Gericht

Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum

20.01.2012

Geschäftszahl

C13 420336-1/2011

Spruch

C13 420.336-1/2011/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Rosenauer als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Neumann als Beisitzerin über die Beschwerde von Herrn römisch 40 auch XXXXalias römisch 40 , Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.07.2011, Zahl: 11.03.441-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2011 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 10.04.2011 illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage vom 10.04.2011 ergab keine Übereinstimmung bezüglich der erkennungsdienstlichen Daten des BF.

1.2. In seiner Erstbefragung am 11.04.2011 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion (PI) Traiskirchen, Erstaufnahmestelle (EAST), gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus römisch 40 , Provinz Wardak (Afghanistan), sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, verheiratet und bekenne sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Er habe seinen Schlepper in seinem Heimatort kennengelernt und sei vor ca. einem Monat in den Iran ausgereist und über ihm unbekannte Länder per LKW schließlich nach Österreich gebracht worden. Der Schlepper habe dann beim Schwiegersohn des BF in Afghanistan angerufen, der BF habe bestätigt, dass er in Wien angekommen sei, und der Schwiegersohn habe den vereinbarten Lohn von umgerechnet ca. 12.000 US-Dollar übergeben. Das Geld habe er durch ein Darlehen erhalten und als Sicherheit seine Grundstücke angeboten.

Als Fluchtgrund gab er an, dass es bei ihm zu Hause seit vielen Jahren Streit und Spannungen zwischen der Gruppe römisch 40 und der Gruppe Mirbaja "Hezbe Naser" gebe. Der BF und seine Familie hießen römisch 40 , seien aber keine Mitglieder der XXXX-Gruppe. Zwischen diesen beiden Gruppen hätte es immer wieder Vorfälle gegeben und es seien Leute ermordet worden. Vor drei Jahren (am 28.05.1387 nach afghanischem Kalender) sei der BF von den Mitgliedern der Mirbaja erwischt und derart verprügelt und mit dem Messer attackiert worden, dass sein Kiefer gebrochen und seine Augen eingeschlagen worden seien. Er hätte "Steckwunden" an beiden Körperseiten und am rechten Ellbogen erlitten und hätte zwei Jahre nicht richtig sehen können. Derzeit könne er nur auf dem rechten Auge etwas besser sehen.

Vor einem Jahr (20.03.1389) sei sein ältester Sohn römisch 40 (19 Jahre) von der Gruppe Mirbaja erschossen worden. Da der BF bis vor kurzem in ständiger ärztlicher Betreuung gestanden sei und erst in den letzten Wochen etwas besser sehen könne, habe er sich entschlossen, sein Land zu verlassen. Seine Frau habe er bei seiner Tochter (Schwiegersohn) in Sicherheit gebracht, außerdem würden die Frauen zu Hause nicht so bedroht wie die Männer.

Der BF wurde unter Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß Paragraph 51, AsylG zum Asylverfahren zugelassen.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 09.06.2011 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher getätigten Aussagen und führte seinen Fluchtgrund näher aus.

Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll (Schreibfehler zitiert):

"Angaben zum Fluchtgrund:

Frage: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Geben Sie unter Nennung von genauen Daten, Örtlichkeiten der Geschehnisse und Namen von involvierten Personen alle Gründe an, weswegen Sie Ihr Heimatland verlassen haben und in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellen. (freie Erzählung!).

Antwort: In der Provinz Wardak leben Hazaren und Paschtunen. Die meisten Paschtunen gehören zu den Taliban. Dort gibt es seit vielen Jahren Streit und Spannung zwischen diesen Menschen. Wir hatten dort keine Sicherheit. Die Paschtunen haben uns immer überfallen und geschlagen. Wie ich schon davor gesagt habe, wurde ein gezielter Anschlag am 19.08.2010 (afghan. Jahr: 28.05.1389) auf mich aufgeübt, wobei ich sehr schwer verletzt wurde. Ich kann dazu nur sagen, dass ich trotz dieser Situation weiterhin in Afghanistan geblieben bin. Schließlich wurde mein ältester Sohn vor einem Jahr, nämlich am 10.06.2010 (afghan. Jahr: 20.03.1389), von diesen Leuten getötet. Danach hat meine Frau zu mir gesagt, dass es ihr reicht und sie dort nicht mehr bleiben. Meine Frau und die Kinder sind zu ihrem Bruder nach römisch 40 gefahren. Mir ist nicht anders übrig geblieben außer auszureisen. Unser Hauptproblem besteht darin, dass die Paschtunen, die zurzeit mit den Taliban zusammenarbeiten, unser Dorf beschlagnahmen möchten. Sie wissen, dass die Regierung gegen diese Leute nicht hart vorgehen kann. Deshalb versuchen sie mit allen Mitteln uns zu verjagen. Die Taliban wollen auf diesem Wege wieder zurück. In unserem Dorf gab es ursprünglich mehr als 300 Häuser. Nun gibt es dort nur noch 20 Häuser. Ich wollte nicht weg. Deshalb wurde im Jahr 2008 ein Anschlag auf mich ausgeübt. Sie dachten, dass ich bereits tot bin. Dann brachte man mich ins Krankenhaus. Im Jahr 2000 war mein 19 jähriger Sohn auf unserem Feld. Man hat ihn dort auf der Stelle getötet. Diese Situation war nicht mehr zu ertragen. Ich hatte keinen Ausweg. Diese Leute sind zu allem fähig. Die Regierung hat immer von uns Einwohnern verlangt das Dorf nicht aufzugeben. Aber sie war gegen die Taliban nicht stark genug. Andere Gründe gibt es nicht.

Frage: Können Sie angeben, wer konkret diese Leute sind, die gegen Ihre Person waren?

Antwort: Sie sind Taliban. Ich möchte dazu sagen, dass vor vielen Jahren die Hazaren viele Parteien gegründet haben. Auch die Taliban haben viele Parteien gegründet. So begangen sie vor vielen Jahren bis heute, sich gegenseitig zu töten. Diese Streitigkeiten und Probleme herrschen in Afghanistan seit Jahren und wir als normale Zivilisten leiden darunter. Man hat gezielt versucht mich zu töten. Das war am 19.08.2000 (afghan. Jahr: 28.05.1389). An diesem Tag fuhr ich zu unserem Bazar um Lebensmittel zu kaufen. Ca. 1 km vor meinem Haus kam ein vermummter Mann aus dem Busch hinaus und hat mit seinem Maschinengewehr auf mich gezielt. Er hat mich aufgefordert in einer bestimmten Richtung zu gehen. Bevor ich eine Frage stellen konnte, schlug ein Kollege von ihm mit seinem Gewehr auf meine Rücken. Bevor ich mich umdrehen konnte, schlug mich ein andrer Mann. Dann hat dieser Mann von vorne mit seinem Gewehr ins Gesicht geschlagen. Davon stammen nun diese Narben in meinem Gesicht. Mein Kinn wurde zertrümmert. Dann habe ich nicht mehr gesehen. Als ich zu mir kam, bemerkte ich bei mir zuhause. Erst dort habe ich meine weiteren Verletzungen wahrgenommen. Anscheinend hat jemand mich auf der Straße ohnmächtig vorgefunden. Dann brachte man mich ins Krankenhaus.

Frage: Was wollten diese Leute von Ihnen? Was hat dieser vermummter Mann zu ihnen gesagt?

Antwort: Diese Leute wollten mich zuerst mitnehmen. So sind viele Landsleute von mir verschleppt worden. Man verlangt von uns Informationen über die Lage im Dorf. Nachdem sie die Informationen bekommen, töten sie uns. So ist es bei uns. Ich möchte noch dazu sagen, dass die Gruppe Mirbacha vor der Übergangregierung seit vielen Jahren Streit mit den römisch 40 hatte. Wegen diesen Gruppierungen leiden wir bis heute.

Frage: Hat dieser Taleb so etwas zu Ihnen ausdrücklich gesagt?

Antwort: Nein, nein. Er hat zu mir nichts gesagt. Er zeigte in einer Richtung. Da ich verbalen Widerstand geleistet habe, hat er mich geschlagen. Ich möchte noch dazu sagen, dass ich diesen Vorfall bei der örtlichen Polizei gemeldet habe. Die Polizisten sagten zu mir, dass dieser Werk von Taliban sei. Sie haben Ermittlungen eingeleitet. Aufgrund der Spuren und meines Zustandes sagten sie zu mir, dass diese Täter die Taliban waren. Mehr kann ich wirklich dazu nicht sagen.

Frage: Der von Ihnen erwähnter Vorfall war im Jahr 2008. Unter welchen Umständen haben Sie dann bis zu Ihrer Ausreise gelebt? Gab es weitere Vorfälle?

Antwort: Die Regierung verlangte immer von uns unsere Häuser nicht aufzugeben. Deshalb blieb ich weiterhin in unserem Dorf, bis schließlich mein unschuldiger Sohn im Jahr 2010 getötet wurde. Meine Frau konnte diese Situation nicht länger ertragen. Sie verließ mit den Kindern das Dorf. Auch ich hatte keinen Ausweg. Kein asiatisches Land gewährt uns Asyl. Also blieb mir nur Europa übrig.

Frage: Warum sind Sie nicht gemeinsam mit Ihrer Familie nach römisch 40 gezogen?

Antwort: Ich sollte als Bürger dieses Dorfes ein Eid unterschreiben, das Dorf nicht zu verlassen. Wenn ich in römisch 40 geblieben wäre, hätte die Regierung mich wieder zurück geschickt. Ich hatte wirklich keinen anderen Ausweg.

Frage: Haben Sie zum Fluchtgrund sonst noch etwas zu sagen? Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

Antwort: Ja, ich habe alles gesagt. Ich habe die Wahrheit erzählt.

Aufforderung: Ihnen wir eine Frist von 2 Wochen eingeräumt, Ihre Dokumente, ärztlichen Unterlagen im Original von Afghanistan anzufordern und dem Bundesasylamt vorzulegen. Zudem werden Sie ebenfalls aufgefordert, ebenfalls binnen zwei Wochen aktuelle ärztliche Befunde dem Bundesasylamt vorzulegen.

Frage: Gibt es eine Sterbeurkunde von Ihrem Sohn?

Antwort: Die Polizisten haben einen Akt meines Sohnes für weitere Ermittlungen. Solche Sterbeurkunde wie Sie meinen, existiert in Afghanistan nicht.

Frage: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?

Antwort: Nein, ich bin in meiner Heimat nicht vorbestraft.

Frage: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

Antwort: Nein, ich werde in meiner Heimat weder von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht. Aber wenn ich jetzt zurückkehre, werde ich mit Gewalt der Regierung zu meinem Dorf geschickt.

Vorhalt: Herr Asylwerber, Ihre Erklärung ist nicht nachvollziehbar. In der Zwischenzeit sind viele Afghanen aus Ihren Dörfern vertrieben worden. Absolut unglaubwürdig ist der Umstand, dass die afghanische Regierung einfach Zivilisten zwing in die gefährlichen Orten ohne Schutz zurückzukehren. Was sagen Sie dazu?

Antwort: Eben! Das ist eine sehr gute Frage gewesen. Die Regierung gibt uns weder Waffen noch beschützt uns. Sie meint, dass die Taliban unsere Dörfer nicht beschlagnahmen, wenn wir alle in unseren Dörfern bleiben. Das ist unser Hauptproblem. Wir wissen nicht, was wir tun sollen."

Zur Möglichkeit, dass ihm aktuelle Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht würden, sagte der BF: "Meine Kenntnisse sind gut. Die Situation ist sehr schlecht und die Regierung ist nicht stark genug. Viele ausländische Truppen befinden sich in Afghanistan, aber dort ist die Situation nicht besser

geworden. ... Ich verzichte darauf, das interessiert mich absolut

nicht. Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben. Außerdem kann ich nicht gut sehen."

Dem BF wurde eine Frist von zwei Wochen zur Vorlage von ärztlichen Dokumenten aus Afghanistan im Original sowie von aktuellen ärztlichen Befunden eingeräumt.

1.4. Mit Schreiben vom 21.06.2011 (Poststempel 24.06.2011) übermittelte der BF Kopien von ärztlichen Bestätigungen aus Afghanistan und Österreich sowie von identitätsbezeugenden Dokumenten (Personalausweis - Tazkira).

Im Verfahren vor dem Bundesasylamt wurden seitens des BF keine weiteren Beweismittel oder Belege für sein Vorbringen in Vorlage gebracht oder weitere Beweisanträge gestellt.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 06.07.2011 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 10.04.2011 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte dem BF gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 04.07.2012 (Spruchpunkt römisch III.).

In der Bescheidbegründung traf die Erstbehörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubwürdig, Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht.

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubhaft wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubwürdig, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei aufgrund von mehreren Widersprüchen unglaubwürdig. Rechtlich wertete die Erstbehörde den vom BF angegebenen Angriff auf ihn im Jahr 2008 zudem so, dass zwischen Verfolgung und Ausreise kein ausreichender zeitlicher und sachlicher Kausalzusammenhang bestehe.

Subsidiärer Schutz wurde ihm zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat das Bestehen einer realen Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan, insbesondere aber auch aufgrund seiner individuellen Situation, nicht ausgeschlossen werden könne. Es könne mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit generell davon ausgegangen werden, dass der Staatsapparat nicht in dem Sinn funktioniert, dass grundsätzlich eine Schutzgewährung geleistet werden kann.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich das mit Schreiben vom 19.07.2011 am selben Tag mit Telefax fristgerecht eingebrachte Rechtsmittel der Beschwerde, mit dem der Bescheid in Spruchpunkt römisch eins. wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten wurde. Der BF beantragte, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und ihm Asyl zu gewähren.

Begründend wurde lediglich lapidar behauptet, dass die Behörde - hätte sie den Sachverhalt richtig beurteilt - zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der BF sehr wohl aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt werde.

1.7. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 26.07.2011 beim Asylgerichtshof ein.

1.8. Mit "Ergänzung der Beschwerde" vom 19.07.2011, übermittelt von Mag. Patrizia FESSLER, laut Briefkopf Rechtsberaterin nach Paragraph 66, AsylG, Verein Menschenrechte Österreich, per Telefax am 04.08.2011, wiederholte der BF zusammengefasst sein bisheriges Vorbringen und monierte, dass sein Vorbringen plausibel und mit den allgemeinen Verhältnissen in seinem Heimatland zu vereinbaren sei.

In der Folge wurden Auszüge aus den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid zitiert und ausgeführt, dass die Taliban großen Einfluss hätten und versuchten, die Spannungen zwischen Paschtunen und Hazara auszunutzen. Aufgrund der Unmöglichkeit, sich mit seinen Problemen an die staatlichen Behörden zu wenden, um Schutz und Gerechtigkeit zu finden, habe er die Flucht ergriffen. Er habe leider keine Beweise für sein Vorbringen. Er könne nur auf die Situation in seiner näheren Heimat hinweisen und darlegen, dass es derartige Verfolgungshandlungen in der Provinz Wardak gebe, und ersuche, ihm Asyl zu gewähren.

1.9. Am 17.10.2011, ca. sechs Wochen nach Ausschreibung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof für den 24.10.2011, zu der auch der BF geladen worden war, wurde beim Portier des Asylgerichtshofes ein knapp ausgefülltes Formular abgegeben, in dem die Beigebung einer "Rechtsberaterin weiblichen Geschlechts" beantragt wurde.

1.10. Vor dem Asylgerichtshof wurde durch die erkennenden Richter in der gegenständlichen Rechtssache am 24.10.2011 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durchgeführt, zu der der BF persönlich erschien. Die Erstbehörde entschuldigte ihr Fernbleiben. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Dem BF wurden der bisherige Verfahrensgang und der Akteninhalt erläutert und zur Akteneinsicht angeboten.

Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"BF: Ich habe meinen Personalausweis mit.

...

Ich heiße römisch 40 . Ich bin am römisch 40 , geboren.

VR [Vorsitzender Richter]: Warum ist dann laut BAA-Akt, laut Erstbefragung und Ihrer Einvernahme Ihr Geburtsdatum der XXXX?

BF: Ich habe immer dieses Datum angegeben.

BF wird ersucht, den Ausweis zu zeigen.

Laut Dolmetscher wurde der Personalausweis (Tazkira) am 05.07.1367 (= 27.09.1988) ausgestellt. Das Geburtsdatum lautet daher richtig auf römisch 40 , das Jahr römisch 40 dürfte auf einen Umrechnungsfehler im erstbehördlichen Verfahren zurückzuführen sein. Die Diskrepanz zwischen römisch 40 und römisch 40 . ist nicht nachvollziehbar.

VR: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin Hazara.

VR: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?

BF: Ich bin Schiit/Moslem.

VR: Sind Sie verheiratet?

BF: Ich bin verheiratet.

VR: Haben Sie Kinder?

BF: Ja. Ich hatte 3 Kinder, ein Kind wurde getötet, ich habe jetzt 1 Tochter und 1 Sohn. Meine Tochter römisch 40 ist 22 Jahre alt und mein Sohn römisch 40 ist 13 Jahre alt. römisch 40 hieß der getötete Sohn. Er ist am 20.03.1389 (= 10.06.2010) getötet worden. Er wurde römisch 40 geboren.

VR: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe 7 Jahre lang die Schule besucht. Nachher erlaubte unsere finanzielle Lage es nicht, die Schule weiter zu besuchen.

VR: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Ich hatte 2 Berufe. Ich habe als Bauer und im Bauwesen gearbeitet.

VR: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

VR: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen?

BF: Ich habe Afghanistan zuletzt am 26.12.1389 verlassen (= 17.03.2011).

VR: Wohin sind Sie dann gereist und wie lange waren Sie dort?

BF: Ich habe Afghanistan schlepperunterstützt in Richtung Iran verlassen. Dort wurde ich Schleppergruppen, welche Beluchi-Gruppen waren, übergeben. Ich habe 3 Tage im Iran verbracht. Nach den Beluchi wurde ich Kurden übergeben, ich habe ihre Sprache nicht mehr verstanden. Ich weiß nicht mehr, wo ich war. Wir mussten verschiedene Berge überqueren usw.

...

VR: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den Dolmetscher verstehen können?

BF: Nein. Ich habe bis jetzt nicht die Möglichkeit gehabt, Deutsch zu lernen, seit 3 Wochen besuche ich einen Deutschkurs und zwar seit 03.10.2011.

...

VR: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte mit Verwandten oder Freunden oder mit sonstigen Personen?

BF: Bis jetzt hat sich kein Kontakt ergeben.

VR: Auch nicht telefonisch?

BF: Sie sind in römisch 40 in einer Gegend, dort kann man telefonisch schwer erreicht werden. Deshalb kommen keine Telefonate zustande.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

VR: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: In unserem Gebiet, in römisch 40 , gibt es jedes Jahr Probleme mit den paschtunischen Nomaden. Wie Sie sicher aus den Medien wissen, gibt es dort fast 7 Monate im Jahr Krieg zwischen den Bewohnern und den paschtunischen Nomaden. Die Paschtunen und die Taliban haben uns aufgefordert und bedroht, dass wir von dort weggehen. Wir wollten das nicht. Ich war am 28.05.1387 (= 19.08.2008) in einem Bazar. Dieser Bazar liegt ca. 1 Stunde zu Fuß entfernt. Als ich auf dem Rückweg nach Hause war, ca. 1 1/2 bis 2 km von meinem Haus entfernt, sprangen plötzlich 2 bewaffnete Männer, welche sich hinter Bäumen versteckt hielten, hervor. Sie waren mit Kalaschnikows bewaffnet. Einer stand vor mir mit der Kalaschnikow, der Zweite stand seitlich. Sie forderten mich auf, in das Tal hinaufzugehen. Ich habe mich geweigert, weil mir klar war, dass sie mich umbringen würden. Ich habe gesehen, dass sie Taliban waren. Ich wollte nicht mit ihnen in das Tal hinaufgehen, weil ich gewusst habe, dass sie mich dort wahrscheinlich ein paar Tage gefangen halten und foltern werden. Deshalb wäre es mir lieber gewesen, dort getötet zu werden. Als ich das verweigerte, schlug mich der Taleb, der seitlich stand, mit seinem Gewehrkolben auf meine linke Stirn. Ich habe mit meinen Händen sein Gewehr festgehalten. In diesem Moment schlug der Taleb, der vor mir stand, mir mit seinem Gewehrkolben auf den linken Bereich meines rechten Gesichtes. Er hat mich am Mund getroffen. Ich war schwer verletzt. Ich bin ohnmächtig geworden und liegen geblieben. Ich habe nicht mehr mitbekommen, wie sie mich misshandelt haben. Ich war überall, auch an der Nase und woanders, verletzt. Sie haben mich wahrscheinlich auch mit dem Messer verletzt. Sie dachten wahrscheinlich, dass ich gestorben bin. Deshalb sind sie dann weggegangen. Irgendwann kamen die Hirten, sie haben mich wahrscheinlich dort liegen gesehen, sie haben dann meine Familie verständigt. Dann ist mein Sohn mit anderen gekommen, er hat mich von dort abgeholt. Dann wurde ich in das Spital gebracht. Sie haben gesehen, als sie gekommen sind, dass mein Herz noch funktioniert und ich atme, deshalb haben sie mich in das Spital gebracht.

BR [Beisitzende Richterin]: Wissen Sie das, weil es Ihnen Hirten gesagt haben oder weil Sie Hirten gesehen haben?

BF: Das habe ich erst 3 Monate später erfahren.

Bundesrat:, Dass der Sohn zu Ihnen gekommen ist, wissen Sie das, können Sie sich daran noch erinnern?

BF: Ich wusste das nicht. Ich war damals ohnmächtig, ich habe davon nichts mitbekommen.

Bundesrat:, Der Sohn hat Sie direkt alleine oder mit jemandem anderen in das Krankenhaus gefahren?

BF: Ich weiß es nicht. Es müssen noch andere Leute dabei gewesen sein.

VR: Nach Ihren bisherigen Angaben sind Sie 2 Tage in das Krankenhaus gekommen.

BF: Ich habe beim BAA gesagt, dass ich nachts nach Hause gebracht wurde, am nächsten Tag in das Spital und dann in das Spital von Kabul. Das hat 2 Tage gedauert.

VR: Bisher wussten Sie nicht, wie Sie in das Spital gekommen sind, jetzt haben Sie von Ihrer Familie erfahren, wie Sie in das Spital gekommen sind.

BF: Ich habe damals gesagt, dass ich nicht wusste, wie ich in das Spital kam. Ich erfuhr das erst später von der Familie. Ich bin erst in Kabul, nachdem ich operiert wurde, zu mir gekommen.

BF zeigt am Unterarm eine Narbe und auf der Gesichtshälfte und Verletzungen unter den Achseln.

BF: Ich war ohnmächtig. Ich habe die Verletzungen nicht mitbekommen.

VR: Die schlimmste Folge davon ist, dass Sie auf einem Auge blind sind?

BF: Ja. Mein Auge ist nicht mehr normal.

VR: Wie ging es dann weiter?

BF: Sie dachten, dass sie mich schon getötet haben. Darum gingen sie weg.

VR: Was geschah im nächsten und im übernächsten Jahr?

BF: Ich wurde 3 Monate lang in einem Spital in Kabul namens römisch 40 behandelt. Nachdem ich zurückgekehrt war, mussten sie feststellen, dass sie mich nicht getötet haben. Ich konnte mit meinem Auge nicht mehr richtig sehen. Ich war deshalb immer nahe meines Hauses oder zu Hause. Am 20.03.1389 (= 10.06.2010) haben die Leute meinen Sohn römisch 40 , der 19 Jahre alt war, der mit der Bewässerung unseres Grundstückes beschäftigt war, erschossen. Es war eine Kugel am Kopf. Einige Leute, die den Vorfall von einiger Entfernung gesehen haben, haben uns verständigt. Da ich damals nicht richtig sehen konnte, bin ich nicht mitgegangen. Ich schickte andere Leute, welche seinen Leichnam abholten. Wir haben römisch 40 danach beerdigt. Meiner Frau ging es sehr schlecht. Ich habe mich entschlossen, von dort wegzugehen, da ich keinen anderen Ausweg mehr gesehen habe.

VR: Sie haben aus dem Krankenhaus eine Bestätigung. Aus welchem Grund ist diese auf Englisch ausgestellt und ist Ihr Alter mit 60 Jahren angegeben?

BF: Ich weiß es nicht. Die Ärzte schreiben das in Englisch.

VR: Wo und wie und wann haben Sie diese Bestätigung bekommen?

BF: In dem Spital, es gab mehrere solche Bestätigungen, einige davon habe ich verloren.

VR: Warum haben die Ärzte Sie nicht nach Ihrem genauen Alter gefragt, sondern dieses mit 60 Jahren angegeben?

BF: Es ist mir damals schlecht gewesen, ich konnte mich nicht gut ausdrucken, es war wahrscheinlich mein Fehler.

VR: Einmal haben Sie Ihr Alter mit 58 Jahren angegeben.

BF: Das muss ein Spitalsfehler gewesen sein. Ich weiß es nicht. Ich habe psychische Probleme. Ich bin kein Diabetiker. Die Ärzte haben mich manchmal angeschaut und etwas geschrieben, ohne mich zu fragen.

VR: Sie haben bei der Erstbefragung angegeben, dass Sie keine Schule besucht haben. Heute haben Sie angegeben, dass Sie 7 Jahre lang die Schule besucht haben.

BF: Ich wurde gefragt, ob ich eine städtische Schule besucht habe, ich habe in unserem Dorf die Schule besucht, nicht aber in der Stadt. Die Dorfschule wurde von der Bevölkerung selbst betreut.

VR: Sie sind gefragt worden, wo und warum Sie die Familie zurückgelassen haben. Heute und bei Ihrer Einvernahme vor dem BAA gaben Sie an, dass die Familie nach römisch 40 ging, zum Bruder Ihrer Frau. Sie gaben weiters an, dass Sie Ihre Frau beim Schwiegersohn gelassen haben.

BF: Dieser Schwiegersohn ist der Sohn meines Schwagers. Meine Tochter ist noch nicht verheiratet. Ich habe ihm meine Tochter versprochen.

VR: Der versprochene Schwiegersohn ist auch in XXXX?

BF: Ja, es ist der Sohn meines Schwagers.

VR: Warum sind Sie nicht auch nach römisch 40 mitgegangen?

BF: Ich habe der Regierung das Versprechen gegeben, dass ich meine Heimat bzw. mein Gebiet nicht verlassen werde. Von unserem Gebiet war von jedem Dorf eine Person als Vertreter des Dorfes bestimmt. Ich war mit jemand anderem als Vertreter bei der Regierung. Dort musste ich versprechen, dass ich meine Heimat nicht verlasse. Die Taliban waren deshalb böse auf mich. Sie haben geglaubt, dass ich auch über sie dort Informationen weiter leite.

VR: Junge Leute sind weggegangen und Sie sind geblieben?

BF: Es waren ungefähr 70-80 Häuser dort, heute sind es 35.

VR: Die Regierung kann von Ihnen verlangen, dass Sie dort bleiben und hilft Ihnen nicht?

BF: Die Regierung hat uns auch nicht geholfen, als ich verletzt wurde und mein Sohn getötet wurde. Sie sind gekommen und haben Ermittlungen durchgeführt und nicht geholfen.

VR: Die Taliban, welche Sie überfallen haben, waren 3 junge Männer?

BF: 2 waren unten, einer war oben, ob jung oder alt, kann ich nicht sagen.

VR: Er war wohl jünger als Sie.

BF: Sie waren zwischen 35 und 40 Jahren.

VR: Ist das üblich, dass 3 junge Männer einen älteren Mann überfallen?

BF: Ja. Dort achten sie nicht auf das Alter. Sie sind Terroristen, ihnen ist das Alter egal.

Bundesrat:, Woher wissen Sie, dass das Taliban waren?

BF: Man erkennt sie. Sie trugen einen langen Bart und einen Turban.

Bundesrat:, Was genau sagten diese zu Ihnen?

BF: ¿Gehe auf den Berg hinauf'. Ich weigerte mich. Sie haben mich geschlagen.

Bundesrat:, Haben Sie nach dem Grund des Hinaufgehens gefragt?

BF: Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit, danach zu fragen. Als ich fragte, wer sie seien und warum sie da wären, habe ich die Schläge erhalten.

Bundesrat:, Was wurde im Krankenhaus von den Ärzten behandelt?

BF: Meine Verletzungen wurden von 4 oder 5 Ärzten behandelt. Mein Kiefer und meine Stirnverletzungen wurden behandelt.

Bundesrat:, Welche Behandlung haben die Ärzte an Ihnen vorgenommen, welche Krankheiten wurden festgestellt?

BF: Die Ärzte haben meinen Körper, mein Auge und meine Verletzungen gesehen. Ich wurde behandelt. Dort ist es üblich, dass immer verletzte Patienten kommen. Ich war der 17. Patient an diesem Tag.

BR wiederholt die Frage.

BF: Meine Verletzungen wurden genäht. Mein Kiefer war gebrochen. Sie haben mit einem Metalldraht meinen Kiefer behandelt. Das linke Auge wurde 1x, das rechte Auge 2x operiert. Mein rechtes Auge wurde 2x operiert, damit ich besser sehen kann.

Bundesrat:, Wann waren Sie in Afghanistan das letzte Mal beim Augenarzt?

BF: Am 05.08.1388 (= 27.10.2009).

VR: Wo war das?

BF: In Kabul.

Bundesrat:, Aus welchem Grund hat man die Augen operiert?

BF: Wegen der Blutung. Ich habe geblutet. Ich habe auch eine Linse bekommen, welche mir auch nicht geholfen hat. Ich hätte mit der Linse sehen sollen. Das war nicht der Fall.

VR: Sie haben bei der Erstbefragung gesagt, dass Sie verfolgt wurden, weil Sie römisch 40 hießen. Das klinge so, als ob Sie Angehöriger der römisch 40 seien, sei aber nicht richtig. Aus diesem Grund wären Sie angehalten und geschlagen worden. Das haben Sie später nicht mehr gesagt. Aus welchem Grund nicht?

BF: Ja, das stimmt. Ich bin Angehöriger des XXXX-Stammes. Ich habe das gesagt. Ich bin darüber später nicht mehr gefragt worden.

VR: Sie haben bei der Erstbefragung gesagt, dass Sie und Ihre Familie römisch 40 heißen, aber keine Mitglieder der XXXX-Gruppe sind.

BF. Das ist ein Missverständnis. Wir gehören dem XXXX-Stamm an.

VR: Es gibt eine Formierung namens römisch 40 .

BF: Das stimmt. Ich habe angegeben, dass es damals politische Gruppierungen gab, die römisch 40 und die anderen waren bei der Hezb-e Wahdat.

VR: Wo waren Sie dabei?

BF: Ich gehörte keiner Gruppierung an.

VR: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat und nach römisch 40 , zurückkehren müssten?

BF: Ich kann nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren. Würde ich nach römisch 40 zurückkehren, würde mich die Regierung nach römisch 40 bringen. Ich würde von den Taliban sicher getötet werden. Ich werde wahrscheinlich auch von der Regierung bestraft werden, weil ich von dort weggegangen bin.

VR: Warum passiert das nicht Ihrer Familie und Ihrem Schwiegersohn?

BF: Das könnte ihnen auch passieren. Meine Frau muss eine Burka tragen, meine Kinder sind unerkannt.

VR: Wissen oder vermuten Sie, dass sie nicht erkannt wurden?

BF: Ja, das stimmt, ich habe mit ihnen keinen Kontakt. Ich vermute das.

VR befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will.

BF: Ich habe nichts mehr hinzuzufügen. Ich möchte mich noch einmal bedanken, dass ich hier wie ein Mensch behandelt werde. Ich bin seit 6 Monaten und 14 Tagen hier in Österreich. Ich möchte Sie ersuchen, meiner Beschwerde Folge zu leisten und mir einen Pass zu geben, damit ich hier in Österreich den Rest meines Lebens in menschenwürdiger Weise leben kann."

1.11. Das erkennende Gericht übermittelte der Österreichischen Botschaft in Islamabad, zuständig für Afghanistan, die vom BF vorgelegten ärztlichen Bestätigungen eines Krankenhauses und einer Augenheileinrichtung in Kabul mit dem Ersuchen um Überprüfung.

Aus der Anfragebeantwortung vom 13.12.2011 ergab sich, dass die überprüften Bestätigungen echt und inhaltlich richtig sind. Die Botschaft veranlasste Recherchen vor Ort, die Anfertigung von Fotos und die Vornahme von Interviews mit Ärzten. Aus dem Bericht ergibt sich, dass der Patient mit Wunden im Gesicht, an der rechten Hand und auf der linken Seite ins Spital gebracht und dort behandelt und operiert worden ist.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 11.04.2011 und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.06.2011 sowie die Beschwerde vom 19.07.2011 samt Beschwerdeergänzung vom 04.08.2011

Einsicht in folgende Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren:

AA - Auswärtiges Amt: Afghanistan - Innenpolitik, Stand: Juli 2010, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.1.2011

BAA - Bundesasylamt: Protokoll des Afghanistan-Workshop vom 13.8.2008

AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan,

Stand: Juli 2010

US DOS - U.S. Department of State: 2009 Human Rights Report - Afghanistan, 11.3.2010

CRS - Congressional Research Service: Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, 29.12.2010

DerStandard.at: Unterlegene Kandidaten besetzten Präsidentenpalast in Kabul, 26.1.2011,

http://derstandard.at/1295570848501/Karzai-eroeffnete-Parlamentssitzung-Unterlegene-Kandidaten-besetzten-Praesidentenpalast-in-Kabul, Zugriff 26.1.2011

UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees: Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan, 17.12.2010

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan: Mid Year Report on Protection of Civilians in Armed Conflict 2010, August 2010

D-A-CH-Bericht: Sicherheitslage in Afghanistan. Vergleich dreier Provinzen (Balkh, Herat und Kabul), Juni 2010

Martin Schmidt, Thomas Schrott: Extremistische Gruppierungen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. In: AfPak. Afghanistan, Pakistan und die Migration nach Österreich, 2011, Sitzung 83

Thomas Ruttig: How Tribal Are the Taleban? Afghanistan's largest insurgent movement between its tribal roots and Islamist ideology, 29. Juni 2010,

http://aan-afghanistan.com/uploads/20100624TR-HowTribalAretheTaleban-FINAL.pdf, Zugriff 21.1.2011

Nino Hartl, Martin Schmidt, Thomas Schrott: Sicherheitslage und humanitäre Situation im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. In:

AfPak. Afghanistan, Pakistan und die Migration nach Österreich, 2011, Sitzung 49

BAA: Bericht zur Fact Finding Mission Afghanistan, 20-29.Oktober 2010, Dezember 2010

FH - Freedom House: Freedom in the World 2010 - Afghanistan

Freedom House: Freedom Of The Press - Afghanistan 2010

CIA World Factbook, Afghanistan, last update 29.12.2010, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html,

Zugriff 20.1.2011

Library of Congress: Country Profile: Afghanistan, August 2008, http://lcweb2.loc.gov/frd/cs/profiles/Afghanistan.pdf, Zugriff 20.1.2011

ICG - International Crisis Group: A Force in Fragments:

Reconstituting the

Afghan National Army (Asia Report N°190), 12.5.2010

ÖIF-Länderinfo: Minderheiten in Afghanistan - Hazara, Februar 2010

USDOS - US Department of State: International Religious Freedom Report 2010 - Afghanistan, 17.11.2010

Stapleton, Barbara J., Afghanistan at the Cross Roads, In: ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Country Report Afghanistan, 11th European Country of Origin Information Seminar Vienna 21-22.6.2007, November 2007, http://www.coi-network.net/content/doc/COISeminar-2007-Afghanistan.pdf, Zugriff 20.1.2011

BBC NEWS: Q&A: Foreign forces in Afghanistan, 18. November 2010, http://news.bbc.co.uk/go/pr/fr/-/2/hi/south_asia/8388711.stm;

Zugriff am 20.1.2011

Rahjo, Mohammad Aziz, Afghanistan - UNHCR Considerations for specific groups relevant to the determination of refugee status. In:

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Country Report Afghanistan, 11th European Country of Origin Information Seminar Vienna 21-22.6.2007, November 2007, http://www.coi-network.net/content/doc/COISeminar-2007-Afghanistan.pdf, Zugriff 20.1.2011

Glatzer, Bernt: E-Mail an ACCORD am 12. August 2007. In:

ACCORD-Antwort a-5487 - Nachtrag, 14.8. 2007

SFH - Schweizer Flüchtlingshilfe (Corinne Troxler Gulzar):

Afghanistan Update, 11.8.2009

IOM - International Organization for Migration:

Länderinformationsblatt

Afghanistan, Oktober 2010

Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 24.10.2011 sowie Einsichtnahme in folgende vom BF vorgelegte Dokumente:

Personalausweis des BF (Tazkira)

ärztliche Bestätigungen.

Der BF hat keine weiteren Beweismittel oder sonstige Belege für sein Vorbringen vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die unter Punkt 2. erwähnten Beweismittel.

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara und des Stammes der römisch 40 und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari.

Weder aus dem Vorbringen des BF noch nach dem - negativen - Ergebnis einer Nachschau im EURODAC ist eine Zuständigkeit eines anderen Dublinstaates für das Asylverfahren des BF erkennbar.

3.1.2. Der BF hat seinen Herkunftsstaat Afghanistan im März 2011 verlassen und ist schlepperunterstützt nach Österreich gereist.

3.1.3. Asylrelevante Gründe des BF für das Verlassen seines Heimatstaates wurden festgestellt.

Der BF hat glaubhaft gemacht, dass er in seinem Heimatdorf in Afghanistan im Jahr 2008 von paschtunischen Taliban überfallen und schwer verletzt worden ist (an den Augen, wobei er in Folge dieses Angriffes auf einem Auge blind geblieben ist, am Kiefer, am Kopf und an weiteren Stellen am Körper). Anschließend hat er ca. drei Monate in einem Krankenhaus in Kabul verbracht, wo seine schweren Verletzungen versorgt wurden.

Im Jahr 2010 ist sein Sohn römisch 40 im Alter von 19 Jahren von den Taliban getötet worden. Nachdem die Verletzungen des BF halbwegs verheilt waren, sind seine Familie (Ehefrau, Tochter, Sohn) aus Angst vor neuerlichen Übergriffen der Taliban zu ihren Verwandten in die Provinz römisch 40 und der BF nach Österreich geflohen, wo er weitere Krankenbehandlungen für seine Augen erhalten hat.

Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan und Reise zu seiner Familie in römisch 40 befürchtet der BF, der sich seiner Regierung gegenüber verpflichtet hätte, seinen Heimatort nicht zu verlassen, von dieser dorthin zurückgebracht zu werden und bei neuerlichen Übergriffen seitens der pashtunischen Taliban verfolgt und getötet zu werden.

3.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen und mit ihren Quellen in Punkt 2. dieses Erkenntnisses angeführten Feststellungen zur Lage in Afghanistan decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Diese Feststellungen gründen sich auf unbedenkliche, seriöse und aktuelle Quellen und sind schlüssig und widerspruchsfrei.

Der BF hat diese Feststellungen nicht bestritten. In der offenbar für ihn von einer Rechtsberaterin verfassten Beschwerdeergänzung werden Auszüge aus diesen Feststellungen als Argumentationshilfe für das Vorbringen des BF verwendet.

Die staatlichen Organe sind hinsichtlich der Verfolgung des BF und seiner Familie nicht hinreichend schutzwillig bzw. schutzfähig.

4. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes.

4.1. Zur Person des BF und zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

4.1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesasylamt, in der Beschwerde, in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof sowie aus den von ihm vorgelegten Dokumenten (Personalausweis-Taskira sowie ärztliche Bestätigungen von Krankenhäusern in Kabul). Diese Feststellungen gelten für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen-, Stammes- und Religionszugehörigkeit, sowie zu den Lebensumständen des BF stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem Bundesasylamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari und die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Afghanistans.

Die Identität des BF steht auf Grund eines vorgelegten, unbedenklichen Identitätsdokuments fest.

4.1.2. Die Ausführungen zur Reiseroute und zur Ausreise des BF aus Afghanistan stützen sich auf dessen eigene Angaben. Eine Überprüfung dieser Angaben erübrigt sich, da sie für das Fluchtvorbringen nicht weiter relevant waren.

4.1.3. Die Feststellungen zu den Gründen des BF für das Verlassen seines Heimatstaates stützen sich auf die vom BF vor dem Bundesasylamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof getroffenen Aussagen unter Berücksichtigung der von ihm vorgelegten Dokumente.

Der BF hat vorgebracht, dass er in seinem Heimatdorf in Afghanistan im Jahr 2008 von paschtunischen Taliban überfallen und schwer verletzt worden sei. Anschließend hat er ca. drei Monate in einem Krankenhaus in Kabul verbracht, wo seine schweren Verletzungen versorgt wurden.

Im Jahr 2010 sei sein Sohn römisch 40 im Alter von 19 Jahren von den Taliban getötet worden. Nachdem seine Verletzungen halbwegs verheilt waren, sei seine Familie (Ehefrau, Tochter, Sohn) aus Angst vor neuerlichen Übergriffen der Taliban zu ihren Verwandten in die Provinz römisch 40 und der BF nach Österreich geflohen.

Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan und Reise zu seiner Familie in römisch 40 befürchte der BF, der sich seiner Regierung gegenüber verpflichtet hätte, seinen Heimatort nicht zu verlassen, von dieser dorthin zurückgebracht zu werden und bei neuerlichen Übergriffen seitens der paschtunischen Taliban verfolgt und getötet zu werden.

Festzuhalten ist, dass diese Verfolgungsgründe weder bewiesen noch belegt worden sind. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit des BF und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.

Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF hat vor allem zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in Paragraph 15, AsylG normierten Mitwirkungspflichten gemäß Paragraph 18, Absatz 2, AsylG und die sonstige Mitwirkung des BF im Verfahren zu berücksichtigen.

Wesentlich bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates war auch der Umstand, dass das umfangreiche und detaillierte Fluchtvorbringen des BF in sich stimmig war und keine beachtlichen Widersprüche aufwies.

Der BF hat die von ihm vorgebrachte Bedrohungssituation im Vergleich der von ihm gemachten Aussagen im Verfahren insgesamt plausibel und schlüssig dargelegt. Die von der Erstbehörde in ihrer Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid angeführten angeblichen Widersprüche in seinen Aussagen haben sich bei der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof als von den Behörden im erstbehördlichen Verfahren selbst herbeigeführte Irrtümer herausgestellt (dies betrifft die als Fluchtgrund bei der Erstbefragung angegebene Mitgliedschaft beim Stamm der römisch 40 bzw. bei der Formation "XXXX", die vom Bundesasylamt offenbar verwechselt worden und in der Einvernahme - wie auch die verwandtschaftlichen Verhältnisse seiner Tochter - nicht nachgefragt worden ist; die Frage, wohin und zu welchen Verwandten die Ehefrau des BF nunmehr in Sicherheit gebracht worden ist; die Frage nach dem Namen und dem Geburtsdatum des BF - aus dem von ihm vorgelegten Personalausweis ergibt sich, dass sein Geburtsdatum sowohl hinsichtlich Tag als auch hinsichtlich Jahr falsch umgerechnet worden ist).

Auch der Inhalt der vom BF vorgelegten ärztlichen Bestätigung eines Krankenhauses in Kabul steht mit seinem Vorbringen in Einklang, wie auch das Verhalten des BF bei seiner Einvernahme vor dem Asylgerichtshof bezüglich seines Gehabes, seiner Mimik und seiner augenscheinlichen emotionalen Verfassung.

Eine Überprüfung der vom BF vorgelegten ärztlichen Bestätigungen eines Krankenhauses und einer Augenheileinrichtung in Kabul ergab, dass deren Echtheit und inhaltliche Richtigkeit verifiziert wurden.

In einer Gesamtschau der Angaben des BF im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des BF zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan insgesamt als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem BF vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

5. Rechtliche Beurteilung:

5.1. Anzuwendendes Recht:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, zuletzt geändert mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Mit dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, mit dem unter anderem das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG, zuletzt geändert mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008,) erlassen und das AsylG 2005 und das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) geändert worden sind, ist der Asylgerichtshof eingerichtet worden. Gemäß Paragraph 28, AsylGHG nahm der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 77 aus 1997,, zuletzt geändert durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, trat mit 01.07.2008 außer Kraft.

Gemäß Paragraph 23, AsylGHG sind, soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Anzuwenden sind weiters die Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG), Bundesgesetzblatt Nr. 200 aus 1982, in der geltenden Fassung.

Gemäß Paragraph 15, Absatz eins, AsylGHG wird jede im Asylgerichtshof anfallende Rechtssache dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter oder Senat zugewiesen.

Gemäß Paragraph 61, AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anderes in Paragraph 61, Absatz 3, AsylG vorgesehen ist.

Gemäß Paragraph 61, Absatz 3, AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen 1. zurückweisende Bescheide a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß Paragraph 4 ;, b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß Paragraph 5 ;, c) wegen entschiedener Sache gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG, und 2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

Da im gegenständlichen Verfahren weder eine Beschwerde gegen einen zurückweisenden Bescheid gemäß Paragraph 4, AsylG (Drittstaatssicherheit) bzw. gemäß Paragraph 5, AsylG (Zuständigkeit eines anderen Staates) bzw. gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG (entschiedene Sache) noch über eine mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung vorliegt, war im Senat zu entscheiden.

Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, - außer in dem im Absatz 2, angeführten Fall - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß Paragraph 15, AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß Paragraph 18, AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

5.2. Rechtlich folgt daraus:

5.2.1. Da gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz am 10.04.2011 gestellt wurde und die Erstbehörde über ihn am 06.07.2011 abgesprochen hat, ist er nach der Rechtslage des AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, zuletzt geändert mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, zu beurteilen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit zur Entscheidung des erkennenden Senates über die vorliegende Beschwerde ergibt.

5.2.2. Der Asylgerichtshof stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde.

Dem BF wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die Einvernahme - jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

Die Erstbehörde befragte den BF in den Einvernahmen insbesondere zu der von ihm behaupteten Gefahrensituation in Afghanistan und legte ihrer Entscheidung umfangreiche Berichte unbedenklicher Stellen über die Situation in Afghanistan zu Grunde. Der BF hat keine konkreten Hinweise gegeben, die weitergehende Ermittlungen notwendig gemacht hätten. Im Zuge des Verfahrens wurde dem BF seitens des Bundesasylamtes angeboten, ihm aktuelle Länderfeststellungen zur Kenntnis zubringen, und ihm kurz erklärt, "um was" es sich handle und welchen Inhalt diese hätten. Der BF verzichtete darauf, er kenne die allgemeine Situation in seiner Heimat. Er wolle keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben, außperdem könne er nicht gut sehen.

Die Länderfeststellungen wurden dem BF somit erst im angefochtenen Bescheid zur Kenntnis gebracht. Da der BF im Rahmen der Einvernahmen kein relevantes Vorbringen erstattete, welches darauf schließen ließ, dass eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage in Afghanistan über die Vorhalte und Fragen während der Einvernahmen hinausgehend erforderlich gewesen wäre, um weitere asylrelevante Sachverhaltselemente darzulegen, liegt somit ein diesbezüglicher Verfahrensfehler nicht vor.

Auch die der Erstbehörde zuzurechnende Vielzahl an sprachlichen, Schreib- und Umrechnungsfehlern (etwa bezüglich der Personalia des BF, bezüglich bestimmter angegebener Ereignisse, die den Jahren 2000, 2002, 2008 und 2010 zugeordnet werden, wobei mehrfach offenbar lediglich Irrtümer vorliegen), gaben für sich alleine noch keinen Anlass für eine Behebung des angefochtenen Spruchpunktes römisch eins. im Bescheid. Sie waren jedoch bei der Beweiswürdigung - gemeinsam mit mehrfachen Ermittlungsversäumnissen (bezüglich zu klärender und somit nachzufragender offener Punkte) - beachtlich und führten (gemeinsam mit anderen Gesichtspunkten) insgesamt zum Ergebnis, dass der von der Erstbehörde getroffenen Beweiswürdigung im Ergebnis nicht gefolgt werden konnte.

5.2.3. Zu Paragraph 3, AsylG (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 3, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vergleiche auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, Zahl 94/18/0263; 01.02.1995, Zahl 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zahl 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zahl 98/01/0503 und Zahl 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Artikel eins, Abschnitt C Ziffer 5, GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zahl 98/20/0399; 03.05.2000, Zahl 99/01/0359).

Nach Frank/Anerinhof/Filzwieser, Kommentar zum AsylG 2005, 5. Auflage Wien . Graz 2010, Anmerkung K58 zu Paragraph 3, AsylG, können dann, wenn der Antragsteller einer Reihe von Maßnahmen ausgesetzt ist, die jede für sich nicht den Tatbestand der Verfolgung erfüllt, diese verschiedenen Faktoren in ihrer Gesamtheit auf den Antragsteller eine derartige Wirkung ausgeübt haben, dass das Vorliegen einer begründeten Furcht auf Grund "kumulativer Gründe" angenommen werden kann vergleiche Handbuch des UNHCR, Punkt 53). Die Richtlinie fordert dabei allerdings ebenfalls eine Verletzung der Menschenrechte.

Auszug aus dem Handbuch des UNHCR, Punkt 53: "Außerdem mag ein Antragsteller einer Reihe von Maßnahmen ausgesetzt gewesen sein, die jede für sich genommen nicht den Tatbestand der Verfolgung erfüllten (z.B. verschiedene Formen der Diskriminierung), zu denen in manchen Fällen jedoch noch weitere widrige Faktoren hinzukamen (z.B. eine allgemeine Atmosphäre der Unsicherheit in dem betreffenden Herkunftsland). In solchen Situationen mögen diese verschiedenen Faktoren, diese verschiedenen Faktoren in ihrer Gesamtheit auf den Antragsteller eine derartige Wirkung ausgeübt haben, dass das Vorliegen einer begründeten Furcht auf Grund "kumulativer Gründe"

angenommen werden kann. ... Dies wird naturgemäß von allen Umständen

abhängen, u.a. von den besonderen geographischen, historischen und ethnologischen Gegebenheiten."

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seiner Person und seiner Familie durch paschtunische Nomaden bzw. Taliban (aufgrund mehrerer Verfolgungsereignisse in den vergangenen Jahren, aufgrund eines konkreten Überfalles auf ihn im Jahr 2008, bei dem der BF auf einem Auge erblindet ist und er weitere schwere Verletzungen erlitten hat, und aufgrund der Tötung seines 19-jährigen Sohnes im Jahr 2010; Angehörigkeit zu einer Volksgruppe, die in Afghanistan eine Minderheit bildet; insgesamt unsichere Lage im Herkunftsstaat Afghanistan; Abstammung aus einem Gebiet, das nicht zu den eher noch sicheren und von Gewalthandlungen weniger betroffenen Gebieten Afghanistans gehört; mangelnde Unterstützung und Hilfe seitens der afghanischen Regierung) außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Ein ausreichender zeitlicher und sachlicher Kausalzusammenhang zwischen den fluchtrelevanten Ereignissen und der Flucht des BF liegt im Hinblick auf die Tötung des Sohnes des BF im Jahr 2010 und die folgende Flucht der Familie in die Provinz römisch 40 vor.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Artikel eins, Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.