Asylgerichtshof
11.02.2013
D18 414834-3/2012
D18 414834-3/2012/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin MMag. Dr. SCHNEIDER als Vorsitzende und die Richterin Mag. RIEPL als Beisitzerin über die Beschwerde der römisch 40 , StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. August 2012, Zl. 12 00.189-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 3,, 8 Absatz eins, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005,, und Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz ist bereits der dritte Antrag der Beschwerdeführerin in Österreich.
römisch eins.1. Die Beschwerdeführerin stellte am 21.04.2010 nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet mit einem Schengenvisum ihren (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, römisch 40 zu heißen, am römisch 40 geboren worden und Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein.
Diesen ersten Antrag auf internationalen Schutz begründete die Beschwerdeführerin in der Folge im Wesentlichen damit, Probleme mit der Polizei gehabt zu haben, welche sich nach der Ausreise ihres Schwagers und ihrer Schwester nach deren Aufenthaltsort erkundigt und ihr im Falle einer Nichtauskunft mit dem Umbringen gedroht hätte. Im Oktober 2009 sei die Polizei mit Maschinengewehren in das Haus eingedrungen, hätte den Schwager gesucht und von ihm behauptet, er wäre ein Kämpfer. Im Zuge dessen hätten die Polizeibeamten den Versuch unternommen, die Beschwerdeführerin in ein Polizeiauto zu zerren, wobei sie von diesen an den Haaren gezogen worden sei. Eine Nachbarin sei aufgrund der Schreie zur Hilfe geeilt und habe sie befreit. Die Polizeibeamten hätten nicht nur mit Mord, sondern auch mit Vergewaltigung gedroht.
Diesen Antrag auf internationalen Schutz wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 22.07.2010, FZ. 10 03.437-BAT, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 idgF (Spruchpunkt römisch eins.) und in Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab und wies die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt römisch III.).
Gegen diese Entscheidung brachte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein, die mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.10.2010 hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. - letzteres in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation - als unbegründet abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 in die Russische Föderation ausgewiesen. In seiner Begründung stellte der Gerichtshof sowohl die russische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin als auch ihre Identität fest. Ihr Fluchtvorbringen erachtete der Asylgerichtshof als unglaubwürdig, weshalb er auch zu dem Schluss gelangte, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit keinen asylrelevanten Übergriffen in ihrem Herkunftsstaat ausgesetzt war und dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr auch keine derartigen Übergriffe in der Russischen Föderation drohen würden. Weiters stellte der Asylgerichtshof fest, dass die Beschwerdeführerin an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leide, die einer Rückführung in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen könnten. Rechtlich folgerte der Asylgerichtshof daraus, dass die Beschwerdeführerin keine Gefahr im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht habe. Im Hinblick auf Spruchpunkt römisch II. konnte der Asylgerichtshof keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK oder Artikel 3, EMRK erkennen, seine Ausweisungsentscheidung begründete der Asylgerichtshof mit einer zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgehenden Interessensabwägung im Sinne der Artikel 8, Absatz 2, EMRK.
Dieses Erkenntnis erwuchs nach rechtswirksamer Zustellung mit 14.10.2010 in Rechtskraft.
römisch eins.2. Die Beschwerdeführerin stellte am 30.05.2011 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der niederschriftlichen Befragung in der Polizeiinspektion Traiskirchen am 30.05.2011 gab die Beschwerdeführerin vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, sie habe bereits einen negativen Bescheid erhalten, woraufhin sie im November 2010 die Pension in römisch 40 verlassen musste. In der Folge habe sie sich die ganze Zeit versteckt gehalten. Auf Anraten ihres Anwaltes habe sie einen neuen Asylantrag gestellt. Sie habe die gleichen Asylgründe. Nunmehr habe sie einen Lebensgefährten und sei im 6. Monat schwanger. Sie könne nicht nach Dagestan zurückkehren, weil sie Angst vor der Miliz habe. Ihr Lebensgefährte könne nicht nach Georgien zurückkehren.
Im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 06.06.2011 gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Aussagen im vorangegangenen Asylverfahren der Wahrheit entsprochen hätten.
Weiters gab sie an, seit römisch 40 mit römisch 40 nach moslemischer Tradition verheiratet zu sein, standesamtlich seien sie nicht verheiratet. Sie sei im 6. Monat schwanger. Seit November 2010 lebe sie mit ihrem Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt. Sie habe einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, weil sie sich aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht mehr verstecken könne.
Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, umgebracht zu werden. Dies gelte auch für ihre Mutter, ihren Bruder und ihr ungeborenes Kind. Ihr Schwager werde im Herkunftsstaat gesucht. Noch während ihres Aufenthaltes im Heimatland seien sie mehrmals von den Leuten, die ihren Schwager gesucht hätten, befragt und belästigt worden. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor diesen Leuten. Diese Gründe habe sie bereits im Rahmen ihres ersten Asylverfahrens angegeben, seither gebe es nichts Neues. Auf die Frage, aus welchem Grund ihr zukünftiges Kind in Dagestan umgebracht werden sollte, gab sie an, wenn sie schon sie selbst umbringen wollten, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass davon auch ihr Kind betroffen wäre.
Im Herkunftsstaat würden sich die Geschwister mütterlicherseits, zwei Onkel und zwei Tanten, aufhalten. Es bestehe unregelmäßiger Kontakt.
Sie sei 4 Monate in der Betreuungsstelle römisch 40 bei ihrem Lebensgefährten illegal aufhältig gewesen. Dieser beziehe Sozialhilfe. Seit Mai 2011 würden sie von Ute Bock finanziell unterstützt. Sie spreche ein wenig Deutsch, habe jedoch keine Kurse besucht und sei in keinem Verein. In Zukunft wolle sie studieren und arbeiten, damit sie in Ruhe ihr Kind aufwachsen sehe.
Auf die Mitteilung, es sei eine Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz beabsichtigt, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei jetzt schwanger. Sie und ihr Lebensgefährte wüssten nicht mehr, wohin sie gehen solle. Nach Hause zurück gehe nicht, sie würden umgebracht werden.
Abschließend legte die Beschwerdeführerin ihren Mutter-Kind-Pass und einen Befund vom 02.05.2011 vor (Geburtstermin laut Ultraschall am römisch 40 ).
Am 06.06.2011 wurde der Beschwerdeführerin mit schriftlicher Verfahrensanordnung nach Paragraph 29, Absatz 3, AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil entschiedene Sache iSd Paragraph 68, AVG vorliege. In der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem entscheidenden Organwalter des Bundesasylamtes gab sie im Beisein eines Rechtsberaters und einer geeigneten Dolmetscherin Folgendes an: Sie habe am römisch 40 ihren Lebensgefährten geheiratet, deswegen habe sie in ihrer Heimat Probleme. Letzte Woche habe sie mit einem ihrer Onkel, welcher im Herkunftsstaat aufhältig sei, telefoniert, welcher sich negativ gegenüber ihrer Eheschließung und ihrer Schwangerschaft geäußert habe, obwohl ihr Lebensgefährte zum moslemischen Glauben konvertiert sei. Er habe sie bedroht und im Falle einer Rückkehr eine Nichtaufnahme im Familienverband in Aussicht gestellt. Zwei Brüder mütterlicherseits würden sich im Herkunftsstaat aufhalten, wobei diese seit römisch 40 von ihrer Eheschließung wüssten. Auf Vorhalt, es sei nicht verständlich, weswegen sie nun von ihrem Onkel ausgerechnet seit letzter Woche aufgrund der Eheschließung bedroht werde, wenn diese bereits seit November 2010 von der Ehe wüssten, erwiderte sie, sie habe vor ein paar Tagen von der Schwangerschaft berichtet, woraufhin diese sehr böse geworden wären. Daraufhin verstrickte sich die Beschwerdeführerin in Widersprüche betreffend den konkreten Zeitpunkt des behaupteten Telefonats mit ihrem Onkel.
Auf weiteren Vorhalt, bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 06.06.2011 habe sie mit keinem Wort ein Problem mit ihrem Onkel angegeben, erwiderte die Beschwerdeführerin, sie habe über politische Gründe gesprochen und nicht ihre moslemischen Probleme angegeben. Dies sei ihr zweites Problem.
Sie sei in Österreich niemals berufstätig gewesen. In der Betreuungsstelle römisch 40 habe sie einen Deutschkurs besucht, wobei sie insgesamt an 2 Unterrichtsstunden teilgenommen habe. Sie sei kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.
Am 29.06.2011 langte beim Bundesasylamt eine Stellungnahme des Rechtsberaters der Beschwerdeführerin ein, worin ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin mit einem konvertierten Muslimen verheiratet sei und Angst vor Repressalien seitens ihrer Familie habe. Diese hätten ihr für den Fall einer Rückkehr in das Heimatland mit den Worten "es wird dir schlecht gehen" gedroht. Unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes habe dies die Beschwerdeführerin in der Einvernahme vom 15.06.2001 glaubhaft geschildert. Ob das Vorbringen der Beschwerdeführerin glaubhaft sei oder nicht, müsse in einem inhaltlichen Verfahren geprüft werden. Die Annahme dieses Vorbringen habe keinen glaubhaften Kern, sei nicht nachvollziehbar und rechtfertige keine Zurückweisung des Asylantrages wegen entschiedener Sache. Weiters befinde sich die Beschwerdeführerin im 6. Schwangerschaftsmonat. Diesbezüglich sei keine Untersuchung hinsichtlich der Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerin angeordnet worden.
Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 02.07.2011, Zl. 11 05.245 - EAST Ost, gemäß Paragraph 68, AVG Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, idgF., wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt römisch eins.) und die beschwerdeführende Partei gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt römisch II.). Die Identität der Beschwerdeführerin stehe fest. Die Feststellungen zu ihrer Schwangerschaft, einschließlich zum voraussichtlichen Geburtstermin, würden sich aufgrund des in Vorlage gebrachten Mutter-Kind-Passes, in Übereinstimmung mit ihren Angaben im Verfahren ergeben. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass die Beschwerdeführerin an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide. Die Beschwerdeführerin habe sich im Wesentlichen auf die bereits im Erstverfahren vorgebrachten Gründe, welche nicht glaubhaft seien, gestützt. Hieraus folge notwendigerweise, dass auch mit Folgebehauptungen, die auf die als nicht glaubhaft erachteten Fluchtgründe aufbauen bzw. diese bekräftigen sollen, nichts zu gewinnen sei. Im Sinne vorstehender Ausführungen ergebe sich weiters, dass ihr nunmehriges Vorbringen in Zusammenhang mit der behaupteten Gefährdung ihres ungeborenen Kindes in Dagestan, welche sie ebenfalls auf die bereits im Erstverfahren als nicht glaubhaft erachteten Verfolgungs- und Rückkehrbefürchtungen stützte bzw. davon ableitete, gleichfalls in keinster Weise glaubhaft sei, zumal der gesamten im Erstverfahren behaupteten Verfolgung offensichtlich keine Glaubhaftigkeit zuerkannt worden sei. Die Feststellung, wonach ihr Vorbringen bezüglich der behaupteten Bedrohung durch ihre Onkel keinen glaubhaften Kern aufweise, gehe angesichts der dargestellten und gravierenden Widersprüchlichkeiten sowie der Unplausibilität ihres Vorbringens zweifelsfrei hervor. Bei den diesbezüglichen Behauptungen der Beschwerdeführerin handle es sich daher um ein gesteigertes Vorbringen, welchem kein glaubhafter Kern zukomme.
Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ging das Bundesasylamt davon aus, dass mangels eines neuen Sachverhaltes im vorliegenden Verfahren eine entschiedene Sache iSd Paragraph 68, Absatz eins, AVG vorliege. Seine Ausweisungsentscheidung begründete das Bundesasylamt mit einer zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgehenden Interessensabwägung.
Gegen diesen Bescheid richtete sich eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde, worin die Beschwerdeführerin u.a. ihre bisher vorgebrachten Fluchtgründe wiederholte und hinsichtlich ihrer neuen Asylgründe angab, durch die Geburt ihres Kindes erhöhe sich die Gefahr, im Falle einer Rückkehr nach Dagestan eventuell exekutiert zu werden, auf alle Fälle jedoch einer unmenschlichen Behandlung zugeführt zu werden. Darüber hinaus seien ihr durch die Heirat seitens ihrer Onkel ernste Konsequenzen angedroht worden. Eine Rückkehr sei ihr mit diesem Mann nicht erlaubt. Bedingt durch die Schwangerschaft und die aufgezeigten Probleme leide sie unter erheblichen psychischen Problemen.
Die vorzitierte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylberichtshofes vom 22.07.2011. Zl.: D18 414834-2/2011/3E gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG als unbegründet abgewiesen und es wurde gem. Paragraph 10, Absatz 3, AsylG die Durchführung der Ausweisung der Beschwerdeführerin - wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft - bis zum 01.12.2011 aufgeschoben.
In seiner Begründung erkannte der Asylgerichtshof, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem erneuten Vorbringen gänzlich auf jene Fluchtgründe gestützt habe, die sie bereits im vorangegangenen Verfahren vorgebracht habe, weshalb dem Antrag - soweit er sich auf Fluchtgründe stützt, die schon vor Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes bestanden haben - die Rechtskraft der inhaltlichen Vorentscheidung entgegen steht. Aber auch das gesteigerte (neue) Vorbringen - die Bedrohung durch ihre Onkel wegen der Verehelichung mit einem konvertierten Muslim - weise keinen glaubhaften Kern auf, weshalb ihren Ausführungen keine schlüssigen und einer Plausibilitätskontrolle zugänglichen Angaben hinsichtlich einer Gefährdung in der Russischen Föderation zu entnehmen sei. Was das (Grund-)Vorbringen der Beschwerdeführerin anbelangte, mit einem konvertierten Muslim eine Eheschließung nach moslemischer Tradition eingegangen und im sechsten Schwangerschaftsmonat zu sein, sei dieses nicht geeignet, eine inhaltliche Entscheidung der Behörde zu erwirken und es könne darin kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe. Wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliege und sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert habe, so stehe die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Entscheidung des neuerlichen Antrages entgegen.
Die Entscheidung erwuchs in weiterer Folge mit 28.07.2011 in Rechtskraft.
römisch eins.3. Am 05.01.2012 stellte die Beschwerdeführerin ihren dritten - den gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 05.01.2012 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen gab die Beschwerdeführerin als Grund ihrer erneuten Asylantragstellung an, ihr Sohn sei am römisch 40 in Österreich geboren und sie würden als Familie in Österreich zusammen leben wollen. Zu neuen Gründen befragt gab sie an, dass ihr Lebensgefährte aus Georgien und sie aus der Russischen Föderation (Dagestan) stamme. Zwischen diesen Ländern habe vor einigen Jahren Krieg geherrscht, es bestehe noch immer ein angespanntes Verhältnis zwischen den beiden Ländern. Sie könnten deshalb weder nach Dagestan noch nach Georgien zurück. Ihr Ehemann sei ursprünglich Christ gewesen, sei jedoch vor einigen Jahren zum moslemischen Glauben konvertiert. Ihre beiden Onkel (Brüder ihrer Mutter) seien gegen ihre Beziehung mit ihrem Lebensgefährten. Aus diesem Grund könnten sie keinesfalls zurück nach Dagestan. Sie würden beide zusammen mit dem Sohn in Wien glücklich leben wollen. Die Geburt ihres Sohnes sei schwierig gewesen und ihr Ehemann habe wegen der Probleme zu Hause psychische Probleme und Bluthochdruck.
römisch eins.4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin 29.03.2012 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesasylamtes einvernommen und gab zusammengefasst an, ihr Sohn sei gesund und besitze die russische Staatsbürgerschaft. Er sei aus denselben Gründen wie seine Eltern in Österreich. Im Fall ihrer Rückkehr hätten sie dort nichts mehr, sie hätte gegen die Traditionen dort verstoßen, weil sie als Awarin einen Georgier geheiratet habe. Bei ihnen sei es nicht üblich, einen Mann einer anderen Volksgruppe zu heiraten. Sie stelle den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, weil es bei ihnen eine Schande sei, gegen die Tradition zu verstoßen. Sie habe nicht nur einen Mann einer anderen Volksgruppe geheiratet, ihr Ehemann sei noch dazu Christ, was bei ihnen nicht akzeptiert werde. Ihre Onkel hätten ihr gedroht, dass sie ihre Heirat nie akzeptieren würden, auch wenn er zum Islam übertreten würde.
Auf Vorhalt, dass sie im letzten Verfahren behauptet hatte, ihr Ehemann wäre zum Islam übergetreten, bestätigte dies die Beschwerdeführerin. Wenn sie angebe, ihr Ehemann sei Christ, hätte sie gemeint, dies sei er von Geburt an. Die Verwandten ihres Ehemannes würden nichts mit ihr zu tun haben wollen, weil sie Moslemin sei. Seine Schwester möge ihren Sohn sehr gerne, ihr gegenüber sei sie jedoch sehr skeptisch. Die Mutter ihres Ehemannes wolle von ihr gar nichts hören und seine Verwandten würden ihm Vorwürfe machen, weshalb er sie geheiratet habe. Seine Tante wohne in Slowenien, seine Schwester in Wien, die anderen Verwandten seien vermutlich im Heimatland.
Befragt, welche neuen Gründe sie abgesehen der Gründe, die sie in ihren rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren geschildert hatte, habe, gab sie an, ihr neuer Grund sei, dass in der Zwischenzeit ihr Sohn zur Welt gekommen sei. Sie habe bereits alle Dokumente vorgelegt.
Hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Verfassung gab sie an, dass sie unter Stress leide. Befragt gab sie an, dass sie ansonsten gesund sei. Sie habe keine Krankheiten und nehme keine Medikamente.
Es bestehe ein Konflikt zwischen Georgien und Russland, sie könne weder in das eine noch in das andere Land zurückkehren. Ihre Verwandten hätten klar dargelegt, dass sie ihre Ehe nicht akzeptierten. In Österreich lebe ihre geschiedene Schwester mit deren vier Kindern. Ihre Mutter und ihr kleiner Bruder hätten sich vor einer Abschiebung aus Österreich gefürchtet, weil sie eine negative Entscheidung erhalten hätten, und sie seien deshalb freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt. Ihre Mutter habe ihr erklärt, dass es ihr gut gehe, sie sich jedoch verstecken müsse und habe der Beschwerdeführerin am Telefon ihren Aufenthaltsort nicht preisgegeben. Weil die Beschwerdeführerin mit einem Georgier verheiratet sei, habe ihre Mutter Probleme mit den Verwandten, dies habe ihr ihre Mutter bereits in Österreich erzählt. Ihre Mutter habe eine Schwester, die ihr geholfen hätte, sich in einer Wohnung bei Moskau zu verstecken, die Onkel hätten jedoch keine Kenntnis davon.
Auf Vorhalt, dass sie zuvor angegeben hätte, ihre Mutter hätte ihr nichts über ihren Aufenthaltsort erzählt, erwiderte die Beschwerdeführerin, ihre Mutter hätte nur am Telefon nichts darüber berichtet, der Beschwerdeführerin jedoch vor ihrer Rückkehr von ihrer Absicht, nach Moskau zu gehen, erzählt. Ihre Mutter hätte ihr in Österreich gesagt, dass sie auf keinen Fall nach Dagestan zurückkehren könnte und hätte mit ihrer Schwester über ihre Ausreise nach Moskau gesprochen. Die Tante der Beschwerdeführerin arbeite seit rund acht oder neun Monaten in Moskau, dies würden viele Personen aus Dagestan machen. Ihre Tante habe eine Wohnung in Moskau gemietet und habe ihrer Mutter Unterstützung zugesagt. Befragt, was gegen eine Rückkehr nach Moskau zu ihrer Mutter und Tante sprechen würde, erwiderte die Beschwerdeführerin, dass sich ihre Mutter verstecken würde und sie wegen der Beschwerdeführerin große Probleme bekommen könnte.
Die ursprünglichen Fluchtgründe der Beschwerdeführerin bestünden nach wie vor, die Polizei würde nach ihnen suchen. Ihr sei nichts Genaueres bekannt. Dies sei der einzige Grund. Ihre Familie könne nur in Österreich existieren.
Befragt, weshalb sie die Gründe hinsichtlich ihrer Verwandten nicht bereits zu Beginn ihres zweiten Verfahrens im Jahr 2011 angeführt hatte, erwiderte die Beschwerdeführerin, sie habe die Probleme erst geschildert, als diese aufgetaucht wären. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen würden große politische Probleme und Schwierigkeiten wegen ihrer Familie bedeuten. Derzeit könnten sie aufgrund des Konflikts zwischen Georgien und Russland weder nach Georgien noch in die Russische Föderation fahren. Befragt, was dagegen spreche, dass sie sich um ein Aufenthaltsrecht in Georgien bemühe, gab die Beschwerdeführerin an, ihr Ehemann habe selbst Probleme dort, daher könnte sie nicht dorthin fahren. Außerdem sei die Mutter ihres Ehemannes gegen die Verbindung und sie würden auf der Straße stehen.
Die Beschwerdeführerin habe in Österreich Deutschkurse absolviert.
Nach Übergabe der Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat und Einräumung einer Frist zur Stellungnahme wurde die Beschwerdeführerin befragt, ob sie noch etwas ergänzen möchte, daraufhin verwies sie darauf, dass sie gehört hätte, es würde in Dagestan erneut Krieg drohen. Im Fall ihrer Rückkehr fürchte sie sich in Dagestan, weil ihre Onkel ihr mit dem Umbringen gedroht hätten, weil sie diese aufgrund ihrer Eheschließung verraten hätte. Ihre Onkel seien sehr traditionell eingestellt und würden darauf bestehen, dass die Traditionen eingehalten werden.
Der ausgewiesene Vertreter führte zum Asylantrag des Sohnes an, dass dessen Antrag darauf begründet werde, dass aufgrund der getrennten Staatsangehörigkeiten der Eltern, eine gemeinschaftliche Ausweisung der Familie schon allein aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei. Nachdem der Sohn die russische Staatsangehörigkeit besitze, würde er im Falle seiner Ausweisung von seinem Vater getrennt, eine derartige Entscheidung stelle einen Eingriff in das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch beide Elternteile dar.
römisch eins.5. Am 06.04.2012 übermittelte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme zu den übergebenen Länderfeststellungen. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass sie Angehörige der awarischen Volksgruppe sei, für die das Blutrecht gelte. Dies bedeute, dass sie als awarische Frau nur innerhalb ihrer Volksgruppe heiraten dürfe, die Ehe mit einem Nicht-Awaren, der noch dazu christlicher Religion sei, werde daher von ihrer Familie nicht geduldet. Sie sei deshalb bereits vor der Geburt ihres Sohnes von ihren Onkeln bedroht worden. Die Eheschließung mit ihrem georgischen Ehemann sei ein "unsittliches Verhalten" in Dagestan und deshalb komme es auch nach wie vor zu Ehrenmorden. Die Familie der Beschwerdeführerin sei sehr traditionell und habe ihr auch Konsequenzen angedroht. Sogar ihre Mutter, welche nach Russland zurückgekehrt sei, habe mit Verfolgung durch ihre Familie zu rechnen, sie halte sich daher mit ihrem kleinen Sohn in der Umgebung von Moskau auf. Im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation sei sie von Verfolgung durch ihre Familie bedroht und könne sich daher auf keinen Fall in Dagestan niederlassen. Das Vorbringen hinsichtlich der Gefahr, Opfer eines Ehrenmordes zu werden, gelte auch für ihren kleinen Sohn. Die Ausweisung in die Russische Föderation bedeute auch eine Trennung ihres Sohnes von seinem georgischen Vater, der nach Georgien ausgewiesen werden würde. Ihr Kind habe jedoch das Recht auf Anwesenheit und Pflege sowie Erziehung beider Elternteile. Durch die Ausweisungsentscheidung, welche ja zielstaatgerichtet erfolgen müsse, würde der Vater ihres Sohnes in ein anderes Land ausgewiesen werden, ohne dass dieser die Möglichkeit erhalte, sich (auch später nicht) im Heimatland des Kindes niederzulassen, um bei seinem Kind zu sein.
Hinsichtlich der Beschwerdeführerin wurden zudem folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:
Österreichische Geburtsurkunde und Auszug aus dem Geburtseintrag hinsichtlich des am römisch 40 geborenen Sohnes römisch 40 ,
Bestätigung über die moslemische Trauung der Beschwerdeführerin mit
römisch 40 ,
Handschriftliche Bestätigung der Vereinigung demokratischer Tschetschenen in römisch 40 .
römisch eins.6. Das Bundesasylamt wies den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 29.08.2012, Zl. 12 00.189-BAT, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (Asylgesetz) idgF. ab (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkt römisch II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt die Identität, die Nationalität, die Volksgruppenzugehörigkeit und ihre Heirat nach moslemischer Tradition mit dem georgischen Staatsbürger römisch 40 fest. Festgestellt wurde überdies, dass sie am römisch 40 einen Sohn namens römisch 40 geboren habe und mit diesem und ihrem nach moslemischem Ritus angetrauten Mann (rechtlich: Lebensgefährten) im gemeinsamen Haushalt lebe. Sie berufe sich auf die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Familienlebens mit ihrem neugeborenen Sohn, weil sie und der Vater ihres Sohnes aus verschiedenen Herkunftsländern stammen. Die Beschwerdeführerin sei gesund. In seiner Begründung traf das Bundesasylamt umfangreiche Länderfeststellungen zur Situation in der Russischen Föderation und im Nordkaukasus.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keinen neuen - asylrelevanten - Sachverhalt angegeben habe, sondern sich auf die bereits in den vorangegangenen Verfahren abgehandelten Fluchtgründe beziehe. Es stehe der Beschwerdeführerin überdies eine innerstaatliche Fluchtalternative in Moskau bei ihrer Tante, wo sich auch ihre Mutter und ihr Bruder aufhalten würden, zur Verfügung.
Eine Gefährdung, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, sei nicht gegeben. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Bundesasylamt deshalb zu dem Ergebnis, dass kein Sachverhalt vorliege, der zur Zuerkennung des Status der Asylberechtigten führen könnte, ebenso wenig wie zur Gewährung von subsidiärem Schutz. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin sei zulässig. Hinsichtlich ihres georgischen Lebensgefährten, wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin mit diesem ein im Sinne des Artikel 8, EMRK relevantes Familienleben zu einem Zeitpunkt und in Kenntnis ihres mehr als unsicheren Aufenthaltsstatus sowie im Bewusstsein, dass ein gemeinsames Familienleben nur ein vorübergehendes sein werde, eingegangen sei. Soweit sich nun ihre vorliegende Ausweisung - im Unterscheid zur Ausweisung ihres Lebensgefährten nach Georgien - auf die Russische Föderation als Zielstaat beziehe, sei anzumerken, dass es der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn jederzeit freistehe und zumutbar sei, ihr Familienleben mit ihrem Lebensgefährten bzw. Vater ihres Sohnes in der Russischen Föderation oder allenfalls in Georgien weiterzuführen.
römisch eins.7. Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, bestellte mittels Verfahrensanordnung gemäß Paragraph 63, Absatz 2, AVG vom 29.08.2012 für die Beschwerdeführerin den Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater gemäß Paragraph 66, Absatz eins, AsylG 2005 für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof.
römisch eins.8. Gegen oben genannten Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde, mit der dieser sowie der Bescheid betreffend ihren mj. Sohn in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurden. Sie sei Staatsangehörige der Russischen Föderation/Dagestan und Angehörige der awarischen Volksgruppe. Das Bundesasylamt habe sich in wesentlichen Punkten mit ihrem Vorbringen nicht abschließend auseinandergesetzt und teilweise seien die getroffenen Feststellungen nicht richtig bewertet und in einem Punkt seien auch falsche Feststellungen getroffen worden. Sie sei Angehörige der awarischen Volksgruppe, für welche das Blutrecht gelte. Dies bedeute, dass es einer awarischen Frau nur innerhalb ihrer Volksgruppe gestattet sei zu heiraten. Die Ehe mit einem Nicht-Awaren, der noch dazu christlicher Religion gewesen sei, werde daher von ihrer Familie nicht geduldet. Sie sei deshalb bereits vor der Geburt ihres Sohnes von ihren Onkeln bedroht worden. In Dagestan komme es nach wie vor zu Ehrenmorden wegen "unsittlichen Verhaltens" und falle die Eheschließung mit ihrem jetzigen Ehemann, der georgischer Abstammung sei, unter dieses Verhalten. Da ihre Familie sehr traditionell sei, wären ihr Konsequenzen angedroht worden. Sogar ihre Mutter, die zum Zeitpunkt der Eheschließung in Österreich gewesen sei und diese auch genehmigt habe, hätte nach ihrer Rückkehr nach Russland mit Verfolgung durch ihre Familie zu rechnen und halte sich in der Umgebung von Moskau mit ihrem kleinen Sohn versteckt. Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation sei die Beschwerdeführerin daher von Verfolgung durch ihre eigene Familie bedroht und könnte sich daher auf keinen Fall in Dagestan niederlassen. Aus den Berichten ergebe sich, dass die dortigen Polizeibehörden bei Fällen häuslicher Gewalt, unter die auch der Ehrenmord falle, nur sehr zögerlich einschreiten. Sie könne daher den Schutz ihres Heimatlandes nicht in Anspruch nehmen. Auch die auf diesem Gebiet tätigen NGOs würden keinen effektiven Schutz vor Verfolgung sondern lediglich Beratung bieten, wie sich aus den Länderfeststellungen ergebe. Sie wäre daher gezwungen so wie ihre Mutter illegal in Zentralrussland zu leben und könnte sich dort, weil sie keinerlei soziale Anknüpfungspunkte habe, wegen der Vorschriften über die Propiska nicht legal niederlassen. Sie wäre einer Situation extremer und existenzieller Not ausgesetzt, von der nicht nur sie, sondern auch ihr kleiner Sohn betroffen wäre. Ihr kleiner Sohn werde von der dagestanischen Gesellschaft als Bastard oder Ungläubiger betrachtet. Ihr Sohn sei völlig auf sie angewiesen, jedoch selbst bei isolierter Betrachtung seiner Person hätte dieser mit massiver sozialer Diskriminierung durch die dagestanische Gesellschaft zu kämpfen und würde auch der Gefahr, Opfer eines Ehrenmordes zu sein, ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin würde zudem in eine existenzielle Notlage geraten. Darüber hinaus würde eine Ausweisung in die Russische Föderation eine Trennung von dessen Vater, der georgischer Staatsangehöriger sei und nach Georgien ausgewiesen werde, bedeuten. Ihr Ehemann sei den russischen Behörden nicht nur wegen seiner georgischen Herkunft, sondern auch wegen seiner religiösen Überzeugung (weil er zum Islam konvertiert sei) suspekt. Es sei davon auszugehen, dass die russischen Behörden ihrem Ehemann die legale Niederlassung verweigern würden und sei laut Länderfeststellungen seine Niederlassung als Vater eines russischen Staatsbürgers gar nicht vorgesehen. Weil sie mit ihrem Ehemann nur nach muslimischem Recht verheiratet sei, wäre bereits aus rechtlichen Gründen die Niederlassung ihres Ehemannes ausgeschlossen. Es würde durch die Ausweisung nicht nur zu einem Eingriff, sondern zu einer Zerstörung des Familienlebens kommen, man greife unheilbar in das Recht des Kindes ein und daher sei diese unzulässig. Es werde der Antrag gestellt, die Flüchtlingseigenschaft wegen "Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Ehrenmord bedrohten Frauen" zuzusprechen bzw. jedenfalls die Ausweisungsentscheidung zu beheben.
römisch eins.9. Der erkennende Senat des Asylgerichtshofes hat mit gleichlautenden Erkenntnissen vom heutigen Tag die Beschwerden ihres Lebensgefährten und ihres minderjährigen Sohnes (Beschwerdeführer zu D18 408462-3/2012 und D18 429323-1/2012) gemäß Paragraphen 3,, 8 Absatz eins, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005,, und 10 Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
römisch II.1. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in die dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin ihre drei Verfahren betreffend, ebenso in jene ihres Lebensgefährten sowie des minderjährigen Sohnes und die im erstinstanzlichen Verfahren der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten eingeführten Länderdokumente.
römisch II.2. Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
Zur Person und den Fluchtgründen:
Die Beschwerdeführerin heißt römisch 40 , ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der dagestanischen Volksgruppe.
Die Beschwerdeführerin stellte am 21.04.2010 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, dieser wurde mit Erkenntnis vom 06.10.2010, Zl. D18 414834-2/2010/3E, durch den Asylgerichtshof rechtskräftig abgewiesen und die Beschwerdeführerin in die Russische Föderation ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin stellte am 30.05.2011 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylberichtshofes vom 22.07.2011, Zl. D18 414834-2/2011/3E, gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sacher erneut abgewiesen wurde.
Am 05.01.2012 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz, in dem sie als neuen Grund im Wesentlichen die nunmehrige Geburt ihres Sohnes vorbrachte.
Die Gründe für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin konnten jedoch nicht festgestellt werden. Es kann weder festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation einer Verfolgung ausgesetzt war, noch droht eine solche aktuell. Nicht festgestellt werden kann deshalb, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - droht. Die Beschwerdeführerin hat sich auf Fluchtbehauptungen gestützt, welche bereits in den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren als unglaubwürdig bewertet wurden. Die nunmehr abermals behauptete Verfolgung, wonach sie im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat insbesondere von Seiten ihrer Verwandten mütterlicherseits aufgrund ihrer Heirat nach muslimischem Ritus mit einem georgischen und zum Islam konvertierten Staatsangehörigen und wegen des nunmehr gemeinsamen Kindes im Herkunftsstaat Bedrohungen ausgesetzt wäre, kann nicht festgestellt werden.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die Beschwerdeführerin ist gesund und leidet somit an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde. Es kann folglich nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und bei Rückkehr in die Russische Föderation droht ihr weder eine unmenschliche Behandlung, Todesstrafe oder unverhältnismäßige Strafe noch eine sonstige individuelle Gefahr.
Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Familie in Österreich vorliegt. Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Der unbescholtenen Beschwerdeführerin kam zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylverfahren gestütztes Aufenthaltsrecht zu. Die Beschwerdeführerin behauptet lediglich Deutschkurse absolviert zu haben, sie hat jedoch diesbezüglich keine Bestätigung vorgelegt. Sie ist kein Mitglied eines Vereins und ging in Österreich zu keiner Zeit einer Beschäftigung/Arbeit nach. Sie lebt über weite Strecken ihres Aufenthaltes in Österreich in der Grundversorgung und es kann von keiner Selbsterhaltungsfähigkeit für die Zukunft ausgegangen werden.
Ihre geschiedene volljährige Schwester römisch 40 (05 14.906-BAG), lebt als anerkannter Konventionsflüchtling mit ihren vier Kindern in Österreich. Ein Abhängigkeitsverhältnis oder eine besondere Beziehungsintensität zu ihrer Schwester, mit der sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, war jedoch nicht festzustellen.
Die russische Beschwerdeführerin lebt mit ihrem georgischen Lebensgefährten und ihrem am römisch 40 in Österreich geborenen Sohn, der ebenfalls russischer Staatsbürger ist, im gemeinsamen Haushalt. Die Mitglieder der Kernfamilie sind:
römisch 40 Aufgrund der mit heutigem Tage ergangenen Entscheidungen sind alle Familienmitglieder von einer Ausweisung betroffen. Im Falle der Beschwerdeführerin handelt es sich damit um die dritte seitens des Asylgerichtshofes ausgesprochene Ausweisung seit 2010. Die Beschwerdeführerin ist ihre jetzige Lebensgemeinschaft nach rechtskräftiger Entscheidung ihres ersten Asylantrages eingegangen. Sie hat ihren Lebensgefährten gemäß Bestätigung am römisch 40 nach islamischem Ritus, nicht jedoch standesamtlich, geheiratet. Festgestellt wird auch, dass bereits im zweiten Verfahren vorgebracht worden war, dass ein gemeinsames Familienleben in Georgien oder der Russischen Föderation nicht möglich sei. Trotz der Feststellung des erkennenden Senates, den Länderinformationen und rechtlichen Recherchen der Staatendokumentation folgend, dass sich die Beschwerdeführerin ihr zumutbar um einen gesetzmäßigen Aufenthalt in Georgien kümmern könnte bzw. umgekehrt ihr Lebensgefährte für die russische Föderation, haben beide diese Gelegenheit nicht genützt, sondern lediglich einen neuerlichen unbegründeten Asylantrag gestellt, um sich den weiteren Aufenthalt in Österreich zu erzwingen. Dem Grunde nach wurde über das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin bereits rechtskräftig entschieden, auch die Geburt des Sohnes bringt keine solche Änderung der Sachlage, dass sich der erkennende Senat nicht an die rechtskräftigen Entscheidungen gebunden erachten könnte.
Zur relevanten Situation in der Russischen Föderation und Dagestan:
Da die von der belangten Behörde herangezogenen aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, das auch dem Kenntnisstand des erkennenden Senates des Asylgerichtshofes entspricht, besteht vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen der belangten Behörde zu zweifeln. Auch die Beschwerdeausführungen widersprechen den Länderfeststellungen nicht in substantiierter Weise, da sie lediglich Teile davon anzweifeln ohne jedoch eigene Länderfeststellungen, welche die Behauptungen der Beschwerdeführerin wiedergeben, zu zitieren oder darauf zu verweisen. Zur Situation im Herkunftsstaat wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Feststellungen, die hier noch Gültigkeit haben, insbesondere Folgendes für den Fall der Beschwerdeführerin als besonders relevant festgehalten:
Allgemeine Lage
Politik
Die Russische Föderation hat dem Russischen Föderalen Statistikdienst Rosstat zufolge Ende 2010 142,9 Millionen Einwohner, davon leben 74% im städtischen Raum. Etwa 80% der Bevölkerung sind ethnische Russen. In der Hauptstadt Moskau leben rund 11,5 Millionen Menschen.
(Rosstat-Russian Federal State Statistics Service: römisch 40 , ohne Datum, http://www.gks.ru/bgd/free/b04_03/Isswww.exe/Stg/d01/65oz-shisl28.htm, Zugriff 14.2.2012 / Rosstat-Russian Federal State Statistics Service: Resident Population, ohne Datum, http://www.gks.ru/bgd/regl/b11_12/IssWWW.exe/stg/d01/05-01.htm, Zugriff 14.2.2012)
Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Am 7. Mai 2008 übernahm Dmitri Anatoljewitsch Medwedew das Amt des Präsidenten von seinem Vorgänger Wladimir Putin, nachdem er aus den Wahlen am 2. März 2008 mit über 70 Prozent der Stimmen als deutlicher Sieger hervorgegangen war. Medwedew schlug am Tag seines Amtsantritts seinen Vorgänger Putin als Ministerpräsidenten vor, das Parlament bestätigte diesen am 8. Mai 2008 mit großer Mehrheit.
Präsident Medwedew stellt seine Präsidentschaft unter das Ziel einer umfassenden Modernisierung des Landes. Wichtigste erklärte Ziele sind dabei die Bekämpfung der Korruption, die Förderung des Rechtsstaates, die Stärkung der Mittelklasse und die Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Russlands jenseits des Rohstoffsektors. Die nächsten Präsidentschaftswahlen, nun für die Amtszeit von sechs Jahren, sind für März 2012 geplant. Beim Parteitag der Partei "Einiges Russland" am 24. September 2011 wurde Medwedew zum Listenführer für die Wahlen zur Staatsduma am 04. Dezember bestimmt und erklärte sich bereit, künftig das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Medwedew seinerseits schlug seinen Vorgänger Putin als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl vor.
Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad und Bezeichnungen (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte) besteht. Die Föderationssubjekte verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive. Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus.
Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 166 Mitgliedern. Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Durch Präsidialdekret vom Juli 2000 wurden die zunächst sieben, seit Februar 2010 acht Föderalbezirke geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der ebenfalls durch Präsidialdekret (September 2000) geschaffene Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten.
Bei der Wahl zur Staatsduma am 2. Dezember 2007 wurde erstmals das in den letzten Jahren veränderte Wahlrecht angewandt. Danach werden alle Abgeordneten ausnahmslos über Parteilisten nach Verhältniswahlrecht gewählt. Darüber hinaus wurde die Sperrklausel von fünf auf sieben Prozent angehoben. Neben "Einheitliches Russland" hatten die Kommunisten mit 57 Sitzen und die "Liberaldemokraten" des Rechtspopulisten Schirinowski mit 40 Sitzen den erneuten Einzug in die Duma geschafft. Die linksorientierte Partei "Gerechtes Russland" konnte 38 Mandate erringen.
(Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2012)
Russland ist keine Wahldemokratie. Die Parlamentswahlen im Dezember 2007 wurden von der Verwaltung dirigiert, was den pro-Kremlin Parteien eine große Mehrheit im Unterhaus, das in der Praxis aber machtlos ist, brachte. Die Präsidentschaftswahlen 2008 zeigten die staatliche Dominanz über die Medien, es gab keine Diskussionen, dem Amtsinhaber Putin gelang es, das Amt an seinen von ihm gewählten Nachfolger, Dmitri Medwedew weiterzureichen.
Gemäß der Verfassung von 1993 ist das Amt des Präsidenten sehr stark, dieser entlässt und ernennt, vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments, den Premierminister. Das derzeitige de facto politische System repräsentiert nicht länger die verfassungsmäßige Ordnung, da Premierminister Putin durch seine persönliche Macht und seine Machtbasis in den Sicherheitskräften die dominante Figur in der Exekutive ist. Die Föderalversammlung besteht aus der Staatsduma (450 Sitze) und dem Oberhaus, dem Föderationsrat (166 Sitze). Seit 2007 werden die Sitze in der Duma durch Parteilisten gewählt. Parteien müssen mindestens 7% der Wählerstimmen gewinnen, um in der Duma vertreten zu sein. Wahlbündnisse können nicht geschlossen werden. Um als Partei registriert zu werden, muss eine Partei mindestens 50.000 Mitglieder haben und in der Hälfte der 83 Föderationssubjekte vertreten sein. Diese neuen Bestimmungen machen es - zusammen mit den streng kontrollierten Medien, dem Missbrauch administrativer Ressourcen, darunter auch der Gerichte - für Oppositionsparteien schwer, eine Vertretung zu gewinnen. Die Hälfte der Mitglieder des Oberhauses wird von den Gouverneuren ernannte, die andere Hälfte durch die Regionalparlamente, üblicherweise ist der föderale Einfluss groß. Seit Jänner 2011 sind nur mehr lokal gewählte Politiker berechtigt, im Föderationsrat zu sitzen. Diese Änderung wird vor allem Einheitliches Russland zum Vorteil gereichen, da die meisten lokalen Amtsinhaber Parteimitglieder sind. Nachdem die Gouverneure früher gewählt wurden, werden sie seit 2004 vom Präsidenten ernannt. Nach Verfassungsänderungen 2008 beträgt die Amtszeit des Präsidenten ab nun sechs Jahre (vormals vier), die Einschränkung von maximal zwei Amtsperioden in Folge bleibt bestehen. Die Amtszeit der Duma wurde von vier auf fünf Jahre verlängert.
(Freedom House: Freedom in the World 2011 - Russia, Mai 2011)
Wahlen
An den Wahlen zur Staatsduma am 4.12.2012 nahmen alle sieben beim Justizministerium registrierten politischen Parteien teil, von denen vier auch im bisherigen Parlament vertreten waren: die Regierungspartei "Einiges Russland", die "Kommunistische Partei der Russischen Föderation", die "Liberaldemokratische Partei Russlands" und "Gerechtes Russland". Die anderen drei Parteien waren die Parteien "Jabloko", "Patrioten Russlands" und "(Ge-)Rechte Sache". Dem Gesetz über Politische Parteien zufolge muss eine Partei mindestens 45.000 Mitglieder haben und regionale Zweigstellen mit mindestens 450 Mitgliedern in mehr als der Hälfte der Föderationssubjekte der Russischen Föderation. Nur eine zusätzliche Partei seit den Wahlen 2007 - "(Ge-)Rechte Sache" - konnte für die Wahlen 2011 registriert werden, allen weiteren wurde die Registrierung verweigert. Die Registrierungsvoraussetzungen wurden von allen Parteien vor dem Europarat kritisiert.
Die Dumawahlen 2012 waren gut verwaltet, aber von einer Konvergenz der Regierungspartei mit dem Staat, eingeschränktem politischem Wettbewerb (durch die Verweigerung von Registrierungen politischer Parteien durch das Justizministerium) und mangelnder Fairness gekennzeichnet. Die Wahlverwaltungsbehörden, lokale Behörden und Dienstanbieter behandelten die wahlwerbenden Parteien ungleich, das Spielfeld war zugunsten der Regierungspartei geneigt. Die Unterscheidung zwischen Staat und Regierungspartei wurde oft dadurch verzerrt, dass einige Personen ihr Amt zu ihrem Vorteil nutzten.
Seit den letzten Wahlen wurde der gesetzliche Rahmen in mehrerlei Hinsicht verbessert, beispielsweise war der Zugang zu Printmedien offener, die Möglichkeiten Treffen und Kundgebungen zu veranstalten waren größer. Dennoch ist das Gesetz zu komplex und lässt zu viel Raum für Interpretation, was zu uneinheitlicher Anwendung führte.
Der Umgang der Zentralen Wahlkommission mit Beschwerden unterminierte das Recht der Wahlteilnehmer auf effektive und zeitgerechte Abhilfe. Die Unabhängigkeit der Kommission von der staatlichen Administration wurde von den meisten politischen Parteien in Frage gestellt. Die Möglichkeiten für internationale Wahlbeobachter waren eingeschränkt.
Am Wahltag war die Stimmabgabe gut organisiert, aber die Qualität des Prozesses verschlechterte sich während der Auszählung, bei der es zu Verletzungen der vorgegebenen Prozedere und zu Manipulationen kam. Die Massenproteste in vielen russischen Städten weisen auf Bedenken in der Öffentlichkeit hin. Eine Untersuchung von mehr als 2.000 diesbezüglichen Anschuldigungen wurde eingeleitet.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: Observation of the parliamentary elections in the Russian Federation (4 December 2011), 23.1.2012)
Wie die Wahlkommission mitteilte, entfallen auf die Partei des Ministerpräsidenten Wladimir Putin 238 der insgesamt 450 Mandate. Im Vergleich zur Duma-Wahl 2007 verlor sie 77 Mandate. Im Parlament sind alle vier bisherigen Parteien weiterhin vertreten. Die Kreml-Partei kommt auf 49,54 Prozent der Stimmen (2007: 64,3 Prozent). Die Kommunisten kamen auf 19,16 Prozent der Stimmen und 92 Sitze, Gerechtes Russland auf 13,22 Prozent (64 Sitze) und die ultranationalistische Liberaldemokratische Partei von Wladimir Schirinowski auf 11,66 Prozent (56 Sitze).
(Zeit.de: Medwedjew nennt Verluste "Demokratie in Aktion", 5.12.2011,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-12/russland-wahlen-verluste, Zugriff 14.2.2012)
Zwei Wochen nach der umstrittenen Parlamentswahl protestierte die Opposition erneut mit landesweiten Demonstrationen gegen das von Fälschungsvorwürfen überschattete Ergebnis. In Moskau begann gegen Mittag eine Kundgebung, zu der die liberale Oppositionspartei Jabloko aufgerufen hatte. Die Polizei sprach zunächst von schätzungsweise 1500 Teilnehmern. Wie in der Vorwoche, als Zehntausende im Zentrum der Stadt demonstriert hatten, verfolge ein Großaufgebot der Sicherheitskräfte die Veranstaltung, berichtete der Radiosender Echo Moskwy. Jabloko-Chef Sergej Mitrochin forderte in seiner Rede den Rücktritt des umstrittenen Wahlleiters Wladimir Tschurow und die Freilassung aller Oppositionellen, die während der jüngsten Protestwelle eingesperrt worden waren.
(DiePresse.at: Wieder Proteste gegen Wahlausgang in Russland, 17.12.2011,
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/717503/Wieder-Proteste-gegen-Wahlausgang-in-Russland?from=simarchiv, Zugriff 14.2.2012)
Auch im Februar 2012 kam es noch zu Demonstrationen, um - in Aussicht der Präsidentschaftswahlen am 4.3.2012 - ehrliche Wahlen zu fordern. Am 4.2. demonstrierten in Moskau und anderen russischen Großstädten zehntausende Gegner und Anhänger von Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin. In Moskau fanden vier Großdemonstrationen statt, drei der Opposition und eine zur Unterstützung von Wladimir Putin. Die oppositionelle Kundgebung "Für faire Wahlen" war mit rund 34.000 Teilnehmern nach amtlichen Angaben bislang die größte Aktion der Regierungsgegner. Die Organisatoren sprachen sogar von 120.000 Demonstranten. Rund 140.000 Menschen kamen zu einer Kundgebung westlich vom Stadtkern, um Putin zu unterstützen. Nach Angaben des russischen Innenministeriums hat es landesweit 91 Aktionen mit insgesamt rund 230.000 Teilnehmern gegeben.
(Ria Novosti: Demo-Wirbel: Zehntausende demonstrieren für und gegen Putin, 4.2.2012, http://de.rian.ru/politics/20120204/262619397.html, Zugriff 15.2.2012)
Bei den Wahlkämpfen um die Duma 2007 und um die Präsidentschaft 2008 kam es zum Einsatz administrativer Ressourcen zugunsten der Regierungspartei bzw. des Kandidaten Medwedew sowie zu tendenziösen Entscheidungen der Zentralen Wahlkommission über die Zulassung anderer Parteien und Kandidaten. Ähnliches gilt für die seither abgehaltenen Wahlen auf regionaler Ebene. Auch auf kommunaler Ebene findet durch die Abschaffung der Direktwahl des Bürgermeisters in rund 50 der gut 100 Großstädte und die Einführung eines Systems von ernannten "City-Managern" eine weitere Beschneidung demokratischer Institutionen statt. Die "City-Manager' werden in der Regel von einer Auswahlkommission ernannt, die aus Vertretern der Stadtduma und/oder der Stadtverwaltung besteht. Die Kriterien sind unklar, der Auswahlprozess intransparent; oft kommen Freunde/Geschäftspartner des Gouverneurs zum Zuge. Durch dieses Verfahren wurden die immer häufiger werdenden Machtkämpfe zwischen den Bürgermeistern und den seit 2005 nicht mehr direkt gewählten Gouverneuren zu Gunsten letzterer entschieden.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Wegen der zeitlichen Nähe und der Zahl der Regionen galten die im März 2011 in 12 Föderationssubjekten abgehaltenen regionalen Dumawahlen als wichtiger Stimmungstest für die anstehenden föderalen Wahlen. Die Regierungspartei "Einiges Russland" konnte eine flächendeckende Mehrheit erlangen, verfehlte jedoch in sieben Föderationssubjekten die absolute Mehrheit. Im Vergleich zu den Regionalwahlen vom Herbst 2010 lässt die erkennbare Tendenz einer leicht sinkenden Zustimmung zur "regierenden Partei" eine verstärkte Vertretung der Opposition in der neuen Staatsduma erwarten.
Die Wahlbeteiligung lag in der Russischen Föderation kontinuierlich zwischen 55% und 65%, und betrug bei der Wahl von 2007 59%. Die Dumawahl erfährt geringere Aufmerksamkeit als die Präsidentschaftswahl.
(Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.: Länderbericht - Russische Parlamentswahlen 2011: Wahlablauf und Beteiligte, 12.5.2011)
Allgemeine Sicherheitslage
Den offiziellen Aussagen zufolge hat sich die Anzahl der Angriffe von Aufständischen im Nordkaukasus 2010 im Vergleich zu 2009 verdoppelt. 2011 war der islamistische Aufstand weiterhin im Anwachsen, insbesondere in der Teilrepublik Dagestan. Im Jänner 2011 tötete ein Selbstmordattentäter aus dem Nordkaukasus auf einem Moskauer Flughafen 37 Personen, mehr als 120 wurden verletzt. Der Tod von drei Touristen in Kabardino-Balkarien, vermutlich durch Aufständische, führte zur Schließung der dortigen Schiressorts.
Die Anwendung von Folter, Entführungen gleichkommenden Verhaftungen, erzwungenem "Verschwinden", und außergerichtlichen Tötungen durch Sicherheitskräfte im Rahmen ihrer Aufstandsbekämpfung, und damit einhergehend die Straffreiheit für diese Missbräuche, brachte die Bevölkerung des Nordkaukasus auf.
(Human Rights Watch: World Report 2012 - Russia, 22.01.2012)
2011 wurden in Russland nach Angaben des FSB nur halb so viele terroristische Verbrechen verzeichnet als 2010, nämlich 365 im Gegensatz zu 779. Neben Terroranschläge zählen zu solchen Verbrechen auch Angriffe auf Sicherheitskräfte. 2011 kam es 10 Terroranschlägen, während es 2010 noch 23 gewesen waren. Im Nordkaukasus gibt es gemäß dem Leiter des FSB eigene Zentren, die ehemaligen Verbrechern helfen sollen, ein Leben außerhalb des Terrorismus zu führen. 49 Personen wurden überzeugt, ihre terroristischen Aktivitäten zu beenden, derzeit arbeite diese Antiterrorkommission mit über 90 Personen.
2011 wurden im Nordkaukasus fast 50 Bandenführer, darunter zwei von Al Kaida, eliminiert und weitere fast 300 aktive Bandenführer wurden ebenfalls getötet.
(Ria Novosti: Russian Terror Crimes Down by 50% in 2011 - FSB Chief, 15.2.2012, http://en.rian.ru/russia/20120215/171325101.html, Zugriff 15.2.2012)
Regionale Problemzonen
Nach Schätzung des Bevollmächtigten für den Föderationskreis Nordkaukasus Alexander Chloponin, waren [mit Stand September 2010] rund 1.000 Rebellenkämpfer in diesem Föderationskreis aktiv.
(Ria Novosti: Some 1,000 militants 'still active' in North Caucasus, 30.9.2012, http://en.rian.ru/russia/20110930/167282370.html, Zugriff 15.2.2012) Präsident Medwedew erklärte am 16. April 2009 den "Antiterrorkampf" in Tschetschenien offiziell für beendet. Seit der Regierung und Präsidentschaft Ramsan Kadyrows sind vordergründig zahlreiche Zeichen der Normalisierung festzustellen, jedoch um den Preis ausgeweiteter Repressionen durch Kadyrows Machtapparat. Vereinzelt finden weiterhin kleinere Kämpfe zwischen Rebellen und regionalen sowie föderalen Sicherheitskräften statt. Bei den aktiven Rebellen haben islamistische Kräfte die Oberhand gewonnen, die die Errichtung eines "Kaukasischen Emirates' im gesamten Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Tschetschenien, Nordossetien, Karatschajewo-Tscherkessien, Teile des Gebietes Stawropol) anstreben und ihre Aktivitäten immer mehr in die Nachbarrepubliken, insbesondere Inguschetien und Dagestan, aber auch vermehrt in den bislang ruhigen westlichen Nordkaukasus, verlagert haben. Auch eine dauerhafte Befriedung der Lage in Tschetschenien ist nicht eingetreten.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
2010 waren 74% der Opfer im Nordkaukasus in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan zu beklagen, 2011 waren es 82%. Beinahe 60% aller Opfer waren 2011 im Dagestan zu verzeichnen.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 18, 26.1.2012)
Teile des Landes, vor allem im Nordkaukasus, sind von hohem Gewaltniveau betroffen. Der Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde. Im März 2010 griffen Selbstmordattentäter die U-Bahn in Moskau an. Im August 2010 griffen Aufständische Kadyrows Heimatort an, und im Oktober das tschetschenische Parlament. Medwedew ernannte Aleksandr Chloponin, einen erfolgreichen Geschäftsmann und sibirischen Gouverneur, zu seinem Gesandten in dem neuen Föderationskreis Nordkaukasus. Die Politik der föderalen Regierung zieht jedoch bei der Problemlösung in der Region weiterhin die Anwendung von bewaffneter Gewalt wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen vor.
(Freedom House: Freedom in the World 2011, Mai 2011)
Die Sicherheitslage im Nordkaukasus war weiter instabil. Die Gewalt beschränkte sich auch 2010 nicht auf Tschetschenien, sondern betraf auf die angrenzenden Regionen Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien und Nordossetien. Die Behörden räumten öffentlich ein, dass ihre Maßnahmen zur Bekämpfung der bewaffneten Gewalt keine Wirkung zeigten. Zahlreiche Angehörige der Strafverfolgungsorgane wurden Opfer von Überfällen bewaffneter Gruppen, die außerdem Selbstmordattentate ausführten, die sich wahllos gegen die Zivilbevölkerung richteten. Im September kamen Berichten zufolge in Wladikawkas in der Republik Nordossetien-Alanien durch eine Autobombe mindestens 17 Menschen zu Tode, mehr als 100 wurden verletzt.
Im gesamten Nordkaukasus sollen Beamte mit Polizeibefugnissen an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sein. Es wurden ihnen widerrechtliche Inhaftierungen und Folter vorgeworfen sowie in einigen Fällen auch die außergerichtliche Hinrichtung mutmaßlicher Mitglieder bewaffneter Gruppen. Da es keine wirksamen Untersuchungen dieser Menschenrechtsverletzungen gab, wurden die Täter auch nicht zur Rechenschaft gezogen. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, die darüber berichteten, wurden häufig eingeschüchtert und schikaniert.
(Amnesty International: Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, 13.5.2011)
Menschenrechte
Allgemein
Russland befindet sich seit dem Ende der Sowjetunion in einem umfassenden und schwierigen Transformationsprozess. Die rechtlichen Grundlagen für den Menschenrechtsschutz haben sich seit Beginn der 90er Jahre erheblich verbessert. Die Umsetzung vieler rechtlicher Normen lässt aber weiterhin zu wünschen übrig. Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation. Wladimir Lukin, übt in seinen Jahresberichten ausgewogene, aber teils auch sehr deutliche Kritik u. a. an Missständen im Gerichtswesen und den Zuständen in russischen Gefängnissen, insbesondere hinsichtlich Gewaltakte gegenüber Häftlingen und deren unzureichender medizinischer Versorgung.
Insgesamt hat sich die Menschenrechtslage in Russland in jüngster Vergangenheit trotz entsprechender Willensbekundungen von Präsident Medwedew nicht verbessert. Am 30. Juli 2010 trat Ella Pamfilowa, langjährige Vorsitzende des "Rates für Zivilgesellschaft und Menschenrechte beim Russischen Präsidenten", von ihrem Amt zurück, u. a. um vor dem Hintergrund ausbleibender Fortschritte bei der zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsentwicklung in Russland ein Zeichen zu setzen. Präsident Medwedew hat am 12. Oktober 2010 den Juristen Michail Fedotow zu ihrem Nachfolger ernannt, welcher als liberal gilt und sich breiter Wertschätzung - auch unter Vertretern der Zivilgesellschaft - erfreut.
Im Europarat bemüht sich Russland um Erfüllung seiner mit dem Beitritt 1996 eingegangenen Verpflichtungen, setzt aber nicht genügend Mittel und Energie zur Umsetzung ein. 1998 ratifizierte die Duma die Europäische Menschenrechtskonvention, die Anti-Folter-Konvention und die Konvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates verabschiedete am 22. Juni 2010 die Resolution 1738 (Legal Remedies for human rights violations in the North Caucasus region), die die Lage sehr kritisch betrachtet. Dieser Resolution stimmten erstmals russische Delegierte der Parlamentarischen Versammlung zu. Ein großer Teil der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängigen Individualbeschwerden betreffen Russland. Die russische Ratifizierung des Zusatzprotokolls Nr. 6 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht weiterhin aus.
Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform' ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, Rasse, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Artikel 19, Absatz 2,). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Artikel 15, Absatz 4, der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems."
Russland ist folgenden VN-Übereinkommen beigetreten:
? Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1969)
? Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte (1973) und erstes Zusatzprotokoll (1991)
? Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1973)
? Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1981) und Zusatzprotokoll (2004)
? Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Straf (1987)
? Kinderrechtskonvention (1990), deren erstes Zusatzprotokoll gezeichnet (2001)
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Im Februar 2010 setzte Medwedew den Präsidentiellen Rat zur Förderung von zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsinstitutionen (Menschenrechtsrat) wieder ein, mit Ella Pamfilova als Vorsitzende. Dieser kooperierte mit NRO. Mitglieder sind weiterhin auch prominente Menschenrechtsaktivisten, die der Menschenrechtsbilanz der Regierung sehr kritisch gegenüberstehen. Treffen zwischen dem Rat und Medwedew fanden im April und November statt.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8.4.2011)
Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten. Es mangelt jedoch häufig an der praktischen Umsetzung. Menschenrechtler bewerten die Lage weiterhin kritisch und beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Repressive Traditionen und ein Mangel an Rechtsstaatskultur verbinden sich mit einem teilweise immer noch fehlendem Respekt für individuelle Rechte und Freiheiten. Hinzu kommen schwierige materielle Rahmenbedingungen, das Fehlen einer unabhängigen Judikative sowie die weit verbreitete Korruption. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung insbesondere im Nordkaukasus sind auch autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten. Trotz vermehrter Reformbemühungen insbesondere im Strafvollzugsbereich hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert.
(Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 15.2.2012)
Minderheiten
Minderheitenrechte
Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten unabhängig von Rasse, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemüht sich die Zentralregierung zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik.
Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments sind in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten, so genannte "Tschornyje" (,¿Schwarze"). Regelmäßige Medienberichte über Schlägereien zwischen ethnischen Gruppen zeigen, dass die Ressentiments schnell in Gewalt umschlagen können. Jüngster trauriger Höhepunkt waren fremdenfeindliche Gewaltausbrüche am 11.12.2010 und den Folgetagen in Moskau und weiteren russischen Städten, bei denen Tausende zumeist jugendlicher Hooligans gezielt Menschen mit ausländischem Aussehen angriffen. Dabei wurden ein Kirgise niedergestochen und mehrere weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Erst ein massiver Einsatz von Sicherheitskräften und (vorbeugende) Festnahmen Hunderter potenzieller Gewalttäter konnte die Situation zunächst beruhigen. Menschen "nichtslawischen Aussehens" (vor allem Zuwanderer aus Zentralasien und Transkaukasien) sind häufig Ziel fremdenfeindlicher Angriffe durch "Skinheads", obwohl jüngst ein Rückgang der Opferzahlen zu verzeichnen ist. Für 2009 verzeichnete die Menschenrechts-NRO "Sowa", die die verlässlichste einschlägige Statistik führt, 71 Todesopfer und 333 Verletzte bei derartigen Übergriffen (Vergleichszahlen für 2008: 109 Todesopfer und 486 Verletzte). In den ersten neun Monaten 2010 wurden 23 Todesopfer und 241 Verletzte bei derartigen Übergriffen registriert (Vergleichszahlen für den entsprechenden Zeitraum 2009: 48 Todesopfer und 253 Verletzte).
Nichtregierungsorganisationen bemängeln, dass es bisher keine hinreichend energische Abwehr- oder Aufklärungspolitik des Staates gegen solche Obergriffe gebe. Nach den gewaltsamen Vorfällen in Moskau scheinen der Staatsführung die Folgen der verschleppten Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen deutlich geworden zu sein, und sie erklärte, Schritte im Kampf gegen fremden feindliche Tendenzen in der Gesellschaft unternehmen zu wollen. "Sowa" listet für 2009 45 Gerichtsurteile auf bei denen Gewalttäter ausdrücklich als rassistisch motiviert verurteilt wurden (Vergleichszahl 2008: 35); für die ersten neun Monate 2010 sind bereits 63 entsprechende Gerichtsurteile verzeichnet (Vergleichszahl für den entsprechenden Zeitraum 2009: 34 Verurteilungen). Dies dokumentiert eine gesteigerte Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane gegenüber Rechtsextremen, erscheint angesichts der Zahl der Überfälle jedoch immer noch unzureichend.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund der Nationalität. Regierungsbehörden diskriminierten Minderheiten jedoch gelegentlich. In den letzten Jahren wurde ein stetiger Anstieg gesellschaftlicher Gewalt gegen und Diskriminierung von Minderheiten beobachtet, insbesondere Roma, Menschen aus dem Kaukasus und aus Zentralasien, dunkelhäutige Menschen und Ausländer. Die Anzahl von berichteten Hassverbrechen stieg 2010 an, und Skinhead-Gruppen und andere extrem nationalistische Organisationen fachten rassistische Gewalt an. Rassistische Propaganda war weiterhin ein Problem, obwohl Gerichte Individuen für die Anstiftung zu ethnischem Hass durch Propaganda verurteilten. Im Dezember kam es zu einem Straßenkampf zwischen ethnischen Russen und Personen aus dem Kaukasus in Moskau. Dabei kam ein ethnischer Russe zu Tode. Dies führte zu rassistisch motivierten Unruhen mit tausenden Teilnehmern, die die Behörden oft nicht zu kontrollieren vermochten. Einige dutzend Personen mit zentralasiatischem oder kaukasischem Aussehen wurden in der Hauptstadt angegriffen und zusammengeschlagen. Präsident Medwedew verurteilte die nationalistische Gewalt. Einige hochrangige Regierungsbeamte taten dies zu Beginn nicht, und einige schienen den Forderungen der Nationalisten sogar Recht zu geben, indem sie die Schuld ausländischen Migranten gaben.
Farbige Personen beklagten sich über ungleiche Behandlung durch die Behörden. In Moskau wurden sie, insbesondere solche die aus Zentralasien und dem Nordkaukasus zu sein schienen, öfter von Behörden Dokumentenkontrollen unterzogen als andere, die Behörden verlangen von jenen ohne Dokumente regelmäßig Bestechungsgelder.
Gemäß SOVA-Zentrum wurden 2010 24 rassistische Angriffe auf Afrikaner in Moskau berichtet. Das SOVA Zentrum berichtete von einem allgemeinen Anstieg an rassistischer Gewalt. SOVA zufolge gab es 2010 400 rassistische Angriffe, die zu 37 Todesfällen und 363 Verletzten führte (2009: 19 Tote und 167 Verletzte). 273 Personen wurden 2010 für Verbrechen verurteilt, die von "aggressiver Xenophobie" motiviert waren, 154 davon zu Haftstrafen.
Die polizeilichen Untersuchungen von Fällen, die aus rassistischen oder ethnischen Gründen vorgefallen zu sein schienen, blieben oft ineffektiv. Die Behörden waren gelegentlich nachlässig, rassistische oder nationalistische Elemente von Verbrechen anzuerkennen, und bezeichneten die Angriffe oft als "Hooliganismus".
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8.4.2011)
Immigranten und ethnische Minderheiten - insbesondere jene die aus dem Kaukasus oder aus Zentralasien zu kommen scheinen - sind mit staatlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung und Schikane konfrontiert. Während rassistische Gewalt in den letzten Jahren angestiegen ist, ist die Anzahl an Morden und Verletzungen 2009 und 2010 laut NRO Sova, die ultranationalistische Aktivitäten im Land beobachtet, zurückgegangen.
(Freedom House: Freedom in the World 2011, Mai 2011)
Rassistisch motivierte Gewalt war auch 2010 ein ernstes Problem. Nach vorläufigen Daten der NGO Sowa-Zentrum für Information und Analyse forderte sie im Berichtsjahr 37 Todesopfer. Im April wurde der Moskauer Richter Eduard Tschuwaschow, der mehrere rassistisch motivierte Gewalttäter zu langen Gefängnisstrafen verurteilt hatte, vor seiner Haustür erschossen. Berichten zufolge waren die Täter Mitglieder einer extremistischen Gruppe. Im Oktober wurde der 22-jährige Vasilii Krivets wegen der Ermordung von 15 Personen nicht-slawischen Aussehens zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Untersuchungshaft der beiden Personen, die nach der Ermordung des Rechtsanwalts Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa im Januar 2009 noch im gleichen Jahr als Tatverdächtige festgenommen worden waren, wurde bis Ende 2010 verlängert. Sie sollen einer rechtsextremen Gruppe angehören und Stanislaw Markelow ermordet haben, weil er die Familie eines antifaschistischen Aktivisten vertreten hatte.
(Amnesty International: Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, 13.5.2011)
Minderheitengruppen
Russlands Bevölkerung von fast 142 Millionen setzt sich aus 160 ethnischen Gruppen zusammen (Stand 2003): 79,8% Russen, 3,8% Tataren, 2,0% Ukrainer, 1,1% Tschuwaschen, 1,1% Baschkiren, 0,8% Armenier, 0,4% Russlanddeutsche.
(Auswärtiges Amt: Länder, Reisen, Sicherheit: Russische Föderation, Stand Oktober 2011,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/RussischeFoederation_node.html, Zugriff 17.2.2012 / CIA World Factbook: Russia, Stand 14.2.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 17.2.2012)
Rechtsschutz
Justiz
Das Gesetz sieht die Unabhängigkeit der Justiz vor. Dennoch agierte die Justiz nicht immer als notwendiges Gegengewicht zu anderen staatlichen Stellen. Richter wurden von der Exekutive, dem Militär und Sicherheitskräften beeinflusst, vor allem in politisch sensiblen Fällen oder solchen mit großer Öffentlichkeitswirkung. Gesetzlich ist für Haftbefehle, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Festnahmen ein richterlicher Beschluss nötig. Dies wurde meistens eingehalten, wenngleich dieser Vorgang gelegentlich von Bestechung oder politischer Druckausübung unterminiert wurde.
Die Untersuchungsbehörde, ehemals Teil der Staatsanwaltschaft, ist nunmehr eine unabhängige Behörde, die die Untersuchungen in vielen ernsthaften Fällen leitet. Ihr Leiter wird direkt vom Präsidenten ernannt.
Trotz der in jüngster Zeit vorgenommenen Anhebungen der Richtergehälter gab es weiterhin Berichte, dass Richter Bestechungsgelder annehmen würden. Im ersten Halbjahr 2010 wurde vom "Hohen Qualifizierungskollegium der Richter" (Supreme Qualifying Collegium of Judges) ein Richter wegen Disziplinarvergehen des Amtes enthoben, ein anderer verwarnt. Dieses Kollegium bescheinigt Ernennungen in der Justiz und Beförderungen von Richtern. Regionale Befähigungskollegien disziplinierten zusätzlich 163 Richter. Das Höchstgericht stellte im April 2010 fest, dass 40% der ihm 2009 vorgelegten Strafrechtsfälle richterliche Fehler aufwiesen. Hauptquelle dieser Fehler seien die schlechte Qualifikation der Richter in den Gerichten der niederen Instanzen und die falsche Klassifizierung von Vergehen als Straffälle statt Verwaltungsübertretungen.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8.4.2011)
Russische Gerichte sind in politisch wichtigen Fällen von den Forderungen der Exekutive abhängig. Informeller Druck sichert Loyalität und drängt Richter dazu, die gewünschten Entscheidungen zu treffen. 2010 wurde dies bei dem Prozess gegen Michail Chodorowsky demonstriert, dessen Haft 2010 auslaufen sollte, aber nach einem mangelhaften Gerichtsverfahren bis 2017 verlängert wurde.
Die Ratifizierung des Protokolls des Europarats, das es dem EGMR ermöglichen wird seine Arbeit zu rationalisieren, stellt eine positive Entwicklung dar.
(Freedom House: Nations in Transit, 27.6.2011)
Die russische Regierung betrachtete eine Reform des Justizwesens weiterhin als vorrangig. Die eingeleiteten Reformen blieben jedoch bisher Stückwerk und konnten nur sehr begrenzt zur Beseitigung der grundlegenden strukturellen Mängel beitragen, die vor allem auf die verbreitete Korruption und die politische Einflussnahme auf die Justiz zurückzuführen waren.
Nachdem es von allen Seiten, selbst von Seiten der Strafverfolgungsbehörden, Kritik an Polizeiübergriffen gegeben hatte, legte die Regierung einen Entwurf für ein neues Polizeigesetz vor. Menschenrechtsorganisationen bemängelten, der Vorschlag enthalte keine wirksamen Mechanismen, um Polizeibeamte für Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen.
Um die Unabhängigkeit der Strafermittlungen zu verbessern, kündigte die russische Regierung im September 2010 an, das Ermittlungskomitee bei der Staatsanwaltschaft werde ab 2011 als unabhängiges Ermittlungsorgan agieren und der Kontrolle der Generalstaatsanwaltschaft entzogen. Es sei künftig direkt dem Präsidenten verantwortlich. Das Komitee war 2007 geschaffen worden, um eine Trennung zwischen Ermittlungs- und Anklagefunktion sicherzustellen.
(Amnesty International: Amnesty International Report 2011 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, 13.5.2011)
Präsident Medwedew verfolgt einen vorsichtigen innenpolitischen Modernisierungskurs mit den erklärten Prioritäten effektive Bekämpfung der Korruption, Rechtsstaatlichkeit, politische Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement, betont dabei jedoch auch die grundsätzliche Kontinuität mit der Politik seines Amtsvorgängers. Die Umsetzung wird aber vielfach als unzureichend kritisiert.
Es ist davon auszugehen. dass die Bemühungen, Missstände im Justizsystem durch eine umfassende Justiz- und Rechtsreform zu beheben (bisher u. a. neue Straf- und Zivilprozessordnungen, Reform des Strafgesetzbuches) fortgesetzt werden. Auch wenn die Strafprozessreformen aus den Jahren 2002 und 2004 die Stellung der Richter deutlich gestärkt hat, bleibt die Macht der Staatsanwaltschaft beträchtlich. Im September 2007 ist eine weitere Reform der Strafprozessordnung in Kraft getreten, die Aufgaben der Staatsanwaltschaft im Vorfeld der Hauptverhandlung (Ermittlungen, Verfahrenseinstellungen, Anklageerhebung) einem neu geschaffenen Untersuchungskomitee überträgt. Mit Erlass vom 27. September 2010 hat Präsident Medwedew die Schaffung einer eigenständigen Ermittlungsbehörde für (schwere) Strafsachen angeordnet, die unmittelbar dem Staatspräsidenten unterstehen soll. Ziel dieser Umstrukturierung ist eine klarere Abgrenzung zwischen Aufsichts- und Kontrollzuständigkeiten der Staatsanwaltschaft und Ermittlungstätigkeiten in Strafsachen. Kritiker befürchten eine noch größere Machtkonzentration an der Spitze des Staates.
Vor allem in der Provinz wird die Mehrzahl der Strafprozesse durch Politik, Interessengruppen und Prozessparteien unzulässig beeinflusst. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Richter und Justizbehörden ist gering.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Der Justiz mangelt es an Unabhängigkeit von der Exekutive, teilweise, weil Richter bei Beförderungen und Prämien oft von Gerichtsvorsitzenden abhängig sind, und den Präferenzen des Kremls folgen müssen um voranzukommen. Der Ruf des Justizsystems ist außerdem durch politisch brisante Fälle, wie jenen des ehemaligen Ölmagnaten Michail Chodorowsky oder der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja, angeschlagen.
Nach Justizreformen 2002 machte die Regierung Fortschritte, faire und fristgerechte Gerichtsverfahren umzusetzen, obwohl sich Medwedew beschwerte, dass diese Fortschritte nicht ausreichend seien. Seit 2003 sind im Großteil des Landes Geschworenengerichte zugelassen, seit 2008 aber nicht mehr für Terrorismusfälle. Russische Staatsbürger wenden sich zunehmend an den EGMR.
Kritiker werfen vor, dass Russland bestehende Probleme im Strafjustizwesen nicht angehen, wie etwa die schlechten Haftbedingungen und die weit verbreitete Anwendung illegaler Festnahmen und Folter um Geständnisse zu erlangen. In einigen Fällen wurde auch auf die aus Sowjetzeiten stammende Praxis der Bestrafung durch psychiatrische Behandlung zurückgegriffen.
(Freedom House: Freedom in the World 2011, Mai 2011)
Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen zuständig für den Gesetzesvollzug. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und des Antiterrorismus betraut, hat aber auch weitere Funktionen wie Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Aufsicht über den FSB, und das Untersuchungskomitee, eine unabhängige Behörde, kann Verbrechen von Mitgliedern des FSB untersuchen. Die nationale Polizei (Miliz) untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt.
Ein neues Gesetz ermöglicht es dem FSB, Personen zu verwarnen, von denen er glaubt, dass diese Bedingungen für eine Straftat gegen die Sicherheit des Landes schaffen. Dem Gesetz zufolge kann über Personen, denen vorgeworfen wird die Arbeit eines FSB-Beamten behindert zu haben, eine Geldstrafe und bis zu 15 Tage Haft verhängt werden.
Gemäß der Website des Innenministeriums begingen Angestellte des Ministeriums 2010 125.000 Vergehen (21% mehr als 2009). Davon bezogen sich rund 63.000 auf Fehlverhalten oder Disziplinarvergehen.
4.171 Strafverfahren gegen Polizisten wurden eröffnet.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8.4.2011)
Das Gesetz "Über die Polizei", das am 1. März 2011 in Kraft getreten ist, sieht unter anderem den Abbau des Personalbestandes der Innenbehörden um 20 Prozent vor. Die am selben Tag eingeleitete Überprüfung des Qualifikationsstandes der Polizeioffiziere soll bis 1. August dauern. Im Rahmen der laufenden Reform im russischen Innenministerium sind am 1. März 2011 fast die Hälfte der Polizeigeneräle entlassen worden. Wie der Stabschef des russischen Präsidenten und Vorsteher der Eignungskommission Sergej Naryschkin mitteilte, wurden 21 Generäle des Innenministeriums für dienstuntauglich befunden. Naryschkin teilte ferner mit, dass 73 ranghohe Offiziere nach dem Prinzip der Personalrotation "vertikal oder horizontal" an andere Stellen versetzt worden seien.
(Ria Novosti: Reform im russischen Innenministerium: Viele Generäle als dienstunfähig befunden, 29.7.2011, http://de.rian.ru/politics/20110729/259920211.html, Zugriff 15.2.2012)
Im Zuge der Polizeireform wurde im Juni 2011 ein Gesetz erlassen, demzufolge die Gehälter von Polizisten verdreifacht werden. Ein Leutnant wird nun zwischen 33.000 und 45.000 Rubel monatlich verdienen, im Vergleich zu den derzeit rund 10.000 Rubel. Die Gehälter für höherrangige Polizisten sollen in ähnlicher Weise angehoben werden. Zudem ist eine Ausweitung "sozialer Garantien" vorgesehen, um die Korruption einzudämmen. Die Pensionen und andere Begünstigungen für Veteranen wurden angehoben, und Unterstützungen zum Kauf von Wohnraum eingeführt.
(The Moscow Times: Police Pay römisch eins s Tripled in Anti-Graft Fight, 20.7.2011,
http://www.themoscowtimes.com/news/article/police-pay-is-tripled-in-anti-graft-fight/440794.html#axzz1SdG4sjuh, Zugriff 15.2.2012)
Religionsfreiheit
Die Russische Föderation ist ein multinationaler und multikonfessioneller Staat. Artikel 28, der Verfassung garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Orthodoxie, Islam, Buddhismus und Judentum haben dabei eine herausgehobene Stellung. Artikel 14, der Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest.
Die Russisch-Orthodoxe Kirche (ROK) erhebt einen Monopolanspruch für alle Gläubigen russischer Herkunft (Nationalität) und propagiert ihren Wertekanon als Basis einer neuen "nationalen Idee". Unter dem Patriarchen Kyrill, im Amt seit 01.02.2009 und vorher langjähriger Leiter des Außenamts der ROK, bietet sich die ROK vermehrt als stabilisierende und ideologisch allrussische Institution an. Faktisch wird sie vom Staat bevorzugt behandelt und hofiert. Die verfassungsmäßige Stellung der anderen Glaubensgemeinschaften und die rechtliche Trennung von Staat und Kirche bleiben jedoch weitgehend aufrechterhalten. Seit April 2010 gibt es in 18 Pilot-Regionen verpflichtenden Religionsunterricht (orthodox, muslimisch, jüdisch oder buddhistisch) nach Wahl. Die Einführung von Militärgeistlichen ist geplant. Umstritten ist ein Restitutionsgesetz zugunsten der ROK (Rückgabe aller 1.517 in Staatseigentum befindlichen Immobilien und Gegenstände an die ROK. Darunter sind auch Immobilien, die niemals Eigentum der ROK waren, sondern - wie in Kaliningrad - vor der Enteignung nach der Oktoberrevolution anderen Konfessionen gehörten). Dieses Gesetz unterstreicht die spirituelle und gesellschaftliche Ausnahmestellung der ROK und dürfte längerfristig zu wachsenden Problemen mit anderen Konfessionen, gesellschaftlichen Gruppen und sozialen Einrichtungen führen.
In Russland leben rund 20 Mio. Muslime. Der Islam als eine der traditionellen Hauptreligionen Russlands wird von staatlicher Seite nicht diskriminiert, sondern in der Regel gefördert. Überdies ist der Islam in Russland in seiner Grundausrichtung von Toleranz gegenüber anderen Religionen geprägt. Der Staat fördert und kontrolliert die Ausbildung von Imamen. Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen können hingegen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden stoßen. Dies gilt vor allem für nichttraditionelle islamische Strömungen, denen insbesondere im Nordkaukasus und im Wolgagebiet häufig der Vorwurf gemacht wird, extremistisches Gedankengut zu vertreten oder in Beziehung zu terroristischen Gruppierungen zu stehen, aber auch für die Zeugen Jehovas, die seit dem Sommer 2009 mit einer Welle von Verfahren nach dem Antiextremismusgesetz konfrontiert sind.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Die Bedingungen für Religionsfreiheit verschlechtern sich in Russland weiterhin. Im letzten Jahr wandte die Regierung die Anti-Extremismus-Gesetzgebung zunehmend gegen religiöse Gruppen und Individuen an, die nicht für ihre Anwendung von oder Fürsprache für Gewalt bekannt waren. Nationale und lokale Regierungsbehörden wandten regelmäßig andere Gesetze an, um Muslime und andere religiöse, nicht-traditionelle Gruppen zu schikanieren. Russische Beamte betrachten bestimmte religiöse und andere Gruppen als der russischen Kultur und Gesellschaft fremd, wodurch sie zum einem Klima der Intoleranz beitragen. Ein hohes Niveau an Xenophobie und Intoleranz, darunter auch Antisemitismus, führten zu gewalttätigen und gelegentlich tödlichen Hassverbrechen. Trotz der vermehrten Strafverfolgung für solche Handlungen, gelang es der russischen Regierung nicht, diese Probleme konsequent oder effektiv zu behandeln. Aufgrund dieser Bedenken wurde Russland von der U.S. Kommission für Internationale Religionsfreiheit (USCIRF) 2011 wieder auf ihre Watchliste gesetzt, auf der das Land 2009 erstmals gestanden hatte.
Im Berichtszeitraum stieg die Anwendung von Extremismus bezogenen Anklagen an, Leser der Arbeiten des türkischen Theologen Said Nursi und Zeugen Jehovas wurden mehrfach angeklagt. Mehrere religiöse Minderheitengruppen wurde weiterhin die Registrierung verweigert, und Verzögerungen und Ablehnungen von Baugenehmigungen oder Genehmigungen Räumlichkeiten zu mieten kamen vor, ebenso wie Schikanen und Festnahmen der Mitglieder. Zahlreiche gewalttätige Hassverbrechen gegen Mitglieder verschiedenen religiöser Gemeinschaften fielen vor, chauvinistische Gruppen griffen Individuen und Gruppen an, sowie Richter und andere Regierungsbehörden, die Minderheitenrechte verteidigen. Obwohl die Moskauer Polizei Festnahmen und Strafverfahren intensivierten, blieben die meisten anderen Regionen diesbezüglich zurück.
(U.S. Commission on International Religious Freedom: Annual Report 2011, Mai 2011)
Die Verfassung sieht die Religionsfreiheit vor, jedoch schränken andere Gesetze und Politiken diese durch die Diskriminierung unter religiösen Gruppen und die Verweigerung eines legalen Status für einige Gruppen ein. Diese Einschränkungen wurden von der Regierung in der Praxis umgesetzt. Es gibt keine Staatsreligion, aber die dominante Russisch Orthodoxe Kirche und andere "traditionelle" religiöse Gemeinden genießen vorrangige Bedeutung. Religiöse Minderheiten, insbesondere Anhänger des türkischen Theologen Said Nursi, Zeugen Jehovas und Scientologen, standen Verboten ihrer religiösen Literatur und Problemen bei der Registrierung als Rechtspersonen gegenüber.
Der Grad der Achtung der Religionsfreiheit der Regierung durch Gesetze und in der Praxis ging in Bezug auf einige Minderheitenglaubensrichtungen zurück. Der Staat leitete erstmals Strafrechtsfälle ein gegen Personen in Besitz verbotener religiöser Literatur oder in Verbindung mit illegalen religiösen Gruppen. Für "traditionelle" religiöse Gruppen blieben die Bedingungen weitgehend uneingeschränkt. Für "nicht-traditionelle" Gruppen blieben die Bedingungen weitgehend gleich. Die Regierung richtete sich weiterhin gegen einige dieser Gruppen bei der Umsetzung rechtlicher Einschränkungen der Religionsfreiheit. Einschränkungen der Religionsfreiheit fallen im Allgemeinen unter eine der vier Kategorien - Registrierung religiöser Organisationen, - Zugang zu Andachtsstätten (darunter auch Zugang zu Land und Baugenehmigungen), - Visa für ausländisches religiöses Personal, und - Razzien bei religiösen Organisationen und Festnahme von Individuen.
Es gab Berichte über gesellschaftliche Schikanen und Diskriminierung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit, des Glaubens und der Ausübung der Religion. Religiöse Fragen waren für die große Mehrheit der Bevölkerung kein Grund für soziale Spannungen oder Probleme, es gab jedoch einige Probleme zwischen Mehrheits- und Minderheitsgruppen. Da Xenophobie, Rassismus und religiöser Fanatismus oft ineinander greifen, war es oft schwer die jeweilige Motivation für die Diskriminierung von Mitgliedern religiöser Gruppen zu erfahren.
Aktivisten, die sich als der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) zugehörig bezeichneten, verteilten gelegentlich negative Publikationen und veranstalteten gelegentlich im ganzen Land Proteste gegen Katholikan, Protestanten, Zeugen Jehovas und andere Minderheitengruppen.
(U.S. Department of State: July-December, 2010 International Religious Freedom Report, 13.9.2011)
Die Religionsfreiheit wird ungleichmäßig respektiert. Ein 1997 erlassenes Gesetz ermöglicht dem Staat eine umfassende Kontrolle und macht es neuen oder unabhängigen Glaubensgemeinschaften schwer, zu arbeiten. Das orthodoxe Christentum hat eine privilegierte Stellung, 2009 erlaubte der Präsident Religionserziehung in öffentlichen Schulen. Regionale Behörden schikanierten weiterhin nicht-traditionelle Gruppen wie Zeugen Jehovas oder Mormonen. Im Februar 2009 bekam ein Expertenrat zu Religionsstudien vom Justizministerium die Aufgabe, religiöse Organisationen auf Extremismus und andere mögliche Vergehen hin zu untersuchen.
(Freedom House: Freedom in the World 2011, Mai 2011)
Religiöse Gruppen
Religion: 15 bis 20% der Bevölkerung sind Russisch-orthodox, 10 bis 15% Muslime, ca. 2% Christen (2006 est.). Diese Schätzungen beziehen sich auf praktizierende Gläubige. Als Folge des Sowjetregimes gibt es in Russland zahlreiche nicht-praktizierende Gläubige, sowie viele Menschen ohne Bekenntnis.
(CIA World Factbook: Russia, Stand 9.1.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 15.2.2012)
Es gibt keine verlässlichen Statistiken, die die Glaubenszugehörigkeit der Bevölkerung aufgliedern. Rund 100 Millionen Bürger bezeichnen sich selbst als Russisch Orthodox, obwohl nur 5% der Russen sich selbst als praktizierend benennen. Schätzungen geben die Zahl der Muslime mit 10 bis 23 Millionen an, womit diese die größte Minderheit sind. Die Mehrheit der Muslime lebt in der Region Wolga-Ural und im Nordkaukasus, aber in Moskau, St. Petersburg und in Teilen Sibiriens gibt es ebenfalls beträchtliche muslimische Bevölkerungen. Es gibt schätzungsweise eine Million Buddhisten, von denen die Mehrheit in den traditionell buddhistischen Regionen Burjatien, Tuwa und Kalmückien lebt. Gemäß der NRO Slavic Center for Law and Justice stellen Protestanten die zweitgrößte christliche Glaubensgruppe dar, mit 3.500 registrierten Organisationen und mehr als zwei Millionen Anhängern. Die Römisch Katholische Kirche schätzt die Anzahl der Katholiken auf 600.000, die meisten davon nicht-ethnische Russen. Schätzungen zufolge gibt es 250.000 bis eine Million Zeugen Jehovas, die Mehrheit von ihnen lebt in Moskau und St. Petersburg. In einigen Gebieten, wie Jakutien, Tschuktschen und Mari-El, werden pantheistische und naturbezogene Religionen ausgeübt.
Dem Jahresbericht des Justizministeriums zufolge waren mit 1.1.2010
23.494 religiöse Organisationen registriert, um 416 mehr als 2009. 2008 waren darunter Gruppen folgender Religionen: Russisch Orthodox (12.586), Muslime (3.815), Protestanten (3.410), Zeugen Jehovas (402), Orthodoxe Altgläubige (283), Katholiken (240), Buddhisten (200).
(U.S. Department of State: July-December, 2010 International Religious Freedom Report, 13.9.2011)
Innerstaatliche Fluchtalternative
Allgemeines
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Jedoch schränkte die Regierung die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes und Migration ein. Alle Erwachsenen müssen behördlich ausgestellte Interne Pässe bei sich tragen, wenn sie im Land reisen, und müssen sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach ihrer Ankunft an einem neuen Ort bei den lokalen Behörden melden. Behörden verweigerten oft Personen ohne Internem Pass oder ordnungsgemäßer Registrierung öffentliche Dienstleistungen. Die offizielle Frist für die Registrierung nach Ankunft ist 90 Tage. Dunkelhäutigere Personen oder Personen aus dem Kaukasus oder Zentralasien wurden oft zum Zweck der Dokumentenkontrolle angehalten. Es gab glaubhafte Berichte, dass die Polizei bei unregistrierten Personen willkürlich höhere als die gesetzlich vorgeschriebenen Strafen verhängten und Bestechungsgelder verlangten.
Obwohl das Gesetz dem Bürger das Recht zuspricht, seinen Wohnort frei zu wählen, schränkten viele regionale Regierungen dieses Recht durch Registrierungsbestimmungen, die stark an jene aus Sowjetzeiten erinnerten, ein. Bürger, die auf Dauer umziehen, müssen sich innerhalb von sieben Tagen registrieren, um dort wohnen zu dürfen, arbeiten zu können, oder öffentliche Dienste und Versorgungsleistungen, sowie Bildung für ihre Kinder zu erhalten. Bürger, die innerhalb des Landes ihren Wohnsitz änderten, Migranten, und Personen mit einem rechtlichen Anspruch auf die russische Staatsbürgerschaft, die aus einer der ehemaligen Sowjetrepubliken ins Land kamen, hatten oft Schwierigkeiten sich in bestimmten Städten registrieren zu lassen bzw. wurde es ihnen in einigen Städten nicht erlaubt. Der Registrierungsprozess in lokalen Polizeibezirken war oft korrupt. Es gab regelmäßige Berichte, dass Polizisten Bestechungsgelder erwarten, um Registrierungsanträge zu bearbeiten oder während sie stichprobenartigen Kontrollen der Registrierungsdokumente durchführten.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8.4.2011)
Die Regierung erlegt der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit einige Einschränkungen auf. Erwachsene müssen ihren Inlandsreisepass bei Reisen mitführen, und benötigen ihn, um gewisse staatliche Leistungen zu erhalten. Einige regionale Behörden haben Registrierungsvorschriften, die das Recht der Bürger ihren Wohnort frei zu wählen einschränken. In der Mehrheit der Fälle wird hier auf ethnische Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien abgezielt.
(Freedom House: Freedom in the World 2011, Mai 2011)
Ein Aufenthaltsort ist ein Ort, wo sich ein Bürger eine begrenzte Zeit aufhält - z.B. Hotel, ein Sanatorium, Campingplatz, Krankenhaus, oder andere ähnliche Einrichtungen und auch eine Wohnräumlichkeit, die keinen Wohnort des Bürgers darstellt. Ein Wohnort ist die Stelle, wo der Bürger ständig oder vorwiegend wohnhaft ist und zwar als Eigentümer oder aufgrund eines Miet- oder Untermietvertrages, oder in einer sozial zugewiesenen Wohnung oder aufgrund anderer Grundlagen, die durch die Gesetzgebung der Russischen Föderation vorgesehen sind: ein Wohnhaus, spezielle Objekte wie Heim, Wohnung, Dienst-Wohnraum, Hotel-Zufluchtsstätte, Ersatzwohnung des Ersatzwohnungsfonds [wortwörtlich Manövrierungsfond - Anmerkung der Übersetzerin/, spezielle Einrichtung für alleinstehende und alte Personen, Internatshaus für Behinderte, Veteranen oder andere] und eine andere Wohnräumlichkeit.
Die Bürger sind verpflichtet, sich am Aufenthaltsort und Wohnort bei den Meldebehörden zu melden und bestimmte Bestimmungen zu beachten. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen durch die Bürger und Amtspersonen übernimmt der Föderale Migrationsdienst, seine territorialen Behörden und die Behörden für innere Angelegenheiten.
Die für die Durchführung der Registrierung notwendigen Dokumente, die die Identität der Bürger der Russischen Föderation bestätigen (in Folge Identitätsdokumente) sind: Pass des Bürgers der Russischen Föderation, der die Identität des Bürgers der Russischen Föderation auf dem Territorium der Russischen Föderation bestätigt; Pass eines Bürgers der UdSSR, der die Identität des Bürgers der Russischen Föderation bis zu seinem Umtausch in den Pass des Bürgers der Russischen Föderation in der festgelegten Frist bestätigt; Geburtsurkunde für Personen, die jünger als 14 Jahre alt sind; Pass, der die Identität eines Bürgers der Russischen Föderation bestätigt für Personen, die ständig außerhalb der Russischen Föderation wohnen.
Registrierung am Aufenthaltsort
Bürger die einen vorübergehenden Aufenthalt in einem Wohngebiet außerhalb ihres Wohnortes für einen Zeitraum von über 90 Tagen beziehen, haben sich nach Ablauf der genannten Frist an die für die Registrierung zuständigen Amtspersonen zu wenden und folgende Dokumente vorzuweisen:
Die für die Registrierung zuständigen Amtspersonen, sowie Bürger und juristischen Personen, die eine, ihnen aufgrund des Eigentumsrechts gehörende, Räumlichkeit zu Wohnzwecken übergeben, haben binnen 3 Tagen, nachdem sich die Bürger an sie gewandt haben, diese Dokumente an die Meldebehörden zu übergeben. Die Registrierungsbehörden haben binnen 3 Tagen ab dem Zeitpunkt des Erhaltes der Dokumente, die Bürger gemäß der festgelegten Ordnung am Aufenthaltsort in Wohnräumlichkeit, anzumelden, die kein ständiger Wohnort ist und eine Bescheinigung der Registrierung für den Aufenthaltsort auszustellen.
Die Registrierung der Bürger am Aufenthaltsort erfolgt ohne, dass die Bürger am Wohnort abgemeldet werden.
Registrierung am Wohnort
Ein Bürger, der seinen Wohnort wechselt, ist verpflichtet, sich spätestens binnen 7 Tagen nach seiner Ankunft an dem neuen Wohnort an Amtspersonen zu wenden, die für die Registrierung zuständig sind.
Dabei sind folgende Dokumente vorzulegen:
Die für die Registrierung zuständigen Amtspersonen und die Bürger und die juristischen Personen, die eine ihnen aufgrund des Eigentumsrechts gehörende Wohnräumlichkeit zur Verfügung stellen, übergeben binnen 3 Tagen nach der Meldung der Bürger diese Dokumente zusammen mit den Adressenblättern bezüglich der Ankunft und den Formularen für statistische Zwecke an das Meldebehörde.
Die Meldebehörden registrieren die Bürger am Wohnort binnen einer Frist von 3 Tagen ab dem Erhalt der Dokumente und führen einen entsprechenden Vermerk über die Registrierung über den Wohnort in den Pass ein. Den Bürgern, deren Registrierung aufgrund von anderen identitätsbestätigenden Dokumenten erfolgt ist, wird eine Bescheinigung bezüglich der Registrierung über den Wohnort ausgestellt.
Die Abmeldung eines Bürgers vom Melderegister am Wohnort erfolgt durch die Registrierungsbehörden in folgenden Fällen:
a) Änderung des Wohnortes aufgrund eines Antrages des Bürgers auf Registrierung am neuen Wohnort oder seines Antrages über seine Abmeldung vom Melderegister am Wohnort. Wenn sich der Bürger am vorherigen Wohnort nicht vom Melderegister abgemeldet hat, ist die Meldebehörde verpflichtet, bei der Registrierung am neuen Wohnort, binnen 3 Tagen eine entsprechende Benachrichtigung an die Meldebehörde am vorherigen Wohnort des Bürgers zu schicken, damit dieser vom Melderegister gelöscht wird.;
b) Im Falle der Einberufung in die Armee - aufgrund der Mitteilung des Wehrkommandos;
c) Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe - aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils;
d) Im Todesfall, oder im Falle einer Erklärung als tot durch ein Gericht - aufgrund der Sterbeurkunde, die in der durch das Gesetz festgelegten Ordnung, ausgestellt wurde.
e) Im Falle der Aussiedlung aus der bezogenen Wohnräumlichkeit oder wenn das Recht zur Benützung einer Räumlichkeit als erloschen erklärt wird - aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils;
f) Wenn nicht übereinstimmende, ungültige Mitteilungen oder Dokumente entdeckt werden, die als Grundlage für die Registrierung gegolten haben und auch, wenn es zu unrechtsmäßigen Handlungen der Amtspersonen bei der Registrierung gekommen ist - aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils.
(Regierung der Russischen Föderation: Beschluss vom 17. Juli 1995 N
713 - Über die Regelung der Registrierung und Abmeldung von Bürgern
der Russischen Föderation an ihrem Wohn- und Aufenthaltsort innerhalb der Russischen Föderation und die Auflistung der für die Registrierung zuständigen Ämter)
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u. a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.
Die Registrierungsregeln gelten einheitlich im ganzen Land, ihre Anwendung ist jedoch regional unterschiedlich. Viele Regionalbehörden wenden örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken restriktiv an.
(Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Aufenthaltregelungen ausländischer Staatsbürger in der Russischen Föderation Federal Law on the Legal Position of Foreign Citizens in the Russian Federation (2002 as amended 2004), http://www.legislationline.org/documents/id/4355, Zugriff 02.03.2011
Ausländische Staatsangehörige können eine temporäre Aufenthaltsbewilligung auf Grundlage einer jährlichen Quote, die von der Regierung der Russischen Föderation festgelegt wird, erhalten. Die Gültigkeitsdauer beträgt drei Jahre.
Eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung kann ohne Berücksichtigung der Quote für ausländische Staatsangehörige ausgestellt werden, wenn er früher Staatsbürger der USSR war oder auf dem Staatsgebiet der Russischen Föderation geboren wurde; er arbeitunfähig ist und ein nicht arbeitsunfähiges Kind hat, das Staatsbürger der Russischen Föderation ist; er nur ein Elternteil hat, das arbeitsunfähig und Staatsbürger der russischen Föderation ist; er mit einem russischen Staatsangehörigen verheiratet ist, der seinen Wohnsitz in der Russischen Föderation hat; er Investitionen in einer bestimmten Höhe in der Russischen Föderation getätigt hat; wenn er sich für den Militärdienst eingeschrieben hat, für die Dauer des Militärdienstes oder in anderen durch das Gesetz festgelegten Fällen.
Artikel 8: Dauerhafter Aufenthalt von ausländischen Staatsbürgern in der Russischen Föderation
Während der Gültigkeit einer temporären Aufenthaltsgenehmigung kann ein ausländischer Staatsangehöriger um eine Aufenthaltsgenehmigung ansuchen.
Um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, muss ein ausländischer Staatsangehöriger mindestens ein Jahr auf der Grundlage einer temporären Aufenthaltsgenehmigung in der Russischen Föderation gelebt haben.
Eine Aufenthaltserlaubnis wird ausländischen Staatsangehörigen für fünf Jahre ausgestellt und kann immer wieder auf Antrag des ausländischen Staatsbürgers um weitere fünf Jahre verlängert werden.
Honorarkonsulat der Russischen Föderation in Stuttgart: Visafragen, ohne Datum, http://www.honorarkonsulatrussland.de/visafragen/, Zugriff 02.03.2011
In dem Gesetz "Über den Rechtsstatus ausländischer Bürger in der Russischen Föderation" werden folgende drei Kategorien des erlaubten Aufenthaltes genannt:
Zeitweiliger Aufenthalt Artikel 5, AusländerG
Das Recht zum zeitweiligen Aufenthalt in Russland wird auf der Grundlage eines Visums für einen ausländischen Bürger (oder im visumfreien Reiseverkehr beispielsweise für Ukrainer) gewährt. Vor Ablauf des alten Visums muss der ausländische Bürger Russland verlassen, selbst wenn ihm bereits ein neues Visum für einen erneuten Aufenthalt erteilt wurde, das lückenlos an das abgelaufene Visum anschließt (Für einen ukrainischen Staatsbürger beträgt die maximale Aufenthaltsdauer nun 90 Tage, wobei diese auf maximal ein Jahr ab Einreise verlängerbar sein wird). Insbesondere die Verkürzung, aber auch die Verlängerung der Aufenthaltsdauer des ausländischen Bürgers liegt ganz im Ermessen der zuständigen Innenbehörde und ist nicht im Gesetz festgeschrieben.
Zeitweiliger Wohnsitz Artikel 6, AusländerG
Ein ausländischer Bürger erhält die Erlaubnis zum zeitweiligen Wohnsitz für maximal drei Jahre. Sie soll im Rahmen einer jährlich durch die Regierung bestimmten Quote erteilt werden. Bei bestimmten Personenkreisen wie Ausländern, die früher die sowjetische Staatsangehörigkeit hatten oder bei Ausländern, die mit einem auf dem Territorium der Russischen Föderation lebenden russischen Staatsbürger verheiratet sind, sowie bei bestimmten ausländischen Investoren kann auch ohne Quote über die Erlaubnis zum zeitweiligen Wohnsitz entschieden werden. Die Quoten wurden von der russischen Regierung bis dato noch nicht festgelegt. Der Antrag auf Erteilung eines zeitweiligen Wohnsitzes wird bei der zuständigen Behörde für innere Angelegenheiten gestellt. Die Bearbeitungsdauer für diesen Antrag beträgt sechs Monate. Wird ein Antrag abgelehnt, kann er frühestens innerhalb eines Jahres nach seiner Ablehnung neu gestellt werden.
Ständiger Wohnsitz Artikel 8, AusländerG
Der ständige Wohnsitz kann beantragt werden, soweit der betreffende Ausländer mindestens ein Jahr auf der Grundlage eines zeitweiligen Wohnsitzes in Russland gelebt hat. Der ständige Wohnsitz wird für fünf Jahre erteilt und kann beliebig oft verlängert werden. Der Ausländer genießt dann die Erlaubnis der freien Ein- und Ausreise sowie unbeschränktes und territorial unbegrenztes Arbeitsrecht.
Vorschriften zur Registrierung
Ein Ausländer ist verpflichtet, sich innerhalb von drei Arbeitstagen nach Ankunft am Zielort in der Russischen Föderation registrieren zu lassen. Für die Registrierung ist nun fast ausschließlich die jeweilige Behörde für innere Angelegenheiten zuständig (Ausnahme Diplomaten und deren Familienangehörige).
Way to Russia: Legal Status of Foreigners in Russia: Legal rights, Russian visa, residency permits, personal taxes., ohne Datum, http://www.waytorussia.net/business/legal-status.html, Zugriff 02.03.2011
Temporäre Aufenthaltsgenehmigungen gewähren dem Fremden das Recht in Russland zu leben, bevor er eine Aufenthaltsgenehmigung erhält. Sie wird für drei Jahre ausgestellt und soll innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung ausgestellt werden.
Das Verfahren läuft folgendermaßen ab:
1. Der ausländische Staatsbürger sucht um ein Visum an
2. Der ausländische Staatsbürger sucht um eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung an
3. Nach dem Erhalt der Aufenthaltsgenehmigung wird das Visum verlängert
Auf Basis der temporären Aufenthaltsgenehmigung kann ein ausländischer Staatsbürger, der mindestens ein Jahr in Russland gelebt hat um eine Aufenthaltsgenehmigung ansuchen. Diese wird für fünf Jahre ausgestellt und kann verlängert werden.
Moscow International Portal: How You Can Get Russian Federation Residence Permit, ohne Datum,
http://moscow.ru/en/guide/trip_planning/formality/visas_registration/temporary_residence_rf/, Zugriff 02.03.2011
Der Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung kann von einem ausländischen Staatsbürger ein Jahr nach dem Erhalt der temporären Aufenthaltsgenehmigung eingebracht werden. Der schriftliche Antrag wird nicht später als sechs Monate vor Auslaufen der temporären Aufenthaltsgenehmigung beim FMS am Ort des Wohnsitzes eingebracht. Abgesehen vom Antrag werden auch eine Reihe von Dokumenten benötigt, darunter der Reisepass mit der temporären Aufenthaltsgenehmigung, Fotos, Verdienst- oder Behinderungszertifikate, Geburtsurkunden der Kinder, für Kinder zwischen 14 und 18 ihre Einverständniserklärung in Russland zu leben, Dokumente über die Verfügbarkeit einer privaten Unterkunft, ein Zertifikat, dass der Antragsteller und seine Familie nicht an HIV, ansteckenden Krankheiten oder Drogensucht leiden und ein paar andere Dokumente. Alle Dokumente sollen in Russisch ausgestellt oder beglaubigt übersetzt worden sein. Die Bearbeitungsdauer beträgt sechs Monate.
Rückkehrfragen
Grundversorgung
Seit 2000 haben sich die Realeinkünfte der Bevölkerung mehr als verdoppelt, gleichzeitig ging die Armut stark zurück. Während im Jahr 2000 in Russland über 29 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben mussten, sind es nun etwa 13,6 % (1. Halbjahr 2010). Es gibt staatliche Unterstützung (z.B. Sozialhilfe für bedürftige Personen), die jedoch nicht zur Deckung des Grundbedarfs ausreicht. Nach einer Prognose des russischen Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung im September 2010 sollen die durchschnittlichen Löhne und Gehälter (im Oktober 2010 bei monatlich 20.789 Rubel, ca. 520 Euro) bis 2015 im Vergleich zu 2009 um 51,4 % auf 28.219 Rubel (ca. 705 Euro) steigen. Der Anteil der Bevölkerung mit einem unter dem Existenzminimum liegenden Einkommen soll bis 2013 auf 11,3 % verringert werden. Bis Anfang Januar 2010 stieg die Zahl der Arbeitslosen auf geschätzte 6,8 Mio. Menschen an. Ende September 2010 vermeldete Vizepremier Alexandr Schukow wieder einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit auf das Niveau vor der Wirtschaftskrise. Im Oktober 2010 waren in Russland nach internationalen Maßstäben 5,1 Mio. Menschen arbeitslos¿ was einer Arbeitslosenquote von 6,8% entspricht. Offiziell waren Ende Oktober 2010 nach Angaben des Föderalen Dienstes für Arbeit und Beschäftigung (ROSTRUD) lediglich 1,5 Mio. Menschen arbeitslos gemeldet. In den Jahresberichten des Menschenrechtsbeauftragten Lukin wird regelmäßig auch auf die noch immer problematische Situation der Rentner hingewiesen. Die Mehrheit der etwa 39,1 Mio. Rentner Russlands lebt in recht armen Verhältnissen. In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Lage nach einigen Rentenerhöhungen merklich verbessert. Zum Oktober 2010 betrug die durchschnittliche Sozialrente 4.754 Rubel (ca. 120 Euro) gegenüber 4.245 Rubel (ca. 105 Euro) im vergangenen Jahr. Mit der sogenannten Valorisierung, die seit Beginn 2010 gilt, erhalten rund 36 Mio. Rentner, die den größten Teil ihres Erwerbslebens in der Sowjetzeit geleistet haben, 10% Zuschlag auf einen Teil der bisherigen Rente sowie zusätzlich ein weiteres Prozent für jedes zu Sowjetzeiten geleistete Jahr Erwerbsarbeit. Die Arbeitsrente stieg u. a. dadurch zum Oktober 2010 auf durchschnittlich 7.608 Rubel (ca. 190 Euro)¿ was einer realen Steigerung von 30 % gegenüber dem Vorjahr entspricht (Angaben des Föderalen Dienstes für staatliche Statistik ROSSTAT). Dennoch erscheinen die Renten vor dem Hintergrund des staatlich berechneten Existenzminimums für Rentner für das zweite Halbjahr 2010 von durchschnittlich 4.475 (ca. 110 Euro) Rubel nach wie vor relativ niedrig. Das Existenzminimum richtet sich nach regionalen Kennziffern, weshalb es zu großen Unterschieden je nach Region kommt und der Durchschnittswert nur bedingt aussagefähig ist. Lukin kritisiert überdies, dass ein Rentner im Mittel lediglich ca. 28% seines früheren Arbeitslohns als Rente erhalte.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin rückläufig. Nach einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote im Jahr 2010 von 7,5% waren im Juli 2011 noch 6,5% der erwerbsfähigen Bevölkerung ohne Arbeit. (jeweils berechnet nach der ILO-Methode). Allerdings bestehen erhebliche regionale Unterschiede. Der Anteil der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Bevölkerung liegt gegenwärtig bei knapp 13%; die Weltbank rechnet damit, dass er bis 2012 auf 11,6% zurückgeht.
Der Durchschnittslohn im Juli 2011 betrug 22.508 Rubel (ca. 563 Euro), was einem nominalen Wachstum von 12,0% und einem realen Wachstum von 2,3% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres entspricht. Die Durchschnittsrente betrug im Juli 2011 8.252 Rubel (ca. 206 Euro), nominal plus 8,8% und real plus 1,0% gegenüber dem Vorjahr.
(Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2012)
Arm zu sein bedeutet gemäß dem UNO-Standard, mit maximal zwei Dollar pro Tag auskommen zu müssen. In Russland wird die Armutsgrenze ausgehend vom Mindestlohn ermittelt und beträgt derzeit 4.611 Rubel im Monat - d. h. umgerechnet knapp über fünf Dollar pro Tag. Unter dem Existenzminimum leben in Russland nach dem Stand von Ende 2011 mehr als 20 Millionen Menschen bzw. 14,3 Prozent der Bevölkerung. Dies ist die offizielle Kennziffer. Wenn aber die Armut in Russland nach amerikanischen, europäischen oder sogar asiatischen Kriterien (für die mit Russland vergleichbaren Länder) analysiert wird, so wird der Anteil der Unterbemittelten in Russland auf 60 Prozent steigen.
(Ria Novosti: Blick in die russischen Zeitungen - Armes Russland, 30.1.2012, http://de.rian.ru/papers/20120130/262570380.html, Zugriff 17.2.2012)
Russlands Regierung hat nach Ergebnissen des dritten Quartals [2011] das Existenzminimum neu berechnet und mit 6.287 Rubel (ca. 150 Euro) pro Monat festgelegt. Das ist um 3,4 Prozent weniger, als im zweiten Quartal 2011. Das Existenzminimum eines arbeitsfähigen Menschen in Russland wurde um 3,3 Prozent herabgesetzt. Es beträgt nun 6.792 Rubel (ca. 162 Euro). Das Existenzminimum für Pensionierte beträgt nach den neuen Berechnungen 4.961 Rubel (ca. 118 Euro) und für Kinder 6.076 Rubel (ca. 145 Euro) monatlich. Im zweiten Quartal waren es 5.141 Rubel (ca. 122 Euro) bzw. 6.294 Rubel (ca. 150 Euro).
(Ria Novosti: Existenzminimum in Russland auf 150 Euro herabgesetzt, 19.12.2011, http://de.rian.ru/business/20111229/262377336.html, Zugriff 17.2.2012)
"Das Lebensniveau der Bürger verschlechterte sich zwar etwas in den Krisenjahren 2008 und 2009, als die Einkommen und die Zahlungsfähigkeit zurückgingen, doch gegenwärtig bleibt die positive Dynamik erhalten", heißt es in einer Studie der Nationalen Agentur für Finanzforschungen (NAFI). Die sogenannte "Vormittelklasse", zu der fast die Hälfte der Einwohner Russlands gehört, bestätigte einen Wachstumstrend. Dabei handelt es sich um Bürger, die genug Geld für Lebensmittel und Kleidung haben, denen jedoch der Kauf von langlebigen Waren schwer fällt. Laut der Meinungsforschung betrug diese Menschengruppe vor sieben Jahren nur höchstens 30 Prozent der Bevölkerung.
(Ria Novosti: Russland: Lebensstandard der Bürger verbessert sich allmählich - Umfragen, 27.12.2011, http://de.rian.ru/business/20111227/262365221.html, Zugriff 17.2.2012)
Medizinische Versorgung
Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem ist ineffektiv. Die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist.
Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS breiten sich weiter aus. Besonders betroffen sind Gefängnisinsassen sowie Drogensüchtige. Bevölkerungsgruppen mit Anspruch auf kostenreduzierte und -freie Dienst- bzw. Sachleistungen sind immer wieder von Versorgungsengpässen betroffen. Im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, wird das Gesundheitswesen modernisiert. So wurden landesweit 7 föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und 17 Perinatalzentren errichtet, spezielle Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt sowie Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert. 2011 stehen diesem Rahmen insgesamt 156,8 Milliarden Rubel (rund 3,9 Milliarden Euro) zur Verfügung. (Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2011, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2012)
Die medizinische Versorgung in Russland ist auf einfachem Niveau, aber erscheint strukturell grundsätzlich ausreichend. Zumindest in den Großstädten, wie Moskau und St. Petersburg. sind auch das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen vorhanden. Nach Einschätzung westlicher Nichtregierungsorganisationen ist das Hauptproblem weniger die fehlende technische oder finanzielle Ausstattung, sondern ein gravierender Ärztemangel. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf klinische Behandlung ausgerichtet ist und gleichzeitig Allgemeinmediziner fehlen. Weiter mangelt es weitgehend an präventiven Gesundheitskonzepten, es kommt zu Effizienzverlusten durch unterschiedliche Kompetenzen im Gesundheitswesen auf föderaler, regionaler und kommunaler Ebene. Außerdem ist das Gesundheitssystem strukturell unterfinanziert.
Russische Bürger haben ein Recht auf kostenfreie medizinische Grundversorgung, doch in der Praxis werden nahezu alle Gesundheitsdienstleistungen erst nach verdeckter privater Zuzahlung geleistet. Private Praxen nehmen in den Mittel- und Großstädten deutlich zu. Nach Angaben des Zentrums für soziale Politik der Russischen Wissenschaftsakademie erhält rund die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung keine medizinische Versorgung, da diese Menschen keine Zeit für Warteschlangen in den formell kostenlosen medizinischen Einrichtungen haben. Nur sieben bis acht Prozent sind zusätzlich durch ihre Arbeitgeber krankenversichert.
Die Versorgung mit Medikamenten ist zumindest in den Großstädten gut, aber nicht kostenfrei. Neben russischen Produkten sind gegen entsprechende Bezahlung auch viele importierte Medikamente erhältlich. Allerdings sind Medikamentenfälschungen noch immer relativ häufig. Die Finanzierung teurer Medikamente ist für Teile der Bevölkerung oft mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Zahl der AIDS-Kranken in Russland ist in den letzten Jahren weiter gestiegen, wenngleich weniger stark als noch Anfang des Jahrtausends. Nach Angaben des dem Gesundheitsministerium unterstehenden Föderalen AIDS-Zentrums gab es zum 31. Dezember 2009
530.185 registrierte HIV-Infizierte, davon 4.647 Kinder. Im ersten Halbjahr 2010 wurden 28.898 Neuerkrankungen registriert. Verglichen mit dem Rekordjahr 2001, als rund 80.000 HIV-Neuinfektionen registriert worden waren, ist dies ein deutlicher Rückgang der Neuansteckungen. Es wurden 10.248 Personen mit akuten AIDS-Symptomen registriert, darunter 287 Kinder. Von den über den gesamten Zeitraum Registrierten sind laut Mitteilung des Chefhygienearztes vom Dezember 2010 insgesamt mehr als 84.000 HIV-Infizierte gestorben, davon mehr als 20.300 Personen an AIDS selbst.
Von den Neuinfektionen sind vor allem Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren betroffen. 2007 sind 22,5 Millionen und 2006 knapp 20 Millionen Einwohner auf HIV untersucht worden. Jährlich stellt der Staat bis zu zehn Milliarden Rubel (ca. 250 Millionen Euro) für die Behandlung von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken zur Verfügung. Es gibt etwa 15 zugelassene AIDS-Präparate (weltweit sind ca. 30 Präparate gebräuchlich). Die Behandlungskosten belaufen sich für eine Person auf durchschnittlich ca. 3.000 Euro pro Jahr. Mehrere Studien von UN-AIDS und russischen Behörden im Laufe des Jahres 2008 ergaben, dass die Vorbehalte der Bevölkerung gegen HIV-Positive/AIDS-Kranke immer noch sehr groß sind. Das Bewusstsein für HIV,/AIDS nimmt jedoch erheblich zu, insbesondere dank Aufklärungskampagnen mit russischen Prominenten.
Die Anzahl der Tuberkulose-Kranken betrug nach Angaben des Gesundheitsministeriums Ende 2009 ca. 262.700 - 7.827 weniger als im Vorjahr. Nach Angaben des russischen Ministeriums für Gesundheit und soziale Entwicklung gab es in Russland 2009 landesweit 117.227 neue Tbc-Fälle. Insbesondere für Kinder aus schwierigen Verhältnissen fehlt es an prophylaktischen Maßnahmen gegen TBC. In Moskau sind unter den verwahrlosten Kindern und Jugendlichen schätzungsweise 18 von 1.000 TBC-krank.
Im 2006 verabschiedeten "Nationalen Gesundheitsprojekt" wird neben dem Kampf gegen AIDS auch der Prophylaxe gegen Hepatitis besondere Priorität eingeräumt, da man von etwa acht Mio. Hepatitis-B- und drei bis vier Mio. Hepatitis-C- Kranken in Russland ausgeht. 2009 wurden 10.300 Neuerkrankungen bei Hepatitis A festgestellt, bei Hepatitis B waren es 3.800 und bei Hepatitis C 3.200 Fälle. Neben einem Impfprogramm, das 25 Mio. Menschen erfassen soll, ist auch die kostenlose Impfung gegen Hepatitis im allgemeinen Impfkalender für Kinder und Jugendliche vorgesehen. In diesem Rahmen wurden 2009 rund
3.3 Mio. Menschen gegen Hepatitis geimpft, bis September 2010 erhielten nach Angaben des russischen Ministeriums für Gesundheit und soziale Entwicklung 5,3 Mio. Menschen eine Impfung gegen Hepatitis B. Derzeit warnt das Deutsche Tropeninstitut wieder vor einer steigenden Zahl von Hepatitis-A-Infektionen in Russland. So wurden Presseberichten zufolge in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 mehr als 757 Hepatitis-A-Erkrankungen allein in Moskau registriert; die Übertragung erfolgt vorrangig durch verunreinigtes Leitungswasser.
Die Notfallversorgung über die "Schnelle Hilfe" (Telefonnummer 03) ist gewährleistet. Die so genannten Notfall-Krankenhäuser bieten einen medizinischen Grundstandard.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
In der Russischen Föderation wird die medizinische Versorgung von staatlichen und privaten medizinischen Einrichtungen gewährleistet. Die Mehrheit der vorhandenen medizinischen Einrichtungen ist staatlich, aber der Privatsektor entwickelt sich rasch. Dennoch befindet sich das Gesundheitswesen in Russland in einer recht schwierigen Situation: Die staatliche Finanzierung ist unzureichend - laut Ministerium für Gesundheit und Soziale Entwicklung wird nur die Hälfte der erforderlichen Mittel gezahlt.
Ca. 80 % der staatlichen medizinischen Einrichtungen werden aus regionalen und/oder kommunalen Geldern finanziert; hier fehlt es an ausreichend finanziellen Mitteln, sodass keine hochwertige medizinische Versorgung gewährleistet werden kann. Die medizinische Ausstattung ist in der Regel überholt, Einrichtungen für die medizinische Grundversorgung sind unterbesetzt (nur 60 % der benötigen Stellen besetzt). Die Folge: Die Qualität der kostenlosen medizinischen Versorgung nimmt ab.
Alle russischen Bürger haben ein Recht auf eine kostenlose medizinische Vorsorge, die vom Staat über eine aus staatlichen Mitteln aller Ebenen, Steuereinnahmen und anderen Quellen finanzierten Krankenpflichtversicherung (OMS) gewährleistet wird (Krankenversicherungsgesellschaften werden in jeder Region vom Staat ausgewählt). Die kostenlose medizinische Versorgung umfasst folgende Dienste: Notfallmedizin, ambulante Versorgung einschließlich Präventivbehandlung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Polikliniken, Krankenhausaufenthalt. Jede pflichtversicherte Person besitzt eine spezielle Plastik-Krankenversicherungskarte mit einer individuellen Nummer (sie wird auf der Grundlage eines Vertrags zwischen einer Person und einer Versicherungsgesellschaft ausgegeben; diesen Vertrag und die Plastikkarte erhalten Bürger, die im System registriert sind); die Karte gewährleistet den Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Hoheitsgebiet der Russischen Föderation, unabhängig vom Wohnort. Wenn man sich an eine Klinik wendet, muss man eine Plastik-Krankenversicherungskarte (oder einen Vertrag mit einer Versicherungsgesellschaft, der die Grundlage für die Ausgabe der Plastikkarte bildet) vorlegen; dies gilt nicht für notfallmedizinische Fälle, da alle Bürger der Russischen Föderation kostenlos ambulante Dienste in Anspruch nehmen können (die Kosten tragen die Kommunen).
Es gibt ein System für die kostenlose ärztliche Betreuung von Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren mit spezialisierten Polikliniken und Kliniken. Dieses System steht allen Kindern offen, die von der Krankenpflichtversicherung abgedeckt sind, auf die alle Kinder der Russischen Föderation ein Anrecht haben. Personen über dieser Altersgrenze werden in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene versorgt.
(IOM: Information on Return and Reintegration in the Countries of Origin? IRRICO II; Russian Federation, 13.11.2009)
Alle russischen Bürger - sowohl die pflichtversicherten als auch die in anderen Versicherungssystemen Versicherten -, die gesetzlich keinen Anspruch auf Leistungen bei der Medikamentenversorgung haben, bezahlen Medikamente im Allgemeinen selbst. Es gibt jedoch bestimmte Gruppen, die kostenlos Medikamente erhalten. So haben beispielsweise russische Bürger, die einen Anspruch auf staatlich finanzierte Leistungen wie das Sozialpaket haben, je nach Art der Erkrankung Zugang zu kostenlosen Medikamenten. Auch Menschen mit bestimmten Erkrankungen kann das Recht auf Leistungen der medizinischen Versorgung eingeräumt werden, die mit regionalen Geldern finanziert wird. Anspruch auf kostenlose Medikamente haben Bürger der Russischen Föderation mit folgenden Erkrankungen: Makrogenitalismus, Multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebellare Ataxie, Parkinsonkrankheit, grüner Star, psychische Störungen, Nebenniereninsuffizienz, AIDS und HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemische chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus und rheumatoide Arthritis und Lupus erythematosus, Bechterew-Krankheit (Strümpell-Syndrom), Diabetes, Wachstumshormonmangel, zerebrale Kinderlähmung; hepatolentikuläre (progressive) Lentikular-Degeneration; Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, Krebserkrankungen, Blutkrankheiten, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronische urologische Erkrankungen, Syphilis, Patienten, die (in den vorangegangenen sechs Monaten) einen Herzinfarkt hatten, Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen sowie für Kinder mit Mukoviszidose, Kinder unter drei Jahren und Kinder unter sechs Jahren aus kinderreichen Familien. Bei bettlägerigen Patienten kann ein Verwandter oder ein Sozialarbeiter auf Vorlage eines Rezepts Medikamente bekommen.
Die Preise für Medikamente sind je nach Region oder sogar Lage der Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine festgesetzten Preise für Medikamente gibt. Ein Preis-Beispiel für ein häufig verwendetes Medikament wie Aspirin-Tabletten: In Moskauer Apotheken kosten sie zwischen 30 (0,70 Euro) und 135 Rubel (3 Euro).
(IOM: Information on Return and Reintegration in the Countries of Origin, IRRICO II; Russian Federation, 13.11.2009)
Es gibt Dienste in der Russischen Föderation, die kostenlose Unterstützung für Menschen bieten, die an Drogenmissbrauch leiden (darunter auch HIV-infizierte Personen). Unterstützung für Bürger der Russischen Föderation wird beispielsweise von der Suchtklinik Nummer 19 in Moskau geboten. Nicht in Moskau ansässige Personen müssen einen russischen Reisepass, eine Polizze der verpflichtenden Krankenversicherung und eine Zuweisung von der Moskauer Abteilung für öffentliche Gesundheit vorlegen. HIV-infizierte Personen müssen eine Zuweisung vom Föderalen Betreuungszentrum für Aidsprävention und den Kampf gegen AIDS vorlegen und einen Vorrat an verschriebenen Medikamenten der antiretroviralen Therapie haben.
Die Behandlung für Drogenabhängige ist freiwillig. In der oben erwähnten Suchtklinik erhält der Patient einen Durchgang intensiver Entgiftungsbehandlung mit der Möglichkeit des Transfers in die psychotherapeutische Abteilung um die Rehabilitationsprogramme zu betreiben.
Patienten mit HIV-Infektion und Hepatitis C werden in regionalen AIDS-Zentren (befindlich in großen und durchschnittlichen Städten) am Ort der Registrierung (vorzugsweise) oder am Ort der Überweisung behandelt. Solche Zentren bieten auch psychologische Unterstützung für die Patienten. Methodisch wissenschaftliches Vorgehen und die technische Betreuung dieser Zentren erfolgt durch das föderale AIDS-Zentrum in Moskau.
Die Dienste für Menschen, die an HIV/Hepatitis C leiden und für Drogensüchtige sind kostenlos. Im Fall von HIV-Infektion und Hepatitis C sind auch die Konsultation von Spezialisten, Labor und andere Untersuchungen kostenlos. (Nota Bene: Die Behandlung für Patienten mit kombinierter HIV-Infektion und Hepatitis C-Erkrankung oder nur mit HIV-Infektion ist kostenlos. Ein Patient, der nur an Hepatitis C leidet, hat nicht dieselben Privilegien, außer wenn der Patient an einem medizinisch-wissenschaftlichen Projekt teilnimmt).
(IOM: Anfragebeantwortung von IOM Moskau, per E-Mail vom 26.4.2010)
In der Russischen Föderation ist die Behandlung von HIV/Aids für russische Staatsbürger kostenlos. Laut dem Programm "Dringende Maßnahmen zur Vorbeugung von Krankheiten im Zusammenhang mit HIV in der Russischen Föderation" sollte in allen Regionen, auch der Tschetschenischen Republik, der Zugang zu antiretroviraler Therapie möglich sein.
(IOM: Anfragebeantwortung durch IOM Moskau, per E-Mail vom 03.01.2011)
Behandlung nach Rückkehr
Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige allein deshalb bei ihrer Rückkehr nach Russland staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten.
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u. a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.
Die Registrierungsregeln gelten einheitlich im ganzen Land, ihre Anwendung ist jedoch regional unterschiedlich. Viele Regionalbehörden wenden örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken restriktiv an. Nach der Moskauer Geiselnahme im Oktober 2002 haben sich administrative Schwierigkeiten und Behördenwillkür gegenüber Tschetschenen im Allgemeinen und gegenüber zurückgeführten Personen im Besonderen bei der Niederlassung verstärkt. Nichtregierungsinstitutionen berichten auch, dass Registrierungsbehörden vereinzelt nicht kooperieren, wenn Tschetschenen sich in ihrem Kreis registrieren lassen oder dort wohnen möchten. Angesichts der Terrorgefahr dürfte sich an dieser Praxis der Behörden in absehbarer Zeit nichts ändern. Daher haben Tschetschenen erhebliche Schwierigkeiten. außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten.
Zurückkehrende unbegleitete Minderjährige können über die Abteilung für staatliche Jugendpolitik, Erziehung und sozialen Schutz für Kinder des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums der Russischen Föderation in einem Kinderheim untergebracht werden, wenn sich keine Verwandten zur Aufnahme bereit erklären. Die Zuständigkeit liegt bei den Behörden des registrierten Wohnortes des Minderjährigen.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Dagestan
Allgemeine Lage
Politik/Wahlen
Die politische Situation in der Republik Dagestan hat ihre eigene Besonderheit. Im Unterschied zu den faktisch monoethnischen Republiken Tschetschenien und Inguschetien, setzt sich die Bevölkerung Dagestans aus einer Vielzahl von Ethnien zusammen. Dieser Umstand legt die Vielzahl der in Dagestan wirkenden Kräfte fest, begründet die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs bei der Lösung entstehender Konflikte und stellt ein Hindernis für eine starke autoritäre Zentralmacht in der Republik dar. Allerdings findet dieser "Interessenausgleich" traditionellerweise nicht auf dem rechtlichen Wege statt, was in Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Clans münden kann. Der Lebensstandard in der Republik Dagestan ist einer der niedrigsten in der gesamten Russischen Föderation und das Ausmaß der Korruption sogar für die Region Nord-Kaukasus beispiellos.
(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011)
In Dagestan wurde der vom russischen Präsidenten Medwedew nominierte Magomedsalam Magomedow im Februar 2010 durch das Parlament der Republik einstimmig als Präsident bestätigt. Auch er kündete an, für mehr Rechtsstaat, für einen Dialog mit der Gesellschaft und gegen die Korruption zu kämpfen. Das Hauptmerkmal der dagestanischen Politik - ihre starke Verbundenheit mit Klanstrukturen (einige wenige einflussreiche Familien kontrollieren weitgehend Politik und Wirtschaft der Republik) - blieb aber bestehen, was die weit verbreitete Korruption begünstigt. Gegen Menschenrechtsverletzungen hingegen setzten sich Magomedow und seine Regierung in einigen Fällen tatsächlich ein, wie beispielsweise in Kara Tjube. Hier wurden dank dem Eingreifen Magomedows Dorfbewohner aus willkürlicher Haft entlassen. Doch ist der dagestanische Präsident mit der mangelnden Kooperation von Seiten der Sicherheitskräfte und der Sabotage seiner Politik durch die Untergrundkämpfer konfrontiert. Trotzdem zeichneten sich die ersten eineinhalb Jahre unter dem neuen Präsidenten durch einige hoffnungsvolle Ansätze, wie die Bereitschaft zum Dialog und die Bemühung um Rehabilitierung von Kämpfern, aus. So wurde eine Rehabilitierungskommission unter der Führung von Vize-Premierminister Riswan Kurbanow gegründet. Dieser fehlen noch die juristischen und politischen Möglichkeiten, echte Amnestie zu garantieren. Außerdem wird bemängelt, dass - bis auf eine Ausnahme - nur Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und des Innenministeriums, jedoch keine Vertreter der Zivilgesellschaft der Kommission angehören.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 26.9.2011)
Seit 2004 gibt es in Russland keine Volkswahl der regionalen Gouverneure/Präsidenten. Der russische Präsident schlägt dem lokalen Parlament einen Kandidaten als Regierungsspitze zur Zustimmung vor, bisher gab es noch keine Ablehnungen.
Anders als die anderen Regionen des Nordkaukasus hatte Dagestan davor nicht einen direkt gewählten regionalen Anführer. Stattdessen wurde ein komplexes Repräsentationssystem erarbeitet, in dem die zahlreichen ethnischen Gruppen der Republik vertreten sein sollten:
1994 wurde der Staatsrat (Gossovet), der so genannte "kollektive Präsident" Dagestans eingeführt. Der Staatsrat bestand aus 14 Repräsentanten der größten ethnischen Gruppen. Magomedali Magomedow gelang es 12 Jahre lang, bis 2006, der primus inter pares zu bleiben. 2003 wurde das Amt des Präsidenten eingeführt, der Gossovet wurde jedoch erst einige Jahre danach aufgelöst, 2006 wurde Muchu Alijew von Putin ernannt und vom Regionalparlament als erster Präsident Dagestans bestätigt.
(Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 28, 10.2.2010 / The St. Petersburg Times: Mukhu Aliyev New President, 22.2.2006,
http://www.times.spb.ru/index.php?action_id=2&story_id=16854, Zugriff 28.9.2011 / International Crisis Group: Russia¿s Dagestan - Conflict Causes, 3.6.2008)
In Dagestan besteht ein ungeschriebenes Gesetz, demzufolge die Aufteilung von Führungspositionen in der Regierung unter den verschiedenen Nationalitäten erfolgt. Nachdem mit Muchu Alijew ab 2006 ein ethnischer Aware Präsident der Republik war, wurde der Posten des Premierministers gemeinhin einem Kumyken, und jener des Parlamentssprechers einem Darginer übertragen.
(RFE/RL: Kumyks Stage Protest In Daghestan, 17.2.2010, http://www.rferl.org/content/Kumyks_Stage_Protest_In_Daghestan/1960893.html, Zugriff 28.9.2011)
Nachdem 2010 mit Magomedow ein Darginer zum neuen Präsidenten ernannte wurde, wurde im März mit Magomed Abdullayev ein Aware zum Premierminister ernannt und vom Parlament bestätigt. Somit wurde das Amt von einem Kumyken (Shamil Zaynalova) auf einen Awaren übertragen.
(Vestnik Kavkaza: Why Magomed Abdullayev became Dagestan's prime minister, 5.3.2010,
http://vestnikkavkaza.net/analytics/politics/92.html, Zugriff 28.9.2011)
Die weitere ethnische Aufteilung der Regierungsposten löste der neue Präsident Magomedsalam Magomedow wie folgt: Mit Nizami Kaziyev behielt ein Lesgier den Posten des Ersten Vizepremierministers. Ebenso behielten die anderen vier stellvertretenden Premierminister (Rizvan Gazimagomedov - Aware; Mukhtar Medjidov - Darginer; Murat Shikhsaidov - Kumyke; Antonina Idrisova - Russin) ihre Stellen. Die neue Position eines zweiten Ersten Vizepremierministers wurde an einen ethnischen Laken, Rizvan Kurbanov, vergeben.
Mit März 2010 hielten Awaren fünf Ministerposten inne, Darginer und Lesgier je drei, Kumyken, Laken und Tabassaranen je zwei, und Russen einen. Mit zwei Ausnahmen wurde somit die ethnische Zusammensetzung der Republik in dem neuen Kabinett berücksichtigt: Den Aseris, die die siebentgrößte ethnische Gruppe in Dagestan sind, wurde kein Ministerposten übertragen, während Tabasaranen als achtgrößter Gruppe nunmehr zwei solche Posten haben. Als zweite Ausnahme wurden die Kumyken (drittgrößte Gruppe nach Awaren und Darginern) nicht für den Verlust des Postens des Premierministers entschädigt, indem die Stelle des zweiten Ersten Vizepremierministers mit einem Kumyken besetzt worden wäre.
(RFE/RL: Daghestan's New Cabinet (More Or Less) Reflects Republic's Ethnic Composition, 7.3.2010,
http://www.rferl.org/content/Daghestans_New_Cabinet_More_Or_Less_Reflects_Republics_Ethnic_Composition/1976780.html, Zugriff 28.9.2011)
Im März 2010 wurde mit Magomedsultan Magomedow ein ethnischer Kumyke vom Parlament einstimmig als Parlamentssprecher bestätigt.
(RFE/RL: Daghestan's Leaders Move To Placate One Ethnic Group As Moscow Antagonizes A Second, 25.3.2010, http://www.rferl.org/content/Daghestans_Leaders_Move_To_Placate _One_Ethnic_Group_As_Moscow_Antagonizes_A_Second/1993806.html, Zugriff 28.9.2011)
Wahlen
Am 13.3.2011 fanden in 74 russischen Föderationssubjekten Regionalwahlen statt. In Dagestan wurde das Regionalparlament gewählt. Insgesamt traten 1.083 Kandidaten für Sitze in dem 90 Mitglieder zählenden Parlament an. Die Regierungspartei Einiges Russland gewann 66% der Stimmen, die Oppositionsparteien Patrioten Russlands und Gerechtes Russland erhielten je 11%, die Kommunisten 9% der Wählerstimmen. Andere angetretene Parteien, wie die Liberaldemokraten, die Partei Rechte Sache, erreichten nicht die notwendige Stimmenanzahl, um Sitze im Regionalparlament zu erhalten.
Es gab Berichte über Verletzungen der Wahlordnung. Im Vorfeld der Wahl wurde ein Anschlag auf einen Kandidaten, Alibulat Gasanov, verübt. Am Wahltag kam es zu mehreren Faustkämpfen in der Nähe von Wahlurnen, über Fälschungen von Wählerstimmen wurde sowohl während der Abstimmung, als auch bei der Auszählung berichtet. Die Wahlbeteiligung war extrem niedrig und lag vermutlich bei rund 10%.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue
52 - Voters' Low Interest in Elections Casts Doubt on Their
Legitimacy, 16.3.2011 / Ria Novosti: Millions of Russians vote in regional elections, 13.3.2011,
http://www.rianovosti.com/russia/20110313/162980112.html, Zugriff 28.9.2011)
Im Oktober 2010 fanden in Dagestan Kommunalwahlen statt, die von Gewalt und Wahlbetrug geprägt waren. Im Bezirk Lewaschi kam ein Ortsvorsteher, Abdulmuslim Nurmagomedow, während eines Kampfes ums Leben, mehrere Personen wurden verletzt. Der Kampf war ausgebrochen, nachdem 4.500 Wahlzettel gestohlen worden waren.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 183, 12.10.2010)
Bereits im Vorfeld der Kommunalwahlen, die in mehr als 1.000 Ortschaften abgehalten wurden, waren aus Angst vor Gewaltausbrüchen zusätzlich föderale Truppen in Dagestan stationiert worden. In Dagestan sind Kommunalwahlen im Gegensatz zu anderen Föderationssubjekten immer noch wichtig. Es gab unbestätigte Berichte über die Übernahme von Stadtregierungen durch Islamisten. Das Aufstocken militärischer Einheiten könnte darauf abgezielt haben, die Wahlen zu beeinflussen und sicherzustellen, dass die gewählten Behörden ausreichend säkular und den Behörden in Moskau loyal sind.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 178, 4.10.2010)
Sicherheitslage
Der Tschetschenienkonflikt hatte in den zurückliegenden Jahren auch auf die Nachbarrepubliken im Nordkaukasus übergegriffen und die gesamte Region destabilisiert. Die Häufigkeit bewaffneter Auseinandersetzungen nimmt insbesondere in Inguschetien und Dagestan weiterhin zu. Die gesamte Region ist wirtschaftlich und sozial eine der am stärksten benachteiligten in der Russischen Föderation. Sie leidet in ganz besonderem Maße unter Korruption, ethnischen Spannungen und der Machtausübung durch einzelne Clans.
Die Sicherheitslage im multiethnischen Dagestan hat sich in den Jahren 2009 und 2010 deutlich verschlechtert. Der bewaffnete Konflikt schwellt seit dem Jahr 2000, vermischt mit CIan-Auseinandersetzungen, Korruption und organisierter Kriminalität. Anschläge von Rebellen richten sich gezielt gegen Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen, politische Führungskader, Polizeiautos und -patrouillen, Bahnlinien, Gas- und Stromleitungen und öffentliche Gebäude. Das Vorgehen der Behörden gegen die Rebellen ist hart und ungezielt. Nach glaubwürdigen Aussagen von NROs und unabhängigen Beobachtern verüben dagestanische Sicherheitskräfte schwere Menschenrechtsverletzungen bis hin zu extralegalen Tötungen. In Dagestan verschwinden regelmäßig Personen:
die NRO "Mütter Dagestans für die Menschenrechte" hat für die ersten acht Monate 2009 25 Entführungsfälle dokumentiert. Memorial hat im Gesamtjahr 2009 Berichte über 22 Entführungen mutmaßlich durch Angehörige verschiedener Sicherheitsdienste erhalten (gegenüber 11 im Vorjahr 2008). Neun dieser Entführten wurden später tot aufgefunden, vier blieben vermisst. Von öffentlicher Seite gibt es glaubhaften Schilderungen zufolge kaum Hilfe bei der Suche nach diesen Personen. Diese Übergriffe sind willkürlich, nicht gegen spezielle Bevölkerungsgruppen gerichtet. Problematisch ist die Tätigkeit tschetschenischer Sicherheitsorgane in Dagestan, die dort ohne Abstimmung mit den örtlichen Behörden Festnahmen durchführen. Dies hat wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit dagestanischen Sicherheitsorganen geführt.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Sowohl in Tschetschenien als auch in Dagestan und in Inguschetien nahm die Gewalt seit dem Jahr 2010 bedeutend zu. Die Zahl der getöteten Personen hat zwar abgenommen, gleichzeitig ist aber die Zahl der Verletzten gestiegen, wobei es sich hauptsächlich um Zivilpersonen handelt. Die Zivilbevölkerung gerät immer mehr zwischen die Fronten des bewaffneten Konflikts zwischen Sicherheitskräften und Widerstandskämpfern. Der russische Präsident Dimitri Medwedew selbst bestätigte am 19. November 2010: "Die Situation [im Nordkaukasus] hat sich praktisch nicht verbessert."
Arbeitslosigkeit, weit verbreitete Korruption, eine desolate sozioökonomische Situation sowie die faktische Nichtexistenz von politischer Freiheit führen zu einem Mangel an Perspektiven und zu Frustration, welche viele junge Männer in die Arme der Aufständischen treiben. Auch die allgemeine Brutalität, die Atmosphäre der Straflosigkeit und das Fehlen eines Rechtsstaates verschärfen die Sicherheitslage weiter: Die Gewalt wird durch die durch Straflosigkeit ermöglichte, praktisch uneingeschränkte Willkür der Sicherheitskräfte zusätzlich geschürt. Aber auch der traditionell verankerten persönlichen Rache kommt ein großes Gewicht zu.
Die Natur des bewaffneten Konflikts hat sich in letzter Zeit jedoch verändert: Die bewaffneten Gruppierungen führen immer häufiger sogenannte "high-target attacks", Angriffe auf symbolisch wichtige Orte, durch, um ihre Schlagkraft und ihren Ehrgeiz unter Beweis zu stellen. Die Anzahl von Selbstmordanschlägen hat in den Jahren 2009 und 2010 ebenfalls dramatisch zugenommen. Dies führt dazu, dass auch die Zivilbevölkerung vermehrt in Mitleidenschaft gezogen wird. Während 2009 noch ein Drittel der Anschläge in Tschetschenien verübt wurden, verlagerte sich der Schwerpunkt seither auf andere Republiken. Es werden aber auch Ziele außerhalb des Nordkaukasus anvisiert, wie dies beim Anschlag auf die Moskauer Metro im März 2010 und auf den Moskauer Flughafen Domodedowo im Januar 2011 der Fall war.
Die beinahe täglichen Überfälle auf Sicherheitskräfte, welche vor allem in Dagestan und Inguschetien weiter zugenommen haben, weisen dieselben Tendenzen auf: Einerseits finden sie immer häufiger an stark bevölkerten Orten statt, was auch zivile Opfer fordert. Andererseits werden vermehrt "prestigeträchtige" Ziele anvisiert, das heißt hohe Sicherheitsbeamte.
Dagestan ist nach wie vor die unruhigste Republik. Der Konflikt ist hier stark religiös geprägt, ein Teil der Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung wird von religiösen Fundamentalisten verübt. Opfer werden hauptsächlich Personen, welche eine "nicht traditionelle Auslegung des Islams" haben oder einen "unziemlichen Lebensstil" führen. So wurden in Dagestan, wie auch in Inguschetien, Angriffe auf Geschäfte und Händler, die Alkohol verkaufen, Bars, Saunas und Strände sowie auf Wahrsager und Frauen verübt. Zudem werden häufig Polizisten angegriffen. Ihrerseits provozieren die Sicherheitskräfte Gegengewalt durch brutales Vorgehen. Zu Zwischenfällen kam es im Vorfeld der Regionalwahlen von Oktober 2010 und im Frühjahr 2011. Weit verbreitet sind Wirtschaftskriminalität, Raubüberfälle und Schutzgelderpressungen.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 26.9.2011)
Dem Kreml zufolge liegt der Grund für die Gewalt nicht nur bei militanten Islamisten. Viele meinen, auch die organisierte Kriminalität, sowie Rivalitäten zwischen verschiedenen Clans und politischen Gruppen stellten einen wichtigen Faktor dar.
(BBC News: Regions and Territories - Dagestan, Stand 19.1.2011, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/country_profiles/3659904.stm, Zugriff 28.9.2011)
Während der Staat die islamistischen Gruppen als größte Gefahr sieht, betont die Menschenrechtsorganisation Memorial die Bedeutung krimineller Gruppen, die oft entlang ethnischer Linien organisiert und gut im Staatsapparat verankert sind - nicht der islamistische Terror ist die größte Gefahr, sondern das weitverzweigte System krimineller Clans, welche die Regierungs- und Sicherheitsstrukturen durchdringen.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe: Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage - Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan, 25.11.2009)
Der Gewaltlevel stieg in Dagestan 2010 an. Im September 2010 wurden die russischen Streitkräfte in Dagestan aufgestockt. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich auch das militärische Vorgehen gegen Terrorismusverdächtige: Das Militär begann, Verdächtige in größeren Gruppen zu töten, wobei oft fraglich blieb, wer diese wirklich waren.
(The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 12, Issue 1, 14.1.2011)
Laut dem dagestanischen Innenminister Abrurashid Magomedov sind die schweren Verbrechen seit Anfang 2011 um 21 Prozent gestiegen. In den ersten sechs Monaten 2011 veranlasste die Regierung 53 Sondereinsätze gegen die Rebellen im Nordkaukasus, davon 36 in Dagestan.
(Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 125, 29.6.2011)
Widerstandsbewegung
Der bewaffnete Widerstand im Nordkaukasus berief sich in letzter Zeit weniger auf einen ethnischen Nationalismus oder Separatismus, sondern vielmehr auf eine radikale Islam-Auslegung. Die islamistischen Gruppierungen hielten sich bewusst von ethnischen Nationalisten fern, weil diese zu Kompromissen mit Russland bereit seien, analysiert das Center for Strategic & International Studies (CSIS). Doch sei es genauso falsch, die nordkaukasischen Islamisten als Teil eines "globalen Dschihads" zu sehen oder die gesamte Widerstandsbewegung im Nordkaukasus als islamistisch zu qualifizieren. Die islamistischen Gruppierungen bezeichnen sich selber als "Jamaats". Sie sind in kleine lokale Zellen aufgeteilt, welche jeweils für eine Region oder einen Stadtteil verantwortlich sind. Gemäß eigenen Websites umfassen diese Zellen zehn bis zwölf Personen. Viele der Kämpfer sind erst 16-18 Jahre alt. Wichtigste Figur war lange Zeit Doku Umarow. Im Sommer 2010 wurde die Bewegung jedoch durch die Wirren um den eventuellen Rücktritt Umarows und die darauf folgende Spaltung geschwächt. Die Jamestown Foundation schätzt, dass beinahe 90 Prozent der tschetschenischen islamistischen Gruppierungen nun dem Kommando von Emir Hussein unterstehen, während ein Grossteil der dagestanischen, inguschetischen und kabardino-balkarischen "Jamaats" nach wie vor Umarow treu sind. Dieser wurde schon mehrmals totgesagt, was sich bis heute als falsch erwiesen hat. Anfang Mai 2011 ernannte Umarow persönlich Ibragimkhalil Daudow (Amir Salikh), einen 50-jährigen Afghanistan-Veteranen, zum neuen Anführer des dagestanischen Untergrundes. In Dagestan sind gemäß Schätzungen des Central Asia-Caucasus Analyst ungefähr 2500 Männer aktiv. Das ist mindestens die Hälfte aller bewaffneten Widerstandskämpfer im Nordkaukasus. Anders als in Tschetschenien erfahren diese in Dagestan gewisse Sympathie und Unterstützung von Seiten der Bevölkerung, die sich sowohl von den korrupten lokalen Behörden wie auch den zunehmend gewalttätigen und rücksichtslosen Sicherheitskräften abwenden. Den offiziellen Sicherheitskräften an Waffen und im offenen Kampf unterlegen, konzentrieren sich die dagestanischen "Jamaats" auf psychologisch wirksame Selbstmordanschläge in Dagestan, aber auch im restlichen Russland.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 26.9.2011)
Der Widerstand der dagestanischen Untergrundbewegung verstärkt sich weiter. So zeigen Statistiken des letzen Jahres, dass mehr als die Hälfte der Todesfälle aufgrund militärischer Aktivitäten im Nordkaukasus in Dagestan sind.
(Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 63, 31.3.2011)
Bei den heftigen Kämpfen erlitt der Widerstand in Dagestan bedeutende Verluste, mindestens drei wichtige Anführer wurden Ende 2009 und 2010 getötet: Umalat Magomedov (Chassawjurt), dessen Witwe Dzhannet Abdurakhmanova offizieller Information zufolge eine der beiden Selbstmordattentäterinnen bei dem Anschlag auf die Moskauer U-Bahn im März 2010 gewesen sein sollte; Ibragim Gadzhidadaev (Bezirk Untsukul); und Magomedali Vagabov (Gubden), dessen Ehefrau Mariam Sharipova die zweite Selbstmordattentäterin im März 2010 gewesen sein soll. Die Führung des dagestanischen Aufstands soll hernach im August 2010 Israpil Velidzhanov (Emir Khasan) übernommen haben. Emir Khasan stammt aus dem südlichen Derbent und ist ethnischer Darginer.
(The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 12, Issue 1, 14.1.2011)
Russische Sicherheitskräfte haben in der Nacht auf 18. April [2011] den Leiter des dagestanischen Shariat Jamaat Israpil Validzhanov, oder auch unter Emir Khasan bekannt, getötet. Das nationale Anti-Terrorismus Komitee stelle auch fest, dass einer der anderen getöteten ein Cousin der Selbstmordattentäterin Mariam Sharipova war. Laut den russischen Nachrichten war Sharipova mit dem ehemaligen Führer der Aufständischen Magomedali Vagabov verheiratet und sie war anscheinend eine der Täterinnen bei den Bombenanschlägen in der Moskauer Metro letztes Jahr.
Validzhanov ist der siebte Führer der dagestanischen Rebellenbewegung, welcher seit der Entstehung des dagestanischen Jamaat als Struktur militanter Aufstände vor ungefähr zehn Jahren, getötet wurde.
Obwohl der Tod ihrer Führer ein erheblicher Rückschlag für die Shariat Jamaat ist, ist es unwahrscheinlich, dass dies eine signifikante Auswirkung auf die Sicherheitslage in Dagestan hat. Lokale Jamaats haben die Möglichkeit, ihre Tätigkeiten unabhängig von einer zentralen Führung durchzuführen. Die Sicherheitskräfte sind zwar erfolgreich in Finden und Töten von den Führern der dagestanischen Jamaat, trotzdem ist das Ausmaß an Gewalt in den letzten Jahren nicht zurückgegangen. Es ist eher das Gegenteil der Fall, so zeigen Statistiken, dass es einen Anstieg der Zahl von Gewalttaten seit Beginn 2010 gibt.
(Cacianalyst: Russian security Forces kill head of the dagestani insurgency, 27.4.2011, http://www.cacianalyst.org/?q=node/5549, Zugriff 27.9.2011)
Zahlen
2010 kamen in Dagestan insgesamt 683 Personen bei Angriffen ums Leben oder wurden verletzt, darunter Zivilisten, Mitarbeiter von Regierungsbehörden, Aufständische und Polizisten. Es kam 2010 zu fünf Selbstmordattentaten, 112 Bombenexplosionen, sowie zu mindestens 128 bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften. 2010 starben bei Angriffen 78 Zivilisten, 124 Sicherheitskräfte und 176 vermeintliche Aufständische. Exekutivkräfte werden verdächtigt, mutmaßliche Aufständische zu entführen. 2010 verschwanden mindestens 18 Personen in Dagestan, von denen später 5 tot aufgefunden wurden. 4 kehrten nach Hause zurück, die übrigen werden weiterhin vermisst.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 26, 7.2.2011)
Gemäß dem russischen Nationalen Anti-Terror-Komitee fanden 2010 mehr als die Hälfte aller terroristischen Angriffe im Nordkaukasus in Dagestan statt.
(Ria Novosti: Tax police official killed in Russia's North Caucasus, 6.12.2010, http://www.rianovosti.com/russia/20101206/161644938.html, Zugriff 28.9.2011)
Rechtsschutz
Sicherheitsbehörden
In Russland existiert eine Vielzahl von Sicherheitsdiensten. Es wird unterschieden zwischen den föderalen Sicherheitskräften, welche der Russischen Föderation unterstehen, und lokalen Abteilungen, welche den Behörden der einzelnen Republiken unterstellt sind. Die föderalen Streitkräfte im Nordkaukasus bestehen einerseits aus der russischen Armee, welche dem russischen Verteidigungsministerium MO RF angehört (am Kampf gegen den bewaffneten Widerstand sind auch viele Sondereinheiten des Geheimdienstes der russischen Armee (GRU) beteiligt), andererseits sind auch Polizeieinheiten des Innenministeriums MVD RF aktiv, um die lokalen Sicherheitskräfte zu verstärken und zu kontrollieren. Diese lokalen Sicherheitskräfte unterstehen ihrerseits den Innenministerien (MVD) der einzelnen Republiken. Innerhalb der Polizei gibt es zahlreiche Sondereinheiten, wie beispielsweise die OMON (Abteilung zur Aufstandsbekämpfung). Die Truppen der MVD sind hauptsächlich für die Kontrolle der Städte und Dörfer zuständig, sie beaufsichtigen Checkpoints und führen Säuberungsaktionen durch. Ebenfalls präsent im Nordkaukasus ist der Inlandgeheimdienst der Russischen Föderation (FSB). Dabei handelt es sich sowohl um den föderalen FSB als auch um lokale Abteilungen. Dieses komplizierte Geflecht erschwert es oft, die Verantwortlichen für Rechtsverletzungen zu finden, und erlaubt es den Behörden, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben.
In Dagestan werden Anti-Terror-Operationen meist von föderalen Sicherheitskräften durchgeführt, welche damit das dagestanische Innenministerium und den lokalen FSB ins Abseits drängen. Doch auch wenn von dagestanischer Seite die meisten Verbrechen den föderalen Sicherheitskräften angelastet werden, ist davon auszugehen, dass ebenso oft lokale Sicherheitskräfte für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 26.9.2011)
In Dagestan wurde Ende 2010 eine neue, ausschließlich aus gebürtigen Dagestanern bestehende militärische Einheit eingerichtet, die zunächst aus 300 Mann bestand und im Laufe der Zeit auf 700 Mann aufgestockt werden soll. Diese Einheit sollte - ähnlich wie in Tschetschenien durch die so genannte "Tschetschenisierung" - durch bessere Ortskenntnisse effizienter den Widerstand bekämpfen können.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 210, 18.11.2010 / Ria Novosti: Dagestan plans to use 'ethnic' military units to fight militants, 13.08.2010, http://en.rian.ru/russia/20100813/160183792-print.html, Zugriff 28.9.2011)
Am 27. Juni [2011] sprach der russische Innenminister Rashid Nurgaliev von einem beispiellosen Aufschwung der Polizeikräfte von Dagestan. Nurgaliev kündigte an, dass 7000 Streitkräfte, zusammengesetzt aus Polizei, Militär und Sicherheitsdiensten, nach Dagestan geschickt werden, um dort gegen die Rebellen der Republik vorzugehen. 5500 dieser Kräfte sollen aus den Reihen der dagestanischen Polizei kommen.
Das kann eine Reaktion Moskaus auf die sich verschlechternde Sicherheitslage in Dagestan sein. Doch dieser Schritt kann auch so gesehen werden, dass versucht wird, den Islam und den damit verbundenen Rückgang der Unterstützung der weltlichen Autorität in der Republik, einzudämmen. Durch diese vermehrte Polizeipräsenz ist es jedoch auch wahrscheinlich, dass es zu mehr Gewalt und höhere Unterstützung der Rebellen kommt.
Die erhöhte Militär- und Polizeipräsenz in Dagestan spiegelt Russlands Methoden der Nordkaukasus Politik wider. Moskau hat genügend militärische Schlagkraft, um jeglichen Aufstand in Dagestan zu unterdrücken, vor allem bei dem Nichtvorhandensein einer nationalen und internationalen Kritik. Da die russische Regierung immer wieder bei den Verhandlungen mit der Regierung scheiterte, zeigen diese mehr und mehr ihre militärischen Fähigkeiten.
(Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 125, 29.6.2011)
Laut dem russischen Innenministerium sind seit Beginn des Jahres bis Ende März 2011 in Dagestan 40 Polizisten getötet und 74 verletzt worden.
(Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 136, 31.3.2011)
Folter/Entführungen
Folter ist gesetzlich verboten. Der Menschenrechtsbeauftragte Lukin kritisiert, dass es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft dennoch immer wieder zu Folter, und grausamer oder erniedrigender Behandlung durch die Polizei und Ermittlungsbehörden kommt. Besonders kritisch sieht der Menschenrechtsbeauftragte die Situation vor Beginn von Strafverfahren im Rahmen der sogenannten "operativen Ermittlungstätigkeit". Dies wird auch von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisiert.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Obwohl die Verfassung Folter und andere unmenschliche Behandlung verbietet, gibt es Berichte, dass Sicherheitskräfte in Praktiken wie Folter, Misshandlung und Gewaltanwendung um Geständnisse zu bekommen verwickelt sind. Es gibt Vorwürfe, dass Behörden die Schuldigen nicht ausreichend zur Rechenschaft ziehen.
(US Department of State: Human Rights Practices 2010 - Russia, 8.4.2011, http://www.ecoi.net/local_link/158257/275196_de.html, Zugriff 27.9.2011)
In Dagestan sei hauptsächlich das eigene Innenministerium für die Verletzung der Bürgerrechte verantwortlich, erklärte Saur Gasijew von Memorial Dagestan im Frühjahr 2011, wobei er sich explizit auch auf Folter und Misshandlung bezog.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 27.9.2011)
Menschenrechte
Allgemeines
Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen bleibt der Nordkaukasus. Im Verlauf des Jahres 2010 hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Tschetschenien, Inguschetien und insbesondere in Dagestan weiter angespannt.
Präsident Medwedew erklärte am 16. April 2009 den "Antiterrorkampf" in Tschetschenien offiziell für beendet. Bei den aktiven Rebellen haben islamistische Kräfte die Oberhand gewonnen, die die Errichtung eines "Kaukasischen Emirates" im gesamten Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Tschetschenien, Nordossetien, Karatschajewo-Tscherkessien, Teile des Gebietes Stawropol) anstreben und ihre Aktivitäten immer mehr in die Nachbarrepubliken, insbesondere Inguschetien und Dagestan, verlagert haben.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Im gesamten Nordkaukasus sollen Beamte mit Polizeibefugnissen an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sein. Es wurden ihnen widerrechtliche Inhaftierungen und Folter vorgeworfen sowie in einigen Fällen auch die außergerichtliche Hinrichtung mutmaßlicher Mitglieder bewaffneter Gruppen. Da es keine wirksamen Untersuchungen dieser Menschenrechtsverletzungen gab, wurden die Täter auch nicht zur Rechenschaft gezogen.
(Amnesty International: Report 2011 zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation; 13.5.2011)
Die russischen Behörden bezahlen den Opfern [von Menschenrechtsverletzungen und nach einer Verurteilung durch den EGMR] zwar die geforderten finanziellen Entschädigungen (deren Höhe sich eher als symbolisch denn als erheblich erweist). Sie unterlassen es jedoch, die für die Straftaten Verantwortlichen zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen (in vielen Fällen ist die Identität der Täter sogar bekannt, dennoch müssen diese keine strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns fürchten). Auch werden keine Maßnahmen zur Vermeidung ähnlicher Taten ergriffen.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 27.9.2011)
Außergerichtliche Hinrichtungen
In Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan stieg die Anzahl an außergerichtlichen Hinrichtungen und "Verschwundenen" merklich an, ebenso wie die der Angriffe auf Exekutivbehörden. Behörden im Nordkaukasus scheinen oft ohne Kontrolle der föderalen Regierung zu agieren.
(U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2010 - Russian Federation, 8.4.2011)
In allen nordkaukasischen Republiken werden regelmäßig bewaffnete Kämpfer, Angehörige der Sicherheitskräfte, aber vor allem auch Zivilpersonen umgebracht. Von den Sicherheitskräften getötete Personen werden häufig als getötete Kämpfer ausgegeben. In anderen Fällen werden Tötungen vertuscht.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 27.9.2011)
Der islamistische Widerstand im Nordkaukasus ist aktiv und die Exekutiv. Und Sicherheitskräfte begingen bei der Bekämpfung gravierende Verletzungen der Menschenrechte wie Folter, "Verschwindenlassen" und außergerichtliche Tötungen.
(Human Rights Watch: World Report 2011 - Russian Federation, 24.1.2011)
Religion
Religionsfreiheit
Die Russische Föderation ist ein multinationaler und multikonfessioneller Staat. Artikel 28, der Verfassung garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Orthodoxie, Islam, Buddhismus und Judentum haben dabei eine herausgehobene Stellung. Artikel 14, der Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest.
Die Russisch-Orthodoxe Kirche (ROK) erhebt einen Monopolanspruch für alle Gläubigen russischer Herkunft (Nationalität) und propagiert ihren Wertekanon als Basis einer neuen "nationalen Idee". Unter dem Patriarchen Kyrill, im Amt seit 01.02.2009 und vorher langjähriger Leiter des Außenamts der ROK, bietet sich die ROK vermehrt als stabilisierende und ideologisch allrussische Institution an. Faktisch wird sie vom Staat bevorzugt behandelt und hofiert. Die verfassungsmäßige Stellung der anderen Glaubensgemeinschaften und die rechtliche Trennung von Staat und Kirche bleiben jedoch weitgehend aufrechterhalten. Seit April 2010 gibt es in 18 Pilot-Regionen verpflichtenden Religionsunterricht (orthodox, muslimisch, jüdisch oder buddhistisch) nach Wahl. Die Einführung von Militärgeistlichen ist geplant. Umstritten ist ein Restitutionsgesetz zugunsten der ROK (Rückgabe aller 1.517 in Staatseigentum befindlichen Immobilien und Gegenstände an die ROK. Darunter sind auch Immobilien, die niemals Eigentum der ROK waren, sondern - wie in Kaliningrad - vor der Enteignung nach der Oktoberrevolution anderen Konfessionen gehörten). Dieses Gesetz unterstreicht die spirituelle und gesellschaftliche Ausnahmestellung der ROK und dürfte längerfristig zu wachsenden Problemen mit anderen Konfessionen, gesellschaftlichen Gruppen und sozialen Einrichtungen führen.
In Russland leben rund 20 Mio. Muslime. Der Islam als eine der traditionellen Hauptreligionen Russlands wird von staatlicher Seite nicht diskriminiert, sondern in der Regel gefördert. Überdies ist der Islam in Russland in seiner Grundausrichtung von Toleranz gegenüber anderen Religionen geprägt. Der Staat fördert und kontrolliert die Ausbildung von Imamen.
Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen können hingegen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden stoßen. Dies gilt vor allem für nichttraditionelle islamische Strömungen, denen insbesondere im Nordkaukasus und im Wolgagebiet häufig der Vorwurf gemacht wird, extremistisches Gedankengut zu vertreten oder in Beziehung zu terroristischen Gruppierungen zu stehen, aber auch für die Zeugen Jehovas, die seit dem Sommer 2009 mit einer Welle von Verfahren nach dem Antiextremismusgesetz konfrontiert sind.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Die Verfassung sieht Religionsfreiheit vor, es gibt aber Einschränkungen. Es gibt keine Staatsreligion, aber die dominante Russisch-Orthodoxe Kirche und "traditionelle" Religionsgemeinschaften haben besondere Bedeutung. Es gibt verbotene religiöse Literatur religiöser Minderheiten, insbesondere muslimische Anhänger des türkischen Theologen Said Nurse, der Zeugen Jehovas und der Scientologen. Obwohl die Verfassung eine Gleichheit aller religiösen Gruppen vor dem Gesetz und eine Trennung von Kirche und Staat garantiert, respektiert die Regierung diese Bestimmungen nicht immer.
(US Department of State: International Religious Freedom Report July-December 2010 - Russia, 13.9.2011; Zugriff 27.9.2011)
Religiöse Gruppen
Seit Beginn dieses Jahrhunderts hat [in Dagestan] ein früher in der Region nicht vertretenes fundamentalistisches Verständnis des Islams zahlreiche Anhänger gefunden. Die staatlichen Behörden setzen die Mitglieder derartiger Gemeinden mit Extremisten bzw. potentiellen Terroristen gleich und erfassen sie in Listen. Mitunter müssen sich diese Personen regelmäßig bei der Miliz melden und sind erheblichem Druck ausgesetzt.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Dutzende von muslimischen Gruppen siedelten sich über die Jahrhunderte hinweg in Dagestan an, auch heute noch sind die meisten Einwohner Muslime.
(BBC News: Regions and Territories - Dagestan, Stand 19.1.2011, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/country_profiles/3659904.stm, Zugriff 28.9.2011)
Die meisten Mitglieder islamistischer Gruppen kommen aus den ethnischen Gruppen der Awaren, Laken, Kumyken und Darginer, vor allem in Machatschkala, Chassawjurt, Isberbasch und Bujnaksk, und insbesondere aus den Bezirken Tsuntinski, Botlich und Kasbekowski. Am meisten vom Konflikt betroffene Gebiete sind Bujnaksk, Chassawjurt und Machatschkala.
(International Crisis Group: Russia's Dagestan - Conflict Causes, 03.06.2008)
Ursprünglich kam der Sufi Islam über religiöse Führer aus dem Irak über Aserbaidschan nach Dagestan. Das Gedankengut des Wahhabismus/Salafi Islam kam erst Ende der 1980er Jahre mit der Information aus Saudi-Arabien. Dagestan stellt einen wichtigen Teil des Kaukasischen Emirats dar. Wahhabismus wird in Dagestan stark akzeptiert, vor allem unter jungen Menschen. Nicht alle Wahhabi sind Terroristen, aber radikales Gedankengut breitet sich schnell aus. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken sind nicht nur militärische, sondern auch andere Maßnahmen, wie etwa Bildung notwendig. Die Wahhabiten bezeichnen sich selbst als Salafi ("zurück zu den Wurzeln"), was im Allgemeinen das Gleiche ist. Es gibt ein gewisses Engagement von Saudi-Arabien, vor allem im Bildungsbereich. Der Wahhabismus im Nordkaukasus stellt jedoch eine neue Form dar, eine vereinfachte, modernisierte und militarisierte Version des Wahhabismus, eine für die junge Generation besser verständliche Form.
(Dr. Mikhail Roshchin - Insitute for Eastern Studies: Vortrag für AsylGH am BMI, 26.03.2009)
Anspannungen zwischen den Vertretern des Sufismus und Salafismus verschärften sich, da die Regierung kein neutraler Schiedsrichter in diesem Konflikt ist, denn sie unterstützt eine Partei und zwar den Sufismus. Weiters begehen Polizisten Verbrechen gegen die Anhänger des fundamentalen Islams, was Ärger bei den Militanten hervorruft. Diese begehen dann wiederum Verbrechen gegen Zivilisten, welche Anhänger des Sufismus sind.
(Memo.ru: "New deal" of Magomedov? The situation with human rights and efforts of society consolidation in the Republic of Dagestan, March 2010 - March 2011, http://www2.memo.ru/uploads/files/555.pdf, Zugriff 27.9.2011)
Am 15. Juli 2010 wurde der Pastor Artur Suleimanow der dagestanischen Hosanna Kirche, der größten Pfingstkirche in Dagestan, in Machatschkala erschossen.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7/137, 16.07.2010)
Anti-Wahhabismus-Gesetz
Erste Auseinandersetzungen zwischen Sufi Muslimen und Salafiten in Dagestan wurden 1994-95 registriert. Bereits 1997 forderten Unterstützer des Sufi Islam in Dagestan ein Verbot jeglicher salafitischer Aktivitäten. Diese wurden daraufhin tatsächlich im Dezember 1997 rechtlich eingeschränkt. 1998 kam es zu einem Angriff radikaler Islamisten in Machatschkala und der Ausrufung eines "Speziellen Islamischen Territoriums" auf dem Gebiet dreier Siedlungen in Dagestan.
(CSIS: Radical Islam in the North Caucasus; Evolving Threats, Challenges, and Prospects, 29.11.2010)
1999 wurde in Dagestan das so genannte Anti-Wahhabismusgesetz erlassen, das den Wahhabismus offiziell verbot. Dieses wird dafür kritisiert, aggressive und diskriminierende Formulierungen zu enthalten, die Polizei und Sicherheitskräfte anführten, um praktizierende Muslime die sie der Mitgliedschaft oder Sympathie mit dem islamischen Aufstand verdächtigten, zu jagen und sogar zu töten. Immer wieder sprechen sich auch hochrangige Politiker gegen das Gesetz aus.
(RFE/RL: Further Call For Repealing Daghestan's Controversial 'Anti-Wahhabism' Law, 24.03.2010, http://www.rferl.org/content/Further_Call_For_Repealing_Daghestans_Controversial_ AntiWahhabism_Law/1992631.html, Zugriff 28.9.2011 / Window on Eurasia: Daghestan's Ban on Wahhabism Should Be Repealed, Khasavyurt Mayor Says, 06.11.2009,
http://windowoneurasia.blogspot.com/2009/11/window-on-eurasia-daghestans-ban-on.html, Zugriff 28.9.2011)
Vor mehr als zehn Jahren verbot Dagestan den Wahhabismus um sich gegen den traditionellen Islam und gegen militante Gruppen zu verteidigen. Nun wurde aber festgestellt, dass dieser Schritt kontraproduktiv war.
Dieses Verbot führte dazu, dass unschuldige Menschen auf Grund ihres Glaubens attackiert werden, sowie dass die Militanten mehr Unterstützungen bekommen, da sie als Verteidiger des Islams wirken.
Eine der am meisten diskutierten Themen in Dagestan in letzter Zeit war der Dialog zwischen den Vertretern der zwei verfeindeten religiösen Parteien in Dagestan und zwar den so genannten offiziellen Islam, welcher auf dem Sufismus basiert und dem Salafismus, welcher auch den Wahhabismus inkludiert.
Da der Wahhabismus immer mit allen negativen Ereignissen in Dagestan verbunden wird, werden automatisch alle Anhänger dieser Religion als Militante gesehen, die Militanten wiederum nützen diesen Trend des Islam dazu, ihre illegalen Aktivitäten zu decken.
Ende April wurde ein erster Versuch unternommen, die beiden Richtungen des Islams zusammen zu bringen und so wurde ein Runder Tisch organisiert. Das primäre Ziel dieses Runden Tisches war, die Anklagen und Gegenanklagen der beiden Parteien der letzten Jahrzehnte zu stoppen.
Bei diesem Runden Tisch wurde erklärt, dass ein friedliches Zusammenleben und ein Wohlergehen der Bevölkerung die Stärkung der Einheit der Völker benötigt.
(Kyiv Post: Daghestanis seek to overcome Muslim divisions to oppose militants, 9.5.2011,
http://www.kyivpost.com/news/opinion/op_ed/detail/103909/, Zugriff 27.9.2011)
Minderheiten
Ethnische Gruppen
In Dagestan gibt es 14 größere und einige Dutzend kleinere ethnische Gruppen. Historisch bedeuteten die Nationalitäten wenig, jedoch gewannen sie durch das Vakuum, das der Kollaps der Sowjetunion hinterließ, an Bedeutung. Lokale Klans bauten politische Macht entlang ethnischer Grenzen auf.
(NY Times: In Dagestan, Laugh Track Echoes Across Mountains, 16.2.2010,
http://www.nytimes.com/2010/02/17/world/europe/17dagestan.html?ref=global-home, Zugriff 28.9.2011)
Dagestan ist jenes Gebiet der Russischen Föderation mit der größten ethnischen Diversität. Die größte ethnische Gruppe in Dagestan sind die Awaren. Weitere größere Gruppen sind Darginer, Kumyken und Lesgier. Des Weiteren leben ethnische Russen, Laken, Tabasaran und Nogaier in Dagestan. Der Schutz der Interessen der Völker Dagestans stellt ein Grundprinzip der Verfassung der Republik dar. Die Sprachen mehrerer Völker sind in der Verfassung verankert.
(BBC News: Regions and Territories - Dagestan, Stand 19.1.2010, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/country_profiles/3659904.stm, Zugriff 28.9.2011)
Die folgenden Zahlenangaben beziehen sich auf den Zensus 2002:
Die Awaren als größte ethnische Gruppen stellten rund 30% der dagestanischen Bevölkerung dar. Awaren siedeln vorwiegend in den Bergen im westlichen und südwestlichen Dagestan und wurden im 11. Jahrhundert islamisiert. Unter der Führung des Darginers Magomedali Magomedow (1990-2006) entstand eine awarische, insbesondere unter einer "Nördliche Allianz" bekannte Oppositionsbewegung. Diese wurde von den beiden Bürgermeistern der (nördlich gelegenen Städte) Chassawjurt und Kisljar angeführt. Die Ernennung des Awaren Muchu Alijew zum Präsidenten wurde von der Opposition als Korrektur einer Ungerechtigkeit begriffen. Viele Awaren arbeiten bei der Polizei und anderen Exekutivkräften, aber auch im Ölsektor.
Darginer (auch: Darginen) stellten 2002 mit rund 425.000 Personen 17%, und somit die zweitgrößte ethnische Gruppe in der Bevölkerung dar. Jedoch forderten 2002 zwei ethnische Gruppen, die seit 1926 als Darginer gezählt werden (Kaitaken und Kubatschen) eine Anerkennung als eigene ethnische Gruppe. Magomedali Magomedow ist Darginer, ebenso der seit 1998 amtierende Bürgermeister der Hauptstadt Machatschkala, Said Amirov. Die Darginer leben vorwiegend in der gebirgigen Region im Süden des Landes. Viele Darginer arbeiten im Handel, Geldumtausch und in der Landwirtschaft.
In der Partei "Einiges Russland" sind vorwiegend Awaren und Darginer vertreten.
Drittgrößte Gruppe sind mit 14% der Bevölkerung die Kumyken. Im Gegensatz zu Awaren, Darginern, Laken und Lesginen, die allesamt kaukasische Sprachen sprechen, sind die Kumyken ein turksprachiges Volk. Aufgrund der Siedlungspolitik der Sowjetunion wurde Ende der 1980er Jahre Rufe nach der Einrichtung eines Kumykistan laut. Historisch bedingt leben die Kumyken vorwiegend im zentralen Flachland. Neben der Landwirtschaft sind viele Kumyken im Handel und im Gassektor tätig. Kumyken stellen zudem einen erheblichen Teil der dagestanischen Intelligenzija dar. Lesginen (auch Lesgier), denen 13% der dagestanischen Bevölkerung zuzurechnen sind, leben vorwiegend im Süden der Republik, sowie im benachbarten Aserbaidschan. Als viertgrößte ethnische Gruppe erhielten sie zu Sowjetzeiten gelegentlich höherrangige Ämter Die Partei "Patrioten Russlands" wird als lesgische Partei betrachtet. Fast alle Kandidaten dieser Partei, die zur Parlamentswahl im März 2007 antraten, waren Lesgier. Auf die Partei wurde während des Wahlkampfs starker Druck ausgeübt, jedoch wurden die Betroffenen im Allgemeinen nicht aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit Ziel von Angriffen und Wahlmissbrauch.
Die Laken, mit fast 140.000 Personen rund 5% der Bevölkerung, leben vorwiegend in den zentralen Gebirgsausläufern, dem "Herzen Dagestans", wo sie unter anderem Kunsthandwerk und Saisonarbeit betreiben, aber auch einen nicht unwichtigen Teil der Intelligenzija darstellen.
Die Anzahl der in Dagestan lebenden Russen ist seit 1989, als sie noch 9% der Bevölkerung ausmachten, rückläufig. 2002 stellten sie wie die Laken mit 120.000 Personen rund 5% der Bevölkerung dar. In den letzten Jahrzehnten der Sowjetära besetzen sie keine Schlüsselpositionen, wie etwa in anderen Nachbarrepubliken.
Weitere ethnische Gruppen in Dagestan sind gemäß der Verfassung von 1994: Nogaier, Tschetschenen (Akkiner), Agulen (auch: Agulier), Zachuren, Rutulen, Tabassaren und Aseri. Diese Gruppen stellen nur einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung dar, können aber in gewissen Situationen wichtige Rollen spielen, etwa bei Fragen des Zugangs zu Land, politischer Teilhabe und Mitsprache in der Wirtschaft. Zachuren, Rutulen und Agulen leben vorwiegend im Süden Dagestans, die Nogaier bewohnen die nördlichen Steppen. Tschetschenen leben historisch an der Grenze der Republik zu Tschetschenien.
(International Crisis Group: Russia's Dagestan - Conflict Causes, 3.6.2008)
Soziale Gruppen
Frauen
[Im Nordkaukasus] kommt es immer noch oft zu traditionell verankerten Rechtsverletzungen wie Zwangsheiraten und Brautraub. Häusliche Gewalt ist allgegenwärtig. Trennt sich ein Mann von seiner Frau, so bleiben die gemeinsamen Kinder bei der Familie des Mannes, und die Frau darf sie nur mit deren Einwilligung besuchen - welche oft verweigert wird. Immer noch kommt es zu sehr vielen Ehrenmorden, wobei es auch schwierig ist, genaue Statistiken zu führen, denn die Gewalt und Morde an Frauen werden selten dokumentiert, verfolgt und bestraft. Tätliche Angriffe auf "unsittliche" Frauen kommen auch in Dagestan vor.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe (Grob, Mirjam): Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien, 12.09.2011,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1316165361_nordkaukasus-sicherheits-und-menschenrechtslage-2011.pdf, Zugriff 27.9.2011)
Unterstützung für Frauen und Mütter (gender projects):
Abgesehen von den Finanzhilfen für bestimmte schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen (Arbeitslose, Rentner, junge Familien usw.) sind noch weitere erwähnenswert:
1) Schwangerschaftsgeld - vom 1. Januar 2007 an erhalten schwangere Frauen ein spezielles Schwangerschaftszertifikat (seit 2011: RUB 10.000 (ca. 358) USD), das sie für die Bezahlung der gynäkologischen Betreuung und Behandlung während der Schwangerschaft und der Geburt verwenden können.
2) Kindergeld - diese finanzielle Unterstützung gibt es in zwei verschiedenen Formen: eine einmalige Zahlung an die Eltern nach der Geburt des Kindes in Höhe von RUR 11703 (USD 419) und monatliche Zahlungen bis das Kind 1,5 Jahre alt ist: RUB 2194 (USD 79) für das erste Kind und 4389 (USD 157) für das zweite und jedes weitere Kind.
In verschiedenen Regionen Russlands gibt es weitere ergänzende finanzielle Hilfsprogramme für alleinstehende Mütter.
Im Rahmen verschiedener "gender projects" unterhalten diverse Nichtregierungsorganisationen in einigen Regionen der Russischen Föderation Frauenasyle. Die meisten Nichtregierungsorganisationen, die solche Asyle betreiben, werden von internationalen oder ausländischen Organisationen finanziert. Leider ist die fehlende Finanzierung der Hauptgrund dafür, dass längst nicht alle Bedürftige Hilfe dieser Art bekommen können. Es gibt faktisch in jeder russischen Region Krisenzentren für Frauen. Diese werden sowohl von staatlichen Sozialdiensten als auch von internationalen Programmen gesponsert und bieten soziale, psychologische und juristische Beratung für folgende Gruppen an:
(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011)
Innerstaatliche Fluchtalternative
Allgemeines
Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden statt, haben aber an Intensität abgenommen. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit.
Allen russischen Staatsbürgern steht das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird an vielen Orten (u.a. in großen Städten wie Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert.
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen in Deutschland ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u. a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung sind gesetzlich gewährleistet, Die Regierung schränkte die Bewegungsfreiheit im Land und Migration jedoch ein. Personen mit dunklerer Hautfarbe aus dem Kaukasus oder Zentralasien wurden oft zur Überprüfung ihrer Dokumente herausgegriffen. Außer einigen Ausnahmen, kooperiert Russland mit UNHCR und anderen Menschrechtsorganisationen um IDPS; Flüchtlinge, zurückgekehrte Flüchtlinge, Asylwerber oder Staatenlosen Schutz zu bieten.
Es gibt einige Einschränkungen der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit. Alle Erwachsenen sind verpflichtet, ihren Inlandsreispass bei Reisen mitzuführen und um bestimmte staatliche Leistungen zu erhalten. Einige regionale Behörden haben Registrierungsvorschriften, die das Recht der Bürger ihren Wohnort frei zu wählen einschränken. Ziel hiervon sind meistens ethnische Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und aus Zentralasien.
(US Department of State: Human Rights Practices 2010 - Russia, 8.4.2011, http://www.ecoi.net/local_link/158257/275196_de.html, Zugriff 27.9.2011)
Binnenflüchtlinge
Laut einem Bericht von UNHCR gab es mit Stichtag 31. Dezember 2010
75.323 IDPs in Russland, hauptsächlich aber im Nordkaukasus. Im Juli 2010 lebten 2.578 Tschetschenische Flüchtlinge in Dagestan, geschätzte 188 davon leben in provisorischen Siedlungen und temporären Unterkünften.
Die Quellen unterscheiden sich zwar, aber es lässt sich sagen, dass ungefähr 46.000 IDPs von Tschetschenien nach Inguschetien und Dagestan in den letzten sechseinhalb Jahren zurückgekehrt sind.
(US Department of State: Human Rights Practices 2010 - Russia, 8.4.2011, http://www.ecoi.net/local_link/158257/275196_de.html, Zugriff 27.9.2011)
Rückkehr
Wirtschaftliche und soziale Lage
2010 wurden 75% des Budgets von Dagestan durch direkte Geldspritzen aus Moskau finanziert. 2009 waren es noch 82% des Budgets gewesen. Der Rückgang ist nicht auf eine verbesserte Wirtschaftsleistung der Republik zurückzuführen, sondern auf den allgemeinen Rückgang der Subventionen aus Moskau von 1,5 Milliarden Dollar 2009 auf 1,1 Milliarden Dollar 2010. Die eigenen Einnahmen Dagestans stiegen in dieser Zeit um nur 90 Millionen Dollar an. Die Einkommen sind in Dagestan sehr ungleich verteilt, 70% der Bevölkerung leben dem dagestanischen Soziologen Enver Kisriev zufolge in Armut.
2010 hatte Dagestan im Vergleich zu den anderen Republiken des Nordkaukasus die niedrigste Verhältniszahl des Durchschnittseinkommens zu dem Mindestkorb an Gütern und Dienstleistungen.
(The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 12, Issue 1, 14.1.2011) Um den Nordkaukasus zu entwickeln hat die russische Regierung bis 2025 30 Projekte im Wert von 145 Milliarden Rubel (5,3 Milliarden Dollar) entwickelt. Diese Projekte sind für die Bereiche Landwirtschaft, Tourismus und Informationstechnologie vorgesehen.
Dieses Jahr wird die russische Regierung Staatsgarantien im Wert von 50 Milliarden Rubel zur Verfügung stellen, um Projekte dieser Region zu unterstützen.
Das Entwicklungsprogramm für den Nordkaukasus wurde im September letzten Jahres genehmigt und umfasst das Schaffen von 400.000 neuen Arbeitsplätzen, sowie eine Verbesserung des Investitionsklimas in dieser Region, um Investoren in den Sektoren Landwirtschaft, Energie, Bau und Tourismus anzulocken.
Insgesamt werden also 337 Milliarden Rubel in die Entwicklung des Nordkaukasus gesteckt und weitere 202 Milliarden Rubel werden über die nächsten zwei Jahre hinweg zur Verfügung stehen, so der Russische Minister für regionale Entwicklung Basargin.
Diese Bereitstellungen von Hilfsmitteln sind auch von wesentlicher Bedeutung für Moskau, da dadurch die Loyalität lokaler Eliten an den Kreml sichergestellt wird, was für die Präsidentschaftswahl 2012 sehr wichtig sein kann.
Solche Investitionen in die Region können sich auch positiv in Hinblick auf Korruption auswirken, da regionalen Beamten neue Aufgaben und Herausforderungen gestellt werden und die Anleger verlangen, dass die Qualität der Arbeit verbessert wird.
(The Moscow Times: Putin Picks 30 Caucasus Projects Worth $5Bln, 5.5.2011,
http://www.themoscowtimes.com/news/article/putin-picks-30-caucasus-projects-worth-5bln/436319.html, Zugriff 27.9.2011)
Die Republik Dagestan verfügt über folgende Bodenschätze - Erdöl, Erdgas, Kohle, Torf, Metalle usw. Die Landwirtschaft ist einer der Hauptwirtschaftszweige Dagestans (28,5% des BSP der Republik). Ein Drittel der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung Dagestans ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Im Moment gibt es 36 000 Farmen und 900 landwirtschaftliche Betriebe in Dagestan. Der Anteil des privaten Sektors an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion beträgt 67%. Es gibt eine Beschäftigtenquote von 70%, zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten in der Produktion.
Die Arbeitslosigkeit in der Nord-Kaukasus-Region ist die höchste in Russland. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen in dieser Region lag am 1. Mai 2010 bei 766.6 Tausend Menschen (bzw. 18% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung). Die höchste Arbeitslosenquote findet man hierbei in Inguschetien - 53%, Tschetschenien - 42% und Dagestan - 17,2%. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Russland liegt bei 8,2%. Jeder Arbeitslose (außer Schülern, Studenten und Rentnern) kann einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellen. Um die Arbeitslosenhilfe zu erhalten, müssen russische Staatsbürger bei den Beschäftigungszentren des Bundesarbeits- und Beschäftigtendienstes ("Rostrud") an ihrem Wohnort (entsprechend dem Meldestempel im Pass) gemeldet sein.
Russische Staatsbürger benötigen keine gesonderte Genehmigung, um eine Arbeit außerhalb der Region ihres Wohnsitzes anzunehmen, da sie landesweit freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Mit dem Erreichen des 14. Lebensjahres und der Ausstellung eines Personalausweises - dem wichtigsten internen Dokument - hat eine Person das Recht darauf, zu arbeiten. Für Personen, die jünger als 18 Jahre sind, gibt es Vorschriften zur verkürzten Arbeitszeit. Personen im Rentenalter können ebenfalls arbeiten. Es existiert darüber hinaus ein System von Leistungen zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bestimmter Bürgergruppen, wie z.B. schwangeren Frauen und Müttern mit Kindern, die jünger als drei Jahre sind.
Duchschnittsgehälter laut Bundesstatistik Service (Ende 2009) für
Dagestan im speziellen: 9125.3 RUB/ 326 USD.
Arbeitssuche:
Es gibt verschiedene Wege, in Russland eine Arbeit zu finden. Der staatliche Arbeits- und Beschäftigungsdienst hat unter "Work in Russia": www.trudvsem.ru die erste Online- Datenbank mit Stellenangeboten aus allen Regionen der Föderation eröffnet. Die Datenbank enthält Informationen aus 85 regionalen Arbeitsagenturen und 2500 städtischen Beschäftigungsdiensten. Hauptanliegen dieser Datenquelle ist es, umfassend über die Situation auf dem russischen Arbeitsmarkt zu informieren. Informationen über die individuellen Rechte und Ansprüche von Arbeitnehmern sind ebenfalls formuliert, genauso wie Ratschläge zu professionellem arbeitsrechtlichem Beistand, gesetzlichen Regelungen und Kontaktdaten von regionalen Service- und Beschäftigungszentren. Zum jetzigen Zeitpunkt enthält "Work in Russia" etwa 1000000 freie Stellen. Arbeitsagenturen gibt es in allen Regionen Russlands. Sie bieten Informationen bezüglich der regionalen Arbeitsmarktlage und Angebots- und Nachfragesituation an. Darüber hinaus führen sie professionelle Trainings durch, sind für die Registrierung von Arbeitslosen zuständig und zahlen Arbeitslosenbeihilfen aus. Arbeitssuchende können sich an das regionale Beschäftigungsbüro an ihrem Wohnort wenden.
Für Dagestan ist dies:
Machatschkala 117, Abubakarowa Str., tel.: +7 (8722) 64-27-37, +7 (8722) 64-15-88
www.dagmintrud.ru Arbeitslose, die beim staatlichen Arbeits- und Beschäftigungsdienst gemeldet sind, haben einen Anspruch auf die kostenlose Teilnahme an Trainingskursen zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten. Es gibt private Schulen, Trainingszentren und Institute, bei denen Personen oder ihre Arbeitgeber für das Training bezahlen. Die Kurskosten richten sich nach der Stadt oder Region, sowie dem Unterrichtsfeld.
(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011)
Von den rund 1,7 Millionen Dagestanern im arbeitsfähigen Alter haben nur rund 1,1 Millionen einen Arbeitsplatz. Tausende emigrieren temporär aus den Bergen ins Flachland, um Weideflächen für ihr Vieh zu haben. Chloponin zufolge arbeiten mehr als 40% der Bevölkerung Dagestans im öffentlichen Sektor.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 7, Issue 187, 18.10.2010)
Bildung
In Russland gibt es sowohl staatliche als auch private Bildungseinrichtungen. Jeder russische Staatsbürger hat Anspruch auf kostenlose Bildung. Dieser Anspruch kann an allen staatlichen Bildungseinrichtungen auf allen Ebenen verwirklicht werden (an Hochschulen gibt es ein leistungsbezogenes Auswahlverfahren). Alle Bildungseinrichtungen (darunter auch nicht-staatliche, private Organisationen auf allen Ebenen: Kindergärten, Schulen, Colleges, Universitäten) müssen über eine entsprechende staatliche Lizenz und Akkreditierung verfügen, die sie berechtigt, Zeugnisse und Diplome auszugeben. Viele staatliche Hochschulen haben mittlerweile gebührenpflichtige Fakultäten und Institute.
In der Republik Dagestan gibt es 1 663 Tagesbildungsstätten mit momentan 403 288 Schülern, 6 staatliche Hochschulen mit 33 Filialen, in welchen 104 895 Studenten studieren, und 35 spezialisierte Berufsschulen mit 24 553 Berufsschülern.
(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011)
Medizinische Versorgung
In Dagestan stehen der Bevölkerung 36 zentrale Bezirkskrankenhäuser (3979 Betten), 3 Bezirkskrankenhäuser (215 Betten),102 Lokalkrankenhäuser (1970 Betten), 4 Dorfkrankenhäuser (180 Betten), 5 zentrale Bezirkspolykliniken, 175 ärztliche Ambulanzen und 1076 ambulante Versorgungspunkte zur Verfügung. Spezialisierte medizinische Hilfe erhält man in 10 städtischen und 48 republikanischen Prophylaxe- und Heileinrichtungen. Es gibt 5 Sanatorien für Kinder, 2 Kinderheime, 3 Bluttransfusionseinrichtungen, sowie 7 selbstständige Notdienste und 50 Notdienste, die in andere medizinische Einrichtungen eingegliedert sind. Im Rahmen eines nationalen Projekts wurde die materielle Basis der medizinischen Erstversorgung bedeutend verstärkt. In den Jahren 2007 und 2008 wurden 884 Einheiten medizinischer Ausrüstung im Gesamtwert von RUB 405,5 Millionen nach Dagestan geliefert, darunter 87 Röntgengeräte, 204 Laborausstattungen, 102 Ultraschallgeräte, 214 Endoskopiegeräte, 236 EKG-Geräte, 41 Echografiegeräte und 172 Krankenwagen im Wert von RUB 102 Millionen/ USD 3.2 Millionen).
(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011)
Behandlung nach der Rückkehr
Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige allein deshalb bei ihrer Rückkehr nach Russland staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten.
Zurückkehrende unbegleitete Minderjährige können über die Abteilung für staatliche Jugendpolitik, Erziehung und sozialen Schutz für Kinder des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums der Russischen Föderation in einem Kinderheim untergebracht werden, wenn sich keine Verwandten zur Aufnahme bereit erklären. Die Zuständigkeit liegt bei den Behörden des registrierten Wohnortes des Minderjährigen.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 7.3.2011)
römisch II.3. Beweiswürdigung:
Die Nationalität und Identität der Beschwerdeführerin wurde bereits vom Bundesasylamt aufgrund der Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten zu Recht festgestellt und es ergeben sich auch für den Asylgerichtshof keine diesbezüglichen Zweifel.
Die Feststellungen zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin beruhen auf den übermittelten Unterlagen und ihren diesbezüglichen Angaben im Laufe des Asylverfahrens.
Dass die Beschwerdeführerin in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Strafregisterauskunft vom 17.01.2013.
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihrer Situation in Österreich ergeben sich insbesondere aus den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt, der Beschwerde und den entsprechenden Verwaltungsakten.
Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen von der Beschwerdeführerin nicht in substantiierter Weise entgegen getreten wurde, besteht für den erkennenden Senat kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Georgien zugrunde gelegt werden konnten.
Den von der Beschwerdeführerin behaupteten Fluchtgründen konnte keine Asylrelevanz entnommen werden, dies aus folgenden Erwägungen:
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; 25.11.1999, 98/20/0357, uva.).
Dabei steht die Vernehmung des Beschwerdeführers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Beschwerdeführer gleichbleibende, substantiierte Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und mit den Tatsachen oder allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650).
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist aus folgenden Gründen nicht zu beanstanden: Der erkennende Senat des Asylgerichtshofes kam - wie das Bundesasylamt - nach gesamtheitlicher Würdigung zu dem Schluss, dass die Flucht begründenden Umstände der Beschwerdeführerin bzw. ihre Rückkehrbefürchtungen bereits rechtskräftig als nicht glaubhaft festgestellt wurden und somit nicht den Tatsachen entsprechen. Das Vorbringen rund um die angebliche Bedrohung im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer familiären Situation und die daraus resultierende Verfolgung ihrer Person sowie ihrer Familie stellt lediglich ein gedankliches Konstrukt dar, welches zur Asylerlangung erdacht wurde.
Auf das Wesentliche zusammengefasst erschöpft sich die Verfolgungsbehauptung der Beschwerdeführerin, die sie auch im früheren Verfahren bereits vorbrachte, darin, dass sie im Herkunftsstaat Probleme mit der Polizei gehabt habe, welche sich nach der Ausreise ihres Schwagers und ihrer Schwester nach deren Aufenthaltsort erkundigt und im Falle einer Nichtauskunft mit dem Umbringen gedroht hätte. Im Oktober 2009 sei die Polizei mit Maschinengewehren in das Haus eingedrungen, hätte den Schwager gesucht und von ihm behauptet, er wäre ein Kämpfer. Außerdem habe die Beschwerdeführerin ihren jetzigen georgischen und 2009 zum Islam konvertierten Lebensgefährten (Beschwerdeführer zu D18 408462-3/2012) nach moslemischem Ritus geheiratet und seien ihre Verwandten ebenso wie die Verwandten ihres Lebensgefährten gegen ihre Lebensgemeinschaft, weshalb ihr insbesondere von ihren Onkel mütterlicherseits im Herkunftsstaat gedroht werde. Als neuen Grund brachte sie lediglich vor, dass in der Zwischenzeit auch ihr Sohn zur Welt gekommen sei, mit dem sie im zweiten Verfahren noch schwanger war. Wie bereits das Bundesasylamt ausgeführt hatte, handelt es sich bei diesen von der Beschwerdeführerin geschilderten Gründen für ihre nunmehr dritte Asylantragstellung um Angaben, die bereits dem Grunde nach Gegenstand ihrer Vorverfahren waren und über die somit bereits rechtskräftig negativ entschieden worden ist.
Da ihr nunmehriges Fluchtvorbringen bereits Gegenstand der zuletzt ergangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Entscheidung des Asylgerichtshofes war, war das Vorbringen keiner neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. In Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt ist festzuhalten, dass auch die in diesem Zusammenhang behauptete Gefährdung des am römisch 40 geborenen Sohnes römisch 40 , welche ebenfalls auf die bereits im Erstverfahren nicht glaubhaft erachteten Verfolgungs- und Rückkehrbefürchtungen gestützt wird, gleichfalls in keinster Weise glaubhaft ist, zumal die gesamte im vorhergehenden Verfahren behauptete Verfolgung als unglaubwürdig qualifiziert werden musste. Dem gegenständlichen Antrag - soweit er sich auf Fluchtgründe stützt, die schon vor Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes bestanden haben - steht die Rechtskraft der inhaltlichen Vorentscheidung entgegen.
Es ist ausdrücklich darauf zu verweisen, dass bereits in der rechtskräftigen Entscheidung im zweiten Verfahren der Beschwerdeführerin ausführlich dargelegt wurde, warum das auch im gegenständlichen Verfahren erneut behauptete Vorbringen, wonach die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat durch ihre Onkel wegen der Verehelichung mit einem konvertierten Muslim bedroht werde, aufgrund von zahlreichen Widersprüchen und Ungereimtheiten unglaubwürdig ist. Diesbezüglich ist auch festzuhalten, dass sie im gegenständlichen Verfahren ihr Vorbringen steigern wollte, wonach ihr Lebensgefährte Christ sei, und erst auf Vorhalt ihrer früheren Angaben im zweiten Verfahren bestätigte, dass dieser wegen ihr konvertiert sei.
Die belangte Behörde ist auch hinsichtlich des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin zu Recht davon ausgegangen, dass dieser keine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat Georgien glaubwürdig geltend gemacht hat, da auch er seine nunmehr gegenständliche dritte Asylantragstellung auf Gründe stützte, die bereits Gegenstand seiner Vorverfahren waren und über die somit ebenfalls bereits rechtskräftig negativ entschieden worden ist. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Erkenntnis vom heutigen Tag betreffend den Lebensgefährten (Beschwerdeführer zu D18 408462-3/2012) verwiesen.
Zusammengefasst ist erneut auf den Umstand zu verweisen, dass sowohl die Eheschließung nach islamischen Ritus als auch die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als bereits eine rechtskräftige Ausweisungsentscheidung der Beschwerdeführerin vorlag und der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin selbst angesichts des Verfahrensverlaufes seines Erstverfahrens nicht davon ausgehen konnte, ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erlangen. Diesbezüglich ist auch darauf zu verweisen, dass sich die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich illegal in Österreich aufgehalten und vor den Behörden versteckt gehalten hat. Aufgrund vorzitierter Umstände geht der Asylgerichtshof davon aus, dass bereits die zweite Asylantragstellung sowie die gegenständliche dritte Asylantragstellung vordergründig nur zur Erzwingung des Aufenthaltes in Österreich und einer entsprechenden Legalisierung des Aufenthaltsstatus erfolgte und keinesfalls aus einer aktuellen individuellen Verfolgungsgefahr aus asylrelevanten Gründen.
Im gegenständlichen Verfahren behauptete die Beschwerdeführerin neben ihren bereits im Vorverfahren als unglaubwürdig bewerteten Asylgründen lediglich, dass nunmehr auch der gemeinsame Sohn n zur Welt gekommen sei und es aufgrund der georgischen Staatsangehörigkeit ihres Lebensgefährten und der russischen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin sowie ihres Sohnes zu einer Trennung der Familie im Falle einer Ausweisung, die zielstaatsbezogen erfolge, komme. Ihr Lebensgefährte behauptete zudem, es sei ihnen aufgrund der angespannten Situation zwischen der Russischen Föderation und Georgien weder möglich in Georgien noch in der Russischen Föderation zu leben.
Die Gründe im gegenständlichen Verfahren stützen sich im Wesentlichen auf die bereits als unglaubwürdig behaupteten Fluchtgründe aus den Vorverfahren. Die Behauptung, wonach es eine derart angespannte Situation zwischen der Russischen Föderation und Georgien gibt, dass es der russischen Beschwerdeführerin nicht möglich ist, sich in Georgien niederzulassen, findet zudem keine Grundlage in den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen und den im Rahmen des Verfahrens der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten eingeholten Anfragebeantwortungen hinsichtlich der Aufenthaltsbestimmungen in der Russischen Föderation und in Georgien. Da im Asylverfahren ihres Lebensgefährten ebenfalls keine asylrelevanten Gründe feststellbar gewesen sind, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsland ihres Lebensgefährten eine Verfolgung oder Gefährdung drohen würde.
Im gegenständlichen Fall besteht laut Länderfeststellungen nicht das Problem, dass die Herkunftsstaaten den jeweils anderen Familienangehörigen den Aufenthalt nicht gestatten, wobei in diesem Zusammenhang hervorzuheben ist, dass eine standesamtliche Eheschließung die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung im Herkunftsstaat des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin zweifellos wesentlich vereinfachen würde. Der erkennende Senat gelangt auf Grundlage der unglaubwürdigen Verfolgungsbehauptungen in Verbindung mit den Länderfeststellungen zur Überzeugung, dass es der Familie möglich und zumutbar ist, ihr Familienleben sowohl in Georgien als auch in der Russischen Föderation fortzusetzen. Zudem kann die Familie durch eine gemeinsame freiwillige Ausreise in eines der beiden Herkunftsländer aus eigenem verhindern, durch eine zwangsweise Abschiebung allenfalls (vorübergehend) getrennt zu werden. Es liegt folglich lediglich am Willen und dem Verhalten der Beschwerdeführerin und ihrer Familie, ob überhaupt eine Trennung der Familie eintreten wird. Somit liegt auch kein ungerechtfertigter Eingriff in das Familienleben vor. Hinsichtlich der Ausführungen im Detail betreffend die Ausweisung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie ist auf Punkt römisch II.4.5. im gegenständlichen Erkenntnis zu verweisen.
Aus Sicht des erkennenden Senates versucht die Beschwerdeführerin - ebenso wie ihr Lebensgefährte in dessen Verfahren - mit einer dritten Asylantragstellung - wie auch bereits mit der zweiten Asylantragstellung - neuerlich, den Aufenthalt in Österreich zu legalisieren und einer Ausweisung entgegen zu wirken. Die Beschwerdeführerin und auch ihr Lebensgefährte hatten in ihrem gegenständlichen Asylverfahren erneut auf der Grundlage der bereits ausführlich in den Vorverfahren als nicht glaubwürdig bewerteten Vorbringen eine asylzweckbezogene "Fluchtgeschichte" bzw. Bedrohungssituation ohne jeglichen Wahrheitsgehalt zu konstruieren versucht. Da die Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit nicht in die Russische Föderation zurückgekehrt ist und sie keinen neuen glaubwürdigen Sachverhalt geltend gemacht hat, ist davon auszugehen, dass sich in der Russischen Föderation kein neuer Sachverhalt ergeben hat, über welchen nicht bereits in ihren Vorverfahren rechtskräftig abgesprochen wurde.
Insgesamt gelangt der erkennende Senat daher nach Durchsicht der Einvernahmeprotokolle ebenso wie das Bundesasylamt zur Überzeugung, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder ist. Der Beschwerdeführerin wird eine gefahrlose Rückkehr in die Russische Föderation möglich sein. Auch die Ausführungen in der Beschwerde, die im Wesentlichen lediglich auf die in der Einvernahme dargelegten Fluchtgründe verweisen, konnten der schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nichts in glaubwürdiger Weise entgegensetzen. Die Beschwerdeführerin hat auch keine substantiierten Einwände gegen die Heranziehung der ihr zur Kenntnis gebrachten Informationsquellen erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen großteils von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen.
Im vorliegenden Fall konnten somit durch die Ausführungen der Beschwerdeführerin individuelle Fluchtgründe, wie bereits im Vorverfahren ausführlich begründet, nicht glaubhaft gemacht werden. Das Bundesasylamt ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführerin auch eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. So wäre es ihr sowie ihrem minderjährigen Sohn zweifellos möglich, bei ihrer Tante in Moskau bzw. in der Nähe von Moskau, wo nunmehr auch ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder nach freiwilliger Rückkehr aus Österreich in Folge einer negativen Entscheidung im Asylverfahren leben, ein "neues Leben" zu beginnen. Es ist zweifellos davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin und ihrer Familie eine Niederlassung bei ihrer Tante, welche seit mehreren Monaten in Moskau arbeitet und lebt, sowie bei ihren anderen Verwandten in Moskau, zu denen auch regelmäßiger Kontakt besteht, möglich und zumutbar ist. Es ist davon auszugehen, dass ihre Tante sowie die weiteren Verwandten der Beschwerdeführerin auch bei einer Registrierung behilflich sein könnten, um den Aufenthalt in Moskau auch zu legalisieren.
Zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin wird Folgendes ausgeführt:
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme führte die Beschwerdeführerin befragt nach ihrem Gesundheitszustand aus, dass sie gestresst, ansonsten jedoch gesund sei. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin an keiner außergewöhnlichen oder gar lebensbedrohlichen Krankheit leidet, die gegen eine Rücküberstellung in die Russische Föderation spricht.
Sollte die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr medizinische Versorgung benötigen, wird ihr diese - den Länderfeststellungen zur Medizinischen Versorgung in der Russischen Föderation folgend - in ihrem Herkunftsland jedenfalls zuteil werden. Auch der erkennende Senat kommt daher zu dem Schluss, dass bei einer Rücküberstellung in die Russische Föderation keine Verletzung des Artikel 3, EMRK gegeben wäre.
römisch II.4. Rechtlich folgt daraus:
römisch II.4.1. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008,, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft.
Gemäß Paragraph 23, AsylGHG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 147 aus 2008,, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, nicht Anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß Paragraph 22, Absatz eins, des Artikel 2, des Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008,, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
Gemäß Paragraph 61, Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2009,, entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Absatz 3, oder 3a vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, 51 aus 1991,, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
römisch II.4.2. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß Paragraph 61, Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2009,, von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.
Gemäß Paragraph 73, Absatz eins, AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft und ist gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31. Dezember 2005 noch nicht anhängig waren. Im vorliegenden Verfahren wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 05.01.2012 gestellt, weshalb das AsylG 2005 idgF zur Anwendung gelangt.
römisch II.4.4. Zu Spruchteil römisch eins des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 100 aus 2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12. 2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vergleiche auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 09.03. 1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl vergleiche zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614; 29.3.2001, 2000/20/0539). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der schwere des Eingriffs nur solche Maßnahmen in betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH 16.9.1992, 92/01/0544; 7.10.2003, 92/01/1015 u.a.).
UNHCR betont in seinen Richtlinien zur "Internen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", dass die Frage des Vorliegens einer inländischen Flucht- bzw. Schutzalternative in einem Asylverfahren nicht losgelöst von allen anderen zu prüfen ist und dass das Konzept der inländischen Flucht- bzw. Schutzalternative auch nicht dazu dienen kann, den Zugang zum Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zu verweigern, weil sich diese Frage erst im Zusammenhang mit der inhaltlichen Prüfung eines Asylantrages stellt (HCR/GIP/03/04 v. 23.7.2003, S 2).
Die Prüfung, ob eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vorliegt, erfordert eine Zukunftsprognose dahingehend, ob für den jeweils konkreten Asylwerber im Entscheidungszeitpunkt eine solche
tatsächlich in Frage kommt (= Klärung der Relevanz) und
bejahendenfalls ob diese ihm zumutbar ist (= Klärung der
Zumutbarkeit). Dabei ist zunächst zu klären, ob ein konkretes risikofreies Gebiet existiert, das sich durch Abwesenheit des Verfolgers auszeichnet und dessen Stabilität und Sicherheit von Dauer ist. Weiters ist zu klären, ob ein solches risikofreies Gebiet für den Asylwerber sowohl von innerhalb als auch von außerhalb des Herkunftsstaates in Sicherheit und auf legalem Weg erreichbar ist (= Möglichkeit einer sicheren Rückkehr) und ob das Leben dort für den Asylwerber ohne unangemessene Härten oder Gefahren geführt werden kann. Wenn eine solche inländische Flucht- bzw. Schutzalternative als vorhanden angesehen wird, hat ferner das Entscheidungsorgan nachzuweisen bzw. den Beweis zu erbringen, dass es dem betroffenen Asylwerber in Anbetracht sämtlicher persönlicher Umstände zumutbar wäre, dort Zuflucht zu finden, um nicht länger begründete Furcht vor Verfolgung zu haben vergleiche hierzu auch die o.a. diesbezüglichen UNHCR-Richtlinien v. 23.7.2003, HCR/GIP/03/04).
In Summe erweist sich die von der Beschwerdeführerin behauptete Verfolgung als nicht glaubhaft, wie im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend dargestellt worden ist. Da das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer zielgerichteten Verfolgung ihrer Person unglaubwürdig ist, konnte es auch der rechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde gelegt werden. Andere Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen, sind aus dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich und können auch von Amts wegen nicht festgestellt werden. Der Asylgerichtshof kommt daher zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat weder individuelle Verfolgung - weder unmittelbar von staatlichen Organen noch von "Privatpersonen" - drohte noch aktuelle und konkrete Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd Artikel eins, Abschnitt 1 Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht und konnte eine solche auch nicht von Amts wegen festgestellt werden.
Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass selbst wenn man den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin (teilweise) Glaubwürdigkeit zubilligen würde, so verfügt sie über eine zumutbare inländische Fluchtalternative bei ihrer Tante in bzw. in der Nähe von Moskau, wo auch ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder nach freiwilliger Rückkehr aus Österreich bereits leben. Die Beschwerdeführerin konnte für dieses Gebiet keinerlei Schwierigkeiten glaubhaft darlegen und ist dieses Gebiet für die Beschwerdeführerin auch problemlos erreichbar. Aus diesem Grunde kann in keiner Weise nachvollzogen werden, weshalb der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht eine Niederlassung bei ihrer Tante in Moskau möglich und zumutbar sein soll. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere ihre Tante die Beschwerdeführerin gegebenenfalls unterstützen und bei einer Registrierung behilflich sein könnte.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. war daher abzuweisen.
römisch II.4.5. Zu Spruchteil römisch II. des angefochtenen Bescheides:
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist einem Fremden gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, AsylG 2005 zu verbinden. Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragstellers. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008,, ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 8, AsylG 1997 in Verbindung mit Paragraph 57, FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1293, 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des Paragraph 8, AsylG 1997 (nunmehr: Paragraph 8, Absatz eins, AsylG) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).
Allgemeine Verhältnisse in einem Heimatstaat reichen nicht aus, wohlbegründete Furcht im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, zu begründen (VwGH 29.10.1993, 93/01/0859 betreffend Situation der ungarischen Minderheit). Allgemeine Informationen über die Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin vermögen nichts zu ändern, weil es auch vor dem Hintergrund der allgemeine Verhältnisse immer auf die konkrete Situation des einzelnen Asylwerbers ankommt vergleiche VwGH 11.09.1996, 95/20/0197).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten (oder anderer in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;
21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;
16.4.2002, 2000/20/0131; vergleiche dazu überdies EUGH 17.2.2009, Meki Elgafaj/Noor Elgafaj vs. Staatssecretaris van Justitie, C-465/07, a, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Artikel 15, Litera c, der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 [StatusRL] auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 57, FrG, dies ist nun auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028). Herkunftsstaat ist auch bei der Prüfung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, - oder im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Erachtet die Behörde - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als nicht glaubhaft, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, 95/20/0380). Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Beschwerdeführerin keine sie konkret bedrohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. für eine aktuelle drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe glaubhaft zu machen vermocht, weshalb auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation eine konkret gegen sie gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.
Eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, bzw. Artikel 3, EMRK kann im Falle der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden. Es gibt weder einen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Russische Föderation den in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 umschriebenen Gefahren ausgesetzt wäre, noch hat die Beschwerdeführerin vorgebracht oder ist von Amts wegen hervorgekommen, dass sie an einer lebensbedrohenden Krankheit leiden würde oder liegen Hinweise auf "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung der Beschwerdeführerin unzulässig machen könnten, vor. In der Russischen Föderation besteht auch nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Beschwerdeführerin hat auch keine auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstände" glaubhaft machen können, die ein Abschiebungshindernis bilden könnten.
Für die Russische Föderation kann nicht festgestellt werden, dass in diesem Herkunftsstaat eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 als unrechtmäßig erscheinen ließe. Auch ist kein kennzeichnender Grad willkürlicher Gewalt aufgrund eines bewaffneten Konflikts gegeben, der ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die Beschwerdeführerin bei Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer individuellen Bedrohung des Lebens ausgesetzt zu sein. Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass eine gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, die die Außerlandesschaffung der Beschwerdeführerin im Widerspruch zu Artikel 3, EMRK erscheinen ließe. Die Abschiebung der Beschwerdeführerin würde sie jedenfalls nicht in eine "unmenschliche Lage", wie etwa Hungertod, unzureichende oder gar keine medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens, versetzen.
Die Beschwerdeführerin hatte im gegenständlichen Verfahren keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen behauptet oder durch ärztliche Unterlagen dargelegt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidet und es liegen auch keine "außergewöhnlichen Umstände", die Artikel 3, EMRK verletzen könnten, vor. Sollte die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr dennoch medizinische Versorgung benötigen, wird ihr diese - den Länderfeststellungen zur Medizinischen Versorgung in der Russischen Föderation folgend - in ihrem Herkunftsland jedenfalls zuteil werden. Dabei übersieht der Asylgerichtshof keineswegs, dass die medizinische Versorgung in der Russischen Föderation nicht österreichischen Standards entspricht und aufwändigere Behandlungen allenfalls erst nach privater Bezahlung erfolgen. Nach der Judikatur des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener es Verfassungsgerichtshofes hat jedoch - aus dem Blickwinkel des Artikel 3, EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2004/07 und die darin wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; vom 29.9.2007, B328/07 und B 1150/07; VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).
Vom Vorhandensein entsprechender Behandlungsmöglichkeiten in der Russischen Föderation ist im vorliegenden Fall auszugehen:
Allfällige Schwierigkeiten bei der Gewährleistung einer entsprechenden medizinischen Behandlung in Russland erreichen (insb. angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin auch von ihren in der Russischen Föderation lebenden Verwandten in den verschiedensten Formen unterstützt werden könnte) im vorliegenden Fall die unbestreitbar "hohe Schwelle" des Artikel 3, EMRK, wie sie von der erwähnten Judikatur festgesetzt wird, nicht vergleiche etwa EGMR 2.5.1997, 30.240/96, Fall D. v. Vereinigtes Königreich, wo die Abschiebung eines an AIDS im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts nicht bloß wegen dessen Krankheit, sondern aufgrund des Risikos eines Todes unter äußerst schlimmen Umständen als Verletzung von Artikel 3, EMRK qualifiziert wurde; in anderen Fällen hatte der EGMR keine derart außergewöhnliche Situation angenommen:
vergleiche EGMR 29.6.2004, 7702/04, Fall Salkic ua v. Schweden [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen]; 31.5.2005, 1383/04, Fall Ovdienko v. Finnland [Erkrankung an schwerer Depression mit Suizidgefahr]; 27.9.2005, 17416/05, Fall Hukic v. Schweden [Erkrankung an Down-Syndrom]; 22.6.2004, 17.868/03, Fall Ndangoya v. Schweden [HIV-Infektion]; zuletzt auch zurückhaltend EGMR 27.5.2008, 26.565/05, Fall N. v. Vereinigtes Königreich [AIDS-Erkrankung]).
Eine völlige Perspektivenlosigkeit für die Beschwerdeführerin kann nicht erkannt werden. Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr nach Georgien sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Im gegenständlichen Fall ist nicht feststellbar, dass der arbeitsfähigen Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre. Ferner ist - wie den ausführlichen Länderfeststellungen entnommen werden kann - ein hinreichendes Sozialsystem vorhanden und der Bezug von sozialstaatlichen Leistungen ist gesichert, sodass die in der Beschwerde genannten existentiellen Probleme nicht zu einer Verletzung von Artikel 3, EMKR führen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nicht auf sich alleine gestellt ist, zumal Verwandte und Bekannte nach wie vor im Herkunftsstaat leben, sodass sie und ihre Familie bei der Reintegration im Falle einer Rückkehr unterstützt werden kann.
Es ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es durch die Rückführung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls abzuweisen.
römisch II.4.6. Zu Spruchteil römisch III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG sind Ausweisungen nach Absatz eins, unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Artikel 8, EMRK darstellen würden.
Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
d) der Grad der Integration;
e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
i) die Frage ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 4, AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Absatz eins, Ziffer eins, verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Nach Paragraph 10, Absatz 5, leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Nach Paragraph 10, Absatz 6, leg. cit. bleiben Ausweisungen nach Absatz eins, binnen 18 Monaten ab einer Ausreise aufrecht.
Wird eine Ausweisung durchsetzbar, so gilt sie nach Paragraph 10, Absatz 7, leg. cit. als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 oder Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 38, durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Nach Paragraph 10, Absatz 8, leg. cit. ist mit Erlassung der Ausweisung der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (Paragraph 55 a, FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (Paragraph 46, FPG) hinzuweisen.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist. Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen vergleiche VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).
Eine solche Maßnahme ist in einer demokratischen Gesellschaft dann notwendig, wenn sie einem dringlichen sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Interessen des Staates insbesondere hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik einerseits und die Interessen des betroffenen Ausländers andererseits abzuwägen vergleiche hiezu etwa EGMR U 18.2.1991, Moustaquim vs. Belgium, Nr. 12.313/86). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kommt hierbei folgenden Kriterien besondere Bedeutung zu vergleiche Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 345 f):
Dauer des Aufenthalts (EGMR U , Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86)
Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (EGMR U 8.4.2008, Nnyanzi vs. The United Kingdom, Nr. 21878/06)
Ausmaß der Integration (EGMR U 21.6.1988, Berrehab vs. The Netherlands, Nr. 10.730/84)
Intensität der familiären Beziehungen (EGMR U 2.8.2001, Boultif vs. Switzerland, Nr. 54.273/00)
Konsequenzen bei Beeinträchtigung dieser Bindungen, insbesondere auch bei Kindern (EGMR U 21.6.1988, Berrehab vs. The Netherlands, Nr. 10.730/84) und Behinderten (EGMR U 13.7.1995, Nasri vs. France, Nr. 19.465/92)
Nationalität der involvierten Personen
Möglichkeit das Familienleben anderswo zu führen (EGMR U 2.8.2001, Boultif vs. Switzerland, Nr. 54.273/00)
Vorhersehbarkeit der Maßnahme (E VwGH 27.2.2003, 2002/18/0207)
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).
Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes folglich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, AsylG 2005, idgF, unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen vergleiche VfSlg. 18.224/2007; VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, Sitzung 282ff).
Im vorliegenden Fall lebt die russische Beschwerdeführerin mit ihrem georgischen Lebensgefährten und ihrem gemeinsamen in Österreich geborenen Sohn, der ebenfalls russischer Staatsbürger ist, im gemeinsamen Haushalt. Während die Beschwerdeführerin und ihr Sohn mit Erkenntnisse vom heutigen Tag in die Russische Föderation ausgewiesen werden, erfolgt die Ausweisung ihres Lebensgefährten mit Erkenntnis vom heutigen Tag nach Georgien. Diesbezüglich ist erneut darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Lebensgefährten und Vater ihres Sohnes, den sie erst in Österreich kennengelernt hatte, nach islamischem Ritus, nicht jedoch standesamtlich, verheiratet ist und sie diese Lebensgemeinschaft bzw. Ehe nach islamischem Ritus nach rechtskräftiger Entscheidung ihres ersten Asylantrages eingegangen war. Auch ihr Lebensgefährte hatte angesichts des Verfahrenslaufes seines Erstverfahrens und einer zum Zeitpunkt der moslemischen Trauung am römisch 40 bereits negativen (erstinstanzlichen) Ausweisungsentscheidung ebenfalls nicht von einer berechtigten Erwartung ausgehen können, ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erlangen. Unter Berücksichtigung der eben genannten Ausgangslage ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin und ihr jetziger Lebensgefährte ein im Sinne des Artikel 8, EMRK relevantes Familienleben zu einem Zeitpunkt und in Kenntnis ihres mehr als unsicheren Aufenthaltsstatus sowie in dem Bewusstsein, dass ein gemeinsames Familienleben in Österreich nur ein vorübergehendes sein wird, eingegangen sind. Durch die Ausweisung des Lebensgefährten nach Georgien wird die Familie jedenfalls getrennt - soferne die Familie nicht freiwillig gemeinsam ausreist, sodass im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin vorliegt.
Artikel 8 EMRK gewährt nicht ohne weiteres ein Ausweisungshindernis für ausländische Familienangehörige unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, die - gegebenenfalls auch nur einer von ihnen - kein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet haben, weil die Herkunftsstaaten dem jeweils anderen Partner den Aufenthalt nicht gestatten; es obliegt den Fremden/Antragstellern, die Familienzusammenführung im Herkunftsstaat durchzusetzen vergleiche Beschluss vom 4.11.2004 - 11A 2446/02.A - OVG NRW). Die Republik Österreich kann nicht ohne weiteres aufgrund des Artikel 8, EMRK verpflichtet sein, ausländischen Ehepartnern bzw. Lebensgefährten und Familienangehörigen verschiedener Staatsangehörigkeit, von denen nur einer ein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet hat oder sämtliche Beteiligte ausreisepflichtig sind, das Führen des angeblichen Familienlebens in Österreich auf Dauer zu ermöglichen, indem zumindest von einer Abschiebung abgesehen wird.
Im Fall Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung einer ugandischen Asylwerberin aus dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK als zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin, die erfolglos Asyl begehrt hatte, in der Zwischenzeit bereits fast 10 Jahre in Großbritannien aufhältig gewesen war: Ihrem Hinweis auf ihr zwischenzeitlich begründetes Privatleben, nämlich dass sie sich mittlerweile an einer Kirchengemeinschaft beteiligt habe, berufstätig geworden und eine Beziehung zu einem Mann entstanden sei, hielt der Gerichtshof entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Einwanderin und ihr vom belangten Staat nie ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen, weshalb ihre Abschiebung nach Abweisung dieser Anträge durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig werde (EGMR 8.4.2008, 21.878/06, NL 2008, 86, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich).
Im Fall Omoregie u.a. gegen Norwegen, der die Ausweisung eines ehemaligen (nigerianischen) Asylwerbers betraf, erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls keine Verletzung von Artikel 8, EMRK, obwohl der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens eine Lebensgemeinschaft mit einer norwegischen Staatsangehörigen gegründet hatte und Vater einer gemeinsamen Tochter geworden war, da sich der Beschwerdeführer, der seine Lebensgefährtin (nach Abweisung des Asylantrages) geehelicht hatte, über die Unsicherheit seines fremdenrechtlichen Aufenthaltsstatus in Norwegen bereits zu Beginn der Beziehung im Klaren sein habe müssen (EGMR 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen). In derartigen Fällen könne die Ausweisung eines Fremden nach Ansicht des Gerichtshofes (wie er im Fall da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande hervorhob) nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Artikel 8, EMRK darstellen (EGMR 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande mwN).
Unter Berufung auf diese Judikatur hatte der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 18.224/2007 keine Bedenken gegen die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen trotz seines 11-jährigen Aufenthaltes, da sich der Aufenthalt (zunächst) auf ein für Studienzwecke beschränktes Aufenthaltsrecht gegründet hatte und vom Beschwerdeführer nach zwei Scheinehen schließlich durch offenkundig aussichtslose bzw. unzulässige Asylanträge verlängert wurde.
Keine Verletzung von Artikel 8, EMRK erblickte auch der Verwaltungsgerichtshof in der Ausweisung eines ukrainischen (ehemaligen) Asylwerbers, der im Laufe seines rund sechseinhalbjährigen Aufenthaltes durch den Erwerb der deutschen Sprache, eines großen Freundeskreises sowie der Ausübung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen (sowie mit seiner Unbescholtenheit) seine Integration unter Beweis gestellt hatte, da - wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausführte - die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der "auf einem (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag" gegründet gewesen sei (VwGH 8.7.2009, 2008/21/0533; vergleiche auch VwGH 22.1.2009, 2008/21/0654). Auch die Ausweisung eines unbescholtenen nigerianischen (ehemaligen) Asylwerbers, der beinahe während seines gesamten und mehr als 9-jährigen Aufenthaltes in Österreich einer legalen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, über sehr gute Deutschkenntnisse verfügte und nie öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hatte, beanstandete der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Artikel 8, EMRK nicht, wobei er auch dem Argument des Beschwerdeführers, dass über seine Berufung in seinem Asylverfahren ohne sein Verschulden erst nach 7 Jahren entschieden worden war, keine entscheidende Bedeutung zugestand: Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass der Fremde spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages - auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollte - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen habe müssen (VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085). Keine außergewöhnlichen Umstände iSd Artikel 8, EMRK, die es unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen, erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Ausweisung eines (ehemaligen) chinesischen Asylwerbers, der in den letzten 7 Jahren seines rund achteinhalb Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen war und über eine österreichische Lebensgefährtin verfügte (VwGH 29.6.2010, 2010/18/0209; vergleiche ähnlich auch VwGH 13.4.2010, 2010/18/0087). Zum selben Ergebnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof bei der Ausweisung eines georgischen (ehemaligen) Asylwerbers, der sich schon fast 8 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, über gute Deutsch-Kenntnisse verfügte und selbständig erwerbstätig war: Der Verwaltungsgerichtshof wies darauf hin, dass eine Reintegration des Beschwerdeführers (nicht zuletzt auch aufgrund seines Schulbesuchs in seiner Heimat) trotz behaupteter Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche in Georgien weder unmöglich noch unzumutbar erscheine (VwGH 6.7.2010, 2010/22/0081).
Im gegenständlichen Fall besteht jedoch nicht einmal das Problem, dass die Herkunftsstaaten den jeweils anderen Familienangehörigen den Aufenthalt nicht gestatten. Wie den Feststellungen in den Bescheiden der Beschwerdeführerin und ihres Lebensfährten vom 29. August 2012 (Zahlen 12 00.189-BAT und 12 00.188-BAT), insbesondere den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation bezüglich des Staatsbürgerschaftswesens / Einreisebestimmungen sowie Aufenthaltstitel für Ausländer in der Russischen Föderation und in Georgien (die relevanten Teile sind auch in den Länderfeststellungen im gegenständlichen Erkenntnis wiedergegeben) zu entnehmen ist, besteht im vorliegenden Fall nicht das Problem, dass die Herkunftsstaaten den jeweils anderen Familienangehörigen den Aufenthalt nicht gestatten. In diesem Zusammenhang ist lediglich der Vollständigkeit halber darauf zu verweisen, dass eine standesamtliche Eheschließung die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung im Herkunftsstaat des Lebensgefährten (und vice versa) wesentlich vereinfachen würde.
Laut Gesetz "Über den Rechtsstatus ausländischer Bürger in der Russischen Föderation" werden drei Kategorien des erlaubten Aufenthaltes genannt: Gemäß Artikel 6, AusländerG erhält ein ausländischer Bürger die Erlaubnis zum zeitweiligen Wohnsitz für maximal drei Jahre, dieser Aufenthalt soll im Rahmen einer jährlich durch die Regierung bestimmten Quote erteilt werden. Bei bestimmten Personenkreisen wie Ausländern, die früher die sowjetische Staatsangehörigkeit hatten oder bei Ausländern, die mit einem auf dem Territorium der Russischen Föderation lebenden russischen Staatsbürger verheiratet sind, sowie bei bestimmten ausländischen Investoren kann auch ohne Quote über die Erlaubnis zum zeitweiligen Wohnsitz entschieden werden. Laut Artikel 8, AusländerG kann der ständige Wohnsitz in der russischen Föderation beantragt werden, soweit der betreffende Ausländer mindestens ein Jahr auf der Grundlage eines zeitweiligen Wohnsitzes in Russland gelebt hat. Der ständige Wohnsitz wird für fünf Jahre erteilt und kann beliebig oft verlängert werden. Der Ausländer genießt dann die Erlaubnis der freien Ein- und Ausreise sowie unbeschränktes und territorial unbegrenztes Arbeitsrecht. Ein Ausländer ist verpflichtet, sich innerhalb von drei Arbeitstagen nach Ankunft am Zielort in der Russischen Föderation registrieren zu lassen. Für die Registrierung ist nun fast ausschließlich die jeweilige Behörde für innere Angelegenheiten zuständig.
Es ist somit davon auszugehen, dass es dem aus Georgien stammenden Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, der zudem bereits in der Vergangenheit längere Zeit in der Russischen Föderation aufhältig gewesen ist, möglich sein wird, eine Aufenthaltsberechtigung im Herkunftsstaat der Lebensgefährtin und seines Sohnes zu erlangen. Die Beschwerdeführerin verfügt auch noch über Verwandte in Moskau, wo auch ihre Mutter und ihr Bruder derzeit leben, und diese werden die Beschwerdeführerin, ihren Lebensgefährten und das gemeinsame Kind bei einer eventuellen Rückkehr auch unterstützen können, sollte die Beschwerdeführer nicht nach Dagestan, wo sie ebenfalls über Verwandte verfügt, zurückkehren wollen.
Ähnliches gilt auch für den Herkunftsstaat des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin. Laut Artikel 47, 1 der Verfassung Georgiens sollen ausländische Staatsbürger und staatenlose Personen, die in Georgien leben, mit Ausnahme der in der Verfassung und den Gesetzen vorgesehenen Ausnahmen, die gleichen Rechte und Verpflichtungen haben, wie georgische Staatsbürger. Staatsbürger der Russischen Föderation können Georgien auf Basis eines Visums betreten. Es gibt zwei Arten von Aufenthaltsgenehmigungen in Georgien, eine befristete und eine dauerhafte. Eine Aufenthaltsbewilligung wird von der zuständigen Agentur des georgischen Justizministeriums ausgestellt. Jeder Fremde (so auch russische Staatsbürger) können eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie die Anforderungen erfüllen. Laut des "B" Unterpunktes des 20. Artikels des Gesetzes Georgiens "über die Rechtslage der Ausländer" kann dem Ehepartner, den Eltern, Kind, Enkel, Adoptiveltern, Adoptivkind, der Schwester, dem Bruder, den Großeltern des Bürgers Georgiens die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt werden. Falls es laut des oben erwähnten Artikels des Gesetzes Georgiens "über die Rechtslage der Ausländer" bestimmte eine der Grundlagen und die im Brief angegebenen Umstände (Registrierte Ehe des Ausländers/in mit dem Bürger/in Georgiens, Feststellung der Vaterschaft des Kindes (Bürger Georgiens), das in der nicht registrierten Ehe geboren wurde) gibt, hat der Ausländer/in für die Erhaltung der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung im Justizministerium Georgiens laut des 6. Artikels der mit dem Befehl vom 28.06.2006 ?400 bestätigte Verordnung des Präsidenten Georgiens "über Verhandlung der Fragen der Aufenthaltsgenehmigung in Georgien" gewisse Dokumentation vorzulegen.
Wenn behauptet wird, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat aufgrund seiner Erkrankungen nicht seine Familie versorgen könne, ist diesbezüglich auszuführen, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ein (abgesehen von den psychischen Erkrankungen) gesunder und arbeitsfähiger junger Mann ist, der auch vor seiner Ausreise aus Georgien seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte und davon auszugehen ist, dass er - gegebenenfalls mit der Unterstützung von Verwandten und Freunden - in der Lage sein wird, bei seiner Rückkehr den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten und diesen "Unterkunft und die nötigen Mittel um die Bedürfnisse der vereinten Familie zu befriedigen" bieten wird können.
Der erkennende Senat gelangt daher zu der Überzeugung, dass es der Familie möglich und zumutbar ist, ihr Familienleben sowohl in der Russischen Föderation als auch in Georgien fortzusetzen. Zudem kann die Familie durch eine gemeinsame freiwillige Ausreise in eines der beiden Herkunftsländer aus eigenem verhindern, durch eine zwangsweise Abschiebung allenfalls (vorübergehend) getrennt zu werden. Es liegt folglich lediglich am Willen und dem Verhalten der Beschwerdeführerin und ihrer Familie, ob überhaupt eine Trennung der Familie eintreten wird. Somit liegt auch kein ungerechtfertigter Eingriff in das Familienleben vor.
Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich auch über eine Schwester verfügt, die anerkannter Flüchtling ist, und mit ihren vier Kindern im Bundesgebiet lebt. Zu diesen Angehörigen wird auf folgende Judikatur des EGMR verwiesen: Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd. Artikel 8, MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich). Im Lichte dieser Kriterien liegt offensichtlich kein Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin vor. Während der bisherigen Asylverfahren wurde ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Schwester sowie deren Kindern, das über die üblichen Beziehungen zwischen Angehörigen hinausgeht, nicht behauptet und ein solches ergibt sich auch nicht aus den Akten. Angesichts der zitierten Judikatur ist ein besonderes Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis nicht fassbar. So wurde weder eine finanzielle Abhängigkeit geltend gemacht und ist eine solche auch nicht erkennbar, da die Familie der Beschwerdeführerin mit Hilfe der Grundversorgung in Österreich den Lebensunterhalt bestreitet. Die Beschwerdeführerin lebt auch mit besagten Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt. Mangels Anhaltspunkten für irgendeine Form einer besonderen Abhängigkeit war ein relevanter Eingriff iSd. Artikel 8, MRK auszuschließen und bedarf es keiner Abwägung im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK.
Ist im gegenständlichen Fall ein ungerechtfertigter Eingriff in das Familienleben zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung in das Privatleben der Beschwerdeführerin eingriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist (Artikel 8, Absatz 2, EMRK).
Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche EGMR 8.4.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251, uva.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190). Das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden ist bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen (VfGH 17.03.2005, G 78/04).
Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und Verfassungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen vergleiche VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/ Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, Sitzung 282ff).
Geht man in vorliegendem Fall in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt von einem bestehenden Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich aus, fällt die gebotene Abwägung nach Ansicht des Asylgerichtshofes zu Lasten der Beschwerdeführerin aus und stellt die Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK dar.
Die Beschwerdeführerin reiste mit einem Schengenvisum im März 2010 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und hatte am 21.04.2010 ihren ersten letztlich unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Sie verfügt über keine intensiven Bindungen, worauf schon ihre kurze Aufenthaltsdauer in Österreich von knapp 3 Jahren hindeutet vergleiche VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, "...der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte..." und zu diesem Erkenntnis: Gruber, "Bleiberecht" und Artikel 8, EMRK, in Festgabe zum
80. Geburtstag von Rudolf Machacek und Franz Matscher (2008) 166, "...Es wird im Ergebnis bei einer solchen (zu kurzen) Aufenthaltsdauer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Bindung zum Aufenthaltsstaat' als nicht erforderlich gesehen...".).
Selbst wenn die Beschwerdeführerin in den knapp 3 Jahren ihres Aufenthaltes zweifellos persönliche Interessen an einem weiteren Verbleib im österreichischen Bundesgebiet entwickelt hat, so sind diese Interessen in ihrem Gewicht maßgeblich dadurch gemindert, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich aufgrund ihrer insgesamt drei gestellten Asylanträge, die sich alle als unbegründet erwiesen haben, nicht illegal war. Die Beschwerdeführerin musste sich im Laufe ihres Aufenthaltes in Österreich bewusst sein, dass ihr Aufenthalt "unsicher" und lediglich auf die Dauer des Verfahrens beschränkt war und ein weiterer Verbleib nach Beendigung des Verfahrens vom Erfolg ihres Antrages abhängen würde. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die durch eine soziale Integration erworbenen Interessen an einem Verbleib in Österreich in ihrem Gewicht gemindert sind, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine Ausweisung nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Artikel 8, EMRK vergleiche VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN). Die Beschwerdeführerin musste gemäß der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung spätestens seit der erstinstanzlichen Abweisung ihres ersten Asylantrages im Juli 2010 (mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 22.07.2010, FZ. 10 03.437-BAT) ihren zukünftigen Aufenthalt als nicht gesichert erachtet haben; sie konnte somit bereits rund vier Monate nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet nicht (mehr) darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können vergleiche VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085).
Eine allein den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerung konnte demgegenüber absolut nicht festgestellt werden, es ist vielmehr festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin durch ihr unglaubwürdiges Vorbringen, ihr beharrliches Verbleiben im Bundesgebiet und insbesondere durch ihre insgesamt dreimalige unbegründete Asylantragstellung, maßgeblich zur Länge des gesamten Verfahrens beigetragen hat. Die Beschwerdeführerin ist insbesondere trotz rechtskräftig verfügter Ausweisungen nicht ins Heimatland zurückgekehrt.
Die Beschwerdeführerin behauptet lediglich, Deutschkurse besucht zu haben, diesbezüglich wurden jedoch keine Bestätigungen in Vorlage gebracht. Eine Mitgliedschaft in Vereinen oder gemeinnützige Arbeiten wurde nicht dargelegt. Die Beschwerdeführerin ist am Arbeitsmarkt nicht integriert, hat während ihres Aufenthaltes in Österreich über weite Strecken Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch genommen und ist auf fremde Unterstützungsleistungen angewiesen gewesen (siehe etwa den im Akt befindlichen GVS-Auszug). Von einer gelungenen und nachhaltigen Integration kann somit trotz erwähnter Integrationsmaßnahmen und gewisser behaupteter sozialer Anknüpfungspunkte insbesondere deshalb nicht ausgegangen werden, weil diese schon deshalb zu relativieren sind, da der Beschwerdeführerin die Unsicherheit des Aufenthaltes zumindest seit dem erstinstanzlichen negativen Bescheid im Juli 2010 bewusst sein musste vergleiche VwGH 25.2.2010, 2009/21/0187). Diese Entscheidung hat sie selbst nach Ablehnung der Beschwerde durch den Asylgerichtshof nicht akzeptiert und so waren ihr die bisherige Integration und ihr Verbleib im Bundesgebiet nur durch das Stellen zweiter weiterer letztlich ebenfalls erfolgloser Asylanträge möglich.
Vergleicht man im Hinblick auf den Spruchpunkt römisch III. den vorliegenden Sachverhalt mit jenen Fällen, in denen der Asylgerichtshof in jüngerer Zeit die Unzulässigkeit der Ausweisung auf Dauer ausgesprochen hat, so sind deutliche Unterschiede in den maßgeblichen Sachverhaltselementen unübersehbar: Anders als etwa im Verfahren zu D18 306067-2/2008, in dem der Beschwerdeführer bereits seit Juni 2008 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr bezieht, sondern den Unterhalt für sich und seine Familie aus Eigenem bestreitet und sich darüber hinaus mit seiner ganzen Familie bestens integriert hat, ist im Fall der Beschwerdeführerin (und der Mitglieder ihrer Kernfamilie) keine vergleichbare außergewöhnliche Integration erkennbar und ist sie überdies nicht selbsterhaltungsfähig. Verwandte und Bekannte von ihr befinden sich zudem nach wie vor in der Heimat.
Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in seiner Entscheidungen zur Ausweisung eines kosovarischen (ehemaligen) Asylwerbers keine Verletzung von Artikel 8, EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vergleiche ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).
Der Asylgerichtshof kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der Beschwerdeführerin, die im Herkunftsstaat auch bisher mit Unterstützung ihrer Verwandten ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte, erkennen: Die Beschwerdeführerin beherrscht nach wie vor die russische und awarische Sprache, sodass auch ihre Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Zudem hat sie den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Russischen Föderation verbracht; auch leben Verwandte der Beschwerdeführerin nach wie vor in verschiedenen Regionen der Russischen Föderation. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ihrem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würde. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in der Russischen Föderation - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden Grund) für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen vergleiche VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).
Angesichts der in ihrem Gewicht erheblich geminderten Gesamtinteressen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des erkennenden Senates die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf vergleiche dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07). Die Ausweisung ist daher aus dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zulässig. Weiters ergaben sich auch keine begründeten Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in ihrer Person liegen und die nicht von Dauer sind, Artikel 3, EMRK verletzen könnte. Die vorliegende Ausweisungsentscheidung steht zudem einem legalen Aufenthalt unter Beachtung der allgemeinen aufenthalts- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen bzw. einem humanitären Aufenthalt nicht entgegen (siehe idS VfGH 12.6.2010, U 614/10).
römisch II.4.5. Im vorliegenden Verfahren brachte die Beschwerdeführerin nicht vor, an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden. Für den Asylgerichtshof besteht kein Anlass, zumal von der Beschwerdeführerin auch nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde, daran zu zweifeln, dass sie an keiner Artikel 3, EMRK relevanten Erkrankung leidet bzw. dass keine iSd Artikel 3, EMRK "außergewöhnlichen Umstände" vorliegen, welche einer Abschiebung entgegenstünden, weshalb nicht davon ausgegangen wird, dass auf Grund ihrer Rückkehr in die Russische Föderation ihr Gesundheitszustand existenzbedrohend beeinträchtigt wird; auch die Abschiebung selbst bedeutet keine Verletzung von Artikel 3, EMRK. Weiters ergaben sich auch keine begründeten Hinweise darauf, dass die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in ihrer Person liegen und die nicht von Dauer sind, Artikel 3, EMRK verletzen könnte.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides ebenfalls abzuweisen.
römisch II.4.6. Gemäß Paragraph 41, Absatz 7, AsylG hat der Asylgerichtshof Paragraph 67 d, AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. römisch II Absatz 2, lit. D Ziffer 43 a, EGVG war der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533; 12.06.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe der Beschwerdeführerin. Auch wird in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid den seitens der Behörde erster Instanz getätigten beweiswürdigenden Ausführungen in nicht substantiierter Weise entgegengetreten, sodass eine Verhandlung zur Klärung notwendig gewesen wäre.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.