Gericht

Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum

10.02.2009

Geschäftszahl

E4 309185-1/2008

Spruch

E4 309.185-1/2008-9E

ERKENNTNIS

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Vorsitzende und die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. SOVKA über die Beschwerde des römisch XXXX, StA. Türkei, vertreten durch die Mutter römisch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.12.2006, FZ. 05 05.686-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.12.2008 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 7,, 8 Absatz eins, AsylG 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003, als unbegründet abgewiesen.

Spruchpunkt römisch III des erstinstanzlichen Bescheides wird gem. Paragraph 66, Absatz 4, AVG ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

römisch eins. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (vormals Berufungswerber) wurde am römisch XXXX in Österreich geboren, ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und hat am 21.04.2005 durch seine Mutter

römisch XXXX (AZ. 227.967) als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gestellt.

2. Am 21.03.2006 wurde die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers, vor dem Bundesasylamt einvernommen. Dabei führte diese an, dass sie für den Beschwerdeführer keine eigenen Asylgründe habe. Dieser sei gesund und würde gemeinsam mit seiner Familie in Österreich leben.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2006, FZ: 05 05.656-BAL, zugestellt 28.12.2006, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 21.04.2005 gemäß Paragraph 7, AsylG 1997 idgF ab (Spruchpunkt römisch eins), erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG für zulässig (Spruchpunkt römisch II) und wies den Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei aus (Spruchpunkt römisch III).

Begründend führte die Erstbehörde aus, dass den Mitgliedern der Kernfamilie des Beschwerdeführers weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt worden sei, und somit für den Beschwerdeführer aus diesem Grund kein Asyl oder Subsidiärschutz abgeleitet werden könne.

Für den Beschwerdeführer seien auch keine eigenen Asylgründe dargelegt worden. Die Behörde gelange auch zur Ansicht, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in der Türkei einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Die Ausweisung des Beschwerdeführers wurde damit begründet, dass kein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vorliege und sei der Aufenthalt der Angehörigen ein bloß vorübergehender und bestehe auch kein sonstiger Aufenthaltstitel, was einem geordneten Fremdenwesen und dem geordneten Zuzug von Fremden widersprechen würde.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch seine Mutter mit Schriftsatz vom 05.01.2007 fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde bezeichnet).

5. Nach Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde gegenständlicher Verwaltungsakt der Gerichtsabteilung E 4 zugewiesen.

6. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag wurde der Asylantrag der Mutter (AZ 227.967) und der Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers (AZ 245.944) mangels aktueller Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund rechtskräftig abgewiesen und deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt.

Der Asylerstreckungsantrag der Schwester (AZ 227.968) des Beschwerdeführers wurde ebenso mit heutigem Tag rechtskräftig abgewiesen.

7. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verwaltungsakt des Beschwerdeführers sowie in die Verwaltungsakte seiner Mutter römisch XXXX (AZ: 227.967), seines Vaters römisch XXXX (AZ 245.944) sowie seiner Schwester römisch XXXX (AZ 227.968).

8. Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

Der mj. Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist am römisch XXXX in Österreich geboren, türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er ist der Sohn von römisch XXXX und römisch XXXX (AZ 227968).

Seine Mutter römisch XXXX (AZ. 227.967) hat am 21.04.2005 als gesetzliche Vertreterin für den Beschwerdeführer einen Asylantrag (Antrag auf Gewährung desselben Schutzes) gestellt.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag wurde sowohl der Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers alsauch der Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers mangels aktueller Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund rechtskräftig abgewiesen und deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt.

Der Asylerstreckungsantrag der Schwester (AZ 227.968) des Beschwerdeführers wurde ebenso mit heutigem Tag rechtskräftig abgewiesen.

9. Da zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt die länderkundlichen Feststellungen einer Aktualisierung bedurften (zur Aktualität länderkundlicher Quellen: VwGH, 09.03.1999, 98/01/0287; 11.11.1998, 98/01/0284; 07.06.2000, 99/01/0210) wurden der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers in der Verhandlung vom 22.12.2008 aktuelle Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei zur Kenntnis gebracht und dieser die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Anhand der nachfolgenden Quellen werden zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei folgende Feststellungen getroffen:

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.09.2008 und 11.01.2007.

EU-Kommission, Türkei Fortschrittsbericht 2007, 06.11.2007, Türkei Fortschrittsbericht (engl.) 2008, 5.11.2008

Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, Mai 2008.

Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, Dezember 2007 u. September 2008

USDOS: Country Reports on Human Rights Practices 2007: Turkey, 11.03.2008

USDOS: International Religious Freedom Report Turkey, 19.9.2008

Aufgrund der genannten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen bezüglich Ihres Verfahrens getroffen und wortwörtlich übersetzt:

Überblick

Die Türkei betrachtet sich als Modell eines laizistischen Staates mit überwiegend islamischer Bevölkerung. Ein herausragendes politisches und für die gesamte Türkei wegweisendes Ereignis der letzten Jahrzehnte ist der Beginn von Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei zum 03.10.2005. Auch im Fortschrittsbericht vom 06.11.2007 kritisiert die EU-Kommission (neben mangelnder Flexibilität in der Zypernfrage) Defizite bei der Meinungs- und Religionsfreiheit sowie bei den Minderheitenrechten, weshalb Teile der Verhandlungen eingefroren sind. Aus den Parlamentswahlen am 22.07.2007 ging die reformorientierte, gemäßigt islamisch-konservative AKP von Ministerpräsident Erdogan mit fast 47 % und 3/5 der Abgeordneten hervor. Dies und die Wahl des bisherigen AKP-Außenminister Gül zum Staatspräsidenten am 28.08.2007 haben die Mehrheitspartei gefestigt. Der AKP-Wahlsieg hatte die Regierung auch gegenüber dem Militär, das sich als "Hüter der Prinzipien Atatürks" versteht, gestärkt. Der Wahlverlierer, die national-kemalistische CHP, die sich als parlamentarische Interessensvertretung der Staatselite in Bürokratie, Justiz und Militär versteht, wirft der AKP eine schleichende Islamisierung von Staat und Gesellschaft vor. Im März 2008 leitete der Generalstaatsanwalt ein Parteiverbotsverfahren gegen die AKP ein mit der Begründung, die Partei verstoße gegen wesentliche Gründsätze der Verfassung, insbesondere das Laizismusprinzip. Das Verfassungsgericht entschied am 30.07.2008, die türkische Regierungspartei nicht zu verbieten.

Die innenpolitische Polarisierung (v.a. die Reform des Artikel 301, im türkischen StGB und Streit um das sog. Kopftuchverbot) wurde durch das Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei AKP noch verstärkt. Insgesamt hat sich die Lage nach Zurückweisung des Verbotsantrages durch das Verfassungsgericht stabilisiert. Im Osten und Südosten der Türkei kommt es weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der terroristischen PKK und türkischen Sicherheitskräften; die türkische Armee unternimmt seit Dezember 2007 weiterhin vereinzelte Operationen gegen PKK-Stellungen auch im Nordirak.

Politische Opposition

Das türkische Verfassungsgericht hatte früher in zahlreichen Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Parteien zu verbieten. Die Schließungsverfahren richteten sich entweder gegen islamistische Parteien, z.B. 1998 die "Wohlfahrts-Partei" (Refah Partisi), 2001 die "Tugend-Partei" (Fazilet Partisi), oder pro-kurdische Parteien, z. B. DEP, HADEP. Ein Verbotsantrag gegen die pro-kurdische Splitterpartei HAK-PAR wurde am 29.02.2008 vom Verfassungsgericht abgelehnt. Das Urteil ist seit dem 02.07.2008 rechtskräftig. Mit dem Reformpaket vom 11.01.2003 hat die AKP-Regierung Reformen des Parteien- und Wahlgesetzes beschlossen. Gleichwohl sind zur Zeit drei Parteiverbotsverfahren, u.a. gegen die regierende AKP (mit Entscheidung vom 30.07.2008 lehnte das Verfassungsgericht ein Verbot ab, verurteilte die Partei aber zu einer Finanzstrafe) sowie die pro-kurdische DTP, anhängig. Gleichzeitig werden Mitglieder der DTP sowie Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich zu Tabuthemen äußern, verschiedentlich mit Verfahren aufgrund von Meinungsdelikten bzw. Verstößen gegen das Parteiengesetz gegängelt. Das Verbotsverfahren gegen die kurdisch orientierte "Demokratische Volkspartei" (DEHAP), die Nachfolge- bzw. Schwesterpartei der HADEP, das 2003 eingeleitet wurde, hat sich erledigt. Die Partei hat sich am 19.11.2005 selbst aufgelöst. Ihre Nachfolge trat die am 25.10.2005 gegründete "Partei für eine demokratische Gesellschaft" (DTP) an, zu der sich viele führende kurdische Politiker zusammengeschlossen haben und die zumindest teilweise noch mit der PKK sympathisiert. Ziel der DTP sei die friedliche Lösung des Kurdenkonflikts, verlautet aus der Partei, an deren Spitze einige der ehemaligen kurdischen Parlamentsabgeordneten stehen, die enge Kontakte zur Menschenrechtspreisträgerin Leyla Zana unterhalten. Das im November 2007 eingeleitete Verbotsverfahren gegen die oppositionelle DTP ist weiterhin anhängig. Von den Verfahren gegen Parteien vor dem Verfassungsgericht sind grundsätzlich die Verfahren gegen ihre Amtsträger vor Straf- oder Sicherheitsgerichten zu unterscheiden. Letztere werden in der Regel wegen Meinungsdelikten oder des Vorwurfs der Unterstützung einer illegalen Organisation geführt.

Dem Auswärtige Amt ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis

Im Strafrecht- und Strafprozessrecht kam es in den vergangenen Jahren zu umfassenden gesetzgeberischen Reformen. In der Rechtspraxis wurden ebenfalls wesentliche Verbesserungen festgestellt. Bei allen Mängeln, die der türkischen Justiz noch anhaften, sind Bestrebungen unverkennbar, rechtstaatliches Handeln durchzusetzen. Einzelne Vorkommnisse und Entscheidungen von Justizorganen lassen bisweilen an dieser Einschätzung zweifeln. Es zeigt sich jedoch, dass sich im Gegensatz zu früher staatsanwaltliches Unrecht nicht halten lässt, sondern revidiert wird. Dies erfordert bisweilen jedoch beträchtliche Gegenwehr der Betroffenen.

Die Umsetzung von Urteilen des Europäischen Menschengerichtshofs durch die Türkei hat sich deutlich verbessert. Der Europäische Menschengerichtshof spielt in der Türkei eine wichtige Rolle, da er wegen Fehlens einer Individual-Verfassungsbeschwerde in vielen Fällen angerufen wird. Auch deshalb ist die Zahl der die Türkei betreffenden Verfahren sehr hoch (2007: 9.173; 2006: 9.627). Die Türkei ist weiterhin auf Platz 1 bezüglich der Verurteilungen (2007: 319). Dies beinhaltet mehrheitlich (99 Urteile) einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bzw. eine Verletzung von Freiheitsrechten (95 Urteile). In 58 Urteilen wurde ein Verstoß gegen den Schutz des Eigentums festgestellt. Ein Verstoß gegen das Verbot der Folter oder unmenschlicher Behandlung wurde 2007 in insgesamt 31 Urteilen festgestellt, die sich auf länger zurückliegende Fälle beziehen.

Markante Fortschritte in der Menschenrechtslage konnten durch die Gesetzes- und Verfassungsänderungen der letzten Jahre sowie weitere Reformmaßnahmen (z.B. Justizreformen) erzielt werden; dadurch wurde ein Mentalitätswandel bei großen Teilen der Bevölkerung eingeleitet. Aufgrund der innenpolitischen Spannungen sind in den letzten beiden Jahren allerdings kaum noch größere Reformfortschritte zu verzeichnen. Menschenrechtsorganisationen zufolge kommen Fälle schwerer Folter (z.B. mit sichtbaren körperlichen Verletzungen) nur noch vereinzelt vor. Die überwiegende Zahl der angezeigten Fälle betreffen z.B. Beleidigungen, Drohungen und Einschüchterungen, zu langes Festhalten, Vorenthalten eines Toilettenbesuchs bis hin zu Drohungen mit Tötung.

Sippenhaft

In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

Dem Auswärtigen Amt liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und die zB eine strafrechtliche Verfolgung oder Gefährdung durch "Sippenhaft" in der Türkei behaupten, bei Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung durch Folter oder Misshandlungen allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, droht.

Staatliche Repressionen

Es gibt in der Türkei keine Personen oder Personengruppen, die alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder alleine wegen ihrer politischen Überzeugung staatlichen Repressionen ausgesetzt sind.

Kurden

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei (72 Millionen) - also ca. 14 Millionen Menschen - ist zumindest teilweise kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste lebt die Hälfte bis annähernd zwei Drittel dieser Kurden: ca. drei Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Rund sechs Millionen kurdischstämmige Türken leben in der Ost und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.

Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.

In den wirtschaftlich unterentwickelten und z.T. feudalistisch strukturierten Regionen im Osten und Südosten der Türkei hat sich die Lage der Kurden seit dem Ende des Bürgerkrieges (Festnahme Öcalans 1999, bis dahin ca. 37.000 Todesopfer) und vor allem mit der Verabschiedung der Reformgesetze seit 2002 deutlich verbessert, wie auch unabhängige Menschenrechtsorganisationen feststellen. Dies schließt erste Schritte bei der Gewährung kultureller Rechte ein, wie die Zulassung privater kurdischer Sprachkurse für Erwachsene (die jedoch mangels Nachfrage wieder eingestellt wurden) und die eingeschränkte Genehmigung regionaler kurdischsprachiger Radio- und Fernsehsendungen. Ökonomisch sind zudem erste, wenn auch zaghafte Entwicklungsansätze zu verzeichnen. Am 27.05.2008 stellte MP Erdogan in Diyarbakir einen Aktionsplan für den Südosten der Türkei vor, der bis 2012 Investitionen von 14,5 Mrd. YTL (ca. 12 Mrd. US-D) in die wirtschaftliche Entwicklung der Region vorsieht. Das Misstrauen zwischen den Vertretern des türkischen Staates im Südosten - Justiz, Zivilverwaltung, Polizei und Militär - und der überwiegend kurdischen Bevölkerung ist zwar immer noch vorhanden, hat sich in den letzten Jahren aber verringert.

Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der öffentliche Gebrauch ist allerdings noch eingeschränkt und im Schriftverkehr mit Behörden nicht erlaubt. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten.

Kurdische Arbeiterpartei (PKK)

Die Kurdenfrage ist eng verflochten mit dem jahrzehntelangen Kampf der türkischen Staatsgewalt gegen die von Abdullah Öcalan gegründete "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) und ihre terroristischen Aktionen. Das in Deutschland und der EU bestehende Verbot der Terrororganisation PKK erstreckt sich auch auf die Nachfolgeorganisationen unter anderem Namen. Die Stärke der PKK in der Türkei/Nordirak wird aktuell auf noch 5.000 - 5.500 Kämpfer geschätzt, davon ca. zwei Drittel im Nordirak. Von 2002 bis 2004 hatte sich die Terrororganisation PKK mehrfach umbenannt (KADEK/KHK/KONGRA-GEL). Mittlerweile ist sie zu ihrer alten Bezeichnung PKK zurückgekehrt. Für die von ihr selbst als politisch bezeichnete Betätigung im Ausland hat sie jedoch die Bezeichnung KONGRA-GEL beibehalten. Ihr Anführer, der zu lebenslanger Haft verurteilte Abdullah Öcalan, befindet sich seit 1999 im Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmara Meer. Kurdischen Quellen zufolge soll sich die PKK wieder verstärkt der Anwerbung "junger Kämpfer" widmen. Nach Berichten PKK nahe stehender Medien sind zahlreiche neue Guerillakämpfer in die Reihen der "Volksverteidigungskräfte" HPG aufgenommen und danach in ihre Einsatzgebiete entsandt worden.

Seit Dezember 2007 unternimmt das Militär auch grenzüberschreitende Militäroperationen gegen PKK-Stellungen im Nordirak. Der Türkische Generalstab hat zudem sechs Gebiete in den Provinzen Siirt, Sirnak, Mardin und Hakkari zu zeitweiligen Sicherheitszonen und militärischen Sperrgebieten erklärt, deren Betreten voraussichtlich bis 12. September 2008 für "Ortsfremde" grundsätzlich verboten ist und einer strengen Kontrolle unterliegt.

Menschenrechtsorganisationen berichteten im Sommer 2007, dass die Bewohner eines Dorfes in einer Sicherheitszone in der Provinz Siirt von den Sicherheitskräften zum Verlassen ihres Dorfes aufgefordert worden seien. Nach Protesten konnte der Großteil der Bewohner jedoch im Dorf verbleiben. Im Übrigen werden nur vereinzelt Diskriminierungen von Minderheitsangehörigen durch Privatpersonen bekannt.

Aleviten

Mit schätzungsweise 15 Millionen (rund ein Fünftel der türkischen Bevölkerung) bilden die Aleviten nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft der Türkei. In der Türkei leben sowohl türkische als auch kurdische Aleviten, die ihren Glauben je nach Herkunftsregion unterschiedlich praktizieren. Die Aleviten verwahren sich selbst gegen den Begriff "Minderheit". Vom türkischen Staat werden sie offiziell nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt, sondern als Teil der muslimischen (sunnitischen) Bevölkerung der Türkei angesehen. Dementsprechend betrachtet die Religionsbehörde DIYANET das Alevitentum als islamische Unteridentität in seiner Zuständigkeit. Den Status alevitischer Gebetshäuser (Cemevi) erkennt sie nicht als Moscheen vergleichbar an. In Regierung, Verwaltung und Parlament sind die Aleviten unterrepräsentiert.

Auch wenn die Aleviten ihre Religion entsprechend der Gewährleistung in Artikel 24, der türkischen Verfassung weit gehend unbehindert ausüben können, sehen sie sich aufgrund des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit doch schwerwiegenden - ihrer Art und Intensität nach aber nicht asylerheblichen - bürokratischen Hemmnissen ausgesetzt. So können sie Grundeigentum, etwa zur Errichtung von Gebetshäusern (Cemevleri, Cem-Häuser), allenfalls über Kulturstiftungen und -vereine erwerben; dies dürfte aufgrund der jüngsten Änderungen des Vereinsrechts einfacher werden. Probleme ergeben sich auch bei der Ausbildung von Geistlichen sowie bei der Erteilung von Unterricht. Der religiöse Pflichtunterricht an den staatlichen Schulen berücksichtigt nichtsunnitische Bekenntnisse nicht. Bemühungen alevitischer Organisationen um Einbeziehung alevitischer Inhalte in die Curricula der staatlichen Schulen sind an dem durch das Erziehungsministerium vertretenen Argument gescheitert, es handle sich dabei um eine Form von religiösem Separatismus. Insoweit ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

Die Aleviten selbst unterstützen den von Atatürk begründeten türkischen Laizismus und fordern eine echte Trennung von Staat und Religion; traditionell neigen sie dazu, sich liberalen und links gerichteten politischen Parteien und Strömungen anzuschließen. Auch wegen ihrer politischen Orientierung sehen sich Aleviten deshalb leicht dem Verdacht einer staatsfeindlichen Gesinnung ausgesetzt.

Von radikalen Sunniten werden die Aleviten sogar als Abtrünnige angesehen, und auch die rechtsgerichteten und rechtsradikalen Kräfte in der Türkei begegnen ihnen mit Feindschaft. So ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Aleviten gekommen, ohne dass die Sicherheitskräfte mit dem nötigen Nachdruck eingegriffen hätten, nämlich in den Jahren 1967 und 1993 in Sivas, im Jahr 1978 in Kahramanmaras und Corum und zuletzt im Jahr 1995 in Istanbul. Derartige gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Aleviten oder anderen religiösen Minderheiten haben sich in den zurückliegenden Jahren indessen nicht wiederholt.

Grundversorgung

Die Lebensverhältnisse in der Türkei sind weiterhin durch ein starkes West-Ost-Gefälle geprägt. Der Abwanderungsdruck aus dem Südosten in den Süden und Westen der Türkei und in das Ausland hält an. Die Türkei kennt bisher keine staatliche Sozialhilfe nach EU-Standard. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfons für Sozialhilfe und Solidarität und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Sozialhilfe und Solidarität gewährt. Die Sozialhilfeprogramme werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten durch Ausschüsse vertretenen Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität ausgeführt. Anspruchsberechtigt nach Artikel 2, des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der Sozialsicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen sowie Personen, die durch eine kleine Unterstützung oder durch Gewährleistung einer Ausbildungsmöglichkeit gemeinnützig und produktiv werden können. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützungen der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Sozialhilfe in Form von Bargeld, Hilfen für die Ausbildung (Schülerbedarfsartikel, Unterkunft), Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküche. Die Leistungen werden in der Regel für neun bis zwölf Monate gewährt; in Einzelfällen entscheidet der Vorstand der Stiftung. In der Türkei existieren darüber hinaus weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben.

Medizinische Versorgung

In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standard entsprechen. Das türkische Gesundheitssystem verbessert sich laufend. Eine medizinische Versorgung sowie die Behandlung psychischer Erkrankungen, einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS), sind in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen. Für die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) werden in der Türkei die international anerkannten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV angewandt. Zu Behandlungskonzepten zählen u.a. Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist grundsätzlich auch über die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) möglich.

Behandlung von Rückkehrern

Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. Besteht der Verdacht einer Straftat, werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wehrdienstflüchtige haben damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahme bei Einreise führte.

Dem Auswärtige Amt ist in jüngster Zeit kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylwerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Für Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Exilpolitische Aktivitäten

Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden.

Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischen Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen gemäß der gültigen Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gewertet werden können.

Im März 2008 führte ein im Juni 2006 geführtes militärkritisches Interview einer türkischen Menschenrechtsverteidigerin in einer deutschen Tageszeitung zur strafrechtlichen Verurteilung auf Grundlage von Artikel 301, StGB.

10. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und zum Verwandtschaftsverhältnis zu den Eltern ergeben sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde.

Die Feststellungen zur den Eltern und der Schwester des Beschwerdeführers ergeben sich aus deren Verwaltungsakten.

Die in das Verfahren einbezogenen Länderberichte zur aktuellen Lage in der Türkei basieren auf mehreren voneinander unabhängigen Quellen, welche jedoch in ihren Kernaussagen eine kongruente Situationsbeschreibung ohne wesentliche Widersprüche bieten, weshalb kein Anlass besteht, die Richtigkeit der Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen.

römisch II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

1. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Paragraph 44, AsylG 1997 gilt. Die Paragraphen 24,, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. Paragraph 27, ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. Paragraph 57, Absatz 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

Gemäß Paragraph 44, Absatz eins, AsylG 1997 werden Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 126 aus 2002, geführt. Die Paragraphen 8,, 15, 22, 23 Absatz 3,, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß Paragraph 44, Absatz 3, leg cit in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003, auch auf Verfahren gemäß Absatz eins, anzuwenden.

Nachdem der gegenständliche Asylantrag nach dem 30.04.2004 gestellt wurde, ist das AsylG 1997 in der Fassung BGBl römisch eins Nr. Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003, mit den soeben genannten Maßgaben anzuwenden.

2. Zuständigkeit des erkennenden Senates:

Gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

Aufgrund der Geschäftsverteilung wurde gegenständlicher Verwaltungsakt dem erkennenden Senat zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

3. Gemäß Paragraph 23, AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930,, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, Bundesgesetzblatt Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern.

4. Paragraph 10, AsylG lautet:

"(1) Familienangehörige (Paragraph eins, Ziffer 6,) eines

1. Asylberechtigten;

2. subsidiär Schutzberechtigten (Paragraphen 8, in Verbindung mit 15) oder

3. Asylwerbers

stellen einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid den gleichen Schutzumfang zu gewähren, es sei denn, dem Antragsteller ist gemäß Paragraph 3, Asyl zu gewähren. Absatz 2, gilt.

(4) Befindet sich der Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten im Ausland, kann der Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gemäß Paragraph 16, drei Jahre nach Schutzgewährung gestellt werden.

(5) Die Behörde hat Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid."

Gemäß Paragraph eins, Ziffer 6, AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

5. Zu Spruchpunkt I:

Wie den oben getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, wurde keinem Familienagehörigen des Beschwerdeführers Asyl gewährt.

In Anbetracht der Tatsache, dass weder im Asylantrag noch in der Beschwerdeschrift noch in der hg. Mündlichen Verhandlung den Beschwerdeführer individuell betreffende Asylgründe genannt wurden, ist festzuhalten, dass weder die Mutter des Beschwerdeführers noch dessen Vater im erstinstanzlichen Verfahren Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht hat.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde diesem auch kein substantiiertes Vorbringen entgegengehalten.

Für den Beschwerdeführer wurden keine asylrelevanten Verfolgungsgründe oder sonstige Gründe, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden, vorgebracht.

Dies gilt ebenso für di hg. Durchgeführte mündliche Verhandlung .

Es lässt sich somit aus den heutigen hg. Erkenntnissen betreffend die Mutter und den Vater des Beschwerdeführers, auf welche an dieser Stelle verwiesen wird, herleiten, dass sich keine asylrelevante Bedrohungssituation im Hinblick auf die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers ergibt.

6. Zu Spruchpunkt römisch II :

In Zusammenhang mit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers ist zunächst festzuhalten, dass dem mj. Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nur gemeinsam mit seinen Eltern möglich ist. Besondere Umstände (zB schwere Krankheit, entsprechend der Judikatur des EGMR), die ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, sind im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Türkei dort die notdürftigste Lebensgrundlage fehlte. Aus den aktuellen Länderfeststellungen ergibt sich auch, dass die Grundversorgung der Bevölkerung in der Türkei sehr wohl gesichert ist.

Schließlich ist auszuführen, dass in der Türkei weder grobe, massenhafte Menschenrechtsverletzungen unsanktioniert erfolgen noch nach den seitens der Erstbehörde getroffenen Feststellungen von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, weshalb auch kein "real Risk" (dazu jüngst VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen ist. Daher ist es auch dem Beschwerdeführer zuzumuten, gemeinsam mit seinen Eltern zurückzukehren, ohne dass ein reales Risiko einer Verletzung von Artikel 3, EMRK bestünde. Besondere Umstände (zB schwere Krankheit, entsprechend der Judikatur des EGMR), die ausnahmsweise gegen eine Rückkehr sprechen würden, sind im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen.

Ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG liegt somit nicht vor.

7. Zu Spruchpunkt III:

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gem. Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für den Antragsteller negativ entschieden worden; seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ist zulässig, sodass - falls damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der beschwerdeführenden Partei vorliegt (Artikel 8, Absatz eins, EMRK) - das Erkenntnis mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Artikel 8, EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Artikel 8, EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

Im Falle des Beschwerdeführers liegt nun eine Konstellation vor, in der zum Zeitpunkt der gegenständlichen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung nicht die ganze Familie von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen war.

In concreto wurde über die Mutter, den Vater und die Schwester des Beschwerdeführers (noch) keine Ausweisung verhängt, zumal infolge der Anwendung des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 126 aus 2002,, seitens der Erstbehörde für dessen Verfahren eine Kompetenz zur asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung nicht bestand; diese hätte nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage durch die Fremdenbehörden zu erfolgen.

Da es infolge der (nur) gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochenen asylrechtlichen Ausweisung möglich erscheint, dass dieser das Bundesgebiet ohne seine Kernfamilie zu verlassen hat, greift eine solche Ausweisung in das durch Artikel 8, EMRK geschützte Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers ein (VwGH 16. Jänner 2008, 2007/19/0851). Daraus folgt, dass die asylrechtliche Ausweisungsentscheidung der Erstbehörde ersatzlos zu beheben war.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.