass ein Umzug in einen anderen Teil des Landes mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein könne, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterte Verwandtschaft lebe, da dort kein soziales Netzwerk vorhanden sei. Als alleinstehende Frau - ohne jegliche wirtschaftliche Unterstützung seitens des Staates sowie seitens ihrer Verwandten und ohne soziales Netzwerk - würde sie in einem anderen Ort ihrer Heimat in eine existenzielle Notlage geraten. Ein zusätzliches unüberwindbares Problem würde für sie die Tatsache bedeuten, dass sie als Frau wirtschaftlich diskriminiert wäre und keine bzw. nur eine sehr geringe Chance habe - einer Beschäftigung nachzugehen um damit ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Außerdem würde sie als alleinstehende, besonders verwundbare Frau Gefahren der Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs und anderen Bedrohungen unterliegen. Vor diesem Hintergrund ersuche sie um Gewährung von subsidiärem Schutz, falls ihr kein Asyl gewährt werde. Jedenfalls sei jedoch ihre Ausweisung aufgrund ihrer gut gelungenen Integration für auf Dauer unzulässig zu erklären.

römisch eins.13. Am 19.03.2012 langte eine Eingabe beim Asylgerichtshof ein, in der ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin seit September 2011 eine zweijährige Wirtschaftsfachschule besuche. Die Beschwerdeführerin plane den Beruf einer Sozialbetreuerin auszuüben, um alten und kranken Menschen zu helfen. Zusammen mit der Eingabe wurde eine Schulnachricht der Wirtschaftsfachschule für das Schuljahr 2011/12 für die Beschwerdeführerin übermittelt.

römisch eins.14. Am 20.04.2012 langte ein Bericht über Rotlichtkontrollen für den Zeitraum März 2012 ein, im Rahmen derer auch die Beschwerdeführerin angetroffen wurde.

römisch eins.15. Aufgrund der Geschäftsverteilung 2013 wurde diese Rechtssache abgenommen und der nunmehr entscheidenden Gerichtsabteilung mit 02.01.2013 neu zugeteilt.

römisch eins.16. Zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs vom 13.03.2013 aktuelle Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat unter Einräumung einer 14tägigen Frist zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt.

römisch eins.17. Am 17.04.2013 führte der zuständige Senat des Asylgerichtshofes im Beisein der Beschwerdeführerin eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache durch, welcher ein Vertreter des Bundesasylamtes fernblieb. Diese öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gestaltete sich in den wesentlichen, hier wiedergegebenen Teilen wie folgt:

"VR befragt die Partei, ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Diese Fragen werden von der Partei dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe bei ihr vorliegen.

...

VR hält fest, dass die fortgeschrittene Schwangerschaft der BF nicht aktenkundig war, und der Verhandlungstermin abberaumt worden wäre, wenn die BF in Ihrer aktuellen Stellungnahme darauf hingewiesen hätte.

Bundesrat:, Können Sie die Schule aufgrund Ihrer Schwangerschaft abschließen?

BF: Ich habe die Schule bereits im Herbst 2012 abgeschlossen, jedoch nur die einjährige Ausbildung gemacht und um eine weitere Ausbildung als Altenpflegerin bei der Caritas angesucht, eine Absage erhalten, ich wurde jedoch auf die Warteliste gesetzt.

Bundesrat:, Sind Sie vielleicht verheiratet? BF: Nein.

VR: Wer ist der Vater des Kindes? BF: Er ist in Italien aufhältig. Er stammt aus Afrika aus Nigeria und hat für Italien ein Visum.

VR: Wo haben Sie den Vater des Kindes kennengelernt? BF: In Österreich.

VR: Führen Sie eine Beziehung mit dem Vater des Kindes? BF: Ich treffe ihn sehr selten in Österreich. Wir stehen aber in Kontakt.

VR: Sind Sie aktuell, außer betreffend Ihre Schwangerschaft, in medizinischer Behandlung?

BF: Nein.

VR: Wie lautet Ihre aktuelle Adresse?

BF: Ich wohne in der römisch 40 .

VR: Können Sie heute Identitätsdokumente vorlegen?

BF: Ich kann keine Identitätsdokumente vorlegen.

VR: Wie lautet Ihr richtiger Name? BF: Ich führe den angeführten Namen im Asylverfahren, mein Geburtsdatum lautet römisch 40 .

VR: Wovon leben Sie hier in Österreich?

BF: Ich erhalte Geld von der Volkshilfe.

VR: Arbeiten Sie auch? BF: Nein.

VR: Sie wurden in römisch 40 angetroffen, wo Sie angeblich seit römisch 40 als Prostituierte arbeiten sollen? BF: Das stimmt. Ich arbeitete dort nur kurz. Damals benötigte ich Geld. Es ist keine Arbeit, die ich ständig machte. Ich war dort von Mai oder Juni 2012 für ca. 3 Wochen oder 1. Monat tätig. Ich wollte damals mit der Schule aufhören, da ich so viele Dinge in meinem Kopf hatte, dann ging ich nach römisch 40 , um dort zu arbeiten, aber es war nicht, was ich wollte und so ging ich zurück zur Schule.

VR: Wohnen Sie in einem Grundversorgungsquartier oder haben Sie eine private Wohnung? BF: Es ist eine private Wohnung, ich wohne dort mit einer Freundin. Die genaue Größe weiß ich nicht, aber es gibt ein großes und ein kleines Zimmer.

VR: Was haben Sie seit letztem Herbst gemacht, als Sie die zweijährige Wirtschaftsfachschule schon nach 1 Jahr aufgehört haben?

BF: Ich habe seither gar nichts gemacht. Ich wollte schon letzten September mit der Ausbildung als Pflegehelferin beginnen, ich habe auch die Prüfung gemacht, aber man sagte mir, es wären zu viele Bewerber und ich würde auf die Warteliste gesetzt, ich müsste bis zum nächsten Termin warten. In Linz ist es überhaupt schwer eine solche Ausbildung ohne Dokumente zu bekommen, dort gibt es so etwas eigentlich nicht, diese Chance habe ich nur in Wien bekommen.

VR: Sind Sie immer wieder in Wien aufhältig? BF: Nicht wirklich, manchmal komme ich nach Wien, um Freunde zu besuchen, aber ich bleibe nie länger als 2 oder 3 Tage.

VR: Falls Sie in Österreich bleiben könnten, wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt? BF: Wenn ich diese Schule fertig mache, dann würde ich eine Arbeit bekommen und dann könnte ich hier leben.

Vorhalt: Sie haben noch nicht einmal einen Ausbildungsplatz, wovon könnten Sie leben? BF: Wenn ich diese Ausbildung mache, dann bekäme ich ein Zeugnis, dann könnte ich hier arbeiten und leben.

Bundesrat:, Nachgefragt, sie bekommen demnächst ein Kind, wie können Sie die Kinderbetreuung organisieren, da Ihr Freund ja in Italien lebt und selbst sich nicht um das Kind kümmern kann? BF: Ich denke, ich werde schon jemanden zum Babysitten finden und dann die Schule besuchen können.

VR: Bitte schildern Sie, welchen Nationalitäten Ihre Freunde in Österreich angehören. In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit diesen?

BF: Die Schulfreunde sind großteils aus Österreich. In der Kirche habe ich Freunde aus Nigeria und Ghana.

VR: Haben Sie sonst in Österreich einen Partner, oder würden Sie den Vater des Kindes als Ihren Partner bezeichnen? BF: Nein, ich habe in Österreich keinen Freund.

VR: Engagieren Sie sich in Vereinen, machen Sie gemeinnützige Arbeiten, bzw. vor Ihrer Schwangerschaft?

BF: Ich gehe zu einer afrikanischen Kirche. Jetzt im Moment nicht mehr, aber früher habe ich Praktiken in Krankenhäuser und in dem Altenheim gemacht.

Bundesrat:, Haben Sie sonst außer der Zeit in der Bar in römisch 40 noch irgendwo gearbeitet?

BF: Nein. Ich war auch beim AMS, ich wollte um Arbeit bitten, aber man sagte mir, mit meiner Karte dürfe ich nicht arbeiten.

VR: Möchten Sie betreffend Ihrer Integration noch etwas anführen?

BF: Nein, ich glaube nicht.

VR: Haben Sie Familie hier in Österreich?

BF: Nein.

VR: Wie geht es Ihrem Bruder und Ihrem Vater im Heimatland? BF: Das weiß ich nicht, ich habe seit meiner Einreise in Österreich nichts von ihnen gehört. Ich habe nie versucht, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

VR: Welche Verwandten hatten Sie noch im Heimatland? BF: Ich hatte eine Tante von der mir mein Vater einmal erzählt hat, aber die lebt in einem anderen Bundesstaat von Nigeria und ich habe sie nicht gesehen.

VR: Wann ist Ihre Mutter verstorben? BF: Mein Vater erzählte mir, sie wäre verstorben als ich 3 Monate alt war.

VR: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF: Ich habe einen Bruder und vier Schwestern.

VR: Wieso haben Sie die Schwestern nie im Verfahren angegeben? BF:

Man hat mich nie danach gefragt.

VR: Wo leben Ihre Schwestern? BF: Ich glaube, sie leben alle bei meiner Tante, denn ich war die einzige, die bei meinem Vater wohnte.

VR: Wo lebt Ihr Bruder? BF: Mein Bruder wohnte im selben Dorf, wie ich und mein Vater, aber ich habe ihn kaum gesehen, denn die Beziehung zwischen meinem Vater und meinem Bruder war nicht gut.

VR: Wie eng war der Kontakt zu Ihren 4 Schwestern? BF: Wir standen uns schon nahe, allerdings konnten wir nicht viel Kontakt zueinander haben, da wir nicht einmal ein Telefon hatten. Sie kamen schon zu Besuch, aber nicht all zu oft.

VR: Wo konkret haben diese gewohnt? BF: Nein, ich kann nur den Namen des Bundesstaates aufschreiben, dort wird auch eine andere Sprache gesprochen. Diese beherrsche ich nicht.

VR: Wenn man engen Kontakt zu den Schwestern hat, dann kann man auch die Adresse angeben.

BF: Sie leben in Warri, Delta State.

VR: Haben Sie Kontakt zu Ihren Schwestern, seit Sie in Österreich aufhältig sind? BF: Nein. Ich versuchte es über Facebook, aber es ist mir bis jetzt nicht gelungen.

VR: Welche Ausbildung haben Sie im Heimatland erhalten? BF: 6 Jahre Grundschule und 6 Jahre Mittelschule.

VR: Wie lange nach Schulende sind Sie ausgereist? BF: Die Ausreise war nicht lange nach meinem Schulabschluss, ich glaube, ich habe 2007 die Schule abgeschlossen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber gleich nachdem das Problem im Jänner 2008 begann.

VR: Haben Sie in der Zeit zwischen Sommer 2007 und Jänner 2008 gearbeitet? BF: Nein, ich habe nur meinem Vater bei der Landwirtschaft geholfen.

VR: Sie haben vom BAA bereits entsprechende Länderinformationen erhalten, sowie vom Asylgerichtshof Länderinformationen mit der Ladung bekommen, wonach es insbesondere bei diesem rituellen Fest keine Menschenopfer gibt, weshalb mussten Sie also das Land verlassen?

BF: In meinem Dorf römisch 40 werden beim Igue-Fest Menschen geopfert, nämlich Mädchen, für diese Rituale wird nicht jemand beliebiger ausgewählt, sondern man befragt das Orakel. Das Orakel entscheidet dann, wer zu opfern ist. Als mir mein Vater sagte, dass man mich opfern möchte, begann das Problem, ich musste fliehen, ich bin dann zu meinem Pastor gelaufen und schilderte ihm die Situation und dieser brachte mich dann weg vom Dorf.

VR: Wann hat Ihnen Ihr Vater erzählt, dass man Sie opfern will? BF:

Er hat es mir erst kurz vor dem Tag von dem Fest gesagt, denn er wusste wohl, dass ich davonlaufen würde, wenn er es mir früher sagen würde. Er hat es mir erst wenige Tage vor dem Fest gesagt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich es nicht genau sagen kann, denn damals war ich völlig durcheinander im Kopf, ich weiß nur, dass es wenige Tage vor dem Fest war.

VR: Wenn Ihr Vater wusste, dass Sie fliehen wollen, wie gelang Ihnen dann die Flucht?

BF: Nachdem mir mein Vater erst wenige Tage vor dem Fest davon erzählt hat, dachte er, dass ich jetzt wohl nicht mehr davonlaufen würde. Als er auf die Farm ging, hatte er wohl Vertrauen zu mir als seine Tochter, dass ich nicht fliehen würde, außerdem wusste er ja, dass es keinen Ort gibt, wo ich hingehen hätte können.

VR: Sie gaben an, dass Sie einen Bruder in der gleichen Ortschaft hatten und auch Ihre 4 Schwestern in Warri, Sie hätten folglich genügend Möglichkeiten gehabt.

BF: Mit meinem Bruder habe ich nie gesprochen, ich war noch klein, als er auszog. Wegen der schlechten Beziehung zwischen ihm und meinem Vater konnte ich nicht zu ihm hingehen. Von den 4 Schwestern wusste ich nur, dass sie in Warri leben, aber die Adresse wusste ich nicht, deswegen konnte ich auch dort nicht hingehen.

VR: Gab es bei Ihnen im Dorf eine Kirche, wo Sie den Pastor fanden?

BF: Ja, es gibt immer eine Kirche im Dorf.

VR: Wie gut kannten Sie diesen Pastor? BF: Ich kannte ihn gut, er hieß römisch 40 . Es war ein Nigerianer.

VR: Weshalb haben Sie bei Ihrer Erstbefragung angegeben, dass Sie den Pastor noch nie gesehen hatten? BF: Nein, das habe ich nicht gesagt. Wenn ich ihn nie zuvor gesehen hätte, wie hätte er mir dann helfen können?

VR: Wie lange haben Sie sich dann beim Pastor in Ihrer Ortschaft aufgehalten? BF: Als ich zum Pastor in die Kirche floh, sagte er mir, ich solle eine Zeitlang bei ihm warten und dann brachte er mich weg.

VR: Wie brachte er Sie von der Kirche weg? BF: In seinem Auto brachte er mich nach römisch 40 .

VR: Weshalb haben Sie zuvor angegeben, dass Sie der Pastor in einen Bus gesetzt hat? BF: Nein, das habe ich nicht gesagt, denn ich rannte um mein Leben und hätte er mich in einen Bus gesetzt, dann hätten mich die Leute dort doch gesehen. Er brachte mich mit einem Auto weg.

VR: Wohin hat er Sie konkret gebracht? BF: Ich war noch nie zuvor im Norden des Landes gewesen. Er sagte, ich solle einfach mitkommen und ich ging einfach mit. Ich kannte mich dort nicht aus.

VR: Brachte er Sie zu einem Schiff, oder Zug, oder Flugzeug, in eine andere Kirche?

BF: In Kaduna hat mich der Pastor auf ein Zimmer gebracht, dort hielt ich mich einige Zeit lang auf, später kam ein Mann, dem ich folgen sollte, dieser brachte mich schließlich auf ein Schiff.

VR: Wann brachte Sie dieser Mann auf das Schiff? BF: Ein paar Tage später. Genau kann ich es nicht sagen, wenn man solche Probleme hat, dann kann man sich nicht erinnern.

VR: Verbrachten Sie die gesamte Zeit in diesem Raum? BF: Ja, denn ich sollte warten. Der Pastor hat mich auf das Zimmer gebracht und gemeint ich sollte warten und ein anderer Mann holte mich dann ab.

VR: Wie sah das Zimmer aus? BF: Es war ein normales Zimmer mit Fenstern. Aber sonst war nichts in dem Zimmer.

VR: Es gab keine Möbel? BF: In Afrika kann man auch auf den Boden schlafen.

VR: Gab es eine Toilette? BF: Nein, in Afrika ist es nicht üblich, dass Toiletten im Zimmer sind, die ist meistens draußen. Ich habe keine Toilette gesehen.

VR: Hatten Sie etwas zu Essen oder zu Trinken? BF: Nein. Ich habe nichts getrunken dort, solange bis der Mann kam und meinte, ich solle ihm folgen. Das tat ich dann.

VR: Ich halte fest, Sie haben also mehrere Tage ohne Essen und ohne Trinken in einem Raum ohne Möbel und ohne Toilette verbracht? BF:

Das habe ich nicht gesagt, ich sagte, es gab keine Toilette im Zimmer. Die Toilette war draußen. Man kann auch rausgehen.

Vorhalt: Sie haben zuvor gesagt, sie waren nie draußen. BF: Der Mann sagte ich solle in dem Zimmer bleiben, aber er hat nicht gesagt, dass ich nicht raus durfte, um mich zu erleichtern.

VR: Dann schildern Sie bitte wie das Gebäude und die Umgebung ausgesehen hat. Können Sie die Adresse angeben? BF: Es war ein normales Haus, allerdings hatte ich ein solches Haus vorher noch nie gesehen, denn es war ganz anders gebaut als bei uns zu Hause. Das Haus war von der Form anders, es war aus Bambusstöcken, Erde und Sand, es war wie ein Dreieck gebaut.

VR: Wie viele Nächte haben Sie in diesem Raum bzw. Haus verbracht?

BF: Ich kann es nicht genau sagen, aber ich habe dort ein paar Tage verbracht.

VR: Wie weit war Kaduna von Ihrem Heimatdorf entfernt? BF: Ich glaube wir sind 6 Stunden gefahren.

VR: Sie haben angegeben, dass Sie aus einem sehr kleinen Dorf mit ca. 100 Einwohnern stammen und für das Ritual nur Mädchen aus dem Dorf genommen werden. Können Sie den Namen der in den Jahren vor Ihnen ausgewählten Mädchen angeben?

BF: Ich kenne die Namen nicht, denn wenn jemand nicht aus der eigenen Familie oder eigenen Straße kommt, dann ist es schwierig zu sagen, um wen es sich handelt. Jedenfalls wurde jedes Jahr ein Mädchen für das Ritual geopfert. Wären es Mädchen aus meiner Straße gewesen, dann wäre es einfach zu sagen, aber man spricht so etwas nicht offen aus.

VR: Dass es sich um ein kleines Dorf handelt, daran halten Sie fest?

BF: Man hat mich damals gefragt, wie viele Leute in meinem Dorf leben und ich habe geantwortet, dass ich das nicht weiß, dann fragte man mich nochmals, ich sagte ungefähr 100, aber es könnten auch mehr sein, denn es kommt ca. täglich in unserem Dorf jemand zu Welt.

VR: Sie gaben an, dass Sie im Dorf die Volksschule besucht haben, gingen alle gleichaltrigen Kinder mit ihnen in die Klasse? BF: Nicht alle Kinder gingen zur Schule, manche gingen zur Schule, andere auf die Farm.

VR: Wie groß war die Schule und wie viele Schüler gab es? BF: Es dürften ca. 30 gewesen sein mit denen ich alle 6 Jahre die Volksschule besucht habe. Nachgefragt gebe ich an, dass 30 Schüler in meiner Klasse waren. Es gibt für jedes Alter eine eigene Klasse mit jeweils ca. 30 Schülern.

Vorhalt: Das war also eine große Schule mit beinahe 180 Schülern.

BF: Ja, aber nicht alle Schüler kamen aus meinem Dorf. Es kamen auch andere Schüler, die nicht so eine gute Schule hatten.

VR: Wollen Sie noch etwas vorbringen, was Sie noch nicht vorgebracht haben? BF: Nein, ich glaube nicht.

VR: Ihre anderen Geschwister, haben diese dieselben Eltern wie Sie?

BF: Mein Bruder und ich haben dieselben Eltern, meine Schwestern haben eine andere Mutter.

VR: Sind die Schwestern älter oder jünger als Sie? BF: Sie sind älter.

VR: Was ist mit der Mutter der Schwestern geschehen, da diese ja bei der Tante leben? BF: Mein Vater hat mir das so erzählt, dass er sich von der Mutter getrennt hätte und dann für die Kinder nicht mehr sorgen konnte und diese so zu seiner Schwester gehen mussten.

VR: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr befürchten, Sie haben noch zahlreiche Verwandte im Heimatland, Sie könnten sich auch in eine der großen Städte begeben und allenfalls Zuflucht bei Ihrer Kirchengemeinschaft suchen? BF: Erstens gäbe es nichts, was ich in Nigeria tun könnte und außerdem habe ich die Schule hier in Österreich abgeschlossen. In Nigeria könnte ich nicht leben, überall ist Korruption. Ich könnte in Nigeria auch nicht arbeiten, da ich nur über die Basis-Ausbildung verfüge. Zu meinen Schwestern könnte ich auch nicht gehen, da ich nicht mal ihre Adresse weiß.

VR: Wie geht es Ihrem Vater? BF: Das weiß ich nicht, denn seit meiner Ausreise hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm.

VR: Was ich nicht verstehe ist, weshalb Ihr Vater Sie als seine einzige mit ihm lebende Tochter opfern wollte und nicht versucht hat, Sie zu retten. Zudem halte ich fest, dass aus den Länderfeststellungen und Ermittlungsergebnissen eindeutig hervorgeht, dass es keine Menschenopfer mehr gibt. BF: So berichtet man das in Nigeria. Man deckt so viele Themen ab, aber nennt die großen Dinge nicht wirklich. Mein Vater hatte gar nicht das Recht, diese Opferung zu verhindern, wenn das Orakel das so bestimmt. Denn dieser Brauch existiert in unserem Dorf.

VR: Hat Ihr Vater Ihnen zur Flucht verholfen? BF: Nein, er wusste davon nichts, hätte er davon gewusst, wäre er bestraft worden.

VR: Wie groß war Ihre Religionsgemeinschaft, die Pastor römisch 40 betreute? BF: Ich kann das nicht sagen, das ist eigentlich Aufgabe der Kircheneinweiser. Außerdem kamen manche umliegende Personen aus anderen Dörfern mit dem Rad.

Ich kann nicht sagen, wer dort alles war.

Vorhalt: Sie kommen aus einer kleinen Gemeinde und wollen den Eindruck erwecken, dass Sie niemanden kennen und keine Angaben machen können. Sie müssen zumindest wissen, ob ihre Familienmitglieder, Nachbarn etc. ebenfalls zur Kirche gingen.

BF: Mein Vater ist kein Christ. Er ging nie in die Kirche, sondern nur ich. Natürlich habe ich Nachbarn gesehen, wie viele es waren, weiß ich nicht. Ich würde sagen, wir waren etwas mehr.

VR: Welchen Glauben hat Ihr Vater? BF: Traditionelle Religion.

VR: Wie war er dazu eingestellt, dass Sie Christin sind? BF: Es war nicht negativ eingestellt. Er sagte mir, wenn ich zur Kirche gehen möchte, dann könne ich das tun. Wenn ich die Dinge mit ihm gemeinsam machen möchte, dann könne ich das auch tun. Anfangs habe ich die Dinge mit meinem Vater gemacht, er hat zB. kleines Geflügel und Hühner geschlachtet. Zwischen 8 und 10 Jahren ging ich dann in die Kirche.

Bundesrat:, Wurden Sie getauft? BF: Ja. Das dürfte gewesen sein als ich zwischen 12 und 13 Jahre alt war. Mein Vater war nicht bei der Taufe dabei.

VR: Möchten Sie noch etwas angeben? BF: Nein.

VR: Sie haben von der Fachschule für wirtschaftliche Berufe ein positives Zeugnis für das erste Schuljahr erhalten, auch hatten Sie sonst keine weitere Ausbildung in Sicht, da Sie ja lediglich auf der Warteliste standen, weshalb haben Sie folglich nicht auch das zweite Jahr der Wirtschaftsfachschule besucht, sondern diese abgebrochen?

BF: Ich war schon sehr müde und durcheinander. Nachgefragt gebe ich an, es war dann nicht mehr interessant für mich, denn wenn die Schule irgendwohin fuhr, musste ich in Österreich bleiben, das hat mich nicht mehr interessiert. Manchmal sind sie nach Deutschland oder nach Kanada gefahren, um Dinge zu machen. Ich konnte da nie mit und war dessen schon überdrüssig.

Festgehalten wird, dass die BF über gute Deutschkenntnisse verfügt."

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerdeverhandlung einen Mutter-Kind-Pass, Geburtstermin laut römisch 40 sowie ein Konvolut an Dokumenten, Zeugnissen, Bestätigungen und Unterstützungserklärungen vor.

römisch eins.18. Am römisch 40 wurde im österreichischen Bundesgebiet die Tochter der Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin zu D18 436523-1/2013) geboren. Hinsichtlich der Tochter stellte die Beschwerdeführerin am 26.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

römisch eins.19. Der erkennende Senat des Asylgerichtshofes hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag die Beschwerde der minderjährigen Tochter ebenfalls gemäß Paragraphen 3,, 8 Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, und Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, als unbegründet abgewiesen.

römisch II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

römisch II.1. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in die dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter bzw. in die seitens des Asylgerichtshofes getätigten Auskünfte in diverse öffentliche Register und in die vorgelegten Dokumente sowie durch persönliche Einvernahme der Beschwerdeführerin in der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 sowie durch Erörterung der mit der Ladung übermittelten Länderdokumente.

römisch II.2. Der Asylgerichtshof geht in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Zur Person und den Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria. Die Identität der Beschwerdeführerin steht mangels identitätsbezeugender Dokumente (mit Lichtbild) nicht fest.

Die Beschwerdeführerin reiste laut eigenen Angaben am 10.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Art und Gründe für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin konnten mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt werden. Die behauptete Verfolgung kann nicht festgestellt werden, wonach in ihrem kleinen Heimatort kurz nach Neujahr ein Festival mit einem Ritual zelebriert wird, bei dem jedes Jahr ein junges Mädchen aus dem Dorf geopfert wird und die Beschwerdeführerin 2008 ausgewählt worden sein soll; sie wäre geflüchtet, weil sie von der Polizei keinen Schutz vor dieser Ermordung erhalten hätte, falls sie sich hilfesuchend an diese gewandt hätte. Geglaubt wird der Beschwerdeführerin jedoch, dass zahlreiche weitere Verwandte von ihr im Herkunftsstaat leben und arbeiten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass die Beschwerdeführerin, für die keine wesentlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch ärztliche Befunde glaubhaft dargelegt wurden, an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden würde, dass diese eine Rückkehr nach Nigeria unzulässig machen würden.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter in Österreich vorliegt. Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Der unbescholtenen Beschwerdeführerin kam zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylverfahren gestütztes Aufenthaltsrecht zu. Die Beschwerdeführerin, die in Österreich Deutschkurse besucht hat und über gute Deutschkenntnisse verfügt, hat zudem ein Jahr lang eine Fachschule für wirtschaftliche Berufe besucht, das zweite Schuljahr jedoch nicht mehr besucht, sondern die Wirtschaftsfachschule abgebrochen. Sie absolviert keine gemeinnützige Arbeit, engagiert sich nicht in Vereinen, ist jedoch Mitglied einer afrikanischen Kirchengemeinschaft und ging in Österreich (abgesehen von einer kurzzeitigen Tätigkeit als Prostituierte) zu keiner Zeit einer Beschäftigung/Arbeit nach. Sie verfügt in Österreich abgesehen von ihrer minderjährigen Tochter über keine familiären Anknüpfungspunkte, lebt in keiner Lebensgemeinschaft und sie trifft auch den Vater ihres Kinders, der laut ihren Angaben in Italien aufhältig ist und keinen Unterhalt für ihre Tochter entrichtet, nur sehr selten im Bundesgebiet. Sie lebt in der Grundversorgung und es kann weder für die Vergangenheit noch die Zukunft von einer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden. Dass ihr als Mutter eines rund dreimonatigen Kindes eine solche zum aktuellen Zeitpunkt nicht zugemutet werden kann, wird dabei nicht übersehen. Es ist jedoch diesbezüglich darauf zu verweisen, dass hinsichtlich der Beschwerdeführerin auch in den Jahren seit ihrer Einreise bis zu ihrer Schwangerschaft bzw. zur Geburt ihrer minderjährigen Tochter keine Selbsterhaltungsfähigkeit festzustellen war und somit keine positive Prognose diesbezüglich getroffen werden kann.

Es liegt ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG 2005 vor. Mitglieder der Kernfamilie gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005, für die mit heutigem Datum gleichlautende Entscheidungen ergingen, sind:

römisch 40 , geboren am römisch 40 ,

römisch 40 , geb. am römisch 40 ,

Die Beschwerdeführerin verfügt in ihrem Heimatland über Vater, 5 Geschwister und zahlreiche weitere Verwandte.

Zur relevanten Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Situation in Nigeria wird auf die aktuellen Feststellungen des Bundesasylamtes zum Herkunftsstaat im Bescheid des Bundesasylamtes betreffend die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin, FZ. 1305.456-BAL, vom 27.06.2013, verwiesen, denen sich der Asylgerichtshof anschließt, da diese einerseits der Mutter als gesetzliche Vertreterin zur Kenntnis gebracht worden sind und sie diesen nicht widersprochen hat und andererseits den der Mutter mit der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung übermittelten Länderfeststellungen, Stand Oktober 2012, entsprechen und ein übereinstimmendes Bild über die Situation im Herkunftsstaat wiedergeben. Auszugsweise werden die wesentlichen Punkte angeführt:

Nigeria, Länderinformation von Mai 2013 mit Kurzinformation vom 25.6.2013

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen:

KI vom 25.6.2013, Ende des Moratoriums für die Todesstrafe (relevant für Abschnitt 15/Todesstrafe)

Im nigerianischen Bundesstaat Edo sind vier zum Tode Verurteilte exekutiert worden. Die Hinrichtung wurde durch Hängen vollzogen. Dies ist die erstmalige Ausführung der Todesstrafe seit dem Jahr 2006. Erst kürzlich hatte Präsident Jonathan die Gouverneure der Bundesstaaten dazu aufgerufen, Vollstreckungsbefehle zu erteilen. Es wird geschätzt, dass in Nigeria ca. 1.000 Häftlinge einsitzen, die zum Tode verurteilt worden sind. (BBC 25.6.2013)

Quellen:

BBC - BBC News (25.6.2013): Nigeria executes prisoners for first time since 2006, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-23041746, Zugriff 25.6.2013

Politische Lage

Nigeria ist eine föderale Republik, gegliedert in 36 Teilstaaten und das Federal Capital Territory (FTC, Abuja) im geographischen Zentrum des Landes. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Armee ist der Präsident der Republik, welcher für vier Jahre gewählt wird; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident führt den Vorsitz der von ihm ernannten Bundesregierung (Federal Executive Council). Jeder der 36 Bundesstaaten verfügt über eine Regierung unter Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs mit vierjähriger Amtszeit und der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl, sowie über ein Landesparlament. Der legislative Apparat ist die National Assembly, welche den 109sitzigen Senat und das Repräsentantenhaus mit 360 Sitzen umfasst. Beide werden jeweils für eine Legislaturperiode von vier Jahren durch Direktwahlen bestimmt. Der Senat setzt sich aus je drei Senatoren pro Bundesstaat sowie einem Senator des Federal Capital Territory (FCT) zusammen. (ÖBA 11.2011)

Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 16.04.2011 wurde der Kandidat der PDP und bisherige Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 58,8 Prozent der Stimmen vor dem CPC-Kandidaten Muhammadu Buhari, auf den 32 Prozent der Stimmen entfielen. Jonathan hatte als Vizepräsident das Amt von dem im Mai 2010 verstorbenen Präsidenten Umaru Musa Yar'Adua übernommen. (AA 10.2012a)

Gouverneurs- und Senatswahlen fanden 2011 in 32 der 36 Provinzen sowie im FCT statt; die Regierungspartei People's Democratic Party (PDP) verlor in den überwiegend von Yoruba bewohnten Teilstaaten an den Action Congress of Nigeria (ACN). Von 83 neu gewählten Senatoren entfielen 54 auf die PDP, 18 auf den ACN, 6 auf den Congress for Progressive Change (CPC), 4 auf die All Nigeria Peoples Party (ANPP), 2 auf die Labour Party (LP) und 1 Senator auf die All Progressives Grand Alliance (APGA). (ÖBA 11.2011) In den 36 Bundesstaaten stellt die PDP derzeit 23 Gouverneure, der ACN 6, die ANPP drei, die APGA 2, die LP und der CPC je einen Gouverneur. (AA 10.2012a)

Im Bundesparlament sind seit den Wahlen vom April 2011 neun Parteien vertreten. Die PDP verfügt in beiden Häusern über die absolute Mehrheit. Wichtigste Oppositionsparteien sind der ACN, der CPC und die ANPP. Fünf weitere Parteien sind aufgrund des Mehrheitswahlsystems nur mit wenigen Abgeordneten vertreten. Parteien in Nigeria sind vor allem Wahlplattformen für Politiker (laut Verfassung können nur Parteienvertreter bei Wahlen antreten, Unabhängige sind nicht zugelassen); eine Ausrichtung an bestimmten Interessenvertretungen oder gar Weltanschauungen gibt es bei den großen Parteien nicht, eine Orientierung an ethnischen Gruppen ist ausdrücklich verboten. (AA 10.2012a)

Nach den national und international kritisierten Wahlen von 2007 waren im Vorfeld der Wahlen 2011 verschiedene Wahlrechtsreformen durchgeführt worden. Außerdem wurde mit Professor Attahiru Jega ein respektierter neuer Vorsitzender der Nationalen Wahlkommission eingesetzt, der u. a. eine Neuregistrierung aller Wähler und mehr Transparenz im Wahlprozess - auch durch Beteiligung von Wahlbeobachtern - durchsetzte. Die Wahlen vom April 2011 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz festgestellter Mängel als "die besten Wahlen seit 1999" bezeichnet. (AA 10.2012a)

Seit Jahren gibt es eine Verfassungsreformdebatte, in Gang gehalten vor allem durch Schwächen des Grundgesetzes in der Praxis wie auch durch Kritik an den starken zentralistischen Elementen. Andererseits bedürfen viele Bundesgesetze erst der Übernahme in das Recht der Bundesstaaten, was Reformen erschwert. Eine besondere Rolle spielt die Diskussion um die Verteilung der Öleinnahmen (sie bilden den Großteil der Staatseinnahmen); diese Gelder fließen zunächst der Föderation zu und werden dann nach einem festen Schlüssel auf Bund und Bundesstaaten verteilt. Ebenso wichtig im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Frage, wie gewährleistet werden kann, dass die verschiedenen Volksgruppen an der Macht in der Bundesregierung beteiligt werden können. Bisher ist das Projekt einer Verfassungsreform nicht vorangekommen. 2010 gelang zumindest erstmals seit 1999 eine Verfassungsänderung im Rahmen der Wahlreform. (AA 10.2012a)

Die ersten Monate im Amt gelang es Präsident Jonathan, die angespannte Situation im Nigerdelta etwas zu beruhigen. Darüber hinaus engagierte er sich dafür, die Wirtschaft anzukurbeln, in dem er u.a. den Kontakt mit den Regierungen der wirtschaftlich starken Länder Europas intensivierte. (GIZ 12.2012a)

Trotz des Engagements der Regierung Jonathans stellten die Konflikte mit der islamischen Bewegung "Boko Haram" sowie die Proteste gegen die Abschaffung der staatlichen Benzinpreissubventionen das Land vor eine innere Zerreißprobe. So übten die Anhänger der "Boko Haram" seit Juni 2011 vermehrt terroristische Anschläge in Nigeria aus, die bereits mehrere hundert Tote und Verletzte verursachten. Zudem protestierte die Bevölkerung massiv gegen die Abschaffung der Benzinpreissubventionen und legte durch Streiks in vielen Städten das Wirtschaftsleben des Landes lahm. (GIZ 12.2012a)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2012a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.4.2013

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 22.4.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Sicherheitslage

In Nigeria gibt es drei Gebiete mit Unsicherheit und Spannungen: Den Nordosten, wo die islamistische Gruppe Boko Haram aktiv ist; den Middle Belt, vor allem den Bundesstaat Plateau; und das Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück. (DACH 2.2013)

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi und Sokoto, sowie den nördlichen Teil von Adamawa, angesichts von wiederholten Angriffen und Sprengstoffanschlägen militanter Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Kirchen und Moscheen. Infolge von Anschlägen Anfang August 2012 und im Januar 2013 in Okene wird auch vor Reisen in den Bundesstaat Kogi gewarnt. (AA 15.5.2013) Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. (BMEIA 22.4.2013)

Das Auswärtige Amt rät dringend von Aufenthalten im Gebiet Suleja im Bundesstaat Niger ab. Hier wurde wie in Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe, Plateau und Bauchi vorübergehend ein Ausnahmezustand verhängt. Darüber hinaus können in Nigeria, meist kaum vorhersehbar, in allen Regionen lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile). (AA 15.5.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (15.5.2013): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_73ABBA64B21991CD890534DAAADDF8D0/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/NigeriaSicherheit_node.html, Zugriff 22.4.2013

BMEIA - Bundesministerium für europäische und auswärtige Angelegenheiten (22.4.2013):

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 22.4.2013

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

Nordnigeria und Boko Haram

Die Hauptbedrohung geht in Nigeria von islamischen Extremisten aus. (FCO 22.4.2013c) Nigeria hat massive Einheiten von Sicherheitskräften und Ressourcen zur Bekämpfung der Islamisten in Bewegung gesetzt. Für die Bundesstaaten Yobe, Borno und Adamawa wurde am 14.5.2013 vom Staatspräsidenten der Ausnahmezustand verhängt. Dort soll v.a. die Boko Haram bekämpft werden, die sich in den vergangenen drei Jahren die Kontrolle über Teile des Nordostens Nigerias sichern konnte. Der Präsident hatte eingestanden, dass der Staat nicht mehr das gesamte Staatsgebiet kontrolliert. Die neuerliche Sicherheitsoperation konzentriert sich auf die Wiederherstellung der Sicherheit für Regierungseinrichtungen. Zusätzliche Truppen und militärische Hardware sind bereits im Nordosten eingetroffen. Dort befindet sich nun eine nie zuvor dagewesene Anzahl an Sicherheitskräften - vor allem der Armee. Der Korrespondent der BBC analysiert, dass sich die Sicherheitslage im Norden Nigerias sehr schnell verschlechtert und der Präsident daher gezwungen war, darauf zu reagieren, bevor es Boko Haram gelingt, eigene - islamistische - Institutionen einzusetzen. Ob aber die Verstärkung der Truppen tatsächlich die Situation verbessern wird, hängt sehr stark davon ab, wie sich die Sicherheitskräfte verhalten werden. Einige Analysten sagen bereits jetzt, dass das Militär die Unterstützung der Bevölkerung verloren habe. (BBC 15.5.2013) Bereits im Dezember 2011 hatte der Präsident für 15 LGAs (Local Government Areas) den Ausnahmezustand verhängt (Bundesstaaten Borno, Niger, Plateau, Yobe), der - mit Modifikationen - in einigen Gebieten bis heute aufrecht ist. Der Ausnahmezustand gibt den Sicherheitskräften die Möglichkeit, Verhaftungen ohne Haftbefehl vorzunehmen. In einigen Bundesstaaten des Nordens gelten auch Ausgangssperren, welche häufigen Änderungen unterworfen sind. (USDOS 22.3.2013)

Die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage in Nordnigeria ist auch ein wichtiger Grund für den radikal-islamischen Terrorismus in der Region, der die nigerianischen Sicherheitskräfte vor große Herausforderungen stellt. Die nigerianische Regierung geht entschlossen gegen die Terroristen vor und hat dabei in letzter Zeit auch einige Erfolge erzielt. (AA 10.2012a) Bei den Angriffen der Boko Haram und Gegenmaßnahmen der Sicherheitskräfte kamen seit 2009 mehr als 3.000 Menschen ums Leben, davon 900 alleine in den ersten zehn Monaten des Jahres 2012. Die Gruppe, die sich für eine strikte Form der Scharia einsetzt, hat im Jahr 2012 hunderte Angriffe gegen Polizisten, Christen und "kollaborierende" Muslime geführt. (HRW 31.1.2013) Die Mehrzahl dieser Angriffe ereignete sich in den Bundesstaaten Borno und Yobe. Allerdings gab es einen signifikanten Anstieg an Angriffen in anderen nördlichen Bundesstaaten. (FCO 22.4.2013c) Dies galt etwa für Bauchi und Kano sowie die Städte Kaduna und Zaria (Kaduna), Jos (Plateau) und Abuja. (DACH 2.2013)

Im Mai 2011 hat die Bundesregierung die Joint Task Force (JTF), zusammengesetzt aus Einheiten von Polizei, Armee und State Security Service (SSS), nach Nordost-Nigeria entsendet. Außerdem wurden Straßensperren und Kontrollpunkte eingerichtet und Ausgangssperren verhängt. Derartige Maßnahmen haben aber zur Entfremdung der Bevölkerung und zur weiteren Radikalisierung der Boko Haram beigetragen. Zahlreiche Vergehen der Sicherheitskräfte gegen Zivilisten wurden dokumentiert. (DACH 2.2013) Auch im Jahr 2012 waren Regierungskräfte für die Tötung von hunderten Menschen verantwortlich. (HRW 31.1.2013) Außerdem haben die wiederholten Zusammenstöße zwischen Boko Haram und JTF die Sicherheitssituation teilweise verschlechtert, vor allem in und um Maiduguri im Bundesstaat Borno. Einige Bewohner kollaborieren mit den Sicherheitskräften und haben schon durch Hinweise zu erfolgreichen Razzien beigetragen. (DACH 2.2013)

Auch wenn offensichtlich ist, dass Boko Haram eine ernste Bedrohung für die Sicherheit in Nord- und Zentralnigeria darstellt, ist es schwierig herauszufinden, wer heute unter dem Namen "Boko Haram" agiert und welche Bedrohungsarten von der Gruppe ausgehen. Es ist keineswegs der Fall, dass die Gruppe homogen ist oder über eine klare Hierarchie verfügt. Auch sind nicht dieselben Personen für alle der Gruppe angelasteten Angriffe verantwortlich. Vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, dass Personen, die keine Verbindungen zur ursprünglichen islamistischen Sekte Boko Haram haben, deren Namen für eigene, kriminelle Aktivitäten oder die Begleichung alter Rechnungen verwenden. Außerdem scheint sich die ursprüngliche Gruppe in mehrere Fraktionen gespalten zu haben. Die Hauptfraktion, geführt von Abubakar Shekau, stellt eine nationale Bedrohung dar. Sie richtet ihre Aktivitäten gegen den nigerianischen Staat, gegen die Polizei und gegen das religiöse Establishment des Nordens. Im Kontrast dazu steht die "Ansaru", eine im Jänner 2012 erstmals aufgetauchte Fraktion, die dem internationalen Islamismus zuzurechnen ist. Ihre Angehörigen haben Kontakt zur Al Kaida im islamischen Maghreb (AQIM) und zum Movement for Unity and Jihad in West Africa (MUJWA). Die Ansaru hat sich auf die Entführung von Ausländern in Nordnigeria spezialisiert. (DACH 2.2013)

Quellen:

BBC - British Broadcasting Corporation (15.5.2013): Nigeria declares 'massive' military campaign on borders, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-22544056, Zugriff 16.5.2013

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

FCO - Foreign and Commonwealth Office (22.4.2013c): Foreign travel advice Nigeria - Terrorism,

https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria/terrorism, Zugriff 22.4.2013

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/238819/361831_de.html, Zugriff 9.4.2013

USDOS - United States Department of State (22.3.2013): Nigeria - Country Specific Information,

http://travel.state.gov/travel/cis_pa_tw/cis/cis_987.html, Zugriff 15.5.2013

Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die mächtigeren, muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "Indigene" und "Nicht-Indigene" Bürger, oder "Gastgeber" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden. (DACH 2.2013)

Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. In einzelnen Fällen fordern solche Ausschreitungen mehrere hundert Tote, wie im zentralnigerianischen Jos (November 2008 und Januar/März 2010). (AA 10.2012a) Zum Beispiel berichtet die AFP, dass am Wochenende vor dem 2.4.2013 bei Angriffen auf drei Gemeinden im Bundesstaat Kaduna 19 Menschen getötet und 4.500 weitere vertrieben worden sind. Häuser wurden gebrandschatzt. Hierbei handelte es sich wahrscheinlich um Kämpfe zwischen muslimischen Fulani-Nomaden und christlichen Atakar-Bauern. Dutzende weitere Personen waren in den davorliegenden Wochen bei ähnlichen Gewaltakten im benachbarten Bundesstaat Plateau getötet worden. (REF 2.4.2013)

Auch im Jahr 2012 kam es zu tödlicher inter-kommunaler Gewalt, u.a. in den Bundesstaaten Plateau und Kaduna, wo 360 Personen umkamen. Getötet wurden die Opfer in vielen Fällen nur aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Affiliation. In Adamawa, Bauchi, Benue, Ebonyi, Nasarawa und Tarabe führte inter-kommunale Gewalt zu rund 185 Todesopfern und hunderten Verletzten. Den Bundes- und Bundesstaatsbehörden ist es nicht gelungen, die Spirale der Gewalt durch Verfolgung der Täter zu durchbrechen. (HRW 31.1.2013)

In Jos selbst bleibt politische Gewalt ein Problem, allerdings sind die Häufigkeit und das Maß an Gewalt im Jahr 2012 zurückgegangen. Dies ist auf die breitere Präsenz an Sicherheitskräften zurückzuführen, auf lokale Bemühungen um Versöhnung und auf die Absenz von Gewalt auslösenden Wahlen, wie in den Jahren 2008 und 2010. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2012a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.4.2013

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/238819/361831_de.html, Zugriff 9.4.2013

REF - Refworld/Agence France Presse (2.4.2013): Central Nigeria ethnic violence kills 19, displaces 4,500, http://reliefweb.int/report/nigeria/central-nigeria-ethnic-violence-kills-19-displaces-4500, Zugriff 16.3.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Nigerdelta und MEND

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias. Bis zum Amnestieangebot im Jahr 2009 hat vor allem die Gruppe MEND (Movement for the Emancipation of the Niger Delta) in der Region den bewaffneten Kampf gegen die Regierung geführt. Die MEND war auch noch zu späteren Zeitpunkten (bis Oktober 2010) für Angriffe und Attentate verantwortlich. (DACH 2.2013).

Größter Erfolg der Regierung Umaru Musa Yar'Aduas war im Jahr 2009 eben diese Amnestie für die Militanten im Nigerdelta, die von diesen mit großer Mehrheit angenommen wurde. Ob dies zu einer dauerhaften Beruhigung der Sicherheitslage in dieser Region führen wird, muss sich zeigen. Bislang wird die Amnestievereinbarung weitgehend eingehalten, so dass Kriminalität und Gewalt im Süden merklich zurückgegangen sind. (AA 10.2012a; vergleiche ÖBA 11.2011; vergleiche USDOS 19.4.2013) Gemäß den Aussagen vieler Experten bleibt die Situation im Nigerdelta aber instabil. Es ist nicht ausgeschlossen, dass frustrierte Militante früher oder später wieder zu den Waffen greifen. (DACH 2.2013)

Bis Ende 2012 haben 26.368 ehemalige Militante vom Amnestieprogramm profitiert. Viele der ehemaligen Militanten haben eine Arbeitsausbildung oder Stipendien erhalten. (USDOS 19.4.2013) Der ehemalige MEND-Führer Henry Okah wurde derweil im Frühjahr 2013 in Südafrika als Drahtzieher eines Sprengstoffanschlages der MEND im Oktober 2010 in Nigeria zu einer Haftstrafe verurteilt. (DACH 2.2013) Dies führte in jüngster Vergangenheit zu Angriffen, zu welchen sich wieder die MEND bekannt hatte: In Bayelsa wurden die Leichen von elf in einem Hinterhalt getöteten Polizisten gefunden. (BBC 10.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2012a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.4.2013

BBC - British Broadcasting Corporation (10.4.2013): Nigeria police bodies found in Niger Delta after ambush, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-22093606#, Zugriff 16.5.2013

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Rechtsschutz/Justizwesen

Das nigerianische Rechtssystem ist von Rechtspluralismus geprägt.

Dadurch ist es äußerst komplex. Unterschiedliche Rechtsquellen sind:

Die Verfassung aus dem Jahr 1999; die Bundesgesetzgebung; die Gesetzgebung der 36 Bundesstaaten; das englische Recht; traditionelles Recht der unterschiedlichen ethnischen Gruppen und Gemeinden (v.a. in Standes- und Familienangelegenheiten); die Scharia in den zwölf nördlichen Bundesstaaten Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kebbi, Niger, Sokoto, Yobe und Zamfara (betrifft nur Muslime). (DACH 2.2013) Scharia-Gerichte können auch Strafverfahren führen und etwa Körperstrafen aussprechen. (USDOS 19.4.2013)

Es gibt drei Bundesgerichte: den Supreme Court, den Court of Appeal und den Federal High Court. Zusätzlich gibt es in jedem Bundesstaat einen eigenen High Court, in manchen Bundesstaaten auch ein Scharia- oder traditionelles Berufungsgericht. Auf den unteren Ebenen finden sich Magistratsgerichte, Bezirksgerichte, Lokal-, Scharia- und traditionelle Gerichte. (DACH 2.2013) Für Militärangehörige gibt es eigene Militärgerichte. (USDOS 19.4.2013)

In der Realität ist die Justiz, trotz persönlich hoher Unabhängigkeit einzelner Richterinnen und Richter (AA 6.5.2012), relativ kompetenten und unabhängigen höheren Gerichten (FH 12.10.2012) und wiederholter Urteile gegen Entscheidungen der Administration, der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie von einzelnen politischen Führungspersonen ausgesetzt. Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung behindert außerdem die Funktionsfähigkeit des Justizapparats. (AA 6.5.2012; vergleiche FH 12.10.2012; vergleiche USDOS 19.4.2013) Das Justizministerium hat bezüglich der Ausbildung und der Länge der Dienstzeit der Richter auf Bundes- und Bundesstaatsebene strenge Richtlinien verfügt. Allerdings gibt es keine derartigen Vorschriften oder aber Überwachungsorgane für die Richter auf lokaler Ebene, was wiederum zu Korruption und Fehlverhalten führt. (USDOS 19.4.2013)

Das Recht auf ein zügiges Verfahren wird zwar von der Verfassung garantiert, ist jedoch kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht. (AA 6.5.2012)

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren Nichtregierungsorganisationen, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben. (AA 6.5.2012)

Da Scharia-Gerichte auch Strafverfahren führen, können Huddud-Strafen (Prügel, Peitsche, Amputation, Steinigung) ausgesprochen werden. Urteile von Scharia-Gerichten können auch im formalen Rechtssystem angefochten werden (etwa beim Supreme Court). (USDOS 19.4.2013) Zuletzt erregten Ermittlungen und Anklagen wegen so genannter Huddud-Straftatbestände weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit als noch in den ersten Jahren nach der Wiedereinführung des islamischen Strafrechts, da man mittlerweile davon ausgehen kann, dass entsprechende Verurteilungen im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und korrigiert werden. (AA 6.5.2012) Die Behörden haben von Scharia-Gerichten beschlossene Strafen oft nicht ausgeführt, da Berufungsverfahren lange dauern. In einigen Fällen bezahlten Verurteilte Strafen oder begaben sich in Haft, anstatt der Prügelstrafe zugeführt zu werden. Im Jahr 2012 gab es keine Berichte über Urteile nach Strafverfahren vor Scharia-Gerichten. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

FH - Freedom House (12.10.2012): Freedom of the Press 2012 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/507bcae2c.html, Zugriff 23.4.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Polizei (AA 6.5.2012). Die nigerianische Polizei (NPF) untersteht dem Generalinspektor der Polizei, der vom Präsidenten eingesetzt wird und für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich ist. Diesem unterstehen Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte in jedem Bundesstaat. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden. (USDOS 19.4.2013)

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, State Security Service (SSS) sowie paramilitärische Einheiten (die so genannten Rapid Response Squads) eingesetzt. (AA 6.5.2012) Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des SSS das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. (USDOS 19.4.2013) Dem SSS wird kein hoher Standard an Professionalität und Integrität ausgestellt. (ÖBA 11.2011)

Da die Polizei oft nicht in der Lage war, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verließ sich die Regierung in vielen Fällen auf Unterstützung durch die Armee. Zum Beispiel entsandte der Präsident im Jahr 2012 als Reaktion auf die Angriffe der Boko Haram das Militär, die Joint Task Force und die Special Task Force in die Bundesstaaten Bauchi, Borno, Kano, Kaduna, Plateau und Yobe. Weil die lokale Polizei die ethnisch-religiöse Gewalt in Jos und Kaduna nicht unterbinden konnte, wurden auch dorthin derartige Einheiten entsendet. (USDOS 19.4.2013)

Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA wird im Vergleich zu anderen Behörden mit polizeilichen Befugnissen Professionalität konstatiert. Unter diese Behörde fällt die Zuständigkeit für Dekret 33. (ÖBA 11.2011)

Die NPF, das SSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle. (USDOS 19.4.2013) Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, Willkür und geringen Diensteifer aus. Das Vertrauen in den Sicherheitsapparat ist durch immer wieder gemeldete Fälle von widerrechtlichen Tötungen, Folter und unmenschlicher Behandlung in Polizeihaft unterentwickelt. (ÖBA 11.2011) Der neue Generalinspektor der Polizei, Mohammed Abubakar, begründet die schlechte Performance und die Korruption bei der Polizei mit dem Mangel an politischer Unterstützung und Budget, schlechten Arbeitsbedingungen, fehlenden Anreizen und einer niedrigen Moral. Nur ein Teil des tatsächlich vorgesehenen Budgets erreicht tatsächlich die Polizeistationen. (USDOS 19.4.2013; vergleiche AA 6.5.2012)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Vigilante Gruppen und Hisbah

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich bewaffnete Organisationen in Form von "ethnischen Vigilantegruppen" gebildet, z. B. der Odua People's Congress (OPC) im Südwesten oder die Bakassi Boys im Südosten. Bei diesen Gruppen kann man sich gegen Zahlung eines Schutzgeldes "Sicherheit" erkaufen. Die Behörden reagieren unterschiedlich auf die "Vigilantes": Im Bundesstaat Lagos ging die Polizei gegen den OPC vor, im Osten des Landes wurde die Existenz dieser Gruppen dagegen von einigen Gouverneuren begrüßt. Die Polizei arbeitet zum Teil mit ihnen zusammen. Generell scheint die Bedeutung der Vigilantes in Städten etwas abzunehmen, in einigen ländlichen Regionen haben sie aber weiterhin eine dominante Machtposition. (AA 6.5.2012)

In verschiedenen Bundesstaaten überwacht die Hisbah-Polizei (siehe auch Abschnitt 16) die Einhaltung der religiösen Vorschriften. In Kano wird sie direkt durch den Bundesstaat betrieben, während sie in anderen Bundesstaaten ähnlich den nichtstaatlichen Bürgerwehren organisiert ist. Die Hisbah wurde vom Obersten Gericht zwar als verfassungswidrig bezeichnet, da polizeiliche Aufgaben ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sie hat ihre Tätigkeit jedoch bisher nicht eingestellt, sondern wurde lediglich umorganisiert. Der Gouverneur von Kano State begründete dies damit, dass die Hisbah keine polizeilichen, sondern gesellschaftlich-moralische Aufgaben und Befugnisse wahrnehme. An sich sollte von der Hisbah keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehen, da sie der regulären Polizei untergeordnet und in der Regel unbewaffnet ist. Allerdings kommt es immer wieder zu Kompetenzüberschreitungen sowie zur nicht zulässigen Anwendung islamischer Gesetze und Verhaltensregeln auf Nichtmuslime. (AA 6.5.2012)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

Folter und unmenschliche Behandlung

Auch wenn die Verfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, wird Folter nicht kriminalisiert. Sicherheitsbeamte (Polizisten, Soldaten und Angehörige des SSS) foltern regelmäßig, schlagen und misshandeln Demonstranten, Verdächtige und Personen in Haft. Die Polizei versuchte mittels Misshandlungen auch Geld zu erpressen. Oft wurde Folter auch angewendet, um Geständnisse zu erpressen. (USDOS 19.4.2013; vergleiche ÖBA 11.2011) Entgegen nationalen Gesetzen und dem Völkerrecht wurden unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht als Beweismittel anerkannt. (AI 24.5.2012)

Die Polizei ist auch häufig in andere Menschenrechtsverletzungen, wie hunderte extralegale Tötungen und willkürliche Verhaftungen involviert. (HRW 31.1.2013; vergleiche AI 24.5.2012) Die Joint Task Force (JTF) im Nigerdelta aber vor allem jene in den nördlichen Bundesstaaten wendete bei Razzien gegen militante Gruppen und Verdächtige exzessiv Gewalt an. Dies führte zu Todesopfern, Verletzten, Vergewaltigungen, Vertreibungen und anderen Vergehen. (USDOS 19.4.2013) Im Rahmen des Feldzugs gegen Boko Haram haben die Sicherheitskräfte mit harter Hand agiert. Im Jahr 2012 haben Sicherheitskräfte hunderte der Mitgliedschaft bei Boko Haram Verdächtigte oder Bewohner von durch Offensiven betroffenen Gebieten getötet. Die Täter gehen meist straffrei. (HRW 31.1.2013; vergleiche ÖBA 11.2011; AI 24.5.2012) Die Polizeikräfte haben, glaubwürdigen Berichten zufolge, auch sexuelle Gewalt angewendet. (USDOS 19.4.2013)

Die Polizeiführung versucht in begrenztem Maße gegenzusteuern und veranstaltet zusammen mit Nichtregierungsorganisationen Menschenrechtskurse und Fortbildungsmaßnahmen. Die harsche Zurückweisung eines 2009 veröffentlichten Berichts von Amnesty International, der der Polizei ebenfalls Folter, extralegale Tötungen und Verschwindenlassen vorwarf, verdeutlichte jedoch einmal mehr, dass menschenrechtliche Fragen für die Polizeiführung keine besondere Priorität haben. (AA 6.5.2012) Immerhin wurde im Juli eine E-Mail-Adresse eingerichtet, an welche Bürger Meldungen über Polizeigewalt und Misshandlungen richten können. Außerdem haben seit der Einführung von Menschenrechtsbeauftragten an den Polizeistationen diese mehr als 1.000 Fälle registriert, von welchen 500 behandelt worden waren. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

AI - Amnesty International (24.5.2012): Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights,

http://www.ecoi.net/local_link/217517/339424_de.html, Zugriff 13.5.2013

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/238819/361831_de.html, Zugriff 9.4.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Korruption

Das Gesetz sieht für Korruption Strafen vor. Allerdings setzt die Regierung dieses Gesetz nicht effektiv um und Beamte gehen bei korrupten Aktivitäten oft straffrei aus. Die massive, weitverbreitete und tiefgreifende Korruption betrifft alle Ebenen in den Behörden und bei den Sicherheitskräften. (USDOS 19.4.2013) Die Korruption bleibt nach wie vor ein wichtiges Entwicklungshindernis Nigerias. In der Bekämpfung der Korruption sind seit dem Beginn der Vierten Republik im Jahre 1999 nur wenige Erfolge zu verzeichnen. (GIZ 12.2012a)

Es gab die weitverbreitete Auffassung, dass Richter leicht zu bestechen seien und Prozessparteien sich daher nicht auf Gerichte verlassen sollten, um ein unparteiisches Urteil zu erhalten. Die Bürger mussten sich auf lange Verzögerungen einstellen und berichteten davon, dass Justizangestellte für eine Beschleunigung der Fälle oder genehme Urteile Schmiergeld forderten. (USDOS 19.4.2013)

Bei der Polizei grassiert die Korruption. Berichte über die Eintreibung von Geldern an Straßensperren nahmen ab, nachdem der Generalinspektor der Polizei die Schließung aller Polizeistraßensperren verlautbarte. Allerdings gibt es in einigen Regionen nach wie vor illegale Straßensperren. Der Generalinspektor hat auch versucht, die Police Monitoring Unit zu stärken, die zu Kontrolle von Polizisten eingerichtet worden war. Die Einheit bleibt jedoch ineffektiv und es kam zu keinen Verhaftungen. Zwar konnten Staatsbürger Korruptionsvorwürfe bei der NHRC (National Human Rights Commission) einbringen, doch wurde diese in keinem Fall aktiv. (USDOS 19.4.2013)

Die Anti-Korruptions-Bemühungen der EFCC (Economic and Financial Crimes Commission) und der Independent Corrupt Practices and Other Related Offenses Commission (ICPC) sind größtenteils ineffektiv. Letztere halt ein breites Mandat bezüglich der Verfolgung aller Formen von Korruption, während erstere auf Finanzdelikte beschränkt ist. Trotz ihres breiten Mandats hat die ICPC seit ihrer Gründung im Jahr 2000 erst 60 Verurteilungen erreicht. (USDOS 19.4.2013)

Die EFCC hat im Kampf gegen die Wirtschafts- und Drogenkriminalität einige Erfolge zu verzeichnen. Aufgrund der Bemühungen gegen die Korruption konnte Nigeria auf dem Korruptionsindex 2012 von Transparency International von 182 untersuchten Staaten auf Platz 143 avancieren. Im Vorfeld der Wahlen 2011 hat die EFCC zudem korrupte Politiker von den Wahlen ausschließen lassen. (GIZ 2012a) Allerdings gab der Vorsitzende der EFCC, Ibrahim Lamorde, im März 2012 bekannt, dass die Kommission selbst korrupt sei und einer "Reinigung" bedürfe. Unter Lamorde brachte die EFCC weitere prominente öffentlich Bedienstete vor Gericht. Nach einem im April 2012 veröffentlichten Bericht des Repräsentantenhauses über die Veruntreuung bzw. durch Korruption verlorene Summe von 6,8 Milliarden US-Dollar aus dem Fuel Subsidy Program hat die EFCC bereits im Juli 20 Untersuchungen eingeleitet und Ende 2012 in 50 Fällen Anklage erhoben. Bisher ist es noch zu keinen Verurteilungen gekommen. Auch gegen zahlreiche andere Prominente (u.a. ehemalige Minister und Gouverneure) ist es in anderen Fällen zu Anklagen gekommen bzw. wurden diese verhaftet. (USDOS 19.4.2013)

Im August 2012 begann das Code of Conduct Bureau (CCB) die persönliche Finanzsituation der 36 Gouverneure der Bundesstaaten und der aktiven Minister zu überprüfen. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 22.4.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Sie beobachten die Menschenrechtslage, recherchieren zu Vorwürfen und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe. (USDOS 19.4.2013; vergleiche ÖBA 11.2011; vergleiche AA 6.5.2012)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Ombudsmann

Die Aufgabe der National Human Rights Commission (NHRC) ist die Beobachtung der Menschenrechtslage und der Schutz der Menschenrechte. Die NHRC verfügt über Niederlassungen in den sechs politischen Zonen des Landes. Sie veröffentlicht periodische Berichte über spezifische Menschenrechtsverletzungen (u.a. Folter oder Haftbedingungen). Aufgrund der schlechten Budgetierung sind die Aktivitäten der NHRC eingeschränkt. Seit 2011 ist die Kommission allerdings mit einem eigenen Gesetz legitimiert und ihre Unabhängigkeit gesetzlich festgeschrieben. Auch die Geldzuweisungen wurden geregelt. Das Gesetz sieht außerdem eine höhere Anerkennung für Ergebnisse und Beschlüsse der NHRC vor. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Situation hat sich seit Amtsantritt der Zivilregierung 1999 deutlich verbessert - Freilassung politischer Gefangener, Presse- und Meinungsfreiheit, keine Vollstreckung der Todesstrafe, allerdings keine Abschaffung. Auch wenn sich die Regierung ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, die auch in der Verfassung als einklagbar verankert sind, bekennt, bleiben viele menschenrechtliche Probleme wie Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen und insbesondere das Problem des Frauen- und Kinderhandels ungelöst. Daneben ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger vor Willkürhandlungen von Vertretern der Staatsmacht nicht verlässlich gesichert und es besteht weitgehende Straflosigkeit bei Verstößen durch Angehörige der Sicherheitskräfte sowie bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus. (ÖBA 11.2011; vergleiche AA 10.2012a)

Nigeria unterzeichnete und ratifizierte zahlreiche spezifische Abkommen in Bezug auf Menschenrechte innerhalb des Rahmens der ECOWAS, der Afrikanischen Union, sowie der Vereinten Nationen; wobei die Inkorporierung ins innerstaatliche Recht unterschiedlich fortgeschritten ist. (ÖBA 11.2011)

Ratified

-Optional Protocol to the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (CEDAW-OP); Ratified

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2012a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.4.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Meinungs- und Pressefreiheit

Nigeria verfügt über eine große und lebendige Medienlandschaft. Zahlreiche private Zeitungen und zunehmend auch private Radioanstalten und Fernsehsender tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria. (AA 10.2012b; vergleiche USDOS 19.4.2013) Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt. Zeitungen werden in vielen abgelegenen Gebieten nicht zeitnah vertrieben. Manche Zeitungen kämpfen um das wirtschaftliche Überleben. Viele Radiosender beschränken sich aus Kostengründen darauf, internationale oder regionale Popmusik zu spielen. Auf kontroverse Darstellungen zu Religionsthemen verzichten die Medien weitgehend mit Blick auf die erheblichen Sensibilitäten in der nigerianischen Gesellschaft. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen wird eine zunehmende Zahl von Radiolizenzen durch Privatsender beantragt und gewährt. (AA 10.2012b)

In der Verfassung und in den Gesetzen sind Meinungsfreiheit und Pressefreiheit festgeschrieben. Trotzdem hat die Regierung diese Rechte manchmal eingeschränkt. Sicherheitskräfte schlugen, verhafteten und belästigten Journalisten - etwa in Zusammenhang mit der Berichterstattung bei sensiblen Themen wie Korruption und Sicherheit. Es kommt auch zu Selbstzensur. Außerdem hat die islamistische Boko Haram Journalisten bedroht, angegriffen und getötet. (USDOS 19.4.2013)

Bestechung und Korruption bleiben in der Medienindustrie ein Problem. Eine Studie aus dem Jahr 2009 in Lagos hatte ergeben, dass 61 Prozent der 184 befragten Journalisten regelmäßig im Dienst "braune Umschläge" erhalten haben. Allerdings gaben 74 Prozent der Befragten an, dass derartige Geschenke nicht zu voreingenommener Berichterstattung führen würden. Dies könnte darin wurzeln, dass diese Form der Korruption derart verbreitet ist. (FH 12.10.2012)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2012b): Nigeria - Kultur und Bildung, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Kultur-UndBildungspolitik_node.html, Zugriff 23.4.2013

FH - Freedom House (12.10.2012): Freedom of the Press 2012 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/507bcae2c.html, Zugriff 23.4.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Verfassung und Gesetze erlauben Versammlungsfreiheit. Allerdings hat die Regierung diese Freiheit fallweise eingeschränkt, wenn Versammlungen verboten wurden, welche nach Ansicht der Regierung zu Unruhen hätten führen können. In Gebieten mit Gewaltausbrüchen entschieden Polizei und Sicherheitskräfte die Genehmigung von öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wendeten Sicherheitskräfte übermäßige Gewalt an, welche auch zu Todesopfern und Verletzten führte. (USDOS 19.4.2013)

Die Verfassung und Gesetze gewährten die Vereinigungsfreiheit. Diese wurde generell auch durch die Regierung respektiert. Das Gleiche gilt auch für die Gründung von Parteien. Ende des Jahres 2012 waren bei der Independent National Electoral Commission (INEC) 56 Parteien registriert. (USDOS 19.4.2013) Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. (AA 6.5.2012) So wurden am 5.11.2012 in Enugu mindestens hundert Personen verhaftet, nachdem sie an einem Marsch für die Unabhängigkeit Biafras teilgenommen hatten. Dabei hatte das Biafran Zionist Movement (BZM), eine Abspaltung der MASSOB, die Unabhängigkeit erklärt und die Flagge von Biafra gehisst. Bei den Inhaftierten handelte es sich hauptsächlich um junge Männer, aber auch um Veteranen des Biafra-Krieges. Sie wurden des Verrats angeklagt, später jedoch - nach dem Fallenlassen der Anklage - wieder auf freien Fuß gesetzt. (BBC 6.11.2012; vergleiche BBC 21.12.2012) Die MASSOB selbst reklamiert eine größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes und verfolgt auch sezessionistische Ziele, weshalb Teilnehmer an MASSOB-Veranstaltungen immer wieder wegen landesverräterischer Aktivitäten vor ordentlichen Gerichten angeklagt werden. Laut Medienberichten wurden viele Angeklagte vorzeitig gegen Zahlung einer Kaution bzw. einer Ehrenerklärung freigelassen, in anderen Fällen endeten Verfahren mit Freispruch. (AGH 17.11.2011; vergleiche AGH 20.12.2011) Am 8.5.2012 waren in Asaba, Delta State, sechs Männer zu Haftstrafen verurteilt worden, weil sie sich offen zur Mitgliedschaft bei der Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) bekannten und deren Abzeichen getragen hatten. Es wurde Berufung eingelegt. Zu Jahresende 2012 befanden sich die sechs Männer noch in Haft. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

AGH - Asylgerichtshof (17.11.2011): Erkenntnis, Geschäftszahl A14 401807-1/2008 Spruch A14 401.807-1/2008/15E

AGH - Asylgerichtshof (20.12.2011): Erkenntnis, Geschäftszahl A3 312792-1/2008 Spruch A3 312.792-1/2008/14E

BBC - British Broadcasting Corporation (21.12.2012): The Biafrans who still dream of leaving Nigeria, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-20801091#, Zugriff 13.5.2013

BBC - British Broadcasting Corporation (6.11.2012): Biafra protests:

Nigeria police in mass arrests, http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-20209365, Zugriff 13.5.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Haftbedingungen

Das Nigerian Prison Service hat im März 2012 eine Statistik veröffentlicht, wonach sich in diesen Haftanstalten 50.920 Häftlinge befinden. Davon waren rund zwei Prozent weiblich und ein Prozent minderjährig. Die Bedingungen in Haftanstalten bleiben hart und lebensbedrohend. Die Häftlinge leiden unter massiver Überbelegung, Nahrungsmittelknappheit, inadäquater medizinischer Versorgung. Die meisten der 234 Haftanstalten des Landes sind 70 oder 80 Jahre alt und es mangelt dort an grundlegender Infrastruktur. Es kommt zu Bedrohungen, Erpressungen und Misshandlungen seitens des Gefängnispersonals. Manchmal werden Häftlinge beiderlei Geschlechts gemeinsam gehalten - vor allem im ländlichen Raum. Jugendliche werden oft gemeinsam mit Erwachsenen gehalten. (USDOS 19.4.2013)

Monitoring-Besuche durch die National Human Rights Commission (NHRC) finden statt. Die Kommission stellt auch einen jährlichen Bericht über die Haftanstalten zusammen. Auch das Justizministerium überprüft die Gefängnisse. Die Regierung gestattete externes Monitoring von Haftanstalten, allerdings gelang es dem nigerianischen Roten Kreuz nicht, regelmäßige Besuche durchzuführen. Die Regierung unternahm im Jahr 2012 keine Verbesserungen bei den Haftanstalten. Allerdings versuchten einzelne Gefängnisverwaltungen Geld von NGOs und religiösen Organisationen zu sammeln. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Religionsfreiheit

Freie Religionswahl und Religionsausübung sind in Kap. römisch IV, Artikel 38, der Verfassung verankert. Die Regierung achtete Religionsfreiheit in der Praxis (ÖBA 11.2011; vergleiche USDOS 30.7.2012; vergleiche UKHO 1.2013). Einzelne Bundesstaatsregierungen, Einzelpersonen und Gruppen außerhalb der Regierung begingen diesbezüglich manchmal Gesetzesbruch. (USDOS 30.7.2012) Diese von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt bleibt straflos, (ÖBA 11.2011) weshalb sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit schwierig gestaltet. (GIZ 12.2012c)

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Regierung die Lage hinsichtlich des Schutzes des Rechtes auf Religionsfreiheit verschlechtern oder verbessern würde. Insgesamt gelingt es der Regierung nicht, kommunale Gewalt einzudämmen, Vergehen zu untersuchen und Schuldige zu verurteilen. Insgesamt herrscht diesbezüglich ein Klima der Straffreiheit. Von derartiger Gewalt betroffen waren politische und ethnische Rivalen, Geschäfte, Wohnhäuser, Kirchen, Moscheen und ländliche Gemeinden. (USDOS 30.7.2012)

Die Verfassung verbietet Gebietskörperschaften ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen, in der Praxis bevorzugen Bundesstaaten in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. (ÖBA 11.2011) Es gibt Berichte über gesellschaftliche Vergehen oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Orientierung, des Glaubens oder aufgrund der Religionsausübung. (USDOS 30.7.2012)

Vier Staaten mit erweitertem Scharia-Geltungsbereich (Zamfara, Niger, Kaduna, Kano) haben private Gruppen wie die Hisbah zur Rechtsdurchsetzung ermächtigt und gewähren dafür staatliche Zuschüsse. In bestimmten Fällen sind diese Gruppen ermächtigt, Verhaftungen vorzunehmen. Bislang beschränkt sich ihre Zuständigkeit in erster Linie auf Verkehrsdelikte und die Marktaufsicht. Auch wenn der erweiterte Scharia-Geltungsbereich auf Nicht-Muslime keine Anwendung findet, sind diese durch bestimmte durch den Moralkodex inspirierte Sitten (etwa Geschlechtertrennung in öffentlichen Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Verkehrsmitteln) betroffen. (ÖBA 11.2011)

Personen, die Angst vor der Scharia-Gerichtsbarkeit haben, haben auch das verfassungsmäßige Recht, dass ihre Fälle im formalen Rechtssystem behandelt werden. Personen, die Angst vor Hisbah-Gruppen (lokale Scharia-Gruppen in Nordnigeria) haben, können eine innerstaatliche Fluchtalternative in Gebieten in Anspruch nehmen, wo diese Gruppen nicht tätig sind oder keinen Einfluss haben. (UKHO 1.2013)

Jene Personen, die sich vor einer Verfolgung durch Boko Haram fürchten, sollten in der Lage sein, sich Schutz bei Behörden zu suchen oder eine innerstaatliche Fluchtalternative außerhalb Nordnigerias in Anspruch zu nehmen, wo Angriffe der Boko Haram weniger häufig vorkommen. (UKHO 1.2013)

Quellen:

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012c): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 22.4.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

UKHO - United Kingdom Home Office (1.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5108f3a72.html, Zugriff 22.4.2013

USDOS - United States Department of State (30.7.2012): 2011 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/223380/344998_de.html, Zugriff 22.4.2013

Religiöse Gruppen

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen. (CIA 12.4.2013 / GIZ 12.2012c / USDOS 30.7.2012)

Der Großteil der Muslime sind Sunniten, es gibt eine kleine, aber wachsende Minderheiten von Schiiten und Izala (Salafisten). Unter den Christen finden sich Römisch-Katholische, Anglikaner, Baptisten, Methodisten, Presbyterianer und nicht-traditionelle evangelikale Christen und Pfingstkirchler sowie Mormonen. (USDOS 30.7.2012)

Der Norden, dominiert von den ethnischen Gruppen der Hausa-Fulani und Kanuri, ist mehrheitlich muslimisch. Wesentliche christliche Gemeinschaften leben jedoch seit mehr als 50 Jahren auch im Norden und gingen Mischehen mit Muslimen ein. Im Middle Belt, darunter dem Federal Capital Territory, leben sowohl Christen als auch Muslime in gleicher Zahl. Dies gilt auch für den Südwesten, wo die ethnische Gruppe der Yoruba vorherrscht. Obwohl die meisten Yoruba dem Christentum oder Islam angehören, übt eine große Anzahl an Yoruba auch traditionelle religiöse Bräuche aus. Die ethnischen Gruppen des Südostens sind mehrheitlich Christen. Im Nigerdelta, wo die ethnischen Gruppen der Ogoni und Ijaw überwiegen, sind ebenfalls Christen in der Mehrheit. Muslime machen dort nur etwa 1% der Bevölkerung aus. (USDOS 30.7.2012)

Quellen:

CIA - Central Intelligence Agency (12.4.2013): The World Factbook - Nigeria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 22.4.2013

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012c): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 22.4.2013

USDOS - United States Department of State (30.7.2012): 2011 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/223380/344998_de.html, Zugriff 22.4.2013

Spannungen zwischen Muslimen und Christen

Das Verhältnis zwischen den Anhängern der beiden Religionen, den Muslimen und den Christen, ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein auch nur annähernd in Verbindung gebrachter Vorfall im christlichen Süden gegen Muslime wird sofort Reaktionen im Norden hervorrufen, die immer wieder zum Tod von sogenannten Nichtgläubigen führen. Dies gehört mittlerweile zum politischen Alltagsgeschehen in Nigeria. (GIZ 12.2012c) Angriffe der extremistischen Boko Haram forderten das Leben von Christen und Muslimen. Gewalt, Spannungen und Feindseligkeiten zwischen Christen und Muslimen nahmen zu, vor allem im "Middle Belt". (USDOS 30.7.2012) Seit 1999 liegt die offizielle Zahl bei mehr als 10.000 Toten aufgrund von religiösen Unruhen, tatsächlich dürfte die Zahl um ein Vielfaches höher sein. (GIZ 12.2012c)

Von einem "Religionskrieg" oder von "Christenverfolgung" in Nigeria zu reden, wäre zwar nicht völlig falsch, griffe aber doch zu kurz. Die Probleme sind komplexer und bedürfen zu ihrer Lösung oder wenigstens doch Eindämmung einer differenzierteren Analyse als ein stereotypes religiöses Feindbild. Natürlich hat Boko Haram angekündigt, die Christen zu bekämpfen und tut dies auch in äußerst abstoßender und grausamer Weise. Gleichzeitig macht es sich aber auch viele moderate Moslems zu - überwiegend stillschweigenden - Feinden. Vielen Moslems ist es gleichgültig, was und woran die Christen glauben, solange sie sich bloß friedlich und tolerant verhalten. Umgekehrt gilt dasselbe. Die ethnischen Gegensätze sind zudem noch tiefer als die religiösen. Dies erkennt man u.a. an der Geringschätzung, die Moslems aus dem Norden gewöhnlich für ihre Glaubensbrüder aus dem Süden, die islamischen Yoruba, zu erkennen geben. Sie seien keine "echten" Moslems, dürfen oft nicht einmal als Vorbeter fungieren. Das trennende Element ist Ethnizität, nicht Religiosität. Auch eine vollständige Bekehrung aller Nigerianer zum Islam würde daran nichts ändern. Sie wären Moslems zweiter Klasse. (KAS 4.2012)

Quellen:

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012c): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 22.4.2013

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (4.2012): Nigeria ein Jahr nach der Wahl - Die Konflikte nehmen zu, http://www.kas.de/wf/doc/kas_30778-1522-1-30.pdf?120420114559, Zugriff 10.4.2013

USDOS - United States Department of State (30.7.2012): 2011 International Religious Freedom Report - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/223380/344998_de.html, Zugriff 22.4.2013

Naturreligionen und Juju

Im nigerianischen Englisch bezieht sich der Begriff "Juju" auf alle religiösen Praktiken, die mehr oder weniger auf traditionellem Animismus basieren. Die Angst vor okkulten Kräften ist selbst bei christlichen und muslimischen Gemeinden sehr verbreitet. (DACH 2.2013) Die traditionellen Religionen erleben derzeit eine Art Renaissance. Je nach Volksgruppe glaubt man an Erdgeister, Wassergötter, Ahnengeister, Gottheiten, Magie und Zauberei. Ausgeprägt bei den Volksgruppen im Süden Nigerias ist der "Juju-Glaube", in dessen Zentrum Juju als magische Zauberkraft steht. Erscheinungsformen sind Juju-Wälder, Juju-Flüsse, Juju-Pflanzen, Juju-Bäume oder auch Gegenstände wie Amulett und Talisman. Trotz der Akzeptanz von Christentum und Islam sucht die breite Mehrheit der nigerianischen Bevölkerung im Juju Schutz vor fremden Mächten. Die nominelle Zugehörigkeit zu einer etablierten Religion bedeutet für viele Nigerianer/innen keineswegs die Aufgabe ihrer traditionellen Religion. (GIZ 12.2012c)

Quellen:

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012c): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 22.4.2013

Kulte und Geheimgesellschaften

Der Begriff "Kult" ist in Nigeria sehr weitgreifend und kann für jede organisierte Gruppe von Menschen verwendet werden, um welche sich Geheimnisse ranken. Der Begriff umfasst auch eine religiöse Dimension, die generell auf die Verwendung von Juju abzielt. Die Spannweite reicht von den berühmten Ogboni über ethnische Vigilantengruppen bis zu Bruderschaften an Universitäten. Kulte und Geheimgesellschaften sind vor allem im Süden von Nigeria verbreitet, nur in geringem Maße im Norden. Die geheimen Bruderschaften operieren bis hinauf in die gesellschaftliche Elite des Landes und es wird in Nigeria weithin angenommen, dass Personen an der Macht geheime Netzwerke bilden, bei welchen der Missbrauch okkulter Kräfte zur Routine gehört. (UKHO 1.2013; vergleiche DACH 2.2013) Geheimgesellschaften tragen ihren Namen nicht umsonst. Man weiß sehr wenig über sie. Daher ist eine Schätzung hinsichtlich der Anzahl der in Nigeria existierenden Geheimgesellschaften schwierig, es könnten Tausende sein. Einige dieser Gesellschaften stehen in Zusammenhang mit bestimmten Dörfern, einige mit ethnischen Gemeinschaften und/oder politischen Gruppierungen. (ACCORD 17.6.2011)

Die Ogboni sehen sich selbst eher als Loge (in Anlehnung an die Logen der Freimaurer) oder als sozialen Club, dessen Mitglieder sich in verschiedenen geschäftlichen Belangen und Lebensbereichen wie Handel oder Hochzeiten gegenseitig unterstützen. Normalbürger kommen mit der Ogboni-Gesellschaft wahrscheinlich nur dann in Kontakt, wenn sie mit einem Mitglied der Gesellschaft in Konflikt geraten. Es gibt keine Kenntnis darüber, dass Mitglieder der Gesellschaft gewaltbereit sind - wie etwa von den an Universitäten angesiedelten Kultgruppen behauptet wird. (ACCORD 17.6.2011)

Bruderschaften und Kulte sind kleine Gruppen, deren Wurzeln im tertiären Bildungsbereich liegen. Ursprünglich waren diese Bruderschaften Gruppen von Männern, die ähnliche Interessen verfolgten. Innerhalb der letzten paar Jahrzehnte haben sie sich aber in bewaffnete Gruppen gewandelt, die oftmals in kriminelle Aktivitäten verstrickt sind. Die jeweilige Bruderschaft selbst agiert direkt auf dem Campus, während die angeschlossenen Kulte abseits davon operieren. Die Aktivitäten sind meist lokal und auf die Umgebung der betroffenen Universität beschränkt. (UKHO 1.2013)

Das "Secret Cult and Similar Activities Prohibition" Gesetz aus dem Jahr 2004 listet offiziell ca. 100 Kult-Gruppen auf, die verboten worden sind. Diese Kulte umfassen kriminelle Banden; spirituell und politisch motivierte Gruppen auf der Suche nach Macht und Kontrolle; sowie Banden, die Wasserwege, Durchfahrtswege oder Ölreserven kontrollieren. (UKHO 1.2013)

Personen, die sich vor einer Schlechtbehandlung/Misshandlung durch derartige Gruppierungen fürchten, können generell Schutz erhalten. Jene, für welche kein ausreichendes Maß an Schutz vorhanden ist, können generell eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen, um der befürchteten Misshandlung zu entgehen. (UKHO 1.2013)

Quellen:

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (17.6.2011): Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1308311441_accord-bericht-nigeria-traditionelle-religion-okkultismus-geheimges-20110617.pdf, Zugriff 15.5.2013

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (2.2013):

D-A-CH Factsheet - Nigeria

UKHO - United Kingdom Home Office (1.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5108f3a72.html, Zugriff 22.4.2013

Ethnische Minderheiten

Das Gesetz verbietet ethnische Diskriminierung durch die Regierung. Um die nationale Einheit und die Loyalität zu fördern, gestattet das Gesetz, dass die Zusammensetzung von Bundes-, Bundesstaats- und Lokalregierungen und deren Behörden sowie die jeweilige Regierungsarbeit die Diversität der ethnischen Zusammensetzung berücksichtigt. Es wird versucht, gerade auf Bundesebene eine Balance zwischen den unterschiedlichen Regionen und Ethnien zu finden. Allerdings stößt dieser Versuch aufgrund der mehr als 250 ethnischen Gruppen im Land auf seine Grenzen. Folglich gibt es weiterhin Berichte über die Marginalisierung von Angehörigen bestimmter Gruppen, im Speziellen jener der südlichen Ethnien und der Igbo. Angehörige aller ethnischen Gruppen praktizierten Diskriminierung, vor allem hinsichtlich der Anstellung im privaten Sektor und bezüglich der Trennung in urbanen Gebieten. Zwischen einigen Gruppen existieren historisch verwurzelte Spannungen. (USDOS 19.4.2013; vergleiche FH 31.8.2012)

Zwar haben alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohnsitz nicht eigentlich indigen sind. (USDOS 19.4.2013) Ein Problem bei den dadurch hervorgerufenen Konflikten ist, dass das Wort "indigen" in der Verfassung nicht genau definiert ist. (ÖBA 11.2011) Manchmal werden Einzelpersonen derart auch dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukehren, obwohl sie dorthin keine persönlichen Verbindungen mehr haben. Manchmal werden derartige Rückkehrbewegungen durch Drohungen seitens Bundesstaats- und Lokalregierungen ausgelöst, durch Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder durch die Zerstörung von Häusern. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst). (USDOS 19.4.2013; vergleiche ÖBA 11.2011; vergleiche AA) Dies betrifft beispielsweise die Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau. (USDOS 19.4.2013)

Religiöse Streitigkeiten spiegeln oft ethnische und ökonomische Streitigkeiten wider. Zum Beispiel sind viele Fulani im Middle Belt Pastoralisten, während die Hausa und Igbo und andere ethnische Gruppen dort eher in der Landwirtschaft tätig sind oder städtische Gebiete besiedeln. Folglich korrelieren oftmals ethnische, regionale, ökonomische und landbezogene Konflikte mit religiösen. Auch das Auftreten kommunaler Gewalt zwischen ethnische Gruppen im Middle Belt verläuft parallel entlang religiöser Grenzen. (USDOS 19.4.2013; vergleiche AA) Die Gewalt verursachte zahlreiche Todesfälle, Verletzungen, die Vertreibung tausender Menschen und weitgehende Zerstörung von Eigentum. Oft wird derartige ethno-religiöse Gewalt durch Konflikte zwischen Landwirten und Viehzüchtern ausgelöst. Die meisten derartigen Gewaltausbrüche wurden in Jos und seiner Umgebung registriert. Konflikte über Landnutzungsrechte gibt es auch zwischen den Tiv, Kwalla, Jukun, Fulani und Azara in den Bundesstaaten Nasarawa, Benue und Taraba. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

FH - Freedom House (31.8.2012): Freedom in the World 2012 - Nigeria, http://www.unhcr.org/refworld/docid/504494e1c.html, Zugriff 7.5.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Minderheitengruppen

In Nigeria gibt es mehr als 250 ethnische Gruppen. Die zahlenmäßig größten und politisch einflussreichsten sind: Hausa und Fulani 29-32% (zwei überwiegend muslimische Ethnien), Yoruba 21%, Igbo (Ibo) 18%, Ijaw 10%, Kanuri 4%, Ibibio 3,5%, Tiv 2,5%. (CIA 12.4.2013; vergleiche ÖBA 11.2011)

Quellen:

CIA - Central Intelligence Agency (12.4.2013): The World Factbook - Nigeria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ni.html, Zugriff 22.4.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Frauen/Kinder

Nigerianische Frauen sehen sich gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, auch wenn ihre Bildungsmöglichkeiten sich verbessert haben und Frauen mittlerweile einige Schlüsselpositionen in der Regierung besetzen. (FH 31.8.2012) Männer stellen noch immer 90 Prozent der Volksvertreter und der höheren Positionen in Ministerien und der Nationalversammlung. NGOs kritisieren vor allem den Zugang zu Arbeitsplätzen im Privatsektor, die Beförderungspraxis und die Ungleichheit bei Gehältern. Im formellen Sektor sind Frauen unterrepräsentiert, jedoch spielen sie in der informellen Wirtschaft eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel). (USDOS 19.4.2013; vergleiche AA 6.5.2012)

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt für das Strafen zwischen zehn Jahren und lebenslänglicher Haft, sowie von 200.000 Naira Buße vorgesehen sind. Vergewaltigung in der Ehe wird im Gesetz als separater Tatbestand angeführt. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle. Vor allem an Universitäten kommen Vergewaltigungen häufig vor. (USDOS 19.4.2013)

Gegen geschlechtsspezifische Gewalt gibt es keine Gesetze auf nationaler Ebene. Das Strafgesetz erlaubt physische Gewalt in der Ehe, solange keine schweren Verletzungen entstehen. Nur in den Bundesstaaten Ebonyi, Jigawa, Cross River und Lagos gibt es Gesetze gegen häusliche Gewalt. Letztere ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg. (USDOS 19.4.2013; vergleiche ÖB 11.2011)

Die lokale NGO Project Alert on Violence Against Women unternahm zahlreiche Aufklärungskampagnen gegen häusliche Gewalt, darunter auch Sensibilisierungsprogramme für die Polizei, Programme für Täter und Assistenz für andere Organisationen, welche Opfer betreuen. Die Women's Rights Advancement and Protection Alternative war die führende Kraft bei der Kampagne gegen Gewalt an Frauen. (USDOS 19.4.2013)

FGM ist per (Bundes-)Gesetz verboten. Das Strafmaß reicht von einer Buße von 50.000 Naira bis zu einem Jahr Haft. Bei Wiederholungstaten kann sich dieses Maß verdoppeln. Die Bundesregierung hat FGM öffentlich verurteilt, trifft aber keine Maßnahmen. Zwölf Bundesstaaten haben FGM-Verbotsgesetze erlassen: Edo, Delta, Enugu, Oyo, Ekiti, Anambra, Rivers, Bayelsa, Osun, Ogun, Ondo and Cross River. (USDOS 19.4.2013; ÖBA 3.6.2011) Im Jahr 2008 wurde eine Prävalenz der FGM von 30 Prozent berichtet. Dabei ist die Dichte bei den Yoruba und Igbo besonders hoch. Infibulation kommt im Norden fallweise vor, ist im Süden verbreiteter. Das Alter, mit welchem die Beschneidung erfolgt, variiert zwischen einer Woche und nach der ersten Geburt eines eigenen Kindes. Die meisten Opfer erleiden FGM allerdings vor ihrem ersten Geburtstag. (USDOS 19.4.2013)

Es ist eine deutliche Tendenz erkennbar, wonach der Anteil an Frauen und Mädchen, welche FGM erleiden, mit jeder Generation zurückgeht. Bei Frauen zwischen 45 und 49 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie beschnitten sind, deutlich höher, als etwa in der Altersgruppe 15-19 Jahre (38 Prozent / 22 Prozent). (UKHO 1.2013)

Auch wenn es einer Einzelfallabwägung bedarf, kann insgesamt festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht Willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt wird. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen. (UKHO 1.2013) Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären. (USDOS 19.4.2013) U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: Nigerian Nurses and Midwives, -Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association -Federal Ministry of Health und -Health Associations of various Nigerian states -WHO, -UNDP, -DFID (Großbritannien) und -Daneco (Schweden). (ÖBA 3.6.2011)

In einigen Landesteilen erfahren Witwen Diskriminierung aufgrund althergebrachter Traditionen. (USDOS 19.4.2013)

Die Gesetze zu Kinderrechten (Child Rights Act/CRA) sehen bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Das CRA gelte jedoch nur in Abuja, dem Federal Capital Territory und in 16 Bundesstaaten, die das Gesetz umgesetzt hätten. (ACCORD 21.5.2011; vergleiche USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (21.5.2011): Nigeria - Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1308659096_accord-bericht-nigeria-frauen-kinder-sexuelle-orientierung-gesundheitsversorgung-20110621.pdf, Zugriff 7.5.2013

FH - Freedom House (31.8.2012): Freedom in the World 2012 - Nigeria, http://www.unhcr.org/refworld/docid/504494e1c.html, Zugriff 7.5.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (3.6.2011): Antwort des Vertrauensanwalts der ÖB Abuja per e-mail

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

UKHO - United Kingdom Home Office (1.2013): Operational Guidance Note - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5108f3a72.html, Zugriff 22.4.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation und Rückkehr

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels. (IOM 8.2012) Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbes. die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe und medizinische Versorgung, u.a. für AIDS/HIV-Patienten. (ÖBA 11.2011)

In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen auch 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die je nach Religionszugehörigkeit ein bis vier Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Ausklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung. (ÖBA 11.2011)

Eine Auswahl an diesbezüglichen Organisationen findet sich nachfolgend:

¿ African Women Empowerment Group (AWEG): 29, Airport Road, Benin City, Edo State Tel.: +234 52 252186, 256555, 255162, Mobil: 0802 3060147, Email: Peinop@infoweb.abs.net

Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen. (IOM 8.2012)

¿ The Women's Consortium of Nigeria (WOCON), Kontakt: Frau Bisi Olateru-Olagbegi 2nd floor, 13 Okesuna Street off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331, Email:

wocon95@yahoo.com, Email: bisi@rcl.nig.com

Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo. (IOM 8.2012)

¿ Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), Ansprechpartner: Frau Funmi Bello, Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), Plot 792, House No. 6, Off Ademola, Adetokunbo Crescent, [Behind Rockview Hotel], Wuse 11, Abuja, Tel.:

+ 234 9 4131438, 4131676, Email: funmee200@yahoo.com, Email:

info@wrapa.org, Website: www.wrapa.org

Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Aktuell befasst sich die WRAPA mit der Aufklärung von Wählern zur Vorbereitung auf die Wahl 2007. Die Organisation plant die Einrichtung 10 landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an. (IOM 8.2012)

¿ Women's Aid Collective (WACOL), Ansprechpartner: Kontakt: Frau Joy

Ngozi Ezeilo, Geschäftsführende Direktorin, Email:

jezeilo@wacolnig.com; Enugu office (Hauptbüro), NoO, 9 Umuezebi

Street, Upper Chime, New Haven, Enugu, Tel.: +234-42-256678, Fax:

+234-42-256831, Email: wacolenugu@wacolnigeria.org; Büro in Abuja:

Kontakt: Ijeoma Anaegbu, Mobil: 0803 6688840, Email:

info@wacolnigeria.org, Tel.: +234-9-671104, Fax: +234-9-2340647; WACOL hat außerdem Büros in Port Harcourt (Rivers State), im Anambra State, und Ebonyi State.

Women's Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an:

Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien. (IOM 8.2012)

Laut WACOL (NGO für Frauen) ist eine innerstaatliche Fluchtalternative eine Option für erwachsene Frauen - unabhängig davon, ob es sich um Opfer von FGM, häuslicher Gewalt oder Zwangsheirat handelt. Es ist für erwachsene Frauen möglich, innerhalb Nigerias umzuziehen, eine Arbeit zu suchen und sich selbst zu erhalten. (UKHO 6.1.2012) Auch alleine umsiedelnde Frauen werden in erster Linie Zielorte auswählen, wo sie bereits ein Netzwerk oder Verbindungen haben, die ihnen bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft helfen können. Alle von LandInfo über die Jahre kontaktierten Quellen haben angegeben, dass Frauen vor größeren Herausforderungen stehen als Männer, wenn sie sich an einem Ort niederlassen, an welchem sie nicht Teil einer Familie (mit älteren Männern) sind. (LAND 17.8.2010)

Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder alleinlebende Frauen eher akzeptiert. (AA 6.5.2012) Sowohl Frauen mit geringer oder keiner Ausbildung und solche mit schwachem Netzwerk ziehen innerhalb des Landes um, entweder aus eigener Entscheidung, oder aber gezwungenermaßen aufgrund schwieriger Umstände. Diese Frauen können unterschiedliche Arten von Arbeit finden. Viele arbeiten als Hausangestellte (und bekommen als Teil der Bezahlung auch Unterkunft), verkaufen Dinge auf dem Markt, arbeiten in der Industrie in Tätigkeiten, die keine Ausbildung verlangen oder wo sie ausgebildet werden, arbeiten als Friseurinnen oder Hautpflegerinnen, kochen und verkaufen Mahlzeiten (z.B. entlang Verkehrsrouten oder an frequentierten Orten), oder verkaufen Prepaid-Telefone - um nur einige mögliche Tätigkeiten zu nennen. Keine dieser Tätigkeiten hat ein hohes Ansehen, doch wird auch keine stigmatisiert. (LAND 17.8.2010)

Alleinerziehende Frauen stehen nicht zwangsläufig vor einer größeren Herausforderung, als jene, die in einer Partnerschaft leben. Männer kümmern sich im Allgemeinen wenig um die Betreuung ihrer Kinder. In den meisten Fällen nehmen Mütter Kinder bis zu fünf Jahren in die Arbeit mit oder erhalten periodische oder langfristige Hilfe durch ältere Töchter oder Frauen ihres Netzwerkes (Schwestern, Cousinen, Freundinnen, Nachbarinnen, etc.). (LAND 17.8.2010)

Laut WRAPA (Women's Rights Advancement and Protection Alternative) ist ein interner Wohnortwechsel für Frauen, die häuslicher Gewalt, FGM oder Zwangsheirat entkommen wollen, oder für erwachsene Frauen, die ihre Töchter vor FGM schützen wollen rechtlich möglich. Dies wird von WRAPA als realistische Möglichkeit für solche Frauen betrachtet. Gemäß "United Nations Development Fund for Women" (UNIFEM) ist es theoretisch für Frauen nicht schwierig, innerhalb Nigerias umzuziehen und auf diese Art physische Sicherheit zu finden. Allerdings wären insbesondere attraktive, junge, alleinstehende Frauen einem hohen Risiko ausgesetzt, im Zuge des Umzugs in ein anderes Gebiet ohne wirtschaftliche Mittel oder familiären Anschluss Misshandlungen, Belästigungen oder Menschenhandel zum Opfer zu fallen. (UKHO 6.1.2012; vergleiche LAND 17.8.2010) Es ist jedoch überhaupt nicht ungewöhnlich, dass Frauen alleine leben, sei es aus persönlicher Präferenz oder durch äußere Umstände. (LAND 17.8.2010)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

IOM - International Organization for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Nigeria, https://milo.bamf.de/llde/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/15489293/15932186/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2012%2C_deutsch.pdf?nodeid=15932187&vernum=-2, Zugriff 9.4.2013

LAND - Landinfo (17.8.2010): Respons - Nigeria: Kvinner og intern migrasjon, http://www.landinfo.no/asset/1359/1/1359_1.pdf, Zugriff 15.5.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

UKHO - United Kingdom Home Office (6.1.2012): Country of Origin Information Report - Nigeria,

http://www.unhcr.org/refworld/docid/4f100e652.html, Zugriff 15.5.2013

Bewegungsfreiheit

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränkten Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Betroffen waren Gebiete, wo terroristische Angriffe stattfanden (Bauchi, Borno, Kano, Kogi, Kaduna, Plateau und Yobe) und ethnisch-religiöse Gewaltausbrüche vorkamen (Teile von Kaduna und Plateau). Es gibt auch weiterhin illegale Straßensperren und Kontrollpunkte, bei welchen Polizisten Geld von Reisenden verlangen. Sicherheitsbeamte wenden weiterhin übermäßige Gewalt an Kontrollpunkten und Straßensperren an. (USDOS 19.4.2013)

Alle Bürger haben das Recht, in jedem Landesteil zu leben. Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. (AA 6.5.2012; vergleiche AGH 17.11.2011; vergleiche USDOS 19.4.2013) Es ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der "Kern"-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa, Yoruba, Ibo) durch Wanderungsbewegungen sowie aufgrund inter-ethnischer Heirat stattgefunden hat. So ist insbesondere eine starke Nord-Südwanderung - mit den sichtbaren Zeichen von vielen neuen Moscheen - feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind, wodurch innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen. Selbst in nördlichen Bundesstaaten stellen die Hausa zwar die größte Ethnie, aber mitunter weniger als 50 Prozent der Bevölkerung. Igbo (Christen aller Denominationen) kontrollieren im Norden nahezu uneingeschränkt den Kleinhandel und haben Kirchen und Versammlungsräume errichtet. (ÖBA 11.2011) Lokale Regierungen diskriminierten jedoch regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigte gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt. (USDOS 19.4.2013)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

AGH - Asylgerichtshof (17.11.2011): Erkenntnis, Geschäftszahl A14 401807-1/2008 Spruch A14 401.807-1/2008/15E

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Meldewesen

Insgesamt kann ein weitgehendes Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden festgehalten werden. Dies ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen". (ÖBA 11.2011)

Ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. (ÖBA 11.2011)

Im "Sheriffs and Civil Process Act" Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen. (ÖBA 11.2011)

Quellen:

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Binnenflüchtlinge (IDPs)

Es gibt keine nationale Erfassung von IDPs und auch keine genauen Zahlen, auch wenn die National Commission for Refugees (NCFR) die Anzahl auf rund eine Million Personen schätzt. Für Vertreibungen gibt es zahlreiche Ursachen: Grenzstreitigkeiten, ethnische und kommunale Gewalt, lokale politische Gewalt, Enteignungen, Konflikte im Nigerdelta und in Plateau, Angriffe der Boko Haram im Norden, den Kampf der Regierung gegen Extremisten, die Verschiebung der nomadischen Weidegebiete im Zuge des Klimawandels, Überschwemmungen im Nordwesten und Nordosten; (USDOS 19.4.2013) die Reaktionen der Regierung sind ungleich, vom betroffenen Bundesstaat abhängig und meist auf kurzfristige Unterstützung beschränkt. Die NCFR ist für die längerfristige Hilfe zuständig, hat aber nicht ausreichend Budget, um den Bedürfnissen nachzukommen. Auch die entsprechenden Ressourcen von Bundes- und Bundesstaatseinrichtungen sind unzureichend. (IDMC 29.4.2013; vergleiche USDOS 19.4.2013) Die meisten IDPs kommen bei Verwandten, Freunden oder religiösen Organisationen unter. (IDMC 29.4.2013)

Aufgrund der anhaltenden Attacken der Boko Haram und der daraus resultierenden Reaktionen der Regierungskräfte kam es zu Fluchtbewegungen von Christen aus dem Norden in den Süden (v.a. aus Städten wie Maiduguri, Kano, Damaturu). In weit geringerem Ausmaß kam es auch zu Bewegungen von Muslimen aus dem Süden in den Norden. Inter-ethnische Streitigkeiten über Land und politische Macht führten zu Gewalt in Benue, Taraba und Nasarawa und damit auch zur Vertreibung von hunderten Personen. Der UNHCR unterstützte rund 21.000 IDPs in Benue und Nasarawa. (USDOS 19.4.2013; vergleiche IDMC 29.4.2013)

Von den Überschwemmungen im August 2012 waren 32 der 36 Bundesstaaten betroffen. Gemäß der National Emergency Management Agency (NEMA) wurden ca. 2,1 Millionen Menschen vertrieben, insgesamt waren 7,7 Millionen Personen betroffen. Berichten zufolge sind die meisten IDPs bis Ende des Jahres in ihre Gemeinden zurückgekehrt. (UNHCR 3.2013)

Quellen:

IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (29.4.2013): Global Overview 2012 - People internally displaced by conflict and violence - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/517fb05a1d.html, Zugriff 8.5.2013

UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (3.2013):

Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) For the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report, Universal Periodic Review: Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5142f5912.html, Zugriff 8.5.2013

USDOS - United States Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/245102/368550_de.html, Zugriff 22.4.2013

Grundversorgung/Wirtschaft

Nigeria ist nach Südafrika die zweitwichtigste Volkswirtschaft Afrikas. Dies verdankt das Land vor allem seinen reichhaltigen Bodenschätzen wie bspw. Zinn, Eisen-, Blei-, Zinkerz, Kohle und Kalk. Die nigerianische Wirtschaft wird dabei von der Erdöl- und Erdgasförderung dominiert. Über 80 Prozent der gesamten Bundeseinnahmen, 90 Prozent der Exporterlöse und 35 Prozent des Bruttoinlandprodukts generieren sich aus den Erdölgeschäften. Die nigerianische Wirtschaft ist also in einem besonders hohen Maße vom Erdöl abhängig und reagiert deshalb empfindlich auf negative Entwicklungen des Weltmarktpreises für Erdöl. Seit 2004 profitiert das Land von den sprunghaft ansteigenden Erdölpreisen. Ab 2004 nutzte Nigeria den Ölgewinn, um seine Schulden zu bezahlen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Reformen der Regierung Obasanjo konnte das Land 2005 mit dem Pariser Club, also den internationalen Gläubigern einen Schuldenerlass um 18 Mrd. US-Dollar von insgesamt 30 Mrd. USD aushandeln. Im Gegenzug zahlte die nigerianische Regierung 12 Mrd. USD zurück. Damit ist Nigeria das erste afrikanische Land, das gegenüber dem Pariser Club schuldenfrei geworden ist. (GIZ 12.2012b)

Nigeria ist ein agrarisches Land, aber die Konzentration auf Erdöl und Erdgas hat zur Vernachlässigung der Landwirtschaft geführt. Über 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Der Sektor erwirtschaftete 2011 etwa 42,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Produziert werden Nahrungsmittel für den Eigenbedarf sowie sog. Cash Crops (Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Cassava, Yam) für den Export. Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung. (GIZ 12.2012b)

Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) macht nur 23,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) Nigerias aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. (GIZ 12.2012b)

Haupthindernis für die industrielle Entfaltung ist die unzureichende Infrastrukturversorgung (Energie und Transport). Von insgesamt 200.000 Straßenkilometer landesweit sind ca. 50 Prozent instandsetzungsbedürftig. Mit dem Eisenbahnnetzmodernisierung Lagos-Kano (ca. 1.300 km) wurde bereits 2006 begonnen. (GIZ 12.2012b)

Verschiedene Studien des National Bureau of Statistics (NBS), der Central Bank of Nigeria (CBN), des National Directorate for Employment (NDE), des National Manpower Board und des Centre for Investment, Sustainable Development, Management and Environment haben ergeben, dass mehr als 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung Nigerias arbeitslos sind und dass 60 Prozent der Arbeitslosen Abgänger der Haupt- oder Mittelschule ohne Berufsausbildung sind. (IOM 8.2012) Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird. (ÖBA 11.2011)

Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe. Kooperative Verbände, Finanzinstitutionen der Regierung (Mikrokredite der NACRDB, NAPEP etc.) und nichtstaatliche Organisationen sowie SME [Small and medium enterprises] -freundliche Handels- und Gemeinschaftsbanken bieten finanzielle und administrative Unterstützung bei der Existenzgründung in Nigeria. (IOM 8.2012)

Das Projekt zur Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden nach Nigeria (AVRR Nigeria) wurde mit 1. Juli 2012 für ein weiteres Jahr verlängert. Teilnehmer an dem Projekt, die vor dem 30. Juni 2012 zurückgekehrt sind, haben bis Ende des Jahres Zeit, die von ihnen gewählten Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Rückkehrer, die ab dem 1. Juli 2012 zurückkehren, können als Teilnehmer der neuen Projektphase bis 30. Juni 2013 unterstützt werden. Die Unterstützung der Projektteilnehmer durch IOM Lagos ist bei der Umsetzung der Reintegrationsunterstützungsmaßnahmen unerlässlich. Die Kollegen des IOM Lagos Teams assistieren nicht nur in der Praxis (z.B. beim Anmieten von Geschäftslokalen, dem Ankauf von Waren, etc.), sondern bieten vielen auch moralische Unterstützung, sich möglichst gut wieder in Nigeria zurechtzufinden. Kontakt: Abteilung für Unterstützte Freiwillige Rückkehr und Reintegration, IOM Länderbüro Wien, Nibelungengasse 13/4, 1010 Wien, +43 (0) 1 585 3322 28 (IOM 6.2012)

Die Chancen einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem Beziehungen. Man ist als "Arbeitssuchender" auf das soziale Netz der afrikanischen Großfamilie angewiesen und wandert in drei bis sechsmonatigen Abständen von Verwandten zu Verwandten und versucht, Beschäftigung zu finden. (ÖBA 11.2011)

Der gesetzlich garantierte monatliche Mindestlohn wurde im Zuge der Wahlversprechen 2011 für öffentlich Bedienstete von 5.500 Naira (ca. 27 Euro) auf 18.000 Naira (ca. 90 Euro) erhöht; bis dato allerdings noch nicht in allen 36 Bundesstaaten auch ausbezahlt. Nach starken Protesten der Gewerkschaften wurde diese Erhöhung auch für den Privatsektor "fiktiv" übernommen und soll zumindest für Firmen mit mehr als 50 Beschäftigten gelten. Im landwirtschaftlichen sowie privaten Bereich (Haushaltshilfen) und im Kleingewerbe sind nach wie vor 1.000 (Landwirtschaft) bzw. 4.000-6.000 Naira monatlich der Regelfall. Im ländlichen Bereich arbeiten Dienstnehmer z.T. auch nur für Kost und Quartier bzw. werden für Erntearbeit in Naturalien entlohnt. Das Durchschnittseinkommen von 70 Prozent der Gesamtbevölkerung liegt unter einem US-Dollar pro Tag. Diese Zahl ist unter anderem auch dadurch bedingt, dass im ländlichen Raum der Tauschhandel noch üblich ist und Unterkunft und Verpflegung durch eigenen Grund und Boden häufig gewährleistet sind. (ÖBA 11.2011)

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. So wird für eine rund 30 Zentimeter lange Yam-Wurzel, von der sich eine erwachsene Person zwei Tage lang ernähren kann, je nach Region und Saison ein Preis von 50-200 Naira berechnet (ca. 0,25-1 Euro). Die Preise für ein Einzelzimmer mit gemeinsamer Küche und Waschmöglichkeit schwanken von monatlich 500-10.000 Naira (ca. 2,50-50 Euro) je nach Dorf bzw. Stadt in einem Nicht-Ballungsgebiet. In den Außenbezirken von Abuja werden pro Monat für ein Zimmer mit gemeinsamer Koch- und Waschgelegenheit rund 3000 Naira (ca. 15 Euro) berechnet, so ferne die Miete für ein Jahr im Voraus entrichtet wird. (ÖBA 11.2011)

Die Gouverneure der Bundesstaaten schaffen laufend Arbeitsplätze für die Jugend. Exemplarisch hat die Regierung des Bundesstaates Ekiti (Yoruba) 2.500 Personen nach einer zehntägigen Schulung in "leadership and entrepreneurial skills" in verschiedenen staatlichen Institutionen eingestellt. Es ist geplant, 20.000 dieser "jobs" in den nächsten vier Jahren zu schaffen. "YouWin" (Youth Enterprise with Innovation in Nigeria) ist die große - mit 50 Milliarden Naira - dotierte Jugendbeschäftigungsinitiative des Staatspräsidenten, die mit großem medialen Aufwand im Oktober 2011 gestartet wurde. Es sollen damit zwischen 80.000 und 110.000 neue (selbständige) Unternehmer/Arbeitsplätze geschaffen werden. Jugendliche (Altersgrenze 40) können Geschäftspläne einreichen und Startgelder für ihre Projekte aus diesem Fond erhalten. Zeitgleich plant der neu ernannte Energieminister eine Ausweitung der Stromversorgung mit Neuerrichtung sowie Rehabilitierung der nur teilweise funktionierenden Stromwerke. (ÖBA 11.2011)

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. (GIZ 12.2012b)

Quellen:

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2012b): Nigeria - Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung.html, Zugriff 22.4.2013

IOM - International Organization for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Nigeria, https://milo.bamf.de/llde/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/15489293/15932186/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2012%2C_deutsch.pdf?nodeid=15932187&vernum=-2, Zugriff 9.4.2013

IOM - International Organization for Migration (6.2012): AVRR Newsletter

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Medizinische Versorgung

Das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium. Das Gesundheitsministerium ist für die Koordination aller Aktivitäten im Bereich Gesundheitswesen im gesamten Land verantwortlich. Medizinische und Gesundheitsdienste sind ebenfalls Aufgabe der Regierung, die Krankenhäuser in den großen Städten unterhält. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird. (IOM 8.2012)

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die

Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt. Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer. (IOM 8.2012)

Krankenhäuser sind bezüglich Ausstattung, qualifiziertem Personal und Hygiene mit europäischen Standard nur vereinzelt in städtischen Zentren vergleichbar. (ÖBA 11.2011) Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc.

(IOM 8.2012)

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein. (IOM 8.2012) Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Vorbeugeimpfaktionen werden von Internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber (v.a. im muslimischen Norden) auf religiös und kulturell bedingten Widerstand. (ÖBA 11.2011) Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen. (IOM 8.2012)

Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von Naira 20.- bis 50.-(EUR 0,1 bis 0,25) ein:

Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden. Religiöse Wohltätigkeitsinstitute und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung; im ländlichen Bereich werden "herbalists" und traditionelle Heiler konsultiert. (ÖBA 11.2011)

Quellen:

IOM - International Organization for Migration (8.2012):

Länderinformationsblatt Nigeria, https://milo.bamf.de/llde/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/15489293/15932186/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2012%2C_deutsch.pdf?nodeid=15932187&vernum=-2, Zugriff 9.4.2013

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Behandlung nach Rückkehr

Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. (AA 6.5.2012) Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen keine Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist. (ÖBA 11.2011)

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die Drogenpolizei (NDLEA) überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. (AA 6.5.2012) Es handelt sich nach übereinstimmender Einschätzung befreundeter EU-Botschaften um "totes" Recht. (ÖBA 11.2011)

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (6.5.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011): Asylländerbericht Nigeria

Dokumente

Infolge des Fehlens eines geordneten staatlichen Personenstandswesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden nicht möglich. Angesichts der in Nigeria allgemein nicht gegebenen Dokumentensicherheit, bestätigt u. a. durch eine offizielle Erklärung des nigerianischen Außenministeriums vom Juli 2009 und erneut vom März 2010, wonach die Fälschungsrate bei nigerianischen Personenstandsdokumenten mindestens 80 Prozent beträgt, ist somit die "formale Bestätigung" der Echtheit der Unterschrift oder eines Siegels eines ausländischen Ministeriums nicht geeignet, um eine Beglaubigung unter Einhaltung der gesetzlichen notariellen Sorgfaltspflicht und im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen vornehmen zu können. (ÖBA 11.2011)

Eine tatsächliche Überprüfung der Identität ist nahezu unmöglich bzw. kann nur durch fallbezogene Recherche vor Ort versucht werden, diese zu ermitteln. Von einer Feststellung der Identität nigerianischer Staatsbürger unter alleiniger Berücksichtigung von Schulzeugnissen, Dienstausweisen und ähnlichen untauglichen Vorlagen ist gänzlich abzuraten. Andererseits muss auch bei der Identitätsfestlegung anhand vorgelegter offizieller Dokumente darauf Acht gegeben werden, dass selbige zumindest Originaldokumente sind. Und schlussendlich muss hinsichtlich der hier gewonnenen Erkenntnisse festgehalten werden, dass selbst im Falle der Verifikation eines biometrischen Reisepasses keineswegs die Identität der Person gewährleistet ist. (BAA 11.8.2011)

Quellen: ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (11.2011):

Asylländerbericht Nigeria

BAA - Bundesasylamt/Staatendokumentation (11.8.2011): Analyse Nigeria - Dokumente

Zum konkreten Vorbringen der Durchführung von Menschenopfern in Nigeria:

Im Folgenden Auszüge aus den mit der Ladung vorgehaltenen Länderinformationen, Stand Oktober 2012:

In Nigeria wird vielfach an Magie (Zauberei, Juju) geglaubt. Viele Volksgruppen Nigerias bekennen sich auch zu - regional unterschiedlichen - traditionellen Religionen. Diese werden teilweise neben der christlichen oder der islamischen Religion praktiziert. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein. Heute sollen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vorkommen. Jedoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt würden. Beispielsweise wurden im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wurde, bestätigt. Zuletzt kam es im April 2012 zu Festnahmen und Auflösung einer als Waisenhaus geführten "Babyfabrik", in der angeblich Kinder zur Verwendung von Ritualen erzeugt werden hätten sollen.

Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten sogar ein eigener Straftatbestand.

In Nigeria existieren Geheimkulte, deren bekanntester die Ogboni-Gesellschaft ist. Die Bedeutung der Geheimkulte liegt darin, dass die Mitgliedschaft häufig Ressourcen, Einfluss und Arbeit sichert und Bestandteil der sozialen Integration ist und damit über Leben und Status der jeweiligen Familie bestimmt. Normalerweise liegt keine Zwangsmitgliedschaft vor, doch fühlen sich viele Personen - in der Regel von der eigenen Familie - auf Grund der Vorteile, die ein Beitritt zu einem Geheimkult mich sich bringt, unter Druck gesetzt. Die Geheimgesellschaften akzeptieren nicht jedermann, sondern laden Mitglieder angesehener Familien zum Beitritt ein. Auf Unwillige, nur durch Zwang rekrutierte Mitglieder wird in der Regel kein Wert gelegt. Allenfalls kann derjenige, der sich weigert beizutreten, sein Eigentum und Erbe verlieren, muss aber nicht um sein Leben fürchten. Verfolgung durch einen Geheimkult ist allerdings dann zu befürchten, wenn jemand seine Geheimnisse preisgibt. Diese Geheimnisse sollen sich nicht auf die Namen der Mitglieder beziehen, da diese in der Regel ohnehin allgemein bekannt sind, sondern auf die Entscheidungen und Interna der Geheimgesellschaft. Wenn ein Mitglied des Geheimkultes diesen verlassen will, dann führt dies nicht zwangsläufig zu nachteiligen Auswirkungen oder einer Verfolgung. Geheimkulte beziehen einen Teil ihrer Macht aus dem verbreiteten Glauben daran, dass ihnen übernatürliche Kräfte zukommen.

Quellen: Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.05.2012; Home Office, U. K. Border Agency, Country of Origin Information Report, 06.01.2012; United States Department of State, Nigeria. Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.05.2012; Home Office, U. K. Border Agency, Operational Guidance Note Nigeria, 30.09.2011; ACCORD, NIGERIA. Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften. S.52 - 58, 17.06.2011; Frankfurter Rundschau, Sturm auf eine Babyfabrik.

Zusammenfassung der Anfragebeantwortung, ACCORD:

Hintergrundinformation zum Igue-Fest in EDO State, gibt es Informationen über Opferungen von Menschen beim Igue-Fest; a-6371-1 vom 16.10.2008.

Aus der Anfragebeantwortung durch ACCORD zum Igue-Fest und Menschenopfern, die bereits das Bundesasylamt vorgehalten hat, ergibt sich, dass im Edo State alljährlich das Igue-Fest gefeiert wird, welches als einziges der Palast-Feste von Benin im gesamten Königreich Benin prunkvoll zelebriert wird und eine sehr beliebte Feierlichkeit ist. Das Igue-Fest wird mit der Opferung bestimmter Tiere begangen, die zu einem speziellen Zeitpunkt in der Nacht getötet werden, sexuelle Kontakte und Begräbnisse sind während des Festes nicht erlaubt. Früher gab es Gerüchte, wonach bei diesem Fest auch Menschen geopfert wurden, das heutige Igue-Fest weist jedoch große Unterschiede zu seiner Ausformung im Jahr 1896 auf. Früher ist das "Ritual zur Verehrung des Kopfes" (head worshipping ritual) vor der Öffentlichkeit verborgen worden. Nachdem Christen und Feinde der Monarchie Oba Eweka römisch II beschuldigt hatten, Menschenopfer durchzuführen, hat dieser das Ritual der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit das Fest in der Form begründet, wie es heute gefeiert wird.

Refugee Review Tribunal Australia, NGA34910 vom 20.5.2009:

Viele dieser Gerüchte um Menschenopfer haben ihren Ursprung im Sklavenhandel, wurden aber durch ein halbes Jahrhundert britischer Kolonialherrschaft ausgelöscht und sind undenkbar im heutigen Nigeria. Bereits 1930 gehörten diese Geschichten der Vergangenheit an. Bei Hinterfragen der Geschichten und Gerüchte wurde bereits 1960 mitgeteilt, dass es sich um "Erinnerungen" an frühere Zeiten handle. Es finden sich keinerlei Beweise für die tatsächliche Durchführung von Menschenopfern. Anzeichen würden jedenfalls umgehend das Interesse der Polizei wecken. Die Opferung von Tieren hingegen ist üblich.

römisch II.3. Beweiswürdigung:

Die Identität der Beschwerdeführerin konnte mangels Vorlage eines identitätsbezeugenden Dokumentes nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Dass die Beschwerdeführerin aus Nigeria stammt, hat bereits die belangte Behörde angenommen und es haben sich im Verfahren vor dem Asylgerichtshof keine diesbezüglichen Zweifel ergeben.

Die Feststellungen zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin beruhen auf ihren Angaben vor dem Bundesasylamt und im Rahmen der Beschwerdeverhandlung in Zusammenschau mit ihren Ausführungen in den Stellungnahmen.

Dass die Beschwerdeführerin in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Strafregisterauskunft vom 26.07.2013.

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihrer Situation in Österreich ergeben sich aus der Einvernahme vor dem Bundesasylamt und im Rahmen der Beschwerdeverhandlung sowie den Stellungnahmen im Rahmen des Asylverfahrens.

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen nicht inhaltlich konkret und dezidiert entgegen getreten wurde, besteht für den erkennenden Senat kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Nigeria zugrunde gelegt werden konnten.

Der erkennende Senat des Asylgerichtshofes kam nach gesamtheitlicher Würdigung aus folgenden Gründen zu dem Schluss, dass die Flucht begründenden Umstände der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft sind und nicht den Tatsachen entsprechen sowie nicht den Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention genügen:

Den von der Beschwerdeführerin behaupteten Fluchtgründen konnte keine Asylrelevanz entnommen werden, dies aus folgenden Erwägungen:

Ihre Ausreise begründet die Beschwerdeführerin zusammengefasst damit, dass in ihrem Heimatdorf kurz nach Neujahr ein Festival mit einem Ritual zelebriert werde, bei dem jedes Jahr ein junges Mädchen geopfert werde und die Beschwerdeführerin 2008 hierfür ausgewählt worden wäre. Sie wäre geflüchtet, weil sie von der Polizei keinen Schutz vor dieser Ermordung erhalten hätte, falls sie sich hilfesuchend an diese gewandt hätte. Der erkennende Senat gelangte nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und dem dort gewonnenen persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin wie das Bundesasylamt zur Einschätzung, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, konkrete und widerspruchsfreie sowie mit den Länderfeststellungen vereinbare Angaben über ihre Erlebnisse und die Verfolgungsgefahr zu tätigen. Ergänzend wird festgestellt, dass neben dem Umstand, dass die Angaben vage und allgemein gehalten waren, überdies in den Einvernahmen Ungereimtheiten und Widersprüche in den Schilderungen der Beschwerdeführerin festgestellt werden konnten, was ein klares Indiz dafür darstellt, dass die Angaben nicht der Wahrheit entsprechen:

Während die Beschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung angab, sie wäre vom "Chief Priest" als Opfer ausgesucht worden, gab sie im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Widerspruch dazu an, dass die Opfer von den Medizinmännern ausgewählt würden. Der Erklärungsversuch in der Beschwerde, wonach es sich bei "chief priest" und "Medizinmann" um die gleiche Person handeln würde, ist in diesem Zusammenhang anzuzweifeln. Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass die Beschwerdeführerin wiederum im Gegensatz zu ihren bisherigen Schilderungen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung behauptet, in ihrem Dorf würden bei besagten Fest Mädchen geopfert, diese Mädchen würden jedoch nicht "beliebig" ausgewählt werden, sondern man würde ein Orakel befragen, welches entscheidet, wer geopfert werde (Seite 6 im Verhandlungsprotokoll vom 17.04.2013).

Völlig unnachvollziehbar erscheint überdies die Aussage der Beschwerdeführerin, dass sie die geopferten Mädchen der letzten Jahre aus ihrem Dorf nicht kenne, obwohl diese ebenfalls alle aus ihrem lediglich rund einhundert Personen umfassenden Heimatdorf stammen würden. Den Grund dafür, weshalb sie die anderen Mädchen nicht kenne, tauschte die Beschwerdeführerin überdies völlig unglaubwürdig mehrmals im Laufe ihres Asylverfahrens aus. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin an, sie habe die Mädchen, welche im Laufe der Jahre geopfert worden wären, nicht gekannt, weil diese von anderen Straßen gewesen wären. Auf Vorhalt, dass es sich behaupteter Maßen um Mädchen im Alter der Beschwerdeführerin in einem rund 100 Einwohner umfassenden Dorf gehandelt hätte und diese ihr ohne Zweifel bekannt sein müssten, erwiderte die Beschwerdeführerin in der Folge ebenfalls völlig unnachvollziehbar, sie wäre mit den geopferten Mädchen nicht zusammengekommen, weil die Beschwerdeführerin eine Christin wäre und viele andere Mädchen keine Christen gewesen wären. Auf neuerlichen Vorhalt, dass es nicht glaubwürdig erscheine, dass die Beschwerdeführerin keines der geopferten Mädchen gekannt haben will, welches in den letzten Jahren geopfert worden wäre, versuchte die Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung neuerlich völlig unnachvollziehbar ihre Unkenntnis dadurch zu erklären, indem sie angab, wenn es niemand aus ihrer Familie oder aus ihrer Straße wäre, sei es schwierig zu sagen, um wen es sich handle (Seite 8 im Verhandlungsprotokoll vom 17.04.2013). Alleine diese Behauptung, dass sie kein einziges der angeblich jährlich geopferten Mädchen kennen will, obwohl sie aus einem kleinen Dorf stammt, ist absolut unglaubwürdig. Dabei verkennt der entscheidende Senat nicht, dass das Dorf allenfalls weit über 100 Einwohner hat, wenn im Vergleich die Aussage herangezogen wird, dass es für jede Altersstufe eine Schulklasse mit ca. 30 Kindern gab, wobei diese allerdings auch von Kindern aus umliegenden Dörfern besucht worden sei. Dennoch ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin selbst in allen Einvernahmen betont hat, dass es sich um eine kleine Ortschaft gehandelt hat und deshalb völlig ausgeschlossen ist, dass sie nicht ein einziges Mädchen gekannt haben soll. Zudem widerspricht ihre Aussage von derartigen Menschenopfern der bereits vom Bundesasylamt vorgehaltenen ACCORD-Anfragebeantwortung von 2008 (also dem Jahr, in dem die Beschwerdeführerin angeblich geopfert werden sollte) und weiteren mit der Ladung übermittelten Detailinformationen.

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich bewusst keine konkreten Angaben zur Familie und ihrem Heimatdorf machen will, weil sie den Eindruck zu erwecken versucht, kaum Leute aus dem Dorf gekannt und keine Kontakte gehabt zu haben, was aber in ihrem Kulturkreis und aus einem kleinen Dorf stammend schlicht undenkbar ist. Vor dem Bundesasylamt erwähnte sie zudem nur ihren Vater und Bruder, während sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, auch noch jedenfalls eine Tante und 4 Schwestern im Heimatland zu haben, zu denen sie ein enges Verhältnis habe. Diesbezüglich ist zudem absolut unplausibel, weshalb sie zum Bruder keinen Kontakt gehabt haben soll, obwohl dieser im selben kleinen Dorf lebte und weshalb sie zwar einen engen Kontakt mit ihren Schwestern hatte, gegenseitige Besuche stattfanden, sie jedoch nicht wissen will, wo diese in Warri konkret leben. Dies kann letztlich nur als Schutzbehauptung gewertet werden, um den Anschein zu erwecken, es handle sich bei ihr um eine alleinstehende Frau ohne familiären Zusammenhang, um so einer negativen Entscheidung der Asylbehörden entgegenzuwirken. Das Vorbringen, über viel Familie zu verfügen und gleichzeitig keinen der Kultur entsprechenden engen familiären Zusammenhang zu haben bzw. zwar engen Kontakt zu haben, aber nicht zu wissen, wo die Familienangehörigen wohnen, muss deshalb als unglaubwürdig gewertet werden.

Auch hinsichtlich ihres Fluchtweges gab die Beschwerdeführerin völlig unvereinbare Angaben an, woraus sich ein weiteres Indiz für die Feststellung der Unglaubwürdigkeit ihrer Angaben ergibt. Im Rahmen der Erstbefragung schilderte sie, ihr Pastor habe sie zu einem Bus gebracht, mit dem sie zum Hafen gelangt wäre, von wo sie in der Nacht auf ein Schiff gebracht worden wäre (AS 5). In Ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin im klaren Widerspruch dazu an, dass sie in Begleitung ihres Pastors mit dem PKW des Pastors nach Kaduna gereist wäre (AS 67-69). Nach Konfrontation dieser widersprüchlichen Angaben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab die Beschwerdeführerin befragt, weshalb sie zuerst geschildert hatte, der Pastor habe sie in einen Bus gesetzt, an, dass sie dies nie gesagt hätte, den sie wäre um ihr Leben gerannt und ihr Pastor hätte sie nie in einen Bus gesetzt (Seite 7 im Verhandlungsprotokoll vom 17.04.2013).

Weiters gab die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt zuerst an, nicht zu wissen, wie lange sie in der Stadt Kaduna aufhältig gewesen wäre, auf Nachfrage behauptete sie schließlich, sie wäre dort einen Tag lang gewesen (AS 67-69). Demgegenüber gab sie anlässlich der Beschwerdeverhandlung an, sie sei ein paar Tage in einem Zimmer in Kaduna gewesen, bis sie ein Mann abgeholt und zu einem Schiff gebracht habe. Ihre Unkenntnis über die genaue Länge ihres Aufenthaltes in Kaduna versuchte die Beschwerdeführerin völlig unnachvollziehbar damit zu erklären, dass sie es nicht genau angeben könne, da man sich nicht erinnern könne, wenn man derartige Probleme habe (Seite 7 im Verhandlungsprotokoll vom 17.04.2013). Zudem gab sie befragt an, dass sie das Zimmer in Kaduna die gesamte Zeit nicht verlassen habe und erst nach Vorhalt, ob sich dort auch eine Toilette befunden habe, gab sie an, das Zimmer doch verlassen zu haben. Sie habe zudem sie die gesamte Zeit, folglich ein paar Tage lang, nichts getrunken oder gegessen. Diese Angabe alleine zeigt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Asylverfahren nicht gewillt ist, wahrheitsgetreue Angaben zu tätigen.

Während die Beschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung angab, sie habe den Pastor namens römisch 40 , der ihr bei der Ausreise geholfen habe, nie zuvor gesehen (AS 7), gab sie befragt nach diesem Pastor im Rahmen der Beschwerdeverhandlung an, diesen Pastor gut gekannt zu haben (Seite 7 im Verhandlungsprotokoll vom 17.04.2013). Auf Vorhalt dieser widersprüchlichen Angaben verneinte die Beschwerdeführerin entgegen dem von ihr unterzeichneten Einvernahmeprotokoll über ihre Erstbefragung ausdrücklich ihre diesbezügliche Behauptung im Rahmen der Erstbefragung.

Aufgrund der vorzitierten Ungereimtheiten und Widersprüche sowie aufgrund der vagen, teilweise völlig allgemein gehaltenen und teilweise unplausiblen Angaben der Beschwerdeführerin geht auch der erkennende Senat davon aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht glaubhaft sind.

Darüber hinaus ist ausdrücklich darauf zu verweisen, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin eindeutig im Widerspruch zu der eingeholten Anfragebeantwortung durch ACCORD vom 24.10.2008 steht und ihre Behauptungen klar den aktuellen Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat widersprechen, wonach es heute keine Menschenopfer, sondern lediglich Legenden aus alten Zeiten über solche gibt bzw. Morde, auch Ritualmorde, von der Polizei entsprechend verfolgt, aufgeklärt und von den Gerichten streng geahndet werden. Aus der Anfragebeantwortung, die bereits das Bundesasylamt vorgehalten hat, ergibt sich zwar, dass im Edo State alljährlich das von der Beschwerdeführerin beschriebene Igue-Fest gefeiert wird, welches als einziges der Palast-Feste von Benin im gesamten Königreich Benin prunkvoll zelebriert wird und eine sehr beliebte Feierlichkeit ist. Es wurde jedoch ausdrücklich festgehalten, dass das Igue-Fest mit der Opferung bestimmter Tiere begangen wird, die zu einem speziellen Zeitpunkt in der Nacht getötet werden, sexuelle Kontakte und Begräbnisse sind während des Festes jedoch nicht erlaubt. In der Anfragebeantwortung wird zwar festgehalten, dass es früher Gerüchte gab, wonach bei diesem Fest auch Menschen geopfert wurden, das heutige Igue-Fest weist jedoch große Unterschiede zu seiner Ausformung im Jahr 1896 auf. Früher ist das "Ritual zur Verehrung des Kopfes" (head worshipping ritual) vor der Öffentlichkeit verborgen worden. Nachdem Christen und Feinde der Monarchie Oba Eweka römisch II beschuldigt hätten, Menschenopfer durchzuführen, hat dieser das Ritual der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit das Fest in der Form begründet, wie es heute gefeiert wird.

Den Feststellungen in der Anfragebeantwortung und den Länderinformationen, welche unvereinbar mit dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin sind, trat die Beschwerdeführerin - ohne Vorlage oder Verweis auf andere Länderfeststellungen oder Beweismittel zu diesem Thema - lediglich dahingehend entgegen, dass sie behauptet, die in der Anfragebeantwortung dargestellte Version des Festes werde offensichtlich in großen Städten gefeiert, bei ihr (somit in ihrem Dorf) würden die Ältesten des Dorfes jedoch sehr wohl (Menschen-)Opfer darbringen.

Laut aktuellen Länderfeststellungen des Asylgerichtshofs wird zwar eingeräumt, dass Ritualmorde und Menschenopfer in Nigeria früher praktiziert worden sind, heute kommen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vor. Es kann zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt, entscheidend ist jedoch, dass es keine Hinweise darauf gibt, wonach solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt werden. Beispielhaft werden in den aktuellen Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat festgehalten, dass im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wurde, bestätigt wurden. Zuletzt kam es im April 2012 zu Festnahmen und der Auflösung einer als Waisenhaus geführten "Babyfabrik", in der angeblich Kinder zur Verwendung von Ritualen erzeugt werden hätten sollen. Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten Nigerias sogar ein eigener Straftatbestand. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach sie sich nicht an die Polizei gewandt habe, weil diese ihr keinen Schutz bieten würde, vermochte somit vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht zu überzeugen; ebenfalls nicht die Behauptung, dass jährlich solche Mädchenopfer stattfinden, ohne dass die Polizei hier eingreifen würde.

Auch die Beschwerde und die Beschwerdeverhandlung, in der die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt hat und keinerlei neue wesentliche Angaben zu ihren Fluchtgründen tätigte sowie die übermittelten Stellungnahmen, denen keine konkretisierenden Sachverhaltselemente entnommen werden konnten, waren nicht geeignet, die Entscheidung des Bundesasylamtes in Zweifel zu ziehen. Der Vollständigkeit halber ist hervorzuheben, dass eventuelle Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten in den Aussagen der Beschwerdeführerin auch nicht auf die damalige Minderjährigkeit der nunmehr volljährigen Beschwerdeführerin zurückzuführen sind. Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt kein Kind mehr und von einer laut eigenen Angaben zum damaligen Zeitpunkt 17 Jahre alten Jugendlichen mit 12 Jahren Schulbesuch kann laut erkennendem Senat durchaus erwartet werden, genauere Angaben zu den Gründen für ihre Ausreise und hinsichtlich ihrer Fluchtroute zu tätigen. Die Beschwerdeführerin wurde auch jeweils in Anwesenheit eines Mitarbeiters des Jugendwohlfahrtträgers als gesetzlicher Vertreter (bzw. einem von diesem bevollmächtigten Vertreter) einvernommen und wurde ihr das Einvernahmeprotokoll vor Unterschriftsleistung rückübersetzt und sie überdies darüber belehrt, allenfalls ergänzende Angaben tätigen zu können. Sie hätte also ausreichend Gelegenheit gehabt, etwaige Missverständnisse unmittelbar nach ihrer Einvernahme aufzuklären oder weitere Angaben zu tätigen, weshalb der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der damals bestehenden Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin zu keinem anderen Ergebnis gelangt.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der von der Beschwerdeführerin behauptete Sachverhalt aufgrund von Ungereimtheiten, Widersprüchen und mangels Nachvollziehbarkeit sowie insbesondere unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat nicht den Tatsachen entspricht und die Beschwerdeführerin eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Selbst bei Wahrunterstellung ihrer Angaben - wovon der Asylgerichtshof aus obigen Überlegungen jedoch nicht ausgeht - kann keinesfalls eine auf das gesamte Bundesgebiet von Nigeria bezogene Verfolgungsgefahr der Genannten erkannt werden. Der erkennende Senat schließt sich hier der Argumentation des Bundesasylamtes an, wonach der Beschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtoption offen gestanden wäre. Sie hätte jedenfalls die Möglichkeit gehabt, drohenden Handlungen in ihrem kleinen Dorf durch eine Niederlassung in einem anderen Landesteil Nigerias zu entgehen, wo sie sogar über Familienangehörige verfügt. Die gesetzlichen Bestimmungen sowie das weitgehende Fehlen von Meldeämtern ermöglichen zudem eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit im gesamten Land, weshalb sich jeder Bewohner Nigerias in anderen Landesteilen niederlassen kann.

Soweit die Beschwerdeführerin auch behauptet, aufgrund der schlechten wirtschaftlichen und humanitären Situation sowie dem Umstand, eine alleinstehende Frau zu sein, nicht zurückkehren zu können bzw. keine innerstaatliche Fluchtalternative zu haben, ist auszuführen, dass die allgemeine Lage in Nigeria nicht derart schlecht ist, sodass es für jedermann unmöglich wäre, sich an einem beliebigen Ort niederzulassen und dort eine neue Existenz aufzubauen. Ihre behauptete fehlende Familienbindung (zu ihren zahlreichen im Herkunftsstaat lebenden Verwandten) muss als unglaubwürdig gewertet werden und wäre aber unter Zugrundelegung der Länderfeststellungen zudem nicht geeignet, eine fehlende Alternative einer innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit zu erkennen. Nicht nur, dass die Beschwerdeführerin als Christin bei derselben Personengruppe Anschluss finden kann; es gibt auch zahlreiche Organisationen in Nigeria, die ihre Unterstützung anbieten. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auf die Wohltätigkeitsorganisation WACOL (Womens Aid Collective) zu verweisen, welche auf unterschiedlichen Gebieten - Schulungen, Rechtsberatung, Unterkunft und dergleichen - ihre Unterstützungsleistungen anbietet. Auch wenn sich alleinstehende Frauen ohne familiären Rückhalt in ihrem Heimatland allfälligen Schwierigkeiten und Diskriminierungen ausgesetzt sehen, ist es ihnen - wie sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen hinsichtlich der Situation in Nigeria ergibt - dennoch möglich, ein eigenständiges Leben zu führen. Abgesehen von den bereits erwähnten Hilfsorganisationen, gibt es auch typische Berufsfelder für Frauen mit geringer oder keiner Ausbildung, womit jedenfalls ein wirtschaftliches Überleben gesichert ist.

Hinsichtlich der weiteren völlig allgemein gehaltenen Behauptungen, wonach die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau im Herkunftsstaat der Gefahr von Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs und anderen Bedrohungen ausgesetzt sei, ist ausdrücklich auf die Länderfeststellungen zu verweisen, wonach laut WACOL (NGO für Frauen) eine innerstaatliche Fluchtalternative eine Option für erwachsene Frauen - unabhängig davon, ob es sich um Opfer von FGM, häuslicher Gewalt oder Zwangsheirat handelt - darstellt. Es ist für erwachsene Frauen möglich, innerhalb Nigerias umzuziehen, eine Arbeit zu suchen und sich selbst zu erhalten. Laut WRAPA (Women's Rights Advancement and Protection Alternative) ist ein interner Wohnortwechsel für Frauen rechtlich möglich, die häuslicher Gewalt, FGM oder Zwangsheirat entkommen wollen, oder für erwachsene Frauen, die ihre Töchter vor FGM schützen wollen. Dies wird von WRAPA als realistische Möglichkeit für solche Frauen betrachtet. Gemäß "United Nations Development Fund for Women" (UNIFEM) ist es theoretisch nicht schwierig für Frauen, innerhalb Nigerias umzuziehen und auf diese Art physische Sicherheit zu finden.

Insgesamt sind somit im Ergebnis die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall mangels Glaubhaftmachung eines asylrelevanten Vorbringens sowie ergänzend wegen des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative für die Beschwerdeführerin in Nigeria nicht erfüllt.

Zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin wird Folgendes ausgeführt:

Die Beschwerdeführerin hat betreffend ihre gesundheitliche Situation im Rahmen ihres Asylverfahrens immer angegeben, gesund zu sein und keinerlei Unterlagen über Erkrankungen in Vorlage gebracht. Die Beschwerdeführerin leidet daher an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, die gegen eine Rückführung in den Herkunftsstaat spricht.

Der erkennende Senat kommt daher zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidet und somit bei einer Rücküberstellung nach Nigeria keine Verletzung des Artikel 3, EMRK gegeben wäre.

römisch II.4. Rechtlich folgt daraus:

römisch II.4.1. Gemäß Paragraph 23, AsylGHG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 147 aus 2008,, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, nicht Anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

Gemäß Paragraph 22, Absatz eins, des Artikel 2, des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008,, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

Gemäß Paragraph 61, Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2009,, entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Absatz 3, oder 3a vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 51 aus 1991,, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß Paragraph 61, Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2009,, von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.

römisch II.4.2. Gemäß Paragraph 73, Absatz eins, AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft und ist gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31. Dezember 2005 noch nicht anhängig waren. Im vorliegenden Verfahren wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 10.03.2008 gestellt, weshalb das AsylG 2005 idgF zur Anwendung gelangt.

römisch II.4.3. Zu Spruchteil römisch eins. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12. 2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vergleiche auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 09.03. 1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl vergleiche zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614; 29.3.2001, 2000/20/0539). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der schwere des Eingriffs nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH 16.9.1992, 92/01/0544; 7.10.2003, 92/01/1015 u.a.).

UNHCR betont in seinen Richtlinien zur "Internen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", dass die Frage des Vorliegens einer inländischen Flucht- bzw. Schutzalternative in einem Asylverfahren nicht losgelöst von allen anderen zu prüfen ist und dass das Konzept der inländischen Flucht- bzw. Schutzalternative auch nicht dazu dienen kann, den Zugang zum Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zu verweigern, weil sich diese Frage erst im Zusammenhang mit der inhaltlichen Prüfung eines Asylantrages stellt (HCR/GIP/03/04 v. 23.7.2003, S 2).

Die Prüfung, ob eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vorliegt, erfordert eine Zukunftsprognose dahingehend, ob für den jeweils konkreten Asylwerber im Entscheidungszeitpunkt eine solche

tatsächlich in Frage kommt (= Klärung der Relevanz) und

bejahendenfalls ob diese ihm zumutbar ist (= Klärung der

Zumutbarkeit). Dabei ist zunächst zu klären, ob ein konkretes risikofreies Gebiet existiert, das sich durch Abwesenheit des Verfolgers auszeichnet und dessen Stabilität und Sicherheit von Dauer ist. Weiters ist zu klären, ob ein solches risikofreies Gebiet für den Asylwerber sowohl von innerhalb als auch von außerhalb des Herkunftsstaates in Sicherheit und auf legalem Weg erreichbar ist (= Möglichkeit einer sicheren Rückkehr) und ob das Leben dort für den Asylwerber ohne unangemessene Härten oder Gefahren geführt werden kann. Wenn eine solche inländische Flucht- bzw. Schutzalternative als vorhanden angesehen wird, hat ferner das Entscheidungsorgan nachzuweisen bzw. den Beweis zu erbringen, dass es dem betroffenen Asylwerber in Anbetracht sämtlicher persönlicher Umstände zumutbar wäre, dort Zuflucht zu finden, um nicht länger begründete Furcht vor Verfolgung zu haben vergleiche hierzu auch die o.a. diesbezüglichen UNHCR-Richtlinien v. 23.7.2003, HCR/GIP/03/04).

In Summe hat die Beschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft darlegen können, wie im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend dargestellt worden ist. Da das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer zielgerichteten Verfolgung ihrer Person unglaubwürdig ist, konnte es auch der rechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde gelegt werden. Andere Gründe, die gegen eine Rückkehr nach Nigeria sprechen sind unter Berücksichtigung der Angaben der Beschwerdeführerin sowie bei Heranziehung der Länderfeststellungen nicht ersichtlich und können auch von Amts wegen nicht festgestellt werden. Der Asylgerichtshof kommt daher zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat weder individuelle Verfolgung - weder unmittelbar von staatlichen Organen noch von "Privatpersonen" - drohte noch aktuelle und konkrete Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd Artikel eins, Abschnitt 1 Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht und konnte eine solche auch nicht von Amts wegen festgestellt werden.

Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass selbst wenn man den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin (teilweise) Glaubwürdigkeit zubilligen würde, so verfügt sie über eine zumutbare inländische Fluchtalternative innerhalb Nigerias, insbesondere in den Großstädten des Herkunftsstaates. Etwaigen Verfolgungshandlungen könnte die Beschwerdeführerin durch Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Nigerias entgehen, zumal eine aktive landesweite Verfolgung ihrer Person angesichts der Größe Nigerias, der Bevölkerungszahl und eines fehlenden Meldewesens auch nicht durchgeführt werden kann. Davon, dass ihr ein Umzug nicht zumutbar wäre, kann angesichts der Tatsache, dass es sich bei ihr um eine arbeitsfähige, junge Frau handelt, nicht ausgegangen werden. Zwar wird seitens des Asylgerichtshofes nicht verkannt, dass sich die Situation für alleinstehende Frauen als schwierig gestaltet, allerdings sprechen auch die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegten Berichte davon, dass es insbesondere in den Großstädten Nigerias spezielle Beschäftigungsprogramme und NGOs gibt, an die sich diese Frauen wenden können. Zudem verfügt die Beschwerdeführerin über Familienangehörige, die in Großstädten wohnen und sie unterstützen könnten.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. war daher abzuweisen.

römisch II.4.4. Zu Spruchteil römisch II. des angefochtenen Bescheides:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist einem Fremden gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, AsylG 2005 zu verbinden. Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragstellers. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008,, ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 8, AsylG 1997 in Verbindung mit Paragraph 57, FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293, 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des Paragraph 8, AsylG 1997 (nunmehr: Paragraph 8, Absatz eins, AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

Allgemeine Verhältnisse in einem Heimatstaat reichen nicht aus, wohlbegründete Furcht im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, zu begründen (VwGH 29.10.1993, 93/01/0859 betreffend Situation der ungarischen Minderheit). Allgemeine Informationen über die Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin vermögen nichts zu ändern, weil es auch vor dem Hintergrund der allgemeine Verhältnisse immer auf die konkrete Situation des einzelnen Asylwerbers ankommt vergleiche VwGH 11.09.1996, 95/20/0197).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten (oder anderer in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131; vergleiche dazu überdies EUGH 17.2.2009, Meki Elgafaj/Noor Elgafaj vs. Staatssecretaris van Justitie, C-465/07, a, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Artikel 15, Litera c, der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 [StatusRL] auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 57, FrG, dies ist nun auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028). Herkunftsstaat ist auch bei der Prüfung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, - oder im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Beschwerdeführerin keine sie konkret bedrohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. für eine aktuelle drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe vorgebracht. Eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, bzw. Artikel 3, EMRK kann im Falle der Beschwerdeführerin somit nicht erkannt werden. Es gibt weder einen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Nigeria den in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre, noch liegen Hinweise auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung der Beschwerdeführerin unzulässig machen könnten, vor. In Nigeria besteht auch nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Dass es in Nigeria immer wieder (insbesondere) religiös motivierte Gewalt und Konflikte in einzelnen Landesteilen gibt, wird weder vom Bundesasylamt noch seitens des erkennenden Gerichts in Abrede gestellt. Jedoch ist festzuhalten, dass es sich hierbei um lokal und zeitlich begrenzte Auseinandersetzungen handelt, während die generelle Situation in Nigeria jedoch grundsätzlich als ruhig zu beurteilen ist, sodass eine ernsthafte Bedrohung des Lebens der Beschwerdeführerin infolge solcher Konflikte landesweit nicht besteht. Es ist darüber hinaus festzuhalten, dass in Nigeria keine derart extreme Gefahrenlage gegeben ist, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, eine Gefahr für Leib und Leben in hohem Maße droht.

Soweit die Beschwerdeführerin behauptete, in Nigeria niemanden zu haben sowie nirgendwo hingehen zu können und auch in den Stellungnahmen betont wird, dass (alleinstehende) Frauen in Nigeria diskriminiert und gefährdet sein würden und in eine existenzgefährdende Lage geraten könnten, so verkennt der Asylgerichtshof nicht, dass das Leben in Nigeria für alleinstehende Frauen mitunter Schwierigkeiten birgt. Dennoch kann in concreto nicht davon ausgegangen werden, dass keine reale Möglichkeit zum wirtschaftlichen Überleben existierte. Es ist darauf zu verweisen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine junge, gesunde und arbeitsfähige Frau handelt, sodass von ihr zu erwarten ist, dass sie sich in Nigeria eine eigene, wenn auch eine mit österreichischen Verhältnissen vergleichsweise bescheidene Existenz aufbauen kann. Dies ist auch unabhängig von einer familiären Unterstützung möglich, da die Existenz eines familiären Verbandes im Herkunftsstaat nicht automatisch und zwingend Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Abschiebung ist. Jedenfalls könnte sich die Beschwerdeführerin in einer der multiethnischen Großstädte Nigerias niederlassen, wo sie selbst eine ihrem Bildungsgrad entsprechende Erwerbstätigkeit aufnehmen kann, um sich ihre Existenz zu sichern. Es ist demnach zu erwarten, dass sie durch eigene Arbeit oder anfänglich durch Zuwendungen von dritter Seite - etwa durch Hilfsorganisationen -, wenn auch nach der Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin ihr Fluchtvorbringen nicht geglaubt wird, folglich wird ihr auch nicht geglaubt, dass sie keinerlei Kontakt zu ihren Verwandten im Herkunftsstaat hat oder keine Möglichkeit hätte, ihre Verwandten ausfindig zu machen. Somit ist zweifellos davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch Unterstützung durch ihre im Herkunftsstaat lebenden Verwandten suchen könnte, falls sie dies will.

Die Beschwerdeführerin behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen, auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3, EMRK darstellen könnte. Da sie im Verfahren keinerlei Erkrankungen behauptete und keine (aktuellen) ärztlichen Befunde in Vorlage gebracht hat, geht der Asylgerichtshof davon aus, dass die Beschwerdeführerin gesund ist und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann somit nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Artikel 3, EMRK bedeuten würde.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls abzuweisen.

römisch II.4.5. Zu Spruchteil römisch III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG sind Ausweisungen nach Absatz eins, unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

2. diese eine Verletzung von Artikel 8, EMRK darstellen würden.

Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

d) der Grad der Integration;

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 4, AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Absatz eins, Ziffer eins, verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 5, AsylG ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Gem. Paragraph 10, Absatz 6, AsylG bleiben Ausweisungen nach Absatz eins, binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

Wird eine Ausweisung durchsetzbar, so gilt sie nach Paragraph 10, Absatz 7, leg. cit. als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 oder Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 38, durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

Nach Paragraph 10, Absatz 8, leg. cit. ist mit Erlassung der Ausweisung der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (Paragraph 55 a, FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (Paragraph 46, FPG) hinzuweisen.

Ist ein Asylantrag abzuweisen und wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG festgestellt, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (Paragraph 8, Absatz 2, AsylG bzw. nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmungen des Paragraph 75, Absatz 8, AsylG 2005 nach Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, leg. cit.). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u. a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung ist auf Artikel 8, EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). In diesem Zusammenhang erfordert Artikel 8, Absatz 2, EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen vergleiche VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

Gemäß Artikel 8, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht vergleiche EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, u.v.a).

In Österreich lebt ihre minderjährige Tochter (Beschwerdeführerin zu D18 436523-1/2013), welche mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag ebenfalls ausgewiesen wurde. Da alle im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sind, liegt diesbezüglich kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin vor. Eine Ausweisung ist unter diesem Gesichtspunkt - gemeinsam und gleichzeitig vollzogen - kein Eingriff in das Recht auf Familienleben. Es kann daher auch keine Verletzung dieses Rechts erkannt werden.

Ist im gegenständlichen Fall ein unzulässiger Eingriff in das Familienleben zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Artikel 8, Absatz 2, EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche EGMR 8.4.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251, uva.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190). Das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden ist bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen (VfGH 17.03.2005, G 78/04).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und Verfassungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen vergleiche VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/ Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, Sitzung 282ff).

Geht man in vorliegendem Fall von einem bestehenden Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich aus, fällt die gebotene Abwägung nach Ansicht des Asylgerichtshofes zu Lasten der Beschwerdeführerin aus und stellt die Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK dar, dies aus folgenden Erwägungen:

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit März 2008 in Österreich. Wie oben bereits dargestellt, kann aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vergleiche VfSlg. 18.224/2007) jedoch abgeleitet werden, dass die Dauer des inländischen Aufenthaltes für die Zulässigkeit einer Ausweisung nicht allein entscheidend ist und lediglich einen von mehreren verschiedenen Aspekten darstellt, die im Rahmen einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK zu unterziehen sind. Selbst wenn die Beschwerdeführerin in den ca. fünfeinhalb Jahren ihres Aufenthaltes persönliche Interessen an einem weiteren Verbleib im österreichischen Bundesgebiet entwickelt hat, so sind diese Interessen in ihrem Gewicht maßgeblich dadurch gemindert, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich aufgrund ihres gestellten Asylantrages, der sich als unbegründet erwiesen hat, nicht illegal war. Die Beschwerdeführerin musste sich im Laufe ihres Aufenthaltes in Österreich bewusst sein, dass ihr Aufenthalt "unsicher" und lediglich auf die Dauer des Verfahrens beschränkt war und ein weiterer Verbleib nach Beendigung des Verfahrens vom Erfolg ihres Antrages abhängen würde. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungs- wie auch des Verfassungsgerichtshofes, dass die durch eine soziale Integration erworbenen Interessen an einem Verbleib in Österreich in ihrem Gewicht gemindert sind, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine Ausweisung nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Artikel 8, EMRK vergleiche VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013, VfSlg. 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010; VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN). Die Beschwerdeführerin musste gemäß der verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung spätestens seit der erstinstanzlichen Abweisung ihres Asylantrages im März 2009 (mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 30.03.2009, Zahl 08 02.351-BAL) ihren zukünftigen Aufenthalt als nicht gesichert erachtet haben; sie konnte somit bereits rund ein Jahr nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet nicht (mehr) darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können vergleiche VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085) In diesem Fall musste sich die Asylwerberin, die zudem ihren Mitwirkungspflichten im Asylverfahren durch ihre unkonkreten und unplausiblen oberflächlichen Angaben nur bedingt nachkam, bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat des unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit ihrer Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg. 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010 sowie VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).

Im Hinblick auf den bestehenden Eingriff in das Privatleben ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin lediglich aufgrund ihres Asylantrages, der sich als unbegründet erwiesen hat, vorläufig zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet berechtigt war. Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8, Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu vergleiche VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; siehe die weitere Judikatur des VwGH zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften: VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 16.1.2007, 2006/18/0453; jeweils vom 8.11.2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22.6.2006, 2006/21/0109; 20.9.2006, 2005/01/0699). Es sind aber auch keine Umstände erkennbar, die auf eine während des Aufenthaltes im Bundesgebiet erfolgte außergewöhnliche Integration der Beschwerdeführerin schließen lassen. Die Beschwerdeführerin ist am Arbeitsmarkt nicht integriert, hat während ihres Aufenthaltes in Österreich laufend Leistungen aus der Grundversorgung bzw. von der Volkshilfe in Anspruch genommen und ist auf fremde Unterstützungsleistungen angewiesen. Es besteht in Österreich zu keiner Person ein Abhängigkeitsverhältnis. Die Beschwerdeführerin lebt im gemeinsamen Haushalt zusammen mit einer Freundin, mit der sie jedoch laut eigenen Angaben keinerlei engere Beziehung hat. Auch zum angeblich in Italien aufhältigen Kindesvater besteht wenig Kontakt und kaum eine Beziehung, er unterstützt die Beschwerdeführerin zudem nicht. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich (mit Ausnahme einer kurzfristigen Tätigkeit als Prostituierte) nie einer Beschäftigung nachgegangen. Es kann von keiner Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden, was jedoch von einer Mutter eines rund dreimonatigen Kindes auch nicht erwartet werden darf. Es ist jedoch diesbezüglich darauf zu verweisen, dass hinsichtlich der Beschwerdeführerin auch in den Jahren seit ihrer Einreise bis zu ihrer Schwangerschaft bzw. zur Geburt ihrer minderjährigen Tochter keine Selbsterhaltungsfähigkeit festzustellen war und somit diesbezüglich keine positive Prognose zu treffen ist. Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin eine Fachschule für wirtschaftliche Berufe ein Jahr lang besucht hat, das zweite Schuljahr jedoch nicht mehr besucht hatte, sondern die Wirtschaftsfachschule ohne nachvollziehbare Gründe oder andere Optionen abgebrochen hat. Die Beschwerdeführerin hat zudem an einigen Ausbildungsprogrammen und an Deutschkursen teilgenommen und verfügt mittlerweile über gute Deutschkenntnisse. Festzuhalten ist diesbezüglich, dass in einer Gesamtbetrachtung auch ausgezeichnete Deutschkenntnisse keinen Einfluss auf die Entscheidung haben könnten und darauf zu verweisen ist, dass der Weg eines unbegründeten Asylantrages nicht der richtige ist, um hier in Österreich eine Ausbildung zu absolvieren oder mit der erlernten Berufstätigkeit mehr Geld zu verdienen, sondern die österreichische Rechtsordnung hierfür im Rahmen der legalen Einwanderung ausreichend Möglichkeiten bietet. Überdies legten Referenzschreiben die Integrationsbemühungen der Beschwerdeführerin dar. Eine Mitgliedschaft in Organisationen oder Vereinen (außer ihrer Mitgliedschaft in einer Kirche) oder gemeinnützige Tätigkeiten wurden weiters nicht dargelegt. Von einer gelungenen und nachhaltigen Integration kann somit trotz erwähnter Integrationsmaßnahmen und gewisser Ausbildungen insbesondere deshalb nicht ausgegangen werden, weil diese schon deshalb zu relativieren sind, da der Beschwerdeführerin die Unsicherheit des Aufenthaltes zumindest seit dem erstinstanzlichen negativen Bescheid im März 2009 bewusst sein musste vergleiche VwGH 25.2.2010, 2009/21/0187). Eine allein den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerung konnte demgegenüber nicht festgestellt werden, auch wenn es zu gewissen Verzögerungen kam.

Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in seiner Entscheidungen zur Ausweisung eines kosovarischen (ehemaligen) Asylwerbers keine Verletzung von Artikel 8, EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vergleiche ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).

Den persönlichen Interessen am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet kommt somit kein allzu großes Gewicht zu, zumal auch die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise im März 2008 als nicht übermäßig lang zu betrachten ist. Der Asylgerichtshof kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der Beschwerdeführerin, die im Herkunftsstaat laut eigenen Angaben jahrelang im Herkunftsstaat ihren Lebensunterhalt vor ihrer Ausreise erwirtschaften konnte, erkennen: Die Beschwerdeführerin beherrscht nach wie vor die Sprache des Herkunftsstaates, sodass auch ihre Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Zudem hat sie den überwiegenden Teil ihres Lebens in Nigeria verbracht; auch leben Verwandte und Bekannte der Beschwerdeführerin (im Detail insbesondere ihr Vater, ihre vier Schwestern, ihr Bruder sowie eine Tante) nach wie vor in Nigeria. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ihrem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Nigeria - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden Grund) für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen vergleiche VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

Auch der Verfassungsgerichthof hat in seinem Erkenntnis U614/10 vom 12.06.2010 die Bedeutung der öffentlichen Interessen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen bei einer Abwägung festgehalten. Demgemäß bewirke auch ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Artikel 8, EMRK vergleiche idS VfSlg. 14.681/1996 sowie VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007, wenn auch zu anderen Verwaltungsrechtsmaterien). Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen.

In einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden Beschwerdefalles und iSd. oben dargelegten Rechtsprechung überwiegen unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände die iSd oben dargelegten Rechtsprechung öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, wie insbesondere die Aufrechterhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der öffentlichen Ordnung, die privaten Interessen der Beschwerdeführerin; von einer Entwurzelung im Heimatstaat kann nicht ausgegangen werden. Die vorliegende Ausweisungsentscheidung steht zudem einem legalen Aufenthalt unter Beachtung der allgemeinen aufenthalts- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen bzw. einem humanitären Aufenthalt nicht entgegen (siehe idS VfGH 12.6.2010, U 614/10).

römisch II.4.6. Im vorliegenden Verfahren wurde hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht festgestellt, dass diese an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet. Für den Asylgerichtshof besteht kein Anlass daran zu zweifeln, dass sie an keiner Artikel 3, EMRK relevanten Erkrankung leidet bzw. dass keine iSd Artikel 3, EMRK "außergewöhnlichen Umstände" vorliegen, welche einer Abschiebung entgegenstünden, weshalb nicht davon ausgegangen wird, dass auf Grund seiner Rückkehr nach Nigeria sein Gesundheitszustand existenzbedrohend beeinträchtigt wird; auch die Abschiebung selbst bedeutet keine Verletzung von Artikel 3, EMRK. Weiters ergaben sich auch keine begründeten Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in ihrer Person liegen und die nicht von Dauer sind, Artikel 3, EMRK verletzen könnte.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides ebenfalls abzuweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.