Asylgerichtshof
23.03.2012
D19 317705-5/2012
D19 317705-5/2012/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat gemäß Paragraph 61, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, (AsylG 2005) und Paragraph 66, Absatz 4, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Beisitzerin über die Beschwerde von römisch 40 , StA.: Russische Föderation, vom 18.01.2012 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.12.2011, Zl. 10 09.136-BAI, zu Recht erkannt:
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen.
römisch II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 abgewiesen.
römisch III. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 wird römisch 40 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit aus Tschetschenien zu sein. Sie reiste ihrem Vorbringen zufolge gemeinsam mit ihren volljährigen Söhnen römisch 40 (protokolliert zur Zl. D19 317704 des Asylgerichtshofes), und römisch 40 (protokolliert zur Zl. D19 317666 des Asylgerichtshofes), am 25.07.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Ihr Ehemann römisch 40 (protokolliert zur Zl. D19 306149 des Asylgerichtshofes), reiste seinem Vorbringen zufolge bereits am 07.11.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.11.2005 einen (ersten) Antrag auf Gewährung von Asyl.
Am 25.07.2007 stellte die Beschwerdeführerin einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung am 26.07.2007 verwies die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer eigenen Ausreisegründe auf die Verfolgung ihres Ehemannes sowie jene ihrer Söhne. In ihrer Einvernahme am 17.08.2007 fügte sie hinzu, dass sie "auch vom FSB und von der Miliz" verhört worden sei. In erster Linie sei sie wegen ihrer Söhne ausgereist. Hinsichtlich ihrer eigenen Fluchtgründe brachte sie u.a. in ihrer Einvernahme am 29.01.2008 vor, persönlich ebenfalls Probleme gehabt zu haben. Sie sei immer wieder von Personen in Zivilkleidung oder Uniform aufgesucht und nach dem Verbleib ihres Ehemannes befragt worden.
Mit Bescheid vom 31.01.2008, Zl. 07 06.762-BAI, wies das Bundesasylamt den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ab und stellte fest, dass der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation nicht zuerkannt werde; gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt die Identität und Nationalität der Beschwerdeführerin fest. Ihr Fluchtvorbringen erachtete es - mit ausführlicher Begründung - als unglaubwürdig.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat, in der sie u.a. auf ihre schlechte psychische Befindlichkeit hinwies und ankündigte, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.
Mit Schriftsatz vom 24.04.2008 legte die Beschwerdeführerin eine psychologische Bestätigung vom 03.04.2008 vor, derzufolge sie wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung bei einer klinischen Psychologin bzw. Gesundheitspsychologin in psychologischer Beratung sei.
Am 30.04.2008 führte der Unabhängige Bundesasylsenat - nach Verbindung des Verfahrens mit den Berufungsverfahren der beiden Söhne und des Ehemannes der Beschwerdeführerin - eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin als Grund die Schwierigkeiten ihres Ehemannes anführte und auf Nachfrage nach einer eigenen persönlichen Bedrohung vorbrachte, "in der letzten Zeit schon" - ebenso wie ihre Kinder - bedroht worden zu sein. Es seien "verschiedene Leute" gekommen, wie die örtliche Miliz; sie kenne sich jedoch "da nicht so aus". Hinsichtlich ihrer psychischen Verfassung gab die Beschwerdeführerin an, nicht regelmäßig zu psychologischen Gesprächen zu gehen.
In der vom Asylgerichtshof fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.04.2009 brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, nunmehr lediglich eine Gruppentherapie bei einer Psychologin alle zwei Wochen zu besuchen. Eine psychologische Behandlung habe sie abgebrochen, da ihr "davon schlecht geworden" sei. Befragt zu ihren Ausreisegründen führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie teils mit dem FSB, teils mit der Miliz Probleme gehabt habe und "jedes Mal" der leitende Milizinspektor des Bezirks nach dem Verbleib ihres Ehemannes gefragt habe. Dieser habe politische Probleme gehabt, weil er am Krieg teilgenommen und unter Dudajew und Maschadow gearbeitet habe. Die Beschwerdeführerin sei gewarnt worden, auf ihre erwachsenen Söhne "aufzupassen".
Mit Erkenntnis vom 26.06.2009, Zl. E6 317705-1/2008/11E, wies der Asylgerichtshof die (als Berufung erhobene) Beschwerde gemäß Paragraphen 3,, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet ab. In seiner Begründung traf der Gerichtshof Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Russischen Föderation und in Tschetschenien. Im Hinblick auf die medizinische Versorgungslage in Tschetschenien stellte der Asylgerichtshof insbesondere fest, dass nach Auskunft des Russischen Roten Kreuzes in Tschetschenien alle medizinischen Behandlungen - außer solchen, die besonderen "high tech" bedürfen - verfügbar seien und das Danish Refugee Council 2007 vier psychosoziale Rehabilitationszentren in römisch 40 errichtet habe.
Ferner stellte der Asylgerichtshof die Identität und Nationalität sowie den Familienstand der Beschwerdeführerin fest, nicht jedoch, dass ihr in ihrer Heimat eine asylrelevante oder sonstige Verfolgung drohen würde. Das Fluchtvorbringen legte der Asylgerichtshof mangels Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe seinen Feststellungen nicht zugrunde. Beweiswürdigend führte er dazu u.a. aus, dass die Beschwerdeführerin selbst keine eigenen Gründe für ihre Ausreise vorgebracht habe und ihre Fluchtgründe im Wesentlichen auf jene ihres Ehemannes sowie ihrer beiden Söhne gestützt habe, die jedoch nicht als glaubwürdig erachtet hätten werden können. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sowie ihre Söhne hätten sich im gesamten Verlauf ihrer jeweiligen Asylverfahren in mannigfaltige Widersprüche verwickelt, weshalb ihr Vorbringen insgesamt unplausibel gewesen sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei auch mit den Fluchtgründen ihres Ehemannes und ihrer Söhne nicht in Einklang zu bringen gewesen. Auch die Tatsache, dass für die gesamte Familie der Beschwerdeführerin in zeitlicher Nähe zur Ausreise Pässe durch die staatlichen Behörden ausgestellt worden seien, mit welchen auch eine legale und problemlose Ausreise aus Tschetschenien möglich gewesen sei, lege nahe, dass die Behörden keinerlei Interesse an der Familie gehabt hätten. Insbesondere würden laut Auskunft der Direktorin von VESTA nicht einmal mehr die Familienangehörigen von früheren Kämpfern in Tschetschenien verfolgt. Aus den Länderfeststellungen könne nicht der Schluss gezogen werden, dass alle Tschetschenen in Russland einer politischen oder ethnischen Verfolgung ausgesetzt wären.
Der Asylgerichtshof - so die Entscheidungsbegründung weiters - habe sowohl nach Durchsicht des Aktes als auch nach persönlicher Anhörung in der Verhandlung (entgegen den Beschwerdebehauptungen) keinerlei Gründe dafür finden können, dass die Beschwerdeführerin zur Erstattung eines widerspruchsfreien und konkreten Vorbringens nicht in der Lage gewesen wäre. Die Bestätigung über die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung lasse noch nicht erschließen, dass diese Krankheit tatsächlich vorliege, wobei nähere Erhebungen allerdings vernachlässigt werden hätten können: Die Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung - würde sie im vorliegenden Fall gegeben sein - sei zumindest in vier psychosozialen Rehabilitationszentren in Tschetschenien behandelbar und habe daher keinerlei Entscheidungsrelevanz im vorliegenden Fall. Die Beschwerdeführerin habe in der Berufungsverhandlung am 30.04.2008 auf konkrete Nachfrage die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens ausdrücklich nicht beantragen wollen und behauptet, ihre Therapie nicht regelmäßig in Anspruch zu nehmen. Aus dem sorglosen Umgang mit der psychologischen Therapie lasse sich der Schluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin auf eine Therapie nicht angewiesen bzw. diese nicht lebensnotwendig für sie sei. Außerdem - wiederholte der Gerichtshof - sei diese Erkrankung sowohl in der Russischen Föderation als auch in Tschetschenien behandelbar.
Rechtlich folgerte der Asylgerichtshof daraus, dass die Voraussetzungen für eine aktuelle Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention nicht gegeben seien. Was die psychische Konstitution der Beschwerdeführerin anbelangt, verwies der Asylgerichtshof hinsichtlich der Zulässigkeit einer Abschiebung aus dem Blickwinkel des Artikel 3, EMRK - nach ausführlicher Darstellung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes zur Abschiebung kranker Personen - darauf, dass bei der Beschwerdeführerin eine lebensbedrohende Erkrankung nicht vorliege, da die Beschwerdeführerin (bei Wahrunterstellung des Vorliegens einer Posttraumatischen Belastungsstörung) transportfähig und diese Erkrankung auch gemäß den Länderfeststellungen in Tschetschenien behandelbar wäre. Da die Beschwerdeführerin nicht in einer regelmäßigen bzw. stationären Behandlung stehe, an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide und in ihrer Heimat mit familiärer Unterstützung rechnen könne, sei die Erheblichkeitsschwelle des Artikel 3, EMRK nicht erreicht. Der Annahme, dass aus der psychischen Erkrankung unter Zugrundelegung der Länderfeststellungen kein Abschiebeschutz abzuleiten sei, stehe auch nicht entgegen, dass die Behandlung in Tschetschenien kostenpflichtig und schwer zu erhalten sei, da in dieser Hinsicht das Vorhandensein von Behandlungsmöglichkeiten (wenn auch längere Anreisewege in Kauf genommen werden müssten) maßgeblich sei. Hinsichtlich der verfügten Ausweisungsentscheidung hob der Asylgerichtshof die relativ kurze Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin in Österreich hervor und gelangte im Rahmen einer Interessenabwägung zu einem Überwiegen öffentlicher Interessen zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.
Dieses Erkenntnis wurde am 30.06.2009 rechtswirksam zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Am 07.07.2009 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
In ihrer Erstbefragung am Tag der Antragstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, eine negative Entscheidung über ihren ersten Asylantrag erhalten zu haben und neuerlich um Asyl ansuchen zu wollen, da sie Österreich nicht verlassen wolle. Ihr Ehemann könne nun beweisen, dass die gesamte Familie Probleme habe und in Lebensgefahr sei.
Am 13.07.2009 teilte das Bundesasylamt der Beschwerdeführerin seine Absicht mit, den Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Im Rahmen ihrer Einvernahme am 15.07.2009 führte die Beschwerdeführerin zu ihrer gesundheitlichen Verfassung aus, gegen Magen- und Gelenksschmerzen Medikamente einzunehmen und Gespräche mit einer Psychologin zu führen. Zu diesen Gesprächen näher befragt, erwiderte die Beschwerdeführerin, kurz nach ihrer Einreise nach Österreich betreut worden zu sein, aber dann aufgehört zu haben, "dort hin zu gehen", da es ihr "noch schlechter gegangen" sei. Dazu legte sie eine "psychologische Bestätigung" vom 09.07.2009 vor, aus der eine psychologische "Beratung" der Beschwerdeführerin wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung im Jahr 2008 sowie ihre regelmäßige Teilnahme an einer Frauengruppe seit Februar 2009 hervorgeht.
Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab die Beschwerdeführerin an, dass sie aus den bereits im vorangegangenen Verfahren genannten Gründen nicht in ihre Heimat zurückkehren könne; andere Gründe gebe es nicht. Sie ersuche um nochmalige ausführliche Überprüfung ihres Antrages.
Mit Schriftsatz vom 17.07.2009 gab die Beschwerdeführerin über ihren Vertreter bekannt, dass sie wegen "psychischer Auffälligkeiten, die sich schon länger manifestiert haben", in das römisch 40 gebracht worden sei und über eine mögliche stationäre Aufnahme am Montag (offenbar: römisch 40 ) entschieden würde. Ferner kündigte der Vertreter die "umgehende" Vorlage eines entsprechenden Berichtes an. Außerdem wurden ein Befund des Landeskrankenhauses römisch 40 vom 28.02.2008 über die Behandlung eines Sactosalpinx und eines Myoms der Gebärmutter, das Unterstützungsschreiben einer österreichischen Bekannten der Familie der Beschwerdeführerin, das Schreiben einer Sozialarbeiterin über die Bemühungen der Beschwerdeführerin um Integration in Österreich sowie Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vorgelegt.
Mit Bescheid vom 24.07.2009, Zl. 09 08.005-EAST Ost, wies das Bundesasylamt diesen zweiten Antrag gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies ferner die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt u.a. die Nationalität der Beschwerdeführerin sowie überdies fest, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der nicht bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren der Beschwerdeführerin berücksichtigt worden wäre, vorliege. Die Begründung des neuerlichen Antrages reiche nicht aus, einen neuen (gegenüber dem früheren Sachverhalt wesentlich geänderten) entscheidungswesentlichen Sachverhalt entstehen zu lassen. Die allgemeine Situation in der Russischen Föderation habe sich im Vergleich zum vorangegangenen Verfahren nicht zu Ungunsten der Beschwerdeführerin geändert. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in Artikel 3 und 8 EMRK könne unter Beachtung aller bekannten Tatsachen nicht erkannt werden. Beweiswürdigend verwies das Bundesasylamt darauf, dass die Beschwerdeführerin ihre psychologische "Beratung" unterbrochen habe und seit Februar 2009 an einer "Frauengruppe" teilnehmen würde. Nach Mitteilung von der Einlieferung der Beschwerdeführerin in das römisch 40 seien bis "dato diesbezüglich jedoch" keine Befunde oder ärztliche Bestätigungen eingelangt. Eine allfällige psychische Erkrankung sei im Übrigen bereits im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.06.2009 im vorangegangenen Verfahren gewürdigt worden. Unter Berufung auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Artikel 3, EMRK vertrat das Bundesasylamt die Ansicht, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation keine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde, da kein Fremder das Recht habe, lediglich wegen besseren Behandlungsmöglichkeiten in einem Aufenthaltsstaat zu verbleiben. Was die Fluchtgründe anbelangt, habe sich die Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen im ersten Verfahren gestützt und keinen neuen Sachverhalt vorgebracht. Die im vorigen Verfahren geltend gemachten Ausreisegründe seien als unglaubwürdig eingestuft worden. Der vorliegende Antrag diene lediglich der Überprüfung einer bereits rechtskräftigen Entscheidung und sei deshalb gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG zurückzuweisen. Seine Ausweisungsentscheidung begründete das Bundesasylamt nach Wiedergabe der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts mit einer Interessenabwägung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wies die Beschwerdeführerin u.a. darauf hin, sich in psychiatrischer Behandlung zu befinden und "wohl auch stationär aufgenommen" zu werden. Abschließend vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass "in Zusammenhang mit [ihrer] Erkrankung und dem übrigen Vorbringen [...] wohl seitens der Berufungsbehörde umfangreiche Erhebungen durchzuführen" sowie medizinische Gutachten einzuholen sein würden, "um die Richtigkeit [ihres] Vorbringens" feststellen zu können. Ferner wurden mit der Beschwerde medizinisch-psychiatrische Befunde vom 04.08.2009 und 06.08.2009 des römisch 40 hinsichtlich der Beschwerdeführerin übermittelt. Im Befund vom 04.08.2009 von römisch 40 wird eine Posttraumatische Belastungsstörung bei der Beschwerdeführerin diagnostiziert. Dem Befund von römisch 40 vom 06.08.2009 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in der Ambulanz der Psychiatrischen Abteilung in medikamentös-psychiatrischer Behandlung stehe und an einer Posttraumatischen Belastungsreaktion sowie narzisstischen Persönlichkeitsstörung bzw. emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ leide; die Beschwerdeführerin sei an einer "psychosewertigen psychiatrischen behandlungsbedürftigen Erkrankung erkrankt", und es drohe bei zusätzlichen seelischen Belastungen (wie im Falle einer Abschiebung nach Tschetschenien) die Gefahr des Ausbruchs in eine "akute gemischt-depressive und schizophreniforme Psychose (inkl. Suizidalität)". Fachpsychiatrisch werde empfohlen, eine Rückführung "wegen florider psychosewertiger psychiatrischer Erkrankung und der medikamentös-psychiatrischen Behandlungsnotwendigkeit am Ort auszusetzen". Schließlich wird - ohne nähere Erläuterung - eine Hepatitis B- und C-Infektion diagnostiziert. Dem Befund ist ein handschriftlicher Befundbericht von römisch 40 vom 23.07.2009 beigelegt.
Mit Erkenntnis vom 27.11.2009, Zl. D6 317705-2/2009/3E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG ab und behob allerdings den bekämpften Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 41, Absatz 3, AsylG 2005.
Im Hinblick auf Spruchpunkt römisch eins. schloss sich der Asylgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde an, dass die Beschwerdeführerin ihren zweiten Antrag im Wesentlichen auf jene Fluchtgründe gestützt habe, die sie bereits im vorangegangenen ersten Verfahren vorgebracht habe, weshalb es der belangten Behörde verwehrt gewesen sei, das nunmehrige Fluchtvorbringen einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. Was die gesundheitliche Verfassung der Beschwerdeführerin anbelangt, verwies der Asylgerichtshof auf die im Erkenntnis vom 26.06.2009 festgestellte medizinische Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen in Tschetschenien bzw. in der Russischen Föderation. Mangels Änderung des maßgeblichen Sachverhalts habe die belangte Behörde den zweiten Antrag zutreffend wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Den Spruchpunkt römisch II. behob der Asylgerichtshof mit dem Hinweis auf den Umstand, wonach angesichts der im Befund vom 06.08.2009 dargelegten psychischen Verfassung der Beschwerdeführerin im Entscheidungszeitpunkt nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine sofortige Durchführung der Ausweisung mit Artikel 3, EMRK in Widerspruch geraten könnte. So könne eine schwere psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin entsprechende Vorkehrungen und Vorbereitungen sowie - daran anknüpfend - allenfalls einen Aufschub der Abschiebung iSd Paragraph 10, Absatz 3, AsylG 2005 erforderlich machen, um die konventionskonforme Rückführung im vorliegenden Fall zu gewährleisten. Da diese jedoch nähere Ermittlungen über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin voraussetzen würden, würde das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigen-Gutachtens zu erheben haben, inwieweit die Beschwerdeführerin derzeit an einer psychischen Erkrankung leide und welche Folgen eine Überstellung unter Berücksichtigung aller Umstände für ihr psychisches Befinden habe.
Im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.01.2010 verneinte römisch 40 , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, das Vorliegen einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung der Beschwerdeführerin; auch sonstige psychische Krankheitssymptome lägen nicht vor. Es ergäben sich derzeit keine sicheren Hinweise auf eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung oder Traumatisierung.
Mit Bescheid vom 24.02.2010, Zl. 09 08.005-2-EAST Ost, wies das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren die Beschwerdeführerin abermals gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. In seiner Begründung vertrat das Bundesasylamt die Ansicht, dass unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände bestünden, welche einer Ausweisung (der Beschwerdeführerin) aus dem österreichischen Bundesgebiet entgegenstünden. Im ersten Verfahren seien alle bis zur Entscheidung dieses Verfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden, sodass darüber nicht neuerlich zu entscheiden sei. Das gesamte erste Verfahren beruhe auf einem nicht glaubhaften Vorbringen. Die maßgebliche allgemeine Lage in der Russischen Föderation habe sich im Vergleich zum ersten Verfahren nicht zu Ungunsten der Beschwerdeführerin geändert. Die Beschwerdeführerin sei am 20.01.2010 psychologisch untersucht worden, wobei der untersuchende Arzt - unter Beachtung der vorgelegten Vorgutachten und Befunde - weder eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung noch sonstige psychische Krankheitssymptome feststellen habe können. Vor dem Hintergrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte könne somit jedenfalls nicht erkannt werden, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation eine Verletzung der Rechte gemäß Artikel 3, EMRK darstellen würde, da bei der Beschwerdeführerin nicht das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben sei und in der Russischen Föderation verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar seien. Der Eingriff in das Privatleben sei nicht schwerwiegender als das öffentliche Interesse Österreichs an einer Ausweisung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung im Fremdenpolizei- und Zuwanderungswesen. Dies ergebe sich aus einer Gesamtbetrachtung der Integration der Beschwerdeführerin, die sich seit 25.07.2007 im Bundesgebiet aufhalte, aber niemals einen anderen als einen vorübergehenden, asylrechtlichen Aufenthaltstitel gehabt habe. Aus dem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren und im ersten Verfahren würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass zwischenzeitlich eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerin in Österreich vorliege.
In der dagegen erhobenen Beschwerde äußerte die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das medizinische Gutachten vom 20.01.2010 die Vermutung, dass sie der untersuchende Arzt "in den ihm zur Verfügung stehenden 10 Minuten" keineswegs ausreichend für ein Gutachten befragen habe können. Darüber hinaus ergebe sich aus den vorliegenden, "wirklichkeitsnahen" Bestätigungen der Caritas vom 03.04.2008, aus dem Schreiben des Landeskrankenhauses römisch 40 vom 28.2.2008 sowie einer weiteren Bestätigung vom 09.07.2009 "eine ganz
andere Lage betreffend [ihrer] Psyche, ... die weitaus überzeugender
als der oberflächliche Bericht vom 20.1.2010" sei.
Mit Beschluss vom 24.03.2010 bestellte der Asylgerichtshof römisch 40 zum psychiatrischen Sachverständigen zwecks Beantwortung der Frage der psychischen Verfassung der Beschwerdeführerin und den Folgen einer allfälligen Überstellung in ihre Heimat.
In seinem psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 01.05.2010 gelangte der Sachverständige römisch 40 zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin aus psychiatrischer Sicht eine Anpassungsstörung, längerdauernde depressive Reaktion (ICD-10: F43.21) vorliege, wobei es sich dabei um einen Zustand subjektiven Leidens und emotionaler Beeinträchtigungen handle, der soziale Funktionen und Leistungen behindern und während eines Anpassungsprozesses, etwa nach einer entscheidenden Lebensveränderung, nach belastenden Lebensereignissen und auch nach körperlicher Erkrankung, auftreten könne. Im konkreten Fall finde sich an psychiatrischer Symptomatik eine subdepressive Stimmungslage, leichtgradige Affektstörungen und insbesondere eine Schlafstörung. Hinweise auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung - wie in einem Vorbefund angeführt - seien derzeit ebenso wie Hinweise auf das Vorliegen einer sonstigen psychiatrischen Erkrankung nicht fassbar. Die Beschwerdeführerin befinde sich in keiner regelmäßigen nervenärztlichen Behandlung. Die anfänglich in Österreich durchgeführte psychologische Behandlung habe zu einer Besserung der Symptomatik geführt. Nervenärztlich sei die Beschwerdeführerin auf eine antidepressive und auch schlaffördernde Medikation eingestellt. Die Fortführung der nervenärztlichen Behandlung sei empfehlenswert. Bei Absetzen der Medikation und Anhalten der derzeitigen, zur psychischen Symptomatik beitragenden Belastungsfaktoren, sei eine Verschlechterung der Symptomatik, insbesondere der im Vordergrund stehenden Schlafstörung, als möglich zu erachten.
Eine Überstellung der Beschwerdeführerin - führte der Sachverständige römisch 40 weiter aus - stehe den Wünschen und Zielen der Beschwerdeführerin entgegen und könne eine zusätzliche psychische Irritation bedeuten. Im Falle einer Überstellung sei eine zumindest vorübergehende Verschlechterung des psychischen Zustandes im Sinne einer deutlichen Anpassungsstörung auf die psychischen Belastungen zumindest nicht ausschließbar. Falls eine Verschlechterung einer derartigen Symptomatik auftreten sollte, könne diese grundsätzlich auch durch eine psychiatrische Behandlung therapiert werden.
Mit Schriftsatz vom 20.05.2010 übermittelte der Asylgerichtshof dieses Gutachten der Beschwerdeführerin und räumte ihr eine Frist von 7 Tagen ein, um sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern.
Mit Schriftsatz vom 29.05.2010 nahm die Beschwerdeführerin zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung und führte u.a. zunächst unter Bezugnahme auf die gutachterliche Stellungnahme vom 20.01.2010 von römisch 40 aus, dass dessen Behauptung in der Stellungnahme, die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung (in den bei der Untersuchung vorgelegten auswärtigen Befunden) sei ohne Begründung angeführt worden, "schlichtweg falsch" sei. Im Hinblick auf das Gutachten des Sachverständigen römisch 40 verwies sie darauf, dass einerseits die Fortführung der nervenärztlichen Behandlung empfohlen werde, was ein deutlicher Hinweis darauf sei, dass der Gutachter die Probleme der Beschwerdeführerin als relevant erachte, andererseits jedoch hinsichtlich der möglichen Folgen einer Überstellung in die Heimat nur "nebulose Aussagen" getroffen würden.
Mit Erkenntnis vom 09.06.2010, Zl. D6 317705-3/2010/7E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen wies der Gerichtshof unter Hinweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte darauf hin, dass in Tschetschenien grundsätzlich alle medizinischen Behandlungsmöglichkeiten gegeben seien. So entspreche es dem Amtswissen, dass Posttraumatische Belastungsstörungen in Tschetschenien behandelbar seien, sich zwei Spitäler mit der Behandlung psychischer Traumata beschäftigen würden, in jedem Ambulatorium "Ärzte-Psychologen" arbeiten würden und Psychopharmaka ebenfalls erhältlich seien; auch bestehe die Möglichkeit, psychologische Hilfe in anderen Regionen der Russischen Föderation in Anspruch zu nehmen. Auch die Behandlung von Hepatitis C-Infektionen sei in Tschetschenien bzw. der Russischen Föderation gegeben. Gemäß dem eingeholten Gutachten sei die psychische Verfassung der Beschwerdeführerin nicht dergestalt, dass schon die bloße Überstellung in ihre Heimat irreversible gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen könne, die auch im Heimatland nicht mehr therapierbar wären. Hinsichtlich der Ausweisung der Beschwerdeführerin erwog der Gerichtshof u.a., dass sie keine Umstände vorgebracht habe, die auf eine außergewöhnliche Integration und Aufenthaltsverfestigung während ihres Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet schließen ließen. Ihre zweifellos vorhandenen privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet würden nach Ansicht des Gerichtshofes allerdings in ihrem Gewicht entscheidend dadurch gemindert, dass die Beschwerdeführerin illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und lediglich aufgrund zweier Anträge auf internationalen Schutz, welche sich als unbegründet erwiesen hätten, vorläufig zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei. Zudem habe sie den zweiten Antrag nur wenige Tage nach Erlassung der asylgerichtlichen Entscheidung im ersten Verfahren gestellt. Es sei auch zu beachten, dass zwei Brüder sowie vier Halbgeschwister der Beschwerdeführerin weiterhin in Tschetschenien leben würden, weshalb davon auszugehen sei, dass sie nach wie vor über persönliche Bindungen zu Personen in der Russischen Föderation verfüge. Weiters habe sie dort ihre gesamte schulische Ausbildung erhalten. Nach alledem könne nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführerin ihrem Heimatland derart entfremdet wäre, dass sie sich dort im Falle ihrer Rückkehr nicht mehr zurechtfinden könne.
Am 01.10.2010 stellte die Beschwerdeführerin den vorliegenden (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.
In ihrer Erstbefragung am Tag der Antragstellung brachte die Beschwerdeführerin vor, in ihrer Heimat Probleme wegen ihres Ehemannes gehabt zu haben. Etwa zwei Jahre, nachdem ihr Ehemann das Land verlassen habe, sei sie mit den beiden Kindern ebenfalls ausgereist. In der Heimat seien sie und die Kinder "ständig belästigt" worden. Oftmals habe man sie in der Früh geweckt und zur Bekanntgabe des Aufenthaltsortes ihres Ehemannes gedrängt. Meist seien es Polizisten gewesen, es habe sich jedoch auch um Mitarbeiter des FSB "oder dergleichen" gehandelt. Der Beschwerdeführerin sei mit Vergewaltigung gedroht worden. Da sie sich zu sehr geschämt habe, habe sie diesen Umstand bislang nicht einmal ihrem Ehemann bzw. ihren Kindern erzählt.
Sämtliche Personen mit demselben Familiennamen würden in ihrer Heimat zur Rechenschaft gezogen. Auch ihre Verwandten würden ständig belästigt und fänden keine Arbeit. Der Bruder ihres Ehemannes habe nach Frankreich flüchten müssen, da er auch verfolgt worden sei. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat würde sie spurlos verschwinden, da sie für die Taten ihres Ehemannes zu Verantwortung gezogen werden würde. Ihre Verwandten hätten ihr geraten, keinesfalls in die Heimat zurückzukehren, da die Polizei gedroht habe, es werde "etwas passieren", wenn man die Beschwerdeführerin und ihre Familie erwische. Sie habe Angst vor einer Vergewaltigung und würde bei einer Rückkehr "sicher spurlos verschwinden".
Im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung am 02.10.2010 wurde bei der Beschwerdeführerin keine schwere körperliche oder ansteckende Erkrankung festgestellt. Bei einer Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie am 06.10.2010 wurde bei der Beschwerdeführerin eine psychiatrische Auffälligkeit festgestellt.
In ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11.10.2010 erklärte die Beschwerdeführerin u.a., nicht nach Hause zurückkehren zu können. Als ihre (mittlerweile volljährigen) Kinder von maskierten Personen weggebracht worden seien, habe sie - so die Beschwerdeführerin - laut geschrien und versucht, die Kinder zu befreien. Eine Person habe dabei ihre Nachtbekleidung zerrissen und ihr angedroht, sie im Fall nochmaligen Schreiens zu vergewaltigen. Um zu vermeiden, dass ihr Ehemann und ihre Kinder von diesem Umstand erfahren, habe sie dies bis heute nicht erwähnt. Der letzte Vorfall habe sich am 10.05.2007, somit eine Woche vor ihrer Ausreise, ereignet.
Am 11.10.2010 teilte das Bundesasylamt der Beschwerdeführerin seine Absicht mit, den Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Aus einem Ambulanzbefund vom 12.10.2010 ergibt sich, dass bei der Beschwerdeführerin eine Depression diagnostiziert wurde.
In ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14.10.2010 bejahte die Beschwerdeführerin die Frage, ob die bisher getätigten Angaben richtig seien und aufrechterhalten würden und verneinte überdies die Frage, ob sie Ergänzungen oder Berichtigungen vornehmen wolle.
Mit Bescheid vom 20.10.2010, Zl. 10 09.136-EAST West, wies das Bundesasylamt den nunmehr dritten Antrag gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies ferner die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Russland" aus. In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt die Identität der Beschwerdeführerin sowie ihre Magenprobleme fest. Ein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt könne - so das Bundesasylamt - nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin habe im nunmehrigen Verfahren auch keine weiteren asylrelevanten Gründe glaubhaft vorgebracht; auch ein neuer objektiver Sachverhalt habe sich nicht ergeben. Unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen existierten keine Umstände, welche der Ausweisung der Beschwerdeführerin entgegenstünden. Aufgrund des unglaubwürdigen Vorbringens ihrer Söhne bezüglich der Anhaltung und Drohung sei rückzuschließen, dass das nunmehrige Vorbringen der Beschwerdeführerin, welches sie auf ein bereits als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stütze bzw. auf ein solches aufbaue, nach den Denkgesetzen der Logik ebenfalls als unglaubwürdig zu werten sei und der darin behauptete Sachverhalt in der Tatsachenwirklichkeit nicht existiere. So habe die Beschwerdeführerin auf Befragen auch angegeben, dass sich der letzte Vorfall eine Woche vor ihrer Ausreise ereignet habe. Im gegenständlichen Fall sei vor dem Hintergrund der Angaben der Beschwerdeführerin - ohne dass auf deren Glaubwürdigkeit einzugehen gewesen sei - davon auszugehen, dass die im gegenständlichen Antrag vorgebrachten Fluchtgründe bereits zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsstaates bestanden hätten und die Beschwerdeführerin diese Gründe auch gekannt habe.
In der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Ehemann der Beschwerdeführerin insbesondere an, seine Fluchtgründe würden sich auch auf die Beschwerdeführerin beziehen. Er habe sich in früheren Einvernahmen nicht getraut, weitere Ausführungen zu machen, da "immer" tschetschenische Dolmetscher anwesend gewesen seien, zu welchen er kein Vertrauen habe fassen können. Richtig sei, dass er die Entführung seines Bruders bereits in den vorangegangenen Verfahren vorgebracht habe. Er habe sich jedoch nicht darauf bezogen, dass er Verfolgung von denjenigen Personen befürchte, welchen er bekanntgegeben habe, dass er den Entführer seines Bruders kenne. Er habe aus seinem Heimatland nun erfahren, dass ihn diese Personen nach wie vor suchen würden und sich an ihm rächen wollten. Dieser Umstand stelle jedenfalls eine Neuerung im Vergleich zu den vorhergehenden Verfahren dar, sodass dieser Aspekt von der belangten Behörde einer neuerlichen Überprüfung hätte unterzogen werden müssen. Wenn darauf Bezug genommen werde, dass es sich bei der Entführung seines Bruders um keinen aktuellen Vorfall handle, sei dem zu entgegnen, dass er nicht die Entführung des Bruders als Gefahrenquelle erkenne, sondern Verfolgung durch die Personen rund um die Entführung befürchte, gegenüber welchen er geäußert habe, etwas über die Entführer seines Bruders zu wissen.
Mit Beschluss vom 05.11.2010, Zl. D6 317705-4/2010/2Z, erkannte der Asylgerichtshof der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
Mit Erkenntnis vom 01.12.2010, Zl. D6 317705-4/2010/5E, gab der Asylgerichtshof der Beschwerde gemäß Paragraph 41, Absatz 3, Asylgesetz 2005 statt und behob den bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.10.2010. In den Entscheidungsgründen wies der Gerichtshof auf seine Entscheidung im Verfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin vom selben Tage hin, wonach er der Beschwerde des Ehemannes der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 41, Absatz 3, AsylG 2005 stattgegeben und den bekämpften Bescheid behoben habe. Ausschlaggebend sei das Erfordernis weiterer Ermittlungen bzw. Feststellungen über einen etwaigen Zusammenhang zwischen der behaupteten Flucht des Bruders des Ehemannes der Beschwerdeführerin nach Frankreich und dem Fluchtvorbringen ihres Ehemannes.
Am 08.02.2011 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin der russischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Die wesentlichen Teile der Einvernahme gestalteten sich wie folgt:
"F: Wie geht es Ihnen. Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?
A: Ja, ich bin dazu in der Lage. Ich habe keine physischen oder psychischen Probleme.
F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?
A: Ich leide etwas unter Sodbrennen und nehme Tabletten dagegen. Sonst habe ich keine Krankheiten.
F: Wurden Sie bereits im Heimatland diesbezüglich medizinisch behandelt? Wenn ja, wo, seit wann und in welcher Form? Welche Medikamente nehmen Sie ein?
A: Ich nahm schon in meiner Heimat Tabletten gegen Sodbrennen.
F: Sind Sie in Österreich in ärztlicher Behandlung?
A: Ja, seit ca. zwei Jahren.
F: Befürchten Sie wegen Ihrer Krankheit Probleme im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland und wenn ja, welche?
A: Nein, da gäbe es glaublich keine Probleme.
F: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche weiteren Dokumente besorgt?
A: Ich habe alle meine Dokumente bereits vorgelegt, andere Dokumente habe ich nicht.
F: Besitzen Sie einen Führerschein, und wenn ja, wann, wo und von wem wurde dieser ausgestellt?
A: Nein.
Erklärung: Sie haben am 01.10.2010 beim Bundesasylamt Ihren dritten Asylantrag gestellt. Ihre zwei anderen Asylanträge wurden rechtskräftig negativ entschieden. Sie wurden am 01.10.2010 vor der Polizei und am 11.10.2010 bzw. 14.10.2010 in der EAST West bereits zu Ihrem neuerlichen Asylverfahren, d.h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer nochmaligen Asylantragstellung, befragt. Ihr Antrag wurde gemäß Paragraph 68, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.12.2010, Zahl: D6 317705-4/2010/5E, stattgegeben. Aus diesen Gründen wurden Sie neuerlich zum Bundesasylamt geladen und werden heute ergänzend zu Ihrem bisherigen Vorbringen befragt.
Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern? Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit? Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?
A: Ja, ich kann mich noch daran erinnern. Meine Angaben sind vollständig, ich habe damals alles gesagt, mehr habe ich selbst nicht dazu anzuführen. Ich habe die Wahrheit gesagt. Andere Gründe gibt es nicht.
Angaben zur Person und Lebensumständen:
F: Sind Ihre Angaben, die Sie zu Ihrer Person und den Lebensumständen bisher gemacht haben, richtig?
A: Ja, ich habe alles richtig angegeben. Ich habe in meiner Heimat selbst gearbeitet, auch meine Söhne haben verschiedene Arbeiten gemacht. Ich verdiente ungefähr 200,-- Dollar im Monat. Ich bekam auch Arbeitslosengeld vom Staat, das war aber nicht so viel. Ich weiß nicht mehr, wie viel das war. Gelebt habe ich mit meiner Familie im eigenen Haus bis zu meiner Ausreise. Auch gearbeitet habe ich bis zu meiner Ausreise.
Angaben zum Fluchtweg:
F: Wann haben Sie Ihre Heimat verlassen und seit wann halten Sie sich in Österreich auf?
A: Ich habe meine Heimat im Mai 2007 gemeinsam mit meinen beiden Söhnen verlassen. Ich war dann einen Monat in Polen. Ausgereist sind wir mit Auslandsreisepässen, das war kein Problem. Ich hatte auch noch einen Inlandsreisepass und meine Heiratsurkunde. Seit Juli 2007 lebe ich ununterbrochen in Österreich. Meine Tochter lebt in Norwegen, seit acht oder neun Jahren.
F: Können Sie sich an Ihre Angaben zum Reiseweg, die Sie bisher gemacht haben, erinnern? Stimmen diese Angaben?
A: Ja, ich erinnere mich noch daran. Ich bin über Polen gekommen. Meine Angaben dazu sind die Wahrheit.
F: Wie sind Sie von Polen nach Österreich gekommen?
A: Wir reisten mit einem LKW, über welche Länder ich eingereist bin, weiß ich nicht.
F: Wollen Sie dazu noch etwas anführen?
A: Nein, ich habe dazu nichts mehr anzuführen.
F: Möchten Sie zu Ihren bisherigen Angaben zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?
A: Nein, nichts mehr.
Angaben zum Fluchtgrund:
F: Welche Gründe wollen Sie nun für Ihren dritten Asylantrag geltend machen (freie Erzählung)!
A: Das sind immer noch dieselben Probleme, die ich auch bei meinen anderen Asylanträgen geltend gemacht habe. Man fragt mich immer nach neuen Problemen, es gibt keine neuen, es sind immer noch die alten Probleme.
F: Warum haben Sie einen weiteren Asylantrag gestellt, nachdem Ihre anderen Anträge abgelehnt wurden?
A: Weil wir nicht nach Hause zurückkehren können.
F: Warum können Sie nicht nach Hause zurückkehren?
A: Nachdem mein Mann Probleme hat, habe ich und meine Familie Probleme gehabt. Ich hatte auch wegen ihm Probleme. Ich habe meine Probleme aber schon alle erzählt.
F: Sie haben im Zuge der Befragung vor der Polizei am 01.10.2010 angegeben, dass der Bruder Ihres Mannes nach Frankreich hätte flüchten müssen, da er auch verfolgt worden wäre. Können Sie dazu nähere Angaben machen? Was hat sich ereignet, was ist konkret passiert?
A: Einer, der älteste Bruder, wurde ja verschleppt. Wenn ein Mitglied einer Familie ein Problem hat, dann gilt das für die ganze Familie.
Aufforderung: Erzählen Sie konkret, was wann passiert ist, was sich ereignet hat und warum Ihr Schwager in Frankreich ist!
A: Ich weiß nichts. Ich kann dazu nichts sagen.
F: Warum nicht?
A: Natürlich hat er Probleme wegen der anderen Brüder gehabt.
F: Welche Probleme hatte er?
A: Die waren in der Politik beteiligt. Was er genau gemacht hat, weiß ich nicht. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen.
F: Seit wann ist der Bruder Ihres Mannes in Frankreich?
A: Seit ca. einem Jahr.
F: Können Sie konkret sagen, warum er ausgereist ist?
A: Seine Töchter sind verheiratet, vielleicht hatte das einen Einfluss.
F: Was meinen Sie damit?
A: Ich sage das nur so, ich weiß nicht, warum er ausgereist ist.
F: Wie kommen Sie dann dazu zu behaupten, dass er auch verfolgt wurde und deshalb ausgereist ist?
A: Der ist sicher wegen ihnen ausgereist, warum sollte er sonst ausreisen?
F: Wissen Sie konkret ob er tatsächlich verfolgt wurde und was passiert ist bzw. ihn zur Ausreise bewogen hat?
A: Nein, ich weiß nichts Konkretes. Ich kann dazu gar nichts sagen.
F: Warum behaupten Sie dann, dass er verfolgt wurde, wenn Sie nichts Konkretes dazu sagen können?
A: Ich betone nochmals, dass ich nichts Konkretes sagen kann. Ich kann Ihnen (meint EV) auch keinen Grund für seine Ausreise sagen. Warum er tatsächlich ausgereist ist, weiß ich nicht. Das ist mir auch nicht wichtig. Ich habe meine Probleme, er seine.
F: Warum ist er gerade nach Frankreich gereist?
A: Seine Frau und seine Kinder sind dort. Eine Tochter von ihm hat schon zuvor in Frankreich gewohnt. Er reiste zusammen mit seiner Frau und drei seiner Kinder nach Frankreich. Er hat noch weitere drei Töchter, sie leben alle in Tschetschenien und sind dort verheiratet. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie (meint EV) mich über ihn fragen. Er hat seine eigenen Probleme, wir unsere. Zu ihm kann ich sonst nicht mehr sagen.
Erklärung: Ich habe nur nachgefragt, weil Sie diesen Sachverhalt im Zuge der Befragung vor der Polizei am 01.10.2010 als Grund für Ihren neuerlichen Asylantrag angeführt haben!
A: Aha, das verstehe ich.
F: Warum bringen Sie diesen Sachverhalt in Zusammenhang mit Ihrer Asylantragstellung, wenn Sie konkret überhaupt nichts sagen können?
A: Ich wollte damit wahrscheinlich sagen, dass die ganze Familie Probleme hat. Warum genau ich das gesagt habe, weiß ich jetzt nicht mehr. Die Brüder haben Probleme gehabt. Konkret weiß ich aber nichts über die Probleme meines Schwagers in Frankreich. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
F: Wann haben Sie erfahren, dass Ihr Schwager in Frankreich ist?
A: Das weiß ich nicht.
V: Im Zuge der Asylverfahren Ihres Gatten wurden die von ihm vorgebrachten Asylgründe als gänzlich unglaubwürdig bewertet. Sie stützen Ihre Verfolgung jedoch auf diese Probleme. Da die Angaben Ihres Mannes unglaubwürdig sind, sind auch die von Ihnen dazu vorgebrachten Gründe unglaubwürdig, zumal Sie selbst auch überhaupt keine näheren Angaben zu den von Ihnen aufgestellten Behauptungen darlegen konnten!
A: Was soll ich noch dazu sagen? Meine Kinder sind in der Angst aufgewachsen, dass jederzeit die Polizei kommen kann. Natürlich haben wir keine Beweise, wenn man Probleme mit der Polizei hat, bekommt man keine "Dokumente". Man wartet darauf, dass sie kommen, wie soll man das erklären?
F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?
A: Nein, ich habe alles erzählt. Es sind immer dieselben Gründe, ich habe schon alles gesagt. Ich habe nichts Neues hinzuzufügen. Ich habe ein Haus in der Heimat, ich wäre im Prinzip versorgt. Ich bin ein sehr häuslicher Mensch, es war schwer für mich wegzugehen, aber ich war dazu gezwungen.
F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?
A: Nein, das bin ich nicht.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?
A: Nein, das war ich nie.
F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?
A: Nein, das war ich nie.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?
A: Nein, nie.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?
A: Nein, nie.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?
A: Nein, deswegen hatte ich keine Probleme.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?
A: Nein, nein, nie.
F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Ich habe Angst um mich, meinen Mann und meine Kinder.
Nochmalige Frage: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Am meisten habe ich Angst vor einer Vergewaltigung vor den Augen meiner Kinder gehabt und diese Angst habe ich immer noch.
Feststellung des Bundesasylamtes: Wenn Sie möchten, werden Ihnen die Feststellungen des Bundesasylamtes zur Lage in Ihrer Heimat zur Kenntnis gebracht (Anmerkung: Die AW wird kurz erklärt, um was es sich handelt und welchen Inhalt die Feststellungen haben). Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Möchten Sie die Erkenntnisse des Bundesasylamtes Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu abgeben?
A: Nein, ich kenne die allgemeine Situation in meiner Heimat. Ich verzichte darauf. Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben.
Angaben zum Privat- und Familienleben:
F: Wann sind Sie nach Österreich eingereist und seit wann halten Sie sich hier auf?
A: Ich kam 2007 nach Österreich und seither bin ich ununterbrochen hier.
F: Hatten Sie in Österreich jemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes?
A: Nein, nie.
F: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich?
A: Ich lebe von der Sozialhilfe. Ich bin mittellos.
F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?
A: Nein, Arbeitsbewilligung hatte ich keine. Manchmal arbeite ich für die Caritas. Derzeit mache ich meistens Putzarbeiten bei der Caritas. Ich bekomme dafür ca. 200,-- im Monat, mehr darf ich nicht verdienen.
F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?
A: Ich arbeite, gehe zum Deutschkurs, mache den Haushalt, sonst mache ich nicht viel. Ich lebe mit meinem Mann in einer Flüchtlingsunterkunft. Eine Zeitlang besuchte ich eine Frauengruppe, aber jetzt gehe ich nicht mehr hin.
F: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation?
A: Nein, das bin ich nicht.
F: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?
A: Mein Mann ist hier. Meine Söhne haben auch um Asyl angesucht. Sonst habe ich keine Verwandten in Österreich. Meine Söhne haben auch noch einmal um Asyl angesucht.
F: Aus welchen Gründen stellten Ihre Söhne einen Asylantrag?
A: Sie werden eben auch wegen meinem Mann verfolgt.
F: Wo leben Ihre Söhne?
A: Sie leben in der gleichen Unterkunft wie ich und mein Mann.
F: Haben Sie Angehörige oder sonstige Verwandte oder sonstige Personen in Österreich zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
A: Nein, keine.
F: Sind Sie mit eventuellen amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?
A: Ja, damit bin ich einverstanden.
F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?
A: Ich möchte noch sagen, dass ich niemals hierher gekommen wäre, wenn ich keine ernsten Probleme gehabt hätte - ich hatte alles in meiner Heimat. Ich habe gehofft, dass sich die Politik ändern wird und ich möchte, dass man hier versteht, dass wir wirklich diese Probleme haben und dass es dafür einfach keine schriftlichen Beweise gibt. Ich möchte ruhig und ohne Anspannung leben. Unter diesen Präsidenten können wir auf keinen Fall zurückkehren. Mein Mann ist schon fünf Jahre hier, ich schon drei Jahre, wir reden und reden aber wir haben keine Beweise. Ich bitte, dass man uns versteht.
F: Hatten Sie die Gelegenheit alles vorzubringen?
A: Ich das hatte ich."
Mit Schreiben vom 31.05.2011 übermittelte die Beschwerdeführerin - neben bereits vorgelegten medizinischen Unterlagen - einen Befund sowie einen Überweisungsschein vom 19.05.2011 ihren Ehemann betreffend.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.12.2011, Zl. 10 09.136-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 01.10.2010 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), weiters gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.) und die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt römisch III.).
Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid umfassende Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation unter besonderer Berücksichtigung der Lage in Tschetschenien und gelangte in Bezug auf das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen zu dem Schluss, dass diesem Vorbringen keine Glaubwürdigkeit zukommt.
Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.12.2011, zugestellt am 04.01.2012, wurde mit Anwaltsschriftsatz vom 18.01.2012 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben. Darin wies der Ehemann der Beschwerdeführerin insbesondere darauf hin, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb das Bundesasylamt seinem Vorbringen in Bezug auf die Verfolgung in Tschetschenien keinen Glauben schenke. Das Bundesasylamt berufe sich darauf, dass er vage und krass widersprüchliche Angaben gemacht habe und daher den Kriterien der Glaubwürdigkeit nicht entspreche. Bei der Begründung der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens sei auffällig, dass die belangte Behörde allgemeine Formeln auf seine "Geschichte" anwende und sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandersetze. Die Widersprüche, auf welche sich das Bundesasylamt in seiner Begründung berufe und welche bei näherer Betrachtung "keine wirklichen Widersprüche" seien, seien lediglich Divergenzen im Datum oder bei der Benennung von Behörden und somit durchaus erklärbar. Wenn sich das Bundesasylamt darauf berufe, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin am 24.11.2005 behauptet habe, im Juli 2005 vom FSB verhaftet worden zu sein, und im Widerspruch dazu vor dem Bundesasylamt am 14.09.2006 angegeben habe, er sei im August 2005 von der Miliz verhaftet worden, so sei darin kein Widerspruch zu sehen. Vielmehr sei es in seinem Heimatland dergestalt, dass "zwischen Miliz und FSB im Volksmund kein Unterschied" gemacht werde und oft nicht erkennbar sei, ob es sich bei den ihn verhaftenden Leuten um Mitarbeiter der Miliz oder des FSB gehandelt habe, da sich diese letztendlich nicht ausgewiesen hätten. Ob dies nun im Juli oder August 2005 gewesen sei, sei "vom Datum her so nahe beisammen liegend", dass dieser Umstand allein nicht zur Begründung der gesamten Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens herangezogen werden könne. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb in der nunmehrigen Begründung hinsichtlich der Antragstellung des Ehemannes der Beschwerdeführerin vom 01.10.2010 auf die im Rahmen des ersten Antrages erstatteten Ausführungen Bezug genommen werde und die Widersprüche in diesem (ersten) Verfahren gesucht und auf das nunmehrige Verfahren "übergewälzt" würden. Insbesondere könne jedoch bei der Abweichung zwischen Juli und August sowie Miliz und FSB nicht von krassen Widersprüchen gesprochen werden.
Nach Ansicht des Bundesasylamtes liege ein weiterer Widerspruch darin, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin einerseits angegeben habe, vom FSB verprügelt worden zu sein, andererseits jedoch betont habe, er sei im Revier weder geschlagen noch misshandelt worden. Diesbezüglich sei auszuführen, dass er in seinem Heimatland "natürlich vom FSB oder von der Miliz geschlagen" worden sei, eine bloße Ohrfeige für ihn jedoch noch keine Misshandlung darstelle, da er viel schlimmere Sachen erleben habe müssen. Weshalb es lapidar sein solle, dass er etwa einen Rippenbruch als Misshandlung ansehe, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Er habe jahrelang Dudajew und die Tschetschenische Republik unterstützt und sei deshalb Repressionen ausgesetzt gewesen. Bei der Antragstellung im Jahr 2005 sei die Unterstützung Dudajews jedoch schon Jahre her gewesen, sodass er diesen Umstand nicht mehr als aktuell und wichtig erachtet und sich darauf nur am Rande bezogen habe. Dennoch sei es zutreffend, dass er Dudajew und Tschetschenien unterstützt habe und auch deshalb immer wieder Repressionen ausgesetzt gewesen sei, selbst wenn dies augenscheinlich nicht mehr aktuell sei. Aus diesem Grund habe er diesen Umstand auch nicht näher ausgeführt und sich im weiteren Asylverfahren nicht mehr darauf bezogen.
Es sei für ihn unerklärlich, weshalb als Jahr der Verhaftung seines Bruders 1992 protokolliert worden sei, da die Verhaftung im Jahr 2002 erfolgt sei und er dies auch so angegeben habe. Er habe "wirklich niemals 1992 erwähnt". Vielmehr habe sich der Vorfall im November 2002 ereignet, sodass es sich lediglich um einen "Fehler der Verständigung eventuell auch in der Übersetzung" handeln könne. Er könne jedoch auch nicht ausschließen, dass er aus Versehen das Jahr 1992 genannt, jedoch das Jahr 2002 gemeint habe. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes sei jedenfalls dadurch gekennzeichnet, dass die Widersprüche im früheren Verfahren des Ehemannes der Beschwerdeführerin aufgezeigt und auseinander genommen würden. Mit dem im nunmehrigen dritten Asylverfahren vom Ehemann der Beschwerdeführerin vorgebrachten neuen Tatsachensubstrat, wonach er aufgrund seiner Tätigkeit als Zöllner Probleme gehabt habe, setze sich die belangte Behörde im Gegensatz zu den Tatsachen im vorigen Verfahren nicht auseinander. Überdies habe er sich auch darauf berufen, dass die Entführung seines Bruders im Jahr 2002 aufgrund seiner Arbeit beim Zoll erfolgt sei. Es möge zwar richtig sein, dass er die Entführung seines Bruders bereits in den vorhergehenden Verfahren erwähnt habe; die Zusammenhänge mit seiner Tätigkeit als Zöllner habe er aus Angst jedoch bislang verschwiegen. Dass die Entführung seines Bruders nicht im Zusammenhang mit seinen eigenen Problemen stehe, sei nicht den Tatsachen entsprechend. Er habe sich im nunmehrigen Verfahren vielmehr darauf berufen, dass sein Bruder von einem Vorgesetzten des FSB getötet worden sei und der Ehemann der Beschwerdeführerin nun verfolgt werde, da er geäußert habe, den Mörder seines Bruders zu kennen. Aus diesem Grund befürchte er nun konkret Blutrache.
Es wäre insbesondere Aufgabe des Bundesasylamtes gewesen, im Zuge des nunmehrigen dritten Asylverfahrens des Ehemannes der Beschwerdeführerin den konkreten Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit beim Zoll und der Entführung seines Bruders durch den Abteilungsleiter des FSB, den er namentlich nennen habe können, aufzuklären. Hinsichtlich der Vorfälle beim Zoll habe das Bundesasylamt auch keine eigenen Ermittlungsschritte getätigt, sondern sich lediglich auf die Begründung im vorherigen Verfahren und das diesbezügliche Vorbringen berufen. Auf den Umstand, dass er und sein Neffe Dokumente versteckt hätten und der Verdacht aufgekommen sei, dass er im Besitz von Adresslisten sei, sei nur rudimentär Bezug genommen worden. Hinsichtlich dieser Adresslisten und der Befragungen seiner Person seien zudem keine weiteren Fragen gestellt worden, sodass der Sachverhalt in diesem Punkt vom Bundesasylamt unzureichend ermittelt worden sei. Auch hätten weitere Schritte im Zusammenhang mit dem Asylverfahren seines Neffen getätigt und in dessen Akt Einsicht genommen werden müssen, um "nähere Aufschlüsse über die Tätigkeit und die Zusammenhänge erfahren zu können".
Der Ansicht, dass er zu seinem in Frankreich lebenden Bruder widersprüchliche Angaben gemacht habe, könne er nicht zustimmen. Vielmehr wisse er "schlicht und einfach nicht", wo sich sein Bruder aufhalte. Sein letzter Wissensstand sei dessen Flucht nach Polen. Danach sei sein Bruder wieder nach Tschetschenien zurückgekehrt und dann nach Frankreich gereist, wo er "eine positive Entscheidung bekommen" habe. Da er jedoch keinen Kontakt mit seinem Bruder habe, könne er keine näheren Angaben machen. Jedenfalls könne allein aufgrund der Unwissenheit hinsichtlich des Aufenthaltes seines Bruders nicht die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens angenommen werden.
Auf Grundlage der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.10.2010 und der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt am 11.10.2010, 14.10.2010 und 08.02.2011, sowie auf Grundlage der Beschwerde vom 18.01.2012 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Die Beschwerdeführerin ist - ebenso wie ihr Ehemann und ihre beiden volljährigen Kinder - Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit aus Tschetschenien und führt den im Spruch angeführten Namen.
Sie reiste ihrem Vorbringen zufolge am 25.07.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.01.2008, Zl. 07 06.762-BAI, gemäß Paragraphen 3, Absatz eins,, 8 Absatz eins, Ziffer eins und 10 Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.06.2009, Zl. E6 317705-1/2008/11E, gemäß Paragraphen 3,, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet ab. Den am 07.07.2009 gestellten (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 24.07.2009, Zl. 09 08.005-EAST Ost, gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.11.2009, Zl. D6 317705-2/2009/3E, hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG ab, behob jedoch den bekämpften Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 41, Absatz 3, AsylG 2005. Mit Bescheid vom 24.02.2010, Zl. 09 08.005-2-EAST Ost, wies das Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren die Beschwerdeführerin abermals gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 09.06.2010, Zl. D6 317705-3/2010/7E, gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet ab. Am 1.10.2010 stellte die Beschwerdeführerin den vorliegenden (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin selbst oder ihren Familienangehörigen in der Russischen Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - droht oder dass der Beschwerdeführerin bzw. ihren Familienangehörigen im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
In Österreich wurden der Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Anpassungsstörung, längerdauernde depressive Reaktion sowie eine Depression diagnostiziert. Nicht festgestellt werden kann jedoch, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihre Familienangehörigen an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden würden, welche eine Rückkehr in die Russische Föderation iSd Artikel 3, EMRK unzulässig machen würden.
Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausreichend ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen in Österreich vorliegt.
Mit Erkenntnissen vom heutigen Tag wies der Asylgerichtshof die in den Verfahren des Ehemannes und der beiden volljährigen Söhne der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerden gemäß Paragraphen 3, Absatz eins,, 8 Absatz eins, Ziffer eins und 10 Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 ab.
Zur Situation in der Russischen Föderation (Tschetschenien) werden folgende Feststellungen getroffen:
Allgemeines
Die Tschetschenische Republik ist eines der 83 Subjekte der Russischen Föderation. Die sieben mehrheitlich moslemischen Republiken im Nordkaukasus wurden jüngst zu einem neuen Föderationsbezirk mit der Hauptstadt Pjatigorsk zusammengefasst. Die Tschetschenen sind bei weitem die größte der zahlreichen kleinen Ethnien im Nordkaukasus. Tschetschenien selbst ist (kriegsbedingt) eine monoethnische Einheit (93% der Bevölkerung sind Tschetschenen), fast alle sind islamischen Glaubens (sunnitische Richtung). Die Tschetschenen sind das älteste im Kaukasus ansässige Volk und nur mit den benachbarten Inguschen verwandt. Freiheit, Ehre und das Streben nach (staatlicher) Unabhängigkeit sind die höchsten Werte in der tschetschenischen Gesellschaft, Furcht zu zeigen gilt als äußerst unehrenhaft. Sehr wichtig ist auch der Respekt gegenüber älteren Personen und der Zusammenhalt in der (Groß-)Familie, den Taips (Clans) und Tukkums (Tribes). Eine große Bedeutung hat auch das Gewohnheitsrecht Adat. Es gibt sprachliche und mentalitätsmäßige Unterschiede zwischen den Flachland- und den Bergtschetschenen.
In Tschetschenien hatte es nach dem Ende der Sowjetunion zwei Kriege gegeben. 1994 erteilte der damalige russische Präsident Boris Jelzin den Befehl zur militärischen Intervention. Fünf Jahre später begann der zweite Tschetschenienkrieg, russische Bodentruppen besetzten Grenze und Territorium der Republik Tschetschenien. Die Hauptstadt Grosny wurde unter Beschuss genommen und bis Januar 2000 fast völlig zerstört. Beide Kriege haben bisher 160.000 Todesopfer gefordert. Zwar liefern sich tschetschenische Rebellen immer wieder kleinere Gefechte mit tschetschenischen und russischen Regierungstruppen, doch seit der Ermordung des früheren Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadow, durch den russischen Geheimdienst FSB im März 2005 hat der bewaffnete Widerstand an Bedeutung verloren.
Laut Ministerpräsident Putin ist mit der tschetschenischen Parlamentswahl am 27.11.2005 die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen worden. Dabei errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland" die Mehrheit der Sitze. Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest. Hauptkritik an der Wahl war u.a. die anhaltende Gewaltausübung und der Druck der Miliz (sog. "Kadyrowzy") gegen Wahlleiter und Wahlvolk. Nach dem Rücktritt seines Vorgängers Alu Alchanow im Februar 2007 hat der bisherige Ministerpräsident Ramzan Kadyrow am 05.04.2007 das Amt des tschetschenischen Präsidenten angetreten. Er hat seine Macht in der Zwischenzeit gefestigt und zu einem Polizeistaat ausgebaut. Seit 2. September 2010 trägt Kadyrow den Titel "Oberhaupt" Tschetscheniens.
Der von Russland unterstützte Präsident Ramzan Kadyrow verfolgt offiziell das Ziel Ruhe, Frieden und Stabilität in Tschetschenien zu garantieren und den Einwohnern seines Landes Zugang zu Wohnungen, Arbeit, Bildung, medizinischer Versorgung und Kultur zu bieten.
Der russische Präsident Medwedew versucht Tschetschenien auch durch Wirtschaftshilfe zu "befrieden".
Neben der endgültigen Niederschlagung der Separatisten und der Wiederherstellung bewohnbarer Städte ist eine wichtige Komponente dieses Ziels die Wiederbelebung der tschetschenischen Traditionen und des tschetschenischen Nationalbewusstseins. Kadyrow fördert das Bekenntnis zum Islam, warnt allerdings vor extremistischen Strömungen wie dem Wahhabismus. Viele Moscheen wurden wiederaufgebaut, die Zentralmoschee von Grosny ist die größte in Russland. Jeder, der in Verdacht steht, ihn und seine Regierung zu kritisieren, wird verfolgt. Eine organisierte politische Opposition gibt es daher nicht. Die 16.000 Mann starken Einheiten Kadyrows sind für viele Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien bis heute verantwortlich.
(Tschetschenien, http://de.wikipedia.org/wiki/Tschetschenien, Zugriff 11.01.2011, Ramzan Kadyrow, http://de.wikipedia.org/wiki/Ramsan_Achmatowitsch_Kadyrow, Zugriff 11.01.2011, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 25.11.2009, Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, Adat-Blutrache vom 5.11.2009, Martin Malek, Understanding Chechen Culture, Der Standard vom 19.01.2010, Eurasisches Magazin vom 03.05.2010, Analyse der Staatendokumentation zur Situation der Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010, )
1. Allgemeine Sicherheitssituation
Präsident Ramzan Kadyrow hat in Tschetschenien ein repressives, stark auf seine Person zugeschnittenes Regime etabliert, was die Betätigungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft auf ein Minimum reduziert. Trotz deutlicher Wiederaufbauerfolge ist die ökonomische Lage in Tschetschenien desolat, es gibt kaum Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des staatlichen Sektors. Nach zwei Jahren mit deutlichen Fortschritten sowohl bei der Sicherheitsals auch bei der Menschenrechtslage hatte sich die Situation in beiden Bereichen in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt wieder verschlechtert. Berichtet wurde von verstärktem Zulauf zu den in der Republik aktiven Rebellengruppen und erhöhter Anschlagstätigkeit. Im gesamten Nordkaukasus soll es nach Angaben des FSB 600 bis 700 aktive Rebellen geben. Nach glaubhaften Angaben von Menschenrechts-NROs reagierten die Behörden in einigen Fällen mit dem Abbrennen der Wohnhäuser der Familien von Personen, die sich den Rebellen angeschlossen haben. Die Entführungszahlen stiegen wieder an: Memorial hat 74 Entführungsfälle für die erste Jahreshälfte 2009 registriert (im Gesamtjahr 2008 waren es im Vergleich 42). Die Entführungen wurden größtenteils den (vor allem republikinternen) Sicherheitskräften zugeschrieben. Weiterhin werden zahlreiche Fälle von Folter gemeldet. Unter Anwendung von Folter erlangte Geständnisse werden (nach Informationen von Memorial) - auch außerhalb Tschetscheniens - regelmäßig in Gerichtsverfahren als Grundlage von Verurteilungen genutzt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 18)
Den Machthabern in Russland ist es gelungen, den Konflikt zu "tschetschenisieren", das heißt, es kommt nicht mehr zu offenen Kämpfen zwischen russischen Truppen und Rebellen, sondern zu Auseinandersetzungen zwischen der Miliz von Ramzan Kadyrow und anderen "pro-russischen" Kräften/Milizen - die sich zu einem erheblichen Teil aus früheren Rebellen zusammensetzen - einerseits sowie den verbliebenen, eher in der Defensive befindlichen Rebellen andererseits. Die bewaffnete Opposition wird mittlerweile von islamistischen Kräften dominiert, welche allerdings kaum Sympathien in der Bevölkerung genießen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen konzentrierten sich auf entlegene Bergregionen.
Seit Jahresbeginn 2010 ist es in Tschetschenien jedoch zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt, was teilweise ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien bewirkt. Die Macht von Ramzan Kadyrow, ist in Tschetschenien unumstritten. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe, über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Ministerpräsident Putin verfüge und sich großer Beliebtheit unter der Bevölkerung erfreue.
(Asylländerbericht Russland der Österreichischen Botschaft in Moskau, Stand 21.10.2010, Seite 15)
Der stetige Rückgang der föderalen Streitkräfte nach Ende der "heißen" Phase des zweiten Krieges ab 2002 kann als Zeichen für die verbesserte Sicherheitslage verstanden werden. Der Rückzug der russischen Truppen war nicht nur durch die Stabilisierung der Sicherheitslage, sondern auch durch die sukzessive Übergabe der Verantwortung auf lokale tschetschenische Streitkräfte, die erst in den letzten Jahren anwuchsen, möglich. Die andauernde Stationierung föderaler Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der trotz der Beendigung der von 1999 bis 2009 dauernden Anti-Terror-Organisation (ATO) nicht erfolgte Abzug zeigen, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin föderale Unterstützung im Kampf gegen die Rebellen benötigen. Andererseits kann auch davon ausgegangen werden, dass Moskau seine Truppen vermutlich aus mangelndem Vertrauen in Kadyrow weiterhin dort stationiert lässt. Die in den letzten Monaten ergriffenen Maßnahmen und die Wortwahl der Präsidenten Medwedew und Kadyrow sowie des Ministerpräsidenten Putin zeigen jedenfalls, dass man zur Bekämpfung des "Terrorismus" im Nordkaukasus insgesamt weiterhin eher auf militärische Gewalt setzt, und soziale und wirtschaftliche Maßnahmen eine untergeordnete Rolle spielen.
Medwedew fordert weiterhin "brutale Maßnahmen" gegen Terroristen und spricht von einem "schonungslosen Kampf" gegen die Rebellengruppen. Auch in Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Moskauer U-Bahn im März 2010 oder den Anschlag auf ein Kaffeehaus in Pjatigorsk im August 2010 sprach sich Medwedew für die "Zerstörung" der Kämpfer aus. In Anbetracht der 2014 in Sotschi stattfindenden olympischen Winterspiele wird gemutmaßt, dass Medwedew meinen könnte, allein die Anwendung roher Gewalt könne die Region genügend stabilisieren um die Abhaltung der Spiele nicht zu gefährden.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14)
Zusammenfassend ist auszuführen, dass nach Beendigung der Anti-Terror-Organisation 2009 temporär wieder vermehrt Anschläge in Tschetschenien zu verzeichnen waren. Die 2009 sprunghaft angestiegene Anzahl an Selbstmordanschlägen ist 2010 wieder stark eingebrochen. Der jüngste Angriff auf die Heimatstadt Kadyrows Zenteroi am 29. August 2010 lässt keine Zweifel, dass die tschetschenischen Rebellen auch zu taktisch herausfordernden Aktionen fähig sind. Von einer Stärkung der Widerstandsbewegung, die in der nächsten Zeit zu einem Ausbruch größerer Kamphandlungen führen könnte, ist jedoch nicht auszugehen.
Wenngleich sich die Sicherheitslage im Sinne dessen, dass keine großflächigen Kampfhandlungen stattfinden und es zu keiner Vertreibung der Zivilbevölkerung kommt stabilisiert hat, so zeigt sich also, dass dies nicht zuletzt auf die repressive Machtausübung Ramzan Kadyrows und seiner Sicherheitskräfte zurückzuführen ist. Das teilweise brutale und in einigen Fällen als menschenrechtswidrig zu bezeichnende Vorgehen der Sicherheitskräfte (für das diese kaum belangt werden) bringt zwar auch Resultate mit sich, da immer wieder auch führende Kämpfer "neutralisiert", also getötet oder verhaftet werden. Dadurch konnte die Sicherheitslage in Tschetschenien weitgehend stabilisiert werden. Andererseits trägt dieses Vorgehen dazu bei, dass sich auch junge Menschen, die sich zunächst nicht mit radikal-islamischem Gedankengut identifizieren, der Widerstandsbewegung anschließen. Deshalb wird die Rebellenbewegung auch in nächster Zeit nicht an Schlagkraft verlieren. Eine nachhaltige Befriedung ist also weiterhin nicht absehbar, die in Zusammenhang mit Tschetschenien so oft zitierte Gewaltspirale dreht sich weiter.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 4-5)
2. Verfolgungsgefahr
2.1. Zivilbevölkerung
Glaubwürdigen Berichten von NROs, internationalen Organisationen und der Presse zufolge haben sich auch nach dem von offizieller Seite festgestellten Abschluss des "politischen Prozesses" zur Überwindung des Tschetschenienkonflikts dort erhebliche Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 18)
Bei Sondereinsätzen der Anti-Terror-Organisation geraten gelegentlich auch Zivilisten ins Schussfeld, wie etwa ein Vorfall im inguschetisch-tschetschenischen Grenzgebiet im Februar 2010 zeigt:
Bei diesem Sondereinsatz kamen je nach Angaben zwischen vier und 14 Zivilisten ums Leben. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass Sicherheitskräfte getötete Zivilisten manchmal als Kämpfer bezeichnen würden, um die Statistik zu schönen. Die derzeit stattfindenden Kämpfe führen jedoch nicht zu einer Vertreibung der Zivilbevölkerung.
In den letzten Jahren kehrten nicht nur tausende Binnenflüchtlinge in ihre Häuser zurück, sondern auch Tschetschenen, die nach Europa flüchteten. Das subjektive Unsicherheitsgefühl verhindert eine solche Rückkehr scheinbar nicht. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass in Tschetschenien weiterhin Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Verhaftungen oder unmenschliche Behandlung durch Sicherheitskräfte stattfinden und fragwürdige Maßnahmen wie die Kollektivbestrafung von Kadyrow und anderen tschetschenischen Amtsträgern gutgeheißen werden.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 5)
Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend. Bisher gibt es nur sehr wenige Verurteilungen. Im April 2006 verurteilte ein Gericht in Rostow den Vertragssoldaten Kriwoschenok zu 18 Jahren Haft wegen der Erschießung dreier tschetschenischer Zivilisten im November 2005. Im Juni 2007 verhängte dasselbe Gericht in der "Sache Ulman" Haftstrafen zwischen neun und 14 Jahren gegen vier Offiziere wegen der Erschießung von sechs tschetschenischen Zivilisten im Dezember 2002. Ulman und Mittäter waren zuvor zwischen 2002 und 2005 zweimal von Geschworenengerichten freigesprochen worden, bis der russische Verfassungsgerichtshof diese Freisprüche kassierte und eine erneute gerichtliche Prüfung des Falls anordnete. Drei der Verurteilten sind allerdings untergetaucht. Für Aufsehen sorgte die vorzeitige Entlassung von Ex-Oberst Budanow. Er war 2003 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er im Jahr 2000 eine 18-jährige Tschetschenin getötet hatte, und ist im Januar 2009 vorzeitig aus der Haft entlassen worden.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 19)
Eine Gefahr für Zivilisten stellen nicht nur die Kämpfe zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften dar, sondern auch die in der Republik verbreiteten Anti-Personenminen. Rund 14.000 Hektar, etwa 1% des gesamten Territoriums sollen weiterhin vermint sein. 2008 starben 39 Personen, zwischen 2005 und 2008 insgesamt 171 Personen durch Anti-Personenminen und Blindgänger. Die Zahl der Todesfälle ging in diesen drei Jahren mit jedem Jahr zurück. Des Problems der Minen ist man sich bewusst, zuletzt sprach sich Präsident Medwedew im August 2010 für weitere Minenräumungen in Tschetschenien aus. (Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 19-20)
2.2. Die Rebellen
Die tschetschenische Rebellenbewegung entwickelte sich bereits vor Ausbruch des zweiten Krieges immer mehr von einer separatistischen hin zu einem islamistischen Netzwerk und radikalisierte sich im Verlauf der Kriegsjahre erheblich. Damit einher ging die Ausbreitung der Gewalt auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, wo die Sicherheitslage mittlerweile als prekärer als in Tschetschenien gilt, sowie in geringerem Ausmaß auch auf Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien und Nordossetien. Durch die Ausrufung des "Kaukasus Emirats" durch Dokku Umarow (Emir Abu Usman) Ende Oktober 2007 wurde offensichtlich, dass sich der tschetschenische Widerstand nunmehr als Teil einer pankaukasischen islamischen Bewegung betrachtet, deren Ziel nicht die Unabhängigkeit der Republik, sondern vielmehr die "Befreiung" der derzeit "von den Russen besetzten" "islamischen Lande" von "Ungläubigen" ist. Grundsätzlich kann die tschetschenische Rebellenbewegung daher heute nicht mehr losgelöst von den im gesamten Nordkaukasus agierenden Rebellengruppen betrachtet werden. Die einzelnen Gruppen des die Republiksgrenzen überschreitenden Netzwerks stehen zwar miteinander in Verbindung, handeln jedoch weitgehend autonom und dürften einzelne Angriffe auch nicht miteinander koordinieren.
Die Anführer der einzelnen Gruppen ("Dschamaat") nennen sich "Emir". Das traditionelle Rückzugsgebiet in den Wäldern der schwach besiedelten Bergregion im Süden des Landes wird nach wie vor genutzt. Insbesondere die Grenzgebiete zu den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan sind von Bedeutung. Die tatsächliche Anzahl der Kämpfer ist unklar, Schätzungen reichen von 50 bis 60 (Aussagen Kadyrows) über rund 500 (FSB) bis zu 1.500 Mann (einzelne unabhängige Beobachter in Tschetschenien). Dokku Umarow gab im März 2010 an, die Anzahl der Mudschaheddin im gesamten Nordkaukasus läge zwischen 10.000 und 30.000 Mann, bei entsprechenden Ressourcen könnte er fünf- bis zehnmal so viele anführen. Während die Angaben Kadyrows zu niedrig angesetzt sind (allein 2009 sollen offiziellen Angaben zufolge 190 Kämpfer in Tschetschenien ums Leben gekommen sein, in den ersten sieben Monaten 2010 51), sind jene Umarows sicherlich stark übertrieben.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-15)
Verfolgungshandlungen von Unterstützern der Kämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg können eher vorkommen als bei Unterstützern der Kämpfer des ersten Krieges, wo eine Vorfolgung heutzutage eher auszuschließen ist. Entscheidend für eine Verfolgung ist, wie aktiv ein Kämpfer tatsächlich involviert war oder gegebenenfalls immer noch ist. Sowohl bei den Unterstützern des Widerstands im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg vor 2005 sind einzelne Verfolgungshandlungen jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Familienmitglieder und Unterstützer von derzeit aktiven Rebellen sind, sofern sie als solche bekannt sind, sicherlich einer Bedrohung durch staatliche Organe ausgesetzt. Fälle strafrechtlicher Verfolgung von Unterstützern von Rebellen sind bekannt. Die ergriffenen Maßnahmen wie etwa Hausniederbrennungen finden nicht offiziell statt, werden aber geduldet, wenn nicht sogar durch Aussagen hoher Regierungsbehörden bis hin zu Präsident Kadyrow informell gefördert.
(Analyse der Staatendokumentation, Tschetschenien - Gefährdungseinschätzung: Menschenrechtsaktivisten und Unterstützer (von ehemaligen) Widerstandskämpfern vom 09.09.2009, Seite 13 und 14)
Eine weitere Strategie, Rebellen zu bekämpfen, besteht darin, Angehörige vermeintlicher Rebellen unter Druck zu setzen, um diese zur Aufgabe zu bewegen. Nachdem dieses Vorgehen Menschenrechtsorganisationen zufolge in den letzten Jahren zurückgegangen war, wird seit 2008 wieder vermehrt über solche Repressalien berichtet. So etwa dokumentierte die NRO Human Rights Watch zwischen Juli 2008 und Juli 2009 über zwei Dutzend Fälle, bei denen tschetschenische Sicherheitskräfte Häuser von Familien angeblicher Untergrund-kämpfer angezündet haben - als Strafe dafür, dass ein Sohn oder Enkel Widerstandskämpfer sei. Seit Sommer 2009 erhielt Human Rights Watch weitere Berichte über Haus-Niederbrennungen, zuletzt im März 2010 in Schali. Hochrangige lokale Politiker wie Ramzan Kadyrow oder der Bürgermeister von Grosny Muslim Chutschijew sprachen sich explizit für diese Art der kollektiven Bestrafung aus. Des Weiteren gibt es Berichte, denen zufolge Sicherheitskräfte Rebellen zu vergiften versuchen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 12)
2.2.1. Das Vorgehen der Rebellen
In den ersten Jahren des zweiten Krieges kämpften ganze Armeedivisionen und Brigaden russischer Truppen gegen die Rebellen. Nachdem es den föderalen Truppen gelungen war, große Kampfverbände zu besiegen, gingen die Auseinandersetzungen in einen Guerillakrieg über. In den ersten Monaten des zweiten Tschetschenienkrieges waren die russischen Truppen, die sich vor allem auf die als Hochburgen der Rebellen geltenden südlichen Regionen der Republik konzentrierten, beinahe täglich Bombenanschlägen und Angriffen durch Heckenschützen ausgesetzt. Die Stärke und Kräfte der Kämpfer nahmen ab 2002 und deutlich mit 2004 ab, die Häufigkeit militärischer Aktionen ging zurück. Nachdem viele hochrangige Kommandeure der ersten Generation liquidiert worden waren, - nämlich im März 2002 Ibn al-Chattab, im Jänner 2003 Ruslan Gelajew, im März 2005 Aslan Maschadow, im Juni 2006 Abdul-Chalim Sadulajew und im Juli 2006 Schamil Bassajew - verlor die Rebellenbewegung in Tschetschenien insgesamt an Schlagkraft. Tschetschenische Kämpfer begannen zunehmend auf Terrorakte zu setzen, wie etwa die Geiselnahme im Moskauer Theater Dubrowka 2002, die Geiselnahme an der Schule von Beslan 2004 oder der Angriff auf Naltschik 2005. Die jüngsten Anschläge im russischen Kernland - jener auf den Zug Newski-Express im November 2009 und die Moskauer U-Bahn im März 2010 - gingen Bekennerschreiben zufolge zwar ebenfalls auf das Konto nordkaukasischer Rebellen, allerdings vermutlich nicht tschetschenischer.
Heutzutage teilt sich die Rebellenbewegung in Tschetschenien in kleine, extrem mobile und unabhängige Gruppen von Kämpfern, die sich im gesamten Nordkaukasus praktisch mehr oder weniger frei bewegen können. Die kleine Gruppengröße (Berichten zufolge fünf bis zehn Kämpfer pro Gruppe) erleichtert es, flexibel zu bleiben, die Standorte häufig zu wechseln und die Infiltration durch Gegner zu erschweren. Regelmäßig - aus Medienberichten zu schließen mehrmals monatlich - kommt es zu Angriffen gegen staatliche Einrichtungen und Sicherheitskräfte, ebenso wie gegen vermeintliche Gegner der Rebellen. Seit 2008 führt die islamistische Rebellenbewegung im Nordkaukasus wieder vermehrt Selbstmordattentate durch, die insbesondere auf lokale Sicherheitskräfte abzielen, jedoch auch zahlreiche zivile Opfer fordern. Nachdem sich im Jahr 2001 die erste so genannte "Schwarze Witwe" in die Luft gesprengt hatte, kam es nicht zuletzt durch die Gründung des Selbstmordkommandos "Riyadus Salihin" ("Gärten der Tugendhaften") durch Schamil Bassajew regelmäßig zu Selbstmordanschlägen. 2004 riss diese Reihe ab, nach einer ungefähr vierjährigen Pause kam es zu einer Wiederbelebung der Riyadus Salihin durch Said Buryatsky (Alexandr Tichomirow) Ende 2008. Im Jahr 2009 kam es ab dem Sommer in Tschetschenien zu mindestens zehn Selbstmordanschlägen. Danach ging deren Häufigkeit zwar wieder zurück, dennoch kam es auch 2010 zu, je nach Quelle, ein bis zwei Selbstmordanschlägen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 16)
2.2.2. Schwächung der Rebellenbewegung
Im letzen Jahr kamen zahlreiche Anführer des Kaukasus Emirats ums Leben, darunter auch tschetschenische. Zuletzt wurde am 21. August 2010 der "Emir von Grosny", Chamsat Schamilew, bei einem Sondereinsatz getötet. Gerade in Tschetschenien selbst gelang es im Gegensatz zu Dagestan, Inguschetien und Kabardino-Balkarien aber nicht, auch bedeutende Führungspersönlichkeiten wie Dokku Umarow, festzunehmen oder zu liquidieren. Ob die Tötung von Führungspersönlichkeiten zu einer Schwächung der tschetschenischen Rebellenbewegung führen würde ist fraglich. Das Beispiel der anderen Republiken zeigt, dass dies zumindest kurzfristig nicht zu einer entscheidenden Schwächung der einzelnen Dschamaat führt. 2009 wurden den offiziellen Angaben zufolge 148 Kämpfer "liquidiert", 290 Kämpfer und Unterstützer wurden verhaftet. Jedoch scheint der Zulauf zur Rebellenbewegung weiterhin stabil zu sein.
Die nordkaukasische Widerstandsbewegung wird mittlerweile von islamistischen Kräften dominiert. Radikal-islamisches Gedankengut findet jedoch in Tschetschenien kaum Sympathien in der Bevölkerung, die Islamisten können sich durch den hohen Repressionsdruck nicht frei in der Öffentlichkeit bewegen. Obwohl die radikal-islamische Ausrichtung einige Männer abschrecken soll sich den Kämpfern anzuschließen, scheint die nordkaukasische Rebellenbewegung keine Probleme zu haben, neue Mitglieder zu rekrutieren. Dabei soll es sich um eine neue Generation vor allem junger Männer handeln, die aufgrund des gewalttätigen Vorgehens der lokalen Sicherheitskräfte gegen vermeintliche Rebellen und ihre Angehörige radikalisiert werden. Aber auch junge Frauen schließen sich vereinzelt der Rebellenbewegung an. Dazu kommen sozioökonomische Gründe: Bei der hohen Arbeitslosenrate fehlt vielen jungen Tschetschenen die Perspektive. Das radikal islamistische Gedankengut spielt bei der Rekrutierung eine untergeordnete Rolle, viele werden erst als Mitglied der Untergrundbewegung indoktriniert.
Obwohl die Rekrutierung neuer Mitglieder kein Problem darstellt, gehen den tschetschenischen Kämpfern einigen Beobachtern zufolge zusehends die Ressourcen aus, da es Kadyrow und russischen Sicherheitskräften gelungen sei, ihre Versorgungslinien abzuschneiden. Am 1. August 2010 wurde ein Video von Dokku Umarow veröffentlicht, in dem er seinen Rücktritt erklärte. Am nächsten Tag erklärte er in einem weiteren Video, dass ersteres gefälscht gewesen wäre und er nicht zurücktrete. Seitdem ranken sich die Gerüchte über die Gründe für diese widersprüchlichen Aussagen, zum Beispiel wird gemutmaßt, ob es einen Putsch jüngerer Emire gegeben hat, die Umarow zum Rücktritt gezwungen hatten oder ob Umarow unter Druck stand, weil er als schlechter militärischer Stratege betrachtet wird oder ihm die Schuld an der Schwächung des tschetschenischen Flügels des Emirats gegeben wurde.
Anderen Spekulationen zufolge hatten einige Emire der anderen Republiken nach dem Rücktritt Umarows dessen von ihm ernannten Nachfolger Aslanbek Wadalow (Emir Aslanbek) nicht anerkannt, was Umarow zu diesem "Rücktritt vom Rücktritt" zwang. Einer wiederum anderen Interpretation der Ereignisse zufolge handelte es sich um einen von langer Hand geplanten Coup des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB), um Umarows Position als Anführer des Kaukasus Emirats zu unterminieren. Der tschetschenische Emir Aslanbek selbst trat Mitte August als Stellvertreter Umarows (naib), zu dem er erst im Juli 2010 ernannt worden war, zurück. Er und Husein Gakajew, ebenfalls erst im Juli zum Emir des Gebiets Tschetscheniens des Kaukasus Emirats ernannt, erklärten Umarow nunmehr nicht die Treue halten zu können. Dem folgten auch die beiden bekannten, in Tschetschenien aktiven Emire Tarchan und Muchannad, wenngleich sich alle als dem Kaukasus Emirat weiterhin verpflichtet erklärten. Andere Emire des in Kabardino-Balkarien und Karatschajewo-Tscherkessien tätigen Jarmuk Dschamaat und des inguschetischen und des Dagestan Dschamaat hingegen erklärten Umarow weiterhin ihre Loyalität. Diese jüngsten Vorgänge werden vielfach als Spaltung innerhalb der Rebellenbewegung interpretiert.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 16-18)
Die tschetschenischen Sicherheitskräfte unterstehen fast allesamt dem tschetschenischen Innenministerium. Nach Auflösung der beiden Bataillons Sapad und Wostok, die direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstanden hatten, stehen in der Praxis alle Sicherheitskräfte in Tschetschenien unter der direkten Kontrolle Ramzan Kadyrows oder sind ihm loyal, da es Kadyrow im Laufe der Jahre gelungen war, nahezu das gesamte Innenministerium mit Vertrauenspersonen zu besetzen
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 9)
Die Rebellenbewegung erfuhr durch den Verlust hunderter Kämpfer und hochrangiger Kommandeure durch Tod oder Überlaufen eine Schwächung, die sich ab 2003 bemerkbar machte. Dies führte aber aufgrund des nicht abzubrechen scheinenden Zulaufs zur Rebellenbewegung nicht zu einer Ausmerzung dieser, Angriffe auf Sicherheitskräfte werden regelmäßig durchgeführt. Am 29. August 2010 wurde die Heimatstadt Ramzan Kadyrows, Zenteroi, von einer Gruppe von 30 bis 60 islamistischen Kämpfern angegriffen. Überraschend war hier vor allem, dass eine so große Einheit angriff. Der Angriff zeigt aber auch, dass die Rebellen zu taktisch herausfordernden Aktionen fähig sind, schließlich gilt Zenteroi als die am besten bewachte Stadt Tschetscheniens.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 18)
2.2.3. Neuerliche Gewalt durch Rebellengruppen
Als Gründe für den neuerlichen Gewaltausbruch werden nicht nur religiöser Extremismus und ethnischer Separatismus genannt. Auch die autoritäre Politik Kadyrows und die durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte begangenen Menschenrechtsverletzungen werden als Auslöser genannt. Wie bereits erwähnt werden Armut und die schlechte wirtschaftliche Lage sowie die weit verbreitete Korruption und Klanwirtschaft ebenso dafür verantwortlich gemacht, den Zulauf aus der tschetschenischen Bevölkerung zur Widerstandsbewegung nicht abreißen zu lassen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-18)
Am 19.10.2010 drangen Terroristen sogar bis zum schwer bewachten Parlament in Grosny vor. Aus bisher ungeklärten Gründen gelang es drei Terroristen die Sperre vor dem Parlamentsgebäude zu passieren. Einer der Angreifer sprengte sich davor in die Luft, zwei Untergrundkämpfer drangen in das Gebäude ein, lieferten sich im Erdgeschoss ein Feuergefecht mit den tschetschenischen Sicherheitskräften und sprengten sich dann selbst in die Luft. Tschetschenische Parlamentsabgeordnete, die eine Geiselnahme fürchteten, flüchteten in den zweiten Stock. Russische Parlamentarier, die aus der Ural-Region Swerdlowsk angereist waren, wurden evakuiert. Tschetschenische Polizisten verließen mit blutenden Köpfen das Gebäude. Außer den Terroristen wurden bei dem Überfall drei Personen getötet, darunter zwei Polizisten und ein tschetschenischer Zivilist. 17 Personen, darunter sechs Polizisten und elf Zivilisten, wurden verletzt. Mit dem Überfall zeigten die Separatisten, dass sie auch in Tschetschenien, wo es in den letzten Jahren weit weniger Anschläge gegeben hatte, als in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, noch handlungsfähig sind. Kadyrow, das von Putin eingesetzte Oberhaupt Tschetscheniens, versuchte den Vorfall herunterzuspielen. Seine Sicherheitskräfte hätten nur 20 Minuten gebraucht, um den Angriff auf das Parlament abzuwehren. Doch nach Medienberichten dauerten die Feuergefechte über eine Stunde.
(Eurasisches Magazin: Der Terror in Tschetschenien ist zurück vom 06.12.2010)
Am 6. Juli forderte Putin im südrussischen Kislowodsk eine Amnestie für die Untergrundkämpfer im Nordkaukasus. Damit bewies er, dass man mit allen Mitteln Frieden erreichen will.
(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 5)
2.3. Menschenrechtsaktivisten und Gegner Kadyrows:
Der Mord an einer Mitarbeiterin der Menschenrechtsorganisation Memorial im Juli 2009 zeigt, dass geäußerte Bedenken in Hinblick auf Rechte und Sicherheit der NRO Mitarbeiter derzeit nicht unbegründet sind. Am 15. Juli 2009 wurde Natalja Estemirova nach Inguschetien verschleppt und erschossen. Erwähnt sei auch der Mord an der NRO Mitarbeiterin Salema Sadulaeva ("Let¿s Save the Generation") und ihrem Ehemann Alik Dzhabrailov am 11. August 2009. Die beiden waren in einem Vorort von Grosny erschossen aufgefunden worden. Ob ihr Tod aber tatsächlich mit der Tätigkeit Sadulaevas in der NRO zusammenhängt ist unklar, da auch Vermutungen bestehen, dass der Mord aus Rache an ihrem Ehemann passierte. Unabhängig von den Mordmotiven scheint eine Aufklärung der Morde in allen drei Fällen unwahrscheinlich.
Bereits im Jänner 2009 waren in Moskau auf offener Straße Stanislav Markelov, ein prominenter Menschenrechtsanwalt der zahlreiche Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien vertreten hatte, und Anastasiya Baburova, eine junge Praktikantin für die Zeitung "Novaya Gazeta", für die bereits Anna Politkovskaya bis zu ihrem Tod gearbeitet hatte, erschossen worden. Im August 2008 starb der inguschetische Journalist und Anwalt Magomed Yevloev in einem Polizeiauto, nachdem er für eine Einvernahme festgenommen worden war. Somit kann bei Personen, die sich aktiv für Menschenrechte in Tschetschenien oder das Aufzeigen von dort begangenen Menschenrechtsverletzungen einsetzen, davon ausgegangen werden, dass diese im Allgemeinen einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind.
(Analyse der Staatendokumentation, Tschetschenien - Gefährdungseinschätzung: Menschenrechtsaktivisten und Unterstützer (von ehemaligen) Widerstandskämpfern vom 09.09.2009, Seite 6, 12 und 13)
Immer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen verschiedenen offiziellen tschetschenischen Einheiten, insbesondere zwischen solchen unter der Kontrolle Kadyrows und jenen unter der Kontrolle von Personen, die gemeinhin als seine persönlichen Gegner bezeichnet wurden, wie zum Beispiel der mittlerweile ermordete Sulim Jamadajew und der nunmehr aus Tschetschenien vertriebene Said-Magomed Kakijew. Bei diesen Zusammenstößen kam es auch zu Todesfällen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 10)
3. Versorgungslage
Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in den Jahren seit 2007 deutlich verbessert.
Einige Indizien hierfür liefern die offiziellen Statistiken: Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Das laufende föderale Hilfsprogramm zum Aufbau Tschetscheniens sieht 111 Mrd. Rubel (2,5 Mrd. ¿) für die Jahre 2008-2011 vor. Damit sind die Staatsausgaben in Tschetschenien pro Einwohner doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südlichen Föderalen Bezirks. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen fast vollständig wieder aufgebaut - dort gibt es mittlerweile auch wieder einen Flughafen. Nach Angaben der EU-Kommission findet der Wiederaufbau überall in der Republik, insbesondere in Gudermes, Argun und Schali, statt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen melden, dass selbst in kleinen Dörfern Schulen und Krankenhäuser aufgebaut werden. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser, etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die Kompensationszahlungen Erfolge. Missmanagement, Kompetenzgemenge und Korruption verhindern jedoch in vielen Fällen, dass die Gelder für den Wiederaufbau sachgerecht verwendet werden. Die humanitären Organisationen reduzieren langsam ihre Hilfstätigkeiten; sie konstatieren keine humanitäre Notlage, immer noch aber erhebliche Entwicklungsprobleme.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 19 und 20)
3.1. Wohnsituation
Im Juli 2003 führte die Regierung Kompensationszahlungen ein. Im Rahmen dessen sollten Personen, deren gesamtes Eigentum zerstört worden war, 350.000 Rubel bekommen. Der föderalen Regierung zufolge hatten bis Ende 2004 39.000 Personen solche Kompensationszahlungen erhalten. Zusätzlich zu Regierungsprogrammen unterhalten humanitäre Organisationen Programme zur Beschaffung von Unterkünften. Zwischen 2000 und 2007 wurden in Tschetschenien rund 20.000 Häuser mit der Hilfe humanitärer Organisationen repariert oder aufgebaut.
(BAA - ÖIF, Soziale Infrastruktur in Tschetschenien; August 2009, Seite 9)
Wohnraum bleibt ein großes Problem. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen seit 1994 über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Nichtregierungsorganisationen berichten, dass nur rund ein Drittel der Vertriebenen eine Bestätigung der Kompensationsberechtigung erhalte. Viele Rückkehrer bekämen bei ihrer Ankunft in Grosny keine Entschädigung, weil die Behörden sich weigerten, ihre Dokumente zu bearbeiten, oder weil ihre Namen von der Liste der Berechtigten verschwunden seien. Verschiedene Schätzungen, u.a. des ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten des Europarates Gil Robles, gehen davon aus, dass 30-50% der Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 20)
3.2. Nahrungsversorgung
Der Bazar in Grosny wurde wiedereröffnet und es ist praktisch alles erwerbbar, allerdings nicht immer zu leistbaren Preisen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat seine Aufmerksamkeit weg von Hilfsleistungen hin zum Aufbau von eigenständiger Versorgung gelenkt. So wurden Projekte für die Förderung der Eröffnung von kleinen Geschäften - z.B. Schuhreparaturwerkstätten, Bäckereien, Verarbeitung von Wolle und Herstellung von Kleidung - ins Leben gerufen.
Auf Grund zahlreicher Landminen und der bestehenden Bodenverschmutzung ist es in Tschetschenien nur schwer möglich, Landwirtschaft oder Viehzucht zu betreiben. Haupteinnahmequelle ist der Handel, viele Familien leben auch davon, dass Familienangehörige Geld aus anderen Teilen Russlands oder dem Ausland nach Tschetschenien schicken. Berichten des World Food Programm zu Folge ist die Versorgungslage in Tschetschenien jedoch nach wie vor schlecht. Etwa 80% der Betroffenen würden unter der Armutsgrenze der Russischen Föderation leben. Überdies seien 10% der Kinder akut unterernährt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010)
Das Notfall- und Rehabilitationsprogramm im Nordkaukasus soll für die Ernährungssicherheit und Ernährung durch "Empowerment" gefährdeter Bevölkerungsgruppen sorgen. Diese Ziele sollen dadurch erreicht werden, indem man die landwirtschaftliche und die auf Viehzucht basierende Produktion wiederaufnimmt und gleichzeitig verstärkt neue Kenntnisse über Ernährung und Klein-Farmbetriebe anwendet.
Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) nahm am Inter-Agency-Transitional-Arbeitsplan für den Nordkaukasus 2007 teil, der die Durchführung von Aktivitäten zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und Stärkung ländlicher Existenzmöglichkeiten in der Region beabsichtigt. Insbesondere gehören zu den wichtigsten Zielen der FAO im Bereich der Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Produktion die Wiedereingliederung von sozial benachteiligten Gruppen, die Bereitstellung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln für Einkommen schaffende Maßnahmen, der Wiederaufbau der wichtigen landwirtschaftlichen Infrastruktur, die Gewährung von Dienstleistungen sowie die Stärkung der institutionellen Kapazitäten in der Landwirtschaft.
Landwirtschaftliche Projekte wurden in der Region durch die 2006 von der FAO errichtete Emergency and Rehabilitation Coordination Unit (ERCU) umgesetzt. Laufende FAO-Aktivitäten beinhalten derzeit die Förderung der Gewächshausproduktion und die Vermarktung von hochwertigen Nutzpflanzen. Die FAO realisiert gerade zwei Projekte, die sich mit Gewächshausproduktion beschäftigen, von denen ein Projekt auch eine kleine Imkerei beinhaltet. Diese Projekte zielen auf Grundversorgungsempfänger ab, die vom Konflikt betroffen sind, mit dem Ziel der Verringerung der Abhängigkeit von externer Hilfe in Tschetschenien und Inguschetien durch vielversprechende Ertragsmöglichkeiten und der Gründung der landwirtschaftlichen Genossenschaften. Die Herangehensweise der FAO, die sich daran orientiert Klein-Agrarbetriebe zu errichten, stimuliert lokale kleine landwirtschaftliche Märkte.
(Homepage der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation), Zugriff am 11. Jänner 2011,
http://www.fao.org/countries/55528/en/rus/)
3.3. Arbeitslosigkeit und soziale Lage
Die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in den Jahren seit 2007 deutlich verbessert. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser, etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die Kompensationszahlungen Erfolge. Missmanagement, Kompetenzgemenge und Korruption verhindern jedoch in vielen Fällen, dass die Gelder für den Wiederaufbau sachgerecht verwendet werden. Die humanitären Organisationen reduzieren langsam ihre Hilfstätigkeiten; sie konstatieren keine humanitäre Notlage, immer noch aber erhebliche Entwicklungsprobleme. Wichtigstes soziales Problem ist die Arbeitslosigkeit und große Armut weiter Teile der Bevölkerung. Nach Schätzungen der UN waren 2008 ca. 80% der tschetschenischen Bevölkerung arbeitslos und verfügen über Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze (in Höhe von 2,25 USD/Tag). Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum, weil die Industrie überwiegend zerstört ist. Minen verhindern die Entwicklung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Geld wird mit illegalem Verkauf von Erdöl und Benzin verdient; zahlreiche Familien leben von Geldern, die ein Ernährer aus dem Ausland schickt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 19 und 20)
Heute erreicht die Arbeitslosenrate in Tschetschenien 30 Prozent. Putin rief dazu auf, die Wirtschaft der Nordkaukasus-Region anzukurbeln. Um den Rückstand gegenüber anderen Regionen aufzuholen, brauche der Nordkaukasus laut Aussagen Putins rund zehn Prozent Wirtschaftswachstum jährlich und sei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit äußerst wichtig. Innerhalb von zehn Jahren sollen laut Putin mindestens 400.000 neue Arbeitsplätze im Nordkaukasus entstehen. Beim Wiederaufbau gibt es bereits Erfolge zu verzeichnen. In den vergangenen zwei Jahren sind in Tschetschenien beispielsweise 53 Schulen und 35 medizinische Einrichtungen in Betrieb genommen worden, deren Bau der Staat finanziert hat.
(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 4)
3.4. Medizinische Versorgungssituation
Die Gesundheitsversorgung stellt auch in dem "Zielprogramm für den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau 2008-2011" einen Schwerpunkt dar. Insbesondere seit 2006 zeigen sich im Gesundheitssektor erste Anzeichen einer Erholung. Diese Erholung ist an verschiedenen Kennzahlen ersichtlich: Auf 10.000 Einwohner kamen im Jahr 2007 73,2 Krankenhausbetten, 22,5 Ärzte, sowie 66,7 weiteres medizinisches Personal. Insgesamt gab es 2007 62 Krankenhäuser, 79 ambulant behandelnde Polikliniken, 185 Stellen für ärztliche Betreuung und Geburtshilfe und fünf Zentren für ansteckende Krankheiten. Dies stellt in jedem der Bereiche einen signifikanten Anstieg im Vergleich zum Jahr 2006 dar.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 6)
Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Durch die Zerstörungen und Kämpfe - besonders in der Hauptstadt Grosny - waren medizinische Einrichtungen weitgehend nicht mehr funktionstüchtig. Nach Angaben der VN-Entwicklungshilfeorgansiation UNDP entspricht die Dichte der Polikliniken in einigen Bezirken nur 20 % des russischen Durchschnitts. Dabei treten einige stressbedingte Krankheiten laut tschetschenischem Gesundheitsministerium zehn- bis fünfzehnmal häufiger auf als vor dem Krieg. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung dank internationaler Hilfe inzwischen aber ein Niveau erreicht haben, das dem durchschnittlichen Standard in der Russischen Föderation entspricht. Problematisch bleibt jedoch auch laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 20f)
Diverse Erkrankungen wie Hepatitis C, Coronare Herzkrankheiten, Posttraumatische Belastungsstörungen und sogar DES-Stent-Implantationen etc. können laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in der Russischen Föderation (und in der Tschetschenischen Republik) behandelt und nachversorgt werden. In Tschetschenien ist die Versorgung mit medizinischen Spezialisten noch immer unzureichend und komplizierte Fälle werden für die Behandlung und Nachsorge von ihren örtlichen Kliniken in die nächsten Städte (Krasnodar, Rostov-on-Don, Machatschkala) überwiesen.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Russische Föderation vom 10.08.2010, Seite 2)
Die medizinische Versorgung in Tschetschenien ist weiterhin sehr einfach, jedoch ist es vor allem seit 2002 zu umfassendem Wiederaufbau durch Regierungsprogramme und Programme Internationaler Organisationen gekommen, die insbesondere seit 2006 auch tatsächlich merkbar sind.
Die offiziellen Statistiken zeigen, dass der Wiederaufbau der Infrastruktur für medizinische Versorgung in den letzten Jahren fortgeschritten ist. Krankenhäuser und Polikliniken wurden wieder aufgebaut. Auch psychologische Behandlungsmöglichkeiten bestehen grundsätzlich, wobei bei der Betreuung von traumatisierten Kindern besonders UNICEF engagiert tätig ist. Internationale Organisationen stellen mittlerweile nicht mehr nur Nothilfe zur Verfügung, sondern fachmedizinische Versorgung sowie auch Schulungsmaßnahmen für medizinisches Personal vor Ort. Einzelne von Organisationen unterstützte Programme, wie etwa das Tuberkuloseprogramm von Ärzte ohne Grenzen, werden schrittweise an lokale Stellen übergeben. Diese nachhaltigen Maßnahmen sind weitere Hinweise darauf, dass sich die Lage in gewissen Bereichen auch nach Einschätzung dieser Organisationen mittlerweile soweit gebessert hat, dass solch nachhaltige Maßnahmen bzw. sogar ein Rückzug ihrerseits möglich sind.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 10)
Durch die Erhöhung der Quoten auf medizinischen Bildungseinrichtungen versucht man dem Personalmangel entgegenzuwirken. Auch die von elf Internationalen Organisationen durchgeführten Schulungsmaßnahmen können zu einer sukzessiven Besserung des Personalmangels beitragen. Zumindest die medizinische Grundversorgung hat bereits wieder das Vorkriegsniveau erreicht. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass Monate nach Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges - also vor weniger als zehn Jahren - rund 70% der medizinischen Infrastruktur als zerstört galten, nicht unbeachtlich. Die medizinische Versorgung hat in Tschetschenien noch starken Aufholbedarf, wobei die medizinische Grundversorgung bereits als positives Beispiel für gelungenen Wiederaufbau genannt werden kann. Die diesbezüglich bereits erfolgten Fortschritte sind einerseits auf Unterstützungsleistungen Internationaler Organisationen, andererseits auch auf staatliche Investitionen zurückzuführen. Weitere zukünftige Investitionen sowie positive Entwicklungen zur Linderung des Personalmangels, die sich unter anderem durch erhöhte Quoten in Bildungseinrichtungen abzeichnen, können, sofern sie weitergeführt werden mittel- bis langfristig zu einer Rückkehr zum Vorkriegszustand führen.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 10-11)
3.4.1. Psychologische Bertreuung in Tschetschenien
Der Nichtregierungsorganisation Vesta zufolge können psychische Erkrankungen beispielsweise in dem Republiksambulatorium für Neuropsychologie (Grosny), in dem Republikskrankenhaus "Samaschkin" (Zakan-Jurt im Bezirk Atschchoi-Martan) und im Darbachin-Republikskrankenhaus (Braguny im Bezirk Gudermes) behandelt werden. Auch Internationale und Nichtregierungsorganisationen sind im Bereich der psychiatrischen Versorgung tätig: UNICEF entwickelte in Tschetschenien Ende 2005 ein neues Programm, um Posttraumatische Belastungsstörungen bei Kindern und ihren Familien zu behandeln.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 9)
3.5. Rückkehrer
3.5.1. Derzeitige Situation von Rückkehrern
Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Ebenso liegen dem Auswärtigen Amt keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange der Tschetschenien-Konflikt nicht endgültig gelöst ist, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen die russischen Behörden ein solches Engagement unterstellen, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.
Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden statt, haben aber an Intensität abgenommen. Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes sind keine Anweisungen der russischen Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen bekannt. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit. Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird an vielen Orten (u.a. in großen Städten wie Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen wirken sich im Zusammenhang mit anti-kaukasischer Stimmung besonders stark auf die Möglichkeit von aus anderen Staaten zurückgeführten Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Die Rücksiedlung nach Tschetschenien wird von Regierungsseite nahegelegt.
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses (ein von russischen Auslandsvertretungen ausgestelltes Passersatzpapier reicht nicht aus) und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u.a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 30 und 31)
Mittlerweile sind von den nach Kriegsausbruch weit über 200.000 Flüchtlingen, die vor allem nach Inguschetien geflüchtet waren, die meisten nach Tschetschenien zurückgekehrt. Auch von den innerhalb Tschetscheniens vertriebenen Personen sind die meisten wieder in ihre Häuser zurückgekehrt. Laut UNHCR konnten seit dem Jahr 2002 zehntausende Binnenflüchtlinge aufgrund der Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage und der bereits erfolgten und laufenden Wiederaufbauprogramme in ihre Häuser zurückkehren. Anfang 2009 schätzte das Flüchtlingshochkommissariat die Zahl der weiterhin Binnenvertriebenen auf 79.000.
Auch ein Anstieg der Anzahl freiwilliger Rückkehrer aus Österreich in die Russische Föderation ist festzustellen. 2008 kehrten in den ersten zehn Monaten 1.196 Personen aus Europa in die Russische Föderation zurück (hiervon 173 aus Österreich). Zwischen 2003 und 2007 kehrten insgesamt 1.485 Personen zurück. Hierbei handelt es sich allerdings nur um mit der Unterstützung der IOM (International Organisation for Migration) zurückgekehrte Personen, die tatsächliche Gesamtzahl liegt vermutlich höher. 75% der (durch IOM unterstützten) Rückkehrer in die Russische Föderation kehrten 2008 nach Tschetschenien zurück, 17% gingen nach Dagestan, 3% nach Inguschetien. Tschetschenen kehren derzeit auch aus Moskau und anderen Teilen der Russischen Föderation nach Tschetschenien zurück. Mit Unterstützung von IOM kehrten 2009 insgesamt 918 Personen aus Österreich in die Russische Föderation zurück. Aus Österreich kehrten darunter mit Unterstützung des VMÖ (Verein Menschenrechte Österreich) 2008 69 Personen, 2009 303, und in den ersten vier Monaten des Jahres 2010 64 Personen nach Tschetschenien zurück.
(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010)
3.5.2. Frauen als Rückkehrer
Frauen, die nach Tschetschenien zurückkehren, können mit sozialen Beihilfen im Rahmen der Gesetzgebung der Russischen Föderation rechnen. Sozialhilfe und staatliche Zuwendungen stellen neben offiziellen Arbeitslöhnen und Einkommen aus semi-formellen, privaten oder unregelmäßigen Beschäftigungsformen eine wichtige Einkommensquelle für tschetschenische Haushalte dar. Dies gilt insbesondere für die sozial schwächsten sozialen Gruppen, zu denen unter anderem Familien ohne Männer gehören. Neben der auf föderaler Ebene geregelten Sozialversicherung (Renten, Krankenversicherung, Mutterschutz, Arbeitslosigkeit) bestehen auch regional implementierte, beitragsfreie Sozialhilfeprogramme, beispielsweise Kinderbeihilfe, Wohnbeihilfe oder Beihilfen für Invalide. Im Rahmen dieser beitragsfreien regionalen Programme besteht auch eines für Familienmitglieder von Kriegsveteranen und verstorbenen Soldaten, diese Empfängergruppe umfasste 2008 3.163 Personen. Für das letzte Quartal 2008 lag das offizielle Mindestexistenzlevel in der Republik Tschetschenien bei 3.842 Rubel pro Person. Für die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter betrug das Minimum 4.202 Rubel, für Kinder war das Minimum bei 3.594 Rubel festgesetzt.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 19)
3.5.3. Unbegleitete Minderjährige als Rückkehrer
Zurückkehrende unbegleitete Minderjährige können über die Abteilung für staatliche Jugendpolitik, Erziehung und sozialen Schutz für Kinder des Bildungs- und Wissenschaftsministeriums der Russischen Föderation in einem Kinderheim untergebracht werden, wenn sich keine Verwandte zur Aufnahme bereit erklären. Die Zuständigkeit liegt bei den Behörden des registrierten Wohnortes des Minderjährigen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 32)
4. Innerstaatliche Fluchtalternative
Die Reise bzw. der Aufenthalt von Personen aus den Krisengebieten im Nordkaukasus in andere Teile der Russischen Föderation ist grundsätzlich möglich, wird aber sowohl durch Transportprobleme als auch durch fehlende Aufnahmekapazitäten erschwert. Wer dazu die Hilfe russischer Regierungsstellen in Anspruch nehmen muss, kann bürokratischen Hemmnissen und Behördenwillkür begegnen. In großen Städten (z.B. in Moskau und St. Petersburg) wird der Zuzug von Personen restriktiv reguliert. Dies beschränkt im Zusammenhang mit der antikaukasischen Stimmung besonders stark die Möglichkeit zurückgeführter Tschetschenen, sich legal dort niederzulassen. Der Botschaft Moskau sind Fälle von Tschetschenen in Moskau bekannt, die gegenüber ihren Vermietern ihre Volkszugehörigkeit verheimlichten und sich stattdessen als Tartaren ausgaben, weil sie sich dadurch weniger Schwierigkeiten bei ihrer Registrierung erhofften. Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Tschetschenen landesweit, insbesondere in den Großstädten, häufig die Registrierung verweigert wird. In seinem Jahresbericht 2008 kritisiert er das noch ungelöste Problem von tschetschenischen Pensionären, deren Arbeitsdokumente während der Tschetschenien-Kriege oder im Rahmen von Terrorbekämpfungsmaßnahmen in Tschetschenien verloren gegangen sind, und die vor allem außerhalb Tschetscheniens daher keine Rentenansprüche nachweisen können.
Es ist darauf hinzuweisen, dass aus den Nordkaukasusrepubliken stammende Personen auch bei Übersiedlung in andere Teile Russlands grundsätzlich weiterhin dem Zugriff der Behörden ihrer Herkunftsregion unterworfen sind. Den regionalen Strafverfolgungsbehörden ist es möglich, auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Föderationssubjekten Personen in Gewahrsam zu nehmen und in ihre Heimatregion zu verbringen. Nach glaubhaften Berichten von Menschenrechts-NGOs wie Memorial wird diese Möglichkeit regelmäßig genutzt; z.B. haben tschetschenische Ermittler am 05.11.2009 in Moskau Arbi Chatschukajew, Leiter der NGO "Prawo" (Recht), in Gewahrsam genommen und zwangsweise zu einer Vernehmung nach Grosny verbracht; am 06.11.2009 wurde er wieder freigelassen. Ihm wurde Nichterscheinen bei einem Vernehmungstermin als Zeuge eines Raubüberfalls vorgeworfen; Menschenrechtsverteidiger sehen hingegen eine Verbindung zu der kurz zuvor erfolgten Tötung seines Bruders als mutmaßlicher Rebell bei einer Milizaktion.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 23 und 24)
Nichtregierungsinstitutionen berichten auch, dass Registrierungsbehörden vereinzelt nicht kooperieren, wenn Tschetschenen sich in ihrem Kreis registrieren lassen oder dort wohnen möchten. Angesichts der Terrorgefahr dürfte sich an dieser Praxis der Behörden in absehbarer Zeit nichts ändern. Daher haben Tschetschenen erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Ihr Lebensstandard hängt stark davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Es kommt immer wieder zu Festnahmen wegen fehlender Registrierung oder aufgrund manipulierter Ermittlungsverfahren.
Tschetschenen leben außerhalb Tschetscheniens und Inguschetiens vor allem in den nordkaukasischen Nachbarrepubliken Dagestan und Kabardino-Balkarien sowie in Südrussland (Regionen Krasnodar, Stawropol, Rostow, Astrachan). Dort ist eine Registrierung grundsätzlich leichter möglich als in Moskau, unter anderem weil dort Wohnraum, was eine Registrierungsvoraussetzung darstellt, erheblich billiger ist. Eine Registrierung ist in vielen Landesteilen oft erst nach Intervention von Nichtregierungsorganisationen, Duma- Abgeordneten, anderen einflussreichen Persönlichkeiten oder durch Bestechung möglich. Eine Registrierung als Binnenflüchtling (IDP, internally displaced person) und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen wie Wohnung, Schule, medizinische Fürsorge, Arbeitsmöglichkeit wird in der Russischen Föderation nach glaubhaften Berichten von amnesty international und des UNHCR regelmäßig verwehrt. Es ist für russische Staatsbürger grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor - wenn auch in stark verringerter Zahl - Kontrollposten der föderalen Truppen oder der sog "Kadyrowzy", die gewöhnlich eine "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben. Sie beträgt für Bewohner Tschetscheniens in der Regel zehn Rubel (also ungefähr 25 Cent); für Auswärtige - auch Tschetschenen - liegt sie höher, z.B. an der inguschetisch-tschetschenischen Grenze bei 50 - 100 Rubel (etwa 1,25 - 2,50 Euro).
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 31 und 32)
Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass, ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen ist. Dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten sowie die Möglichkeit der Kontaktierung von NGOs eine Rolle. Nicht registrierte Tschetschenen können allenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können.
Länderfeststellungen dieses Inhaltes wurden im Wesentlichen bereits im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.12.2011 getroffen. In der Beschwerde vom 18.01.2012 wird diesen Länderfeststellungen nicht konkret entgegengetreten.
Die vorstehenden Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin sowie zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität, zur Staatsangehörigkeit und zur tschetschenischen Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen gründen sich auf das eigene, diesbezüglich glaubwürdige Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen im Zusammenhang mit den von der Beschwerdeführerin und ihren Familienangehörigen im Verfahren vor dem Bundesasylamt vorgelegten Dokumenten, hinsichtlich deren Echtheit und inhaltlicher Richtigkeit nach derzeitigem Kenntnisstand kein ausreichender Anlass zu zweifeln besteht.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, keiner aktuellen Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt ist, gründet sich auf den Umstand, dass dem individuellen Vorbringen der Beschwerdeführerin, welches sich im Wesentlichen auf das Fluchtvorbringen ihres Ehemannes stützt, keine Glaubwürdigkeit zukommt.
Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Erstbefragung am 01.10.2010 vor, in ihrer Heimat Probleme wegen ihres Ehemannes gehabt zu haben. In der Heimat seien sie und die Kinder "ständig belästigt" worden. Oftmals habe man sie in der Früh geweckt und zur Bekanntgabe des Aufenthaltsortes ihres Ehemannes gedrängt. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat würde ihr "dasselbe passieren" wie ihrem Ehemann; sie würde also "auch spurlos verschwinden", da sie für die Taten ihres Ehemannes zu Verantwortung gezogen werden würde. Auch in ihrer Einvernahme am 08.02.2011 betonte die Beschwerdeführerin, sie und ihre Familie hätten aufgrund der Probleme ihres Ehemannes ebenfalls Probleme gehabt.
Hinsichtlich dieses Fluchtvorbringens der Beschwerdeführerin ist zunächst festzuhalten, dass dieses Vorbringen dermaßen vage und unkonkret gehalten ist, dass es bereits aufgrund der Unkonkretheit nicht geeignet sein kann, eine konkret und gezielt gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft darzutun.
Insoweit sich die Beschwerdeführerin in ihrem Vorbringen auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes beruft, wird auf folgende beweiswürdigende Ausführungen des Asylgerichtshofes im den Ehemann der Beschwerdeführerin betreffenden Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. D19 306149-5/2012, verwiesen:
"Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, keiner aktuellen Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt ist, gründet sich auf den Umstand, dass dem individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zukommt.
Das Bundesasylamt tätigte im angefochtenen Bescheid insbesondere folgende beweiswürdigende Ausführungen, welchen sich der Asylgerichtshof in inhaltlicher Hinsicht anschließt:
¿Mit den von Ihnen behaupteten Angaben zu den Gründen der Ausreise bzw. Ihrem neuerlichen Vorbringen für die Begründung Ihres aktuellen Asylantrages vermochten Sie eine Verfolgungsgefahr in Ihrer Heimat jedoch nicht glaubwürdig darlegen. Ihre Behauptung einer konkreten Verfolgung in der Heimat kann nur als eine in den Raum gestellte Behauptung gewertet werden, der aufgrund der mangelnden Plausibilität und Nachvollziehbarkeit, wie nachstehend begründet, keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden kann. Um den Erfordernissen der Glaubwürdigkeit zu genügen, muss das Vorbringen des Asylwerbers nämlich hinreichend substantiiert sein, weshalb vage und widersprüchliche Schilderungen entscheidender Umstände für eine Glaubhaftmachung der asylrechtlichen Relevanz der Erlebnisse nicht ausreichen. Weiters muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Überdies muss - wie bereits zuvor ausgeführt - das Vorbringen plausibel sein, das heißt mit den Tatsachen oder den allgemeinen Erfahrungen übereinstimmen.
Sie vermochten mit Ihren Aussagen jedoch diesen Anforderungen auf keinen Fall gerecht zu werden, zumal es sich bei Ihren Behauptungen einer Verfolgung durch die russischen Behörde und Misshandlung lediglich um vage Angaben handelt.
Ihre Angaben, die Sie im Rahmen Ihres Sachvortrages dazu gemacht haben, sind zu vage und allgemein gehalten, um damit glaubhaft zu machen, dass Sie in Ihrem Herkunftsland tatsächlich einer Verfolgung deswegen ausgesetzt wären, zumal Sie Ihren eigenen Aussagen nach keine Probleme mit der Polizei, dem Militär oder dem Gericht in der Heimat gehabt haben.
Ein weiterer Hinweis dafür kann auch darin ersehen werden, dass Ihren Aussagen nach nie eine Strafe gegen Sie verhängt oder ein Gerichtsverfahren eingeleitet wurde, noch sonst irgendwelche Sanktionen gegen Sie seitens der Behörden gesetzt wurden, sodass die Befürchtungen als haltlos anzusehen sind, da es für die Sicherheitskräfte in Ihrer Heimat ein Leichtes gewesen wäre, Ihrer habhaft zu werden, sollte tatsächlich Interesse an Ihrer Person bestanden haben.
Es ist jedoch anerkannt, dass im Asylverfahren im besonderen Maße Erfahrungen und typische Geschehnisabläufe zu berücksichtigen sind. Die Betroffenen und die Behörden stehen in solchen Verfahren vor schwierigen Beweisfragen. Sie sind deshalb auf die Verwertung allgemeiner Erfahrungssätze angewiesen. Dabei ist die Bildung von Erfahrungssätzen nicht nur zugunsten des Asylwerbers möglich. Erfahrungssätze können auch gegen ein Asylvorbringen sprechen.
Nach Erfahrung des Bundesasylamtes als erkennende Behörde kommt dem Vorbringen von Asylwerbern, die auf den für Schlepperorganisationen typischen Wegen und mit dem in diesen Fällen zu beobachtenden, formularmäßigen Vorbringen nach Österreich eingereist sind, eher geringere Glaubwürdigkeit zu. Bei der Beurteilung, ob es sich um ein standardisiertes Vorbringen handelt, ist Vorsicht geboten. Ein hervorstehendes Charakteristikum ist jedoch, dass das Vorbringen, wenngleich es bis zu einem gewissen Grad auch auf eigenen Erfahrungen des Asylwerbers beruht, regelmäßig so abstrakt und allgemein gehalten ist, dass es sich einer Überprüfbarkeit an der Wirklichkeit entzieht.
Im Rahmen Ihrer Befragungen vor dem Bundesasylamt ergingen Sie sich in der Darlegung einiger Eckpunkte einer Rahmengeschichte, ohne diese durch die Präsentation spezifischer detaillierter Angaben anzureichern. Sie waren nämlich während der Vernehmung nicht in der Lage seine allgemein gehaltenen Angaben durch das Vorbringen von Detailumständen zu konkretisieren. Ihre Angaben zu Ihren Fluchtgründen bzw. jenen Umständen, welche Sie letztlich zur Ausreise veranlasst haben, blieben blass, wenig detailreich und oberflächlich.
Aber nicht nur allein diese Behauptungen nimmt die Behörde zum Anlass, um an der Glaubwürdigkeit des von Ihnen vorgebrachten Sachverhaltes zu zweifeln. Ihre Fluchtgeschichte enthält nämlich noch weitere Ungereimtheiten, welche das von der erkennenden Behörde getroffene Befinden unterstreichen.
[...]
Sie gaben nun erstmals einen neuen Fluchtgrund an, und zwar, dass Sie als Zöllner tätig waren und deswegen Probleme hatten. Auch als Ihr Bruder entführt wurde, sagten Sie zu anderen Personen, dass Ihnen bekannt sei, wer dies war und gaben weiters an, dass Sie diese Person auch bestrafen würden.
Als Grund, warum Sie diese Fluchtgründe nicht in Ihren ersten beiden Asylverfahren nannten, gaben Sie an, dass ein Mal ein tschetschenischer Dolmetscher tätig war und weiters, dass bei Dr. Klodner ebenfalls ein Tschetschene arbeitete. Daher konnten Sie diesen Personen nicht vertrauen.
So ist jedoch anzuführen, dass zahlreiche Einvernahmen in Ihrem ersten Asylverfahren, als auch in Ihrem zweiten Asylverfahren, von Russischdolmetschern geführt wurde. Laut vorliegender Dolmetscherliste waren die verwendeten Dolmetscher, außer der Dolmetscher bezüglich der Einvernahme vom 15.07.2009 im Ihrem Zweitasylverfahren, wo auch Dr. Klodner anwesend war, für die Sprache Russisch und waren diese auch der Sprache Tschetschenisch nicht mächtig.
Weiters hätten Sie jederzeit in Ihren Beschwerden selbst verfasst alle Ihre Vorbringen anführen können. Da Sie sich auch in beiden Verfahren an die Caritas gewandt haben, hätten Sie auch hier Ihr Vorbringen kundmachen können.
Wie ersichtlich hätten Sie zahlreiche Möglichkeiten gehabt, seit Ihrem Aufenthalt in Österreich, somit seit 2005, alle Ihre Fluchtvorbringen mündlich oder schriftlich dem Bundesasylamt bekannt zu geben.
Bezüglich der Entführung Ihres Bruders ist auch festzuhalten, dass Sie dies auch bereits in Ihren früheren Verfahren vorbrachten.
[...]
Im Zuge der Einvernahme am 08.02.2011 haben Sie im weiteren Widerspruch angegeben, dass dieser Bruder umgebracht worden wäre und die ein Vorgesetzter vom FSB gewesen sei und Sie nunmehr diesem verfolgt werden würden, weil Sie gesagt hätten, dass Sie wüssten, wer dies gewesen sei. Sie befürchten nun Blutrache. Sie vermochten jedoch dazu weder konkrete Angaben machen, noch vermochten Sie dazu angeben, woher Sie die Information haben, dass Ihr Bruder umgebracht worden wäre. Zudem haben Sie diesen Sachverhalt bisher mit keinem einzigen Wort erwähnt, sodass offensichtlich ist, dass es sich um ein gesteigertes Vorbringen handelt.
Sie haben diese Umstände mit keinem Wort erwähnt, obwohl Ihnen die jetzt erwähnten Ereignisse schon vor Ihrer Einreise nach Österreich und der ersten Asylantragstellung bekannt waren.
Sie haben vor dem Bundesasylamt einen Sachverhalt vorgebracht, der Ihnen in seiner Gesamtheit bereits bei Ihrem ersten Asylverfahren bekannt war. Dazu ist zu sagen, dass Sie all jene Umstände aufzuzeigen haben, die in Ihrer persönlichen Sphäre liegen und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Genau diesen Anforderungen entspricht jedoch Ihr Vorbringen nicht. Zudem vermochten Sie mit Ihren behaupteten Angaben zu den Gründen der Ausreise eine Verfolgungsgefahr in Ihrer Heimat jedoch nicht glaubwürdig darlegen, zumal es sich offensichtlich um ein gesteigertes Vorbringen handelt, mit dem Sie versuchten, Ihren nunmehrigen Asylantrag zu begründen, was Ihnen jedoch in keiner Weise gelang.
Ihre Behauptung einer konkreten Verfolgung in der Heimat kann nur als eine in den Raum gestellte Behauptung gewertet werden, der aufgrund der mangelnden Plausibilität und Nachvollziehbarkeit keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden kann,
Auch zu Ihrem in Frankreich lebenden Bruder machten Sie widersprüchliche Angaben. Im Zuge der Befragung vor dem Asylgerichtshof vom 23.04.2009 haben Sie behauptet, dass Ihr anderer Bruder nach Polen geflüchtet ist, jedoch wieder nach Tschetschenien zurückkehrte. Sie meinten dazu, dass er nach Polen gereist ist und wieder zurückkehrte und dann nach Frankreich reiste.
Ihre Erklärung ist nicht nachvollziehbar, zumal Sie zuvor angegeben haben, dass Ihr Bruder bereits 2007 oder 2008 nach Frankreich reiste. Sie berichtigen Ihre Aussage nach einem Vorhalt dann jedoch dahingehen, dass Sie nicht wüssten, wann er nach Frankreich gereist sei.
Bezüglich der Vorfälle beim Zoll ist ebenfalls auf das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.06.2009, Zahl: E6 306.149-1/2008-25E, Seite 17 hinzuweisen.
[...]
Sie meinten vor dem Bundesasylamt am 08.02.2011 weiters auch, dass Sie der Bewegung auch Geld gegeben hätten und das ebenfalls ein neuer Grund sei. Nicht nur, dass Sie dazu keine konkreten Angaben machten konnten, Sie bestätigten selbst auch, dass dieser Sachverhalt keinen Zusammenhang mit Ihrer Ausreise und Asylantragstellung in Österreich hatte und Sie deswegen auch nie verfolgt wurden. Zudem haben Sie diesen Sachverhalt trotz mehrfacher Möglichkeiten mit keinem Wort erwähnt.
Sie haben sich somit bereits bei den Kernaussagen Ihres Fluchtvorbringens selbst mehrfach widersprochen. Wenn sich eine Person schon bei den Kernaussagen selbst widerspricht und die Sachverhalte, die den Asylantrag begründen sollen, derart unterschiedlich darstellt, so kann nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nicht davon ausgegangen werden, dass das weitere Vorbringen den Tatsachen entspricht und war Ihnen schon aus diesem Grund die Glaubwürdigkeit abzusprechen.
[...]
Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (Erk. des VwGH vom 25.03.1999, Zl. 98/20/0559). Diesen Anforderungen vermochten Sie mit Ihrem Vorbringen nicht gerecht zu werden.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist aber davon auszugehen, dass Flüchtlinge, die ihr Heimatland aus wohlbegründeter Flucht verlassen, in dem Land, in dem sie Schutz und Zuflucht suchen, sowohl hinsichtlich ihrer Person als auch ihres Fluchtgrundes die Wahrheit sagen. Aus denklogischer Sicht betrachtet ergibt sich für Personen, die in ihrem Heimatland tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt sind, keine Notwendigkeit dafür, im Land in dem sie sicher sind und um Hilfe (Asyl) ersuchen, mehrmals andere Fluchtgründe vorzubringen, außer man verfolgt ein anderes Ziel, nämlich, sich durch dieses Vorgehen Rechtsvorteile zu verschaffen. Aus denklogischer Sicht betrachtet ergibt sich nämlich für Personen, die in ihrem Heimatland tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt sind, keine Notwendigkeit dafür, im Land in dem sie sicher sind und um Hilfe (Asyl) ersuchen, die erlebten Ereignisse unterschiedlich zu schildern oder weiter auszuschmücken.
Mit Ihren Angaben vermochten Sie dem vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch nicht gerecht zu werden und musste Ihrem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden, denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit - wenn er tatsächlich einer Verfolgungsgefährdung in seinem Heimatstaat unterliegt - zentral entscheidungsrelevante Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen vergleiche Beschluss des VwGH 2000/01/0250 vom 7.6.2000).
Bei der Beurteilung muss jedenfalls auch mitberücksichtigt werden, dass Sie - menschlich durchaus verständlich - ein gravierendes Interesse am positiven Ausgang Ihres Asylverfahrens haben, was natürlich auch zu verzerrten Darstellungen tatsächlicher Geschehnisse oder zu gänzlich falschen Vorbringen führen kann.
Zusammenfassend ist daher zu befinden, dass Ihre Geschichte wohl asylzweckbezogen angelegt, in dieser Form aber aufgrund der vagen und widersprüchlichen Aussagen weder nachvollziehbar noch glaubwürdig ist und die von Ihnen geltend gemachte Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.
Aufgrund vorliegender Fakten und oben angeführter Beweiswürdigung ist somit davon auszugehen, dass es sich bei Ihrem Vorbringen zum Fluchtgrund um eine "asylzweckbezogene" Konstruktion handelt. Aus Ihrer Geschichte und Ihrem Auftreten kann eindeutig geschlossen werden, dass Sie auch Ihren dritten Asylantrag nur aus Zwecken der weiteren Aufenthaltserlangung in Österreich gestellt haben.'
Wie bereits erwähnt, schließt sich der Asylgerichtshof diesen beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes in inhaltlicher Hinsicht an. In Bekräftigung dieser Ausführungen ist auch seitens des Asylgerichtshofes festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen - nunmehr dritten - Asylverfahren, mit welchem der Beschwerdeführer im Übrigen keinerlei konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete (drohende) Verfolgungshandlungen darzulegen vermochte, nicht glaubwürdig und daher auch nicht geeignet ist, eine aktuelle Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer und daran anknüpfend für seine Ehefrau und seine beiden volljährigen Söhne im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien darzulegen.
Im vorliegenden Verfahren ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe bereits in zwei vorangegangenen Asylverfahren und damit im Rahmen mehrerer Einvernahmen vor dem Bundesasylamt ausführlich vorbringen konnte und seinen Schilderungen auch nach Durchführung zweier mündlicher Berufungsverhandlungen vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat sowie einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof rechtskräftig keine Glaubwürdigkeit zuerkannt und keine Verfolgung des Beschwerdeführers in seiner Heimat festgestellt wurde.
Im Hinblick auf die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach er wegen eines tschetschenischen Dolmetschers keine vollständigen Aussagen habe machen können, ist auf die bereits im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.12.2010, Zl. D6 306149-4/2010/4E, dargelegte Erwägung zu verweisen, wonach diese Behauptung des Beschwerdeführers angesichts der Vielzahl an Einvernahmen und Verhandlungen im Laufe der vom Beschwerdeführer angestrengten Asylverfahren und in Anbetracht der vom Asylgerichtshof im Erkenntnis vom 26.06.2009, Zl. E6 306149-1/2008/25E, geschilderten massiven Widersprüche im Fluchtvorbringen nicht überzeugend ist. Überdies hat der Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht, bei welcher Verhandlung bzw. Einvernahme welcher Dolmetscher nicht vertrauenswürdig gewesen sein soll und welche Details er trotz Kenntnis von seiner Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben verschwiegen haben will.
Wenn der Beschwerdeführer im nunmehr dritten Verfahren behauptet, er werde im Herkunftsstaat "immer noch politisch verfolgt", da er früher "gegen Russland politisch tätig" gewesen sei, so vermag dieses Vorbringen - dies auch vor dem Hintergrund, dass das gesamte in den bisherigen Verfahren erstattete bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers rechtskräftig als unglaubwürdig beurteilt wurde und nicht ersichtlich ist, weshalb nun gerade dem nunmehrigen Vorbringen Glaubwürdigkeit zukommen sollte - bereits aufgrund seiner Allgemeinheit keine für den Beschwerdeführer in der Russischen Föderation bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft darzutun.
Aber auch der Hinweis auf seine Tätigkeit als römisch 40 beim Zoll und der Umstand, dass er "alle Unterlagen" seiner Mitarbeiter über deren Tätigkeiten bei sich zu Hause versteckt und diese dadurch geschützt habe, da sie "alle gemeinsam politisch gegen Russland tätig" gewesen seien, überzeugt nicht. Diesbezüglich ist zunächst zu bedenken, dass der Beschwerdeführer seine Position als römisch 40 beim Zoll bereits im Zuge seines ersten Verfahrens vorgebracht hat. Verwundern muss in diesem Zusammenhang aber insbesondere der Umstand, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich jener Unterlagen, die er - gemäß seinen nunmehrigen Angaben im gegenständlichen Verfahren - zum Schutz seiner Mitarbeiter zu Hause versteckt haben will, in der in seinem ersten Verfahren vom Asylgerichtshof am 23.04.2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung angegeben hatte, "viele überflüssige Dokumente versteckt" zu haben ("Ich war römisch 40 . Die ganzen Dokumente waren üblicherweise bei mir. Wie der Krieg begonnen hat, haben wir viele überflüssige Dokumente versteckt."). Darüber hinaus ist - wie bereits erwähnt - auch die Ausführung des Beschwerdeführers, dass sie "alle gemeinsam politisch gegen Russland tätig" gewesen seien, in dieser unkonkret gebliebenen Form nicht geeignet, eine glaubwürdige Verfolgungsgefahr darzutun. Von einer tatsächlich politisch tätigen Person, die aufgrund dieses Umstandes Verfolgung befürchtet, ist vielmehr zu erwarten, dass sie nähere Details der politischen Tätigkeit eigeninitiativ darlegt, was im gegenständlichen Fall jedoch unterblieben ist. Die Äußerung in der Beschwerde, wonach das Bundesasylamt zu diesem Themenbereich keine weiteren Fragen gestellt und sohin den "Sachverhalt in diesem
Punkt ... unzureichend ermittelt" habe, vermag auch im Hinblick auf
den Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits das dritte Asylverfahren angestrengt hat und neuerlich keine Verfolgungsgründe ausreichend konkret vorgebracht hat und glaubhaft machen konnte, nicht zu überzeugen.
Was die Ausführung des Beschwerdeführers anbelangt, dass er nach der Entführung seines Bruders "zu anderen Personen" gesagt habe, dass er wisse, wer dies getan habe, ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer auch zu diesem Umstand keinerlei nähere Details - wie etwa die Namen jener Personen, welchen er berichtet habe - bekannt gab.
Hinsichtlich der - im Übrigen ebenfalls völlig unkonkret gehaltenen - Angaben des Beschwerdeführers am 08.02.2011, wonach er einer "Bewegung" Geld gegeben habe, ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer selbst sein diesbezügliches Vorbringen als nicht mit seiner Ausreise in Zusammenhang stehend gewertet hat, sodass auch der Asylgerichtshof hierin keinen Grund für eine (drohende) Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ableitet ("F: Was hat dieser Sachverhalt mit Ihrem jetzigen Asylantrag zu tun? - A: Es gibt keinen Zusammenhang. [...] Aber das hat nichts mit meiner Ausreise oder meinem jetzigen Asylantrag zu tun. Jetzt habe ich aber wirklich alles gesagt, es gibt nicht einmal mehr einen Doppelpunkt, den ich noch anführen könnte. [...] Ich sage ja auch nicht, dass da ein Zusammenhang mit meiner Ausreise war. Deswegen wurde ich auch nicht verfolgt.").
Aber auch eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund der (angeblichen) Flucht seines Bruders nach Frankreich konnte nicht festgestellt werden. Diesbezüglich ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer den Aufenthalt seines Bruders in Frankreich nicht selbst vorgebracht hat, sondern dieser Umstand von seiner Ehefrau - überdies lediglich in ihrer Erstbefragung am 01.10.2010, nicht jedoch in den darauffolgenden Einvernahmen am 11.10.2010 und 14.10.2010 - thematisiert wurde. In seiner Einvernahme am 08.02.2011 gab der Beschwerdeführer auf entsprechende Nachfrage erstmals an, sein Bruder befinde sich "seit zwei oder drei Jahren in Frankreich, seit 2007 oder 2008", berichtigte seine Ausführungen in weiterer Folge jedoch dahingehend, dass er nicht wisse, wann sein Bruder nach Frankreich gereist sei. Auf die Frage, weshalb sein Bruder nach Frankreich gereist sei, führte der Beschwerdeführer aus, dies ebenfalls nicht zu wissen; es gehöre "zu den alten Gründen". Aber auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer vom Aufenthalt seines Bruders in Frankreich laut eigenen Angaben bereits seit "Beginn des Frühlings" 2010 in Kenntnis gewesen sei, dies jedoch in keiner seiner darauffolgenden Einvernahmen vorbrachte, legt den Schluss nahe, dass die (angebliche) Flucht seines Bruders für die vorgebrachte Bedrohung des Beschwerdeführers in seiner Heimat nicht von entscheidungsrelevanter Bedeutung ist.
Auch die Ehefrau des Beschwerdeführers gab in ihrer Einvernahme am 08.02.2011 an, dass sie nicht wisse, weshalb ihr Schwager nach Frankreich gereist sei und "dazu nichts sagen" könne ("F: Können Sie konkret sagen, warum er ausgereist ist? - A: Seine Töchter sind verheiratet, vielleicht hatte das einen Einfluss. [...] F: Wissen Sie konkret ob er tatsächlich verfolgt wurde und was passiert ist bzw. ihn zur Ausreise bewogen hat? - A: Nein, ich weiß nichts Konkretes. Ich kann dazu gar nichts sagen. - F: Warum behaupten Sie dann, dass er verfolgt wurde, wenn Sie nichts Konkretes dazu sagen können? - A: Ich betone nochmals, dass ich nichts Konkretes sagen kann. Ich kann Ihnen (gemeint: EV) auch keinen Grund für seine Ausreise sagen. Warum er tatsächlich ausgereist ist, weiß ich nicht. Das ist mir auch nicht wichtig. Ich habe meine Probleme, er seine. - [...] F: Warum bringen Sie diesen Sachverhalt in Zusammenhang mit Ihrer Asylantragstellung, wenn Sie konkret überhaupt nichts sagen können? - A: Ich wollte damit wahrscheinlich sagen, dass die ganze Familie Probleme hat. Warum genau ich das gesagt habe, weiß ich jetzt nicht mehr. Die Brüder haben Probleme gehabt. Konkret weiß ich aber nichts über die Probleme meines Schwagers in Frankreich. Mehr kann ich dazu nicht sagen."). Ein Zusammenhang zwischen der behaupteten Flucht des Bruders und dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist daher im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.
Überdies wäre jedenfalls für das vorliegende Verfahren zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer, der sich der Glaubwürdigkeitsproblematik bei seinem nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz bewusst sein musste, versuchen würde, eine allfällige konkrete und real existierende Bedrohung im Falle seiner Rückführung in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, eigeninitiativ und - auch unter Zuhilfenahme von Dokumenten oder sonstiger schriftlicher Hinweise zur Untermauerung der Richtigkeit der Schilderungen - umfassend darzulegen, um die Asylinstanzen davon zu überzeugen, dass das gegenständliche Vorbringen vollständig den Tatsachen entspricht.
Im Übrigen verneinten sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau die Fragen nach einer Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Dass dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen aufgrund der in Österreich aufhältigen asylberechtigten Neffen des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, ist im gegenständlichen Verfahren - ebenso wie in den beiden vorangegangenen Verfahren - nicht hervorgekommen.
Im Ergebnis ist der Beschwerde zwar dahingehend zuzustimmen, dass hinsichtlich des im Rahmen der ersten beiden Anträge erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers entschiedene Sache vorliegt. Dass jedoch - wie in der Beschwerde moniert - lediglich die Widersprüche in diesen (abgeschlossenen) Verfahren gesucht und auf das nunmehrige Verfahren "übergewälzt" würden und sich die belangte Behörde mit dem im nunmehrigen dritten Asylverfahren vorgebrachten "neuen Tatsachensubstrat" nicht auseinandersetze, kann - auch angesichts der oben wiedergegebenen Beweiswürdigung des Bundesasylamtes - nicht gesagt werden.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergibt sich daher, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den behaupteten Fluchtgründen nicht den Tatsachen entspricht. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht."
Wenn daher der Antrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin - mangels Glaubhaftmachung einer aktuellen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention - abgewiesen werden musste, sind dessen unglaubwürdige Fluchtgründe auch nicht geeignet, daraus eine Verfolgung für die Beschwerdeführerin abzuleiten und ist diesen behaupteten Fluchtgründen die Grundlage entzogen. Wenn der Ehemann der Beschwerdeführerin keiner aktuellen Gefährdung bzw. Verfolgung in seiner Heimat ausgesetzt ist, kann - mangels von den Fluchtgründen ihres Ehemannes unabhängigen Ausreisegründen der Beschwerdeführerin - auch nicht von einer Verfolgung der Beschwerdeführerin ausgegangen werden.
Aus diesem Grund sind auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11.10.2010, wonach sie - als ihre (mittlerweile volljährigen) Kinder von maskierten Personen weggebracht worden seien - laut geschrien und versucht habe, die Kinder zu befreien und ihr im Zuge dessen eine Person die Nachtbekleidung zerrissen und angedroht habe, sie im Fall nochmaligen Schreiens zu vergewaltigen, nicht glaubwürdig.
Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr einer aktuellen Verfolgung in der Russischen Föderation ausgesetzt wäre.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, die notdürftigste Lebensgrundlage nicht entzogen wäre, gründet sich auf das eigene Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann brachten insbesondere vor, dass im Herkunftsstaat eine Schwester des Ehemannes sowie mehrere Geschwister der Beschwerdeführerin leben würden. Darüber hinaus verfüge die Familie über einen großen Hof mit zwei Gebäuden sowie eine Eigentumswohnung in römisch 40 . Die Beschwerdeführerin selbst sei bis zu ihrer Ausreise als Köchin beschäftigt gewesen, ihr Ehemann habe im Herkunftsstaat als LKW-Fahrer sowie beim Zoll gearbeitet. Auch die beiden volljährigen Söhne der Beschwerdeführerin hätten ihrem Vorbringen zufolge "verschiedene Arbeiten gemacht". Der Ehemann der Beschwerdeführerin gab an, "keine finanziellen Probleme zu Hause" gehabt zu haben. Auch die Beschwerdeführerin führte aus, "alles" in ihrer Heimat gehabt zu haben. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann waren jedenfalls vor der Auseise aus der Russischen Föderation in der Lage, die Lebensgrundlage für die Familie abzudecken und ist - auch vor dem Hintergrund, dass das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen als nicht glaubwürdig anzusehen ist - nicht ersichtlich und haben die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann auch nicht dargetan, weshalb dies nicht auch künftig möglich sein sollte.
Auch aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich nicht der Schluss ableiten, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin an keinen dermaßen schwerwiegenden, akut lebensbedrohlichen und in der Russischen Föderation (Tschetschenien) nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, welche allenfalls im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Artikel 3, EMRK führen könnten, gründet sich auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin das Vorliegen solcher schwerwiegender, akut lebensbedrohlicher Erkrankungen, welche zudem in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, nicht behandelbar wären, nicht vorgebracht hat und nicht ersichtlich ist, dass sie von derart außergewöhnlichen Umständen betroffen wäre, welche geeignet wären, die hohe Eingriffschwelle des Artikel 3, EMRK zu überschreiten. Die der Beschwerdeführerin in Österreich diagnostizierten Erkrankungen und deren Behandelbarkeit wurden bereits in den vorangegangenen Verfahren thematisiert und einer rechtskräftigen Beurteilung unterzogen. Im gegenständlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin insbesondere an, dass sie "etwas unter Sodbrennen" leide und dagegen Tabletten einnehme, was sie auch bereits in ihrem Herkunftsstaat getan habe; "sonst" habe sie "keine Krankheiten". Sie befinde sich seit "ca. zwei Jahren" in ärztlicher Behandlung. Die Frage, ob sie wegen ihrer Krankheit Probleme im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland befürchte, verneinte die Beschwerdeführerin und brachte vor, "da gäbe es glaublich keine Probleme". Wie der Asylgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen vom 26.06.2009, Zl. E6 317705-1/2008/11E, und vom 09.06.2010, Zl. D6 317705-3/2010/7E, festgestellt hat, sind in Tschetschenien alle medizinischen Behandlungsmöglichkeiten grundsätzlich gegeben. Auch das Bundesasylamt hat im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.12.2011, Zl. 10 09.136-BAI, umfassende Feststellungen zur Behandelbarkeit der der Beschwerdeführerin diagnostizierten Erkrankungen getroffen.
Was letztlich die Feststellung betrifft, dass die Beschwerdeführerin in Österreich auf keine ausreichend ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte verweisen kann, so wird diesbezüglich auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Asylgesetz 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011, entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder, soweit dies in Absatz 3, oder 3a vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß Paragraph 4,,
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß Paragraph 5, und
c) wegen entschiedener Sache gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung bzw. über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Paragraph 41 a,
Gemäß Paragraph 23, Absatz , Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Artikel eins, BG Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 111 aus 2010,) sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100 nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 ist Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat .
Gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 4, zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd Paragraph 34, AsylG 2005 vor. Die Familie gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 umfasst die Beschwerdeführerin selbst, römisch 40 und ihren Ehemann römisch 40 .
Ad römisch eins. )
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt vergleiche VwGH E 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).
Wie bereits oben dargestellt wurde, kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Aus diesem Grund war die Beschwerde gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 abzuweisen.
Ad römisch II.)
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, ist ein Herkunftsstaat, der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Der (vormalige) Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 1997 in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 verwies auf Paragraph 57, Fremdengesetz (FrG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 75 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 126 aus 2002,, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen Paragraph 57, FrG - welche in wesentlichen Teilen auf Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Vorraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, die Berufungswerberin betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 57, FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).
Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiären Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein vergleiche EUGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45).
Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat die Beschwerdeführerin keine ihr konkret drohende aktuelle, an asylrelevanten Merkmale im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechende Gründe glaubhaft dargetan. Wie bereits unter Spruchpunkt römisch eins. ausgeführt wurde, kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.
Weiters kann nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zahl:
2003/01/0059, zur - wenngleich für Bewohner des Kosovo - dargestellten "Schwelle" des Artikel 3, EMRK; in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall habe der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Kosovo mit seiner Mutter und drei Brüdern, fallweise auch mit dem Großvater, in einem notdürftig errichteten Zelt in der Größe von 9 m² neben dem zerstörten Haus gelebt, Nahrungsmittel in gerade noch ausreichendem Maß sowie Holz zum Kochen und für die Heizung seien der Familie von Freunden und Verwandten zur Verfügung gestellt bzw. sei Holz zusätzlich durch eigenes Sammeln zusammen getragen worden), zumal die Beschwerdeführerin selbst angab, in Tschetschenien über ein Haus zu verfügen und "auch Arbeitslosengeld" erhalten zu haben. Überdies brachte sie vor, dass sie bis zu ihrer Ausreise gearbeitet habe; ihr Ehemann sei als LKW-Fahrer sowie beim Zoll beschäftigt gewesen. Auch die beiden volljährigen Söhne der Beschwerdeführerin hätten ihrem Vorbringen zufolge "verschiedene Arbeiten gemacht". Darüber hinaus würden mehrere Geschwister der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Herkunftsstaat leben. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich die Unterkunftssituation der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, als besser gesichert darstellen würde, als die laut dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, als zwar prekär, aber unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK noch erträglich beurteilte Situation der Unterbringung einer fünf- bis sechsköpfigen Familie in einem beheizbaren Zelt in der Größe von 9 m². Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann waren jedenfalls vor der Auseise aus der Russischen Föderation in der Lage, die Lebensgrundlage für die Familie abzudecken und ist - auch vor dem Hintergrund, dass das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen als nicht glaubwürdig anzusehen ist - nicht ersichtlich und hat die Beschwerdeführerin auch nicht dargetan, weshalb dies nicht auch künftig möglich sein sollte.
Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, Republik Tschetschenien, jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059 - fehlen würde und die Beschwerdeführerin in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre; auch aus den getroffenen Länderfeststellungen ist solches nicht abzuleiten.
Was nun die der Beschwerdeführerin diagnostizierten, oben dargestellten Erkrankungen betrifft, so vermögen, wie bereits oben ausgeführt, die vorgebrachten Beeinträchtigungen das Vorliegen von derart außergewöhnlichen Umständen, die die hohe Eingriffschwelle des Artikel 3, EMRK übersteigen würden, nicht darzutun. Darüber hinaus ergibt sich auch aus den Länderfeststellungen, dass die medizinische Grundversorgung in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, gewährleistet ist. Dass die Behandlung von Erkrankungen in der Russischen Föderation allenfalls nicht gleichwertig sein könnte wie in Österreich, ist aber unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gibt.
Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis vom 06.03.2008, B 2400/07-9, die zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Artikel 3, EMRK ergangene Rechtsprechung des EGMR - in diesen Fällen ging es jeweils um die Frage der Abschiebung in den Herkunftsstaat - wörtlich wie folgt dar:
"1. Der Verfassungsgerichtshof geht in Übereinstimmung mit dem EGMR (s. etwa EGMR 7.7.1989, Fall Soering, EuGRZ 1989, 314 [319]; 30.10.1991, Fall Vilvarajah ua., ÖJZ 1992, 309 [309]; 6.3.2001, Fall Hilal, ÖJZ 2002, 436 [436 f.]) davon aus, dass die Entscheidung eines Vertragsstaates, einen Fremden auszuliefern - oder in welcher Form immer außer Landes zu schaffen -, unter dem Blickwinkel des Art3 EMRK erheblich werden und demnach die Verantwortlichkeit des Staates nach der EMRK begründen kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr liefe, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (VfSlg. 13.837/1994, 14.119/1995 und 14.998/1997).
... 2. Der EGMR hatte sich mehrmals mit der Frage der Vereinbarkeit
der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Artikel 3, EMRK befasst:
2.1 Im Fall D. v. the United Kingdom (EGMR 2.5.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997, 93) ging es um die Abschiebung eines an Aids im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts/Karibik, der bei der Einreise in das Vereinigte Königreich wegen Mitführens einer größeren Menge Kokain festgenommen und zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Der EGMR entschied in diesem Fall, dass zwar die Abschiebung Kranker nicht schlechthin unzulässig sei. Es seien die Besonderheiten jedes Einzelfalls zu berücksichtigen. Im konkreten Fall befand sich der Beschwerdeführer im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Krankheit, sodass eine Abschiebung nach St. Kitts den Beschwerdeführer einem realen Risiko aussetzen würde, unter äußerst schlimmen Umständen zu sterben. Der EGMR erkannte schließlich, dass unter diesen außergewöhnlichen Umständen eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung iSd Artikel 3, EMRK zu werten sei:
'In view of these exceptional circumstances and bearing in mind the critical stage now reached in the applicant's fatal illness, the implementation of the decision to remove him to St Kitts would amount to inhuman treatment by the respondent State in violation of
Article 3 ... Although it cannot be said that the conditions which
would confront him in the receiving country are themselves a breach of the standards of Article 3 (art. 3), his removal would expose him to a real risk of dying under most distressing circumstances and would thus amount to inhuman treatment'.
Der EGMR sah somit die unmenschliche Behandlung in diesem Fall nicht bloß in der Krankheit des Beschwerdeführers, sondern in den besonderen Umständen, mit denen der Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung konfrontiert wäre, nämlich im Risiko eines Todes unter qualvollen Umständen.
2.2 Im Fall Bensaid (EGMR 6.2.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001, 26), einer an Schizophrenie erkrankten Person, sah der EGMR in der Abschiebung nach Algerien keine Verletzung in Artikel 3, EMRK. Er bestätigte zwar die Ernsthaftigkeit des Krankheitszustandes, erklärte jedoch, dass die Möglichkeit einer Behandlung in Algerien grundsätzlich gegeben sei. Die Tatsache, dass die Umstände der Behandlung in Algerien weniger günstig seien, als im Vereinigten Königreich, sei im Hinblick auf Artikel 3, EMRK nicht entscheidend. Weiters sah der EGMR diesen Fall nicht mit dem unter Pkt. 2.1 dargestellten Fall D. v. the United Kingdom vergleichbar. Der EGMR stellte auf die "hohe Schwelle" des Artikel 3, EMRK ab, wenn die Zufügung von Leid nicht in die direkte Verantwortung eines Vertragsstaates falle:
'... the applicant faces the risk of relapse even if he stays in the
United Kingdom as his illness is long term and requires constant
management. Removal will arguably increase the risk, as will the
differences in available personal support and accessibility of
treatment... Nonetheless, medical treatment is available to the
applicant in Algeria. The fact that the applicant's circumstances in
Algeria would be less favourable than those enjoyed by him in the
United Kingdom is not decisive from the point of view of Article 3
of the Convention... The Court accepts the seriousness of the
applicant's medical condition. Having regard, however, to the high threshold set by Article 3, particularly where the case does not concern the direct responsibility of the Contracting State for the infliction of harm, the Court does not find that there is a sufficiently real risk that the applicant's removal in these circumstances would be contrary to the standards of Article 3. The case does not disclose the exceptional circumstances of D. v. the United Kingdom (cited above), where the applicant was in the final stages of a terminal illness, Aids, and had no prospect of medical care or family support on expulsion to St Kitts.'
2.3 Ebenso wenig erkannte der EGMR im Fall Ndangoya (EGMR 22.6.2004, Appl. 17.868/03) eine Verletzung in Artikel 3, EMRK durch die Abschiebung einer mit HIV infizierten, noch nicht an Aids erkrankten Person. Der EGMR stellte fest, dass AIDS ohne Behandlung in etwa ein bis zwei Jahren ausbrechen dürfte, dass aber eine medizinische Behandlung im Herkunftsland (Tanzania) möglich sei. Dann fährt der EGMR fort:
'It is true that the treatment might be difficult to come by in the countryside where the applicant would prefer to live upon return, but the Court notes that the applicant is in principle at liberty to settle at a place where medical treatment is available.'
2.4 Dem Fall Salkic and others (EGMR 29.6.2004, Appl. 7702/04) lag ein Sachverhalt zu Grunde, nach dem den Eltern nach ihrer Einreise in Schweden im Jahr 2002 ein posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert wurde und ein Gutachten dem 14 Jahre alten Sohn und der 8 Jahre alten Tochter ein sehr schweres Trauma attestierte. Der EGMR sah in der Abschiebung der Familie unter Verweis auf den o.a. Fall D. v. the United Kingdom keine Verletzung in Artikel 3, EMRK. Der EGMR merkte dazu an:
'In conclusion, the Court accepts the seriousness of the applicants mental health status, in particular that of the two children. However, having regard to the high threshold set by Article 3, particularly where the case does not concern the direct responsibility of the Contracting State for the infliction of harm, the Court does not find that the applicant's expulsion to Bosnia and Herzegovina was contrary to the standards of Article 3 of the Convention. In the Court's view, the present case does not disclose the exceptional circumstances established by its case-law (see, among other, D. v. the United Kingdom, cited above, §54).'
2.5 Auch im Fall Ovdienko (EGMR 31.5.2005, Appl. 1383/04) lag nach der Entscheidung des EGMR keine Verletzung von Artikel 3, EMRK durch die Zurückschiebung einer an einem posttraumatischen Stresssyndrom und an Depressionen leidenden Person vor. Diese hatte sich seit 2002 in psychiatrischer Behandlung befunden und wurde teilweise in einer geschlossenen psychiatrischen Krankenanstalt behandelt. Der EGMR begründete seine Entscheidung neuerlich damit, dass der Beschwerdeführer nicht an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium leide und verwies auf seine Entscheidung im Fall D. v. the United Kingdom:
'The case does not disclose the exceptional circumstances of D. v. the United Kingdom (cited above, §49), where the applicant was in the final stages of a terminal illness, AIDS, and had no prospect of medical care or family support on expulsion to St Kitts.'
2.6 Auch im Fall Hukic (EGMR 29.9.2005, Appl. 17.416/05) sah der EGMR die Abschiebung einer am Down-Syndrom leidenden Person nicht als Verletzung von Artikel 3, EMRK. Er führte aus, dass es in Bosnien-Herzegowina Behandlungsmöglichkeiten gebe. Selbst wenn diese nicht denselben Standard wie in Schweden aufwiesen, nicht so leicht zu erhalten und kostenintensiver seien, würde eine Abschiebung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK führen:
'Here the Court would highlight that, according to established
case-law aliens who are subject to deportation cannot in principle
claim any entitlement to remain in the territory of a Contracting
State in order to continue to benefit from medical, social or other
forms of assistance provided by the deporting State. However, in
exceptional circumstances the implementation of a decision to remove
an alien may, owing to compelling humanitarian considerations,
result in a violation of Article 3 ... In this respect, the Court
observes that there is care and treatment available in the
applicant's home country, although not of the same standard as in
Sweden and not as readily available ... The Court is aware that the
care and treatment, if specialized, most probably would come at considerable cost for the individual. However, the fact that the fourth applicant's circumstances in Bosnia and Herzegovina would be less favourable than those enjoyed by him in Sweden cannot be regarded as decisive from the point of view of Article 3.'
2.7 Im Fall Ayegh (EGMR 7.11.2006, Appl. 4701/05) drohte einem Beschwerdeführer, dem in zwei Gutachten eine schwere Traumatisierung, Depressionen, Angstzustände und die Gefahr, Selbstmord zu begehen, attestiert wurden, die Abschiebung in den Iran. Der EGMR begründete seine Entscheidung, die Beschwerde für unzulässig zu erklären, damit, dass schlechtere Behandlungsmöglichkeiten im Iran kein Abschiebehindernis seien und dass auch die Selbstmorddrohung für den Fall der Ausweisung den Staat nicht daran hindere, die Abschiebung zu vollziehen, vorausgesetzt, dass konkrete Maßnahmen zur Verhinderung des angedrohten Selbstmordes vom Staat ergriffen werden:
'In any event, the fact that the applicant's circumstances in Iran would be less favourable than those enjoyed by her in Sweden cannot be regarded as decisive from the point of view of Article 3 (see, Bensaid v. United Kingdom, no. 44599/98, §38, ECHR 2001-I; Salkic
and others v. Sweden, (dec.), no. 7702/04, 29 June 2004)... the
Court reiterates that the fact that a person, whose deportation has been ordered, threatens to commit suicide does not require the Contracting State to refrain from enforcing the deportation, provided that concrete measures are taken to prevent the threat from being realised.'
2.8 Die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Russland im Fall Goncharova & Alekseytsev (EGMR 3.5.2007, Appl. 31.246/06) erkannte der EGMR nicht als Verletzung in Artikel 3, EMRK, obwohl der Zweitbeschwerdeführer schwer psychisch krank war, bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich und gedroht hatte, sich im Falle der Abschiebung umzubringen. Der EGMR begründete seine Entscheidung erneut - unter Zitierung der Entscheidung D. v. United Kingdom - damit, dass nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände Artikel 3, EMRK verletzt sein könnte. Der Zweitbeschwerdeführer sei jedoch nicht in einer geschlossenen Anstalt gewesen und habe auch nicht ständigen Kontakt mit einem Psychiater gehabt. Auch die Drohung, im Falle der Abschiebung Selbstmord zu begehen, hindere den Vertragsstaat nicht daran, die Abschiebung zu veranlassen. Hiezu führt der EGMR aus:
'... aliens who are subject to deportation cannot in principle claim
any entitlement to remain in the territory of a Contracting State in
order to continue to benefit from medical, social or other forms of
assistance provided by the deporting State. However, in exceptional
circumstances the implementation of a decision to remove an alien
may, owing to compelling humanitarian considerations, result in a
violation of Article 3 ... it observes that he has never been
committed to close psychiatric care or undergone specific
treatment... not been in regular contact with a psychiatrist... In
any event, the fact that the second applicant's circumstances in
Russia will be less favourable than those enjoyed by him while in
Sweden cannot be regarded as decisive from the point of view of
Article 3 ... Furthermore, concerning the risk that the second
applicant would try to commit suicide if the deportation order were
enforced, the Court reiterates that the fact that a person, whose
deportation has been ordered, threatens to commit suicide does not
require the Contracting State to refrain from enforcing the
deportation, provided that concrete measures are taken to prevent
the threat from being realised... In the present case, the Court
observes that the second applicant has tried to commit suicide twice
... and that a doctor ... considered that there was a clear risk of
suicide... The Court further takes note of the respondent
Government-s submission that a deportation would be carried out in such a way as to minimise the suffering of the second applicant, having regard to his medical condition.'
3. Zusammenfassend ergibt sich aus den erwähnten Entscheidungen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt vergleiche Pkt. 2.3 Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Artikel 3, EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom)."
Der Verfassungsgerichtshof erkannte mit Verweis auf die ständige Judikatur des EGMR in seinem Erkenntnis vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9, daher zusammenfassend "dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt vergleiche Pkt. 2.3 Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Artikel 3, EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben" (VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07-9).
Derartige Umstände sind aber im konkreten Fall nicht gegeben. Der Umstand letztlich, dass die - im gegenständlichen Fall vorhandenen - medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland allenfalls nicht den gleichen Standard haben mögen wie in Österreich und allfälliger Weise Kosten verursachen, ist im Lichte der oben dargestellten Rechtsprechung des EGMR nicht ausschlaggebend.
Der Asylgerichtshof gelangt daher zu dem Schluss, dass der gegenständliche Fall nicht mit dem mehrfach dargestellten Fall D. v. the United Kingdom - in welchem die unmenschliche Behandlung nicht bloß darin zu sehen war, dass sich der Beschwerdeführer in den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit befand, sondern in den besonderen Umständen, mit denen der Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung konfrontiert gewesen wäre, nämlich im Risiko eines Todes unter qualvollen Umständen ohne jegliche Aussicht auf medizinische oder familiäre Begleitung - vergleichbar ist und somit nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, von derart außergewöhnlichen Umständen betroffen sein würden, die die hohe Eingriffsschwelle des Artikel 3, EMRK übersteigen.
Vor dem Hintergrund, dass der EGMR in den - auch oben dargestellten - Fällen, in denen er mit der Diagnose des Vorliegens eines posttraumatischen Belastungssyndroms bzw. mit Trauma auslösenden Umständen im Herkunftsstaat konfrontiert war, regelmäßig keine Verletzung von Artikel 3, EMRK im Falle der Verbringung in den Herkunftsstaat erkannte, kann auch im gegenständlichen Fall kein Abschiebungshindernis erkannt werden.
Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.
Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Artikel 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in Tschetschenien auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführerin für diese als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in Tschetschenien ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin im Verfahren auch nicht behauptet.
Ad römisch III.)
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Absatz eins, unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Artikel 8, EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
d) der Grad der Integration;
e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 3 AsylG 2005 ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Absatz eins, Ziffer eins, verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 5 AsylG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 2, AsylG auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach Absatz eins, binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 7 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung - sobald sie durchsetzbar wird - als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 oder Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 38, durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 8, AsylG 2005 ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (Paragraph 55 a, FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (Paragraph 46, FPG) hinzuweisen.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung, nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Artikel 8, Absatz eins, gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt vergleiche die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, Seite 344 zitierte Judikatur des VfGH).
Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Zieles verhältnismäßig sein.
Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Artikel 8, EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind vergleiche etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.01.2006, 2002/20/0423, vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung, nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Artikel 8, Absatz eins, gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt vergleiche die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, Seite 344 zitierte Judikatur des VfGH).
Wie bereits ausgeführt wurde, liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren iSd Paragraph 34, AsylG 2005 in Bezug auf die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann vor. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag ergehen gegenüber der Beschwerdeführerin, ihrem Ehemann und den beiden volljährigen Söhnen inhaltlich gleichlautende, mit den Aussprüchen von Ausweisungen in die Russische Föderation verbundene Entscheidungen.
Im Hinblick auf die in Österreich als anerkannte Flüchtlinge lebenden Neffen des Ehemannes der Beschwerdeführerin sei angemerkt, dass der EGMR ausgesprochen hat, dass etwaige familiäre Beziehungen unter Erwachsenen - wie im gegebenen Fall - nur dann unter den Schutz des Artikel 8, EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen würden vergleiche dazu auch das E des VfGH vom 09.06.2008, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR). Ein derartiges, von der Rechtsprechung gefordertes Abhängigkeitsverhältnis wurde jedoch von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht hinreichend konkret behauptet bzw. dargetan und ist auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen; Anhaltspunkte für ein besonders stark ausgeprägtes Familienleben mit der geforderten Beziehungsintensität liegen somit nicht vor. Im Sinne der obigen Erwägungen kann daher - mangels entsprechender konkreter Anhaltspunkte - von einem entscheidungswesentlichen Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und den in Österreich in getrennten Haushalten lebenden Neffen ihres Ehemannes nicht ausgegangen werden.
Im gegenständlichen Fall ist daher nicht von einem Eingriff in das Recht auf Familienleben auszugehen.
Auch liegt kein Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin vor, welcher zur Erreichung der in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, Interesse an geordneter Zuwanderung und wirtschaftliches Wohl des Landes) nicht geboten oder zulässig wäre:
Die Beschwerdeführerin reiste ihrem Vorbringen zufolge am 25.07.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet und befindet sich seither fortlaufend in Österreich. Aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vergleiche VfSlg. 18.224/2007) kann abgeleitet werden, dass die Dauer des inländischen Aufenthaltes für die Zulässigkeit einer Ausweisung nicht allein entscheidend ist und lediglich einen von mehreren verschiedenen Aspekten darstellt, die im Rahmen einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK zu unterziehen sind; dennoch ist davon auszugehen, dass durch den mehr als viereinhalbjährigen Aufenthalt persönliche Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet entstanden sind. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sind diese Interessen der Beschwerdeführerin jedoch in ihrem Gewicht maßgeblich dadurch gemindert, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich aufgrund von drei gestellten Anträgen auf internationalen Schutz, die sich als unbegründet erwiesen haben, nicht illegal war. Die Beschwerdeführerin musste sich im Laufe ihres Aufenthaltes in Österreich bewusst sein, dass ihr Aufenthalt unsicher und lediglich auf die Dauer des Verfahrens beschränkt war und ein weiterer Verbleib nach Beendigung des Verfahrens vom Erfolg ihrer Anträge abhängen würde vergleiche dazu etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479-7, VwGH vom 04.03.2008, Zl. 2006/19/0409-6 und Beschluss des VfGH vom 29.11.2007, Zl. B 1654/07-9, sowie Urteil des EGMR vom 08.04.2008, Beschwerde Nr. 21878/06, Nnyanzi v. The United Kingdom, Randnr. 76). Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die durch eine soziale Integration erworbenen Interessen an einem Verbleib in Österreich in ihrem Gewicht gemindert sind, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine Ausweisung nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Artikel 8, EMRK vergleiche VwGH vom 29.04.2010, Zl. 2009/21/0055 mwN).
Die Beschwerdeführerin musste gemäß der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz am 31.01.2008 ihren zukünftigen Aufenthalt als nicht gesichert betrachten; sie konnte seit diesem Zeitpunkt überhaupt nicht darauf vertrauen, in Zukunft in Österreich verbleiben zu können vergleiche VwGH 29.4.2010, Zl. 2010/21/0085). Dies gilt auch im Hinblick auf den Aufenthalt ihres Ehemannes und ihrer volljährigen Söhne, die ebenfalls lediglich aufgrund von Anträgen auf internationalen Schutz zum Aufenthalt in Österreich vorläufig berechtigt gewesen und nunmehr auch von einer Ausweisung betroffen sind.
Ganz abgesehen davon wurden gegenüber der Beschwerdeführerin bereits zwei rechtskräftige Ausweisungen in die Russische Föderation ausgesprochen, denen die Beschwerdeführerin aber nicht Folge leistete; vielmehr stellte die Beschwerdeführerin in der Folge jeweils weitere - unbegründete - Anträge auf internationalen Schutz. Allein dieser Umstand führt bereits zu einem Überhang der öffentlichen Interessen an einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat gegenüber den privaten Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet.
Ein mittlerweile eingetretener Erwerb von Deutschkenntnissen aufgrund des mehrjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ist schon deshalb zu relativieren, weil der Beschwerdeführerin die Unsicherheit der Aufenthaltsberechtigung bewusst sein musste vergleiche VwGH 25.02.2010, Zl. 2009/21/0187).
Soweit die unbescholtene Beschwerdeführerin ein Konvolut an Unterstützungsschreiben vorlegte, lässt dies zwar auf einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich schließen; eine außergewöhnliche Integration und Aufenthaltsverfestigung während des Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet hat jedoch nicht stattgefunden.
In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Geschwister der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes weiterhin in der Russischen Föderation leben. Weiters erhielt die Beschwerdeführerin dort ihre gesamte schulische Ausbildung. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, bei der Eingliederung in die tschetschenische Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte.
Die Beschwerdeführerin gab überdies selbst an, dass sie in Österreich über keine Arbeitsbewilligung verfüge und "von der
Sozialhilfe" lebe. Sie arbeite "manchmal ... für die Caritas" und
führe dabei meist Putzarbeiten durch. Die Beschwerdeführerin wird zudem im Rahmen der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes unterstützt. Von einer Integration auf dem österreichischen Arbeitsmarkt und damit der Selbsterhaltungsfähigkeit kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren auch keine Umstände vorgebracht, die geeignet wären, einen besonderen Grad der Integration in die österreichische Gesellschaft darzutun.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gelangt der Asylgerichtshof ebenso wie das Bundesasylamt zu dem Schluss, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin keinen - ungerechtfertigten - Eingriff in Artikel 8, EMRK darstellt.
Es sind im Beschwerdeverfahren auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AsylG hervorgekommen und wurden auch von der Beschwerdeführerin solche nicht behauptet.
Gemäß Paragraph 41, Absatz 7, AsylG 2005 hat der Asylgerichtshof Paragraph 67 d, AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. römisch II Absatz 2, lit. D Ziffer 43 a, EGVG war der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533; 12.06.2003, 2002/20/0336).
Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes bzw. zulässiges Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe. Auch tritt die Beschwerde den seitens der Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter und überzeugender Weise entgegen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.