Gericht

Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum

09.07.2009

Geschäftszahl

S17 407324-1/2009

Spruch

S17 407.324-1/2009-4E

ERKENNTNIS

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Engel als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch XXXX, StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2009, FZ. 09 05.648-East-Ost, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 5,, 10 AsylG 2005 BGBl römisch eins 2005/100 in der Fassung BGBl römisch eins 2009/29 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

römisch eins.

1. Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger des Kosovo, reiste laut seinem Vorbringen am 12.05.2009 nicht rechtmäßig in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG.

2. Im Rahmen der Erstbefragung brachte er im Wesentlichen vor, dass er den Kosovo am 12.04.2009 verlassen habe und zunächst nach Serbien gefahren sei. In der Folge habe er zu Fuß die Grenze nach Ungarn überschritten, wo er am 13.04.2009 von den ungarischen Behörden aufgegriffen worden sei. Er habe dann einen Asylantrag stellen wollen, doch die ungarischen Behörden hätten verneint.

Am 12.05.2009 sei er dann mit dem Zug nach Österreich gefahren, wo er eine Schwester habe.

3. Ein durchgeführter Abgleich seiner Fingerabdruckdaten in der Eurodac-Datenbank ergab zwei Treffer (HU1... und HU2). Demnach wurden ihm am 27.04.2009 in Ungarn als "Asylbewerber" Fingerabdrücke abgenommen, weiters wurde er am 12.05.2009 in Ungarn erkennungsdienstlich behandelt.

Auf Vorhalt des Eurodac-Treffers brachte er in der Erstbefragung vor, dass er nicht wisse, in welchem Stand sich sein Asylverfahren in Ungarn befunden habe. Er sei dort "nicht gut behandelt" worden.

4. Am 14.05.2009 übermittelte das Bundesasylamt an Ungarn ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Artikel 16, Absatz eins, Litera c, der Dublin II-VO.

5. Am 19.05.2009 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß Paragraph 29, Absatz 3, AsylG 2005 mitgeteilt, dass das Bundesasylamt seit 14.05.2009 Dublin-Konsultationen mit Ungarn führe und durch diese Mitteilung die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht mehr gelte.

6. Am 20.05.2009 teilte Ungarn mit, dass die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers auf Grundlage von Artikel 16, Absatz eins, Litera c, Dublin II-VO akzeptiert werde. Der Beschwerdeführer habe dort am 18.04.2009 einen Asylantrag gestellt und sei sein Verfahren nach wie vor anhängig.

7. Am 02.06.2009 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Rechtsberaters zur Wahrung des Parteiengehörs niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab er zunächst an, keine familiären, finanziellen, privaten oder persönlichen Bindungen zu Österreich zu haben.

Zur geplanten Überstellung nach Ungarn gab er an, nicht zu wollen, dass sein Asylverfahren in Ungarn weitergeführt werde, weil die Asylwerber dort nicht gut behandelt würden. Es herrsche keine Ordnung in den Lagern, die Hygiene sei katastrophal, es gäbe nicht genug zu essen und es werde auch gestohlen.

Dem Rechtsberater wurde in dieser Einvernahme die Möglichkeit gegeben Fragen oder Anträge zu stellen. Dieser hatte keine Fragen und stellte auch keine Beweisanträge.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Artikel 16 /, eins /, c, der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Ungarn zuständig (Spruchpunkt römisch eins.).

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn verfügt und erklärt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn gemäß Paragraph 10, Absatz 4, AsylG zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.).

Das Bundesasylamt setzte sich mit der maßgeblichen Lage im als zuständig erachteten Staat auseinander und traf im angefochtenen Bescheid auf Grundlage von Berichten allgemeine Feststellungen zum Zugang zum Asylverfahren nach Rücküberstellung, zur Versorgung von Asylwerbern sowie zur medizinischen Versorgung.

Spruchpunkt römisch eins. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Ermittlungsverfahren die Zuständigkeit von Ungarn gemäß Artikel 16 /, eins /, c, Dublin II-VO ergeben habe. Dieser Staat sei auch bereit, die beschwerdeführende Partei einreisen zu lassen und die sich aus der Dublin II-VO ergebenden Verpflichtungen ihr gegenüber zu erfüllen. Ungarn sei ein Mitgliedstaat der Europäischen Union und es sei festzustellen, dass es auf Grund der allgemeinen Lage nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass es im gegenständlichen Fall bei einer Überstellung zu einer entscheidungsrelevanten Verletzung der EMRK komme. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR und aus sonstigem Amtswissen ließen sich keine systematischen, notorischen Verletzungen fundamentaler Menschenrechte in Ungarn erkennen.

Ein von der beschwerdeführenden Partei im besonderen Maße substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter exzeptioneller Umstände, die die Gefahr einer maßgeblichen Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Regelvermutung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG treffe daher zu.

Es habe sich im Ergebnis kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Artikel 3, Absatz 2, Dublin II-VO ergeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.

Hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. verneinte das Bundesasylamt das Vorhandensein eines relevanten Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich, weshalb die Ausweisung nicht unzulässig in diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eingreife.

Beachtliche Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs der Durchführung der Ausweisung gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AsylG hätten sich im Verfahren nicht ergeben.

9. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 18.06.2009 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Darin wird zunächst bemängelt, dass sich das Bundesaslyamt nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Situation von Asylwerbern in Ungarn auseinandergesetzt habe und hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid zitierten Länderberichte das Parteiengehör nicht gewahrt habe.

Unter Zitierung eines Berichts des Europäischen Parlaments von Dezember 2007 sowie des Amnesty International Jahresberichts Ungarn 2008 wird weiters darauf hingewiesen, dass es in ungarischen Flüchtlingslagern regelmäßig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen komme, weshalb der Beschwerdeführer durch die Überstellung nach Ungarn ein "real risk" einer Verletzung von Artikel 3, EMRK befürchte.

Schließlich wird beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

10. Die gegenständliche Beschwerde wurde dem AsylGH am 24.06.2009 vorgelegt.

11. Am selben Tag erging seitens des Bundesasylamtes ein Berichtungsbescheid zum angefochtenen Bescheid, zumal beim Vornamen des Beschwerdeführers ein Schreibfehler unterlaufen war.

römisch II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter erwogen:

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

2. Gemäß Paragraph 61, (1) AsylG 2005 BGBl römisch eins Nr. 2005/100 in der Fassung BGBl römisch eins Nr. 2009/29 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Absatz 3, vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

2. [.....]

(2) [.....]

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

1. zurückweisende Bescheide

[......]

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde nach Inkrafttreten des AsylG 2005 BGBl römisch eins 2005/100 gestellt und am 12.06.2009 über ihn entschieden, weshalb sich die Anwendung dieses Gesetzes in der im Spruch dargestellten Fassung ergibt.

Soweit sich aus AsylG 2005 (AsylG 2005), BGBl. römisch eins Nr. 2005/100, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. Paragraph 23, Absatz eins, Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (Paragraph 60,) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

3. Zu Spruchpunkt römisch eins.:

3.1. Paragraph 5, AsylG lautet:

"(1) Ein nicht gemäß Paragraph 4, erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

(2) Gemäß Absatz eins, ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Absatz eins, Schutz vor Verfolgung findet."

Die Dublin römisch II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union vergleiche Artikel 63, EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

3.2. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat (nach den hierarchisch aufgebauten [Art. 5 Absatz eins, Dublin römisch II VO] Kriterien der Artikel 6 -, 12, bzw 14 und Artikel 15, Dublin II-VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Artikel 13, Dublin römisch II VO) zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

Im vorliegenden Fall ist das Bundesasylamt nach Durchführung von Konsultationen mit Ungarn nachvollziehbar von einer Zuständigkeit dieses Landes ausgegangen. Ungarn hatte sich bereit erklärt, den Beschwerdeführer auf Grundlage von Artikel 16, Absatz eins, Litera c, Dublin II-VO zu übernehmen, weil dieser in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte und sich während dessen Prüfung unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates (eben Österreich) aufhält.

Es sind aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin römisch II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vergleiche auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313).

Derartiges hat auch die beschwerdeführende Partei nicht behauptet. Das Konsultationsverfahren erfolgte nach Ansicht des Asylgerichtshofes ohne relevante Mängel.

Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

3.3. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 3, Absatz 2, Dublin römisch II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung von maßgeblichen Vorschriften der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin römisch II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Artikel 3, Absatz 2, Dublin römisch II VO zwingend geboten sei.

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Artikel 3, EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vergleiche auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Artikel 3, EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht vergleiche VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Artikel 13, EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Es ist auch nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Artikel 16, Absatz eins, Litera e, Dublin römisch II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025; 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673; 31.5.2005, 2005/20/0095), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin römisch II VO, K13. zu Artikel 19, Dublin römisch II VO).

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen. Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

Der Verordnungsgeber der Dublin römisch II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte vergleiche insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin römisch II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin römisch II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin römisch II VO², K8-K13. zu Artikel 19,).

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

3.3.1. Mögliche Verletzung des Artikel 8, EMRK:

Artikel 8, EMRK lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. eine Aufenthaltsbeendigung (Ausweisung) kann einen (unzulässigen) Eingriff in das Privat- und/oder Familienleben des Betroffenen darstellen.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Nach der Rechtssprechung des EGMR vergleiche aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen vergleiche dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vergleiche dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Der erwachsene Beschwerdeführer hat in der Erstbefragung angegeben, dass eine (ebenfalls erwachsene) Schwester von ihm in Österreich lebe (AS 19).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Artikel 8, Absatz eins, EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen vergleiche dazu auch das Erkenntnis des VfGH vom 09.06.2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26.01.2006, 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26.01.2006, 2002/20/0235, vom 08.06.2006, 2003/01/0600, vom 22.08.2006, 2004/01/0220 und vom 29.03.2007, 2005/20/0040, vom 26.06.2007, 2007/01/0479).

Verwandtschaftliche Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung vergleiche VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Schwester nicht im gemeinsamen Haushalt und hat des Weiteren bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 02.06.2009 angegeben, (insbesondere) keine familiären Bindungen zu Österreich zu haben. Auch in seiner Beschwerdeschrift geht er nicht auf allfällige familiäre Beziehungen darauf ein, weswegen davon auszugehen ist, dass er über kein schützenswertes Familienleben in Österreich verfügt.

Eine Aufenthaltsbeendigung kann somit naturgemäß keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellen.

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Mitte Mai, zum Entscheidungszeitpunkt also nicht einmal zwei Monaten, in Österreich. Ein Bleiberecht im Bundesgebiet, etwa auf Grundlage des FPG bzw. NAG, kam ihm zu keiner Zeit zu. Allfällige private Anknüpfungspunkte wurden daher in einer Zeit gegründet, in der sein Aufenthaltsstatus in Österreich auf Grund des laufenden Asylverfahrens ungewiss war.

Im gegenständlichen Fall ist jedoch insbesondere auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich nicht davon auszugehen, dass hinreichend starke private Anknüpfungspunkte zu Österreich bestehen, die zu einem relevanten Privatleben iSd Artikel 8, EMRK führen würden vergleiche zB VfGH 6.3.2008, B 2400/07: "Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hielt sich der Beschwerdeführer also rund vier Monate in Österreich auf. Der Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass die Ausweisung schon wegen der kurzen Aufenthaltsdauer auch Artikel 8, EMRK nicht verletzt.").

Selbst wenn man ein solches hier rein hypothetisch bejahen würde, wäre eine Aufenthaltsbeendigung als notwendig und nicht als unverhältnismäßig anzusehen, zumal im Rahmen einer durchzuführenden Abwägung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK insbesondere das öffentliche Interesse (die öffentliche Ordnung) an der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes vergleiche zB EGMR, Fall NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich v. 8.4.2008 zum öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle [... "Jedes von der Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts im Vereinigten Königreich etablierte Privatleben würde ihre Abschiebung bei einer Abwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer wirksamen Einwanderungskontrolle nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff machen". ...] - Die Asylwerberin war in diesem Fall ca. 10 Jahre im Vereinigten Königreich im Wesentlichen als Asylwerberin aufhältig und hatte in dieser Zeit einen Beruf erlernt, beteiligte sich an der Kirchengemeinschaft, hatte Freunde, darunter eine nicht näher definierte Beziehung zu einem Mann]) die privaten Interessen überwiegen würde. Dieses Interesse an der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes ist von seiner Wertigkeit im Wesentlichen nicht geringer anzusetzen als das öffentliche Interesse an einer wirksamen Einwanderungskontrolle, weshalb die Rechtsprechung des EGMR zur öffentlichen Ordnung - konkret zur wirksamen Einwanderungskontrolle - auch auf das öffentliche Interesse an der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes - als Bestandteil der öffentlichen Ordnung - umgelegt werden kann.

Mangels Verletzung von Artikel 8, EMRK war aus diesem Grund daher zu Recht von einem Selbsteintritt Österreichs gemäß Artikel 3, Absatz 2, Dublin II-VO nicht Gebrauch zu machen.

3.3.2. Mögliche Verletzung von Artikel 3, EMRK:

Artikel 3, EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden".

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung seiner relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).

Nach der hier maßgeblichen Regelvermutung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG 2005 ist zu beachten, dass, sofern nicht besondere (exzeptionelle) Gründe, die in der Person des Asylwerbers glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die "reale Gefahr" (darunter ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen [vgl. VwGH 99/20/0573

v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR]) des fehlenden Schutzes sprechen, davon auszugehen ist, dass der Asylwerber im zuständigen Dublin-Staat hinreichenden Schutz findet.

Erst wenn es dem Asylwerber gelingt die oa. "besonderen Gründe" glaubhaft zu machen, ist die dem Paragraph 5, Absatz 3, AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit widerlegt. In diesem Fall sind die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Die Ermittlungspflicht ergibt sich aus Paragraph 18, AsylG 2005, die insoweit von Paragraph 5, Absatz 3, AsylG 2005 unberührt bleibt.

3.3.2.1. Behauptete Missstände im Zielstaat:

Der Beschwerdeführer bemängelt zunächst, dass ihm die im Bescheid zitierten Länderberichte nicht vorgehalten worden seien, sodass er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst auf die Einsichtnahme in die Länderberichte verzichtet hat, zumal er "alles selbst erlebt" hätte.

Selbst wenn man von einer Verletzung des Parteiengehörs ausgehen würde, hätte der Beschwerdeführer jedenfalls in seinem Rechtsmittel gegen den angefochtenen Bescheid, welcher die Länderberichte vollständig zitiert, konkret darzutun gehabt, was er im Falle der Einräumung von Parteiengehör vorgebracht hätte und zu welchem anderen Ergebnis das Bundesasylamt diesfalls gelangt wäre vergleiche Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 37, Rz 13; VwGH vom 16.03.2005, 2003/12/0189, u.v.a.). Nachdem dies nicht erfolgt ist, wäre ein allfälliger Verfahrensmangel jedenfalls saniert.

Was die in der Beschwerdeschrift zitierten Berichte - welche sich auf das Jahr 2007 beziehen - betrifft, wonach es in den Aufnahmezentren für Asylwerber immer wieder zu Gewalt komme, Asylsuchende daran gehindert worden seien, ihre Rechtsansprüche in vollem Umfang geltend zu machen und es immer wieder zu Inhaftierungen von Asylwerbern komme, so ist zunächst festzuhalten, dass sich derartige Vorfälle im aktuellen Amnesty International Jahresbericht Ungarn 2009 nicht (mehr) finden.

Des Weiteren lässt der Beschwerdeführer, welcher selbst nicht inhaftiert worden ist und auch nicht an der Asylantragstellung gehindert wurde, offen, weshalb gerade ihm konkret ein reales Risiko einer Gewaltanwendung drohen sollte.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet oder bescheinigt, dass es in Ungarn gegen derartige allfällige Bedrohungen keine hinreichenden Schutzmechanismen gebe oder sie keinen Zugang zu diesen hätte, was auch weder notorisch ist, noch dem Amtswissen entspricht. So geht auch aus dem vom Beschwerdeführer selbst zitierten Bericht von Amnesty International hervor, dass behördliche Maßnahmen zur Verhinderung von Misshandlungen und exzessiven Gewaltanwendungen durch Polizeikräfte getroffen wurden, welche offenbar - zumal sich ja im Bericht 2009 nichts derartiges mehr findet - gefruchtet haben.

Auch der anwesende Rechtsberater - dem seitens der belangten Behörde in dieser Einvernahme auch die Möglichkeit geboten wurde Fragen oder Anträge zu stellen - behauptete nichts dergleichen.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass in den Lagern in Ungarn keine Ordnung herrsche und die Hygiene katastrophal sei.

Es erübrigt sich jedoch, auf diese Thematik einzugehen, zumal weder vorgebracht wurde noch es dem Amtswissen entspricht, dass in Ungarn Zustände herrschen würden, die - etwa in Form einer Gesundheitsgefährdung - zu einer Verletzung von Menschenrechten führten, welche allenfalls die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch Österreich erforderlich machen würden.

Ebenso wenig ist in einem allfälligen Defizit der Ordnung bzw. Sauberkeit in den ungarischen Lagern für Asylwerber eine Verfolgung zu erblicken, welche gegen die Regelvermutung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG sprechen würden.

Ebenso wenig entspricht es dem Amtswissen, dass Asylwerber in Ungarn zu wenig zu essen bekommen und würde dies auch der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (sog. Aufnahmerichtlinie), welche laut den getroffenen Feststellungen in Ungarn vollständig umgesetzt wurde, widersprechen, nach deren Artikel 13, die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Asylbewerbern materielle Aufnahmebedingungen gewährt werden, welche einem Lebensstandard entsprechen, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylbewerber gewährleistet.

3.3.2.2. Kritik am Asylwesen im Zielstaat:

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind; dies im Sinne der Regelung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

Aus den Feststellungen des Bundesasylamtes ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Rechtsstaatlichkeit des Asylverfahrens im Zielstaat in Zweifel zu ziehen. Die beschwerdeführende Partei ist diesen Feststellungen auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten.

Auf Grund des Konsulationsverfahrens steht es für den Asylgerichtshof fest, dass der Beschwerdeführer schon vor seiner Reise nach Österreich Zugang zum ungarischen Asylsystem hatte und auch nach seiner Rücküberstellung wieder haben wird ("The Republic of Hungary accepts the transfer of the above referred person for determination of the asylum application.")

3.3.2.3. Im gegenständlichen Fall kann bei abschließender Betrachtung unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht gesagt werden, dass die beschwerdeführende Partei ausreichend substantiiert und glaubwürdig dargelegt hätte, dass ihr auf Grund ihrer persönlichen Situation durch eine Rückverbringung in den Zielstaat, entgegen der Regelvermutung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG 2005, eine - über die bloße Möglichkeit hinausgehende - exzeptionelle reale Gefahr (sog. "real risk") einer Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

Die Widerlegung der in Paragraph 5, Absatz 3, AsylG in Hinblick auf das Bestehen eines hinreichenden Schutzes in allen EU- Mitgliedstaaten normierten Rechtsvermutung ist der beschwerdeführenden Partei damit nicht gelungen.

3.3.3. Eine verpflichtende Inanspruchnahme des Selbsteintrittsrechtes gemäß Artikel 3, Absatz 2, Dublin II-VO seitens Österreichs war somit weder aus Gründen des Artikel 8, noch aus jenen des Artikel 3, EMRK geboten.

3.4. Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht der Antrag auf internationalen Schutz gem. Paragraph 5, AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Ungarns zurückzuweisen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. abzuweisen.

4. Zu Spruchpunkt römisch II.:

4.1. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn (Z1) der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG ist eine Ausweisung nach Absatz eins, leg cit unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Artikel 8, EMRK darstellen würde.

4.2. Im gegenständlichen Fall kommt der beschwerdeführenden Partei kein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zu. Wie zu Spruchpunkt römisch eins. bereits ausgeführt wurde, kommt es durch eine Überstellung bzw. Ausweisung zu keiner Verletzung ihres Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK.

4.3. Es ergaben sich im Verfahren keine begründeten und glaubhaften Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs, weil etwa die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person der beschwerdeführenden Partei liegen, eine Verletzung von Artikel 3, EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer wären (Paragraph 10, Absatz 3, AsylG 2005 in der Fassung VfGH 1.10.2007, G 179, 180/07-6).

4.4. Gemäß Paragraph 10, Absatz 4, AsylG 2005 gilt diese Ausweisung auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den gegenständlichen Zielstaat.

4.5. Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht eine Ausweisung zu verfügen, die Beschwerde somit auch hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. abzuweisen und die Entscheidung des Bundesasylamtes zu bestätigen.

römisch III. Gemäß Paragraph 41, Absatz 4, AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.