Asylgerichtshof
23.04.2012
C4 417977-1/2011
C4 417.977-1/2011/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Schlaffer als Vorsitzenden und die Richterin Mag. van Best-Obregon als Beisitzer über die Beschwerde des römisch 40 auch römisch 40 alias römisch 40 alias römisch 40 , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.02.2011, Zahl: 10 09.890-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.01.2012 zu Recht erkannt:
1.) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, des Asylgesetzes 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr.100 aus 2005,, idgF (AsylG) hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. als unbegründet abgewiesen.
2.) Die Beschwerde von römisch 40 auch römisch 40 alias römisch 40 vom 22.2.2011 betreffend Spruchpunkt römisch II. wird gemäß Paragraph 8, Absatz eins, des Asylgesetzes 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, idgF (AsylG) stattgegeben und römisch 40 auch
römisch 40 alias römisch 40 wird der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
3.) Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird römisch 40 auch römisch 40 alias römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 23.4.2013 erteilt.
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 21.10.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde hiezu am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab er im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:
Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, da die Taliban seinen Vater umgebracht hätten. Sie würden auch ihn umbringen. Sein Vater habe mit Europäern und Amerikanern zusammengearbeitet. Deswegen hätten sie ihn umgebracht und wollte seine Familie auslöschen. Seinen Bruder hätten die Taliban von zu Hause abgeholt und hätten ihn mitgenommen, seitdem habe er nichts mehr von ihm gehört. Sie hätten den Beschwerdeführer eingesperrt und sieben Monate lang gefangen gehalten. Am Anfang hätten sie ihn geschlagen, nach einer Weile habe er Ruhe gehabt, da sein Onkel Beziehungen zu den Taliban habe. Der Beschwerdeführer sei nur deswegen aus der Gefangenschaft frei gekommen, da sein Onkel so gute Beziehungen zu den Taliban gehabt habe. Sein Onkel habe den Taliban 60.000 Dollar für seine Freilassung bezahlt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass die Taliban ihn umbrächten. Sein Onkel habe dem Schlepper 25.000 Dollar bezahlt, woraufhin der Beschwerdeführer von einem ihm unbekannten Mann mit einem PKW von der Stadt Kandahar abgeholt worden sei. Der Beschwerdeführer habe Kandahar vor ca. sieben Monaten verlassen. Am 15.10.2010 sei er in das Bundesgebiet gelangt.
Am 28.10.2010 wurde der Beschwerdeführer seitens des Bundesasylamtes einvernommen, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:
Der Beschwerdeführer habe nur die Koranschule besucht, Ausbildung habe er keine gemacht. Nachdem sein Vater getötet worden sei, habe der Beschwerdeführer bei seinem Bruder in Kabul gelebt. Der Bruder habe bei den Deutschen und den Engländern gearbeitet. Alles was der Beschwerdeführer bisher gesagt habe, sei die Wahrheit. Es gebe nichts zu ergänzen. Er könne nicht beweisen, dass er 16 Jahre alt sei, er wisse nicht, ob es von ihm Dokumente gebe. In der Folge erklärte sich der Beschwerdeführer damit einverstanden, dass sein Alter wissenschaftlich überprüft werde.
Im gerichtsmedizinischen Gutachten vom 23.11.2010 wurde festgehalten, dass sich beim Beschwerdeführer auf Basis der Ergebnisse der körperlichen, zahnärztlichen und radiologischen Untersuchung unter Berücksichtigung der entsprechenden wissenschaftlichen Referenzstudien und Schwankungsbreiten sowie oben genannter Kriterien ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 19 Jahre ergebe. Das wahrscheinlichste chronologische Alter liege über diesem Mindestalter. Das zum Zeitpunkt der Untersuchung geltend gemachte Alter von 16 Jahren könne auf Grund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht ausgeschlossen werden.
Am 30.11.2010 wurde der Beschwerdeführer neuerlich seitens des Bundesasylamtes einvernommen und ihm das gerichtsmedizinische Gutachten vorgehalten. Hiezu gab der Beschwerdeführer an, dass er dazu nichts sagen könne. Das Alter, das er angegeben habe, habe er von seinen Eltern. Beweismittel hinsichtlich seines Alters habe er nicht. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass er im weiteren Verfahren als volljährig gelte, wozu weder er noch sein damaliger Rechtsberater eine Stellungnahme abgeben wollten.
Am 29.12.2010 wurde der Beschwerdeführer seitens des Bundesasylamtes neuerlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:
Er habe im bisherigen Verfahren wahre Angaben getätigt. Als Beweismittel lege er zwei Identitätsausweise des Camp römisch 40 vor, denen zu entnehmen sei, dass sein Bruder und er dort gearbeitet hätten. Zu seinem Ausweis gebe er an, dass der italienische Kommandant seinen Vornamen einfach auf römisch 40 geändert habe. Der Onkel eines Afghanen, den er in Traiskirchen kennengelernt habe, sei in Afghanistan gewesen und er habe diese Dokumente für ihn besorgt. Der Beschwerdeführer habe ihm die Adresse seines Onkels gegeben und er habe die Ausweise dort geholt. Dann habe er sie dem Beschwerdeführer aus Wien geschickt. Ein Hazara, den er nicht kenne, habe ihm diese Dokumente nach Graz gebracht. Er habe dafür 200 Euro bezahlen müssen. Die Dokumente seien bei seinem Onkel römisch 40 in Kabul, römisch 40 , abgeholt worden. Weiter befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater Ingenieur gewesen sei und mit den Engländern und Amerikanern gearbeitet habe. Ende 2006 sei er von den Taliban aufgehalten und ermordet worden. Seine Mutter sei vor eineinhalb Monaten von den Feinden seines Vaters in Kandahar ermordet worden. Sein Bruder römisch 40 sei im Jahr 2009 auf der Strecke von Kabul nach Kandahar verschollen. Höchstwahrscheinlich sei er auch umgebracht worden. Er habe weder einen Pass noch einen anderen Ausweis besessen. In Österreich gebe es niemanden, der seine Identität bezeugen könne. Gefragt, wie seine korrekten Personaldaten lauteten, er habe sich einmal als römisch 40 und einmal als römisch 40 ausgegeben, gab er an, sein Familienname sei römisch 40 , sein Vorname sei römisch 40 und römisch 40 sei der Name seines Großvaters. Er sei am römisch 40 geboren. Das habe ihm seine Mutter gesagt. Befragt, weshalb er das abendländische Datum so exakt nennen könne, gab er an, ein Afghane habe es ihm umgerechnet. Aufgefordert, sein Geburtsdatum in Shamsi zu nennen, gab er an, er wisse nur das abendländische Datum das Afghanische kenne er nicht. Über Vorhalt, dass seine Mutter ihm sicher nicht das abendländische Datum genannt haben werde, wie der Afghane sein Geburtsdatum habe umrechnen können, wenn der Beschwerdeführer selbst das afghanische Datum nicht nennen könne, gab er an, seine Mutter habe ihm nur gesagt, dass er 16 Jahre alt sei und der Afghane habe daraufhin sein Geburtsdatum ausgerechnet. Befragt, wann und wo diese Umrechnung erfolgt sei, gab er an, dass das vor etwa sieben Monaten in Kandahar gewesen sei. Er habe im Jahr 2007 für die Italiener gearbeitet. Als sein Vater gestorben sei, habe seine Mutter ihn nach Kabul geschickt, wo er etwa zehn Monate für die Italiener gearbeitet habe. Über Vorhalt, dass das Foto auf dem Ausweis sicherlich keinen Dreizehnjährigen zeige, gab er an, er wisse es auch nicht, er habe seine Mutter gefragt. Über Vorhalt, dass das erstellte Altersgutachten ebenfalls ergeben habe, dass er mindestens 19 Jahre alt sei, gab er an, er akzeptiere das. Wenn der Arzt sage, dass er so alt sei, müsse es wohl so sein. Der Arzt habe zu ihm nach der Untersuchung gesagt, dass er am römisch 40 geboren sei. Der Beschwerdeführer sei in Kandahar geboren und habe zuerst dort gelebt. Im Jahr 2006 sei sein Vater getötet worden, daraufhin sei er nach Kabul zu seinem Onkel gezogen. Bei seinem Onkel habe er bis zu seiner Fahrt nach Kandahar, auf der er von Taliban verschleppt worden sei, gelebt. Nach seiner Freilassung sei er von Kandahar weg geflüchtet. Befragt nach seinen Flucht- und Asylgründen gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater mit den Engländern gearbeitet habe. Man habe ihn im Jahr 2006 umgebracht. Für den Beschwerdeführer sei es in Kandahar gefährlich geworden und daher habe ihn seine Mutter nach Kabul geschickt, damit die Feinde seines Vaters ihm nichts tun könnten. Der Beschwerdeführer sei in Kabul zur römisch 40 gegangen und nach einiger Zeit sei es auch dort für ihn gefährlich geworden. Er habe sich im Haus seines Onkels eine Zeit lang versteckt gehalten. Sein Bruder sei auch auf dem Weg von Kabul nach Kandahar verschollen. Seine Mutter habe gewollt, dass der Beschwerdeführer nach Kandahar zurück komme. Unterwegs dorthin sei der Beschwerdeführer von Taliban festgenommen worden, sieben Monate misshandelt und geschlagen worden. Er habe Spuren davon an seinen Füßen. Man habe einen Dolmetscher vor seinen Augen hingerichtet. Der Beschwerdeführer sei heute deshalb noch ängstlich und könne nicht schlafen. Sein Onkel habe 60.000 Dollar bezahlt, damit der Beschwerdeführer frei komme. Der Beschwerdeführer sei daraufhin nach Europa geflohen. Befragt gab er an, dass sein Vater Ingenieur gewesen sei und Bürocontainer aufgestellt habe. Er habe einen Vertrag mit den Amerikanern gehabt. Befragt, wie sein Vater ermordet worden sei, gab er an, dass sein Vater nach Kandahar unterwegs gewesen sei. Sein Fahrzeug sei angehalten worden und man habe ihn erschossen. Mehr wisse er darüber nicht. Befragt, wie seine Mutter ums Leben gekommen sei, führte er aus, die Feinde seines Vaters hätten seine Mutter erschossen. Seine dreizehnjährige Schwester sei seither verschwunden. Seine Mutter sei von den Panjiria getötet worden. Das sei vor nunmehr eineinhalb Monaten gewesen. Sein Onkel habe den Beschwerdeführer angerufen und ihm gesagt, dass seine Mutter getötet worden sei. Mehr wisse er darüber nicht. Als er diese Nachricht erhalten habe, sei er zusammengebrochen und man habe ihn ins Krankenhaus gebracht. Befragt über die Feinde seines Vaters gab er an, diese Feindschaft bestehe seit der Tailbanzeit. Er wisse nicht weshalb. Befragt, welche Tätigkeit er selbst für die Italiener ausgeübt habe, gab er an, er habe für die Italiener Rolex Uhren, Teppiche und Stiefel verkauft. Nachgefragt gab er an, dass er nicht für die Italiener verkauft habe, sondern dass er an Italiener verkauft habe. Sie hätten bei ihm angerufen, dann sei er ins Camp gegangen und sie hätten von ihm gekauft. Es habe dort auch einen Sonntagsbazar gegeben, wo er seine Sachen verkauft habe. Über Vorhalt, dass er demnach nicht für die römisch 40 gearbeitet habe, sondern er lediglich das Zutrittsrecht zum Camp gehabt habe, führte er aus, er habe dort auch gedolmetscht. Befragt, für wen genau er gedolmetscht habe, gab er an, es seien Italiener vom Sicherheitsdienst in Zivil gewesen, die auch mit Zivilfahrzeugen gefahren seien. Sie hätten nach Taliban gefahndet und Leute verhaftet. Für diese habe er gedolmetscht. Der Beschwerdeführer spreche Englisch, Pasthu und Dari. Englisch habe er zu Hause gelernt, sein Vater habe ihn unterrichtet. Über Vorhalt, dass er ein Englisch spreche, wie es für Afghanen keinesfalls typisch sei, gab er an, er habe im Bundesgebiet viel mit Afrikanern geredet und auch die Italiener hätten mit ihm Englisch gesprochen, daher spreche er so gut Englisch. Sein Onkel verkaufe in Kabul Container. Sein Vater habe die Container aufgestellt. Sein Onkel habe in Kabul ein Geschäft, wo er diese Container verkaufe. Der Beschwerdeführer wisse aber nicht, wo das Geschäft sei. Der Onkel des Beschwerdeführers wohne in der Nähe des Warenhauses der Italiener und Deutschen. Er habe ein eigenes Haus in römisch 40 . Aufgefordert, die Festnahme durch die Taliban zu schildern, gab er an, er sei nach Kandahar unterwegs gewesen. Ihr Reisebus sei aufgehalten worden. Es sei üblich, dass, wenn der Bus aus der Station wegfahre, die Taliban benachrichtigt würden. Die Taliban hätten sie aussteigen lassen und hätten ihn aus der Reihe ausgewählt. Sie hätten ihn geschlagen. Seine beiden Schneidezähne seien ihm eingeschlagen worden, er habe jetzt einen Zahnersatz. Man habe ihn mit der Faust auf den Kopf und auf die Unterlippe geschlagen. Danach hätten sie ihn in ein Haus gebracht, ihn an ein Bett gefesselt und ihn immer wieder am Rücken gepeitscht. Zwei Monate lang sei er geschlagen worden, bis er schließlich einem Kommandanten den Namen seines Onkels genannt habe. Dann sei er nicht mehr misshandelt worden, man habe ihn in Ruhe gelassen. Die restlichen fünf Monate habe er deren Waffen putzen müssen. Gegen die Bezahlung von 60.000 Dollar habe man ihn dann frei gelassen. Der Bus nach Kandahar sei fast voll gewesen. Außer ihm sei auch noch ein anderer Mann mitgenommen worden, der Beschwerdeführer wisse aber nicht, wohin man ihn gebracht habe. Der Beschwerdeführer sei mitgenommen worden, da er englische Papiere bei sich gehabt habe. Als sie diese gesehen hätten, sei der Beschwerdeführer für sie verdächtig gewesen. Es hätte sich um Notizen gehandelt, die der Beschwerdeführer beim Englischlernen gemacht habe. Die Taliban hätten gesagt, er sei ein Dolmetscher. Die Taliban brächten die Dolmetscher um, die mit den Ausländern arbeiteten. Der Beschwerdeführer habe aber nie zugegeben, dass er Dolmetscher sei. Sie hätten außerdem gesehen, dass er jünger sei und sie hätten ihn dazu bringen wollen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er sei in einem Haus festgehalten worden, mehr wisse er nicht. Man habe ihn in einem Auto dort hingeführt. Man habe seinen Kopf nach unten gehalten, sodass er nichts habe sehen können. Befragt, wie er von dort aus mit seinem Onkel in Kontakt gekommen sei, gab er an, er habe die Telefonnummer seines Onkels einem der Taliban gegeben. Befragt nach der Freilassung gab er an, am Abend sei einer zu ihm gekommen und habe gesagt, er solle aufstehen. Sie seien in einem Auto weggefahren und irgendwo haben er ihn aussteigen lassen. Man habe ihn in Kandahar bei einem kleinen Geschäft aussteigen lassen. Über Vorhalt, dass die Anhaltung durch die Taliban keine gezielte Aktion der Feinde seines Vaters gewesen sei, gab er an, nein, die Feinde seines Vaters seien ja in Kabul. Über Vorhalt, wenn die Feinde des Vaters in Kabul lebten, wie könne er erklären, dass die Feinde seines Vaters gegen seinen Onkel nichts unternähmen, wenn sein Vater doch für seinen Onkel gearbeitet habe, führte er aus, sein Onkel habe nur verkauft und sein Vater habe die Container aufgestellt. Über Vorhalt, wenn die Feindschaft gegen seinen Vater entstanden sei, weil dieser für die Amerikaner aufgestellt habe, müsste die Feindschaft auch gegen den Onkel bestehen, zumal dieser die Container ja an die Amerikaner verkauft habe, gab er an, die Amerikaner hätten mit seinem Onkel nicht direkt zu tun gehabt. Durch die Misshandlungen habe er eine kleine Narbe zwischen den Augenbrauen. Weiters täten ihm seine Füße weh. Sichtbare Verletzungen an den Beinen oder Füßen habe er nicht. Am Rücken sehe man keine Verletzungen. Über Vorhalt, wenn man monatelang gepeitscht werde, müssten starke Striemen sichtbar sein, gab er an, man habe ihn nur mit Baumästen oder mit einem Ledergurt geschlagen, es gebe keine Spuren. Nach Erörterung der Feststellungen zur Situation in seinem Heimatland gab er an, wenn er zu seinem Onkel zurückkehre, werde man auch seinen Onkel wegen dem Beschwerdeführer umbringen. Er habe ihn außer Landes geschickt, da er selbst gefürchtet habe, dass man ihn wegen dem Beschwerdeführer umbringe. Im Bundesgebiet habe er niemanden, er sei nicht erwerbstätig und besuche auch keine Kurse.
In der Folge wurde ein Arztbrief der Landesnervenklinik römisch 40 vorgelegt, dem sich entnehmen lässt, dass der Beschwerdeführer vom 16.12.2010 bis 23.12.2010 in stationärer Behandlung war, sowie dass die Diagnosen, dissoziative Störung, Anpassungsstörungen, Hospitalismus bei Kindern, Kulturschock, Trauerreaktion gestellt wurden.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 09.02.2011, Zahl: 10 09.890-BAG, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt römisch II.) und wies ihn gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer seine tatsächliche Identität nicht bedingungslos habe glaubhaft machen können. Er habe kein amtliches Dokument vorgelegt und er habe auch keinen Identitätszeugen namhaft machen können. Die von ihm vorgelegte "Zutrittskarte" zum Lager der römisch 40 gebe keinen Aufschluss über seine tatsächliche Identität, zumal in diesem Ausweis auch sein Vorname nicht mit dem von ihm angegebenen übereinstimme. Sein behauptetes Alter von 16 Jahren habe sich ebenfalls als nicht zutreffend herausgestellt. Wie das gerichtsmedizinische Gutachten ergeben habe, sei der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Untersuchung jedenfalls 19 Jahre alt gewesen und seine Antragstellung sei lediglich einen Monat vor dieser Untersuchung erfolgt. Nach einem Vorhalt des gerichtsmedizinischen Gutachtens habe er angegeben, er sei am römisch 40 geboren, dieses Datum habe ihm seine Mutter gesagt. Er habe aber nur das abendländische Geburtsdatum und nicht das in Afghanistanübliche Datum in Shamsi nennen können. Nun könne aber keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer seine Mutter das abendländische Datum genannt hätte. Sein Versuch der Ausrede, dass ihm ein Dolmetscher das Geburtsdatum so übersetzt habe, ziele somit auch ins Leere, da er auch für eine Übersetzung das Shamsi - Datum gekannt haben müsste. Seine Fluchtgeschichte stelle sich mangels Schlüssigkeit ebenfalls als nicht glaubhaft dar. Er berufe sich auf eine Verfolgung durch die Taliban, die auf eine alte Feindschaft zwischen den Taliban und seinem Vater zurückgehen solle. Folge man seinen Angaben, habe er zumindest von 2006 bis zu seiner angeblichen Festnahme durch die Taliban auf der Fahrt nach Kandahar bei seinem Onkel in Kabul gelebt. Sein Onkel sei seinen Angaben zufolge ein einflussreicher Händler, der mit den internationalen Truppen Geschäfte mache, indem er diesen Container verkaufe und sein Onkel sei auch als sehr vermögend einzustufen, wenn er seinen Angaben zufolge 85.000 US - Dollar für seine Freilassung und Flucht habe bezahlen können. Bei dem Einfluss und Vermögen seines Onkels müsse jedenfalls davon ausgegangen werden, dass er bei ihm in Kabul ohne Gefahr hätte leben können und auch weiterhin würde leben können. Eine ihm in Kabul angeblich drohende Gefahr habe er nicht zu konkretisieren vermocht. Er habe vorerst nur lapidar angegeben, in Kabul sei es ihm auch zu gefährlich geworden, weshalb er schließlich nach Kandahar hätte zurückkehren wollen. Nun zähle aber Kandahar zu den wohl gefährlicheren Gegenden in Afghanistan, im Gegensatz zu Kabul, wo die Situation relativ ruhig sei und er außerdem den Schutz seines vermögenden und einflussreichen Onkels in Anspruch hätte nehmen können. Es sei logisch nicht nachvollziehbar und stelle sich somit auch nicht als glaubhaft dar, dass jemand einen relativ sicheren Aufenthaltsort gegen einen unsicheren eintauschen würde, wenn er dazu nicht wirklich gezwungen sei. Seine späte Äußerung, die Feinde seines Vaters würden in Kabul leben, daher sei es dort für ihn gefährlicher als in Kandahar, stelle sich ebenfalls nicht als schlüssig dar. Würden die persönlichen Feinde seines Vaters tatsächlich in Kabul leben, ließe sich nicht erklären, wie sein Onkel, der Bruder seines Vaters, dort als einflussreicher Geschäftsmann unbehelligt leben könne. Auf einen dahingehenden Vorhalt habe er völlig nichtssagend angegeben, sein Onkel habe die Container nur verkauft, sein Vater habe diese aber aufgestellt. Da die Gesamttätigkeit von Vater und Onkel damit aber dieselbe wäre, müsste sein Onkel jedenfalls genau so gefährdet sein, wie der Beschwerdeführer dies für seinen Vater reklamiert habe. Nach Ansicht der Behörde sei der Beschwerdeführer in Kabul keiner konkreten Verfolgung ausgesetzt gewesen und sei dort nicht mehr gefährdet gewesen, als jeder andere Bewohner Kabuls auch. Was die behauptete Entführung durch die Taliban betreffe, sei anzuführen, dass diese, sollte sie überhaupt stattgefunden haben, nicht auf eine seitens der Taliban konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsabsicht zurückzuführen sei. Der Beschwerdeführer habe angegeben, man habe ihn und eine andere Person aus dem Reisebus heraus entführt. Der Grund für seine Entführung solle lediglich der Umstand gewesen sein, dass er Englisch spreche und man ihn für einen Dolmetscher halte. Eine auf die Feindschaft seines Vaters zurückzuführende Entführung könne somit ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer sei das Opfer von Kriminellen geworden, die die Bürgerkriegssituation für ihren finanziellen Vorteil auszunutzen versucht hätten. Letztendlich bestünden aber auch am Wahrheitsgehalt der Entführungsgeschichte erhebliche Zweifel. Dies vor allem deshalb, da er behaupte, man habe ihn zwei Monate lang immer wieder geschlagen und am Rücken gepeitscht. Wenn er monatelang derart schwer misshandelt worden wäre, müssten bei ihm dort sichtbare Spuren dieser Misshandlungen feststellbar sein. Er habe zwar zuerst im Laufe der Erzählung angegeben, er habe sichtbare Spuren an den Beinen erlitten, als er aber konkret zu Verletzungsspuren befragt worden sei, habe er angegeben, außer einer kaum sichtbaren winzigen Narbe an der Stirn keine sichtbaren Verletzungen erlitten zu haben. Eine winzige Narbe und das Fehlen zweier Schneidezähne seien jedoch keine typischen Verletzungen, die ausschließlich durch Misshandlungen entstehen könnten. Unabhängig von der Glaubwürdigkeit seiner Geschichte betreffend die Entführung müsse festgestellt werden, dass die Regierung in Kabul durchaus gewillt sei und mit der Hilfe der internationalen Truppen auch in der Lage sei, entsprechenden Schutz vor den Taliban zu bieten.
Rechtlich führte das Bundesasylamt zu Spruchpunkt römisch eins. aus, dass die im Heimatstaat eines Antragstellers allgemein herrschenden politischen wie sozialen Verhältnisse die Asylgewährung nicht zu tragen vermöchten, da diesen allgemeinen Gegebenheiten grundsätzlich alle Einwohner der betreffenden Region Kabul gleichermaßen ausgesetzt seien. Eine im Heimatland des Antragstellers herrschende Bürgerkriegssituation indiziere sohin nach der ständigen Judikatur der österreichischen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, aber auch nach der Auslegung, die die GFK in anderen Staaten und auf internationaler Ebene gefunden habe, für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch kriminelle Entführer stellten auch in seinem Heimatstaat strafbare Handlungen dar, die von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden seiner Heimat bei Kenntnis verfolgt und geahndet würden. Eine Billigung dieser Übergriffe durch die Behörden seines Heimatstaates könne daraus nicht erkannt werden. Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, dass diese Übergriffe von den Behörden seines Heimatstaates geduldet würden oder dass sie, hätte er sich an diese gewandt, keinen Schutz erhalten hätte. Es liege jedoch außerhalb der Möglichkeit eines Staates, jeden denkbaren Übergriff Dritter präventiv zu verhindern, was sich auch daran erkennen lasse, dass überall Institutionen zur Strafrechtspflege eingerichtet seien, die andernfalls überflüssig wären. Es könne aber von keinem Staat verlangt werden, dass er jeden seiner Staatsbürger jederzeit umfassend schütze. Die Verfolgung müsse an sich im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben. In seinem Fall sei jedoch davon auszugehen, dass er zumindest in Kabul den notwendigen Schutz vor Verfolgung fände.
Zu Spruchpunkt römisch II. führte das Bundesasylamt nach Anführung einiger Rechtsätze aus, dass subsidiärer Schutz nicht gewährt werden könne, da auch das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Paragraph 8, AsylG nicht habe glaubhaft gemacht werden können. Gerade das Vorliegen einer solchen Gefahr stelle nämlich die Grundvoraussetzung für die Gewährung von subsidiärem Schutz überhaupt dar.
Zu Spruchpunkt römisch III. führte das Bundesasylamt aus, dass das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK nicht habe festgestellt werden können, es sei weiters davon auszugehen, dass aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und mangels vorliegender sonstiger Anknüpfungspunkte ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, wobei er im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:
Das Bundesasylamt habe das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, da das Verfahren den Grundsätzen der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs nicht genügt habe. In einer Beschwerdeergänzung brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vorname in der Zutrittskarte anders geschrieben sei, liege daran, dass es für die Italiener einfacher gewesen sei, ihn "XXXX" zu nennen. Der Beschwerdeführer habe diese Karte vorgelegt, da man ihn nach Beweisstücken für seine Tätigkeiten für die Italiener gefragt habe. Zu seinem Geburtsdatum sei anzugeben, dass ihm seine Mutter nur sein Alter genannt habe und nicht einen exakten Geburtstag. Der römisch 40 sei während seiner Flucht entstanden. Er könne aus diesen Gründen sein Geburtsdatum nicht in Shamsi nennen. Die Feinde seines Vaters in Kabul seien aus der nördlicher gelegenen Region römisch 40 . Diese Personen hätten nun viel Macht in Kabul. Die Feindschaft bestehe bereits seit langer Zeit. Es handle sich dabei um eine Art Blutrache, es seien auf Seiten seiner Familie Angehörige getötet worden und auch auf deren Seite. Die Gefahr gehe dabei vor allem von römisch 40 aus. Seine Mutter sei von ihnen getötet worden. Seine Geschwister seien verschwunden. Sie hätten es auch auf den Beschwerdeführer abgesehen. Zum Vorwurf, warum sein Onkel in Kabul leben könne und ob er überhaupt noch dort lebe, wisse der Beschwerdeführer nicht. Im Moment habe er keinen Kontakt zu ihm. Es sei nicht auszuschließen, dass er keinerlei Probleme in Kabul durch die Bedrohungen habe. Während der Beschwerdeführer von den Taliban festgehalten worden sei, habe er nicht nur Gewalt erfahren, sondern hätten die Taliban auch verlangt, dass er den Koran lerne. Er habe den Koran lesen müssen und seien auch einige Passagen erklärt worden und habe er diese verinnerlichen müssen. Ziel sei es gewesen, ihn zu einer Person zu machen, die sie für ihre Machenschaften einsetzen könnten. Die Verfolgung durch die Taliban habe begonnen, da sie seine Tasche kontrolliert hätten und wie bereits erwähnt, erfahren hätten, dass er Englisch spreche. Anzumerken sei, dass die Beweiswürdigung und die Länderfeststellungen im Allgemeinen sehr kurz und nicht detailliert ausgeführt seien. Dies sei ein Hinweis darauf, dass die Behörde sich nicht ausreichend mit seiner individuellen Situation auseinandergesetzt habe. Bei einer zwangsweisen Rückkehr würde ihm weiterhin einerseits die Verfolgung von Seiten der Taliban und andererseits jene von Seiten der Feinde seines Vaters drohen. Die Unversehrtheit seines Lebens sei bedroht und würden gezielte Verfolgungshandlungen gegen ihn gesetzt werden. Er habe sich auch nicht unter den Schutz des Staates Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage stellen können. Zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan sei auszuführen, dass sich diese generell seit Beginn des Jahres 2009 verschlechtert habe. Afghanistan erlebe die schlimmste Gewalt seit dem Fall des Taliban-Regimes 2001. So ließen der dramatische Anstieg von Anschlägen wie auch die Aufstockung von Truppen eine Intensivierung der Kampfhandlungen und damit eine weitere Zunahme der Opferzahl unter der Zivilbevölkerung und der intern Vertriebenen erwarten. Das Update der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11.08.2010 führe über die Lage in der Stadt Kabul aus, dass kriminelle Banden und regierungsfeindliche Gruppierungen auch weiterhin Entführungen zwecks Lösegelderpressungen durchführten. Trotz der enormen Sicherheitsaufgebote sei es der afghanischen Regierung nicht gelungen, Anschläge im Rahmen der Friedens - Jirga und Konferenz in Kabul zu verhindern. Weiters wurde zur Situation in Afghanistan auf verschiedene Berichte verwiesen. Die Regierung in Kabul sei nicht in der Lage, entsprechenden Schutz vor den Taliban zu bieten. Der gegenteiligen Ansicht der Behörde sei entschieden entgegen zu treten. Selbst in den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides werde ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage im Raum Kabul nicht gebessert habe, sondern vielmehr von der Errichtung von Barrieren und Checkpoints und von spektakulären Terroranschlägen gekennzeichnet sei. Die Argumentation der Behörde, dass seine Versorgung in Kabul gesichert sei, sei demnach nicht nachvollziehbar und widerspreche sich insofern, als die Länderfeststellungen diese Aussagen nicht deckten. Die Entscheidung sei daher äußerst mangelhaft. Auch sein Onkel könne ihn nicht vor der Blutrache schützen, da man sich diesbezüglich nicht mit Geld freikaufen könne. Das bedeute, dass er auch, wenn er bei seinem Onkel leben könnte, nicht Schutz und Sicherheit vor seinen Verfolgern finden könnte. Der Beschwerdeführer könnte auch seiner Mutter keinen ausreichenden Schutz bieten. Eine Rückführung nach Afghanistan würde für ihn zur Folge haben, dass er einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK ausgesetzt würde. Es sei von einer realen Gefahr der ernsthaften Bedrohung auszugehen. Der Beschwerdeführer leide an Schlaf - und Anpassungsstörungen. Er habe suizidale Krisen gehabt und es seien bei ihm posttraumatische Stresssyndrome diagnostiziert worden. Um seine Angaben zu belegen, verweise er auf die beigelegten Arztbriefe und medizinischen Befunde.
Mit Schreiben vom 27.10.2011 erfolgte eine Vollmachtbekanntgabe und wurde weiters darin vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Erlebnisse in Afghanistan in einer sehr schlechten psychischen Verfassung sei. Er sei mehrmals in der Landesnervenklinik römisch 40 in stationärer Behandlung gewesen. Der Beschwerdeführer klage über massive Alpträume, wegen derer er in der Nacht immer wieder aufschrecke. Er sei auch von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie untersucht worden, der am 14.03.2011 zur Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen sei.
Am 26.01.2012 fand beim Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche
Verhandlung statt, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:
VR: Was ist in Afghanistan passiert? Erzählen Sie chronologisch, erzählen Sie alles so, dass ich mir ein Bild davon machen kann.
BF: Ich war in Kandahar. Mein Vater hat für die Amerikaner und die Engländer im XXXX-Stützpunkt in Kabul gearbeitet. Mein Vater hatte mit ihnen einen Vertrag. Er hat ihnen Kühlcontainer und Autos zur Verfügung gestellt bzw. vermietet. Die Situation war nicht gut in Kandahar. Mein Vater arbeitete in Kabul. Er ist aber ab und zu nach Kandahar gekommen. Als er das letzte Mal nach Kandahar kam, war es etwa Ende 2006. Er ist mit dem Auto von Kabul nach Kandahar unterwegs gewesen. Sein Auto wurde niedergebrannt und ist er dabei getötet worden. Uns ist es dann sehr schlecht gegangen. Mir ist es auch besonders schlecht gegangen. Meine Mutter hat mich zu ihrem Bruder (Onkel mütterlicherseits) nach Kabul geschickt. Mein Bruder namens römisch 40 war aber schon vor meiner Ankunft in Kabul und lebte bereits bei meinem Onkel. Mein Bruder arbeitete für die Deutschen im Warehouse. Dort ist der größte XXXX-Stützpunkt. Ich glaube, dass mein Bruder auch für die Engländer gearbeitet hat. Später arbeitete er für die Italiener. Er hat mich auch zu ihrem Stützpunkt mitgenommen. Ich habe auch dort für die Italiener gearbeitet. Ich verkaufte dort Militärschuhe und Rollex-Uhren. Ich verkaufte auch Teppiche. Am Sonntag gab es dort einen Basar. Dort verkaufte ich diese Waren am Sonntag. Die Italiener kannten mich. Als sie etwas brauchten, riefen sie mich an und bestellten Ware bei mir. Ich konnte ihnen die Ware bringen, wann immer ich wollte, an verschiedenen Tagen. Ich habe dann auch für den zivilen Geheimdienst der Italiener gearbeitet. Es sind die Geheimdienstleute der Italiener in Zivil gekleidet und mischen sich unter die einfache Bevölkerung in den Dörfern und Städten. Ich habe für die Geheimdienstleute gedolmetscht. Ich habe insgesamt dort ca. 10 Monate für die Italiener gearbeitet. Der Name des Camps lautet Camp römisch 40 . Die Leute (Afghanen) haben meinem Bruder vorgeworfen, dass er für die ausländischen Truppen Frauen für Sex besorgt und zu ihnen bringt. Obwohl mein Bruder das nicht getan hat, haben ihn die Leute schlecht dargestellt. Dieser Vorwurf ist ein sehr schwerwiegender Vorwurf. Dafür kann man auch getötet werden. Als wir davon erfuhren, hatten wir sehr große Angst. Deshalb versteckten wir uns. Wir waren im Haus unseres Onkels und sind nicht hinausgegangen. Unsere Situation hat sich immer verschlechtert, es ist uns dabei nicht gut gegangen. Wir hatten große Angst. Als mein Bruder 2009 nach Kandahar fahren wollte, ist er unterwegs verschwunden. Wir wissen nicht, was mit ihm passierte. Ich vermute, dass er getötet worden ist. Ich verbrachte dann noch einige Zeit lang in Kabul. Meiner Mutter ist es auch nicht gut gegangen. Meine Mutter ist verrückt geworden. Da sie soviel einstecken musste (Verlust meines Vaters und Bruders), ist sie nicht mehr normal. Nachdem es ihr nicht gut gegangen ist, ersuchte sie ihren Bruder, meinen Onkel, dass er mich zu ihr nach Kandahar zurückschickt. Als ich im Haus meines Onkels war, habe ich dort auch gelernt. Als ich mit dem Autobus nach Kandahar unterwegs war, habe ich einen Zettel mit Englischnotizen in meiner Tasche gehabt, den ich vergessen hatte. Die Taliban haben den Bus angehalten und haben dabei in meiner Tasche dann diesen Zettel gefunden. Sie haben mich aus dem Bus mitgenommen. Sie forderten mich auf, aus dem Bus auszusteigen. Sie forderten auch einen anderen Mann auf, den Bus zu verlassen. Sie dachten, dass ich Dolmetscher bin. Sie brachten mich zu ihrem Stützpunkt. Sie haben mich gefesselt und misshandelt. Was sie mit dem anderen Mann gemacht haben, weiß ich nicht. Sie haben mich sehr brutal misshandelt, sie haben mir meine Nase gebrochen. Es war das Nasenbein und auch am Kinn war ich verletzt und auch im Gesicht. Sie haben mich mit heißem Tee angeschüttet. Sie haben mich mit allen Gegenständen, welche sie in der Hand hatten, geschlagen. Sie haben auch gegen meinen Fuß getreten. Ich habe Verletzungen gehabt, Blutergüsse. Ich habe noch immer Schmerzen am Fuß. In der Nacht wache ich wegen der Schmerzen weinend auf. In der Nacht muss ich meinen Fuß verbinden (Bandage, Gürtel, Tuch), sonst kann ich vor lauter Schmerzen nicht einschlafen. Ich war insgesamt 7 Monate bei den Taliban. Die ersten 2 Monate haben sie mich schwerst misshandelt, weil sie davon ausgegangen sind, dass ich ein Dolmetscher wäre. Als sie dann vermutlich darauf gekommen sind, dass ich kein Dolmetscher bin, haben sie mich nicht mehr so misshandelt. Ich musste dann für sie putzen. Ich musste Tee für sie vorbereiten usw. Sie haben mir dann religiösen Unterricht gegeben. Sie wollten aus mir einen Selbstmordattentäter machen. Sie haben mich weiter unterrichtet. Sie brachten dann einen Dolmetscher zu mir, der 24 oder 25 Jahre alt war. Sie haben ihn geköpft. Ich erlitt dann einen Anfall. 1 Tag und 1 Nacht wusste ich nicht, wie es mir ging. Als ich dann zu mir gekommen bin, ist es mir sehr schlecht gegangen und ich hatte Angst. Ich erschreckte mich. Als es mir dann etwas besser gegangen ist, versuchte eine Person, welche sie römisch 40 genannt hatten, von mir herauszubekommen, ob ich wirklich ein Dolmetscher gewesen sei. Ich habe dann diesem Mullah die Telefonnummer meines Onkels gegeben. Ein paar Tage später, als der Mullah eines Abends kam, sagte er mir, dass ich schnell mit ihm gehen soll. Ich hatte Angst. Er hat mich in ein Auto gesetzt. Wir sind zu einem Ort gegangen, wo sich ein kleines Geschäft befand. Er sagte mir, dass ich dort beim Geschäft bleiben soll. Kurze Zeit später kam mein Onkel und nahm mich mit. Mein Onkel hat mir dann gesagt, dass er dem Mullah 60.000 US-Dollar zahlen musste. Das war für meine Freilassung. Es ist mir dann sehr schlecht gegangen, ich war krank und verletzt und hatte überall Schmerzen und Blutergüsse. Mein Onkel übergab mich dann einem Schlepper. Bei diesem Schlepper musste ich auch einige Zeit verbringen. Er hat mich schließlich aus Kandahar gebracht. Er hat mich auf dem Landweg nach Tadschikistan gebracht.
VR: Seit wann hat Ihr Vater in Kabul gearbeitet?
BF: Ich weiß es nicht. Mein Vater handelte auch früher mit Autos. Als die Amerikaner kamen, hat er mit ihnen gearbeitet. Vorher handelte er mit Autos (Kauf und Verkauf). Den Amerikanern hat er Autos und Kühlcontainer vermietet.
VR: Das heißt, dass Ihr Vater auch in Kabul gelebt hat?
BF: Ja. Er arbeitete dort auch. Ab und zu ist er auch nach Kandahar gekommen.
VR: Seit wann hat er das ungefähr gemacht? War das schon immer so, soweit Sie sich erinnern konnten?
BF: Ich weiß nicht, wie lange er diese Tätigkeiten ausführte.
VR: Wer von Ihrer Familie hat damals in Kandahar gelebt?
BF: Meine Mutter, meine kleine Schwester und ich. Mein Bruder römisch 40 war auch bei uns. Er ist dann zu meinem Onkel nach Kabul gegangen. In Kandahar war die Situation nicht ganz sicher. Er hatte Angst, dort getötet zu werden, deswegen schickte ihn meine Mutter zu ihrem Bruder nach Kabul.
VR: Wie alt waren Sie damals?
BF: Ich weiß es nicht.
VR: Waren Sie damals noch ein Kind, oder schon erwachsen?
BF: Das weiß ich nicht. Ich kann mich daran erinnern.
VR: Wie lange haben sie dann alleine, gemeint Ihre Mutter, Ihre Schwester und Sie, in Kandahar gelebt?
BF: Ich war dort bis zum Tod meines Vaters, gemeint Ende 2006.
VR: Wie lange haben sie dort gewohnt, ein paar Wochen, ein paar Monate, ein paar Jahre?
BF: Das kann ich Ihnen nicht sagen.
VR: Aus welchem Grund nicht?
BF: Ich habe die Monate und Jahre nicht zusammen gerechnet.
VR: Haben sie dort ein paar Wochen, ein paar Monate oder ein paar Jahre zusammen gelebt?
BF: Es waren einige Monate, den genauen Zeitraum kann ich nicht genau sagen. Vor dem Tod meines Vaters ist mein Bruder nach Kabul gegangen.
VR: Warum ist Ihr Bruder zu Ihrem Onkel und nicht zu Ihrem Vater gegangen?
BF: Mein Vater hatte dort keinen fixen Sitz. Er war heute da und morgen woanders. Mein Onkel lebte in Kabul. Deshalb ist mein Bruder zu ihm gezogen.
VR: Warum ist nicht die ganze Familie nach Kabul gezogen, wenn es in Kandahar so gefährlich war?
BF: Ich weiß es nicht. Das war die Entscheidung meiner Mutter, warum sie nicht mitgegangen ist, kann ich nicht sagen. Sie war eine Frau und zu Hause. Ich war als Mann mehr in Gefahr.
VR: Hat es in Kandahar sonstige Familienangehörige gegeben?
BF: Nein.
VR: Wie konnten Ihre Mutter und Ihre minderjährige Schwester dort jahrelang überleben?
BF: Ich weiß es nicht. Sie mussten überleben.
VR: Wovon haben die Mutter und die Schwester gelebt?
BF: Uns ist es finanziell gut gegangen. Mein Vater handelte mit Autos. Meine Mutter musste Geld gehabt haben.
VR: Wovon hat Ihr Onkel gelebt?
BF: Mein Onkel verkaufte Container. Er hatte ein großes Lager.
VR: Haben Ihr Vater und Ihr Onkel zusammen gearbeitet?
BF: Nein.
VR: Sie haben gesagt, dass Sie für die Italiener gedolmetscht haben. Wie ist das vor sich gegangen, was haben Sie konkret gemacht, erzählen Sie solch eine Situation.
BF: Die Geheimdienstleute der Italiener haben sich wie Afghanen gekleidet, sie haben auch einen langen Bart getragen. Man konnte sie von den Afghanen nicht unterscheiden, diese waren unterwegs. Diese Personen hießen römisch 40 . Ich habe für sie im Stützpunkt gedolmetscht, als ihnen andere Personen Informationen gebracht haben bzw. ihnen etwas mitteilen wollten, dabei war ich und habe gedolmetscht.
VR: Sie haben nur am Stützpunkt für sie gearbeitet?
BF: Ja, draußen nicht. Ich war außerhalb des Stützpunktes, als sie mich brauchten, kamen sie heraus und sagten, dass ich mitkommen solle. Sie brachten mich in einen speziellen Raum.
VR: Sie haben vorhin gesagt, die Geheimdienstleute der Italiener haben sich wie Afghanen gekleidet. Was macht das für einen Sinn, wenn sie einen Dolmetscher brauchen und die Sprache nicht verstehen?
BF: römisch 40 sprach Dari und Paschtu, aber nicht ganz gut. Als jemand mit einer Nachricht kam, wollten sie, dass ich für diese übersetze.
VR: Wie haben Sie mit den Italienern gesprochen?
BF: Italienisch und Englisch.
VR: Sie sprechen auch Italienisch?
BF: Ein wenig.
Bundesrat:, Wie haben die übersetzten Informationen beispielsweise gelautet?
BF: Zum Beispiel, wollten sie wissen, wo sich die Taliban befinden oder Informationen über geplante Hinterhalte der Taliban.
Bundesrat:, Mehr nicht?
BF: Manchmal kamen auch Leute, welche mit den Taliban zusammen gearbeitet haben, sie haben auch Nachrichten übergeben.
Bundesrat:, Sagen Sie mir, wie Sie die genannten Information auf Englisch übersetzt haben.
BF antwortet auf Englisch.
Bundesrat:, Woher können Sie so gut Englisch?
BF: Mein Vater war Ingenieur, er konnte Englisch. Er hat mich, meine Schwester und unsere Nachbarkinder in Englisch unterrichtet. In Kandahar gibt es keine Kurse oder Schulen, wo man Englisch oder andere Fremdsprachen lernen kann, dort gibt es nur Koranschulen, wo man den Religionsunterricht besuchen kann.
VR: Bitte erzählen Sie nochmals die Situation, als Sie von den Taliban festgenommen wurden. Wo war das genau? Welche Uhrzeit war?
BF: Ich kann es nicht genau sagen. Es war, nachdem mein Bruder verschwunden ist und meine Mutter ersucht hatte, mich nach Kandahar zu schicken. Es müsste 2009 gewesen sein, welcher Monat das war, kann ich nicht genau sagen. Wo genau das war, weiß ich nicht, es war nahe Kandahar.
BFV: Wie lange fährt man von Kabul nach Kandahar?
BF: Ich kann es nicht sagen. Es kommt auf die Gegebenheiten an. Es ist ein langer Weg.
VR: Wie lange waren Sie damals schon unterwegs?
BF: Ich weiß es nicht, wie lange ich per Bus gefahren war.
VR: War Tag oder Nacht?
BF: Es war Tag.
VR: Wie war das damals? Bitte schildern Sie die Situation.
BF: Unser Bus ist gefahren. Auf einmal sind die Taliban mit Waffen auf der Straße gewesen.
VR: Wie viele Taliban waren das?
BF: Ich weiß nur, dass es 4 oder 5 Taliban waren, davon haben mich 2 Taliban mitgenommen. Sie sind, nachdem der Bus angehalten hat, eingestiegen. Diese sahen die Passagiere an. Sie haben die Turbane weggegeben, damit sie unterscheiden konnte, ob man an der Haarlänge erkennen kann, ob jemand nicht bei der nationalen Armee ist. Sie haben Taschen und Leute durchsucht. Als sie dann meine Tasche durchsucht haben, haben sie einen Zettel mit englischen Notizen gefunden. Sie haben mich dann aufgefordert, mitzukommen. Sie haben mich gezogen. Dabei haben sie auch einen anderen Mann aufgefordert, mitzugehen. Sie haben uns dann aus dem Bus mitgenommen. Sie haben uns in einem PKW, er sah aus wie Marke Corolla, zu ihrem Stützpunkt gebracht. Dort haben sie mich misshandelt.
VR: Wohin wurden Sie gebracht?
BF: Ich war hinten und habe nichts gesehen. Ich wusste nicht, wohin sie mich bringen.
VR: Wie hat der Stützpunkt ausgesehen?
BF: Es war ein Haus in einer Wüste. Es war eine Ruine.
VR: Was ist mit Ihnen passiert, nachdem Sie dort angekommen sind?
BF: Dort waren andere Taliban. Als wir dann im Haus waren, haben die Taliban, welche mich mitgenommen haben, den anderen Personen gesagt, dass sie auch eine andere Person mitgebracht haben. Dort haben sie mich an das Bett gefesselt und auch geschlagen.
VR: Wie sind Sie damals geschlagen worden?
BF: Mit einer Art Gürtel und anderen Gegenständen.
VR: Welche anderen Gegenstände waren das?
BF: Holzstücke oder ähnliches. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, immer, wenn ich daran denke, geht es mir schlecht. Sie haben dann heißen Tee auf mich geschüttet. Sie haben mich geschlagen.
VR: Sie haben gesagt, Ihnen wurde die Nase gebrochen. Wann war das?
BF: Sie haben mein Nasenbein gebrochen und auch meine Zähne. Das war an dem Tag, als ich hingebracht wurde.
VR: Wie lange haben die Misshandlungen gedauert?
BF: Etwa 2 Monate, danach haben sie mich unterrichtet.
VR: Warum haben die Misshandlungen geendet?
BF: Ich weiß es nicht. Sie haben mich dann unterrichtet.
VR: Warum haben Sie bis heute nicht gesagt, dass Ihr Vater selbständig ohne Ihren Onkel gearbeitet hat?
BF: Mein Onkel hatte einfach Container verkauft. Mein Vater hat Kühlcontainer vermietet. Von einer Geschäftsbeziehung weiß ich nichts.
VR: Beim BAA haben Sie auf die Frage, wovon der Onkel in Kabul lebt, geantwortet: "Er verkauft die Container. Mein Vater hat die Container aufgestellt".
BF: Das muss ein Missverständnis sein. Ich hatte damals einen iranischen Dolmetscher.
VR: Warum haben Sie beim BAA ausgesagt, dass die Misshandlungen aufgehört haben, nachdem Sie Ihren Onkel dort genannt haben?
BF: Ich weiß es nicht, warum die Misshandlungen damals aufgehört haben. Ich habe nur einem Mann die Telefonnummer meines Onkels gegeben. Danach wurde ich nicht misshandelt, anstatt dessen bekam ich religiösen Unterricht. Ich glaube, dass in dieser Taliban-Gruppe jemand dabei war, welcher meinen Onkel kannte, vielleicht deshalb. Ich habe mich daran nicht erinnert.
BFV: Vor der Freilassung, haben Sie nochmals die Telefonnummer, oder nur den Namen genannt?
BF: Ich habe die Nummer schon dem Mullah gegeben. Ich habe nur 1x die Telefonnummer gegeben. Als ich die Nummer meines Onkels übergeben habe, war jemand in der Gruppe, welcher meinen Onkel kannte. Als die Taliban nicht alle anwesend waren, gab es immer einen Taliban (dieser Mullah), welcher auf mich aufpasste.
VR: Als Sie frei gelassen worden sind, war Ihr Onkel anwesend?
BF: Wo meinen Sie anwesend?
VR: Bitte sagen Sie mir das.
BF: Als ich dann vom Haus abgeholt wurde und danach zu diesem Geschäft gekommen bin, kam mein Onkel dorthin und holte mich ab.
VR: Das heißt, der Onkel war schon beim Geschäft oder noch nicht? Haben Sie ihn verständigt?
BF: Als sie mich dorthin zum Geschäft gebracht haben, sagten sie, dass ich beim Geschäft warte soll. Es würde mein Onkel kommen, was auch zutraf.
BFV: Der Mullah brachte Sie hin?
BF: Ja, es war dieser Mullah. Er war alleine.
VR: Warum haben Sie beim BAA es noch nicht gesagt, dass Ihr Onkel verständigt wurde und Sie von dort abgeholt hat?
BF: Ich wurde danach nicht gefragt. Es kann auch daran liegen, dass der Dolmetscher ein Iraner war. Für die Übersetzung des Onkels gibt es im Iran und in Afghanistan verschiedene Wörter. Er hat mich wahrscheinlich nicht verstanden.
VR: Was befürchten Sie bei einer derzeitigen Rückkehr nach Afghanistan?
BF: Ich kann nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren. In Kandahar habe ich niemanden. Dort würde ich getötet werden. Dort ist auch mein Leben nicht sicher. Nach Kabul kann ich auch nicht zurückkehren, dort leben die römisch 40 .
VR: Was hat es mit diesen römisch 40 auf sich?
BF: Es gab früher Feindschaften mit ihnen, diese hatte mein Vater. Davon weiß ich nichts.
VR: Haben Sie nicht danach gefragt?
BF: Nein.
VR: Warum nicht, wenn Sie sich doch durch diese gefährdet fühlen?
BF: Ich weiß diesbezüglich nichts. Ich kann nichts dazu sagen, warum diese Feindschaft entstanden ist.
VR: Wie hat sich diese Feindschaft geäußert?
BF: Nachdem sie meine Mutter getötet haben, wusste ich nichts.
VR: Von wem haben Sie erfahren, dass Ihre Mutter getötet wurde?
BF: Das sagte mir mein Onkel, ihr Bruder. Er hat mich per Telefon benachrichtigt.
VR: Was hat er Ihnen erzählt?
BF: Als ich mich damals in Straden befand, war es vor meiner Einvernahme. Ich habe es damals erfahren. Mir ist es schlecht gegangen, ich habe einen Anfall bekommen. Ich musste dann in das Spital gehen. Ich habe mein Bewusstsein verloren. Als ich dann zu mir kam, war ich im Spital.
BFV legt einen Arztbrief der Landesnervenklinik römisch 40 vor.
VR: Bitte erzählen Sie ein wenig mehr von diesem Telefonanruf.
BF: Als er mir gesagt hat, dass meine Mutter getötet wurde, ist es mir schlecht gegangen und ich habe den Rest nicht verstanden.
BFV: Im Akt des BAA steht Bürocontainer, heute haben Sie Kühlcontainer angegeben. Was meinen Sie damit? Können Sie die Container beschreiben?
BF: Sowohl, als auch. Es waren Kühlcontainer und auch Bürocontainer.
BFV: Was hat man mit den Kühlcontainern gemacht?
BF: Das hat er den Amerikanern vermietet.
VR: Wozu dienen diese Kühlcontainer?
BF: Man muss normalerweise Sachen zum Kühlen hinein geben.
BFV: Wie kommt es dazu, dass Sie auf dem XXXX-Ausweis römisch 40 heißen?
BF: Das hatte ein italienischer Kommandant geändert. Er hat darauf römisch 40 geschrieben.
BFV: Wollten Sie das nicht richtig stellen?
BF: Nein, das hat mich nicht gestört.
BFV: Heute haben Sie berichtet, dass Ihr Bruder verdächtigt wurde, Frauen der Prostitution zuzuführen. Das ist bisher nicht vorgekommen.
BF: Ich habe das auch dem iranischen Dolmetscher gesagt. Vielleicht hat er das nicht verstanden und es wurde deswegen nicht protokolliert. Danach sind auch keine diesbezüglichen Fragen gestellt worden, weshalb es womöglich untergegangen ist.
BFV: Dann sind Sie Zeuge einer Tötung einer Person geworden. Zu dieser Zeit waren Sie bei den Taliban. Woher wissen Sie, dass diese Person ein Dolmetscher war?
BF: Die Taliban haben mir es gesagt.
BFV: War dieser längere Zeit mit Ihnen zusammen festgehalten?
BF: Nein. Kurz später haben sie ihn bereits geköpft.
BFV: War das zu Beginn Ihrer Festnahme?
BF: Daran kann ich mich jetzt nicht erinnern, wann das genau passiert ist.
BFV: Hat Ihnen der Onkel gesagt, dass 60.000 Dollar für Ihre Freilassung gezahlt wurden?
BF: Er hat mir nichts gesagt, an wen der Betrag bezahlt wurde, weiß ich nicht.
BFV: Waren Sie beim Arzt, bevor Sie die Flucht angetreten haben?
BF: Nein.
BFV: Wie viele Tage nach der Freilassung haben Sie Kandahar verlassen?
BF: Ich wurde sofort einem Schlepper übergeben, als ich frei gelassen wurde. Ich verblieb die ganze Zeit beim Schlepper.
BFV: Wissen Sie, wo Ihr Onkel sich derzeit aufhält?
BF: Wo er sich befindet, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er Afghanistan nach dem Tod meiner Mutter verlassen hat. Ich habe mit ihm jetzt auch keinen telefonischen Kontakt. Vielleicht war es ihm auch zu gefährlich. Deshalb musste er weggehen.
BFV: Wo befindet sich Ihre jüngere Schwester?
BF: Meine Schwester ist auch verschollen. Ich weiß nicht, wo sie ist.
VR: Wie alt waren Sie, als Sie damals nach Kabul gegangen sind?
BF: Das weiß ich nicht. Damals wurde ich auch so befragt. Ich sagte, dass ich es nicht weiß.
Erörtert und zum Akt genommen werden:
o) 2 Länderdokus - AsylGH (Beilagen A und B)
o) Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes (Beilage C)
o) Bericht des UNHCR (Beilage D)
o) Bericht ACCORD (Beilage E)
o) 2 Berichte der SFH (Beilage F und Beilage G)
o) Auszug aus einem Bericht (Beilage H)
o) Bericht von ACCORD (Beilage römisch eins)
Stellungnahme des BFV: Nach wie vor ist in Kabul die Sicherheitslage prekär.
BFV kündigt an, binnen einer Frist von 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben, insbesondere auch hinsichtlich der Integration des BF.
Mit Schreiben vom 13.2.2012 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein, der sich im Wesentlichen Folgendes entnehmen lässt:
Es werde festzustellen sein, dass der Beschwerdeführer an einem schweren posttraumatischen Belastungssyndrom leide, wie es in den bereits in Vorlage gebrachten fachärztlichen Befunden dargetan sei. Aus der Länderanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe betreffend Behandlung von Trauma in Kabul vom 11.03.2009 gehe eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine ausreichende Behandlung vorfinden würde. Zur Behandlung psychischer Erkrankungen existierten in Afghanistan nur sehr limitierte Einrichtungen und höchst rudimentäre Behandlungsmethoden, dies obwohl eine Mehrheit der afghanischen Bevölkerung unter psychischen Problemen leide. Es fehle an der Quantität als auch an der Qualität der Einrichtungen. Es gebe nur eine Klinik, die nicht einmal die dringendsten Fälle versorgen könne. Auch sei der Zugang zu einer Behandlung sehr teuer und könnte sich der Beschwerdeführer diese Behandlung im Falle seiner Rückkehr niemals leisten. Laut UNHCR dürften traumatisierte Personen nicht nach Afghanistan zurückgeschickt werden, da dies für die Betroffenen unzumutbar wäre. Die Sicherheitslage in Kabul sei nach wie vor derart schlecht, dass der Beschwerdeführer nicht nach Kabul zurückgeschickt werden dürfe. Vielmehr sei ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten einzuräumen. Jede Person, die sich in Kabul aufhalte, müsse jederzeit gewärtig sein, Opfer einer Gewalttat zu werden. Auch das Überleben in Kabul ohne familiäre Unterstützung sei undenkbar, zumal das Wohnen extrem teuer und für einen Einzelnen nicht leistbar sei. Da die Eltern des Beschwerdeführers getötet worden seien und sein Onkel Afghanistan verlassen habe, sei ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass sein Vater wegen einer Feindschaft mit den römisch 40 getötet worden sei, später auch seine Mutter, und seine kleinere Schwester verschleppt worden sei, er jedoch keine Hintergründe dieses Problems betreffend benennen könne. Dies sei unter Berücksichtigung der Lebensumstände des Beschwerdeführers in Afghanistan durchaus nachvollziehbar. Sein Vater sei oft geschäftlich unterwegs gewesen und habe offenbar weniger Kontakt zu seiner Familie gehabt als jemand, der jeden Abend nach Hause komme. Auch sei die afghanische Gesellschaft innerhalb der Familie hierarchisch geprägt und könnten die Kinder den Vater nicht einfach alles fragen, was sie interessiere. Der Vater gelte noch als Respektsperson. Der Beschwerdeführer sei 2006 beim Tod des Vaters 15 Jahre alt gewesen und praktisch noch ein Kind. Insbesondere Probleme von größerer Bedeutung würden nicht mit den Kindern besprochen. Daher sei es nicht weiter verwunderlich, dass der Beschwerdeführer keine näheren Angaben über die Probleme des Vaters habe machen können. Dies könne seinen Angaben nicht die Glaubwürdigkeit nehmen.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, er gehört der paschtunischen Volksgruppe an und ist sunnitischen Bekenntnisses. Er stammt aus Kandahar.
Der Beschwerdeführer ist bereits mehrfach in der Landesnervenklinik römisch 40 in stationärer Behandlung gewesen, vom 16.1.2010 bis 23.12.2010 wegen dissoziativer Störung, vom 7.1.2011 bis 11.1.2011 wegen Anpassungsstörungen, Hospitalismus bei Kindern, Kulturschock und Trauerreaktion, vom 11.2.20111 bis 15.2.2011 wegen Anpassungsstörung und dissoziativen Stupor, vom 23.3.2011 bis 28.3.2011 wegen Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung, traumatische Neurose und Suizidgefahr. Seitens eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie wurde die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung gestellt.
Zu Afghanistan:
Überblick über die politische Lage:
Afghanistan ist eine islamische Republik. Die Einwohnerzahl wird auf 24 bis 33 Millionen geschätzt. Im August 2009 fanden zum zweiten Mal die Präsidentenwahlen statt. Nach abgeschlossener Wahlanfechtung erklärte die unabhängige Wahlkommission Hamid Karzai zum Präsidenten und damit zu dessen zweiter Wahlperiode. Die Wahl war von Betrugsvorwürfen überschattet.
Am 18 September 2010 fanden Parlamentswahlen statt. Bürger die an den Wahlen teilnahmen waren massiven Bedrohungen ausgesetzt. Am Wahltag töteten Aufständische 30 Menschen. Die Wahlen waren von Unregelmäßigkeiten und Betrugsvorwürfen überschattet. Die Taliban versuchten die Wahlen durch öffentliche Drohungen, Panikmache, Gewaltanwendungen, niedriger Wahlbeteiligung und durch Wahlbehinderungen für Frauen zu erschweren. Im Anschluss an die Wahlen berief Präsident Karzai ein Spezialtribunal ein, um den Wahlverlauf zu bewerten und zu erforschen. Damit soll der Ablauf zukünftiger Wahlen verbessert werden.
(U.S., Department of State, "Country Reports on Human Rights Practices: Afghanistan", 8.4.2011, Sitzung 1)
Die afghanische Geschichte der letzten Jahrzehnte ist geprägt von der Besatzung durch die Sowjetunion (1979-89), dem Bürgerkrieg zwischen den Mudjaheddin-Gruppen (1992-96) und der Gewaltherrschaft der Taliban (1996-2001). Hinzu kommt, dass Blutrache und Fehden zwischen Familien, Clans und Ethnien, insbesondere in der paschtunischen Stammesgesellschaft im Süden und Osten des Landes, seit jeher gängige Formen der Auseinandersetzung darstellen. Eine Kultur des politischen Diskurses und der friedlichen Beilegung von Konflikten ist daher auf politischer wie auch auf persönlicher Ebene nur schwach ausgeprägt.
Auf der Grundlage des Petersberger Abkommens von 2001 wurden zwischenzeitlich wesentliche Schritte zum Wiederaufbau staatlicher Strukturen unternommen: Die Einberufung einer Sonderversammlung von "Räten" ("Emergency Loya Jirga"), die Einsetzung einer Übergangsregierung, die erste Durchführung von Präsidentschafts- (2004) und Parlamentswahlen (2005), die Verabschiedung einer Verfassung und die Durchführung der zweiten Präsidentschafts- und Provinzratswahlen im August 2009 sowie der zweiten Parlamentswahlen im September 2010. Diese Wahlen waren von Gewalt und Betrugsvorwürfen überschattet, trotz der erreichten formalen Gewaltenteilung existieren in der Praxis zudem weiter vielfältige vordemokratische Parallel- und traditionelle Beteiligungsstrukturen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, Sitzung 6)
Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen von 2004 sowie der verschobenen Parlamentswahlen von 2005 fanden laut Freedom House (FH) allgemein breite Akzeptanz in der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft - trotz Vorwürfen über Einschüchterungsversuche, Parteilichkeit innerhalb der Wahlkommission und andere Unregelmäßigkeiten. Die Präsidentschaftswahlen 2009 und die Parlamentswahlen von 2010 waren indes von schwerem Wahlbetrug und anderen Problemen überschattet, und staatliche Institutionen haben darin versagt, den Wahlprozess effektiv zu steuern und Transparenz zu gewährleisten. In weiterer Folge wurden die für 2010 auf Distriktebene geplanten Wahlen abgesagt.
(Freedom House, Freedom in the world, vom Mai 2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
Der afghanische Versöhnungsprozess einschließlich der Wiedereingliederung von Aufständischen in die afghanische Gesellschaft bleibt eine zentrale Voraussetzung für eine Friedenslösung in Afghanistan. Der Hohe Friedensrat hat die Aufgabe, einen politischen Dialog mit der Führung der Aufständischen zu beginnen und alle wichtigen politischen und ethnischen Kräfte in die Friedensbemühungen einzubeziehen. Wie zuletzt bei der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn im Dezember 2011 bekräftigt, unterstützt die Internationale Gemeinschaft diesen Prozess, hat ihre Unterstützung aber an die Einhaltung von Prinzipien geknüpft, zu denen auch die Achtung der in der Verfassung verankerten Menschenrechte gehören. Die Ermordung des Vorsitzenden des Hohen Friedensrates, Burhanuddin Rabbani, im September 2011 war ein schwerer Rückschlag für diesen Prozess, der gleichwohl 2011 an Dynamik gewonnen hat. Eine traditionelle Ratsversammlung in Kabul im November 2011 bekräftigte das Ziel der afghanischen Regierung, den Friedensprozess fortzusetzen. Gespräche mit führenden Vertretern des bewaffneten Aufstandes sollen den Weg zu einer Aussöhnung mit den Taliban und anderen regierungsfeindlichen Kräften bereiten, während gleichzeitig den einfachen Kämpfern und der mittleren Führungsebene eine legale zivile wirtschaftliche Perspektive und eine Reintegration in die Gesellschaft angeboten werden soll. Im Rahmen des Friedens- und Reintegrationsprogramms sollen Aufständische in Staat und Gesellschaft zurückgeholt werden. Nach anfänglichen Verzögerungen ist das Reintegrationsprogramm inzwischen erfolgreich angelaufen. Die Teilnehmerzahl steigt kontinuierlich und lag Mitte Dezember 2011 bei ca. 2.997 ehemaligen Kämpfern, davon rund die Hälfte im deutschen Verantwortungsbereich im Norden.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012„ Sitzung 6 und 7)
Sicherheitslage:
Nachdem die Streitkräfte der USA und Afghanistans von 2001 bis 2006 nur in geringerem Ausmaß mit Gewalt seitens aufständischer Gruppierungen konfrontiert waren, kam es insbesondere in den überwiegend paschtunisch bevölkerten östlichen und südlichen Landesteilen zu einem Anstieg der Gewalt. Als Gründe für die Verschlechterung der Sicherheitslage werden u.a. Korruption innerhalb der Regierung, die fehlende Präsenz von Regierung und Sicherheitskräften in vielen ländlichen Regionen, sowie die Tötung von ZivilistInnen bei Operationen von internationalen Truppen gesehen.
(Congressional Research Service, Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, vom 15.04.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012 )
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen stellt in einem Bericht an den Sicherheitsrat vom Februar 2011 fest, dass Angriffe von Aufständischen fortdauern und auch den bisher stabilen Norden und Westen des Landes erfasst haben. Auf der anderen Seite ist es zu einer Intensivierung der Operationen der internationalen und afghanischen Truppen zur Bekämpfung von Aufständischen gekommen. Das Eindringen von Kämpfern aus dem pakistanischen Raum hat ebenfalls zu einer Verstärkung der allgemeinen Unsicherheit beigetragen.
(UN-Security Council, Report of the Secretary-General on children and armed conflict in Afghanistan, vom 03.02.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
Bei den meisten sicherheitsrelevanten Ereignissen der vergangenen Monate handelte es sich um bewaffnete Kampfhandlungen und Anschläge mittels unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen. Gegen Ende des Jahres 2010 gab es im Durchschnitt 2,8 Selbstmordanschläge pro Woche (während des Jahres 2009 waren es im Durchschnitt 2,6). Vorfälle dieser Art konzentrierten sich vor allem auf die Stadt Kandahar und die umliegende Region. In der Stadt Kandahar kam es zwischen November 2010 und Jänner 2011 zu 20 Selbstmordanschlägen und 33 gezielten Ermordungen. In diesem Gebiet liegt auch der Schwerpunkt der Aktivitäten der afghanischen und internationalen Streitkräfte.
(UN-Security Council, Report of the Secretary-General, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, vom 09.03.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
In ihrem Halbjahresbericht zum Schutz von ZivilistInnen in bewaffneten Konflikten stellt die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan UNAMA eine Intensivierung des Konfliktes in den traditionellen Kampfgebieten im Süden und Südosten des Landes fest, gleichzeitig hätten sich die Kämpfe auch auf westliche und nördliche Landesteile erstreckt. Nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und regierungsfeindliche Elemente setzten unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen ein und verübten gezielte Tötungen von prominenten ZivilistInnen und Angriffe auf geschützte Einrichtungen wie Krankenhäuser.
(United Nations Assistance Mission in Afghanistan, Afghanistan Midyear Report 2011, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom Juli 2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen bemerkt in seinem Bericht vom 23. Juni 2011, dass die Zahl der Selbstmordanschläge seit März 2011 erheblich zugenommen hat.
(UN-Security Council, Report of the Security-General, The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, vom 23.06.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
Anlässlich der koordinierten Angriffe in Kabul am 13. September 2011 berichtet der Guardian, dass die Gewalt in Afghanistan das höchste Niveau seit dem Fall des Taliban-Regimes 2001 erreicht hat, mit zahlreichen Todesopfern bei Koalitionstruppen und Zivilbevölkerung.
(Guardian, Taliban assault on Kabul ends after 20 hours, vom 14.09.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
In den ersten 8 Monaten des Jahres 2011 hat es im Schnitt 2.108 sicherheitsrelevante Vorfälle gegeben. Gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr stellt dies einen Anstieg um 39 Prozent dar. Die Zahl der Selbstmordanschläge lag bis Ende August bei durchschnittlich 12 pro Monat und blieb damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum unverändert. Allerdings hat der Anteil komplexer Selbstmordanschläge in dieser Zeit um 50 Prozent zugenommen. 21 Prozent der Selbstmordanschläge wurden in Zentralafghanistan verübt. Der Fokus der Selbstmordattentate lag damit nicht mehr im Süden des Landes.
(UN-Security Council, Report of the Security-General, The situation and its implications for international peace and security, vom 21.09.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
Laut Voice of America sind aufständische Kämpfer im Jahr 2011 dazu übergegangen, Anschläge zu verüben, indem sie sich mit Burkas als Frauen tarnten und Bomben in Turbanen versteckten. Außerdem wurden vermehrt Kinder für Selbstmordanschläge rekrutiert.
(Voice of America, Afghan Insurgents Recruit Child Suicide Bombers, vom 30.12.2011; ACCORD, Themendossier, vom 12.01.2012)
Menschenrechte und Menschenrechtsorganisationen:
Die Menschenrechtssituation hat sich nicht wesentlich zum Positiven verändert. Die Lage der Frauen in der konservativ-islamischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die größte Bedrohung der Menschenrechte geht weiterhin von der bewaffneten Aufstandsbewegung aus.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012 , Sitzung 5)
Menschenrechtsorganisationen können ihrer Arbeit grundsätzlich frei nachgehen. Einschränkungen seitens der Regierung oder offene Behinderungen gibt es nicht, aber die Organisationen müssen das gesellschaftliche Klima berücksichtigen. Zahlreiche Personen, die sich in den letzten Jahrzehnten Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, sind nach wie vor in einflussreichen Positionen. Sie verfügen über erhebliches Droh- und Druckpotenzial, um gegen unerwünschte Aktivitäten einer noch schwachen, aber an Einfluss gewinnenden, Zivilgesellschaft vorzugehen. Als überaus wirkungsvolles Instrument erweisen sich dabei immer wieder Anschuldigungen, wonach bestimmte Verhaltens- und Vorgehensweisen angeblich gegen den islamischen und/oder paschtunischen Sitten- und Wertekanon verstoßen. Dies kollidiert häufig mit dem Grundrecht auf Meinungs-, Presse bzw. Medien- und Religionsfreiheit. Stimmen, die solchen Behauptungen offen widersprechen oder gar ihre Motivation laut hinterfragen, sind in Afghanistan bis auf den heutigen Tag kaum zu vernehmen. Die laufende Beobachtung und Bewertung ihres Handelns nach "Islamkonformität" engt auch den Handlungsspielraum der politischen Akteurinnen und Akteure ein.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012 , Sitzung 11)
Meinungs- und Pressefreiheit:
Artikel 34 der Verfassung gestattet die Meinungs- und Pressefreiheit. Allerdings gibt es große Einschränkungen für alle Inhalte, die sich im "Widerspruch zu den Prinzipien des Islam oder anstößig zu anderen Religionen oder Sekten" verhalten. Ein neu überarbeitetes Mediengesetz wurde durch eine Koalition von Behörden, Journalisten und Nichtregierungsorganisationen e im Jahr 2012 bei der Nationalversammlung eingereicht. Da es jedoch vier Mediengesetze seit März 2002 zugelassen sind, sind sich viele Journalisten nicht sicher, welches Mediengesetz zu beachten ist. Dies führt in der Praxis häufig zur Selbstzensur mit dem Hintergrund, kulturelle Normen nicht zu verletzen oder lokale Sitten zu missachten.
(U.K. Home Office, Border Agency, "Country of Origin Information Report: Afghanistan", 11.10.2011, Sitzung 106)
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:
Die Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Obwohl in einigen Fällen das Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird.
(U.S., Department of State, "Country Reports on Human Rights Practices: Afghanistan", 8.4.2011, Sitzung 9 - 12)
Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Verfassung (Artikel 34,) verankert, wobei auch hier ein
allgemeiner Islamvorbehalt gilt. In der Praxis sind sie - zumal im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht. Neben der staatlichen Rundfunkanstalt RTA gibt es über 25 private Fernsehsender in Kabul und ca. zehn weitere in den Provinzen. Die Hauptstadt zählt rund 25 Radiosender, hinzu kommen dutzende Radiostationen in anderen Regionen des Landes. Auch die Schriftpresse ist sehr bunt - obgleich die Auflagezahlen selbst einflussreicher Zeitungen immer noch recht gering sind. Die politische Ausrichtung der Medien ist weit gefächert. Sie reicht von westlich orientierten, regierungskritischen Sendern und Zeitungen bis hin zu solchen Unternehmen, die von lokalen Machthabern für die eigene Propaganda genutzt werden. Trotz sehr positiver Tendenzen im Vergleich zur Situation vor 2002 berichten Nichtregierungsorganisationen und Journalistenverbände immer wieder von Einschüchterungen gegenüber Journalistinnen und Journalisten von Seiten der Regierung, lokaler Machthaber und den Aufständischen - bis hin zu Todesdrohungen. Der Druck auf die Medien führt zum Teil zu einer Selbstzensur.
Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet. Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. um gegen soziale Missstände (z.B. Korruption), gegen die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom September 2010 oder die Tötung von afghanischen Zivilisten durch NATO-Truppen zu protestieren, aber auch zu politisch-religiösen Themen sowie zu ethnischen Konflikten. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. So führte z.B. ein Protestmarsch am 01.04.2011 gegen eine angekündigte Koran-Verbrennung in den USA zu einem tödlichen Angriff auf den UNAMA-Compound in Mazar-e Sharif, bei dem sieben internationale VN-Mitarbeiter und Wachmänner ums Leben kamen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, Sitzung 14 und 15)
Religionsfreiheit:
Die Verfassung besagt, dass der Islam die "Religion des Staates" ist und dass kein Gesetz im Widerspruch zu den Überzeugungen der heiligen Religion des Islam stehen darf. Im Jahr 2004 wurde die Verfassung dahingehend novelliert, dass sowohl Schiiten als auch Sunniten gleichberechtigt behandelt werden. Die Verfassung gewährt Anhängern anderer Religionen ihren Glauben frei ausüben und durchführen zu dürfen.
In der Praxis hat sich die Religionsfreiheit vor allem für christliche Gruppen und Einzelpersonen innerhalb der letzten Monate verschlechtert.
(U.S., Department of State, "International Religious Freedom Report 2010: Afghanistan", 17.11.2010, Sitzung 1)
Nach offiziellen Schätzungen sind 84% der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften (wie z. B. Sikhs, Hindus, Christen) machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Artikel 2 der Verfassung bestimmt, dass der Islam Staatsreligion ist. Die ebenfalls in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit gilt ausdrücklich nur für die "Anhänger andere Religionen als dem Islam" (Artikel 2, Absatz 2). Auf die Rechte von Muslimen wird kein Bezug genommen. Demnach besteht Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionswahl beinhaltet, für Muslime nicht. Allerdings hält die Verfassung auch die Gültigkeit der von Afghanistan ratifizierten internationale Verträge und Konventionen fest (Artikel 7), was aber wiederum im Lichte des Islamvorbehalts zu lesen ist.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, Sitzung 16)
Ethnische Minderheiten:
Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. In der Vergangenheit haben ethnische Spannungen oft zu gewaltsamen Auseinandersetzungen beigetragen. Insbesondere während des Bürgerkriegs zu Beginn der 90er Jahre verlief die politische Trennlinie weitgehend entlang ethnischer Grenzen. Auch heute haben gesellschaftliche und politische Konflikte häufig einen ethnischen
Hintergrund. Der Anteil der Volksgruppen wird wie folgt geschätzt:
Paschtunen ca. 38%, Tadschiken ca. 25%, Hazara ca. 19%, Usbeken ca. 6% sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Neben Dari und Paschtu wird weiteren Sprachen unter bestimmten Bedingungen ein offizieller Status eingeräumt. Das Parteiengesetz verbietet die Gründung politischer Parteien entlang ethnischer Grenzen; in der Regierung sind alle großen ethnischen Gruppen vertreten. Es gibt Bemühungen, Armee- und Polizeikräfte so zu besetzen, dass sämtliche Volksstämme angemessen repräsentiert sind, was in der Praxis zuweilen zu einer Überrepräsentation von ethnischen Minderheiten auch in Führungspositionen führt.
Die Situation der ethnischen Minderheiten hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft besonders für die traditionell diskriminierten Hazara verbessert, obwohl die hergebrachten Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestehen und gelegentlich wieder aufleben. Die Hazara sind in der öffentlichen Verwaltung zwar noch immer stark unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums.
In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, da sie in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten leiden. Die alljährlich in den Sommermonaten wiederkehrende Migration von Kutschis in fruchtbare Weidegebiete der sesshaften Hazara in der Provinz Wardak führte 2008 und 2010 zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die mitunter auch mit schweren Waffen ausgetragen wurden.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, Sitzung 16)
Justiz:
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber in der Praxis war die Justiz häufig mit zuwenig Geld und Personal ausgestattet und ein Spielball von politischem Einfluss und überall vorhandener Korruption. Bestechung, Korruption und Druck von öffentlichen Amtsträgern, Stammesführern, Familien der beschuldigten Personen und Personen, die mit dem Aufstand in Verbindung stehen, bedrohten die juridische Unabhängigkeit. Eine Ausnahme stellte das Anti-Drogen-Tribunal in Kabul dar. Die Gehälter der Mitglieder wurden von der internationalen Gemeinschaft mitfinanziert und sie arbeiteten in einem sicheren Gebäude. Internationale Organisationen berichteten, dass es keine Hinweise auf Korruption oder politischem Einfluss bei dessen Amtsträgern gab. Andere Gerichte judizieren uneinheitlich, da sie das kodifizierte Recht, die Scharia (Islamisches Recht) und das Gewohnheitsrecht mischen.
(U.S., Department of State, "Country Reports on Human Rights Practices: Afghanistan", 8.4.2011, Sitzung 8; vergleiche UNHCR, Eligibility Guidelines for Assessing the international protection needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 17.12.2010, Sitzung 4)
Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Weder besteht Einheitlichkeit der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), noch werden rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, Sitzung 4)
Sicherheitsbehörden:
Schwerpunkt der Tätigkeit der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF ist der Aufwuchs afghanischer Sicherheitskräfte. Diese sollen bis 2014 in die Lage versetzt werden, die Verantwortung für die Sicherheit des Landes zu übernehmen. Bis Ende 2013 soll dieser Übergang abgeschlossen sein. Im März 2011 hat Präsident Karsai die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in den drei Provinzen Panshir, Bamiyan, Kabul und in den vier Städten Masar-e Sharif, Herat, Lashkar Gahr, Mehterlam beschlossen (erste Tranche). Ende November 2011 hat er der zweiten Tranche von Gebieten zugestimmt, in denen die Transition
beginnen soll. Damit werden bis Frühjahr 2012 knapp die Hälfte der afghanischen Bevölkerung und etwa ein Drittel der Landesfläche formal in afghanischer Sicherheitsverantwortung liegen.
Der quantitative Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) läuft schneller als geplant. Die für den 31.10.2011 gesetzten Zielmarken von 171.600 Soldaten und 134.000 Polizisten wurden bereits im Spätsommer erreicht. Bis Ende Oktober 2012 soll der Aufwuchs
bei der afghanischen Nationalarmee (ANA) 195.000 Soldaten erreichen, bei der afghanischen
Polizei (ANP) 157.000 Polizisten. Der qualitative Aufwuchs der ANSF konnte allerdings mit
den quantitativen Ergebnissen in diesem Bereich noch nicht Schritt halten.
Zunehmend werden im Bereich der Polizei auch afghanische Polizeiausbilder ausgebildet, so dass der Ausbildungsbetrieb schrittweise in afghanische Hände übergeben werden kann.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, S.11 und 12)
Im öffentlichen Dienst wurde 2009 eine Reform beschlossen, um die Leistungsfähigkeit zu steigern und die Korruption zu bekämpfen. Staatsbedienstete werden besser ausgebildet und legen eine Prüfung ab. Vor allem junge Leute verdienen heute im öffentlichen Sektor mehr als früher. Viele Facharbeiter kombinieren ihr Einkommen, indem sie sowohl im öffentlichen als auch privaten Sektor tätig sind. So gibt es z.B. Ärzte, die Vormittags (8-15 Uhr) im staatlichen Krankenhaus arbeiten und Nachmittags (16-19 Uhr) in einer privaten Praxis/Krankenhaus. Das monatliche Einkommen kann sich dadurch auf bis zu 400 US-Dollar steigern.
(BAMF, Afghanistan, Erkenntnisse und Ergebnisse eines Expertenhearings vom 29.4.2010, Sitzung 35)
Die Stoßkraft der Taliban sei in weiten Teilen des Landes gestoppt und in einer Reihe wichtiger Gebiete rückgängig gemacht worden, gab der Oberbefehlshaber der Internationalen Schutztruppe Isaf bekannt. Die Taliban hätten Zufluchtsorte mit Schlüsselbedeutung verloren, zahlreiche ihrer Führer seien getötet oder gefangen genommen worden. Auf der anderen Seite sei es gelungen, hunderte Kämpfer wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
Zur selben Zeit sind sowohl die Zahl als auch die Fähigkeiten der afghanischen Sicherheitskräfte gestiegen und Fortschritte auf dem Gebiet der Regierungsführung und Entwicklung erzielt worden.
(APA, Petraeus sieht bedeutende Fortschritte in Afghanistan, 15.3.2011)
Das Ziel der NATO ist, dass die afghanischen Sicherheitskräfte bis Ende 2014 die Verantwortung für die Sicherheit in allen Provinzen übernehmen. In der ersten Phase des Übergangs soll die afghanische Armee die Sicherheitsverantwortung in bis zu vier Provinzen des Landes übernehmen.
(APA, NATO und USA sollen Operationen in Afghanistan einstellen, 13.3.2011; APA Karzai startet Übernahme der Verantwortung durch afghanische Armee, 20.3.2011)
Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:
Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen.
Präsident Karzai verkündete in den vergangenen Jahren wiederholt zu besonderen Anlässen Amnestien, die insbesondere Frauen, Kinder und ältere Gefängnisinsassen betreffen. Strafgefangene, die für terroristische Aktivitäten und Kapitalverbrechen verurteilt wurden, sind in der Regel hiervon ausgenommen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, S.18)
Im Januar 2010 wurde bekannt, dass das vom Parlament im Jahr 2007 verabschiedete Amnestiegesetz unter dem Datum 03.12.2008 im Amtlichen Gesetzblatt veröffentlicht worden war. Es sieht eine zeitlich unbegrenzte Generalamnestie für fast alle Vergehen und Verbrechen vor, die von bewaffneten Gruppierungen begangen wurden oder noch werden. Einzige Voraussetzung, um in den Genuss der Amnestie zu kommen, sind die Aufgabe des bewaffneten Kampfes und die Akzeptanz der geltenden Verfassungs- und Rechtsordnung. Das Gesetz schafft damit eine der Voraussetzungen für die Aussöhnung mit bzw. Reintegration von Aufständischen, untergräbt aber gleichzeitig Bemühungen um eine Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverbrechen der vergangenen 30 Jahre.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, S.18 und 19)
Todesstrafe:
Die Todesstrafe ist in der Verfassung wie auch im Strafgesetzbuch (1976) vorgesehen. Todesstrafe ist im afghanischen Recht für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen (z.B. Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit). Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei anderen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gerichtshof getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Eine
Kommission prüft alle Fälle, bevor diese dem Präsidenten zur Entscheidung vorgelegt werden.
Am 15.10.2002 wurde erstmalig seit Amtsantritt der Übergangsregierung in einem Verfahren die Todesstrafe verhängt und am 20.4.2004, nach Gegenzeichnung durch den Staatspräsidenten, durch Erschießen vollstreckt. Das Verfahren wurde damals von der VN-Sonderberichterstatterin zu extralegalen, willkürlichen und summarischen Tötungen als "nicht
fair" bezeichnet. Die letzte Vollstreckung fand im Juni 2011 statt (zwei Männer für mehrfachen Mordes im Zusammenhang mit einem Anschlag, für den die Taliban die Verantwortung übernommen hatten).
Über 100 zu Tode verurteilte Personen sind derzeit inhaftiert. Am 31.10.2010 hat Präsident Karzai den Leiter seines "Legal and Advisory Board" beauftragt, diese Fälle einer endgültigen Prüfung zu unterziehen. Das Ergebnis steht noch aus. Nach Informationen von amnesty international, die aus Sicht des Auswärtigen Amtes glaubwürdig erscheinen, wurden bei der Verhängung der Todesstrafe in der überwiegenden Anzahl der Fälle wesentliche internationale Verfahrensstandards außer Acht gelassen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, Sitzung 24)
Sozioökonomische und medizinische Lage:
Afghanistan gehört nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Insbesondere in ländlichen Gebieten haben die meisten Menschen kaum oder keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen und humanitärer Hilfe. Harte Winter, Dürren und Überschwemmungen verschärfen die Lage zusätzlich. Aufgrund der andauernden Gewalt, der politischen Instabilität sowie der extremen Armut und den zahlreichen Naturkatastrophen befindet sich das Land in einer humanitären Notlage.
Zugang zu Arbeit. Die Arbeitslosenrate in Afghanistan beträgt rund 40 Prozent. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt von weniger als 25 US-Dollar pro Monat, welche zur Befriedigung der Grundbedürfnisse notwendig sind. Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt etwa 35 US-Dollar - in scharfem Gegensatz dazu stehen die geschätzten 300 US-Dollar, welche die Taliban ihren Kämpfern monatlich bezahlen. Wegen der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung in Afghanistan können viele Menschen nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen. In Afghanistan besteht ein Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften, so beispielsweise im mittleren Management oder in der Buchhaltung.
Zugang zu Unterkünften. Die Zerstörung von Wohnhäusern während des Krieges, aber auch die andauernden Militäroperationen, Naturkatastrophen sowie die illegale Besetzung von Häusern durch lokale Machthaber oder Kommandierende haben zu Wohnungsknappheit und zu interner Vertreibung geführt. In Afghanistan verhindert die starke Verminung weiter Gebiete die Rückkehr von Flüchtlingen und intern Vertriebenen. 2010 kamen pro Monat 40 Menschen ums Leben. Die meisten Minenopfer sind Rückkehrende und IDPs.
Zugang zu Trinkwasser und Lebensmittel. Rund zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Neben der desolaten Sicherheitslage in weiten Gebieten des Landes verschärfen wiederkehrende Naturkatastrophen die Lebensmittelknappheit. Gemäss dem UNO-Sicherheitsrat benötigen 2011 rund 8 Millionen Einwohner Lebensmittelunterstützung, eine weitere Million Menschen sind auf landwirtschaftliche Nothilfe angewiesen.
Zugang zu Bildung. Gemäss afghanischem Bildungsministerium können 2011 lediglich 12 Prozent aller Frauen über 15 Jahre und 43 Prozent der Männer lesen und schreiben. Die Alphabetisierungsrate liegt bei 28 Prozent. Etwa die Hälfte aller Schulen in Afghanistan sind noch immer Provisorien, in denen oft weniger als vier Stunden pro Tag unterrichtet wird. Es fehlt an gut ausgebildetem Lehrpersonal und an geeignetem Lehrmaterial. In den umkämpften Gebieten besteht kein regulärer Schulbetrieb. Etwa fünf Millionen Kinder haben keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. In einigen Provinzen bleiben bis zu 80 Prozent der Schulen geschlossen, darunter vor allem auch Mädchenschulen. Zudem gibt es in drei Vierteln aller Distrikte noch immer keine weiterführenden Schulen für Mädchen. Der Mädchenbildung in Afghanistan drohen aufgrund der prekären Sicherheitslage, der verbreiteten Zwangsheiraten sowie der Armut erhebliche Rückschritte.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, Corinne Troxler Gulzar, vom 23.08.2011, Sitzung 18 und 19)
Die medizinische Infrastruktur in Afghanistan, welche aufgrund des jahrelangen Konflikts beschädigt, oder zerstört wurde wird allmählich durch die afghanische Regierung mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft neu aufgebaut. Das Gesundheitswesen zählt noch immer zu einem der schlechtesten auf der Welt. Die Mehrheit der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen. Krankheiten, Unterernährung und Armut sind weit verbreitet und schätzungsweise 6,5 Millionen Menschen bleiben auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die Weltbank, die United States Agency for International Development und die Europäische Gemeinschaft helfen dem afghanischen Ministerium für Gesundheit durch Nichtregierungsorganisationen eine medizinische Grundversorgung für die Bevölkerung zu etablieren. Die Hilfe umfasst Dienstleistungen für Mütter und neugeborene Kindern, wie Impfungen, Ernährung, Schutz vor übertragbaren Krankheiten, Erhaltung psychischer Gesundheit, Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten. Das Gesundheitsministerium hat ein Projekt gegründet, um die hohe Säuglings- und Müttersterblichkeit zu bekämpfen.
((U.K. Home Office, Border Agency, "Country of Origin Information Report: Afghanistan", 11.10.2011, S.2011)
Rückkehrfragen:
Im Rahmen des freiwilligen Rückkehrprogramms von UNHCR, das im März 2002 begann,
kehrten bislang etwa 4,6 Millionen Menschen aus Pakistan und dem Iran nach Afghanistan zurück. Die Provinz Kabul bildete dabei das wichtigste Ziel. Unter diesem Programm erhalten Rückkehrer für den Transport und als Starthilfe einen Betrag von durchschnittlich 150 US-Dollar. In den Jahren 2002 bis 2005 war eine massive Welle von freiwilligen Rückkehrern nach Afghanistan zu beobachten. Seitdem gehen die Zahlen der Rückkehrer zurück. Als Ursachen hierfür nennt UNHCR nicht zuletzt die sich verschlechternde Sicherheitslage und den Mangel an Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten in Afghanistan. Die Kapazitäten des Landes zur Aufnahme von Rückkehrern würden an ihre Grenzen stoßen, wodurch eine tragfähige Rückkehr und Wiedereingliederung in die afghanische Gesellschaft schwieriger denn je würden.
(Informationsverbund Asyl und Migration, Länderschwerpunkt Afghanistan, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, vom Dezember 2011, Asylmagazin, S.410 und 411)
Echte Dokumente unwahren Inhalts
Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden offenkundig ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach 23 Jahren Bürgerkrieg lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption.
Zugang zu gefälschten Dokumenten
Unter den soeben genannten Gesichtspunkten besteht kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten. Im Visumverfahren werden teilweise gefälschte Einladungen oder Arbeitsbescheinigungen vorgelegt. Nach Erkenntnissen des Dokumentenberaters am Flughafen Kabul werden durch die hohe Prüfqualität der Kontrollbeamten immer weniger gefälschte Reisedokumente vorgelegt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012, S 30)
(Beilage A zum Verhandlungsprotokoll)
Nach 23 Jahren Bürgerkrieg befindet sich Afghanistan auch gut acht Jahre nach dem Ende der Taliban-Herrschaft noch in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Weitere ganz erhebliche Anstrengungen sind nötig, um die bisherigen Stabilisierungserfolge zu sichern und die Zukunftsperspektiven der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern.
Zum dominierenden innenpolitischen Thema hat sich die Frage einer Aussöhnung mit den bewaffneten Aufständischen entwickelt. Eine "Friedens-Jirga" gab der Regierung von Präsident Hamid Karzai Anfang Juni 2010 "grünes Licht" für Gespräche mit den Taliban und anderen regierungsfeindlichen Kräften, bekräftigte aber gleichzeitig, dass jeder Ausgleich an die Aufgabe des bewaffneten Kampfes, die Anerkennung der Verfassung und der Loslösung von al-Qaida gebunden sein müsse.
Die Sicherheitslage ist regional sehr unterschiedlich. Die größte Bedrohung für die Bevölkerung geht weiterhin von der bewaffneten Aufstandsbewegung aus. Mehr als 85% der zivilen Opfer werden durch sie verursacht. Während vor allem im Süden und Südwesten stärker gekämpft wird, ist die Lage in Kabul vergleichsweise ruhig. Gleiches gilt für den Westen und Norden Afghanistans, wenngleich sich in Teilen des Nordens (Kundus, Takhar, Baghlan, Badghis und Faryab) die Sicherheitslage seit Anfang 2009 verschlechtert hat.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Aufgrund günstiger Witterungsbedingungen liegt die Erntebilanz 2010 immer noch deutlich über dem langjährigen Mittel, auch wenn sie etwas niedriger als 2009 ausgefallen ist. Dies hat zu einer signifikanten Verbesserung der Gesamtversorgungslage im Land geführt.
Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Weder besteht Einheitlichkeit der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), noch werden rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.
Die Menschenrechtssituation hat sich nicht wesentlich zum Positiven verändert. Die Lage der Frauen in der konservativ-islamischen Gesellschaft bleibt schwierig. Ein bislang weitgehend unbeachtetes Amnestiegesetz sieht eine zeitlich unbegrenzte Generalamnestie (also auf Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft anwendbar) für fast alle Verbrechen vor, die von bewaffneten Gruppierungen begangen wurden bzw. werden. Die größte Bedrohung der Menschenrechte geht ebenfalls von der bewaffneten Aufstandsbewegung aus, deren Intensität und regionale Ausbreitung bereits seit 2006 zunimmt.
Die humanitäre Situation stellt das Land vor allem mit Blick auf die mehr als 5,4 Millionen - meist aus Pakistan zurückgekehrten - Flüchtlinge vor große Herausforderungen. Gut 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge halten sich noch in Pakistan und in Iran auf. In Iran sind zusätzlich rund 2 Millionen afghanische Staatsangehörige nicht als "Flüchtlinge" anerkannt. Die Bemühungen des UNHCR um die Rückführung von Flüchtlingen werden durch die schlechte Sicherheitslage, die weitgehend fehlenden wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen zum Aufbau einer Existenz sowie die schwache Verwaltungsstruktur der Behörden beeinträchtigt.
Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
Die medizinische Versorgung ist - trotz erkennbarer Verbesserungen - aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Geräten, Ärztinnen und Ärzten sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals immer noch unzureichend. Afghanistan gehört weiterhin zu den Ländern mit den weltweit höchsten Kinder- und Müttersterblichkeitsraten. Nach Angaben von UNICEF liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei lediglich 44 Jahren. Auch in Kabul, wo es mehr Krankenhäuser als im übrigen Land gibt, ist für die Bevölkerung noch keine hinreichende medizinische Versorgung gewährleistet.
(Beilage C zum Verhandlungsprotokoll)
Konkret schätzt UNHCR die Situation in Helmand, Kandahar, Kunar und in Teilen der Provinzen Ghazni und Khost auf Grund der so hohen (i) Zahl von zivilen Todesopfern, (ii) Häufigkeit sicherheitsrelevanter Zwischenfälle und (iii) Anzahl von Personen, die auf Grund des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden, nach Informationen, die UNHCR zum jetzigen Zeitpunkt bekannt sind und zur Verfügung stehen, als eine Situation allgemeiner Gewalt ein. Somit können afghanische Asylsuchende, die zuvor in Helmand, Kandahar, Kunar und in Teilen der Provinzen Ghazni und Khost gelebt haben, auf Grund einer Furcht vor ernsthafter Bedrohung infolge von allgemeiner Gewalt internationalen Schutz im Rahmen von komplementären Schutzformen benötigen.
(Beilage D zum Verhandlungsprotokoll)
Die Sicherheitslage in Kabul wird von der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) als verhältnismäßig gut eingestuft. Es kommt bisweilen zu Anschlägen durch aufständische Gruppen, jedoch gehen die Menschen im Allgemeinen ohne Sicherheitsbedenken ihrem Alltag nach (AREU, Mai 2011, Sitzung 15). Das USDOS berichtet indes, dass Kabul im Jahr 2010 weiterhin ein zentrales Ziel von Anschlägen dargestellt hat (USDOS, 8. April 2011, Section 1a).
(Beilage E zum Verhandlungsprotokoll)
Die Sicherheitslage hat sich in Afghanistan 2010 sowie im ersten Halbjahr 2011 erneut dramatisch verschlechtert. Die Anschläge haben 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 64 Prozent zugenommen.18 Allein im Süden des Landes wurden 2010 dreimal so viele Menschen umgebracht oder hingerichtet wie 2009. 19 Entführungen sind 2010 um 83 Prozent gestiegen (251 Personen).20 Der Anschlag auf das Hotel Intercontinental in Kabul vom 29. Juni 2011, nur wenige Tage vor der beginnenden Übernahme der Verantwortung durch die afghanischen Sicherheitskräfte, hat nicht nur gezeigt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Sicherheit nicht alleine g ewährleisten können, sondern auch, dass die Lage äußerst prekär ist. Mit der massiven Aufstockung der US-Truppen vermochten die ausländischen Sicherheitskräfte zwar die Sicherheitsdynamik im Süden des Landes vorübergehend signifikant zu verändern. Die Intensivierung des Krieges im Süden führte jedoch zum Rückzug der Taliban aus den von ihnen kontrollierten Distrikten in bisher relativ ruhige und stabile Provinzen im Norden, Osten und Westen des Landes. Es ist daher höchst fraglich, ob die afghanischen Sicherheitskräfte nach der Verantwortungsübernahme die mühsam erkämpfte Stabilität aufrechtzuerhalten vermögen. Die auffälligsten und wichtigsten Trends 2010 bestanden in der Offensive der regi erungsfeindlichen Gruppierungen im Norden des Landes, welche sich auf die Störung der Nachschubrouten konzentrierte, die Ausnutzung ethnischer und politischer Spannungen im Norden sowie die Ermordung von Schlüsselfiguren der Regierung. Gemäss Angaben des deutschen Auswärtigen Amts ist die Sicherheit trotz der Präsenz internationaler Truppen im ganzen Land nicht gewährleistet. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, Ruhe und Ordnung durchzusetzen. 2010 stufte das UNHCR mehrere Regionen Afghanistans als Gebiete genereller Gewalt ein. Die Einstufung erfolgte aufgrund mehrerer kumulativer Indikatoren und war für die Provinzen Helmand, Kandahar, Kunar und Teile von Ghazni und Kost erfüllt.
(Beilage F zum Verhandlungsprotokoll)
Der Zugang zu psycho-sozialer Trauma-Behandlung ist in Afghanistan sehr limitiert bis nicht vorhanden. Auch wenn sich der größte Teil der wenigen Institutionen, die eine Behandlung anbieten, in Kabul befindet, ist das keine Gewähr, dass die jeweiligen Patienten Zugang erhalten. Ohne die Unterstützung der Familie ist die Behandlung nicht möglich. In diesem Sinne empfiehlt auch das UNHCR, wie oben beschrieben, dass traumatisierten AfghanInnen, welche eine Therapie benötigen, aus humanitären Gründen permanent oder zumindest temporär aufzunehmen sind.
(Beilage G zum Verhandlungsprotokoll)
Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem nur diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers. Zur Erkrankung des Beschwerdeführers ergeben sich die Feststellungen aus den vorgelegten Befunden und Arztbriefen. Die allgemeine Lage ergibt sich aus den angeführten Quellen, deren Inhalt nicht zu bezweifeln ist, und auch vom Beschwerdeführer nicht ausreichend konkret bestritten wurde.
Soweit der Beschwerdeführer Umstände vorbringt, wonach eine konkrete individuelle Gefährdung betreffend seine Person in Afghanistan bestünde, ist das Vorbringen aufgrund folgender Erwägungen nicht glaubhaft:
So ist schon darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer als Geburtsdatum römisch 40 angab, aber das Bundesasylamt ein gerichtsmedizinisches Gutachten einholte, demzufolge der Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 19 Jahren aufweise, das zum Zeitpunkt der Untersuchung geltend gemachte Alter von16 Jahren auf Grund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht ausgeschlossen werden könne. Daran erwies sich, dass der Beschwerdeführer nicht davor zurückscheut, vor den Asylbehörden unwahre Angaben zu tätigen. Schon das Bundesasylamt führte in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass der Beschwerdeführer nach Vorhalt des gerichtsmedizinischen Gutachtens angegeben hatte, dass seine Mutter ihm das Geburtsdatum römisch 40 gesagt habe, doch konnte der Beschwerdeführer nur das abendländische Datum und nicht das in Afghanistan übliche Datum in Shamsi nennen, man aber keinesfalls davon ausgehen kann, dass die Mutter des Beschwerdeführers ihm in Afghanistan das abendländische Datum genannt hätte. Auch die weitere Rechtfertigung des Beschwerdeführers, dass ein Dolmetscher das Geburtsdatum so übersetzt habe, geht ins Leere, da er hiefür sein Geburtsdatum in Shamsi hätte angeben müssen, was der Beschwerdeführer aber vor dem Bundesasylamt niemals konnte. All diese Ausführungen zeigen bereits auf, dass der Beschwerdeführer alles Mögliche vorbringt, ohne dass dieses Vorbringen den Tatsachen entspricht. Weiters ist es angesichts der Verhältnisse in Afghanistan auch nicht plausibel, dass die männlichen Familienmitglieder allesamt nach Kabul gezogen seien, bloß die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers in Kandahar verblieben wären, wo sie keinerlei Familienangehörige mehr gehabt hätten, die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers also unter keinem männlichen Schutz in ihrer Heimat gestanden wären, zumal der Beschwerdeführer die Frage nach weiteren Familienangehörigen in Kandahar verneinte. Weiters gab der Beschwerdeführer vor dem Asylgerichtshof auf mehrere Fragen die Antwort, das wisse er nicht, etwa auf die Frage, wie alt der Beschwerdeführer war, als seine Mutter seinen Bruder zum Onkel nach Kabul schickte, er konnte nicht einmal die Frage beantworten, ob er damals noch ein Kind oder schon erwachsen gewesen sei, auch auf diese Fragen antwortete er, das wisse er nicht. Er konnte vorerst auch nicht sagen, wie lange er mit seiner Mutter und seiner Schwester in Kandahar allein gelebt habe, auf die Frage, ob es sich um ein paar Wochen, ein paar Monate oder ein paar Jahre gehandelt habe, führte er wiederum aus, das könne er nicht sagen. Erst über mehrere Nachfragen gab er dann doch an, dass es sich um einige Monate gehandelt habe, einen genaueren Zeitraum könne er nicht sagen. All diese völlig vagen Antworten auf einfache Fragen, zeigen ebenfalls bereits in eindeutiger Weise auf, dass der Beschwerdeführer jeweils nicht bei den Tatsachen geblieben ist. Der Beschwerdeführer führte in seinem Vorbringen auch an, dass eine Feindschaft bestanden habe, wobei er beim Asylgerichtshof hier nichts Näheres zu dieser Feindschaft nennen konnte, wogegen er jedoch in seiner Beschwerdeergänzung behauptete, dass die Feindschaft bereits seit langer Zeit bestehe, es handle sich dabei um eine Art Blutrache, es seien auf Seiten seiner Familie Angehörige getötet worden und auch auf deren Seite, die Gefahr gehe vor allem von römisch 40 aus, warum er dann aber beim Asylgerichtshof diesbezüglich nichts mehr nennen konnte, kann nicht nachvollzogen werden. Nicht nachvollziehbar bleibt auch, wenn der Beschwerdeführer angab, dass er nicht nach Kabul zurückkehren könne, dort lebten die römisch 40 , er nachgefragt ausführte, es habe früher Feindschaften mit ihnen gegeben, diese habe sein Vater gehabt, davon wisse er nichts, warum, wenn es doch in Kabul diese Feindschaft gegeben habe, sein Vater, sein Bruder und auch er selbst von Kandahar nach Kabul gegangen wären und noch dazu die Mutter und die Schwester alleine in Kandahar zurückgelassen hätten. Gab der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt zu Protokoll, dass er zwei Monate lang geschlagen worden sei, bis er schließlich einem Kommandanten den Namen seines Onkels genannt habe, dann sei er nicht mehr misshandelt worden, man habe ihn in Ruhe gelassen, die restlichen fünf Monate habe er deren Waffen putzen müssen, gegen Bezahlung von 60.000 Dollar habe man ihn dann frei gelassen, so gab er demgegenüber beim Asylgerichtshof auf die Frage, warum die Misshandlungen nach etwa zwei Monaten geendet hätten, an, er wisse es nicht, er sei dann unterrichtet worden. Über Vorhalt beim Asylgerichtshof, warum er beim Bundesasylamt ausgesagt habe, dass die Misshandlungen aufgehört hätten, nachdem er seinen Onkel dort genannt hätte, gab er an, er wisse es nicht, warum die Misshandlungen damals aufgehört hätten, er habe nur einem Mann die Telefonnummer seines Onkels gegeben, danach sei er nicht misshandelt worden, anstatt dessen habe er religiösen Unterricht bekommen, er glaube, dass in dieser Talibangruppe jemand dabei gewesen sei, der seinen Onkel gekannt habe, er könne sich daran nicht erinnern. Weshalb er aber auf die Frage beim Asylgerichtshof, warum die Misshandlungen geendet hätten, vorerst noch angab, er wisse es nicht, er also von sich aus seinen Onkel hier nicht ins Spiel brachte, kann nicht nachvollzogen werden. In seiner Eingangsgeschichte beim Asylgerichtshof brachte der Beschwerdeführer als Grund, weswegen er nicht mehr seitens der Taliban misshandelt worden sei, den Umstand ins Treffen, dass sie vermutlich darauf gekommen seien, dass er kein Dolmetscher mehr sei, sie ihn nicht mehr so misshandelt hätten, er habe dann für sie putzen müssen, er habe Tee für sie vorbereiten müssen, sie hätten ihm dann religiösen Unterricht gegeben, sie hätten aus ihm einen Selbstmordattentäter machen wollen. Erst in der Folge sprach er davon, dass er einem Mullah die Telefonnummer seines Onkels gegeben habe, bereits ein paar Tage später, als der Mullah eines Abends gekommen sei, habe er ihm gesagt, dass er schnell mitgehen solle, schilderte hier also bereits seine Freilassung, was mit seinen Aussagen beim Bundesasylamt, dass die Misshandlungen aufgehört hätten, nachdem er den Namen seines Onkels genannt habe, nicht in Einklang zu bringen ist, ebenso wenig seine Rechtfertigung auf den entsprechenden Vorhalt, dass er nur einem Mann die Telefonnummer seines Onkels gegeben habe, danach sei er nicht mehr misshandelt worden, sprach er doch bei seiner Eingangsgeschichte noch davon, dass er bereits ein paar Tage nach der Weitergabe der Telefonnummer frei gelassen worden wäre, wogegen aber die Misshandlungen nach seinen Angaben bereits nach zwei Monaten aufgehört hätten, er aber insgesamt sieben Monate festgehalten worden sei, wobei er über Nachfrage angab, dass er nur einmal die Telefonnummer weitergegeben habe. Zudem gab er beim Bundesasylamt noch an, dass er die restlichen fünf Monate deren Waffen hätte putzen müssen, wogegen er in seiner Beschwerdeergänzung behauptete, dass er nicht nur Gewalt erfahren habe, sondern die Taliban hätten auch verlangt, dass er den Koran lerne, beim Asylgerichtshof gab er an, dass man ihn unterrichtet habe, sodass diese Vorbringen beim Bundesasylamt noch keinerlei Erwähnung fanden. Aus den Aussagen beim Bundesasylamt ergibt sich, dass sein Vater und sein Onkel zusammengearbeitet hätten, wogegen der Beschwerdeführer beim Asylgerichtshof angab, dass sein Vater und sein Onkel nicht zusammengearbeitet hätten. Über entsprechenden Vorhalt behauptete der Beschwerdeführer dann zwar, das müsse ein Missverständnis sein, er habe damals einen iranischen Dolmetscher gehabt, doch ist dem entgegen zu halten, dass an mehreren Stellen beim Bundesasylamt sich ergibt, dass der Vater und der Onkel zusammengearbeitet hätten, etwa in der Aussage, "Er verkaufte Container. Mein Vater hat die Container aufgestellt", oder er etwa auf den Vorhalt beim Bundesasylamt, wie er erklären könnte, dass die Feinde seines Vaters gegen seinen Onkel nichts unternähmen, wenn sein Vater doch für seinen Onkel gearbeitet habe, er angab, "Mein Onkel hat nur verkauft und mein Vater hat die Container aufgestellt" über weiteren Vorhalt des Bundesasylamtes, wenn die Feindschaft gegen seinen Vater entstanden sei, weil dieser für die Amerikaner aufgestellt habe, müsste die Feindschaft auch gegen den Onkel bestehen, zumal dieser die Container an die Amerikaner verkauft habe, gab der Beschwerdeführer an, "Die Amerikaner haben mit meinem Onkel nicht direkt zu tun gehabt", sodass sich aus all diesen Aussagen in eindeutiger Weise entnehmen lässt, dass hier eine Zusammenarbeit zwischen Onkel und Vater stattgefunden hätte, wurde dem Beschwerdeführer das Protokoll beim Bundesasylamt rückübersetzt und beantwortete er die Frage, ob es mit dem Dolmetscher Verständigungsprobleme gegeben habe, mit nein, sodass nicht ersichtlich ist, dass es hier an Verständigungsprobleme gelegen wäre, die zu derart widersprüchlichen Aussagen geführt hätten.
Insgesamt betrachtet weisen die Aussagen des Beschwerdeführers Widersprüche auf, sind diese unplausibel und oftmals vage, hat der Beschwerdeführer nachweislich in Zusammenhang mit seinem Alter nicht die Wahrheit gesagt, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer konkreten individuellen Bedrohungssituation in seiner Heimat den Tatsachen entspräche.
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Gemäß Paragraph 23, des Asylgerichtshofgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, 4 aus 2008, idgF (AsylGHG), sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100 nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Zu Spruchpunkt 1.:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.
Umstände, die individuell und konkret den Beschwerdeführer betreffen und auf eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers hindeuten könnten, konnten nicht festgestellt werden. Demzufolge ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgungsgefahr. So kommt es aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse an. Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe. Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste vergleiche etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, und den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 sowie EGMR 13.10.2011, Urteil 10611/09, Husseini gg. Schweden).
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, und auch keine Hinweise dafür bestehen, dass sich aus der allgemeinen Situation allein diesbezüglich etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe.
Zu Spruchpunkt 2.:
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Artikel 3, EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind vergleiche EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).
Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer psychisch erkrankt ist, ein Umstand, den das Bundesasylamt in seine Betrachtungen nicht mit einbezog, weiters ergibt sich aus den Feststellungen, dass die medizinische Versorgung für psycho-soziale Trauma in Afghanistan sehr limitiert bis nicht vorhanden ist und dass die Lage in der engeren Heimat des Beschwerdeführers, nämlich in Kandahar, besonders prekär ist, sodass letztlich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete, womit die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten geboten ist.
Zu Spruchpunkt 3.:
Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG ist einem Fremden, dem der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Da im gegenständlichen Fall der Asylgerichtshof die "zuerkennende Behörde" ist, ist dieser gehalten, gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der gesetzlich vorgesehenen Dauer zu erteilen.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.