Bundesverwaltungsgericht (BVwG)

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Entscheidungstext W282 2304337-1

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Erkenntnis

Geschäftszahl

W282 2304337-1

Entscheidungsdatum

20.03.2025

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W282 2304341-1/9E

W282 2304338-1/9E

W282 2304337-1/9E

W282 2304340-1/9E

W282 2304335-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerden

1.       des römisch 40 , geboren am römisch 40 , gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2024, Zl. römisch 40 (W282 2304341-1),

2.       der römisch 40 , geboren am römisch 40 , gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2024, Zl. römisch 40 (W282 2304338-1),

3.       der mj. römisch 40 , geboren am römisch 40 , gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2024, Zl. römisch 40 (W282 2304337-1),

4.       der mj. römisch 40 , geboren am römisch 40 , gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2024, Zl. römisch 40 (W282 2304340-1) sowie

5.       der mj. römisch 40 , geboren am römisch 40 , gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2024, Zl. römisch 40 (W282 2304335-1),

alle Staatsangehörige der Arabischen Republik Syrien, alle vertreten durch die alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.03.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin werden gem. Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraphen 3,, 34 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen (in der Folge alle gemeinsam bezeichnet als: die „Beschwerdeführer“) reisten in das Bundesgebiet ein und stellten jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 11.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 12.09.2022 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Im Zuge seiner Erstbefragung gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen und habe keine weiteren Fluchtgründe.

Die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Dritt-, Viert- und der Fünftbeschwerdeführerinnen stellten am 01.08.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der am selbigen Tag stattgefundenen Erstbefragungen zu ihren Fluchtgründen befragt, gaben die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen im Wesentlichen an, der Erstbeschwerdeführer hätte in den Krieg ziehen müssen, jedoch nicht sterben und niemanden töten wollen. Die Viertbeschwerdeführerin nannte den Krieg als Fluchtgrund.

2. Am 15.07.2024 wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen.

Der Beschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, er werde seit dem Jahr 2014 von der Militärbehörde gesucht, weil er seinen Reservedienst ableisten müsse. Aus diesem Grund habe er Aleppo verlassen und sei nach Qabasin gezogen, wo er in einer Aluminiumfabrik eines Verwandten gearbeitet und diese auch gemanagt habe. Nachdem sein Name, unter Behauptung der Beschwerdeführer sei Mitglied einer bewaffneten Gruppierung, von dem vorherigen Manager an die syrischen Sicherheitsbehörden weitergeleitet worden sei, habe er Syrien verlassen. Der Beschwerdeführer wolle nicht kämpfen und nicht getötet werden.

3. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 08.10.2024 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen und gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, Syrien verlassen zu haben, weil ihr Mann wegen dem Reservedienst gesucht worden sei. Zunächst sei die Familie nach Qabasin gezogen und schließlich aufgrund der Sicherheitslage in die Türkei geflohen. Die Dritt-, Viert- und die Fünftbeschwerdeführerin hätten keine eigenen Fluchtgründe.

4. Mit den gegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes vom 31.10.2024 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gem. Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.) und allen Beschwerdeführern der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien gem. Paragraph 8, Absatz eins, zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Den Beschwerdeführern wurde gem. Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsdauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

5. Die Beschwerdeführer erhoben am 09.12.2024 fristgerecht Beschwerde gegen jeweils Spruchpunkt römisch eins. der oben angeführten Bescheide, in welcher im Wesentlichen deren inhaltliche Rechtswidrigkeit, unrichtige rechtliche Beurteilung sowie die Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht wurden.

6. Am 13.12.2024 wurden die Beschwerden mitsamt der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Mit Schreiben vom 05.02.2025 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Ladung zur Verhandlung.

8. Am 04.03.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und im Beisein der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer im gegenständlichen Familienverfahren iSd Paragraph 34, AsylG 2005 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurden. Auf eine Einvernahme der Dritt-, Viert- und der Fünftbeschwerdeführerin wurde zum einen aus Altersaspekten und mangels Vorbringens eigener Fluchtgründe durch deren gesetzlichen Vertreter verzichtet. Das Bundesamt blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

9. Im Anschluss an die Verhandlung wurde die Niederschrift dem Bundesamt zur Kenntnis übermittelt.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, die Ehe wurde im Jänner des Jahres 2008 in der Stadt Aleppo im gleichnamigen syrischen Gouvernement geschlossen. Die Dritt-, Viert und die Fünftbeschwerdeführerin sind die Töchter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Alle sind Staatsangehörige der Arabischen Republik Syrien, Angehörige der Volksgruppe der Araber und sunnitische Moslems. Ihre Muttersprache ist Arabisch.

Alle Beschwerdeführer sind (grundsätzlich) gesund. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweit, Dritt und die Viertbeschwerdeführerin sind strafrechtlich unbescholten.

1.1. Zum Erstbeschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer wurde in der in Bab al-Nayrab (auch: Bab an-Nayrab), einem Stadtteil der Stadt Aleppo im gleichnamigen syrischen Gouvernement geboren., in welcher er – mit einer zweijährigen Unterbrechung zur Absolvierung seines Militärdienstes – bis zu seinem Umzug in den Ort Qabasin (auch: Kabasin), nahe der Stadt Al-Bab, Anfang des Jahres 2014 lebte. Anfang des Jahres 20218 verließ der Erstbeschwerdeführer Qabasin, um mitsamt seiner Familie aus Syrien in die Türkei auszureisen. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in der Türkei reiste der Erstbeschwerdeführer in Richtung Österreich aus.

Der Erstbeschwerdeführer hat den Beruf des Schneiders erlernt und war während seiner Zeit in Aleppo und in der Türkei als solcher tätig. In Qabasin arbeitete der Erstbeschwerdeführer in einer Aluminiumfabrik eines Verwandten.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers lebt ebenso wie drei seiner Brüder und drei seiner Schwestern nach wie vor in Syrien. Ein weiterer Bruder lebt in der Türkei. Der Erstbeschwerdeführer steht zu seinen Familienangehörigen in Kontakt.

1.1.2. Zur Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in der Stadt Aleppo geboren und lebte dort bis 2014. Seit ihrer Hochzeit im Jahr 2008 bis 2014 lebte sie mit ihrem Ehemann im Bezirk Salah ad-Deen (auch: Salaheddine). Anschließend lebte sie vier Jahre mit Qabasin, bevor sie im Jahr 2018 in die Türkei ausreiste. Nach einem sechsjährigen Aufenthalt in der Türkei reiste sie im Jahr 2024 mit ihren Töchtern in Richtung Österreich aus.

Die Eltern sowie zwei Schwestern und ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin leben in Syrien, ein weiterer Bruder ist in Deutschland aufhältig. Die Beschwerdeführerin hat Kontakt zu ihren in Syrien wohnhaften Familienangehörigen.

1.1.3. Zur Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin:

Die Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer sind die minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers und Zweitbeschwerdeführerin. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin wurden in Aleppo geboren, die Fünftbeschwerdeführerin in der Türkei.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

2.2.1. Sowohl der Herkunftsort der Beschwerdeführer, der Stadtteil Salah ad-Deen in Aleppo, als auch deren späterer Wohnort Qabasin, befinden sich im Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle der von ehemaligen Anführern der HTS (Hay’at Tahrir al-Sham) geleiteten syrischen Übergangsregierung.

2.2.2. Der Erstbeschwerdeführer ist nicht ins Blickfeld etwaiger bewaffneter Konfliktparteien geraten und war in Syrien nicht politisch tätig.

2.2.3. Der Erstbeschwerdeführer ist nicht aufgrund eines behaupteten Mordes durch seinen Cousin in einen Konflikt zwischen Familienstämmen verwickelt und wird in diesem Zusammenhang nicht von den Hinterbliebenen eines von diesem Getöteten gesucht, es droht ihm keine „Blutrache“.

2.2.4. Den Beschwerdeführern droht in der Arabischen Republik Syrien sohin aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung. Den Beschwerdeführern wird von der nunmehr in Syrien herrschenden HTS keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Verfahren wurden ua. die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024 (in jenen Teilen, die nicht vom Sturz des Assad-Regimes betroffen sind)

-        ETANA: Syria Updates: laufende Updates; https://etanasyria.org/category/military/

-        UNHCR: Regional Flash Update #1 - #16, Syria situation crisis, 09.12.2024 – laufend; https://reporting.unhcr.org/operational/situations/syria-situation,

-        UNHCR: POSITION ON RETURNS TO THE SYRIAN ARAB REPUBLIC, Dezember 2024; https://www.refworld.org/policy/countrypos/unhcr/2024/en/149254

-        Kurzinformation der Staatendokumentation: SYRIEN Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024, 10.12.2024

-        Ecoi.net Dossier Syrien - Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad; https://www.ecoi.net/de/laender/arabische-republik-syrien/themendossiers/informationssammlung-zu-entwicklungen-zum-sturz-von-praesident-assad/

-        https://www.dw.com/de/syrien-hts-rebellen-sollen-teil-staatlicher-armee-werden/a-71077838; 17.12.2024

-        https://www.deutschlandfunk.de/rebellen-verkuenden-amnestie-fuer-soldaten-114.html; 14.12.2024

-        https://www.theguardian.com/world/2024/dec/17/ahmed-al-sharaa-syria-hts-rebel-group-leader-factions-disbanded, 17.12.2024

1.3.1. Kurzinformation der Staatendokumentation: SYRIEN Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024, 10.12.2024

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von

Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:

Quelle: AJ 8.12.2024

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024).

Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij

ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure nach der Machtübernahme durch die Oppositionsgruppierungen:

Quelle: AJ 8.12.2024

Die untere Karte zeigt die Gebietskontrolle der Akteure mit Stand 10.12.2024:

Quelle: Liveu 10.12.2024

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vergleiche Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassenwurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

•Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

•National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die FreieNächster Suchbegriff Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

•Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

•Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

•Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

•Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

•Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

•Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

1.3.2. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024:

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Allgemeine Informationen

Letzte Änderung 2024-03-13 16:02

Syrien ist eine patriarchalische Gesellschaft, aber je nach sozialer Schicht, Bildungsniveau, Geschlecht, städtischer oder ländlicher Lage, Region, Religion und ethnischer Zugehörigkeit gibt es erhebliche Unterschiede in Bezug auf Rollenverteilung, Sexualität sowie Bildungs- und Berufschancen von Frauen. Der anhaltende Konflikt und seine sozialen Folgen sowie die Verschiebung der de-facto-Kontrolle durch bewaffnete Gruppen über Teile Syriens haben ebenfalls weitreichende Auswirkungen auf die Situation der Frauen (NMFA 6.2021). Mehr als ein Jahrzehnt des Konflikts hat ein Klima geschaffen, das der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zuträglich ist, besonders angesichts der sich verfestigenden patriarchalischen Gesellschaftsformen, und Fortschritte bei den Frauenrechten zunichtemachte. Diese Risiken steigen unvermeidlicherweise angesichts von mehr als 15 Millionen Menschen in Syrien, die im Jahr 2023 humanitäre Hilfe benötigen. Gleichzeitig gibt es einen Anstieg an Selbstmorden unter Frauen und Mädchen, was laut ExpertInnen auf den fehlenden Zugang von Heranwachsenden zu Möglichkeiten und entsprechenden Hilfsleistungen liegt (UNFPA 28.3.2023).

Offizielle Mechanismen, welche die Rechte von Frauen sicherstellen sollen, funktionieren Berichten zufolge nicht mehr, und zusammen mit dem generellen Niedergang von Recht und Ordnung sind Frauen einer Bandbreite von Misshandlungen besonders durch extremistische Gruppen ausgesetzt, die ihre eigenen Interpretationen von Religionsgesetzen durchsetzen. Die persönliche gesellschaftliche Freiheit von Frauen variiert je Gebiet außerhalb der Regierungskontrolle und reicht von schwerwiegenden Kleidungs- und Verhaltensvorschriften in Gebieten extremistischer Gruppen bis hin zu formaler Gleichheit im Selbstverwaltungsgebiet der Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD). Durch die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) und dem Zurückgehen der Kampfhandlungen im Lauf der Zeit ist die Bevölkerung in geringerem Ausmaß den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheiten ausgesetzt (FH 9.3.2023). Gleichwohl haben verschiedene Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufgrund der Pandemie und der Bewegungseinschränkungen zugenommen, welche auch zur ökonomischen Ausbeutung von Frauen beitragen (UNFPA 28.3.2023).

Frühe Heiraten nehmen zu (UNFPA 28.3.2023): In Syrien lässt sich in den letzten Jahren ein sinkendes Heiratsalter von Mädchen beobachten, weil erst eine Heirat ihnen die verloren gegangene, aber notwendige rechtliche Legitimität und einen sozialen Status, d. h. den 'Schutz' eines Mannes, zurückgibt (ÖB Damaskus 1.10.2021), denn die Angst vor sexueller Gewalt und ihr Stigma könnte die Mädchen zu Ausgestoßenen machen. Überdies müssen die Eltern durch eine möglichst frühe Verheiratung ihrer Töchter nicht mehr für deren Unterhalt aufkommen. Die Verheiratung von Minderjährigen gilt als die häufigste Form von Gewalt gegen heranwachsende Mädchen. Einige Frauen und Mädchen werden auch gezwungen, die Täter, welche ihnen sexuelle Gewalt angetan haben, zu heiraten. Bei Weigerung droht Isolation, weil sie nicht zu ihren Familien zurückkehren können, bzw. kann ein 'Ehrenmord' drohen. Hintergrund ist, dass rechtliche Mittel gegen den Täter zuweilen nicht leistbar sind, und so mangels eines justiziellen Wegs die Familien keine andere Möglichkeit als eine Zwangsehe sehen (UNFPA 28.3.2023). Dieses Phänomen ist insbesondere bei IDPs (FH 9.3.2023) (und Flüchtlingen in Nachbarländern) zu verzeichnen. Das gesunkene Heiratsalter wiederum führt zu einem Kreislauf von verhinderten Bildungsmöglichkeiten, zu frühen und mit Komplikationen verbundenen Schwangerschaften und in vielen Fällen zu häuslicher und sexueller Gewalt (ÖB Damaskus 1.10.2021). Auch geschiedene oder verwitwete Frauen gelten als vulnerabel, denn sie können Druck zur Wiederverheiratung ausgesetzt sein (UNFPA 28.3.2023). Im Allgemeinen ist eine von fünf Frauen in Syrien heutzutage von sexueller Gewalt betroffen (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Bereits vor 2011 waren Frauen aufgrund des autoritären politischen Systems und der patriarchalischen Werte in der syrischen Gesellschaft sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Häuser geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Es wird angenommen, dass konservative Bräuche, die Frauen in der Gesellschaft eine untergeordnete Rolle zuweisen, für viele Syrer maßgeblicher waren als das formale Recht (FH 3.3.2010). Doch selbst die formellen Gesetze legen für Frauen nicht denselben Rechtsstatus und dieselben Rechte fest wie für Männer, obwohl die Verfassung die Gleichstellung von Männern und Frauen vorsieht (USDOS 20.3.2023). Frauen werden vor allem durch das Personenstandsgesetz bezüglich Heirat, Scheidung, Sorgerecht und Erbschaft weiterhin diskriminiert (HRW 11.1.2024).

Per legem haben Männer und Frauen dieselben politische Rechte. Der Frauenanteil im syrischen Parlament liegt je nach herangezogener Quelle zwischen 11,2 und 13,2 %. Auch manche der höheren Regierungspositionen werden derzeit von Frauen besetzt. Allerdings sind sie im Allgemeinen von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und haben wenig Möglichkeiten, sich inmitten der Repression durch Staat und Milizen unabhängig zu organisieren. Im kurdisch-geprägten Selbstverwaltungsgebiet werden alle Führungspositionen von einem Mann und einer Frau geteilt, während außerhalb der PYD-Strukturen die politische Autonomie für die Bevölkerung eingeschränkt ist (FH 9.3.2023).

Die Gewalt zusammen mit bedeutendem kulturellem Druck schränkt stark die Bewegungsfreiheit von Frauen in vielen Gebieten ein. Zusätzlich erlaubt das Gesetz, bestimmten männlichen Verwandten Frauen ein Reiseverbot aufzuerlegen. Bewegungseinschränkungen wurden einem UN-Bericht von Februar 2022 zufolge in 51 % der untersuchten Orte ermittelt (USDOS 20.3.2023). Obwohl erwachsene Frauen keine offizielle Genehmigung brauchen, um das Land zu verlassen, reisen viele Frauen in der Praxis nur dann ins Ausland, wenn der Ehemann oder die Familie dem zugestimmt hat (NMFA 5.2022).

Anmerkung, für Informationen zur rechtlichen Lage von Frauen bzgl. Personenstandsrecht siehe Kapitel: Rechtsschutz / Justizwesen im Unterkapitel Personenstandsrecht, Ehe, Scheidung, Familienrecht, Vormundschaft und Obsorge (regimekontrollierte Gebiete).

Frauen in Wirtschaft und medizinischer Versorgung

Letzte Änderung 2024-03-13 16:14

Wirtschaft

Durch den anhaltenden Konflikt und die damit einhergehende Instabilität sowie sich verschlechternde wirtschaftliche Situation hat sich die Situation der Frauen zunehmend erschwert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Der Global Gender Gap Report stuft Syrien 2021 auf Platz 152 ein, dem fünftletzten Platz (WEF 3.2021). Aufgrund fehlender Daten ist Syrien im diesjährigen Bericht (2022) nicht erfasst (WEF 7.2022).

Während weiterhin Vorstellungen, welche Vorheriger SuchbegriffBerufe für Frauen passend sind, die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen einschränken oder ihnen Arbeitsmöglichkeiten verwehrt werden (UNFPA 28.3.2023), hat der Krieg auch ihre Rolle in der Arbeitswelt verändert, und ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet, die zuvor Männern vorbehalten waren (HART 2.8.2022): So wurden Frauen in einigen Haushalten zu denjenigen, die Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen (UNFPA 28.3.2023), weil viele Männer getötet wurden oder sich aus Angst vor der Einberufung zur Armee, vor Verhaftung oder Inhaftierung versteckt hielten. So lag die Beteiligung von Frauen an der syrischen Erwerbsbevölkerung im Jahr 2018 in Damaskus, Lattakia und Tartus im Durchschnitt zwischen 40 und 50 Prozent, während in anderen Teilen des Landes der Anteil an erwerbstätigen Frauen zwischen 10 und 20 Prozent betrug und in den Provinzen Idlib, Raqqa und Quneitra sogar noch niedriger war. Insgesamt waren Schätzungen zufolge im Jahr 2018 11,6 Prozent der Frauen erwerbstätig, gegenüber 69,75 Prozent der Männer (NMFA 5.2020). Mittlerweile stieg im Jahr 2022 die Erwerbsquote auf insgesamt 16,8 Prozent der weiblichen Bevölkerung, sie ist aber noch immer niedriger als im Jahr 1990 (WB o.D.). Während der Anteil der erwerbstätigen Männer im Alter von 25 bis 54 Jahren im Jahr 2021 auf 95 Prozent stieg, wurde die Zahl der Erwerbstätigen vor allem durch Frauen, Jugendliche und ältere Leute vergrößert - d.h. Menschen mit relativ begrenzten Verdienstmöglichkeiten. Die Weltbank sieht die steigende Zahl an Vulnerablen am Arbeitsmarkt als einen Indikator für die Notlage der Betroffenen, die darauf angewiesen sind, jedwede Einkommensmöglichkeit unabhängig von den Bedingungen anzunehmen (WB 2023): Geschlechtsbasierte Gewalt hat zugenommen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht einschließlich Ausbeutung bei der Arbeit wie auch Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit. 'Finanzielle Gewalt' in der Terminologie von UNFPA hat zugenommen, darunter die Vorenthaltung finanzieller Mittel, Bildung, Arbeitsmöglichkeiten und von Gehältern. Wenn Frauen das Nachgehen einer Erwerbsarbeit erlaubt wird, kann es zum Beispiel vorkommen, dass ihr Einkommen von männlichen Familienangehörigen an sich genommen wird (UNFPA 28.3.2023). Umgekehrt gibt es nun Frauen, die mehr an den finanziellen Entscheidungen ihrer Familie beteiligt sind (CARE 3.2016).

Neben der großen Kluft zwischen den Geschlechtern bei der Erwerbsbeteiligung existiert außerdem eine geschlechtsspezifische Benachteiligung bei Sozialleistungen. Dem Besitz von Grund durch Frauen stehen gesellschaftliche Praktiken gegenüber, welche davon abschrecken (FH 9.3.2023). Seit einer Änderung des Personenstandsrechts im Jahr 2019 ist es möglich, dass eine Frau fordert, dass in ihrem Ehevertrag das Recht auf Arbeit enthalten ist (SLJ 3.10.2019).

Frauen sind in verschiedenen öffentlichen und politischen Positionen tätig. Dies kann entweder aus freiem Willen geschehen oder aus der Notwendigkeit heraus, die Familie in Abwesenheit eines männlichen Versorgers zu unterstützen (NMFA 5.2022).

Frauen und frauengeführte Haushalte haben allgemein besonders unter den Folgen des Konfliktes zu leiden, (AA 2.2.2024) wie auch Haushalte mit behinderten Personen. 16 Prozent der von Frauen geleiteten Haushalte sowie 12 Prozent von Haushalten mit Menschen mit Behinderung sind überhaupt nicht in der Lage, ihren Lebensbedarf zu decken (UNFPA 28.3.2023).

Öffentliche Räume wie besonders Kontrollpunkte, aber auch Märkte, Schulen oder Straßen stellen potenzielle Risiken dar, wo Frauen und Mädchen sexueller Gewalt ausgesetzt sind (UNFPA 28.3.2023).

In Fällen, in denen der Zugang zu Bildung eingeschränkt ist, kompensieren Frauen den Verlust von Bildung, indem sie ihre Kinder zu Hause unterrichten. In Fällen, in denen der Zugang zu Infrastrukturgütern wie Wasser oder Strom eingeschränkt ist, legen die Frauen lange Wege zurück, um Wasser oder Diesel für den Betrieb ihrer eigenen Generatoren zu beschaffen. Darüber hinaus erhöht der Mangel an Grundnahrungsmitteln und anderen Gütern die Arbeitsbelastung der Frauen zu Hause, weil die Aufgaben arbeitsintensiver geworden sind (z. B. backen Frauen zu Hause Brot, wenn es keine Bäckereien mehr gibt) (CARE 3.2016).

Alleinstehende Frauen

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konflikts einem besonderen Risiko von Gewalt oder Belästigung ausgesetzt. Das Ausmaß des Risikos hängt vom sozialen Status und der Stellung der Frau oder ihrer Familie ab. Die gesellschaftliche Akzeptanz alleinstehender Frauen ist jedoch nicht mit europäischen Standards zu vergleichen (STDOK 8.2017). Armut, Vertreibung, das Führen eines Haushalts oder ein junges Alter ohne elterliche Aufsicht bringen Frauen und Mädchen in eine Position geringerer Macht und erhöhen daher das Risiko der sexuellen Ausbeutung. Mädchen, Witwen und Geschiedene werden als besonders gefährdet eingestuft. Auch Überlebende sexueller Gewalt sind besonders vulnerabel (UNFPA 10.3.2019, vergleiche für aktuelle Beispiele UNFPA 28.3.2023). Vor 2011 war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich, allein zu leben, z. B. für Frauen mit Arbeit in städtischen Gebieten. Seit dem Beginn des Konflikts ist es fast undenkbar geworden, als Frau allein zu leben, weil eine Frau ohne Familie keinen sozialen Schutz hat. In den meisten Fällen würde eine Frau nach einer Scheidung zu ihrer Familie zurückkehren. Der Zugang alleinstehender Frauen zu Dokumenten hängt von ihrem Bildungsgrad, ihrer individuellen Situation und ihren bisherigen Erfahrungen ab. Für ältere Frauen, die immer zu Hause waren, ist es beispielsweise schwierig, Zugang zu Dokumenten zu erhalten, wenn sie nicht von jemandem begleitet werden, der mehr Erfahrung mit Behördengängen hat (STDOK 8.2017). Die Wahrnehmung alleinstehender Frauen durch die Gesellschaft variiert von Gebiet zu Gebiet, in Damaskus-Stadt gibt es mehr gesellschaftliche Akzeptanz als in konservativeren Gebieten (SD 30.7.2018).

Da die syrische Gesellschaft als konservativ beschrieben wird, gibt es strenge Normen und Werte in Bezug auf Frauen, obwohl es durchaus auch säkulare Einzelpersonen und Familien gibt. Es gibt zwar keine offizielle Kleiderordnung, bestimmte gesellschaftliche Erwartungen bestehen aber dennoch. In den Großstädten wie Damaskus oder Aleppo und in der Küstenregion haben Frauen mehr Freiheiten, sich modern zu kleiden. Trotzdem kann die eigene Familie einer Frau in dieser Hinsicht ein hinderlicher Faktor sein (NMFA 5.2022).

In Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand besteht ein höheres Risiko, sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein, insbesondere für die Mädchen in diesen Familien. Witwen und geschiedene Frauen sind in der Gesellschaft mit einem sozialen Stigma konfrontiert (NMFA 5.2020).

Frauen und medizinische Versorgung

Angesichts der drastisch gekürzten öffentlichen Dienste sind syrische Frauen gezwungen, zusätzliche Aufgaben in ihren Familien und Gemeinden zu übernehmen und haben Berichten zufolge eine führende Rolle im informellen humanitären Bereich übernommen. Frauen kümmern sich um Verletzte, Behinderte, ältere Menschen und Menschen mit anderen medizinischen Problemen, wenn es keine Gesundheits- und Rehabilitationsdienste mehr gibt. Die Frauen erbringen die medizinische Versorgung entweder in ihren Häusern oder arbeiten als Freiwillige in improvisierten, geheimen Gesundheitszentren [Anm.: in den Oppositionsgebieten] (CARE 3.2016). Gewalt überall im Land macht den Zugang zu Gesundheitsversorgung einschließlich reproduktiver Medizin teuer und gefährlich (USDOS 20.3.2023). So schränkt die HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen ein und unterwirft sie Beschränkungen auch in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung (SNHR 25.11.2019).

Syrischen AktivistInnen zufolge verweigerten die Regierung und bewaffnete Extremisten manchmal schwangeren Frauen das Passieren von Checkpoints und zwangen sie, unter oft gefährlichen und unhygienischen Bedingungen und ohne adäquate medizinische Betreuung ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Angriffe des Regimes und Russlands führen dazu, dass Gesundheitseinrichtungen oft im Geheimen operieren oder in einigen Fällen die Arbeit im Land einstellen. Konfliktbedingt ist der Sektor reproduktiver Gesundheit schwer belastet, und die Zahl der Frauen, welche während der Schwangerschaft oder der Geburt sterben, steigt weiterhin. Gemäß UNFPA (United Nations Population Fund) benötigen 7,3 Millionen Frauen und Mädchen Gesundheitsleistungen im Bereich reproduktiver und sexualmedizinischer Medizin wie auch Unterstützung in Fällen geschlechtsbasierter Gewalt, denn physische und sexuelle Gewalt wie auch Kinderheiraten sind im Steigen begriffen (USDOS 20.3.2023). Mit der Ausnahme, dass eine Fortführung der Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet, sind Abtreibungen in Syrien nach wie vor illegal (UNFPA 12.2021).

Die Risiken von Kinderheiraten sind für Mädchen beträchtlich: Dazu gehören das erhöhte Risiko sexuell übertragbarer Infektionen, die enormen Gesundheitsrisiken für Mädchen durch frühe Schwangerschaften, das Risiko des Schulabbruchs und zusätzlicher Freiheits- und Bewegungseinschränkungen, das Risiko häuslicher Gewalt (physisch, verbal oder sexuell) und das Risiko, von Freunden und Familie isoliert zu werden. Kinderheiraten und die damit verbundenen Risiken können sich negativ, auch auf die psychische Gesundheit der Mädchen auswirken und zu emotionalen Problemen und Depressionen führen (UNFPA 11.2017) Anmerkung, für aktuelle Beispiele für die Gründe von Kinderheiraten siehe UNFPA 28.3.2023).

Anmerkung, Für weitere Informationen zur aktuellen Situation der Gesundheitsversorgung siehe Kapitel Medizinische Versorgung.

Sexuelle Gewalt gegen Frauen und 'Ehrverbrechen'

Letzte Änderung 2024-03-13 16:16

Ausmaß und Berichtslage zu sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) hat in ihren Berichten wiederholt festgestellt, dass praktisch alle Konfliktparteien in Syrien geschlechtsbezogene und/oder sexualisierte Gewalt anwenden, wenngleich in unterschiedlichen Formen und Ausmaßen (AA 2.2.2024). Der UN Population Fund (UNFPA) und weitere UN-Organisationen, NGOs und Medien stufen das Ausmaß an Vergewaltigungen und sexueller Gewalt als 'endemisch, zu wenig berichtet und unkontrolliert' ein (USDOS 20.3.2023). Allgemein ist eine von fünf Frauen in Syrien heute von sexueller Gewalt betroffen, wobei eine Zunahme von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt infolge der allgemeinen Unsicherheit und Perspektivlosigkeit der Menschen und der verloren gegangenen Rolle des Mannes als 'Ernährer der Familie' auch innerhalb der gebildeten städtischen Bevölkerung und auch in Damaskus zu verzeichnen ist (ÖB Damaskus 1.10.2021). 'Ehrverbrechen' in der Familie - meist gegen Frauen - kommen in ländlichen Gegenden bei fast allen Glaubensgemeinschaften vor (AA 29.3.2023).

Im November 2021 schätzte das Syrian Network for Human Rights (SNHR), dass die Konfliktparteien seit März 2011 sexuelle Gewalt in mindestens 11.526 Fällen verübt haben. Die Regimekräfte und mit ihr verbündete Milizen waren für den Großteil dieser Straftaten verantwortlich - mehr als 8.000 Fälle, darunter mehr als 880 Straftaten in Gefängnissen und mehr als 440 Übergriffe auf Mädchen unter 18 Jahre. Fast 3.490 Fälle sexueller Gewalt wurden vom sogenannten Islamischen Staat (IS) begangen und 13 Verbrechen durch die Syrian Democratic Forces (SDF) (USDOS 20.3.2023). Die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) im Jahr 2019, Rückschläge für andere extremistische Gruppen und der Rückgang an Kampfhandlungen haben dazu geführt, dass die Bevölkerung nicht mehr derart den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheit ausgesetzt ist (FH 9.3.2023).

Sexuelle Gewalt durch Regimekräfte

Seit 2011 wurden Vergewaltigungen von den Regierungstruppen im Rahmen von Verhaftungen, Kontrollpunkten und Hausdurchsuchungen in großem Umfang als Kriegswaffe eingesetzt, um den Willen der Bevölkerung zu brechen und die Gesellschaft zu destabilisieren sowie demografische Veränderungen, z. B. in Homs, durch Vertreibungen zu erreichen (LDHR 10.2018): U.a. die CoI, Amnesty International und Human Rights Watch berichten immer wieder über Vergewaltigungen, Folter und systematische Gewalt gegen Frauen und Mädchen, insbesondere von Seiten des syrischen Militärs und affiliierter Gruppen unter anderem an Grenzübergängen, bei Militärkontrollen und in Haftanstalten. Vor allem Haftpraktiken in Syrien wiesen hiernach eine konstant stark geschlechtsorientierte Komponente auf. Sowohl Frauen als auch Männer werden Opfer sexualisierter Gewalt, insbesondere als Bestandteil von Misshandlungs- und Folterpraktiken. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass es bisher in mindestens 20 Haftanstalten in Syrien zu Vergewaltigungen und sexueller Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen gekommen ist (AA 2.2.2024). Dazu gehören Vergewaltigung, Leibesvisitationen und erzwungene Nacktheit, andere Akte sexueller Gewalt, die Androhung sexueller Gewalt, die Folterung an Geschlechtsorganen und weitere erniedrigende und demütigende Behandlungen (SJAC 10.4.2019). Vergewaltigungen sind weit verbreitet, auch die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigung gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, ein, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen (USDOS 12.4.2022). Auch sind einer Menschenrechtsorganisation zufolge nach Syrien rückkehrende Flüchtlinge, besonders Frauen und Kinder, sexueller Gewalt durch Regimekräfte ausgesetzt (USDOS 20.3.2023).

Sexuelle Gewalt durch bewaffnete Gruppen in Gebieten außerhalb der Regimekontrolle

In den Gebieten unter Kontrolle von oppositionellen Kräften im Norden und Nordwesten Syriens, laufen insbesondere Aktivistinnen erhöhte Gefahr, Opfer von Repressionen zu werden. So gehe, laut Berichten der CoI und des SNHR, z.B. die Türkei-nahe SNA besonders rigoros gegen zivilgesellschaftliche Akteure vor, die sich zu Genderthemen äußern und auf sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam machen. Sexualisierte Gewalt wird daneben, laut früheren CoI-Berichten, aber auch von anderen bewaffneten Gruppierungen systematisch ausgeübt, wie etwa durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) und durch HTS. Sexualisierte Gewalt wird daneben nach früheren CoI-Berichten auch von anderen bewaffneten Gruppierungen systematisch ausgeübt, wie etwa den Terrororganisationen Hay'at Tahrir ash-Sham - HTS und IS (AA 2.2.2024). Frauen sind, bzw. waren, zudem in den vom IS und HTS kontrollierten Gebieten massiven Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte ausgesetzt (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Der Niedergang von Recht und Ordnung setzt Frauen einer Bandbreite von Misshandlungen aus, besonders durch extremistische Gruppen, die der Bevölkerung ihre eigenen Interpretationen des Religionsrechts auferlegen (FH 9.3.2023): Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gegen Frauen durch Mitglieder nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen sind zwar dokumentiert, kommen aber schätzungsweise weniger häufig vor als durch die Regierungstruppen und ihre Verbündeten. Berichten zufolge stehen Fälle von sexueller Gewalt dort im Zusammenhang mit sozialen Phänomenen wie Ausbeutung, Konfessionalismus und Rache, wobei Fälle dokumentiert sind, die Opfer mit kurdischem Hintergrund, vermeintliche Schiiten oder regierungstreue Personen sowie Minderheitengruppen wie Drusen und Christen betreffen (UNCOI 8.3.2018).

Sexuelle Gewalt ebenso wie Ausbeutung und Hürden beim Zugang zu Hilfsleistungen betreffen besonders oft geschiedene Frauen, Witwen und Mädchen (UNPFA 28.3.2023). Neben Fällen von Versklavung, dem sinkenden Heiratsalter und Fällen von Zwangsheirat wurden offenbar vor allem in IS-kontrollierten Gebieten auch zunehmend Fälle von Genitalverstümmelung beobachtet, eine Praxis, die bis zum Ausbruch der Krise in Syrien unbekannt war und auf die Präsenz von Kämpfern aus Sudan und Somalia zurückzuführen war (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Dazu kamen Berichte aus Afrin über die Auferlegung strenger Bekleidungsvorschriften für Frauen und Mädchen und die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit sowie die Belästigung durch Mitglieder der bewaffneten Gruppen, insbesondere beim Passieren von Kontrollpunkten (UNCOI 15.8.2019). Die Angst vor Entführung und sexueller Gewalt wird als ein wichtiger Faktor genannt, der die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen auch in den türkischen Einflussgebieten einschränkt, wobei auch die Angst vor Schande und Stigmatisierung im Zusammenhang mit sexueller Belästigung eine Rolle spielt (UNPFA 10.3.2019) Anmerkung, Siehe auch weiter unten).

Ungefähr 12.715 Personen bestehend aus verwitweten und geschiedenen Frauen und Mädchen leben mit ihren Kindern in 42 Witwenlagern, was ihrem Schutz und dem Erhalt ihrer 'Ehre' dienen soll, aber ihre Isolierung basiert auf der Einstellung, dass unverheiratete Frauen Schande über ihre Familie bringen (UNPFA 28.3.2023).

Häusliche Gewalt und Gewalt in der Familie und an öffentlichen Orten sowie Umgang mit Gewaltopfern

Die meisten Fälle von 'Ehrenmorden' stehen im Zusammenhang mit sexueller Gewalt, aber nicht notwendigerweise mit Vergewaltigung: In einigen Fällen sind es Belästigungen oder Übergriffe auf der Straße oder in anderen Fällen die Annahme, dass während der Entführung/Gefangenschaft sexuelle Gewalt stattgefunden habe (UNFPA 3.2019). Ehemalige weibliche Häftlinge leiden unter psychischen Problemen, in vielen Fällen unter schweren körperlichen Verletzungen durch Gewalt, einschließlich gynäkologischer Verletzungen durch sexuelle Gewalt, und unter gesundheitlichen Problemen wie Lungenentzündung und Hepatitis. Darüber hinaus ist die Annahme weit verbreitet, dass weibliche Häftlinge sexuelle Gewalt erfahren haben, was von der Familie und der Gemeinschaft als Schande für die Würde und Ehre des Opfers empfunden werden kann. Diese Stigmatisierung kann Berichten zufolge zu sozialer Isolation, Ablehnung von Arbeitsplätzen, Scheidung, Verstoßung durch die Familie und sogar zu 'Ehrenmorden' führen (UNFPA 11.2017). So bleibt die Gefahr von 'Ehrenmorden' durch Familienmitglieder einer der Gründe, warum sexuelle Gewalt nicht in vollem Ausmaß berichtsmäßig erfasst ist. Tausende Überlebende von Gewalt, sexueller Ausbeutung und Zwangsheiraten wurden von ihren Familien verstoßen (USDOS 20.3.2023). Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden oder wenn eine Vergewaltigung auch nur vermutet wird (STDOK 8.2017). Frühe und erzwungene Heiraten kommen auch besonders bei Binnenvertriebenen vor, weil die Familien die Ehe unter anderem als Schutz vor der verbreiteten sexuellen Gewalt wahrnehmen (FH 9.3.2023).

Darüber hinaus stellt die Angst vor sozialer Stigmatisierung oder vor der Polizei ein Hindernis für die Anzeige von sexueller Gewalt dar. Einflussreiche Beziehungen der Frau oder des Täters spielen eine große Rolle bezüglich der Wirksamkeit einer solchen Anzeige. Es besteht die Gefahr, dass die Frau beschuldigt wird. Wenn sie einen Vorfall anzeigt - in der Regel gegen ihren Ehemann - ist der soziale Druck, die Anzeige zurückzuziehen, enorm. Es heißt daher, dass Frauen versuchen, häusliche Gewalt innerhalb der Familie zu klären. Welche Hilfe tatsächlich geleistet wird, hängt jedoch von ihrer Familie ab (NMFA 5.2022).

Berichten zufolge kam es seit 2011 zu einem Anstieg an 'Ehrenmorden' infolge des Konfliktes (USDOS 12.4.2022). Drei Organisationen dokumentieren zusammen von 2019 bis November 2022 insgesamt 185 'Ehrenmorde' (USDOS 20.3.2023). Laut dem niederländischen Außenministerium ist es jedoch nicht möglich, das konkrete Ausmaß an Blutfehden und 'Ehrenmorden' in Syrien in absoluten Zahlen auszudrücken. Dass diese vorkommen, wird aber von zahlreichen Quellen und Beispielen aus dem Berichtszeitraum [Anm.: Mai 2021 bis Mai 2022] belegt. Eine Quelle stellt zudem fest, dass sie hauptsächlich in Gebieten vorkommen, in denen Stämme eine wichtige Rolle spielen, wie z. B. in Suweida und im Nordosten, aber auch, dass sie nicht auf eine spezifische ethnische Gemeinschaft beschränkt sind (NMFA 5.2022).

Insbesondere Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand sind einem erhöhten Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt. Darüber hinaus sind unbegleitete Mädchen, Waisen oder solche, die bei Verwandten und nicht bei ihren Eltern leben, Berichten zufolge von sexueller Gewalt bedroht. Syrische Mädchen, die für den UNFPA-Bericht 2017 befragt wurden, berichteten von einem besonderen Risiko sexueller Gewalt auf dem Weg zur oder von der Schule, und diese Risiken sollen oft der Hauptgrund dafür sein, dass Mädchen entweder die Schule abbrechen oder von ihren Eltern aus der Schule genommen werden (UNFPA 11.2017). Für aktuelle Beispiele hierzu siehe UNFPA vom 28.3.2023.

Anzeige und Strafverfolgung

Eine Anzeige wegen sexueller Gewalt in Syrien muss durch ein medizinisches Gutachten eines Gerichtsmediziners untermauert werden, aus dem die Schwere der körperlichen Verletzung hervorgeht. Dieses Verfahren sowie soziale Normen und Stigmata machen es Frauen, die missbraucht wurden, schwer, Hilfe zu suchen (NMFA 6.2021). Zudem besteht das Risiko, dass man ihr die Schuld für das Vorgefallene gibt (NMFA 5.2022). Die Anzeige von Gewalt durch Regierungsbeamte ist noch schwieriger, weil sie rechtlich gegen Anklagen für Handlungen geschützt sind, die sie im Rahmen ihrer Arbeit vornehmen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemand es wagen würde, Sicherheitsbeamte wegen Gewaltanwendung trotz der Angst vor Verschwindenlassen, der Verhaftung oder der Anschuldigung des Terrorismus anzuzeigen (NMFA 6.2021). Obwohl Vergewaltigung außerhalb der Ehe strafbar ist, setzt die Regierung diese Bestimmungen nicht wirksam um. Darüber hinaus kann der Täter eine Strafminderung erhalten, wenn er das Opfer heiratet, um das soziale Stigma der Vergewaltigung zu vermeiden. Dem stimmen manche Familien wegen des sozialen Stigmas durch Vergewaltigungen zu (USDOS 20.3.2023). Eine Frau in Furcht vor einem 'Ehrverbrechen' kann keinen Schutz von den Behörden wie etwa in Form eines Frauenhauses erwarten. Ihre Optionen für eventuellen Schutz hängen gänzlich von ihren persönlichen und gesellschaftlichen Umständen ab (NMFA 5.2022), denn offizielle Mechanismen zum Schutz von Frauenrechten funktionieren Berichten zufolge nicht (FH 9.3.2023).

Wenn eine Frau aus Anlass angeblicher 'illegitimer sexueller Handlungen' zu Schaden kommt, wird dies aus rechtlicher Sicht seit 2020 nicht mehr als mildernder Umstand anerkannt. Allerdings bleiben andere Gesetze statt des Artikels 548 des Strafgesetzes in Kraft, welche trotzdem eine Strafmilderung erlauben (HRW 11.1.2024). Es kommt nur zu wenigen Strafverfolgungen wegen Mordes oder versuchten Mordes aus Gründen der 'Ehre' (NMFA 5.2022). Auch können sich Vergewaltiger durch die Heirat des Opfers vor Strafe schützen (FH 9.3.2023).

Bei 'Ehrverbrechen' in der Familie - meist gegen Frauen - besteht laut deutschem Auswärtigen Amt kein effektiver staatlicher Schutz (AA 29.3.2023). So stellt Vergewaltigung nach syrischem Recht zwar eine Straftat dar, allerdings nicht in der Ehe. Ebenso kennt das syrische Strafrecht keinen expliziten Straftatbestand für häusliche Gewalt (AA 2.2.2024). Es gibt zwar Frauenhäuser in verschiedenen Gegenden des Landes, aber diese sind vor allem für Witwen und geschiedene Frauen gedacht. Auch ist die Suche nach Zuflucht schwierig, denn die Schutz suchenden Frauen müssen in ein anderes Gebiet umziehen und den Kontakt zu ihrer Familie abbrechen. Es gibt zwar Organisationen zur Unterstützung von Frauen in Not, aber die Dauer des Schutzes hängt von der Laufzeit des Projekts ab. Die Wahrscheinlichkeit ist nach Einschätzung des niederländischen Außenministeriums groß, dass die Frauen zu ihren Familien zurückkehren müssen (NMFA 5.2022). Die Finanzierung von Projekten gegen geschlechtsbasierte Gewalt ging im Jahr 2022 zurück - mit Auswirkungen auf die Sicherheit von Frauen und Mädchen (UNPFA 28.3.2023).

Zur Lage von Mädchen siehe auch Unterkapitel Kinder im Kapitel Relevante Bevölkerungsgruppen.

Kinder

Letzte Änderung 2024-03-13 16:20

Das Kinderschutzgesetz, Gesetz Nr. 21 von 2021, wurde im August 2022 veröffentlicht und ist das erste seiner Art in Syrien. Es soll die Kinder schützen, versorgen und die wissenschaftliche, kulturelle, psychologische und soziale Rehabilitation aller Kinder sicherstellen. Demnach hat der syrische Staat die Pflicht, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechte von Kindern zu gewährleisten (OSS 18.1.2023).

Unverändert kommt es in Syrien regelmäßig zu schwersten Verletzungen der Rechte von Kindern (AA 2.2.2024). Trotz Bemühungen der Vereinten Nationen (VN) werden noch immer Kinder für den Dienst an der Waffe rekrutiert. Für das Jahr 2022 wurden durch die VN insgesamt 1.669 Fälle dokumentiert (1.593 Jungen und 103 Mädchen). Rekrutierungen von Kindern werden, nach dem Bericht der VN, vor allem durch die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) und die assoziierten YPG/YPJ (Kurdish People’s Protection Units, Women’s Protection Units), durch die Milizen der Syrian National Army (SNA) und durch Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) vorgenommen, vereinzelt auch durch das Regime und ihm nahestehende Milizen. Die meisten Kinder seien von den verschiedenen Konfliktparteien auch im Kampf eingesetzt worden. Dazu konnten die VN für das Jahr 2022 insgesamt 711 Fälle dokumentieren, in denen Kinder getötet (307) oder verstümmelt (404) wurden. Hauptverantwortliche seien das Regime (178 Fälle), SDF (73) und SNA (47). In 364 Fällen konnte die Verantwortlichkeit nicht zugeordnet werden. Viele Kinder werden dabei durch explosive Ladungen oder Munitionsreste getötet bzw. verletzt (375). Weitere Hauptursachen sind Artillerieangriffe (217), Luftangriffe (63) und Schusswaffen (52) (AA 2.2.2024). Im Jahr 2021 wurden 301 Kinder durch syrische Regierungskräfte in Oppositionsgebieten getötet. Zwischen dem Jahr 2011 und März 2022 wurden 22,941 Kinder durch Regierungskräfte getötet (OSS 18.1.2023).

Zu weiteren Menschenrechtsverletzungen gegen Kinder zählten insbesondere die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten, Inhaftierung und Folter, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gegen Kinder, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser sowie die Verweigerung humanitärer Hilfsleistungen (AA 29.3.2023). 6.358 Kinder befinden sich weiterhin in Gefangenschaft oder sind in Regierungsgefängnissen 'verschwunden' worden. Im Jahr 2021 wurden 48 neue Inhaftierungen von Kindern durch Regierungskräfte verzeichnet (OSS 18.1.2023). Für das Jahr 2022 dokumentierte SNHR willkürlicher oder unrechtmäßiger Verhaftungen von 148 Kindern (AA 29.3.2023).

Die Anzahl der Kinder unter den Binnenvertriebenen wächst weiterhin - mit Stand Februar 2022 2,4 Millionen Kinder, von denen ungefähr eine Million in Ansiedlungen und Lagern lebte (USDOS 20.3.2023) Anmerkung, Siehe dazu auch der Abschnitt Binnenvertriebene (IDPs) und Flüchtlinge im Kaptiel Bewegungsfreiheit!)

Staatsbürgerschaft und Geburtsregistrierung

Kinder leiten die Staatsbürgerschaft ausschließlich von ihrem Vater ab (USDOS 20.3.2023).

In weiten Teilen des Landes, in denen die Standesämter nicht funktionieren, registrieren Behörden Geburten oft nicht (USDOS 20.3.2023), obwohl das neue Kinderrechtsgesetz jedem Kind das Recht auf eine Staatsangehörigkeit garantiert (NMFA 5.2022). Das Regime registriert auch keine Geburten kurdischer Einwohner, die nicht die syrische Staatsbürgerschaft besitzen Anmerkung, zu den staatenlosen Kurden 'ajanib' und 'maktumeen' siehe auch Kapitel Kurden). Die Nichtregistrierung führt zur Vorenthaltung von Dienstleistungen, wie z. B. Ausstellung von Zeugnissen für sekundäre Schulbildung, Zugang zu Universitäten, Zugang zu formeller Beschäftigung sowie zu Dokumenten und Schutz (USDOS 20.3.2023).

Bildung und Schulen

Laut dem Kinderschutzgesetz haben Kinder ein Recht auf Bildung (OSS 18.1.2023). Für alle Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren besteht Schulpflicht. Der Anteil an Einschulungen, Unterrichtsteilnahme und Schulabschlüssen war zwischen Buben und Mädchen vergleichbar (USDOS 20.3.2023).

Mindestens 2,4 Millionen von 6,1 Millionen Kindern in Schulalter gingen 2022 in Syrien nicht zur Schule und eine von drei Schulen war beschädigt, zerstört oder wurde zweckentfremdet genutzt - auch für militärische Zwecke (HRW 12.1.2023). Kombattanten aller Seiten greifen regelmäßig Schulen an oder requirierten die Schulgebäude (FH 9.3.2023, zu besonderen Sicherheitsherausforderungen für Mädchen vergleiche UNFPA 28.3.2023). SNHR’ verzeichnete im Jahr 2022 mindestens zwei Angriffe auf Bildungseinrichtungen (Schulen, Kindergärten) in Idlib durch Regierungskräfte. Im Jahr 2021 waren es 13 Angriffe gewesen (SNHR 17.1.2023).

Wiederholte Angriffe auf Schulen, ökonomische Faktoren wie Kinderarbeit, die Rekrutierung von Buben für militärische Aufgaben und die Inhaftierung von Kindern behindern weiterhin die Möglichkeiten von Kindern, eine Ausbildung zu erhalten. Außerdem benötigen viele Schulen massive Reparaturarbeiten, einschließlich der Räumung von nicht-detonierten Explosivstoffen des Krieges. Überdies brauchen die Schulen Hilfe bei der Beschaffung einer Basisausstattung mit Lernmaterialien (USDOS 20.3.2023), darunter auch die wiedereröffneten Schulen in zuvor vom sogenannten Islamischen Staat (IS) gehaltenen Gebieten, die von den Syrian Democratic Forces erobert wurden (USDOS 30.3.2021).

Laut UNOCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) kommt in Idlib, dem Gebiet anhaltender bewaffneter Zusammenstöße, ein funktionierender Klassenraum auf 178 Schulkinder. Viele Schulen bedürfen dort großer Reparaturen, manchmal auch der Entfernung nicht-detonierter Explosivstoffe. Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) zwingt ihre Interpretation der Scharia den Schulen auf, und diskriminiert Mädchen im HTS-Gebiet. Im September 2022 wurde den Aussagen von SchuldirektorInnen zufolge verheirateten Studentinnen der Besuch von öffentlichen Schulen und Universitäten untersagt. HTS auferlegt zudem Lehrerinnen und Schülerinnen Kleidervorschriften, wo es den Mädchen erlaubt, weiterhin zur Schule zu gehen. Große Zahlen von Mädchen werden durch HTS am Schulbesuch gehindert (USDOS 20.3.2023).

Neben dem Bombardieren von Bildungseinrichtungen in Gebieten außerhalb seiner Kontrolle und dem Gebrauch einer Anzahl an Bildungseinrichtungen für militärische Zwecke wird auch der Lehrplan für Regimezwecke eingesetzt, sodass die Lehrinhalte die Assad-Herrschaft unterstützen. So sind die Schulkinder automatisch in zwei politischen Organisationen eingeschrieben und müssen in öffentlichen Schulen jeden Tag die Parteislogans rezitieren, und werden in den Aussagen des Regimes unterrichtet (SNHR 17.1.2023). Auch militante islamistische Gruppen und die PYD (Kurdish Democratic Union Party) haben Bildungssysteme in ihren jeweiligen Gebieten eingerichtet, die eine durchdringende politische Indoktrinierung beinhalten (FH 9.3.2023). Im letzteren Fall werden von den Syrian Democratic Forces Strafen gegen MitarbeiterInnen der Schulverwaltung verhängt, wenn diese nicht ihren (PYD-)Lehrplan verwenden (USDOS 20.3.2023).

Die Lage von Kindern mit Behinderungen

Für Kinder und Erwachsene mit Behinderungen in Syrien ist es besonders schwierig, Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten und ihre Rechte durchzusetzen (HRW 11.1.2024).

Kinder-, Früh- und Zwangsehe

Das gesetzliche Heiratsalter beträgt dem neuen Gesetz zufolge allgemein 18 Jahre (OSS 18.1.2023). Buben im Alter von 15 Jahren oder Mädchen im Alter von 13 Jahren können heiraten, wenn ein Richter beide Parteien für willig und 'körperlich reif' erklärt, und die Väter oder Großväter beider Parteien zustimmen. Früh- und Zwangsehen sind immer häufiger anzutreffen, insbesondere in Gebieten unter Kontrolle bewaffneter Gruppen. Die Heiraten werden aus Angst vor Haft und Wehrdienst oft nicht offiziell registriert. Die Verschlechterung der Wirtschaftslage sowie der Tod oder das Verschwinden des männlichen Haushaltsvorstands durch das Regime oder andere bewaffnete Gruppen wirken sich negativ auf die Kinder durch steigende Kinderarbeit und Kinderheiraten aus. Berichten zufolge arrangierten viele Familien die Verheiratung von Mädchen in jüngerem Alter, als dies vor Ausbruch des Konflikts üblich war, in dem Glauben, dass dies die Mädchen schützen und die finanzielle Belastung der Familie verringern würde. Es gibt Fälle von Früh- und Zwangsverheiratung von Mädchen mit Mitgliedern des Regimes, der regimenahen Kräfte und der bewaffneten Opposition (USDOS 20.3.2023).

Anmerkung, Weitere Informationen über Kinderheirat siehe Unterkapitel "Personenstandsrecht, Ehe, Scheidung, Familienrecht, Vormundschaft und Obsorge (regimekontrollierte Gebiete)".

Nordwestsyrien

Laut UNOCHA hat weniger als eines von zehn Kindern Zugang zu adäquater und ausreichender Ernährung (AA 29.3.2023). Es wird berichtet, dass Familien im Nordwesten Syriens ihre Töchter zunehmend wiederholt für kurze Zeit gegen Geld verheiraten, was den Tatbestand des sexuellen Menschenhandels erfüllt. Früh- und Zwangsverheiratungen waren besonders in Idlib vermehrt verbreitet. Es wurden Fälle berichtet, in denen SNA (Syrian National Army)-Mitglieder der Sultan-Murad-Brigade kurdische Frauen in Afrin und Ra's al-'Ayn zwangsverheirateten (USDOS 30.3.2021) Anmerkung, Siehe dazu auch Kapitel Frauen, Unterkapitel Sexuelle Gewalt gegen Frauen und "Ehrverbrechen").

Anmerkung, Zu Aspekten des Schulwesens im HTS-Gebiet siehe auch weiter oben im Abschnitt Bildung und Schulen.

Nordost-Syrien - Kinder und Jugendliche unter Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats und der aktuelle Umgang mit ihnen

Im Nordosten kritisiert die CoI (United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic) in ihrem Bericht insbesondere die Inhaftierung ohne gerichtlichen Prozess von über 1.000, mitunter als Jugendliche verhafteten, männlichen mutmaßlichen IS-Angehörigen in Haftanstalten, teilweise in Isolationshaft sowie die De-facto-Inhaftierung von rund 58.000 Personen (AA 29.3.2023). Die CoI kritisiert laut Auswärtigem Amt explizit die Inhaftierung von 51.600 Menschen, darunter hauptsächlich Frauen und Kindern unter prekären Bedingungen in den Lagern Al-Hol und Roj sowie insbesondere von bis zu 1.000 zum Teil minderjährigen männlichen Personen, die gemeinsam mit IS-Kämpfern in Haftanstalten untergebracht sind. Auch wenn in den letzten Jahren einige Menschen die Camps verlassen konnten, wird der Großteil von ihnen dort seit 2019 ohne rechtsstaatliches Verfahren und unter schwierigsten humanitären Bedingungen festgehalten (AA 2.2.2024). Die Zustände sind laut Einschätzung von Human Rights Watch 'lebensbedrohlich, demütigend und oft unmenschlich'. Unter den Festgehaltenen befinden sich ausländische StaatsbürgerInnen aus fast 60 Staaten, die meisten Festgehaltenen sind Kinder. Zumindest 39 Staaten haben Repatriierungen von etwa 9.000 Personen durchgeführt, die meisten davon in den Nachbarstaat Irak (HRW 11.1.2024). Wie Mitglieder der UNCOI betonen, haben auch die Kinder in den Lagern ein Recht auf Bildung und Spiel sowie adäquate Gesundheitsversorgung. Mütter, die sich der IS-Indoktrinierung widersetzen, werden z. B. verprügelt, Burschen, welche in Gefängnisse zu IS-Kämpfern transferiert werden, sind dort dem Risiko der weiteren IS-Indoktrinierung ausgesetzt. Zudem halten sich weiter Opfer von IS-Vergewaltigungen mit den daraus hervorgegangenen Kindern im Lager auf (OHCHR 22.9.2021) [Anm.: für weitere Aspekte der sich laut UN-Einschätzung verschlechternden Lage siehe UNCOI 13.3.2023]. Am 25.8.2022 wurden große Zahlen an Burschen aus den Lagern al-Hol und Roj durch die Asayisch mit Hilfe der SDF verlegt - einige von den Burschen an unbekannte Orte. Im Zuge der Aktion fanden die SDF laut eigenen Angaben auch jesidische Frauen und Mädchen, welche von IS-loyalen Familien gefangen gehalten wurden, von denen einige Jesidinnen angekettet und gefoltert hatten (UNCOI 13.3.2023).

Auch wer (von den syrischen StaatsbürgerInnen) das Lager verlassen darf, muss verschiedene Bedingungen erfüllen, z. B. die Patenschaft durch einen syrischen Stamm, genug Geld für die Kosten (inklusive Bestechungsgelder) sowie verschiedene Dokumente vorweisen (MSF 11.2022). Seit Mitte 2019 wurden fast 5.000 syrische Kinder im Rahmen sogenannter "Stammespatenschaften" aus den Lagern in Gemeinden im Nordosten entlassen (OCHRC 22.9.2021).

Die SDF hielten weiterhin mehr als 10.000 als IS-Kämpfer verdächtigte Personen und weitere Männer und Burschen mit angeblichen Verbindungen zum IS fest. Vielen fehlt eine gesetzliche Einspruchsmöglichkeit gegen ihre Haft, besonders Nicht-Syrern. Der Kontakt zu Außenwelt ist begrenzt, oft nur in Form sporadischer Briefe. Humanitären Helfern ist der Zugang zu den Hunderten Burschen verwehrt trotz Hinweisen, dass sie dringend medizinische und andere Hilfe benötigen. Eine große Zahl an Burschen ist Berichten zufolge seit Jänner 2022 im al-Sina'a Gefängnis an Tuberkulose verstorben. Andere Burschen werden in sogenannten Rehabilitationszentren festgehalten, wobei zu den mehr als 800 Burschen kein voller Zugang für humanitäre Hilfe besteht (UNCOI 13.3.2023).

Anmerkung, Zur Rekrutierung von Minderjährigen siehe Unterkapitel "Rekrutierung von Minderjährigen durch verschiedene Organisationen".

Aus früheren Jahren sind Zwangsverheiratungen durch den IS bekannt - in vielen Fällen junge Mädchen (USDOS 20.3.2023): Ab 2014 begann der IS, Frauen und Mädchen im Alter von zwölf bis 16 Jahren in den von ihm kontrollierten Gebieten zwangszuverheiraten. Auch entführte der IS jesidische Mädchen im Irak und brachte sie zur Vergewaltigung und Zwangsverheiratung nach Syrien (USDOS 20.3.2021). Die Free Yezidi Foundation berichtete, dass jesidische Frauen und Kinder aufgrund des schweren Traumas, das sie durch die Behandlung unter dem IS erlitten haben, und aus Angst bei IS-nahen Familien in Internierungslagern bleiben (USDOS 20.3.2023). Der Oberste Geistliche Rat der Jesiden hat angekündigt, dass jedes Kind eines muslimischen oder "unbekannten" Vaters als muslimisch registriert werden muss, wodurch jesidischen Kindern, die unter dem IS geboren wurden, ein Platz in der jesidischen Gemeinschaft verwehrt wird, und ein weiteres Hindernis für die Rückkehr jesidischer Frauen in ihre Heimatgemeinden entsteht (USDOS 30.3.2021).

Kindesmisshandlung und -missbrauch

Das Gesetz verbietet Kindesmisshandlung nicht ausdrücklich. Es sieht vor, dass Eltern ihre Kinder in einer Form disziplinieren können, die nach allgemeinem Brauch zulässig ist (USDOS 20.3.2023). Regierungstruppen setzen die Vergewaltigung von Kindern als "Kriegswaffe" ein und missbrauchen Kinder von Oppositionellen in Gefängnissen, an Kontrollpunkten und bei Hausdurchsuchungen systematisch und komplett ungestraft. Einem befragten Unteroffizier zufolge machten sie bei der Inhaftierung keinen Unterschied zwischen Erwachsenen und Minderjährigen, selbst in Fällen, in denen Folter angewendet wurde. Kinder werden absichtlich mit Erwachsenen zusammen eingesperrt, weshalb es auch zu Vergewaltigungen durch andere Gefangene kommt (ZI 2.7.2017). Regimemitarbeiter folterten Berichten zufolge Kinder auch wegen ihrer familiären Verbindungen - real oder angenommen - mit MenschenrechtsaktivistInnen und mit anderen AktivistInnen (USDOS 20.3.2023).

NGOs berichteten ausführlich über Regime- und regimefreundliche Kräfte sowie HTS und IS, die Kinder sexuell missbrauchen, foltern, festhalten, töten und anderweitig misshandeln. Die HTS hat Kinder in den von ihr kontrollierten Gebieten extrem hart bestraft und auch hingerichtet. Das gesetzliche Alter für die sexuelle Mündigkeit liegt bei 15 Jahren, wobei es keine Ausnahmeregelung für Minderjährige gibt. Vorehelicher Sex ist illegal, aber Beobachter berichteten, dass die Behörden das Gesetz nicht durchsetzen. Die Vergewaltigung eines Kindes unter 15 Jahren wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 21 Jahren und Zwangsarbeit bestraft. Es gab keine Berichte über die strafrechtliche Verfolgung in Vergewaltigungsfällen von Kindern durch das Regime (USDOS 20.3.2023).

Zwischen März 2011 und März 2023 dokumentierte SNHR den Tod von mindestens 15.272 Personen durch Folter, darunter 197 Kinder, durch die Konfliktparteien in Syrien, wobei das syrische Regime für 98,47 % dieser Todesfälle verantwortlich ist (SNHR 3.2023).

Kinderarbeit und Nahrungsmittelversorgung

Das Gesetz sieht den Schutz von Kindern vor Ausbeutung am Arbeitsplatz vor und verbietet die schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Es gab nur wenige öffentlich zugängliche Informationen über die Durchsetzung des Kinderarbeitsgesetzes. Das Regime unternahm keine nennenswerten Anstrengungen zur Durchsetzung von Gesetzen, die Kinderarbeit verhindern oder beseitigen. Das Mindestalter für die meisten nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten beträgt 15 Jahre oder den Abschluss der Grundschule, je nachdem, was zuerst eintritt. Das Mindestalter für die Beschäftigung in Industrien mit schwerer Arbeit beträgt 17 Jahre. Für die Beschäftigung von Kindern unter 16 Jahren ist die Erlaubnis der Eltern erforderlich. Kinder, die jünger als 18 Jahre sind, dürfen nicht mehr als sechs Stunden pro Tag arbeiten und keine Überstunden leisten oder in Nachtschichten, an Wochenenden oder offiziellen Feiertagen arbeiten. Das Gesetz sieht vor, dass die Behörden bei Verstößen "angemessene Strafen" verhängen sollen. Es gab jedoch keine Informationen, aus denen hervorging, welche Strafen angemessen waren. Die Beschränkungen für Kinderarbeit gelten nicht für Personen, die in Familienbetrieben arbeiten und kein Gehalt erhalten (USDOS 12.4.2022).

Kinderarbeit gibt es in Syrien sowohl in informellen Sektoren, einschließlich Betteln, Hausarbeit und Landwirtschaft, als auch in Positionen, die mit dem Konflikt zu tun haben, z. B. als Aufpasser, Spione und Informanten. Bei konfliktbezogener Arbeit sind Kinder erheblichen Gefahren durch Vergeltung und Gewalt ausgesetzt. Organisierte Bettelringe setzen die innerhalb des Landes vertriebenen Kinder weiterhin der Zwangsarbeit aus (USDOS 12.4.2022). Viele bewaffnete Gruppen rekrutieren Kinder als Soldaten. Binnenvertriebene und Flüchtlinge sind besonders vulnerabel bezüglich sexueller und Arbeitsausbeutung sowie Menschenhandel (FH 9.3.2023).

Die Zahl der chronisch unterernährten Kinder (unter fünf Jahren) stieg von 553.000 im Jahr 2022 auf 609.979 im Jahr 2023. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) sind 75.726 Kinder (zwischen sechs und 59 Monaten) akut unterernährt. Nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dürften sich diese Zahlen über das Jahr 2022 erhöht haben, auch aufgrund der Abhängigkeit insbesondere der Regimegebiete von Importen aus Russland. Rund 70 Prozent der Bevölkerung macht von negativen Bewältigungsmechanismen Gebrauch (z. B. Verschuldung, Kinderarbeit, Kinderehe, Auswanderung, Verringerung der Anzahl täglicher Mahlzeiten). Versorgungsengpässe halten an oder verschlimmern sich. Etwa 90 Prozent aller Haushalte geben über die Hälfte ihres Jahreseinkommens für Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse (Wasser, Strom) aus, in 48 Prozent der Haushalte tragen Kinder zum Einkommen bei (AA 29.3.2023). Kinder als Straßenverkäufer oder auf Müllhalden wurden mit der anhaltenden Verschlechterung der Lebensbedingungen aller syrischen Familien ein regelmäßiger Anblick, weil Hunderttausende von Familien unterhalb der Armutsgrenze leben. Auch kam es zu einer Zunahme an obdachlosen Kindern, die allen Formen der Ausbeutung ausgesetzt sind (SNHR 20.11.2021).

Anmerkung, Näheres zum Zugang zu Unterkünften siehe Kapitel "Grundversorgung und Wirtschaft".

Nicht-explodierte Kampfmittelrückstände, Landminen etc. als besondere Gefahr für Kinder

Das United Nations Mine Action Service (UNMAS) bezeichnet das Ausmaß, die Schwere und die Komplexität der Bedrohung durch Sprengstoffe in Syrien nach wie vor als ein großes Schutzproblem, das die humanitäre Krise und die Gefährdung der Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten verschärft (UNMAS 9.2022). Insgesamt wurden seit 2011 3.353 ZivilistInnen, darunter 889 Kinder, durch Anti-Personen-Landminen getötet (SNHR 4.4.2023). 1.435 SyrerInnen, darunter 518 Kinder, starben bisher durch Streumunition und ihre Überreste, die von den syrischen Streitkräften und Russland eingesetzt wurden (SNHR 30.1.2023).

Die Überreste der Waffen, die das syrische Regime und seine Verbündeten bei der massiven und wahllosen Bombardierung der nicht von ihnen kontrollierten Gebiete eingesetzt haben, und die es in jeder Form, Art und Größe gibt, gehören zu den größten Gefahren, die das Leben der Zivilbevölkerung und insbesondere der Kinder bedrohen - auch in Hinkunft. An erster Stelle stehen die Überreste von Streumunition, die in großem Umfang und wahllos eingesetzt wurde; die Submunition oder "Bomblets" dieser Waffen sind über große Gebiete verteilt, nachdem sie durch die erste Explosion nach dem Einschlag des Hauptsprengkörpers weiträumig verstreut wurden, wobei zwischen 10 Prozent und 40 Prozent dieser "Bomblets" nicht explodiert sind und daher eine tödliche Gefahr darstellen. Diese Submunition, die in großer Zahl auf landwirtschaftlichen Flächen, in den Ruinen von Städten und Dörfern und sogar in Flüchtlingslagern verstreut ist, ist in der Regel gut versteckt und kann jederzeit explodieren, weil sie durch jede noch so kleine Bewegung ausgelöst wird. Landminen, die von allen Konfliktparteien gelegt wurden, stellen in dieser Kategorie nach Streumunition die zweitgrößte tödliche Bedrohung dar. Die Überreste dieser Waffen haben zahlreiche zivile Opfer gefordert, vor allem unter Kindern, die am stärksten gefährdet sind, weil sie die Überreste nicht identifizieren oder ihre Gefahr nicht erkennen können. Diejenigen Kinder, welche durch die Explosionen dieser Überreste verletzt wurden, haben oft Gliedmaßen verloren oder sind anderweitig dauerhaft behindert und müssen für den Rest ihres Lebens mit diesen Beeinträchtigungen leben (SNHR 20.11.2021).

Anmerkung, Weitere Informationen zu sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen siehe Unterkapitel "Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Ehrenverbrechen".

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Beschwerdeführern:

Dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin verheiratet sind, sie in Aleppo geheiratet haben, der Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer ihre Kinder sind, ist im Verfahren unstrittig geblieben und ergibt sich aus den glaubhaften Angaben beider Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit den vorgelegten Auszügen aus dem syrischen Ehe- und Familienregister.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit aller Beschwerdeführer, zur ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zur ihrer Muttersprache gründen sich auf den soweit glaubhaften Angaben der Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vergleiche z.B. Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 9).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer gründen auf den übereinstimmenden Angaben bei der Einvernahme durch das Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung, jene zur strafrechtlichen Unbescholtenheit auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus dem Strafregister

2.1. Zum Erstbeschwerdeführer:

Die Feststellungen zum Leben des Erstbeschwerdeführers in Syrien und in der Türkei sowie zu seiner Familie ergeben sich aus den insoweit glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vergleiche Niederschrift der Erstbefragung, AS 11 ff, Niederschrift zur Einvernahme vor dem Bundesamt, AS 195 ff, und Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 9 ff). Der Beschwerdeführer stellte während der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht klar, dass er – anders als dies auf den vorgelegten syrischen Registerauszügen vermerkt ist – nicht in Assan, sondern in Bab al-Nayrab, einem Stadtteil vom Aleppo, geboren wurde.

2.1.2. Zur Zweitbeschwerdeführerin:

Die Feststellungen zum Leben der Zweitbeschwerdeführerin in Syrien und in der Türkei und zu ihrer Familie stützen sich auf die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vergleiche z.B. Niederschrift der Erstbefragung, AS 5 ff, Niederschrift zur Einvernahme vor dem Bundesamt, AS 75 ff und Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 9 ff).

2.1.3. Zur Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin:

Die Feststellungen zum Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer ergeben sich aus den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im behördlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vergleiche Niederschrift der Erstbefragung und Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Dass die Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen minderjährig und ledig sind blieb im Verfahren unstrittig und ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

2.2. Zu den Fluchtgründen:

2.2.1. Dass sich Salah ad-Deen und Qabasin aktuell unter der Kontrolle der von der HTS geleiteten Koalition befinden, wurde auf Grundlage einer Einsichtnahme in die auch in der EUAA Country Guidance als verlässliche Quelle zur Kontrollsituation in mehr als 8.000 syrischen Orten herangezogenen Kartendaten des „Syria Conflict Mapping team“ des Carter Center festgestellt (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html, letzter Zugriff am 17.03.2025).

2.2.2. Der Erstbeschwerdeführer brachte während des behördlichen Verfahrens vor dem Bundesamt vor, er werde vom syrischen Assad-Regime gesucht, weil er sich einer Einberufung zum Reserve-Militärdienst entzogen habe und er sich nicht an den Kampfhandlungen beteiligen wolle. Zudem habe ein ehemaliger Mitarbeiter einer Aluminiumfabrik, die der Beschwerdeführer gemanagt habe, diesen bei den Behörden des Assad-Regimes angezeigt und ihn als Unterstützer der Opposition denunziert.

Im Hinblick auf den Fall des Assad-Regimes samt Auflösung der syrischen Armee und Wegfalls der Wehrdienstverpflichtung hielt der Beschwerdeführer den noch vor dem Bundesamt geäußerten Fluchtgrund der Zwangsrekrutierung zum Wehrdienst bei der (mittlerweile nicht mehr existenten) syrischen Armee nicht mehr weiter aufrecht vergleiche AS 679 f).

Es genügt daher hierzu auszuführen, dass die Setzung von Verfolgungshandlungen iSd Artikel 9, Absatz 2, StatusRL durch das syrische (Assad-) Regime wegen der Verweigerung des Wehr- oder Reservedienstes oder (unterstellten) oppositionellen Verhaltens (Unterstützung der Opposition, Demonstrationsteilnahmen, öffentliche Äußerungen gegen das ehemalige Regime o.ä.) nunmehr objektiv unmöglich ist. Das Assad-Regime wurde gestürzt und der dazu gehörige Behördenapparat dauerhaft und in seiner bisherigen Form unwiederbringlich beseitigt. Der in diesbezüglichen Risikoprofilen als Verfolger auftretende Regierungs- und Geheimdienstapparat des Assad-Regimes existiert somit schlichtweg nicht mehr.

Aus dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers waren daneben keine Anhaltpunkte für die Annahme abzuleiten, dass er ins Visier oppositioneller Akteure wie z.B. der HTS oder SNA geraten ist oder etwaigen Bedrohungen durch solche ausgesetzt wäre. Im Zuge seiner Schilderungen erwähnte er keine gezielt gegen ihn gerichtete Repressionen seitens einer bewaffneten Konfliktpartei. Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer befragt zu Protokoll, keine gezielt gegen ihn gerichtete Übergriffe erlebt zu haben, zudem sei niemals jemand persönlich an ihn herangetreten. Die Familie habe das Konfliktgebiet aufgrund der allgemeinen Konfliktlage zwischen der FSA, dem Assad-Regime und dem IS verlassen, seine Kinder seien damals noch sehr jung gewesen und hätten aufgrund der Gefechte Angst gehabt vergleiche Niederschrift der Einvernahme, AS 210). In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde verneinte der Erstbeschwerdeführer auch, jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden zu sein vergleiche AS 208).

In Bezug auf die nunmehr regierende Koalition unter Führung ehemaliger HTS-Machthaber brachte der Erstbeschwerdeführer keine ihn individuell oder seine Angehörigen betreffende Bedrohungslage durch die HTS vor; im Gegenteil gab er an, dass sich Mitglieder seiner Familie im Kampf gegen die Assad-Truppen der HTS angeschlossen hätten. Angesichts der aufrechten Bindungen zu den nach wie vor in Syrien lebenden Familienmitgliedern, vergleiche Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 11) ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Kenntnis von etwaigen gegen diese oder ihn selbst gerichteten Bedrohungen oder Repressalien haben müsste. Solche erwähnte der Erstbeschwerdeführer jedoch weder im behördlichen Verfahren, noch vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2.3. Darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht glaubhaft darzutun, dass ihm infolge eines durch seinen Cousin angeblich während der Einnahme von Aleppo-Stadt durch die HTS verübten Mordes Blutrache aufgrund von Stammesstreitigkeiten drohe:

Zunächst bleibt dazu anzumerken, dass es sich bei den Schilderungen der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausschließlich um ein „Hörensagen“ handelt. Zu dem behaupteten Vorfall befragt, erklärte bspw. die Zweitbeschwerdeführerin, keine Details wiedergeben zu können, da sie lediglich Informationen aus zweiter Hand von ihrem Mann erhalten habe, die dieser widerum nur von Verwandten aus Syrien bekommen habe vergleiche Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 14: „[…] Ich kann Ihnen nur erzählen, was mein Mann mir erzählt hat. Was [ihm] wiederrum seine Familie erzählt hat. Ihm wurde damals berichtet, dass der Cousin vs eine Person getötet hat, als Syrien befreit worden ist und aufgrund dessen musste die Familie [meines] Mannes die Ortschaft verlassen. […]“).

Zudem erwiesen sich die Darstellungen des Erstbeschwerdeführers als nicht stringent und konsequent gleichbleibend. Eingangs erklärte er wiederholt, die Familie habe im Zuge der Rückkehr des Cousins in seinen Herkunftsort erfahren, dass die Angehörigen eines in der Vergangenheit Getöteten sich immer noch rächen wollten vergleiche Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 8: „[…] Als […] mein Cousin vs. der vor dem Sturz außerhalb Aleppos lebte und am 11.12.2024 zurück in unser Heimatdorf zurückkehrte, mussten wir als Familie feststellen, dass wir als Familie noch immer gesucht werden. Mein Cousin hat damals eine Person getötet und die Familie des Getöteten sucht immer noch nach unserer Familie, weil sie sich rächen wollten. […]“). Später änderte er dieses Vorbringen dahingehend, dass sich der behauptete Mord erst während der Rückkehr des Cousins, bei der Einnahme von Aleppo durch die HTS, der sich der Cousin angeschlossen habe, ereignet habe. Auf genauere Nachfrage des erkennenden Richters führte der Erstbeschwerdeführer aus, der Cousin habe sich der Opposition (HTS) angeschlossen und seine Position genutzt, sich an einem Widersacher zu rächen, der ihn in der Vergangenheit verprügelt hätte. vergleiche Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Sitzung 12: „BF: […] Er war damals bewaffnet und als er ihn gesehen hat, hat er sich daran erinnert, was er damals getan hatte und ihn erschossen. R: Wann war das? BF: Am 11.12.2024. R: Das heißt, das war während der Machtübernahme der HTS in Aleppo? BF: Ja. […]“)

Sollte der Cousin den behaupteten Mord tatsächlich erst am 11.12.2024 begangen haben, erschließt sich aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht, weshalb die Familie des Erstbeschwerdeführers schon vor zu diesem Zeitpunkt gewusst haben sollte, dass ihnen nach wie vor Gefahr seitens der Hinterbliebenen des Getöteten drohe.

Zudem erscheint nicht plausibel, dass es während den heftigen Gefechten rund um die rasante Einnahme der Großstadt Aleppo, an der mehrere tausend Kämpfer auf beiden Seiten beteiligt waren, zu einer individuellen Bluttat gekommen sein soll, die dann auch ausgerechnet für die Familie des Getöteten wahrnehmbar vom Cousin des Beschwerdeführers verübt wurde und aufgrund derer die Familienangehörigen des Beschwerdeführers und in eine Stammesfehde verwickelt und von Racheaktionen betroffen sind. Angesichts dieser Zweifel an und in Zusammenhalt mit den bereits dargelegten Widersprüchlichkeiten in den Schilderungen des Beschwerdeführers, stellt sich das Vorbringen für das Bundesverwaltungsgericht als konstruiert und nicht glaubhaft dar.

Abschließend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer angab, dass sich sowohl sein Cousin als auch die Familienmitglieder des angeblichen Opfers nunmehr den Milizen der HTS angeschlossen hätten. Selbst bei Wahrunterstellung des behaupteten Familienkonflikts wäre es somit den nunmehrigen Behörden der HTS übertragen, die Situation aufzuklären, den Streit beizulegen und damit die Ordnung in ihren eigenen Reihen aufrechtzuerhalten. Anders als der Beschwerdeführer vermeint, ist nicht anzunehmen, dass eine Organisation, die anstrebt, die Kontrolle über den Staat zu erhalten und Regierungsverantwortung zu übernehmen, Gewalttaten und Racheakte zwischen ihren eigenen Mitgliedern tolerieren würde. Den in das Verfahren eingebrachten Medienberichten zufolge, sollen die an dem Umsturz beteiligten Rebellengruppen aufgelöst und deren Kämpfer darauf vorbereitet werden, sich dem Verteidigungsministerium anzuschließen, sodass diese dem „Recht unterstellt“ sind. vergleiche https://www.theguardian.com/world/2024/dec/17/ahmed-al-sharaa-syria-hts-rebel-group-leader-factions-disbanded, letzter Zugriff am 17.03.2025; Syrien: HTS-Rebellen sollen Teil staatlicher Armee werden – DW – 17.12.2024, letzter Zugriff am 17.03.2025). Soweit die Anführer der HTS in diesem Sinne die Einheit Syriens und die Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit betont, ist davon auszugehen, dass Konflikte und Verfolgungshandlungen innerhalb der eigenen Organisation nicht akzeptiert und aufgeklärt würden, auch, um Exempel zu statuieren sich nach außen als Einheit zu präsentieren. Dementsprechend war noch festzustellen, dass den Beschwerdeführern von der HTS auch keine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird, zumal sich Teile der Familie des Erstbeschwerdeführers dieser auch angeschlossen haben.

Somit ist noch zu verweisen, dass dieses Vorbringen – selbst wenn es wahr wäre – nicht asylrelevant wäre, da eine ohnehin nur hypothetische Verweigerung von Schutz durch die HTS vor Verfolgungshandlungen nicht staatlicher Akteure, nicht aus einem der Verfolgungsgründe des Artikel 10, Absatz eins, StatusRL heraus erfolgen würde vergleiche hierzu Pkt. 3.1).

2.2.4. Ergebnis:

Im Gesamtbild erscheinen weite Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers insbesondere zu seinem Vorbringen über eine angebliche Verfolgung aufgrund von Stammesstreitigkeiten – nach Kenntnisnahme der Entscheidung durch das Bundesamt bzw. der Beweiswürdigung durch das Bundesamt und nach Wegfall der Fluchtgründe in Bezug auf das syrische Regime (aufgrund des Sturzes des syrischen Regimes) – als Konstrukt zwecks Asylerlangung. Der Beschwerdeführer konnte den erkennenden Richter auch im persönlichen Eindruck nicht überzeugen, zumal er eine gegen seine Person bzw. gegen seine Familie gerichtete konkrete Verfolgung nicht schlüssig darzulegen vermochte.

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Syrien bzw. des Sturzes des syrischen Präsidenten, war auf die vom Beschwerdeführer im Verfahren behauptete Verfolgung durch das syrische Regime nicht mehr einzugehen, da eine Verfolgung durch das (nicht mehr existierende) syrische Assad-Regime irreversibel unmöglich geworden ist.

2.2.5. Soweit in der Beschwerdeschrift pauschale Bedenken hinsichtlich einer möglichen Installierung eines islamistischen Gottesstaates und damit einhergehenden Folgen für die Rechte der Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin geäußert werden, verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass es laut den herangezogenen Länderinformationen in den bis zum Umsturz des Assad-Regimes von der HTS kontrollierten Gebieten zu gelegentlichen Diskriminierungen gegenüber Frauen und Mädchen gekommen ist.

Insbesondere im Zugang zu Bildung kam es zu Einschränkungen für Mädchen, denen dem US Department of State zufolge Kleidervorschriften auferlegt wurden und der Schulbesuch teilweise gänzlich untersagt wurde vergleiche 2021 Country Report on Human Rights Practices: Syria, Kapitel 6. Discrimination and Societal Abuse, Children; auf das im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024 Bezug genommen wird). Zudem beschränkte die HTS Frauen und Mädchen in ihrer Bewegungsfreiheit sowie im Zugang zu Gesundheitsversorgung vergleiche Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024, 15.1.2. Frauen in Wirtschaft und medizinischer Versorgung). Demgegenüber hat die syrische Übergangsregierung wiederholt betont, die Rechte von Minderheiten zu wahren und auch Frauen in das Komitee zur Vorbereitung einer Nationalen Konferenz über die Zukunft des Landes zu inkludieren vergleiche Ecoi.net Dossier Syrien - Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad in Zusammenschau mit: https://www.newarab.com/news/syria-govt-plans-expanded-committee-national-dialogue, Zugriff am 17.03.2025). So wurden bspw. von den neuen Machthabern Frauen in hohe politische Ämter ernannt, generell ist die Einstellung der HTS zu diesem Thema nunmehr als moderater als früher einzustufen (z.B.: https://www.wienerzeitung.at/a/wie-geht-es-syrischen-frauen-unter-der-neuen-regierung-; https://www.tagesschau.de/ausland/asien/syrien-uebergangsregierung-gouverneurin-zentralbank-100.html) In diesem Sinne ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Etablierung eines Gottesstaates durch die Anführer der HTS, in welchem die Rechte von Frauen in einer asylrelevanten Verfolgung gleichkommender Weise eingeschränkt werden, beabsichtigt und wahrscheinlich ist.

2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten und referenzierten Quellen. Obwohl sich hinsichtlich der Lage in Syrien im Dezember 2024 die Ereignisse im Zuge des Sturzes des Assad-Regimes vorerst überschlagen haben, trat nach der Darstellung der UNHCR Quellen bereits mit Mitte Dezember nach dem Ende der Kampfhandlungen wieder zumindest grundlegend Ruhe und Ordnung in Syrien ein. Mittlerweile (März 2025) liegen ausreichend detaillierte Medien- und Länderberichte vor, die wieder ein klares Bild der Lage in Syrien, insb. in den nun von der HTS kontrollierten Gebieten gebe, „der Staub“ hat sich zwischenzeitig nach der Machtübernahme gelegt. Es besteht angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und nun wieder ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Insoweit UNHCR in ihrer Position vom Dezember 2024 unmittelbar nach dem Sturz des Assad-Regimes noch von der Notwendigkeit des Zuwartens mit Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz ausging, ist dies basierend auf den vorliegenden Berichtsquellen hinfällig. Mit dem Fall des Assad-Regimes und der Machtübernahme der HTS wurden jene Verfolgungsgefahren (und die damit korrespondierenden Risikoprofile), die vom Assad- Regime als staatlichem Verfolger ausgingen, irreversibel gegenstandslos. Eine Widererrichtung dieses Regimes ist schon angesichts der breitflächigen Beseitigung der Institutionen dieses Regimes, dem völligen Verlust dessen Rückhalts in der syrischen Bevölkerung und der überstürzten Flucht von Baschar al-Assads selbst samt seiner Familie nach Russland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

Der Machtwechsel sowie dessen festgestellte Begleitumstände um den 08.12.2024 können somit als notorisch betrachtet werden. Die Feststellung, dass sich unter der Führung des HTS Anführers und nunmehrigen Machthabers Syriens eine Übergangsregierung bildete, folgt aus zahlreichen übereinstimmenden Berichten unabhängiger Medien. Andererseits resultieren die festgestellten länderspezifischen Tatsachen im Zusammenhang mit den jüngsten politischen Umwälzungen aus dem Kurzbericht der Staatendokumentation vom 10.12.2024, welcher den Verlauf der zuletzt eingetretenen Ereignisse bis hin zur Machtergreifung durch die syrische Opposition abbildet. Der Bericht lässt keine Zweifel am Sturz des syrischen Regimes, der Außerdienststellung der Regierungssoldaten und damit auch dem Auslaufen des syrischen Wehrdienstes. Bedenken bestehen weiters nicht im Zusammenhang mit der Freilassung von Inhaftierten und dem festgestellten Umgang mit früheren Militärangehörigen. Insoweit finden die festgestellten Umstände auch vollumfängliche Deckung in der notorischen wie tagesaktuellen Medienberichterstattung. Dasselbe trifft auf die kolportierte Neuordnung des syrischen Staates samt in Aussicht genommener Wahlen zu. Dass abseits der kurdischen Selbstverwaltung derzeit keine Verpflichtung zur Wehrdienstableistung besteht, resultiert bereits aus der Länderberichtslage vor dem Machtwechsel im Jahr 2024. Für die aktuell vollzogene oder absehbar bevorstehende Einführung eines allgemeinen und wie auch immer geartetem zwangsbewehrten Grundwehrdienst fehlt es an jedweden Anhaltspunkten sowohl anhand verfügbarer Länderberichte als auch unter Berücksichtigung tagesaktueller Medienberichterstattung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A): Zur Abweisung der Beschwerden:

3.1. Zum Erstbeschwerdeführer:

3.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (im folgenden GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen vergleiche Artikel 9, Absatz eins, der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen vergleiche VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen vergleiche VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht vergleiche VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden vergleiche VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 10.04.2020, Ra 2019/19/0415, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden grundsätzlich daran zu messen ist, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben vergleiche VwGH 14.04.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm eine Verfolgung aufgrund von Stammesstreitigkeiten in Zusammenhang mit der Tötung durch seinen Cousin droht, zumal er widersprüchliche Angaben tätigte und die Geschehnisse rund um die behauptete Gewalttat nicht schlüssig darzulegen vermochte. Ergänzend ist hierzu festzuhalten, dass drohende Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Akteure auch nur dann asylrelevant sein können, wenn ein staatlicher Akteur oder eine entsprechende Organisation in der Heimatregion nicht fähig oder bereit dazu ist, Schutz vor eben diesen zu bieten (Artikel 6, Litera c, StatusRL). Die Heimatregion des Beschwerdeführers steht nunmehr unter der Kontrolle der unter der Führung der früheren HTS-Spitze stehenden Übergangsregierung, die über den Behörden- und Sicherheitsapparat übernommen hat. Es ist davon auszugehen, dass eine Organisation, die einen wesentlichen Teil des (syrischen) Staatsgebiets beherrscht und bestrebt ist, die Einheit Syriens zu gewährleisten, bestrebt ist, Konflikte in den eigenen Reihen hintanzuhalten und somit eine „Organisation“ iSd Artikel 7, Absatz eins, Litera b,) StatusRL ist, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrscht und in der Lage ist, Schutz vor Blutrache zu bieten. Zumal der Beschwerdeführer angab, dass sich sowohl sein Cousin, als auch die Hinterbliebenen des angeblich Getöteten nunmehr der HTS angeschlossen haben, wäre es dem Apparat der nunmehrigen Übergangsregierung übertragen, die behauptete Bluttat aufzuklären. Ebenso wenig macht die Behauptung des Beschwerdeführers, die HTS „interessiere das nicht“ dieses Vorbringen asylrelevant, da selbst im Fall, dass die Bedrohung durch Blutrache der Wahrheit entspräche, die Verweigerung der HTS hiervor Schutz zu gewähren – um asylrelevant zu sein – einen begründeten Konnex zu einem der Verfolgungsgründe des Artikel 10, Absatz eins, StatusRL aufweisen müsste. Es gibt – wie feststellt – nicht den geringsten Hinweis darauf, dass die HTS die Beschwerdeführer als oppositionell (also Al-Assad Getreue) ansehen sollte, zumal sich ein Teil der Familie des Erstbeschwerdeführers auch der HTS angeschlossen haben.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer mit seinem Fluchtvorbringen keine begründete Furcht vor Verfolgung aus einem Grund nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK glaubhaft gemacht hat.

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

3.2. Zur Zweit-, Dritt,- Viert-, und Fünftbeschwerdeführerin:

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 ist „Familienangehöriger“, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

In Bezug auf das Vorbringen, den Beschwerdeführerinnen drohe im Falle der Errichtung eines islamistischen Gottesstaates durch die HTS weitreichende Einschränkungen in ihren Rechten als Frauen, konnte nicht erkannt werden, dass ein solches Szenario mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Wenngleich den herangezogenen Länderinformationen Berichte über frühere repressive soziale Normen und zahlreiche Diskriminierungen von Frauen während der Herrschaft der HTS in Idlib enthalten, erreichen diese nicht kumulativ ein Niveau, aus dem sich eine konkrete und individuelle Bedrohung und eine dahingehende Verfolgungsgefahr aufgrund des Geschlechts der Beschwerdeführerinnen ergibt.

Sonstige Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen brachten die Beschwerdeführerinnen nicht vor und sind abseits der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien auch nicht hervorgekommen.

Da der Erstbeschwerdeführer keine begründete Furcht vor Verfolgung aus einem Grund nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK glaubhaft machen konnte, war der Zweit-, Dritt-, Viert und der Fünftbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 nicht zuzuerkennen.

3.3. Zu allen Beschwerdeführern:

Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage in Syrien ist nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen.

Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK, nicht gegeben. Sohin kann nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern aus den ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung der Beschwerdeführer aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Daher waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

Zu B): Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Minderjährigkeit mündliche Verhandlung politische Veränderung Sicherheitslage Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2025:W282.2304337.1.00

Im RIS seit

08.05.2025

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2025

Dokumentnummer

BVWGT_20250320_W282_2304337_1_00

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