Gericht

Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum

05.02.2009

Geschäftszahl

D7 314308-1/2008

Spruch

D7 314308-1/2008/9E

ERKENNTNIS

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Stark als Vorsitzende und die Richterin Dr. Gollegger als Beisitzer über die Beschwerde der römisch XXXX, geb. römisch XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den des Bescheides des Bundesasylamtes vom 08.08.2007, Zahl 05 07.866-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.12.2008 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß

Paragraph 66, Absatz 4, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, (AVG), in Verbindung mit Paragraph 7, Asylgesetz 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, (AsylG 1997), Asyl gewährt. Gemäß Paragraph 12, AsylG 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003,, wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

römisch eins. Verfahrensgang und Sachverhalt

römisch eins. 1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet und brachte am 31.05.2005 beim Bundesasylamt einen Asylantrag ein (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 1 bis 7).

Die Beschwerdeführerin wurde am 06.06.2005 beim Bundesasylamt niederschriftlich in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch zu ihrer Person und ihrem Reiseweg befragt (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 17 bis 27).

Am 09.06.2005 erfolgte eine ärztliche Untersuchung im Zulassungsverfahren (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 43 bis 45).

Am 13.06.2005 fand eine weitere Einvernahme beim Bundesasylamt statt (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 47 bis 49).

Die Beschwerdeführerin wurde am 22.08.2005 beim Bundesasylamt zu ihren Ausreisegründen befragt (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 87 bis 91).

Die Beschwerdeführerin wurde am 25.06.2007 beim Bundesasylamt niederschriftlich befragt (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 109 bis 111).

Der Asylantrag der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.08.2007, Zahl 05 07.866-BAT, in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 7, Asylgesetz 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Nr. 101 aus 2003, abgewiesen. In Spruchpunkt römisch II. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin gemäß Paragraph 8, Absatz eins, leg. cit. zulässig sei und die Asylwerberin in Spruchpunkt römisch III. des Bescheides gemäß Paragraph 8, Absatz 2, leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 113 bis 185).

römisch eins.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.08.2007, Zahl 05 07.866-BAT, zugestellt am 14.08.2007, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 28.08.2007 eingebrachte Beschwerde (erstinstanzlicher Verwaltungsakt, Seiten 191 bis 203).

römisch eins.3. Mit 01.07.2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, aufgelöst und an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständlicher Verwaltungsakt dem nunmehr zuständigen Senat zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens zugewiesen.

Für den 09.12.2008 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche Verhandlung vor dem zur Entscheidung berufenen Senat des Asylgerichtshofs anberaumt, an welcher die Beschwerdeführerin, ihr Lebensgefährte und die Schwester des Lebensgefährten teilnahmen. Das Bundesasylamt wurde ordnungsgemäß geladen, teilte jedoch mit Schreiben vom 04.11.2008 mit, dass die Teilnahme eines Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte zugleich gegenständliche Beschwerden abzuweisen.

In der Verhandlung wurden nach ausführlicher Erörterung des Vorbringens der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten die im Verfahren herangezogenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis gebracht und nach Schluss des Beweisverfahrens auch die Verhandlung geschlossen. Die Verkündung des Erkenntnisses entfiel und es wurde angekündigt, dass den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zugestellt werden würde.

römisch II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

römisch II.1. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Artikel eins, Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 77 aus 1997,, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr. 100 aus 2005,, außer Kraft.

Gemäß Paragraph 28, Absatz 5, AsylGHG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008,, treten in der Fassung des Bundesgesetztes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008, in Kraft:

das Inhaltsverzeichnis, Paragraph 13, Absatz 2 und Absatz 4, letzter Satz, Paragraph 14, Absatz 3,, Paragraph 17, Absatz 5,,

§ 23 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf

vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Absatz 2, dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

Gemäß Paragraph 22, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Artikel 2, Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005), in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

Gemäß Paragraph 75, Absatz 7, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

Gegenständliches Verfahren war am 30.06.2008 bzw. 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und ist daher vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Es handelt sich um ein Beschwerdeverfahren gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes, in dem keine mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat stattgefunden hat. Nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde das Beschwerdeverfahren dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Senat zugeteilt und dieser hat daher dieses Verfahren gemäß Paragraph 75, Absatz 7, Ziffer 2, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, weiterzuführen.

römisch II.2. Gemäß Paragraph 23, Absatz eins, AsylGHG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008,, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

Gemäß Paragraph 23, Absatz 2, AsylGHG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 147 aus 2008,, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

Gemäß Paragraph 66, Absatz 4, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 51 aus 1991, (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Absatz 2, erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (Paragraph 60,) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß Paragraph 73, Absatz eins, AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, tritt mit Ausnahme des Paragraph 42, Absatz eins, mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft

(Paragraph 73, Absatz 2, AsylG 2005).

Gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 4 aus 2008,, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Paragraph 44, AsylG 1997 gilt. Die Paragraphen 24,, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. Paragraph 27, ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. Paragraph 57, Absatz 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

Gemäß Paragraph 44, Absatz eins, Asylgesetz 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003,, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 126 aus 2002, geführt.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylantrag am 31.05.2005 gestellt.

Gemäß

Paragraph 44, Absatz 2, AsylG 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003,, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, in der jeweils geltenden Fassung geführt.

römisch II.3. Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

römisch II.3.1. Die Identität der Beschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an.

römisch II.3.2. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin hielt sich, nachdem er erfahren hatte, dass er von russischen Soldaten gesucht werde, in den Jahren 2003 bis 2004 mehrer Monate in römisch XXXX in einem Holzhaus versteckt, bevor er wieder nach Tschetschenien zurückkehrte.

Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin wurde nach seiner Rückkehr von tschetschenischen Sicherheitsbeamten im Dezember 2004 bei einem Kontrollpunkt fünf Stunden lang angehalten, verhört und schwer misshandelt. Durch Bezahlung von Bestechungsgeldern, erreichte der Vater des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin die Freilassung des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin.

Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin wurde am römisch XXXX von maskierten Angehörigen der russischen und der tschetschenischen Volksgruppe bezüglich der Unterstützung tschetschenischer Widerstandskämpfer verhört, mit Füßen gegen die Nieren getreten und mit Holzstöcken schwer misshandelt. Der Vater des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin konnte am nächsten Tag die Freilassung durch Bezahlung von Bestechungsgeld erreichen.

Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin geht davon aus, dass man ihn sucht, weil er Kontakte mit tschetschenischen Widerstandskämpfern hatte und er Widerstandkämpfer mit Lebensmitteln unterstützt hat. Aus Angst um sein Leben verließ die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten schließlich am 21.05.2005 ihren Herkunftsstaat.

Im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchtet der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin wegen seiner Unterstützung tschetschenischer Widerstandskämpfer neuerlich schwer misshandelt, wenn nicht gar getötet, zu werden. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Lebensgefährten zwei gemeinsame Kinder, keine eigenen Fluchtgründe und wegen ihres Lebensgefährten ihren Herkunftsstaat verlassen, fürchtet jedoch im Fall ihrer Rückkehr, sollte sie den Aufenthaltsort ihres Lebensgefährten nicht bekannt geben (können), körperlichen Übergriffen russischer Soldaten und Mitarbeitern Kadyrows ausgesetzt zu sein.

römisch II.3.3. Zur aktuellen Lage für Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

Die Tschetschenische Republik ist eines der 89 Subjekte der Russischen Föderation. Die Tschetschenen sind bei weitem die größte der zahlreichen kleinen Ethnien im Nordkaukasus. Tschetschenien selbst ist (kriegsbedingt) eine monoethnische Einheit (93% der Bevölkerung sind Tschetschenen).

In Tschetschenien hatte es nach dem Ende der Sowjetunion zwei Kriege gegeben. 1994 erteilte der damalige russische Präsident Boris Jelzin den Befehl zur militärischen Intervention. Fünf Jahre später begann der zweite Tschetschenienkrieg, russische Bodentruppen besetzten Grenze und Territorium der Republik Tschetschenien. Die Hauptstadt Grosny wurde unter Beschuss genommen und bis Januar 2000 fast völlig zerstört. Beide Kriege haben bisher 160.000 Todesopfer gefordert. Zwar liefern sich tschetschenische Rebellen immer wieder kleinere Gefechte mit tschetschenischen und russischen Regierungstruppen, doch seit der Ermordung des früheren Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadow, durch den russischen Geheimdienst FSB im März 2005 hat der bewaffnete Widerstand an Bedeutung verloren.

Laut Präsident Putin ist mit der tschetschenischen Parlamentswahl am 27.11.2005 die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Tschetschenien abgeschlossen worden. Dabei errang die kremlnahe Partei "Einiges Russland" die Mehrheit der Sitze. Beobachter stellten zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest. Hauptkritik an der Wahl war u.a. die anhaltende Gewaltausübung und der Druck der Miliz (sog. "Kadyrowzy") gegen Wahlleiter und Wahlvolk. Nach dem Rücktritt seines Vorgängers Alu Alchanow im Februar 2007 hat der bisherige Ministerpräsident Ramzan Kadyrow am 05.04.2007 das Amt des tschetschenischen Präsidenten angetreten.

Der von Russland unterstützte Präsident Ramzan Kadyrow verfolgt offiziell das Ziel Ruhe, Frieden und Stabilität in Tschetschenien zu garantieren und den Einwohnern seines Landes Zugang zu Wohnungen, Arbeit, Bildung, medizinischer Versorgung und Kultur zu bieten.

Neben der endgültigen Niederschlagung der Separatisten und der Wiederherstellung bewohnbarer Städte ist eine wichtige Komponente dieses Ziels die Wiederbelebung der tschetschenischen Traditionen und des tschetschenischen Nationalbewusstseins. Kadyrow fördert das Bekenntnis zum Islam, warnt allerdings vor extremistischen Strömungen, wie dem Wahabismus. Er hat Kleidervorschriften eingeführt, die den Tschetscheninnen Kopftuch und mindestens knielange Röcke beim Betreten von staatlichen Institutionen verordnen. Medienkampagnen warnen vor Alkohol, Drogen und Tabak. Ein Kulturrat beurteilt neue Werke im Bereich Musik, Literatur, Theater u. ä. vor ihrer Publikation. Eine Kommission überwacht die Lernerfolge der Studierenden an Universitäten und ergreift notfalls Maßnahmen. Medien, die den Erziehungsauftrag nicht nach Kadyrows Vorstellungen erfüllen, werden kurzerhand geschlossen. Sufi Bruderschaften und tariqas verfügen über großen Einfluss in Tschetschenien.

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008

1. Allgemeine Sicherheitssituation

Auch wenn von offizieller russischer Seite betont wird, dass es in Tschetschenien zu einem "politischen Prozess" gekommen ist, finden laut neuestem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13.1.2008 in Tschetschenien weiterhin die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Diese Einschätzung wird von einer großen Anzahl von Klagen von Tschetschenen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestützt (20.350 anhängige Klagen gegen Russland insgesamt zum Zeitpunkt Februar 2008, bisher 24 Verurteilungen der Russischen Föderation wegen Tschetschenien).Auch das britische Außenministerium spricht von weit verbreiteten, glaubwürdigen Klagen über extra-legale Tötungen, Entführungen und Folter in Tschetschenien, wenn sich auch in letzter Zeit in manchen Gegenden Tschetscheniens die Menschenrechtssituation gebessert hat.

Den Machthabern in Russland ist es gelungen, den Konflikt zu "tschetschenisieren", das heißt, es kommt nicht mehr primär zu offenen Kämpfen zwischen russischen Truppen und Rebellen, sondern zu Auseinandersetzungen zwischen der Miliz von Ramzan Kadyrow und anderen "pro russischen" Kräften/Milizen - die sich zu einem erheblichen Teil aus früheren Rebellen zusammensetzen - einerseits sowie den verbliebenen, eher in der Defensive befindlichen Rebellen andererseits. Die bewaffneten Auseinandersetzung konzentrieren sich auf entlegene Bergregionen Die Ramzan Kadyrow unterstellten Bataillone "Ost" (Jamadajew) und "West" (Kakiew), umbenannt in "Süd" und "Nord", sind zwar formell den Bundesstrukturen untergeordnet, sie terrorisieren die Bevölkerung jedoch nicht weniger als die auswärtigen Einheiten. Den pro russischen Kräften ist es, auch durch Erpressung/Entführung von Familienangehörigen etc gelungen, die Sicherheitslage im allgemeinen (jedenfalls in einigen Teilen Tschetscheniens, insbesondere Grosny) zu stabilisieren; auch ein wirtschaftlicher Aufschwung ist eingetreten (finanziert durch zT. missbräuchlich verwendete russische Hilfe/Erpressungsgelder), der in der Regel aber nur einigen, insbesondere den pro russischen Kräften, zugute kommt.

Der verkündete Frieden müsste eigentlich eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage mit sich bringen. Ob das tatsächlich der Fall ist, lässt sich aber nicht eindeutig bestätigen.

Asylländerbericht Russland, 04.09.2007

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008

Federal and Commonwealth Office Profile May 2008 (UK)

2. Verfolgungsgefahr

2.1 Zivilbevölkerung

Durch vielerlei Umstände kann es etwa möglich sein, ins Fadenkreuz der pro russischen Kräfte zu kommen (etwa auch durch private Streitigkeiten). Ein Informationsaustausch zwischen den "pro russischen Kräften" und dem russischen Geheimdienst wird eher bezweifelt, der russische Geheimdienst verfügt aber selbst weiterhin über zahlreiche Informationsquellen. Durch Bestechung kann es in seltenen Fällen aber sogar möglich sein, dass durch den Geheimdienst gesuchte Personen das Land verlassen können.

Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen und die Presse berichten, dass sich auch nach Beginn des von offizieller Seite festgestellten "politischen Prozesses" erhebliche Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt haben. Dies sei häufig darauf zurückzuführen, dass reales Ziel der in Tschetschenien eingesetzten Zeitsoldaten, Milizionäre und Geheimdienstangehörigen Geldbeschaffung und Karriere sei. Zwar hat sich die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien mittlerweile stabilisiert. Razzien, "Säuberungsaktionen", Plünderungen und Übergriffe durch russische Soldaten und Angehörige der tschetschenischen Sicherheitskräfte, aber auch Guerilla-Aktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen haben nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und internationalen Organisationen deutlich abgenommen. Doch weisen Nichtregierungsorganisationen zugleich darauf hin, dass es nach wie vor zu willkürlichen Überfällen bewaffneter, nicht zuzuordnender Kämpfer, Festnahmen und Bombenanschlägen kommt.

Noch immer kommt es im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen auch zu Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Am 24.03.2007 kam es nach Berichten des US Departement of State dazu, dass drei Frauen durch einen lokalen Militärkommandanten im Bezirk Shatoy beschossen wurden. Erst Ende Jänner 2008 geriet ein Dorf unter Beschuss, als die russische Artillerie auf der Jagd nach Rebellen deren Zufluchtsort angriffen. Berichten zufolge sollen die Soldaten betrunken gewesen sein und Präsident Kadyrow hat diesen Vorfall als kriminellen Verstoß gegen die Militärdisziplin verurteilt, aber dennoch kann derartiges offensichtlich immer noch vorkommen.

Generell behauptet Kadyrow, dass bei der "Neutralisierung" der Rebellen keine Zivilisten behelligt werden. Im Gegenteil, gerade der Schutz der Zivilbevölkerung dient ihm als wichtiges Argument für eine verstärkte Konzentration der Sicherheitskräfte auf die Verfolgung von Mitgliedern illegaler bewaffneter Gruppierungen und ihrer Unterstützer. Es sind aber gerade die von Ramzan Kadyrow persönlich kommandierten "Kadyrowzy", denen besonders viele Folter- und Misshandlungsvorwürfe, auch von Zivilisten, gelten. Im April 2007 übergab Kadyrow die Kontrolle dem föderalen Innenministerium und löste das Antiterrorzentrum auf. Menschenrechtsgruppierungen kritisieren jedoch, dass die Truppen nach wie vor Kadyrow treu seien. Weiters werden die Bataillone "Wostok" und "Sapad" für Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus verantwortlich gemacht, sowie die Untersuchungshaftanstalt des ORB-2, eine Abteilung des russischen Innenministeriums für Operationen bzw. Ermittlungen in den südlichen Regionen der Föderation.

Seit Anfang 2007 hat sich laut Angaben der Menschenrechtsorganisation Memorial die Menschenrechtslage in Tschetschenien gebessert, insbesondere haben die Fälle des "Verschwindenlassens" erheblich abgenommen. Wurden 2006 noch 187 Entführungen von Memorial registriert, ist die Zahl seit Anfang 2007 bis Mitte September 2007 auf 25 Fälle zurückgegangen. Diese Tatsache wird auch in offiziellen Statistiken bestätigt, was nicht weiter verwundert. Memorial erklärt diese Tatsache damit, dass Präsident Kadyrow seinen Sicherheitskräften, den "Kadyrowzy", die Anweisung gegeben habe, mit den Entführungen aufzuhören. Dies bestätigt die Annahme von Human Rights Watch, nach der seit 2004/2005 diese Gruppe die Hauptverantwortung für Verschleppungen trägt. Die Regierung sieht dies als einen Erfolg ihrer 2004 gestarteten Initiativen zur Verbesserung der Sicherheitslage und Maßnahmen, die das Vorgehen der Truppen nachvollziehbarer machen sollten. Das US State Department berichtet jedoch, dass Menschenrechtsorganisationen davon ausgehen, dass die Angehörigen von verschwundenen Personen aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen keine Anzeige erstatten. So gebe es zahlreiche Vorfälle, bei denen maskierte, bewaffnete Männer in Wohnungen eingebrochen seien und Zivilisten verschleppt hätten.

Der tschetschenische Parlamentspräsident Abdurchachmanow bestätigte am 01.07.2007, dass die Zahl der verschwundenen Personen ursprünglich bei etwa 5.500 gelegen habe, doch habe nach erfolgten Überprüfungen das Schicksal von über 1.000 Personen geklärt werden können. Nach Angaben des tschetschenischen Ombudsmanns Nuchaschijew galten am 11.07.2007 noch 2.700 Personen als offiziell vermisst. Man gehe davon aus, dass viele der vermissten Personen tot und in anonymen Gräbern bestattet worden seien. Um die Identität der Toten klären zu können, soll nach Angaben des tschetschenischen Ombudsmanns Nuchaschijew Präsident Kadyrow im Juli 2007 den Kauf eines Speziallabors angeordnet haben.

Zu Folge von Berichten von Memorial kam es 2007 wiederum zu sog. "Säuberungsaktionen", bekannt als "zatschistka". Im April und Mai 2007 führten sowohl föderale als auch lokale Truppen derartige Kontrollen in Malgobek und in den benachbarten Republiken durch.

Folter bleibt ein drängendes Problem. Sie erfolgt willkürlich und unvorhergesehen, ein Muster ist nicht erkennbar. Der Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg kritisierte nach einem Besuch in Tschetschenien Ende Februar/Anfang März 2007 Folter im ORB-2 (Operatives Fahndungsbüro 2, Teil des Föderalen Innenministeriums). Auch Präsident Kadyrow gab Mitte März 2007 öffentlich Folter im ORB-2 zu. Memorial werden weiterhin aktuelle Fälle von Folter sowohl im ORB-2 als auch durch eine spezielle Einheit des tschetschenischen Innenministeriums gemeldet. Wenn auch die Zahl der Verschleppungen und extralegalen Tötungen im letzten Jahr deutlich abgenommen hat, hat sich an deren Stelle eine neue Rechtsverletzung verbreitet - die künstliche Konstruktion von Straftatbeständen, zu denen dann mittels Folter Geständnisse erzwungen werden. Unter Folter unterschriebene Geständnisse werden nach Erkenntnissen von Memorial regelmäßig in Gerichtsverfahren als Grundlage von Verurteilungen genutzt.

Schwere Verbrechen und Vergehen werden auch von Seiten verschiedener Rebellengruppen begangen. Neben den Aufsehen erregenden Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung (Beslan) werden bei vielen Aktionen gegen russische Sicherheitskräfte Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen. Auch werden den Rebellen Exekutionen und Geiselnahmen von Zivilisten in den von ihnen beherrschten Gebieten und Ortschaften vorgeworfen. Außerdem verüben die Rebellen gezielt Anschläge gegen Tschetschenen, die mit den russischen Behörden zusammenarbeiten.

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend, sodass nach Ansicht von Nichtregierungsorganisationen ein "Klima der Straflosigkeit" entstanden sei. Bisher gibt es nur sehr wenige Fälle von Verurteilungen. Im April 2006 verurteilte ein Gericht in Rostow den Vertragssoldaten Kriwoschenok zu 18 Jahren Haft wegen der Erschießung dreier tschetschenischer Zivilisten im November 2005. Im Juni 2007 verurteilte dasselbe Gericht vier Offiziere in der "Sache Ulman" zu 9, 11, 12 und 14 Jahren Haft wegen Erschießung von sechs tschetschenischen Zivilisten im Dezember 2002. Drei der Verurteilten sind allerdings untergetaucht. Personen, die den Staat wegen Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen wollten, wurden weiterhin belästigt. Kläger vor dem EGMR verschwanden spurlos bzw. wurden getötet, was den EGMR zu einer kritischen Äußerung in seiner Entscheidung im Fall Alikhadzhiyeva gg. Russland vom 5.7.2007 veranlasste.

Asylländerbericht Russland, 04.09.2007

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008

2.2 Rebellen und deren Familienangehörige

Innerhalb der Rebellen ist es zu einer Spaltung in zwei Gruppen gekommen. Während einige Gruppierungen nach wie vor am Ziel der Ausrufung der tschetschenischen Republik Itschkerien festhalten, kämpft die Mehrheit für die Errichtung des im Herbst 2007 durch Dokka Umarow ausgerufenen Emirats und eines islamischen Staates.

Nach wie vor sind die Rebellen bzw. Personen, die für Rebellen oder deren Sympathisanten gehalten werden, einem sehr hohen Risiko ausgesetzt, in bewaffnete Auseinandersetzungen zu geraten, festgenommen, verschleppt, verhört, gefoltert und ermordet zu werden.

Trotz der Tötung der Separatistenführer Aslan Maschadow im März 2005 und Abdelchalim Saidullajew im Juni 2006 sowie des "Top-Terroristen" Schamil Bassajew im Juli 2006 gibt es laut Schätzungen der lokalen tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin einige hunderte Rebellen in den Bergregionen Tschetscheniens, die vor allem Anschläge auf Sicherheitskräfte verüben. Der russische Armeegeneral Krivonos nannte am 11.05.2007 eine Zahl von noch 300 aktiven Kämpfern. Eine dauerhafte Befriedung der Lage in Tschetschenien ist somit noch nicht eingetreten. Die Aktivitäten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte gegen die Rebellen, insbesondere in den tschetschenischen Grenzgebieten zu den nordkaukasischen Nachbarrepubliken, wurden auch 2007 fortgesetzt. Seit 1999 forderte der Konflikt erhebliche Opfer: 10.000-20.000 getötete Zivilisten (Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial"), 5.000 bis 7.000 getötete und ca. 18.000 verletzte Angehörige der Sicherheitskräfte (Zahlen des Verteidigungsministeriums, die teilweise widersprüchlich sind).

Die Rebellen und ihre Unterstützer werden im Zuge von Spezialoperationen "neutralisiert", die von den unter direktem Befehl von Ramzan Kadyrow stehenden Sicherheitskräften sowohl in den Bergregionen, als auch in städtischen Gebieten durchgeführt werden. In der Zeit um den Jahreswechsel 2007-2008 wurden bei solchen Operationen mindestens 16 Rebellen und Sicherheitskräfte getötet, mindestens 49 Personen in Grosny verhaftet, zwei sind verschwunden. Es kam zu sechs bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und Sicherheitskräften, sowie zu Anschlägen auf letztere.

Im gesamten Jahr 2007 wurden laut tschetschenischem Innenministerium über 70 Rebellen getötet und 325 verhaftet, 139 Bandenmitglieder haben sich freiwillig ergeben, und die Zahl der Anschläge hat sich um 72% reduziert. Das Innenministerium hat 82 seiner Mitarbeiter verloren.

Nach Beobachtungen des Berichterstatters der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist die Geiselnahme von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen, um sie zur Aufgabe zu zwingen, eine neue besorgniserregende Entwicklung. Ein prominentes Beispiel ist der Fall des Feldkommandeurs und ehemaligen tschetschenischen Verteidigungsministers Magomed Chambijew, welcher sich am 03. März 2004 in die Hände der Sicherheitskräfte Ramzan Kadyrows begab, nachdem etwa 20 seiner Angehörigen zuvor festgesetzt worden waren. Im Dezember 2004 wurden acht Verwandte des früheren Präsidenten Aslan Maschadow, darunter eine Schwester und zwei Brüder, entführt, vermutlich von Angehörigen der Sicherheitstruppe von Ramzan Kadyrow. Sieben von ihnen wurden am 31. Mai 2005 wieder freigelassen; ein Neffe befindet sich noch wegen angeblicher Zugehörigkeit zu einer illegalen bewaffneten Gruppe in Haft. Ramzan Kadyrow, damals erster stellvertretender Ministerpräsident Tschetscheniens, hat sich öffentlich für gesetzliche Regelungen ausgesprochen, die die Strafverfolgung von Familienangehörigen mutmaßlicher Rebellen ermöglichten.

Nach Informationen von Frau Dzeitova, Direktorin von VESTA, werden Familienangehörige von früheren Kämpfern (des ersten Tschetschenienkrieges) nicht mehr verfolgt. Es gibt jedoch private Fälle von Blutrache, von der alle männlichen Verwandten betroffen sein können. Frauen, Kinder und ältere Menschen seien davon jedoch ausgenommen. Mit Ausnahme eines vorsätzlichen oder besonders brutalen Mordes ist auch der Freikauf von der Blutrache möglich.

Am 22.09.2006 beschloss die Duma eine neue Amnestieverordnung. Sie erfasst Vergehen, die zwischen dem 13.12.1999 und dem 23.09.2006 im Nordkaukasus (Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Tschetschenien, Nordossetien, Karatschajewo-Tscherkessien, Gebiet Stawropol) begangen wurden. De facto wurde die Amnestie jedoch durch Präsident Kadyrow bis zum 15.06.2007 verlängert. Die Amnestie gilt sowohl für Rebellen ("Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen", sofern sie bis zum 15.01.2007 die Waffen niederlegen) als auch für Soldaten, erfasst aber keine schweren Verbrechen (u.a. nicht Mord, Vergewaltigung, Entführung, Geiselnahme, schwere Misshandlung, schwerer Raub; für Soldaten: Verkauf von Waffen an Rebellen). Nach Mitteilung des Nationalen Antiterror-Komitees haben sich bis zum Stichtag insgesamt 546 Rebellen gestellt. Etwa 200 Rebellen waren angeblich an Sabotage und Terroraktionen beteiligt, nahezu alle sollen einer illegalen bewaffneten Gruppe angehört haben. Es handelt sich jedoch um keine Amnestie im westeuropäischen Verständnis. Die Leute ergeben sich alle aus mehr oder minder großem Zwang, aber nicht, weil es Bemühungen um Versöhnung und Reintegration gibt.

"Memorial" kritisierte jedoch, dass wegen der zahlreichen Ausschlussgründe nur diejenigen in den Genuss der Amnestiebestimmungen kommen werden, die "in den Bergen Herbarien angelegt oder Grütze gekocht haben", nicht jedoch Personen, die effektiv an den Kämpfen teilgenommen haben. Zudem drohe selbst Amnestierten eine spätere strafrechtliche Verfolgung, wenn neue Elemente auftauchen. Unabhängige Medien befürchten auch im Hinblick auf Chambijew und andere ehemalige Funktionsträger, dass erneut nur "große Fische" begnadigt und in die staatlichen Strukturen integriert würden, Kleine aber leer ausgingen. Ramzan Kadyrow nutzte die Amnestie, um sich als Garant persönlicher Sicherheit und Zentrum einer tschetschenischen Sammlungsbewegung zu profilieren. Folgerichtig wurde er nach Abschluss der Kampagne auch zum Präsidenten der Teilrepublik ernannt. Er trägt somit persönlich Verantwortung nicht nur für den Wiederaufbau der Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern auch für die weitaus schwierigere gesellschaftliche Erneuerung. Solange die ihm unterstellten Truppen jedoch für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden und weiterhin Junge zu den Rebellen in die Wälder treiben, muss bezweifelt werden, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist.

Bei dem EURASIL Workshop am 14.10.2008 in Brüssel vertrat die dort anwesende UNHCR-Vertreterin Marciela Daniel die Auffassung, dass sich insgesamt die Sicherheitssituation in Tschetschenien nachhaltig verbessert hat und die Zuerkennung von Asyl, aber auch subsidiärem Schutz nur wegen der Zugehörigkeit zur Tschetschenischen Volksgruppe nicht mehr gerechtfertigt ist.

Besonders schützenswert sind nur mehr folgende Gruppen:

Kämpfer (aus jüngster Zeit) und ihre Familien

Politische Aktivisten (Opposition zu Kadyrow)

Alleinstehende Frauen und Kinder

Ein neues UNHCR-Papier, wo diese Auffassungsänderung zum Ausdruck kommt, ist jedoch bisher nicht herausgegeben worden.

Asylländerbericht Russland, 04.09.2007

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008

3. Versorgungslage

Die humanitäre Situation in Tschetschenien hat sich in den letzen Jahren verbessert, in den Nachbarrepubliken jedoch eher verschlechtert. Die EU Kommission unterstützt den Wideraufbau im April 2008 mit 11 Millionen Euro.

Dennoch gibt es insbesondere in der Strom- und Wasserversorgung große Defizite - die Stromversorgung fällt oft aus, Wasser ist zumeist nur an einem Zentralhahn für das gesamte Gebäude verfügbar. Zumindest ebenso problematisch, wenn nicht sogar ein größeres Problem stellt die Müll- und Abwasserentsorgung dar. Die Situation außerhalb des Großraumes von Grosny gestaltet sich noch schwieriger.

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

3.1 Wohnsituation

Mit der Machtübernahme durch Präsident Kadyrow begann eine Wiederaufbauwelle in Tschetschenien. In rasantem Tempo werden vor allem Grosny und andere größere Städte wie Argun und Gudermes erneuert. Häuser und Straßen, insbesondere entlang der Hauptstraßen in Grosny, Strom- und Gasleitungen, Schulen, Krankenhäuser und Moscheen werden gebaut, auch der Flughafen ist wieder in Betrieb. Hinsichtlich der Frage, ob dabei bloß die Fassaden erneuert wurden oder die Gebäude tatsächlich baulichen Standards entsprechen, gibt es widersprüchliche Berichte. Im Zentrum von Grosny kann die Qualität der Wohnungen jedoch gesichert als gut bezeichnet werden. In den Vororten schreitet der Wiederaufbau langsamer voran, die Menschen leben vor allem in den nicht zerstörten Häusern. Der Bezirk Zavodskoy in Grosny ist jedoch praktisch unbewohnbar, da sich dort eine nunmehr komplett zerstörte Ölfabrik befand. Umso weiter man sich von Grosny entfernt, desto schlechter wird jedoch die Qualität.

Das hauptsächliche Ziel der Behörden ist es, den Bewohnern Tschetscheniens dauerhafte Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und die temporären "Wohnmöglichkeiten" zu schließen. Die Vergabekriterien hinsichtlich der wieder aufgebauten Wohnungen sind nicht ganz klar. Grobe Kriterien stellen der Grad der Zerstörung der bestehenden Wohnmöglichkeit, der Verletzbarkeit des Betroffenen und der regionalen Provinz dar. Die zugeteilten Wohnungen sind jedoch oft zu klein und nicht behindertengerecht adaptiert, was auch für ältere Menschen häufig ein Problem darstellt.

Ein großes Problem stellen Wohnungsmöglichkeiten für junge Familien, die bis dato bei ihren Eltern gelebt haben, dar. Denn diese Personen hatten bisher kein Eigentum und bedürfen deshalb dringend Unterkunft. Darüber hinaus werden soziale Spannungen durch Streitigkeiten um den Wohnungsbesitz zwischen alten Eigentümern, die auf die Wohnung noch einen Anspruch erheben und den neuen Eigentümern, denen die Wohnung zugeteilt wurde, verstärkt.

Durch das Dekret Nr. 404 wurden im Juli 2003 wurden Kompensationszahlungen eingeführt. Personen, deren gesamtes Eigentum zerstört wurde und die sich dazu entschließen, weiterhin in Tschetschenien zu leben, erhalten 350.000 Rubel. Nach Angaben der föderalen Regierung erhielten bis Ende 2004 39.000 Personen Zahlungen. Auf Grund der steigenden Rohstoffpreise ist diese Zahlung jedoch nicht ausreichend, um ein Haus zu errichten oder eine Wohnung anzukaufen. 2005 wurden jedoch die Zahlungen vorübergehend gestoppt. Es gibt auch zahlreiche Berichte über Korruption in Zusammenhang mit dem Kompensationsprogramm, sodass Familien kaum die vollen Zahlungen erhielten. 30-50% mussten an Mittelsmänner bezahlt werden. In Folge wurden Abubakir Baibatyrov, der für die Kompensationszahlungen Verantwortliche, und ein hoher Beamter, Sultan Isakov, verhaftet und angeklagt. Nunmehr kontrolliert Präsident Kadyrow die Zahlungen, die Staatsanwaltschaft geht nach Berichten von Memorial auch gegen die Korruption vor, wobei die Staatsanwaltschaft selbst jedoch eingesteht, dass es nach wie vor Probleme gebe. Es ist geplant, die Zahlungen 2008 abzuschließen, wobei jedoch noch 18.000 Personen auf Auszahlungen warten.

Neben den Regierungsprogrammen gibt es auch eine große Zahl von Wohnortaufbauprogrammen durch NGOs. Seit 2000 wurden in Tschetschenien cirka 20.000 Häuser durch Unterstützung internationaler Organisationen wiederaufgebaut.

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

3.2 Nahrungsversorgung

Die Berichte zur Versorgung mit Nahrungsmitteln sind widersprüchlich. Während das Bundesasylamt davon spricht, dass der Bazar in Grosny eröffnet sei und praktisch alles erwerbbar sei und Probleme hinsichtlich des Zugangs zu Nahrungsmitteln nicht bestehen würden, hat das IKRK seine Aufmerksamkeit weg von Hilfsleistungen hin zum Aufbau von eigenständiger Versorgung gelenkt. So wurden Projekte für die Eröffnung von kleinen Geschäften - z.B. Schuhreparaturwerkstätten, Bäckereien, Verarbeitung von Wolle und Herstellung von Kleidung. Im November 2007 erhielten jedoch noch 15.000 Menschen Lieferungen von Zucker, Öl, Tee, Hygieneartikeln, Bettwäsche und Handtüchern.

Auf Grund zahlreicher Landminen ist es in Tschetschenien nur schwer möglich, Landwirtschaft oder Viehzucht zu betreiben.

Berichten des World Food Programm zu Folge ist die Versorgungslage in Tschetschenien jedoch nach wie vor schlecht. Etwa 80% der Betroffenen würden unter der Armutsgrenze der Russischen Föderation leben. Überdies seien 10% der Kinder akut unterernährt.

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

3.3 Arbeitslosigkeit und soziale Lage

Die Arbeitslosigkeit in Tschetschenien ist trotz des anhaltenden Wiederaufbaues hoch (70-80%). Die Bautätigkeiten werden nämlich oft ohne schriftliche Verträge mit den Arbeitern durchgeführt. Dies führt dazu, dass Löhne nicht ausbezahlt und Sicherheitsvorkehrungen missachtet werden, und dass bei Unfällen keine medizinische Versorgung vorhanden ist. Wiederholt kam es deswegen zu Protesten der Arbeiter, z. B. im Juni 2007.

Weitere Jobs finden sich im Bereich des Handels und der öffentlichen Verwaltung, wobei diese Positionen oft nur gegen Schmiergeldzahlungen erreicht werden können. Eine der stabilsten Arten, sein Einkommen zu verdienen, wenn gleich auch sehr unsicher, ist es, einen Job in den pro-russischen, bewaffneten Formationen anzunehmen.

Löhne und Pensionszahlungen sind auch kaum ausreichend, um davon in Würde zu leben. Entgegen offiziellen Berichten unterhalten die Arbeitslosen auch kaum Unterstützung vom Staat.

Präsident Putin kündigte am 23.06.2008 an, bis 2011 im Rahmen eines föderalen Wiederaufbauprogramms zehntausend neue Arbeitsplätze zu schaffen, wofür 3,28 Milliarden Euro zur Verfügung stehen würden. Die Jamestown Foundation berichtete im April 2008, dass Präsident Kadyrow plane, das Hauptaugenmerk des Wiederaufbaues auf die Entwicklung der Wirtschaft (vor allem Industrie und Landwirtschaft) zu legen.

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik, Tschetschenienkonflikt, Juli 2008

3.4 Medizinische Versorgungssituation

Der Kollaps der medizinischen Versorgung begann sich zu Anfang der 1990er abzuzeichnen. Die beiden Tschetschenienkriege führten schließlich 1996-1999 zu einem völligen Kollaps des Systems.

Der generelle Gesundheitszustand in Tschetschenien ist sehr schlecht. Der hohe Bedarf an ärztlicher Behandlung entsteht zum einen durch tausende Menschen, die nach ihrer Flucht wieder zurückgekehrt sind und unter Kriegsverletzungen leiden. Zum anderen kommt es durch Schießereien, bei Unfällen mit Militärfahrzeugen oder Explosionen von Minen immer noch zu neuen Verletzungen. Auch chronische Lungen-, Nieren- und Herz-Kreislaufleiden sind weit verbreitet, sowie Tuberkulose, um deren Behandlung sich ebenfalls Ärzte ohne Grenzen bemüht. Radioaktive Verstrahlung und deren Folgen sind ein ernstzunehmendes Problem in Tschetschenien (Im Norden und in der Nähe von Vedeno werden illegale Ablagerungsstätten für radioaktives Material vermutet). Gleichzeitig fehlt es an medizinischer Grundversorgung, vor allem im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe, was zu einer hohen Komplikationsrate und Geburt von behinderten Kindern führt.

Lt. Auskunft des russischen Roten Kreuzes sind aber auch in Tschetschenien alle medizinischen Behandlungen - außer solchen, die besonderer "high tech" bedürfen, verfügbar.

Der höchste Level an Gesundheitsversorgung besteht in Grosny. Dort gibt es 11 Krankenhäuser, 21 Polykliniken und 6 Klinken. Es gibt jedoch nur wenig Spezialisten in der Stadt. Pro 10.000 Einwohner gibt es laut Angaben der Regierung Kadyrow nur 24,2 Ärzte für Primärmedizin. Neben dem Wiederaufbau von Gebäuden und Straßen laufen auch Programme zur Sanierung der Gesundheitsversorgung. Auch hier muss noch einiges an Zeit und Geld investiert werden, um die Versorgung sicherzustellen. Die Krankenhäuser kämpfen vor allem mit mangelnder Ausstattung hinsichtlich medizinischer Geräte und Medikamenten, aber auch von Versorgungsleistungen, wie Stromversorgung oder Abwasserbeseitigung. Der Standard der verfügbaren Versorgung hängt jedoch sehr stark von den finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen ab, mittlerweile gibt es jedoch - lt. Auskunft des russischen Roten Kreuzes - auch eine funktionierende öffentliche Krankenversicherung, welche von den Arbeitgebern und den Gemeinden finanziert wird.

Ein 2006 ins Leben gerufenes Programm mit dem Titel "Sdorowje" (Gesundheit) trägt mit Renovierungen von Krankenhäusern, Neueröffnungen von medizinischen Einrichtungen, Beschaffung von Ausstattung und Material und Ausbildung von Personal zur Verbesserung der allgemeinen medizinischen Versorgung bei. Laut Angaben der Regierung von Kadyrow wurden 2007 im Rahmen dieses Projekts 163,221 Millionen Rubel investiert.

Die internationale Gemeinschaft unterstützt Programme, die die Wiederherstellung der Gesundheitsversorgung vorantreiben sollen (dazu näher Inter-Agency Transitional Workplan for the North Caucasus). Die EU, WHO Europa und UNICEF haben 2007 12,7 Millionen Euro in Projekte auf dem Gesundheits- und Ausbildungssektor investiert. Das IKRK stellte seine finanzielle Unterstützung 2008 ein, da diese weitestgehend von der föderalen und lokalen Regierung übernommen wurde. Schulungsmaßnahmen und Hilfsleistungen an das Orthopädiezentrum in Grosny werden jedoch nach wie vor fortgesetzt. Zahlreiche andere NGOs sind in Tschetschenien aktiv. Auch wenn sich die Lage bessert, bleibt der Gesundheitsstandard in Tschetschenien noch immer hinter dem der Russischen Föderation zurück.

Aufgrund der mangelnden Ausstattung ist es üblich, im Falle der Notwendigkeit einer Operation auf Krankenhäuser in der Russischen Föderation (Sochi, Rostov oder Moskau) auszuweichen - in Tschetschenien selbst fehlt es noch an Infrastruktur, Ausrüstung und Spezialisten. So wurden in den ersten Monaten von 2006 1.263 Tschetschenen in Rostov wegen Krebs behandelt.

Die Verschreibung von Medikamenten ist in Russland, wie auch in Osteuropa, populär. Es besteht daher eine hohe Nachfrage, die Medikamente, welche nicht selten abgelaufen sind, teuer machen.

Im Herbst 2007 wurde in Grosny angesichts der steigenden AIDS-Rate ein Zentrum für Prävention und Kontrolle von AIDS eröffnet. Die Verbreitung von HIV erfolgt vor allem über den Gebrauch von infizierten Spritzen, denn mehr als die Hälfte der HIV-Infizierten sind drogensüchtig. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, läuft auch ein Programm zur Bekämpfung von Alkohol- und Drogensucht, in dessen Rahmen Ende 2007 mit Unterstützung der WHO eine Entzugsklinik in Grosny eröffnet wurde, an der 2000 Menschen als drogenabhängig registriert sind. Angesichts der gesellschaftlichen Tabuisierung des Gebrauchs von Drogen könnte allerdings die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher sein.

Fast alle intern Vertriebenen leiden laut Ärzte ohne Grenzen außerdem unter Angstzuständen, Depressionen und/oder Schlaflosigkeit und benötigen dringend psychologische Betreuung, die in Tschetschenien derzeit, mit Ausnahme der Opfer der Vorfälle in Beslan, nicht vorhanden sei. 2007 errichtete jedoch das Danish Refugee Council vier psychosoziale Rehabilitationszentren in Grosny. Nach Informationen von Fiona Corrigan, Schweizer Bundesamt für Migration, sollte es an jeder Schule einen psychologischen Dienst für Kinder geben. Dieser wird jedoch nach ihrem Wissensstand nur an einer Schule in Grosny angeboten.

Accord, Auskunft vom 13.05.2008 zur medizinischen Versorgung und Grundversorgung in Tschetschenien

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Asylländerbericht Russland, 04.09.2007

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins, Februar 2008

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

Auskunft Rotes Kreuz Moskau vom 16.09.2008

3.5 Rückkehrer

Im Dezember 2007 wandte sich Präsident Kadyrow mit einer Ansprache an die im Ausland lebenden Tschetschenen und rief sie zur Achtung ihrer eigenen Gesetze und Kultur, aber auch zu Toleranz gegenüber anderen Nationalitäten auf. Zur Ergänzung wurden an Dutzende tschetschenische Gemeinschaften inner- und außerhalb der Russischen Föderation DVDs, Videos, Fotos und ähnliche Materialien verschickt, die über die positiven Entwicklungen der letzten Jahre informieren sollten. Um seine Landsleute zu einer Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, verspricht der Präsident, alles in seiner Macht stehende zu tun, um ihnen akzeptable Lebensbedingungen zu bieten. Er hebt besonders die fortgeschrittenen Renovierungen der Städte und Dörfer, den Bau von Moscheen, die Einrichtung von Krankenhäusern und die Wiederbelebung des Bildungssektors hervor.

Tatsächlich ist eine Rückkehr nach Tschetschenien aber mit ernsthaften Problemen verbunden. Neben Personen, die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt haben, ziehen nach Informationen von UNHCR vor allem Rückkehrende aus dem Ausland bei ihrer Wiedereinreise an der Grenze automatisch die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes FSB auf sich. Sie werden oft verdächtigt, während ihrer Abwesenheit die Rebellen unterstützt oder im Ausland ein Vermögen angehäuft zu haben, wodurch sie zu Opfern von Erpressung werden. Es gibt keine gesicherten Berichte, ob Rückkehrer verfolgt werden. Frau Dzeitova, Direktorin von VESTA, spricht jedoch davon, dass (freiwillig) Zurückkehrende nicht verfolgt werden und froh seien, dass sie zurückgekommen seien.

Durch die Tschetschenisierung des Konflikts, d. h. die Übertragung der Macht auf Kadyrow und sein Regime, geht die Gewalt weniger von föderativen, sondern überwiegend von den tschetschenischen Behörden aus. Diese stehen mit dem russischen Verteidigungs- und Innenministerium, inklusive FSB, in Verbindung und haben Zugang zu deren Daten, kennen aber auch die relativ kleine Bevölkerung Tschetscheniens sehr gut. Somit ist es deutlich schwieriger geworden, den Machthabenden zu entrinnen.

Accord, Auskunft vom 13.05.2008 zur medizinischen Versorgung und Grundversorgung in Tschetschenien

Asylländerbericht Russland, 04.09.2007

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

4. Frauen und Kinder

Die Situation von alleinstehenden Frauen, die Kinder zu versorgen haben, ist schwierig. Berichten von UNHCR zu Folge vertrauen alleinstehende Frauen vor allem auf den Schutz ihrer Familie. Nach einer Scheidung bzw. dem Tod des Gatten kehren Frauen wieder zu ihrer Familie zurück, wodurch jedoch ein normales Leben nicht gewährleistet wird. Die Moskauer Helsinki Gruppe berichtet davon, dass physisch und psychisch traumatisierte Frauen, die ihre Männer verloren haben, nicht selten entgegen den muslimischen und wajnachischen Traditionen ihrem Schicksal überlassen werden.

Teilweise werden Frauen von Verwandten neuerlich verheiratet, wobei sie jedoch als Bräute zweiter Klasse gelten. Berichten des Online-Service Prague Watchdog zu Folge ist es auch zu einem Anstieg der Polygamie auf Grund des Mangels an Männern in der tschetschenischen Bevölkerung gekommen.

Mangels Arbeitsplätzen sind Frauen enorm von humanitärer Hilfe, Beihilfen und Pensionen abhängig. Teilweise erhalten Tschetscheninnen jedoch keine staatliche Unterstützung, da sie an bürokratischen Hürden scheitern. Selbst wenn die zustehende Pension und das Kindergeld ausbezahlt werden, ist ein Leben davon nicht möglich. Frauen benötigen daher Arbeit, wobei die insgesamt wirtschaftlich angespannte Lage beachtet werden muss. Accord berichtet von der Eröffnung eines Zentrums für Familien- und Kinderbeihilfe in Gudermes am 31.05.2005 sowie von der Errichtung von sieben Sozialhilfezentren für Familien und Kinder im Februar 2007. Laut Magomed Wachajew, Minister für Arbeit und Soziales in Tschetschenien, sei die Republik 2007 erstmals in das föderale Unterstützungsprogramm für einkommensschwache Familien eingebunden worden. Die Höhe der Unterstützung werde nach Bedarf festgelegt, betrage durchschnittlich cirka 14 Rubel. Kinderbeihilfe wird nach dem russischen Gesetz für Kinder unter 16, bei Studenten bis 18, ausbezahlt, die im Haushalt ihrer Eltern leben.

Streitigkeiten in der Folge einer Scheidung und um die Kinder werden traditioneller Weise durch den ältesten Rat gelöst. Die Anrufung des Gerichts ist eher selten. Während die Kinder traditionell beim Vater verbleiben, ist es die Praxis der Gerichte, die Kinder der Mutter zu überlassen.

Das russische Strafrecht kennt den Tatbestand der Vergewaltigung und unterscheidet dabei nicht zwischen Vergewaltigung während aufrechter Ehe und anderen Fällen. Es gibt keine rechtliche Definition für häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung ist nicht strafbar. Obwohl häusliche Gewalt ein großes Problem darstellt, spielte sie in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch kaum eine Rolle. Nach einem auf einer Fact-Finding-Mission beruhenden Bericht der UN-Menschenrechtskommission sind patriarchale Normen und die Bewahrung der Ehre der Familie im tschetschenischen Denken traditionell fest verankert. In Tschetschenien ist die "Lösung" des Problems die Ehe zwischen Täter und Opfer. Über häusliche und sexuelle Gewalt zu sprechen, sei tabu.

Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen internationaler Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten für 2007 weiterhin von extralegalen Tötungen der Zivilbevölkerung während Operationen der Sicherheitskräfte. So sollen nach Angaben von Memorial am 24.03.2007 Militärangehörige auf drei Frauen in Urduchaja, Gebiet Schatoi geschossen haben, von denen eine ums Leben gekommen sein soll, während die beiden anderen schwer verletzt worden seien.

Nach offiziellen Angaben gibt es in Tschetschenien 458 Schulen, wovon sich 356 in ländlichen Gebieten befinden. Es gibt 19 weiterbildende Schulen und in Grosny 3 öffentliche Universitäten -staatliche Universität, pädagogisches Institut, und das nach Professor Millonshchikov benannte Grosny Ölinstitut - sowie zwei private Universitäten - das Open Humanitarian Institute und das tschetschenische Institut für Wirtschaft und Management.

Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich, findet jedoch unter schwierigen Bedingungen statt. Laut Angaben der UNO unterrichten in Sekundarschulen inzwischen 13.000 Lehrer, was ungefähr dem Vorkriegsniveau entspricht, doch findet der Unterricht in 152 Schulen weiterhin in provisorischen Unterkünften statt. Schüler in manchen Bezirken besitzen nur ca. 10% der benötigten Schulbücher. Zum 31.07.2007 besuchten laut Angaben von UNICEF 214.175 Kinder den Unterricht.

Accord Auskunft vom 05.09.2007 zur Situation von geschiedenen und vom Ehemann getrennten Frauen; mögliche Reaktionen seitens des Mannes, der Familie, der Gesellschaft; Gewalt gegen Frauen und Schutzmöglichkeiten

Accord Auskunft vom 30.08.2007 zu Frage, ob es staatliche Unterstützungen für Halbwaisen und Witwen und Notstandshilfe oder vergleichbare Sozialleistungen in der RF gibt und ob die Ausbezahlung auch in Tschetschenien erfolgt

Asylländerbericht Russland, 04.09.2007

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008

5. Innerstaatliche Fluchtalternative

Außerhalb der tschetschenischen Republik ist die Registrierung von Tschetschenen immer ein großes Problem.

Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge in den Übergangsunterkünften in der russischen Teilrepublik Inguschetien sind unter allen Aspekten schwierig. Inguschetien und das russische Katastrophenschutzministerium können nur ein Mindestmaß an humanitärer Hilfe leisten und sind mit der Versorgung der Flüchtlinge überfordert. Hinzu kommt die sich in Inguschetien im Vergleich zu den letzten Jahren rapide verschlechternde Sicherheitslage. Zwar richten sich die meisten Angriffe auf Sicherheitskräfte, doch berichtet UNHCR von Übergriffen auf Arbeitsmigranten in Inguschetien. Die Situation in Dagestan ist ebenso schlimm, sodass in diesen beiden Nachbarrepubliken nach Einschätzung des UNHCR nicht vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden kann.

Die Lage der Tschetschenen in der übrigen Russischen Föderation hat sich nicht verbessert. Die Russische Regierung benützt nach wie vor ihre eigene Definition der "Zwangsmigranten", anstelle des UNO-Begriffs IDP. Ersterer muss von einer Region der Föderation in eine andere migriert sein, womit alle innerhalb von Tschetschenien Vertriebenen ausgeschlossen sind. Außerdem gehören Opfer von Menschenrechtsverletzungen, von Übergriffen durch Sicherheitskräfte, etc. nicht zu den "Zwangsmigranten". Russland hat bisher 13.000 ethnische Russen, Armenier und Juden aus Tschetschenien als "Zwangsmigranten" anerkannt. Ethnischen Tschetschenen wird dieser Status jedoch systematisch verweigert. Nur "Zwangsmigranten" können jedoch legal arbeiten oder Grundstücke erwerben und nur sie haben Zugang zum Gesundheits- und Bildungswesen, sowie zu Altersrenten.

Artikel 27 der russischen Verfassung garantiert jedem Bürger das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht seinen Wohnort zu wählen. Dieses Recht kann jedoch durch einfache Gesetze gemäß Artikel 55, der Verfassung beschränkt werden. Das aus Sowjetzeiten stammende sogenannte "Propiska"-System, nachdem an jedem neuen Wohnort ein Registrierungsgesuch eingereicht werden musste, ist offiziell abgeschafft worden. An die Stelle des Propiska-System ist die Benachrichtigung der Behörden über die Wohnsitznahme getreten (Gesetz Nr. 5242-1) wobei zwischen vorübergehendem (bis zu 90 Tagen) und permanentem Wohnsitz unterschieden wird. Zur Registrierung muss ein Inlandsreisepass und ein Kauf- bzw. Mietvertrag vorgelegt werden, wobei Tschetschenen bei der Wohnungssuche auf Grund der vorherrschenden Ressentiments benachteiligt sind. Faktisch wird jedoch das Propiska System, entgegen den Entscheidungen des russischen Verfassungsgerichtshofes, weiterhin angewendet bzw. die Registrierung eines vorübergehenden Wohnsitzes verweigert. Grundsätzlich betrifft dies zwar alle Einwohner, Tschetschenen sind jedoch überproportional stark diskriminiert, indem ihnen oft die Niederlassung verweigert wird. Die Anmeldung ist jedoch Voraussetzung für Zugang zum Arbeitsmarkt, Schulbildung, Gesundheitsversorgung und anderen sozialen Rechten. Menschen, die sich illegal aufhalten haben auch ein größeres Risiko, bei Ausweiskontrollen belästigt zu werden.

In den Regionen Moskau, Krasnador und Kabardino-Balkaria bestehen überdies (verfassungswidrige) Gesetze, die die Freiheit der Wohnsitzwahl beschränken. Nach einem Bericht des russischen Generalbevollmächtigten für Menschenrechte, Oleg Mironov, vom 15.9.2000, war die Ankunft aus einer anderen Region bzw. einem anderen Staat ohne vorangehende Bindung an die Region, in der sich der Betroffene nunmehr niederlassen will, einer der häufigsten Gründe, die Registrierung zu versagen.

Svetlana Gannuskina, die Leiterin der Organisation "Migration und Recht" und Mitglied von "Memorial", kommt deshalb in ihrem jüngsten Bericht wiederholt zum Schluss: "In der Tschetschenischen Republik gibt es keinen minimalen Schutz für die Bewohner. Für aus Tschetschenien stammende Menschen gibt es in Russland keine inländische Fluchtalternative. [...] Ich bin davon überzeugt, dass jeder aus Russland kommende Tschetschene die Voraussetzung zur Gewährung des Flüchtlingsstatus nach Artikel 1 der Konvention der UNO von 1951 hat, da er in Russland nicht vor Diskriminierung und Willkür geschützt wird".

UNHCR lehnt nach wie vor generell eine inländische Fluchtalternative von Tschetschenen in der Russischen Föderation ab(Joe Hegenauer, Tschetschenien Workshop von ACCORD, Wien, 18.10.2007 aber auch Marciela Daniel, EURASIL Workshop, Brüssel, 14.10.2008)

Die Ausstellung von Registrierungsdokumenten ist oftmals (auch für Nicht-Tschetschenen) nur gegen Bestechung möglich. Allgemein wurde die Informationslage über diese Frage (Lebensbedingungen von Tschetschenen in anderen Teilen der Russische Föderation) als nicht ausreichend angesehen.

Der Umstand, dass zahlreiche Tschetschenen bei der Flucht aus der Heimat vor 1997 ihre Rentenberechtigungsscheine nicht mitgenommen haben, berauben praktisch alle Rentner und Invaliden aus Tschetschenien der Möglichkeit, ihre Rente ausbezahlt zu bekommen.

Informationen über Suche nach Arbeitskräften und erleichterte Aufnahme von Neuankömmlingen stehen solche über Ablehnung "kaukasischer" Personen (die auch politisch instrumentalisiert wird) entgegen.

Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Anweisungen der russischen Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen bekannt geworden. Demgegenüber berichten russische Menschenrechtsorganisationen von einer verschärften Kampagne der Miliz gegen Tschetschenen, bei denen einziges Kriterium die ethnische Zugehörigkeit sei. Personenkontrollen auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) seien verschärft worden. Die Terroranschläge im August 2004 (Absturz zweier Flugzeuge in Südrussland, Sprengstoffanschläge an einer Bushaltestelle und am Rigaer Bahnhof in Moskau) und die Geiselnahme in der Schule von Beslan/Nordossetien, am 01. September 2004 haben diesen Druck noch weiter erhöht, zumal die Sicherheitsbehörden befürchten, dass weitere Selbstmordattentäter eingeschleust werden.

Die Bevölkerung begegnet Tschetschenen größtenteils mit Misstrauen. Hier wirken sich latenter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Teilen der russischen Bevölkerung und insbesondere die negative Wahrnehmung der Tschetschenen aus. Berichte über Kontakte der tschetschenischen Rebellen zu den Taliban und Osama Bin Laden, die Geiselnahme 2002 in Moskau und die Anschläge 2004 haben dies noch verstärkt

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen. Dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten sowie die Möglichkeit der Kontaktierung von NGOs eine Rolle. Nicht registrierte Tschetschenen können allenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können. Für arbeitsfähige Menschen hat sich die Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt in anderen Teilen Russlands jedoch erhöht. Das Risiko, zum Opfer von Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen zu werden, ist im Regelfall höher als bei anderen Ethnien. Die Schwere solcher Risiken ist im Einzelfall zu prüfen. Direkte staatliche Repression nur in Folge einer Asylantragstellung konnte bei Tschetschenen bisher nicht nachgewiesen werden.

Das deutsche Bundesverwaltungsgericht sieht eine inländische Fluchtalternative an einem verfolgungsfreien Ort dann als gegeben an, wenn die betreffende Person an diesem Ort durch eigene (allenfalls wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende) Arbeit oder durch Zuwendungen von dritten Seite - allenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten - das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann (Beschluss v. 21.5.2003, BVerwG 1 B 298.02). Nicht zumutbar ist hingegen eine entgeltliche Erwerbstätigkeit für kriminelle Organisationen, die in der fortgesetzten Begehung oder der Teilnahme an Verbrechen besteht (Beschluss v. 17.5.2006, BVerwG 1 B 100.05).

Eine zumutbare Fluchtalternative liege dann vor, wenn die Person am Ort der Fluchtalternative - auch ohne förmliche Gewährung eines Aufenthaltsrechtes und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen in zumutbarer Weise - etwa im Rahmen des Familienverbandes (oder der sog. "Schattenwirtschaft") ihre Existenz sichern kann. Ein Leben in Illegalität, das jederzeit die Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung in sich birgt, stellt hingegen keine zumutbare Fluchtalternative dar (Urteil v. 1.2.2007, BVerwG 1 C 24.06).

Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht sieht eine Rückkehr in die Russischen Föderation - ganz allgemein - auch für Tschetschenen (die eine persönliche Verfolgung nicht glaubhaft machen können) für zumutbar an, weil dort kein Bürgerkrieg herrscht und auch nicht von einer Situation allgemeiner Gewalt nicht gesprochen werden kann (Urteil vom 18.5.2007, D-5420/2006).

Accord Auskunft vom 13.09.2005 zur Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus

Accord und UNHCR, Summary of the Accord-UNHCR country of origin information seminar, 18.10.2007

Asylmagazin, Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, März 2008

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien, vom 13.01.2008

Bundesasylamt, Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch II, Februar 2008

Bundesasylamt, Mitschrift des Besuches von Frau Leila Dzeitova (Direktorin von VESTA)

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008

römisch II.4.1. Die Identität der Beschwerdeführerin (römisch II.3.1.) konnten Mangels Vorlage von Identitätsdokumenten im Asylverfahren nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit beruhen auf der Sprache und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Asylverfahren.

römisch II.4.2. Die Feststellungen zum Ausreisegrund der Beschwerdeführerin (römisch II.3.2.) beruhen auf dem insgesamt glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten während des Asylverfahrens.

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH E vom 25.03.1999, Zl. 98/20/0559).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH E vom 24.06.1999, Zl. 98/20/0453; VwGH E vom 25.11.1999, Zl. 98/20/0357).

Das Bundesasylamt geht in seinem Bescheid im Wesentlichen zusammengefasst von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Asylwerberin aus.

Der Asylgerichtshof geht nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, ebenso wie das Bundesasylamt, davon aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin glaubhaft sind. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung zu ihren Ausreisegründen war insgesamt plausibel und wies keine Widersprüche auf.

römisch II.4.3. Die Feststellungen zur aktuellen Lage für Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (römisch II.3.3.) beruhen auf dem in der Beschwerdeverhandlung vom 09.12.2008 zitierten Dokumentationsmaterial (Verhandlungsschrift, Seite 12f):

¿ Russische Föderation, Tschetschenien: Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus; Organisationen, die Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus unterstützen (Accord Anfragebeantwortung für das Bundesasylamt, Zahl a-4495, vom 13. September 2005)

¿ Russische Föderation, Tschetschenien: Gibt es staatliche Unterstützung für Halbwaisen und

Witwen und Notstandshilfe oder vergleichbare Sozialleistungen in der RF, und erfolgt die

Ausbezahlung auch in Tschetschenien? (Accord Anfragenbeantwortung für die Staatendokumentation des Bundesasylamtes, Zahl a-5603-1, vom 30.08.2007)

¿ Asylländerbericht Russland (Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten vom 04.09.2007)

¿ Tschetschenien: Situation von geschiedenen und vom Ehemann getrennten Frauen; mögliche Reaktionen seitens des Mannes, der Familie, der Gesellschaft; Gewalt gegen Frauen; Schutzmöglichkeiten (Anfragebeantwortung Accord, Zahl a-5639, vom 05.09.2007)

¿ Chechnya Summary of the Accord- UNHCR Country of Origin Information Seminar Vienna, 18 October 2007 (published April 2008)

¿ Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2007 (Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland vom 13.01.2008)

¿ Chechen Republic: Information about the country and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch eins General Information (Bundesasylamt, February 2008)

¿ Situation in Chechnya and situation of Chechens in the Russian Federation Part römisch II Freedom of Movement (Bundesasylamt, February 2008)

¿ Russia Country Reports on Human Rights Practices - 2007 Released by the Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor (U.S. Department of State, March 11, 2008)

¿ Schwerpunkt: Tschetschenien - Tschetschenien Anfang 2008 - Eine Auswertung aktueller Informationen, Ruth Altenhofer, Wien (Asylmagazin vom 31.03.2008)

¿ Protokoll des Besuches der Präsidentin der interregionalen Nichtregierungsorganisation VESTA (Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan), Leyla Dzeitova am 31.03.2008, beim Unabhängiger Bundesasylsenat, 1100 Wien

¿ Tschetschenien: Medizinische Versorgung und Grundversorgung (Anfragebeantwortung Accord, Zahl a-6070-5, vom 13. Mai 2008)

¿ Country Profile: Russia (FCO Foreign and Commonwealth Office U.K. last reviewed

20 May 2008)

¿ Russische Föderation Menschenrechtslage und Politik Tschetschenienkonflikt Informationszentrum Asyl und Migration (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Bundesrepublik Deutschland, Juli 2008)

¿ Auskunft von römisch XXXX (Rotes Kreuz Moskau, vom 16. September 2008)

Die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben keine Einwände gegen die Heranziehung der ihnen in der Verhandlung vor dem zur Entscheidung berufenen Senat des Asylgerichtshofes zur Kenntnis gebrachten Informationsquellen erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen großteils von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Die inhaltlich übereinstimmenden Länderberichte befassen sich mit der aktuellen Lage für Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen in der Russischen Föderation.

römisch II.5. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, 1. Satz AsylG 1997 begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl.

Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich infolge von vor dem 01. Jänner 1951 eingetretenen Ereignissen aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß Paragraph 7, AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung

(Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in

Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Zentraler Aspekt der dem Paragraph 7, AsylG 1997 zugrundeliegenden, in

Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 19.04.2001, Zl. 99/20/0273).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0312, zur Gefahr einer "Sippenhaftung" ausführte, entspräche diese Form der "stellvertretenden" (oder - in anderen Fällen - zusätzlichen) Inanspruchnahme eines Familienmitgliedes dem Modell des - oft als "Sippenhaftung" bezeichneten - "Durchschlagens" der Verfolgung eines Angehörigen auf den Asylwerber, wobei in den hier in der Praxis im Vordergrund stehenden Fällen eine Verfolgung des Angehörigen wegen politischer Aktivitäten für die Asylrelevanz dieses "Durchschlagens" nicht gefordert wird, dass der potentielle Verfolger auch dem Asylwerber eine entsprechende politische Gesinnung unterstellt. Die Rechtsgrundlage für das Absehen vom Erfordernis einer dem Asylwerber selbst zumindest unterstellten politischen Gesinnung in den Fällen der "Sippenhaftung" ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in der Anerkennung des Familienverbandes als "soziale Gruppe" gemäß Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK in Verbindung mit Paragraph 7, AsylG zu sehen.

Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, etwa jener der Familie, liegt (VwGH E vom 14.01.2003, Zl. 2001/01/0508-7).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH E vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Auf Grund der aktuellen Lage in der Russischen Föderation (siehe Länderfeststellungen römisch II.3.3.) ist derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass der Lebensgefährte und Vater der beiden Kinder der Beschwerdeführerin im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wegen der Unterstützung von tschetschenischen Widerstandskämpfern, zumindest weiteren schwersten körperlichen Misshandlungen von russischen Soldaten und Mitarbeitern Kadyrows, ausgesetzt wäre oder sogar um sein Leben fürchten muss. Weiters ist nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin, sollte sie den Aufenthaltsort ihres Lebensgefährten nicht bekannt geben (können), körperlichen Übergriffen russischer Soldaten und Mitarbeitern Kadyrows ausgesetzt wäre.

Wegen der konkreten Gefährdung der Beschwerdeführerin in Verbindung mit den Länderfeststellungen (römisch II.3.3. Pkt. 5) konnte in ihrem Fall keine innerstaatliche Fluchtalternative im Herkunftsstaat ermittelt werden.

Die Beschwerdeführerin hat somit glaubhaft machen können, dass ihr in ihrem Herkunftssaat Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einem Familienverband als "soziale Gruppe" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht. Es sind keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigung- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.

Gemäß Paragraph 12, AsylG 1997, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 101 aus 2003,, ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund Asylantrages Asyl gewährt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.