Erlässe der Bundesministerien

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ERL_BMJ_20150218_BMJ_S884_043_0002_IV_3_2014

Bundesministerium

Bundesministerium für Justiz

Genehmigungsdatum

18.02.2015

Inkrafttretensdatum

18.02.2015

Typ

Erlass

Geschäftszahl

BMJ-S884.043/0002-IV 3/2014

Fundstelle

eJABl Nr. 10/2015

Norm

StVG §133a
  1. StVG § 133a heute
  2. StVG § 133a gültig ab 01.01.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2013
  3. StVG § 133a gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 142/2009
  4. StVG § 133a gültig von 18.06.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2009
  5. StVG § 133a gültig von 01.01.2008 bis 17.06.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2007

Titel

Erlass vom 18. Februar 2015 über die Entscheidung des EuGH vom 19. September 2013 in der Rechtssache Filev und Osmani, C-297/12 – Auswirkungen auf Entscheidungen nach § 133a Abs. 1 StVG

Text

 

 

 

Das Bundesministerium für Justiz bringt die Entscheidung des EuGH vom 19. September 2013 in der Rechtssache Filev und Osmani, C-297/12, zur Kenntnis und weist auf die damit verbundenen Auswirkungen auf Entscheidungen über das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach Paragraph 133 a, Absatz eins, StVG hin.

römisch eins. Entscheidung des EuGH vom 19. September 2013 in der Rechtssache Filev und Osmani, C-297/12

Der Entscheidung liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Laufen (Deutschland) zugrunde, welches mehrere Fragen zur Auslegung des Artikel 11, Absatz 2, der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 2008/348, 98; in der Folge: Rückführungs-RL) zum Gegenstand hat.

Im Zusammenhang mit justiziellen Belangen wird insbesondere auf die Beantwortung der ersten beiden Fragen hingewiesen, welche die Verbindung von Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot von höchstens fünf Jahren nach Artikel 11, Absatz eins und 2 der Rückführungs-RL behandeln.

Im Anschluss an frühere Entscheidungen hält der EuGH zunächst fest (Rz 36 f), dass ein Verstoß gegen ein Einreiseverbot nur insoweit strafrechtlich geahndet werden dürfe, als das Einreiseverbot mit der Höchstdauer von fünf Jahren vereinbar sei.

In den beiden Ausgangsfällen seien die Einreiseverbote lange vor der Rückführungs-RL und unbefristet erlassen worden (Filev: 1992; Osmani: 1999). Dazu führt der EuGH aus, dass:

-   die Rückführungs-RL keine Übergangsbestimmungen enthalte (Rz 39);

-   der Grundsatz gelte, dass eine neue Vorschrift, soweit nichts Abweichendes bestimmt sei, unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts gelte, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden sei (Rz 40);

-   aus diesem Grund die Rückführungs-RL auf nach dem Zeitpunkt, ab dem sie in dem betreffenden Mitgliedstaat anwendbar war, eingetretene Wirkungen von Einreiseverboten, die gemäß den vor diesem Zeitpunkt geltenden innerstaatlichen Vorschriften erlassen worden sei, anzuwenden sei (Rz 41);

-   folglich die Wirkungen unbefristeter Einreiseverbote, die vor dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der Rückführungs-RL verhängt wurden, über die Höchstdauer des Verbots hinaus nicht aufrecht erhalten werden dürften (Rz 44), weswegen auch keine strafrechtliche Sanktion für einen Verstoß verhängt werden dürfe (Rz 45).

In Rahmen der Beantwortung der vierten Frage geht es darum, dass Artikel 2, Absatz 2, der Rückführungs-RL den Mitgliedstaaten freistellt zu beschließen, diese nicht auf jene Drittstaatsangehörige anzuwenden, die aufgrund oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind; dies wäre bei Osmani der Fall gewesen (Verurteilung wegen Drogenhandels).

Die Rückführungs-RL war bis 24. Dezember 2010 umzusetzen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sie jedoch erst mit Gesetz vom 22. November 2011 umgesetzt (Rz 8). In diesem Gesetz wurde von der in Artikel 2, Absatz 2, eingeräumten Möglichkeit, die Anwendung der Rückführungs-RL auf strafrechtlich verurteilte Drittstaatsangehörige auszuschließen, Gebrauch gemacht.

Durch diese verspätete Umsetzung könne, dem EuGH folgend, einem Drittstaatsangehörigen nicht mehr entgegenhalten werden, dass die Rückführungs-RL auf ihn nicht mehr anwendbar sei. Dieser habe mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist bereits die Rechtsposition erlangt, dass sein Einreiseverbot auf fünf Jahre begrenzt ist; eine nachträgliche gesetzliche Regelung, wie in der Bundesrepublik Deutschland, bedeute eine Verschlechterung seiner Rechtsposition (Rz 52 ff).

Im Übrigen wird zum Sachverhalt und zu den Rechts- und Vorlagefragen auf die diesem Erlass im Anhang im Volltext angeschlossene Entscheidung des EuGH verwiesen.

römisch II. Auswirkungen auf Entscheidungen nach Paragraph 133 a, StVG

Die Rückführungs-RL wurde von Österreich durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011) umgesetzt, welches am 1. Juli 2011 in Kraft getreten ist. Die Umsetzung war folglich ebenso verspätet wie jene der Bundesrepublik Deutschlag im Anlassfall.

Dies bedeutet für die österreichische Rechtslage im Zusammenhang mit vor Ablauf der Umsetzungsfrist erlassenen unbefristeten Aufenthalts- und Rückkehrverboten Folgendes:

Für den Zeitraum zwischen Ablauf der Umsetzungsfrist der Rückführungs-RL bis zum Inkrafttreten des FrÄG 2011 war die Rückführungs-RL in Österreich unmittelbar anwendbar. Daher dürfen die Wirkungen unbefristeter Aufenthalts- oder Rückkehrverbote, die vor dem 1. Juli 2011 erlassen wurden, über die in der Rückführungs-RL vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren hinaus nicht aufrechterhalten werden.

Durch die verspätete Umsetzung in die österreichische Rechtsordnung ist eine rückwirkende Normierung der Weitergeltung von an sich vor der tatsächlichen Umsetzung erlassenen (auch unbefristeten) Einreiseverboten über die Höchstdauer von fünf Jahren hinaus nicht möglich, weil die Betroffenen durch die verspätete Umsetzung mit Ablauf der Umsetzungsfrist eine Rechtsstellung erlangten, die ihnen rückwirkend nicht mehr aberkannt werden kann.

Entscheidungen über das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach Paragraph 133 a, Absatz eins, StVG nehmen auf Einreise- oder Aufenthaltsverbote Bezug, über die in erster Instanz das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu entscheiden hat.

Nach Paragraph 133 a, Absatz eins, StVG kommt für eine verurteilte Person ein Absehen vom Strafvollzug in Betracht, wenn

  1. Ziffer eins
    gegen sie ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht,
  2. Ziffer 2
    sie sich bereit erklärt, ihrer Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 17, AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass sie dieser Verpflichtung auch nachkommen wird, und
  3. Ziffer 3
    der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen.

Es kommt demnach nicht darauf an, aus welchem Grund das Einreiseverbot besteht.

Paragraph 133 a, Absatz 5, letzter Satz StVG regelt weiters: „Kommt der Verurteilte seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder kehrt er während der Dauer des Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet zurück, so ist er von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wieder in Haft zu nehmen und in die nächstgelegene Justizanstalt zu überstellen.

Da zentral nicht erhoben werden kann, in wie vielen Fällen der Entscheidung über das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach Paragraph 133 a, Absatz eins, StVG ein Einreiseverbot mit einer Höchstdauer von mehr als fünf Jahren zugrunde liegt, wird empfohlen, eine Überprüfung der Entscheidungen durchzuführen und gegebenenfalls das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Hinweis auf die Entscheidung des EuGH und der auch in Österreich verspätet vorgenommenen Umsetzung der Rückführungs-RL zu verständigen.

Sollte eine Änderung des Bescheids/Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens nicht möglich sein, wird – vorbehaltlich der unabhängigen Rechtsprechung – angeregt, die zugrundeliegende Freiheitsstrafe im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des EuGH in europarechtskonformer Auslegung des Paragraph 133 a, Absatz 6, StVG als vollzogen zu erachten. Auf die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens nach Artikel 267, AEUV wird ausdrücklich hingewiesen.

Zum Zweck der Überprüfung ist als Anhang eine Auswertung aus der VJ angeschlossen, aus der sich sämtliche Entscheidungen über das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach Paragraph 133 a, Absatz eins, StVG seit dessen Inkrafttreten am 1. Jänner 2008 bis zum Inkrafttreten des FrÄG 2011 am 1. Juli 2011 ergeben.

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2015

Dokumentnummer

ERL_BMJ_20150218_BMJ_S884_043_0002_IV_3_2014

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