Gericht

Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum

27.04.2009

Geschäftszahl

D9 309768-1/2008

Spruch

D9 309768-1/2008/19E

ERKENNTNIS

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Stark als Beisitzer im Beisein des Schriftführers Mag. Friedrich über die Beschwerde der T.Z., StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Jänner 2007, FZ. 06 09.234-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24. März 2009 zu Recht erkannt:

römisch eins. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, wird T.Z. der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.

römisch II. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, wird T.Z. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 27. April 2010 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

römisch eins. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe reiste am 2. September 2006 von der Slowakei kommend gemeinsam mit ihrem Ehemann illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 3. September 2006 gab die Beschwerdeführerin kurz zusammengefasst an, dass sie vor ungefähr einer Woche auf der Ladefläche eines LKW X1 in Richtung Europa verlassen habe. Ihre Mutter habe die ganze Reise organisiert und auch den Schlepper kontaktiert. Diesem habe sie für die Schleppung insgesamt USD 1.000,- bezahlt. Zu den Fluchtgründen befragt, meinte die Beschwerdeführerin, dass es in Tschetschenien keine Arbeit gebe und ihr Gatte und sie kein Zuhause hätten. Zudem sei ihr Ehemann zweimal festgenommen worden.

Am 15. September 2006 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, niederschriftlich einvernommen (Verwaltungsakt der belangten Behörde, S. 49 ff.). Dabei führte diese im Wesentlichen aus, dass sie und ihr Mann vor ungefähr einer Woche illegal ihren Herkunftsstaat verlassen hätten, wobei sie auf der Ladefläche eines LKW versteckt gewesen seien. Den Schlepper hätte ihre Mutter zusammen mit dem Onkel des Ehemannes kontaktiert und habe sie ihren Goldschmuck im Wert von ca. USD 1.000,- als Gegenleistung für die Schleppung gegeben. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie das Land wegen ihres Mannes verlassen habe. Als sie geheiratet hätten, sei ihr Haus von Soldaten aufgesucht worden. Insgesamt sei ihr Mann schon zweimal festgenommen worden und sei es nicht mehr möglich ein ruhiges Leben zu führen. Das letzte Mal sei dies 2005 der Fall gewesen. Sie selbst sei lediglich verbal gedemütigt worden. Wo ihr Mann versteckt gewesen und wie er freigekommen sei, könne sie nicht genau sagen. Bei der Freilassung sei er jedenfalls schwer verletzt gewesen. Vor etwa vier Monaten seien dann nochmals Soldaten gekommen und hätten ihren Gatten gesucht, der aber nicht da gewesen sei. Dabei sei versucht worden, ihr mit Absicht in den Bauch zu schlagen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger gewesen sei. Sie sei dann ohnmächtig geworden, dem Kind sei aber nichts passiert. Es sei mühsam, ständig auf der Flucht zu sein; sie wolle nicht, dass ihr Kind ohne Vater aufwachse.

Das Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, führte in der Folge am 8. Jänner 2007 eine niederschriftliche Einvernahme mit der Beschwerdeführerin durch (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 119 ff.). Dabei gab diese - kurz zusammengefasst - an, dass sie am 00.00. 2005 ihren Mann in X1 geheiratet und etwa zwei Monate später die standesamtliche Hochzeit stattgefunden habe. Zu den Fluchtgründen befragt, meinte die Beschwerdeführerin, dass sie wegen der Probleme ihres Mannes ihre Heimat verlassen hätten. Dieser sei zweimal festgenommen worden, einmal 2005 und einmal 2006. Beide Male sei er etwa drei oder vier Tage weg gewesen, wobei er beim ersten Mal von seinem Onkel freigekauft worden sei und das zweite Mal nur deswegen freigelassen worden sei, weil die Entführer vermeint hätten, dass er schon tot sei. Die Täter seien "Banditen" gewesen und seien diese auch zwei Monate vor der Ausreise nochmals gekommen und hätten nach ihrem Mann gefragt, der aber nicht anwesend gewesen sei. Dann hätte sie einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei ohnmächtig geworden. Warum ihr Mann verfolgt werde, könne sie nicht sagen. Alle Jugendlichen würden grundlos festgenommen und umgebracht werden.

Noch am selben Tag wurde dem Bundesasylamt per Fax eine Kopie des Inlandsreisepasses der Beschwerdeführerin übermittelt.

Am 18. Jänner 2007 langte beim Bundesasylamt die Kopie eines Duplikates der Heiratsurkunde der Beschwerdeführerin per Fax ein.

Das Bundesasylamt wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31. Jänner 2007, FZ. 06 09.234-BAE, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 3. September 2006 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins) und verfügte, dass gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Beschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt werde (Spruchpunkt römisch II). Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt römisch III).

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde zusammengefasst aus, dass aufgrund der Vielzahl an Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten im Vorbringen der Beschwerdeführerin, das Bundesasylamt der Ansicht sei, dass dieses nicht der Wahrheit entspreche und die Fluchtgeschichte konstruiert sei. Dem Vorbringen hätten keine besonderen Umstände entnommen werden können, aus denen hervorgehe, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei. Trotz Vorhalt habe die Beschwerdeführerin den Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten nicht auf nachvollziehbare Art und Weise entgegentreten können. Den Angaben habe somit aufgrund der Allgemeinheit und mangelnden Nachvollziehbarkeit keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden können.

Verfahrensgegenständlicher Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch eigenhändige Übernahme am 1. Februar 2007 zugestellt (Verwaltungsakt der belangten Behörde, S. 227).

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes wurde mit Schreiben vom 8. Februar 2007, Postaufgabe am 12. Februar 2007, fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu behandeln) erhoben.

Am 22. Jänner 2008 gab die Beschwerdeführerin dem Unabhängigen Bundesasylsenat bekannt, dass sie im gegenständlichen Verfahren nunmehr von Rechtsanwalt Mag. Dr. Helmut Blum rechtsfreundlich vertreten werde (OZ 3).

Am 25. Februar 2008 langte beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin mit einem Kurzarztbericht einer Klinik vom 19. Februar 2008 hinsichtlich der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Beschwerdeführerin (OZ 4) ein.

Am 25. März 2008 langte beim Unabhängigen Bundesasylsenat abermals ein Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin mit einem Kurzarztbericht einer Klinik vom 7. März 2008 sowie einem Arztbrief derselben Krankenanstalt vom 14. März 2008 ein (OZ 5).

Mit 1. Juli 2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat aufgelöst, an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren dem nunmehr zuständigen vorsitzenden Richter zugewiesen.

Am 17. Dezember 2008 langte beim Asylgerichtshof ein Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin mit einem Bericht einer Klinik vom 2. Dezember 2008 ein (OZ 8).

Am 5. Februar 2009 langte beim Asylgerichtshof eine durch die Volkshilfe Oberösterreich, Flüchtlingsberatung, eingebrachte Bestätigung einer Klinik ein, dass sich die Beschwerdeführerin seit 28. Jänner 2009 in laufender stationärer Behandlung befinde (OZ 10).

Der Asylgerichtshof hat am 24. März 2009 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die tschetschenische Sprache eine öffentlich-mündliche Beschwerdeverhandlung mit der Beschwerdeführerin, ihrem Gattin und deren rechtsfreundlicher Vertreterin durchgeführt. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

Im Rahmen der Verhandlung wurden ein Arztbrief einer Klinik vom 10. März 2009, ein Kurzarztbericht vom 18. Februar 2009 sowie das Original des bereits am 18. Jänner 2007 dem Bundesasylamt per Telefax übermittelten Duplikates der standesamtlichen Registrierung der Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Gatten vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 3. April 2009 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin eine von dieser handschriftlich unterfertigte Erklärung vom 2. April 2009, wonach sie - nach Belehrung hinsichtlich der Rechtsfolgen durch ihren Rechtsanwalt - die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesasylamtes vom

31. Jänner 2007, FZ. 06 09.234-BAE, zurückzieht (OZ 15). Auch ihr Ehegatte (D9 309767) und ihre Tochter (D9 309769) zogen diesbezüglich ihre Beschwerden zurück.

römisch II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der im Rahmen dieser vorgelegten Urkunden bzw. Schriftstücke sowie der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere der Teilrepublik Tschetschenien, wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:

Die Beschwerdeführerin führt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, ethnische Tschetschenin und muslimischen Glaubens. Sie reiste am 2. September 2006 gemeinsam mit ihrem Ehemann (D9 309767) von der Slowakei kommend illegal in das Bundesgebiet ein und brachte am 3. September 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Die Beschwerdeführerin ist verheiratet, Mutter einer am 00.00.00 in Österreich geborenen Tochter (D9 309769) und derzeit schwanger.

Die Beschwerdeführerin leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und latenter Hypothyreose. Zudem besteht bei ihr eine latente Suizidalität. Aufgrund dieser Beschwerden befand sich die Beschwerdeführerin auch bereits mehrfach stationär in einer Klinik in Behandlung.

Bei einer Prognose im Hinblick auf eine allfällige Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation kann bei Beachtung ihrer konkreten Einzelsituation in ihrer Gesamtheit vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass zum einen sich bei einer Rückkehr zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nicht massiv verschlechtert und zum anderen keine effiziente und zugleich kostenlose medizinische Betreuung und Versorgung mit den für sie notwendigen Medikamenten (Psychopharmaka), die der Beschwerdeführerin zur Zeit von den behandelnden Ärzten verschrieben werden, gegeben ist.

Auf Grundlage der herangezogenen Quellen ergeben sich folgende Länderfeststellungen:

Allgemeine Sicherheitssituation

Auch wenn von offizieller russischer Seite betont wird, dass es in Tschetschenien zu einem "politischen Prozess" gekommen ist, finden laut neuestem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13. Jänner 2008 in Tschetschenien weiterhin die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Diese Einschätzung wird von einer großen Anzahl von Klagen von Tschetschenen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestützt (20.350 anhängige Klagen gegen Russland insgesamt zum Zeitpunkt Februar 2008, bisher 24 Verurteilungen der Russischen Föderation wegen Tschetschenien).

Den Machthabern in Russland ist es gelungen, den Konflikt zu "tschetschenisieren", das heißt es kommt nicht mehr primär zu offenen Kämpfen zwischen russischen Truppen und Rebellen, sondern zu Auseinandersetzungen zwischen der Miliz von Ramzan Kadyrow und anderen "pro russischen" Kräften/Milizen - die sich zu einem erheblichen Teil aus früheren Rebellen zusammensetzen - einerseits sowie den verbliebenen, eher in der Defensive befindlichen Rebellen andererseits. Die bewaffneten Auseinandersetzungen konzentrieren sich auf entlegene Bergregionen. Die Ramzan Kadyrow unterstellten Bataillone "Ost" (Jamadajew) und "West" (Kakiew), umbenannt in "Süd" und "Nord", sind zwar formell den Bundesstrukturen untergeordnet, sie terrorisieren die Bevölkerung jedoch nicht weniger als die auswärtigen Einheiten. Den pro russischen Kräften ist es, auch durch Erpressung/Entführung von Familienangehörigen etc. gelungen, die Sicherheitslage im allgemeinen (jedenfalls in einigen Teilen Tschetscheniens, insbesondere Grosny) zu stabilisieren; auch ein wirtschaftlicher Aufschwung ist eingetreten (finanziert durch zum Teil missbräuchlich verwendete russische Hilfe/Erpressungsgelder), der in der Regel aber nur einigen, insbesondere den pro russischen Kräften, zugute kommt.

Der verkündete Frieden müsste eigentlich eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage mit sich bringen. Ob das tatsächlich der Fall ist, lässt sich aber nicht eindeutig bestätigen.

(Quellen: Asylländerbericht Russland, 04.09.2007; Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008; Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008; US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008)

Verfolgungsgefahr

Zivilbevölkerung

Durch vielerlei Umstände kann es etwa möglich sein, ins Fadenkreuz der pro-russischen Kräfte zu kommen (etwa auch durch private Streitigkeiten). Der russische Geheimdienst verfügt selbst weiterhin über zahlreiche Informationsquellen. Durch Bestechung kann es in seltenen Fällen aber sogar möglich sein, dass durch den Geheimdienst gesuchte Personen das Land verlassen können.

Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und die Presse berichten, dass sich auch nach Beginn des von offizieller Seite festgestellten "politischen Prozesses" erhebliche Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt haben. Dies sei häufig darauf zurückzuführen, dass reales Ziel der in Tschetschenien eingesetzten Zeitsoldaten, Milizionäre und Geheimdienstangehörigen Geldbeschaffung und Karriere sei. Zwar hat sich die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien mittlerweile stabilisiert. Razzien, "Säuberungsaktionen", Plünderungen und Übergriffe durch russische Soldaten und Angehörige der tschetschenischen Sicherheitskräfte, aber auch Guerilla-Aktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen haben nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen deutlich abgenommen. Doch weisen Nichtregierungsorganisationen zugleich darauf hin, dass es nach wie vor zu willkürlichen Überfällen bewaffneter, nicht zuzuordnender Kämpfer, Festnahmen und Bombenanschlägen kommt.

Noch immer kommt es im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen auch zu Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Am 24. März 2007 kam es nach Berichten des US Departement of State dazu, dass drei Frauen durch einen lokalen Militärkommandanten im Bezirk Shatoy beschossen wurden. Erst Ende Jänner 2008 geriet ein Dorf unter Beschuss, als die russische Artillerie auf der Jagd nach Rebellen deren Zufluchtsort angriff. Berichten zufolge sollen die Soldaten betrunken gewesen sein und Präsident Kadyrow hat diesen Vorfall als kriminellen Verstoß gegen die Militärdisziplin verurteilt, aber dennoch kann derartiges offensichtlich immer noch vorkommen.

Generell behauptet Kadyrow, dass bei der "Neutralisierung" der Rebellen keine Zivilisten behelligt werden. Im Gegenteil, gerade der Schutz der Zivilbevölkerung dient ihm als wichtiges Argument für eine verstärkte Konzentration der Sicherheitskräfte auf die Verfolgung von Mitgliedern illegaler bewaffneter Gruppierungen und ihrer Unterstützer. Es sind aber gerade die von Ramzan Kadyrow persönlich kommandierten "Kadyrowzy", denen besonders viele Folter- und Misshandlungsvorwürfe, auch von Zivilisten, gelten. Im

April 2007 übergab Kadyrow die Kontrolle dem föderalen Innenministerium und löste das Antiterrorzentrum auf. Menschenrechtsgruppierungen kritisieren jedoch, dass die Truppen nach wie vor Kadyrow treu seien. Weiters werden die Bataillone "Wostok" und "Sapad" für Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus verantwortlich gemacht, sowie die Untersuchungshaftanstalt des ORB-2, eine Abteilung des russischen Innenministeriums für Operationen bzw. Ermittlungen in den südlichen Regionen der Föderation.

Seit Anfang 2007 hat sich laut Angaben der Menschenrechtsorganisation Memorial die Menschenrechtslage in Tschetschenien gebessert, insbesondere haben die Fälle des "Verschwindenlassens" erheblich abgenommen. Wurden 2006 noch 187 Entführungen von Memorial registriert, ist die Zahl seit Anfang 2007 bis Mitte September 2007 auf 25 Fälle zurückgegangen. Diese Tatsache wird auch in offiziellen Statistiken bestätigt, was nicht weiter verwundert. Memorial erklärt diese Tatsache damit, dass Präsident Kadyrow seinen Sicherheitskräften, den "Kadyrowzy", die Anweisung gegeben habe, mit den Entführungen aufzuhören. Dies bestätigt die Annahme von Human Rights Watch, nach der seit 2004/2005 diese Gruppe die Hauptverantwortung für Verschleppungen trägt. Die Regierung sieht dies als einen Erfolg ihrer 2004 gestarteten Initiativen zur Verbesserung der Sicherheitslage und Maßnahmen, die das Vorgehen der Truppen nachvollziehbarer machen sollten. Das US State Department berichtet jedoch, dass Menschenrechtsorganisationen davon ausgehen, dass die Angehörigen von verschwundenen Personen aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen keine Anzeige erstatten. So gebe es zahlreiche Vorfälle, bei denen maskierte, bewaffnete Männer in Wohnungen eingebrochen seien und Zivilisten verschleppt hätten.

Der tschetschenische Parlamentspräsident Abdurchachmanow bestätigte am 1. Juli 2007, dass die Zahl der verschwundenen Personen ursprünglich bei etwa 5.500 gelegen habe, doch habe nach erfolgten Überprüfungen das Schicksal von über 1.000 Personen geklärt werden können. Nach Angaben des tschetschenischen Ombudsmanns Nuchaschijew galten am 11. Juli 2007 noch 2.700 Personen als offiziell vermisst. Man gehe davon aus, dass viele der vermissten Personen tot und in anonymen Gräbern bestattet worden seien. Um die Identität der Toten klären zu können, soll nach Angaben des tschetschenischen Ombudsmanns Nuchaschijew Präsident Kadyrow im Juli 2007 den Kauf eines Speziallabors angeordnet haben.

Zu Folge von Berichten von Memorial kam es 2007 wiederum zu Sicherheitskontrollen, bekannt als "zachistik". Im April und Mai 2007 führten sowohl föderale als auch lokale Truppen derartige Kontrollen in Malgobek und in den benachbarten Republiken durch.

Folter bleibt ein drängendes Problem. Sie erfolgt willkürlich und unvorhergesehen, ein Muster ist nicht erkennbar. Der Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg kritisierte nach einem Besuch in Tschetschenien Ende Februar / Anfang März 2007 Folter im ORB-2 (Operatives Fahndungsbüro 2, Teil des Föderalen Innenministeriums). Auch Präsident Kadyrow gab Mitte März 2007 öffentlich Folter im ORB-2 zu. Memorial werden weiterhin aktuelle Fälle von Folter sowohl im ORB-2 als auch durch eine spezielle Einheit des tschetschenischen Innenministeriums gemeldet. Wenn auch die Zahl der Verschleppungen und extralegalen Tötungen im letzten Jahr deutlich abgenommen hat, hat sich an deren Stelle eine neue Rechtsverletzung verbreitet - die künstliche Konstruktion von Straftatbeständen, zu denen dann mittels Folter Geständnisse erzwungen werden. Unter Folter unterschriebene Geständnisse werden nach Erkenntnissen von Memorial regelmäßig in Gerichtsverfahren als Grundlage von Verurteilungen genutzt.

Schwere Verbrechen und Vergehen werden auch von Seiten verschiedener Rebellengruppen begangen. Neben den Aufsehen erregenden Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung (Beslan) werden bei vielen Aktionen gegen russische Sicherheitskräfte Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen. Auch werden den Rebellen Exekutionen und Geiselnahmen von Zivilisten in den von ihnen beherrschten Gebieten und Ortschaften vorgeworfen. Außerdem verüben die Rebellen gezielt Anschläge gegen Tschetschenen, die mit den russischen Behörden zusammenarbeiten.

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend, sodass nach Ansicht von Nichtregierungsorganisationen ein "Klima der Straflosigkeit" entstanden sei. Bisher gibt es nur sehr wenige Fälle von Verurteilungen. Im April 2006 verurteilte ein Gericht in Rostow den Vertragssoldaten Kriwoschenok zu 18 Jahren Haft wegen der Erschießung dreier tschetschenischer Zivilisten im November 2005. Im Juni 2007 verurteilte dasselbe Gericht vier Offiziere in der "Sache Ulman" zu 9, 11, 12 und 14 Jahren Haft wegen Erschießung von sechs tschetschenischen Zivilisten im Dezember 2002. Drei der Verurteilten sind allerdings untergetaucht. Personen, die den Staat wegen Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen wollten, wurden weiterhin belästigt. Kläger vor dem EGMR verschwanden spurlos bzw. wurden getötet, was den EGMR zu einer kritischen Äußerung in seiner Entscheidung im Fall Alikhadzhiyeva gg. Russland vom 5.7.2007 veranlasste.

(Quellen: Asylländerbericht Russland, 04.09.2007; Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008; US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008)

Rebellen und deren Familienangehörige

Innerhalb der Rebellen ist es zu einer Spaltung in zwei Gruppen gekommen. Während einige Gruppierungen nach wie vor am Ziel der Ausrufung der tschetschenischen Republik Itschkerien festhalten, kämpft die Mehrheit für die Errichtung des im Herbst 2007 durch Dokka Umarow ausgerufenen Emirats und eines islamischen Staates.

Nach wie vor sind die Rebellen bzw. Personen, die für Rebellen oder deren Sympathisanten gehalten werden, einem sehr hohen Risiko ausgesetzt, in bewaffnete Auseinandersetzungen zu geraten, festgenommen, verschleppt, verhört, gefoltert und ermordet zu werden.

Trotz der Tötung der Separatistenführer Aslan Maschadow im März 2005 und Abdelchalim Saidullajew im Juni 2006 sowie des "Top-Terroristen" Schamil Bassajew im Juli 2006 gibt es laut Schätzungen der lokalen tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin einige hunderte Rebellen in den Bergregionen Tschetscheniens, die vor allem Anschläge auf Sicherheitskräfte verüben. Der russische Armeegeneral Krivonos nannte am 11. Mai 2007 eine Zahl von noch 300 aktiven Kämpfern. Eine dauerhafte Befriedung der Lage in Tschetschenien ist somit noch nicht eingetreten. Die Aktivitäten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte gegen die Rebellen, insbesondere in den tschetschenischen Grenzgebieten zu den nordkaukasischen Nachbarrepubliken, wurden auch 2007 fortgesetzt. Seit 1999 forderte der Konflikt erhebliche Opfer: 10.000 bis 20.000 getötete Zivilisten (Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial"), 5.000 bis 7.000 getötete und ca. 18.000 verletzte Angehörige der Sicherheitskräfte (Zahlen des Verteidigungsministeriums, die teilweise widersprüchlich sind).

Die Rebellen und ihre Unterstützer werden im Zuge von Spezialoperationen "neutralisiert", die von den unter direktem Befehl von Ramzan Kadyrow stehenden Sicherheitskräften sowohl in den Bergregionen, als auch in städtischen Gebieten durchgeführt werden. In der Zeit um den Jahreswechsel 2007-2008 wurden bei solchen Operationen mindestens

16 Rebellen und Sicherheitskräfte getötet, mindestens 49 Personen in Grosny verhaftet, zwei sind verschwunden. Es kam zu sechs bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und Sicherheitskräften, sowie zu Anschlägen auf letztere.

Im gesamten Jahr 2007 wurden laut tschetschenischem Innenministerium über 70 Rebellen getötet und 325 verhaftet, 139 Bandenmitglieder haben sich freiwillig ergeben, und die Zahl der Anschläge hat sich um 72% reduziert. Das Innenministerium hat 82 seiner Mitarbeiter verloren.

Nach Beobachtungen des Berichterstatters der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist die Geiselnahme von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen, um sie zur Aufgabe zu zwingen, eine neue besorgniserregende Entwicklung. Ein prominentes Beispiel ist der Fall des Feldkommandeurs und ehemaligen tschetschenischen Verteidigungsministers Magomed Chambijew, welcher sich am 3. März 2004 in die Hände der Sicherheitskräfte Ramzan Kadyrows begab, nachdem etwa 20 seiner Angehörigen zuvor festgesetzt worden waren. Im Dezember 2004 wurden acht Verwandte des früheren Präsidenten Aslan Maschadow, darunter eine Schwester und zwei Brüder, entführt, vermutlich von Angehörigen der Sicherheitstruppe von Ramzan Kadyrow. Sieben von ihnen wurden am 31. Mai 2005 wieder freigelassen; ein Neffe befindet sich noch wegen angeblicher Zugehörigkeit zu einer illegalen bewaffneten Gruppe in Haft. Ramzan Kadyrow, damals erster stellvertretender Ministerpräsident Tschetscheniens, hat sich öffentlich für gesetzliche Regelungen ausgesprochen, die die Strafverfolgung von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen ermöglichten.

Am 22. September 2006 beschloss die Duma eine neue Amnestieverordnung. Sie erfasst Vergehen, die zwischen dem 13. Dezember 1999 und dem 23. September 2006 im Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Tschetschenien, Nordossetien, Karatschajewo-Tscherkessien, Gebiet Stawropol) begangen wurden. De facto wurde die Amnestie jedoch durch Präsident Kadyrow bis zum 15. Juni 2007 verlängert. Die Amnestie gilt sowohl für Rebellen ("Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen", sofern sie bis zum 15. Jänner 2007 die Waffen niederlegen) als auch für Soldaten, erfasst aber keine schweren Verbrechen (u.a. nicht Mord, Vergewaltigung, Entführung, Geiselnahme, schwere Misshandlung, schwerer Raub; für Soldaten: Verkauf von Waffen an Rebellen). Nach Mitteilung des Nationalen Antiterror-Komitees haben sich bis zum Stichtag insgesamt

546 Rebellen gestellt. Etwa 200 Rebellen waren angeblich an Sabotage und Terroraktionen beteiligt, nahezu alle sollen einer illegalen bewaffneten Gruppe angehört haben. Es handelt sich jedoch um keine Amnestie im westeuropäischen Verständnis. Die Leute ergeben sich alle aus mehr oder minder großem Zwang, aber nicht, weil es Bemühungen um Versöhnung und Reintegration gibt.

"Memorial" kritisierte jedoch, dass wegen der zahlreichen Ausschlussgründe nur diejenigen in den Genuss der Amnestiebestimmungen kommen werden, die "in den Bergen Herbarien angelegt oder Grütze gekocht haben", nicht jedoch Personen, die effektiv an den Kämpfen teilgenommen haben. Zudem drohe selbst Amnestierten eine spätere strafrechtliche Verfolgung, wenn neue Elemente auftauchen. Unabhängige Medien befürchten auch im Hinblick auf Chambijew und andere ehemalige Funktionsträger, dass erneut nur "große Fische" begnadigt und in die staatlichen Strukturen integriert würden, Kleine aber leer ausgingen. Ramzan Kadyrow nutzte die Amnestie, um sich als Garant persönlicher Sicherheit und Zentrum einer tschetschenischen Sammlungsbewegung zu profilieren. Folgerichtig wurde er nach Abschluss der Kampagne auch zum Präsidenten der Teilrepublik ernannt. Er trägt somit persönlich Verantwortung nicht nur für den Wiederaufbau der Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern auch für die weitaus schwierigere gesellschaftliche Erneuerung.

(Quellen: Asylländerbericht Russland, 04.09.2007; Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008; US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008)

Innerstaatliche Fluchtalternative

Außerhalb der tschetschenischen Republik ist die Registrierung von Tschetschenen (noch) immer ein großes Problem.

Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge in den Übergangsunterkünften in der russischen Teilrepublik Inguschetien sind unter allen Aspekten schwierig. Inguschetien und das russische Katastrophenschutzministerium können nur ein Mindestmaß an humanitärer Hilfe leisten und sind mit der Versorgung der Flüchtlinge überfordert. Hinzu kommt die sich in Inguschetien im Vergleich zu den letzten Jahren rapide verschlechternde Sicherheitslage. Zwar richten sich die meisten Angriffe auf Sicherheitskräfte, doch berichtet UNHCR von Übergriffen auf Arbeitsmigranten in Inguschetien. Die Situation in Dagestan ist ebenso schlimm, sodass in diesen beiden Nachbarrepubliken nach Einschätzung des UNHCR nicht vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden kann.

Die Lage der Tschetschenen in der übrigen Russischen Föderation hat sich nicht verbessert. Die Russische Regierung benützt nach wie vor ihre eigene Definition der "Zwangsmigranten", anstelle des UNO-Begriffs IDP. Ersterer muss von einer Region der Föderation in eine andere migriert sein, womit alle innerhalb von Tschetschenien Vertriebenen ausgeschlossen sind. Außerdem gehören Opfer von Menschenrechtsverletzungen, von Übergriffen durch Sicherheitskräfte, etc. nicht zu den "Zwangsmigranten". Russland hat bisher 13 000 ethnische Russen, Armenier und Juden aus Tschetschenien als "Zwangsmigranten" anerkannt. Ethnischen Tschetschenen wird dieser Status jedoch systematisch verweigert. Nur "Zwangsmigranten" können jedoch legal arbeiten oder Grundstücke erwerben und nur sie haben Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen, sowie zu Altersrenten.

Artikel 27 der russischen Verfassung garantiert jedem Bürger das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht seinen Wohnort zu wählen. Dieses Recht kann jedoch durch einfache Gesetze gemäß Artikel 55 der Verfassung beschränkt werden. Das aus Sowjetzeiten stammende sogenannte "Propiska"-System, nachdem an jedem neuen Wohnort ein Registrierungsgesuch eingereicht werden musste, ist offiziell abgeschafft worden. An die Stelle des Propiska-System ist die Benachrichtigung der Behörden über die Wohnsitznahme getreten (Gesetz Nr. 5242-1) wobei zwischen vorübergehendem (bis zu 90 Tagen) und permanentem Wohnsitz unterschieden wird. Zur Registrierung muss ein Inlandsreisepass und ein Kauf- bzw. Mietvertrag vorgelegt werden, wobei Tschetschenen bei der Wohnungssuche auf Grund der vorherrschenden Ressentiments benachteiligt sind. Faktisch wird jedoch das Propiska System, entgegen den Entscheidungen des russischen Verfassungsgerichtshofes, weiterhin angewendet bzw. die Registrierung eines vorübergehenden Wohnsitzes verweigert. Grundsätzlich betrifft dies zwar alle Einwohner, Tschetschenen sind jedoch überproportional stark diskriminiert, indem ihnen oft die Niederlassung verweigert wird. Die Anmeldung ist jedoch Voraussetzung für Zugang zum Arbeitsmarkt, Schulbildung, Gesundheitsversorgung und anderen sozialen Rechten. Menschen, die sich illegal aufhalten haben auch ein größeres Risiko, bei Ausweiskontrollen belästigt zu werden.

In den Regionen Moskau, Krasnodar und Kabardino-Balkarien bestehen überdies (verfassungswidrige) Gesetze, die die Freiheit der Wohnsitzwahl beschränken. Nach einem Bericht des russischen Generalbevollmächtigten für Menschenrechte, Oleg Mironov, vom 15. September 2000, war die Ankunft aus einer anderen Region bzw. einem anderen Staat ohne vorangehende Bindung an die Region, in der sich der Betroffene nunmehr niederlassen will, einer der häufigsten Gründe, die Registrierung zu versagen.

Svetlana Gannuskina, die Leiterin der Organisation "Migration und Recht" und Mitglied von "Memorial", kommt deshalb in ihrem jüngsten Bericht wiederholt zum Schluss: "In der Tschetschenischen Republik gibt es keinen minimalen Schutz für die Bewohner. Für aus Tschetschenien stammende Menschen gibt es in Russland keine inländische Fluchtalternative. [...] Ich bin davon überzeugt, dass jeder aus Russland kommende Tschetschene die Voraussetzung zur Gewährung des Flüchtlingsstatus nach Artikel 1 der Konvention der UNO von 1951 hat, da er in Russland nicht vor Diskriminierung und Willkür geschützt wird".

Die Ausstellung von Registrierungsdokumenten ist oftmals (auch für Nicht-Tschetschenen) nur gegen Bestechung möglich. Allgemein wurde die Informationslage über diese Frage (Lebensbedingungen von Tschetschenen in anderen Teilen der Russische Föderation) als nicht ausreichend angesehen.

Der Umstand, dass zahlreiche Tschetschenen bei der Flucht aus der Heimat vor 1997 ihre Rentenberechtigungsscheine nicht mitgenommen haben, berauben praktisch alle Rentner und Invaliden aus Tschetschenien der Möglichkeit, ihre Rente ausbezahlt zu bekommen.

Informationen über Suche nach Arbeitskräften und erleichterte Aufnahme von Neuankömmlingen stehen solche über Ablehnung "kaukasischer" Personen (die auch politisch instrumentalisiert wird) entgegen.

Die Bevölkerung begegnet Tschetschenen größtenteils mit Misstrauen. Hier wirken sich latenter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Teilen der russischen Bevölkerung und insbesondere die negative Wahrnehmung der Tschetschenen aus. Berichte über Kontakte der tschetschenischen Rebellen zu den Taliban und Osama Bin Laden, die Geiselnahme 2002 in Moskau und die Anschläge 2004 haben dies noch verstärkt.

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass die Frage, ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen ist. Dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten sowie die Möglichkeit der Kontaktierung von NGO's eine Rolle. Nicht registrierte Tschetschenen können allenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können. Für arbeitsfähige Menschen hat sich die Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt in anderen Teilen Russlands jedoch erhöht.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht führt zur inländischen Fluchtalternative bei staatlicher Verfolgung aus, dass der Staat in nicht wenigen Ländern zwei- oder mehrgesichtig auftrete und beispielsweise eine separatistische Bewegung in einem Landesteil unter Einsatz von Mitteln verfolgt, die als politische Verfolgung zu qualifizieren sind, während er in anderen Landesteilen auf diese Mittel nicht zurückgreift. Dem Umstand, dass Tschetschenen auch in den als sicher bezeichneten Landesteilen mit Erschwernissen und Benachteiligungen (etwa bei der Registrierung in großen Städten oder bei polizeilichen Kontroll- und Durchsuchungsmaßnahmen) wurde keine asylrechtliche Relevanz beigemessen (Beschluss vom 10.07.1989, BVerfGE).

Das deutsche Bundesverwaltungsgericht sieht eine inländische Fluchtalternative an einem verfolgungsfreien Ort dann als gegeben an, wenn die betreffende Person an diesem Ort durch eigene (allenfalls wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende) Arbeit oder durch Zuwendungen von dritten Seite - allenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten - das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann (Beschluss vom 21.05.2003, BVerwG 1 B 298.02). Nicht zumutbar ist hingegen eine entgeltliche Erwerbstätigkeit für kriminelle Organisationen, die in der fortgesetzten Begehung oder der Teilnahme an Verbrechen besteht (Beschluss vom 17.05.2006, BVerwG 1 B 100.05).

Eine zumutbare Fluchtalternative liege dann vor, wenn die Person am Ort der Fluchtalternative - auch ohne förmliche Gewährung eines Aufenthaltsrechtes und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen in zumutbarer Weise - etwa im Rahmen des Familienverbandes (oder der sog. "Schattenwirtschaft") ihre Existenz sichern kann. Ein Leben in Illegalität, das jederzeit die Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung in sich birgt, stellt hingegen keine zumutbare Fluchtalternative dar (Urteil vom 01.02.2007, BVerwG 1 C 24.06).

Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht sieht eine Rückkehr in die Russische Föderation

D-5420/2006).

(Quellen: Accord Auskunft vom 13.09.2005 zur Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus; Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007; Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien

Versorgungslage

Die Lebensumstände der Bevölkerung in Tschetschenien haben sich in den letzen Jahren verbessert, in den Nachbarrepubliken jedoch eher verschlechtert. Die EU Kommission unterstützt den Wiederaufbau im April 2008 mit 11 Millionen Euro.

Dennoch gibt es insbesondere in der Strom- und Wasserversorgung große Defizite - die Stromversorgung fällt oft aus, Wasser ist zumeist nur an einem Zentralhahn für das gesamte Gebäude verfügbar. Zumindest ebenso problematisch, wenn nicht sogar ein größeres Problem stellt die Müll- und Abwasserentsorgung dar. Allgemein ist die Umweltsituation durch die nicht fachgerechte Lagerung nuklearen Materials und die primitive Form der Gewinnung und Verarbeitung bodennahen Erdöls höchst problematisch.

Laut. UN-Angaben leben über 80% der Tschetschenen unter dem Existenzminimum.

(Quellen: Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008 ; Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008)

Wohnsituation

Mit der Machtübernahme durch Präsident Kadyrow begann eine Wiederaufbauwelle in Tschetschenien. In rasantem Tempo werden vor allem Grosny und andere größere Städte wie Argun und Gudermes erneuert. Häuser und Straßen, insbesondere entlang der Hauptstraßen in Grosny, Strom- und Gasleitungen, Schulen, Krankenhäuser und Moscheen werden gebaut, auch der Flughafen ist wieder in Betrieb. Hinsichtlich der Frage, ob dabei bloß die Fassaden erneuert wurden oder die Gebäude tatsächlich baulichen Standards entsprechen, gibt es widersprüchliche Berichte. Im Zentrum von Grosny kann die Qualität der Wohnungen jedoch gesichert als gut bezeichnet werden. In den Vororten schreitet der Wiederaufbau langsamer voran, die Menschen leben vor allem in den nicht zerstörten Häusern. Der Bezirk Zavodskoy in Grosny ist jedoch praktisch unbewohnbar, da sich dort eine nunmehr komplett zerstörte Ölfabrik befand. Umso weiter man sich von Grosny entfernt, desto schlechter wird jedoch die Qualität.

Das hauptsächliche Ziel der Behörden ist es, den Bewohnern Tschetscheniens dauerhafte Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und die temporären "Wohnmöglichkeiten" zu schließen. Die Vergabekriterien hinsichtlich der wieder aufgebauten Wohnungen sind nicht ganz klar. Grobe Kriterien stellen der Grad der Zerstörung der bestehenden Wohnmöglichkeit, der Verletzbarkeit des Betroffenen und der regionalen Provinz dar. Die zugeteilten Wohnungen sind jedoch oft zu klein und nicht behindertengerecht adaptiert, was auch für ältere Menschen häufig ein Problem darstellt.

Ein großes Problem stellen Wohnungsmöglichkeiten für junge Familien, die bis dato bei ihren Eltern gelebt haben, dar. Denn diese Personen hatten bisher kein Eigentum und bedürfen deshalb dringend Unterkunft. Darüber hinaus werden soziale Spannungen durch Streitigkeiten um den Wohnungsbesitz zwischen alten Eigentümern, die auf die Wohnung noch einen Anspruch erheben und den neuen Eigentümern, denen die Wohnung zugeteilt wurde, verstärkt.

Durch das Dekret Nr. 404 wurden im Juli 2003 wurden Kompensationszahlungen eingeführt. Personen, deren gesamtes Eigentum zerstört wurde und die sich dazu entschließen, weiterhin in Tschetschenien zu leben, erhalten 350.000 Rubel. Nach Angaben der föderalen Regierung erhielten bis Ende 2004 39.000 Personen Zahlungen. Auf Grund der steigenden Rohstoffpreise ist diese Zahlung jedoch nicht ausreichend, um ein Haus zu errichten oder eine Wohnung anzukaufen. 2005 wurden jedoch die Zahlungen vorübergehend gestoppt. Es gibt auch zahlreiche Berichte über Korruption in Zusammenhang mit dem Kompensationsprogramm, sodass Familien kaum die vollen Zahlungen erhielten. 30-50% mussten an Mittelsmänner bezahlt werden. In Folge wurden Abubakir Baibatyrov, der für die Kompensationszahlungen Verantwortliche, und ein hoher Beamter, Sultan Isakov, verhaftet und angeklagt. Nunmehr kontrolliert Präsident Kadyrow die Zahlungen, die Staatsanwaltschaft geht nach Berichten von Memorial auch gegen die Korruption vor, wobei die Staatsanwaltschaft selbst jedoch eingesteht, dass es nach wie vor Probleme gebe. Es ist geplant, die Zahlungen 2008 abzuschließen, wobei jedoch noch 18.000 Personen auf Auszahlungen warten.

Neben den Regierungsprogrammen gibt es auch eine große Zahl von Wohnortaufbauprogrammen durch NGOs. Seit 2000 wurden in Tschetschenien cirka

20.000 Häuser durch Unterstützung internationaler Organisationen wiederaufgebaut. Insgesamt bleibt jedoch der Mangel an Wohnraum ein großes Problem.

(Quellen: Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007; Asylmagazin, Schwerpunkt:

Tschetschenien

Nahrungsversorgung

Die Berichte zur Versorgung mit Nahrungsmitteln sind widersprüchlich. Während das Bundesasylamt davon spricht, dass der Basar in Grosny eröffnet sei und praktisch alles erwerbbar sei und Probleme hinsichtlich des Zugangs zu Nahrungsmitteln nicht bestehen würden, hat das IKRK seine Aufmerksamkeit weg von Hilfsleistungen hin zum Aufbau von eigenständiger Versorgung gelenkt. So wurden Projekte für die Eröffnung von kleinen Geschäften - z.B. Schuhreparaturwerkstätten, Bäckereien, Verarbeitung von Wolle und Herstellung von Kleidung. Im November 2007 erhielten jedoch noch 15.000 Menschen Lieferungen von Zucker, Öl, Tee, Hygieneartikeln, Bettwäsche und Handtüchern.

Auf Grund zahlreicher Landminen und der bestehenden Bodenverschmutzung ist es in Tschetschenien nur schwer möglich, Landwirtschaft oder Viehzucht zu betreiben.

Berichten des World Food Programm zu Folge ist die Versorgungslage in Tschetschenien jedoch nach wie vor schlecht. Etwa 80% der Betroffenen würden unter der Armutsgrenze der Russischen Föderation leben. Überdies seien 10% der Kinder akut unterernährt.

(Quellen: Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007; Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008)

Arbeitslosigkeit und soziale Lage

Die Arbeitslosigkeit in Tschetschenien ist trotz des anhaltenden Wiederaufbaues hoch

(70-80%). Die meisten davon leben unter der Armutsgrenze (2,25 US$/Tag) Die Bautätigkeiten werden nämlich oft ohne schriftliche Verträge mit den Arbeitern durchgeführt. Dies führt dazu, dass Löhne nicht ausbezahlt und Sicherheitsvorkehrungen missachtet werden, und dass bei Unfällen keine medizinische Versorgung vorhanden ist. Wiederholt kam es deswegen zu Protesten der Arbeiter, z.B. im Juni 2007.

Weitere Jobs finden sich im Bereich des Handels und der öffentlichen Verwaltung, wobei diese Positionen oft nur gegen Schmiergeldzahlungen erreicht werden können. Eine der stabilsten Arten, sein Einkommen zu verdienen, wenn gleich auch sehr unsicher, ist es, einen Job in den pro-russischen, bewaffneten Formationen anzunehmen.

Löhne und Pensionszahlungen sind auch kaum ausreichend, um davon in Würde zu leben. Entgegen offiziellen Berichten unterhalten die Arbeitslosen auch kaum Unterstützung vom Staat.

Präsident Putin kündigte am 23. Juni 2008 an, bis 2011 im Rahmen eines föderalen Wiederaufbauprogramms zehntausend neue Arbeitsplätze zu schaffen, wofür 3,28 Milliarden Euro zur Verfügung stehen würden. Die Jamestown Foundation berichtete im April 2008, dass Präsident Kadyrow plane, das Hauptaugenmerk des Wiederaufbaues auf die Entwicklung der Wirtschaft (vor allem Industrie und Landwirtschaft) zu legen.

(Quellen: Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007; Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008)

Medizinische Versorgungssituation

Der Kollaps der medizinischen Versorgung begann sich zu Anfang der 1990er abzuzeichnen. Die beiden Tschetschenienkriege führten schließlich 1996-1999 zu einem völligen Kollaps des Systems.

Der generelle Gesundheitszustand in Tschetschenien ist sehr schlecht. Der hohe Bedarf an ärztlicher Behandlung entsteht zum einen durch tausende Menschen, die nach ihrer Flucht wieder zurückgekehrt sind und unter Kriegsverletzungen leiden. Zum anderen kommt es durch Schießereien, bei Unfällen mit Militärfahrzeugen oder Explosionen von Minen immer noch zu neuen Verletzungen. Auch chronische Lungen-, Nieren- und Herz-Kreislaufleiden sind weit verbreitet, sowie Tuberkulose, um deren Behandlung sich ebenfalls Ärzte ohne Grenzen bemüht. Radioaktive Verstrahlung und deren Folgen sind ein ernstzunehmendes Problem in Tschetschenien (Im Norden und in der Nähe von Vedeno werden illegale Ablagerungsstätten für radioaktives Material vermutet). Gleichzeitig fehlt es an medizinischer Grundversorgung, vor allem im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe, was zu einer hohen Komplikationsrate und Geburt von behinderten Kindern führt.

Laut Auskunft des russischen Roten Kreuzes sind aber auch in Tschetschenien alle medizinischen Behandlungen - außer solchen, die besonderer "high tech" bedürfen, - verfügbar.

Der höchste Level an Gesundheitsversorgung besteht in Grosny. Dort gibt es 11 Krankenhäuser, 21 Polykliniken und 6 Klinken. Es gibt jedoch nur wenig Spezialisten in der Stadt. Pro 10.000 Einwohner gibt es laut Angaben der Regierung Kadyrow nur 24,2 Ärzte für Primärmedizin. Neben dem Wiederaufbau von Gebäuden und Straßen laufen auch Programme zur Sanierung der Gesundheitsversorgung. Auch hier muss noch einiges an Zeit und Geld investiert werden, um die Versorgung sicherzustellen. Die Krankenhäuser kämpfen vor allem mit mangelnder Ausstattung hinsichtlich medizinischer Geräte und Medikamenten, aber auch von Versorgungsleistungen, wie Stromversorgung oder Abwasserbeseitigung. Der Standard der verfügbaren Versorgung hängt jedoch sehr stark von den finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen ab, mittlerweile gibt es jedoch - lt. Auskunft des russischen Roten Kreuzes - auch eine funktionierende öffentliche Krankenversicherung, welche von den Arbeitgebern und den Gemeinden finanziert wird.

Ein 2006 ins Leben gerufenes Programm mit dem Titel "Sdorowje" (Gesundheit) trägt mit Renovierungen von Krankenhäusern, Neueröffnungen von medizinischen Einrichtungen, Beschaffung von Ausstattung und Material und Ausbildung von Personal zur Verbesserung der allgemeinen medizinischen Versorgung bei. Laut Angaben der Regierung von Kadyrow wurden 2007 im Rahmen dieses Projekts mehrere hundert Millionen Rubel investiert.

Die internationale Gemeinschaft unterstützt Programme, die die Wiederherstellung der Gesundheitsversorgung vorantreiben sollen (dazu näher Inter-Agency Transitional Workplan for the North Caucasus). Die EU, WHO Europa und UNICEF haben 2007 12,7 Millionen Euro in Projekte auf dem Gesundheits- und Ausbildungssektor investiert. Das IKRK stellte seine finanzielle Unterstützung 2008 ein, da diese weitestgehend von der föderalen und lokalen Regierung übernommen wurde. Schulungsmaßnahmen und Hilfsleistungen an das Orthopädiezentrum in Grosny werden jedoch nach wie vor fortgesetzt. Zahlreiche andere NGO's sind in Tschetschenien aktiv. Auch wenn sich die Lage bessert, bleibt der Gesundheitsstandard in Tschetschenien noch immer hinter dem der Russischen Föderation zurück.

Aufgrund der mangelnden Ausstattung ist es üblich, im Falle der Notwendigkeit einer Operation auf Krankenhäuser in der Russischen Föderation (Sochi, Rostov oder Moskau) auszuweichen - in Tschetschenien selbst fehlt es noch an Infrastruktur, Ausrüstung und Spezialisten. So wurden in den ersten Monaten von 2006 in Rostov

1.263 Tschetschenen wegen Krebs behandelt.

Die Verschreibung von Medikamenten ist in Russland, wie auch in Osteuropa, populär. Es besteht daher eine hohe Nachfrage, die Medikamente, welche nicht selten abgelaufen sind, teuer machen.

Im Herbst 2007 wurde in Grosny angesichts der steigenden AIDS-Rate ein Zentrum für Prävention und Kontrolle von AIDS eröffnet. Die Verbreitung von HIV erfolgt vor allem über den Gebrauch von infizierten Spritzen, denn mehr als die Hälfte der HIV-Infizierten sind drogensüchtig. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, läuft auch ein Programm zur Bekämpfung von Alkohol- und Drogensucht, in dessen Rahmen Ende 2007 mit Unterstützung der WHO eine Entzugsklinik in Grosny eröffnet wurde, an der 2000 Menschen als drogen­abhängig registriert sind. Angesichts der gesellschaftlichen Tabuisierung des Gebrauchs von Drogen könnte allerdings die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher sein.

Fast alle intern Vertriebenen leiden laut Ärzte ohne Grenzen außerdem unter Angstzuständen, Depressionen und/oder Schlaflosigkeit und benötigen dringend psychologische Betreuung, die in Tschetschenien derzeit, mit Ausnahme der Opfer der Vorfälle in Beslan, nicht vorhanden sei. 2007 errichtete jedoch das Danish Refugee Council vier psychosoziale Rehabilitations­zentren in Grosny. Nach Informationen von Fiona Corrigan, Schweizer Bundesamt für Migration, sollte es an jeder Schule einen psychologischen Dienst für Kinder geben. Dieser wird jedoch nach ihrem Wissensstand nur an einer Schule in Grosny angeboten.

(Quellen: Accord, Auskunft vom 13.05.2008 zur medizinischen Versorgung und Grundversorgung in Tschetschenien; Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007; Asylländerbericht Russland, 04.09.2007; Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008; Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008; Auskunft Rotes Kreuz Moskau vom 16.09.2008)

2. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, Einvernahme der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 24. März 2009, Einsichtnahme in die im Laufe des Verfahrens eingebrachten bzw. in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten medizinischen Befundberichte bzw. Arztbriefe betreffend die Beschwerdeführerin sowie Einsicht in die herangezogenen Hintergrundberichte zur Lage in der Russischen Föderation, insbesondere in der Teilrepublik Tschetschenien.

Die Feststellungen zur Person (Identität) der Beschwerdeführerin und ihrer familiären bzw. privaten Situation beruhen auf ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und der Vorlage ihrer (im Verwaltungsakt in Kopie einliegenden) identitätsbezeugenden Dokumente bzw. der im Akt ihrer Tochter in Kopie einliegenden Geburtsurkunde. Darüber hinaus ist im vorliegenden Verfahren auch kein Grund hervorgekommen, wieso an diesen Angaben zu zweifeln sei.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den beim Unabhängigen Bundesasylsenat bzw. in der Folge beim Asylgerichtshof eingebrachten Arztbriefen bzw. -berichten einer Klinik vom 19. Februar 2008 vergleiche OZ 4 bzw. OZ 7), 7. März 2008, 14. März 2008 vergleiche OZ 5 bzw. OZ 7) und 2. Dezember 2008 (OZ 8) sowie der im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof vorgelegten Berichten der eben genannten Krankenanstalt vom 18. Februar 2009 (Beilage 3) und 10. März 2009 (Beilage 1).

Die obigen (Länder-)Feststellungen zu Tschetschenien bzw. der Russischen Föderation entstammen den im Verwaltungsakt einliegenden zusammenfassenden Feststellungen des Asylgerichtshofes zur Lage in Tschetschenien und zur inländischen Fluchtalternative von Tschetschenen in Russland, in denen sämtliche bezughabenden Originalquellen genannt werden.

Zu betonen ist nochmals, dass die Beschwerdeführerin mit Erklärung vom 2. April 2009 die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 31. Jänner 2007, FZ. 06 09.234-BAE, zurückgezogen hat (OZ 15). Sowohl aus der handschriftlich unterfertigten Erklärung als auch aus dem beigefügten Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin diese Willenserklärung nach Belehrung hinsichtlich der Rechtsfolgen durch ihren Rechtsanwalt abgegeben hat.

Die spruchgemäße Entscheidung war schon allein aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin erforderlich. Wie sich aus den oben angeführten Schriftsätzen und Stellungnahmen sowie den beigefügten medizinischen Befunden und Arztbriefen einer Klinik ergibt, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und latenter Hypothyreose leidet. Zudem besteht bei ihr eine latente Suizidalität.

Im Zuge der Behandlung dieser Krankheitsbilder waren schon bisher und sind auch in Zukunft ständige ärztliche Kontrollen, psychologische Behandlungen und zahlreiche Therapien sowie die fallweise Einnahme von Medikamenten (Psychopharmaka) notwendig.

Die seitens der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel sind in ihrer Gesamtschau schlüssig und nachvollziehbar, durch unterschiedliche Angehörige von Gesundheitsberufen unterfertigt und waren im konkreten Verfahren als Beweis für den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin anzuerkennen.

Rechtlich folgt daraus:

1. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 77 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr. 100 aus 2005,, außer Kraft.

Der Asylgerichtshof hat gemäß Artikel 151, Absatz 39, Ziffer 4, des Bundes-Verfassungsgesetzes

(B-VG), Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, (WV) in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 2 aus 2008,, ab 1. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen.

Gemäß Paragraph 22, Absatz eins, Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100 in Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, ergehen Entscheidungen des Bundesasylamtes über Anträge auf internationalen Schutz in Bescheidform. Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst ergehen in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Artikel 129 c, Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 2 aus 2008,, in Verbindung mit Paragraph 61, Absatz eins, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008, in Senaten oder, soweit dies in Absatz 3, leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

Gemäß Paragraph 23, Absatz eins, Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008,, sind soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. römisch eins Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß Paragraph 23, Absatz 2, AsylGHG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008,,sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

Gemäß Paragraph 73, Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 76, tritt mit Ausnahme des Paragraph 42, Absatz eins, mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (Paragraph 73, Absatz 2, AsylG 2005).

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 3. September 2006 eingebracht, weshalb dieses Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 zu führen ist.

2. Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Absatz 2, erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (Paragraph 60,) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Mit Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 31. Jänner 2007, FZ. 06 09.234-BAE, (Abweisung des Antrags in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten) erwuchs dieser in Rechtskraft.

2.1. Stellt gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 29 aus 2009,, ein Familienangehöriger (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22,) von einem/einer Fremden, dem/der der Status des/der Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem/einer Fremden, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8,) zuerkannt worden ist oder einem/einer Asylwerber/Asylwerberin einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100, ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte/Ehegattin oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines/einer Asylwerbers/Asylwerberin oder eines/einer Fremden ist, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten oder des/der Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Die Behörde hat auf Grund des Antrages eines Familienangehörigen eines/einer Fremden, dem/der der Status des/der Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines/einer Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist (Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100).

Gemäß Paragraph 34, Absatz 3, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines/einer Fremden, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn, dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist oder dem/der Asylwerber/Asylwerberin der Status des/der Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines/einer Asylwerbers/Asylwerberin gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid (Paragraph 34, Absatz 4, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100).

Gemäß Paragraph 34, Absatz 5, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, gelten die Bestimmungen des Absatz eins bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Asylgerichtshof.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin ihre Beschwerden betreffend der erstinstanzlichen abweisenden Entscheidung in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten ebenfalls zurückgezogen haben.

3. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist einem/einer Fremden gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100, der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen/ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn/ihr als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100, ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, AsylG 2005 zu verbinden. Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des/der subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen vergleiche VwGH 19.2.2004, Zl. 99/20/0573 mwN auf die Judikatur des EGMR).

Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100, beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des/der Antragstellers/Antragstellerin. Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100, ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen/deren Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines/ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Paragraph 8, AsylG 1997 in Verbindung mit Paragraph 57, FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den/die Asylwerber/Asylwerberin betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliegt. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben vergleiche VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der/die Antragsteller/ Antragstellerin das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443; 26.2.2002, Zl. 99/20/0509; 22.8.2006, Zl. 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des Paragraph 8, AsylG 1997 (nunmehr: Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des/der Antragstellers/Antragstellerin bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner/ihrer Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, Zl. 93/18/0214).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 8.6.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.6.2002, Zl. 2002/18/0028; VwGH 27.2.2001, Zl. 98/21/0427).

Somit ist auch hier die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person der realen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt wäre bzw. konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit oder Vermutungen genügen nicht.

Unter realer Gefahr ist nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) eine ausreichende, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr (¿a sufficiently real risk') möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen. "Dabei obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Artikel 3, EMRK im Falle der Abschiebung behauptet, soweit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden [...] eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbunden Gefahr erlauben" (EGMR 5.7.2005, Said vs. die Niederlande).

Im vorliegenden Fall kann vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen nicht mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin nach einer Rückkehr in die Russische Föderation keine relevanten - von Amts wegen im Rahmen einer Prognose zu beachtenden - Probleme zu erwarten hätte.

4. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005, BGBl. römisch eins Nr. 100, ist einem/einer Fremden, dem/der der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter/Schutzberechtigte zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des/der Fremden vom Bundesasylamt verlängert.

Es war daher zusammengefasst spruchgemäß zu entscheiden.