Landesverwaltungsgerichte (LVwG)

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Entscheidungstext LVwG-S-1107/001-2022

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Erkenntnis

Geschäftszahl

LVwG-S-1107/001-2022

Entscheidungsdatum

06.06.2023

Norm

LuftfahrtG 1958 §169

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde der A, vertreten durch B Rechtsanwälte Steuerberater PartGmbH, diese wiederum vertreten durch C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 08. März 2022, ***, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Luftfahrtgesetztes, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

I.   Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

Paragraph 169, Absatz eins, Ziffer 3, Litera s, Luftfahrtgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 253 aus 1957, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 151 aus 2021, Artikel 5, Absatz eins, Litera a und c, Artikel 7 und Artikel 8, der Verordnung (EG) Nr. 261/2004

Paragraphen 907 a, Absatz eins,, 1420 ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, JGS Nr. 946/1811 i.d.g.F.)

Paragraphen 27,, 44 Absatz eins,, 50 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, i.d.g.F.)

Paragraphen 9, Absatz eins,, 27 Absatz eins,, 25 Absatz 2,, 31 Absatz eins und 2, 44a, 45 Absatz eins, Ziffer eins und 2 VStG (Verwaltungsstrafgesetz 1991, Bundesgesetzblatt Nr. 52 aus 1991, i.d.g.F.)

Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, i.d.g.F.)

Artikel 133, Absatz 4, B-VG (Bundesverfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, i.d.g.F.)

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt

1.1. A (in der Folge: die Beschwerdeführerin) ist Geschäftsführerin (CEO) und damit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D SA, einem Luftfahrtunternehmen (in der Folge auch kurz: das LU). Die in der Folge vom Gericht als Zeugin vernommene E, welche in ***, Verwaltungsbezirk Tulln wohnhaft ist, hatte gemeinsam mit ihrem Partner für den 31. Jänner 2019 einen Flug des LU von *** (***) nach *** mit der Flugnummer *** gebucht. Als die Zeugin mit ihrem Partner etwa 3 Stunden vor dem planmäßigen Abflug am Flughafen eintraf, stellte sie fest, dass der Flug um etwa 7 bis 8 Stunden vorverlegt worden war (und dementsprechend der Abflug bereits erfolgt war), wovon sie nicht verständigt worden war. Da es ihr nicht gelang, an Ort und Stelle mit der Fluglinie Kontakt aufzunehmen (diese hatte wenigstens zu diesem Zeitpunkt keinen eigenen/-es Schalter/Personal am Flughafen ***), und sie bei der Information des Flughafens erfahren hatte, dass der nächste planmäßige Abflug von *** nach *** mit der D SA erst in einer Woche möglich wäre, begaben sich die Zeugin und ihr Partner zunächst nach Hause und buchten für den nächsten Tag einen Flug eines anderen Luftfahrtunternehmens nach ***, den sie auch antraten.

1.2. Nach Rückkehr von der Reise wandte sich die Zeugin wegen ihrer Ansprüche im Zusammenhang mit der Annullierung des genannten Fluges an die D SA. Da diese ihren Forderungen zunächst nicht nachkam, befasste die Zeugin die F (in der Folge: F), welche – nach vergeblicher Intervention - Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln (in der Folge: die belangte Behörde) erstattete.

1.3. Schließlich veranlasste das LU am 12. November 2019 die Refundierung von Ticketkosten in Höhe von € 79,60 sowie am 28. November 2019 die Überweisung einer Ausgleichsleistung in Höhe von € 400,00, diese Zahlungen jeweils pro Person, sowie am 25. Jänner 2022 die Überweisung eines Betrags von € 296,76 für die Ersatzbeförderung (Differenz der von beiden Reisenden bezahlten Ticketkosten für die Ersatzbeförderung abzüglich des Betrags von € 79,60 pro Person). Es kann nicht mehr festgestellt werden, ob die Überweisung der Ticketkosten in Höhe von € 79,60 (pro Person) bei der Zeugin eingelangt ist. Die Ausgleichsleistung hat sie jedenfalls etwa Anfang Dezember 2019, den Kostenersatz der Ersatzbeförderung zeitnah zum Überweisungstag (Ende Jänner 2022) erhalten.

1.4. Die belangte Behörde erließ nach Durchführung eines Strafverfahrens, in dessen Zuge eine Aufforderung zur Rechtfertigung (erstmals) mit Schreiben vom 07. Dezember 2021 erfolgte, das Straferkenntnis vom 08. März 2022, ***, mit dem die Beschwerdeführerin A – nicht deckungsgleich mit dem Tatvorwurf der ersten Verfolgungshandlung - wie folgt bestraft wurde:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:

seit 25.7.2019 (Schlichtungsverfahren) bis zumindest 2.9.2021 (Datum der Anzeige)

Ort:

***, ***

Tatbeschreibung:

Der Tatvorwurf der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.12.2021 wurde hinsichtlich der im Text markierten Passagen geändert:

Sie haben als Geschäftsführerin (CEO) und damit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma D SA mit dem Sitz in ***, *** in *** zu verantworten, dass diese Firma als ausführendes Luftfahrunternehmen seit 25.7.2019 Frau E, wohnhaft in ***, ***, ein von der Annulierung des Fluges *** von *** (***) nach *** (***) am 31.1.2019 betroffener Fluggast, keinen Anspruch auf Ausgleichsleistung und Unterstützungsleistungen (Ersatz der Flugscheinkosten und Ersatz der Mehrkosten der Alternativbeförderung) eingeräumt hat, obwohl gemäß Artikel 5,, Absatz 1 Litera a, der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom ausführenden Luftfahrunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten werden und gemäß Artikel 5 Absatz 1 Litera c, der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt wird.

Das am 25.7.2019 eröffnete Schlichtungsverfahren blieb mangels ihrer Mitwirkung erfolglos und wurde daher am 3.1.2021 geschlossen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

Artikel 5, Absatz eins, Litera a und c i.V.m. Artikel 7, und. 8 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 i.V.m. Paragraph 169, Absatz eins, Ziffer 3, Litera s, Luftfahrtgesetz

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

€ 2.500,00

38 Stunden

Paragraph 169, Absatz eins, Luftfahrtgesetz

Vorgeschriebener Kostenbeitrag gemäß Paragraph 64, Absatz , Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro

€                 250,00

                                                           Gesamtbetrag:

€                 2.750,00“

Begründend führt die belangte Behörde nach von ihr als relevant erachteter Feststellungen zum Ablauf der Geltendmachung von Forderungen der Zeugin sowie des Schlichtungsverfahrens und Wiedergabe von Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr.261/2004 sowie des Paragraph 169, Absatz eins, Ziffer 3, Litera s, Luftfahrtgesetz lapidar aus, dass „aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, der durchgeführten Erhebungen des Anzeigenlegers und der Tatsache, dass Sie zum Tatvorwurf keine gegenteiligen Angaben gemacht haben“ die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen angesehen würde. Es folgen noch pauschale Ausführungen zum Paragraph 5, Absatz eins, VStG und zur Strafbemessung.

1.5. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit der – aufs Wesentlichste zusammengefasst – folgendes geltend gemacht wird:

-    Die Beschwerdeführerin sei die „falsche Beschuldigte“, da sie als CEO für die Bearbeitung von Angelegenheit wie im gegenständlichen Fall im Rahmen ihres Unternehmens nicht verantwortlich wäre.

-    Die Durchführung dieses Strafverfahrens verstoße gegen den Grundsatz „ne bis in idem“.

-    Die belangte Behörde hätte unzulässiger Weise den Tatvorwurf ohne vorherige Einräumung des Parteiengehörs geändert.

-    Die belangte Behörde wäre im konkreten Fall unzuständig gewesen, da der Tatort einer im gegenständlichen Zusammenhang in Betracht kommenden Unterlassung nur „im Bezirk ***“ liegen könne; bei der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung handle es sich nicht um eine Geldleistung, die durch Übergabe am Wohnort des Gläubigers zu erfüllen wäre, sondern um ein Angebot von Sachleistungen.

-    Es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, zumal die Fluglinie eine frühestmögliche Beförderung angeboten hätte, die Fluggäste das Angebot abgelehnt hätten und stattdessen die Ticketerstattung gewählt hätten. Eine etwaige Verfolgungsverjährung hätte am 31. Jänner 2020 „geendet“.

-    Es sei unzulässig, aufgrund der Anzeige der F ein weiteres Strafverfahren einzuleiten; die Straferhebung aus Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sei unzulässig, da die Übertretung aus einem Schlichtungsverfahren erwachse; dieses Verfahren könne nicht unabhängig, fair und transparent erfolgen, da die F mittels nachfolgender Strafanzeige versuchte, die Beschuldigte zur Anerkennung von Forderungen zu veranlassen.

-    Aus der Verordnung(EG) Nr. 261/2004 resultiere lediglich die Verpflichtung des Luftfahrtunternehmens, Unterstützungen anzubieten, nicht jedoch müsse das Luftverkehrsunternehmen eine Ticketerstattung oder eine Ausgleichszahlung tatsächlich leisten; ss liege in diesem Zusammenhang eine unzulässige Vermischung von Zivil- und Strafgerichtsbarkeit vor.

-    Der Ticketpreis sei über das „bei der Buchung verwendete Zahlungsmittel“ am 12. November 2019 erstattet worden, die Ausgleichsleistung am 29. November 2019.

-     Die Behörde hätte auf keine Gegenanfrage in für die Betroffene verständlicher Sprache reagiert, von einem fehlenden Angebot von Unterstützungsleistungen sei nie die Rede gewesen, die Beschuldigte hätte wiederholt ihre Zahlungsbereitschaft geäußert und die Zahlungen vollumfänglich geleistet. Eine frühere Reaktion sei der Beschuldigten aufgrund der Pandemiesituation nicht möglich gewesen.

1.6. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vor. Dieses führte am 16. Mai 2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der der Verwaltungsakt sowie der Gerichtsakt durch (Verzicht auf) die Verlesung ins Verfahren einbezogen wurden, die (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführerin sowie eine Vertreterin der F gehört sowie die Zeugin E vernommen wurde(n).

2.   Beweiswürdigung

Unbestritten ist, dass die Zeugin E, welche (im in Betracht kommenden Tatzeitraum sowie nach wie vor) im Bezirk Tulln wohnhaft ist, und ihr Partner zum angegebenen Datum einen Flug der D SA, deren Geschäftsführerin (CEO) die Beschwerdeführerin ist, von *** nach *** gebucht haben, den sie jedoch trotz rechtzeitigen Erscheinens am Flughafen nicht konsumieren konnten, da der Flug zu dieser Zeit nicht (mehr) stattfand. Im Übrigen folgt das Gericht in Bezug auf die Feststellungen betreffend fehlende Information und Unmöglichkeit einer direkten Kontaktaufnahme mit der Fluglinie am Abflugtag, Buchung eines Ersatzfluges und erhaltener Zahlungen den glaubwürdigen Aussagen der Zeugin E. Die Beschwerdeführerin ist dieser Aussage auch nicht substanziell entgegengetreten. Was die Kostenerstattungen angelangt, decken sich die Angaben der Zeugin (welche naturgemäß aus der Erinnerung nicht das exakte Datum, sondern nur die ungefähre Zeit nennen konnte) mit den Angaben des LU, welche auch durch Buchungsnachweise bestätigt sind. Aufgrund dessen bezweifelt das Gericht auch nicht, dass auch eine Überweisung der Ticketkosten in Höhe von jeweils € 79,60 stattgefunden hat. Zumindest unter Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ ist davon auszugehen, dass die Überweisung an die Zeugin (bzw. an das ursprüngliche „Zahlungsmittel“) zeitnah zum von der Beschwerdeführerin angegebenen Datum 12. November 2019 erfolgt ist. Aufgrund des im Strafverfahren geltenden Grundsatzes „in dubio pro reo“, wie er auch in der Bestimmung des Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer eins, VStG zum Ausdruck kommt, darf der Beschuldigte in jenen Fällen nicht bestraft werden, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise im entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte vergleiche z.B. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/17/0165).

Weiterer Feststellungen bedurfte es, wie sich aus der rechtlichen Beurteilung ergeben wird, nicht.

3.   Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

3.1.     Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Luftfahrtgesetz

Paragraph 169, (1) Wer

1. diesem Bundesgesetz,

2. den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen,

3. folgenden unionsrechtlichen Verordnungen in der jeweils geltenden Fassung:

(…)

s) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91,

(…)

zuwiderhandelt oder zuwiderzuhandeln versucht, begeht, wenn nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen. Liegen erschwerende Umstände vor, so kann neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. In Fällen der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen ohne die nach Paragraph 102, erforderlichen Bewilligungen ist eine Geldstrafe von mindestens 3 630 Euro zu verhängen. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben beim Verdacht des widerrechtlichen Betriebes von unbemannten Luftfahrzeugen die Bezirksverwaltungsbehörde durch Maßnahmen, die für die Einleitung und Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind, zu unterstützen.

Verordnung (EG) Nr. 261/2004

Artikel 5 Absatz eins, Litera a und c

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten (..)

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt (…), es sei denn,

i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

Artikel 7

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe: a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger, b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km, c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen. Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. (2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger nicht später als zwei Stunden oder b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 und 3 500 km nicht später als drei Stunden oder c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen nicht später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunter nehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen. (3) Die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 erfolgen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen. (4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Entfernungen werden nach der Methode der Großkreisentfernung ermittelt.

Artikel 8

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen a) — der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit — einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt, b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze. (2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt. (3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.

ABGB

Paragraph 907 a, (1) Eine Geldschuld ist am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen, indem der Geldbetrag dort übergeben oder auf ein vom Gläubiger bekanntgegebenes Bankkonto überwiesen wird. Haben sich nach der Entstehung der Forderung der Wohnsitz oder die Niederlassung des Gläubigers oder dessen Bankverbindung geändert, so trägt der Gläubiger eine dadurch bewirkte Erhöhung der Gefahr und der Kosten für die Erfüllung.

Paragraph 1420, Wenn der Ort und die Art der Leistung nicht bestimmt sind, so müssen die oben (Paragraph 905, Absatz eins und 2, Paragraph 906,, Paragraph 907 a, Absatz eins,, Paragraph 907 b,) aufgestellten Vorschriften angewendet werden.

VwGVG

Paragraph 27, Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

Paragraph 44, (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(…)

Paragraph 50, (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:

1. im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;

2. im Fall des Paragraph 45, Absatz eins, VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.

(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.

VStG

Paragraph 9, (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Absatz 2,) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(…)

Paragraph 25, (…)

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

(…)

Paragraph 27, (1) Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

(…)

Paragraph 31, (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (Paragraph 32, Absatz 2,) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Absatz eins, genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1.

die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2.

die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, beim Gericht oder bei einer anderen Verwaltungsbehörde geführt wird;

3.

die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

4.

die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

Paragraph 44 a, Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten

Paragraph 45, (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

(…)

VwGG

Paragraph 25 a, (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Artikel 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

3.2.     Rechtliche Beurteilung

3.2.1. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde dafür bestraft, dass sie (gemeint: im Sinne des Paragraph 9, Absatz eins, VStG) als zur Vertretung des LU nach außen verantwortliches Organ zu verantworten hätte, dass das LU der Zeugin E keinen „Anspruch auf Ausgleichsleistungen und Unterstützungsleistungen“ eingeräumt hätte, wobei die belangte Behörde letztere mit „Ersatz der Flugscheinkosten und Ersatz der Mehrkosten der Alternativbeförderung“ näher präzisiert. Damit wird der Beschwerdeführerin zweifellos eine Unterlassung vorgeworfen. Nach ständiger Rechtsprechung vergleiche zuletzt zB VwGH 19.04.2023, Ra 2022/07/0079 mit Hinweis auf 19.12.2005, 2003/03/0199) ist bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung durch Unterlassung zur Konkretisierung des Tatvorwurfes die individualisierte Beschreibung jener Handlungen im Spruch erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen und nach Ansicht der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat.

3.2.2. Nach dem Tatvorwurf des angefochtenen Bescheides – und nur darum geht es im vorliegenden Fall – wird der Beschwerdeführerin in (nur) insoweit hinreichend konkreter Weise die Nichterbringung von Geldleistungen vorgeworfen, welche gemäß Paragraph 1420, in Verbindung mit Paragraph 907 a, Absatz eins, ABGB durch Übergabe am Wohnort des Gläubigers zu erfüllen sind. Der maßgebliche Tatort für ein Unterlassungsdelikt ist der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen (zB VwGH 12.10.2022, Ra 2022/02/0173).

Im Hinblick auf den Wohnsitz der Zeugin E im Bezirk Tulln war die belangte Behörde somit gemäß Paragraph 27, Absatz , VStG zur Entscheidung über die von ihr angenommene Tat zuständig.

3.2.3. Unter der Voraussetzung, dass ein derartiges Verhalten mit Strafe bedroht ist, liegt also ein Unterlassungsdelikt vor, und zwar in Form eines Dauerdelikts, bei dem das verpönte Verhalten erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes aufhört vergleiche z.B. VwGH 30.04.2021, Ra 2020/05/0043). Die Verjährungsfrist beginnt daher in in der Regel in jenem Zeitpunkt, in dem die gebotene Maßnahme nachgeholt wird vergleiche z.B. VwGH 14.11.2019, Ro 2019/22/0002).

Im Zeitpunkt der von der belangten Behörde vorgenommenen (ersten) Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 07. Dezember 2021) war daher bereits Verfolgungsverjährung im Sinne des Paragraph 31, Absatz eins, VStG eingetreten, soweit es um die Ausgleichsleistung nach Artikel 7, Absatz eins, Litera b, der Verordnung (EG) 261/2004 (dass der daraus resultierende Betrag in Höhe von € 400,- im gegenständlichen Fall zutrifft, ist unbestritten) sowie den Ersatz der Flugscheinkosten nach Artikel 8, Absatz eins, Litera a, der genannten Verordnung geht, da diese Zahlungen bereits im Jahr 2019 getätigt worden sind, die Tat(en) somit im Zahlungszeitpunkt beendet war(en) und demnach bereits weitaus mehr als ein Jahr verstrichen war, bevor die belangte Behörde eine Verfolgungshandlung gesetzt hat. Im Übrigen ist insoweit bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses auch Strafbarkeitsverjährung nach Paragraph 31, Absatz 2, VStG eingetreten gewesen.

Soweit die belangte Behörde der Beschwerdeführerin jedoch die Nichterbringung der Mehrkosten der Alternativbeförderung vorwirft, konnte – Strafbarkeit vorausgesetzt – im Hinblick auf den Zahlungszeitpunkt erst im Jänner 2022 angesichts der Erlassung des Straferkenntnisses im März 2022 naturgemäß weder Verfolgungs- noch Strafbarkeitsverjährung eingetreten sein.

3.2.4. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob die Unterlassung der Bezahlung der Mehrkosten der Alternativbeförderung überhaupt verwaltungsbehördliche strafbar ist. Dies ist nach Auffassung des Gerichts aufgrund folgender Überlegungen zu verneinen:

Der in diesem Zusammenhang maßgebliche Artikel 8, der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 räumt dem von einer Annullierung eines Fluges (davon ist im vorliegenden Fall auszugehen) betroffenen Fluggast ein Wahlrecht zwischen der vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten, der anderwärtigen Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder einer anderwärtigen Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes ein.

Nun ist zwar richtig, dass Artikel 5, Absatz eins, Litera a, der zitierten Verordnung davon spricht, dass dem Fluggast derartige Unterstützungsleistungen vom Luftfahrtunternehmen „angeboten“ werden (müssen); jedoch kann nicht ernstlich die Meinung vertreten werden, dass das Luftfahrtunternehmen seine aus der genannten Verordnung resultierenden Verpflichtungen schon dadurch erfüllen würde, dass es dem Fluggast ein Angebot macht, dieses aber dann nicht erfüllen müsste. Im vorliegenden Fall wäre das Unternehmen der Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen, der Zeugin E eine entsprechende Wahlmöglichkeit einzuräumen, was nach Auffassung des Gerichts auch erfordert, dass das LU von sich aus an den Fluggast herantritt, aber zumindest am Flughafen durch eine entsprechend kompetente Repräsentanz anwesend sein muss, um dem Fluggast die effektive Geltendmachung seiner Ansprüche zu ermöglichen. Nach den glaubwürdigen Angaben der Zeugin E, denen die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, war es der Zeugin mangels Erreichbarkeit von Personal des LU nicht möglich, in den Genuss des ihr zustehenden Wahlrechtes zu kommen. Da – wie die erfolgte Reise der Zeugin am nächsten Tag zeigt – der frühestmögliche Zeitpunkt der Alternativbeförderung bereits der Folgetag gewesen wäre, hätte die Beschwerdeführerin (bzw. das von ihr vertretene LU) ihre Verpflichtung nur dadurch erfüllt, in dem sie der Zeugin – auf deren Wunsch – diesen Flug auch verschafft hätte. Aus dem Umstand, dass die Zeugin sich dann – mangels eines entsprechenden Angebots der Fluglinie – gezwungen gesehen hat, um ihre geplante Urlaubsreise doch noch antreten zu können, selbst für eine Alternativbeförderung Sorge zu tragen, kann redlicherweise Weise nicht abgeleitet werden, dass sich die Zeugin mit dem Ersatz der Flugscheinkosten begnügt hätte.

Das Luftfahrtunternehmen, für das die Beschwerdeführerin einzustehen hat, hat daher im vorliegenden Fall ihre aus Artikel 8, der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 resultierende Verpflichtung nicht erfüllt. Freilich kam nach Lage des Falles die Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt (oder zu einem späteren Zeitpunkt auf Wunsch des Fluggastes) nur so lange in Betracht, als die Zeugin nicht selbst für eine entsprechende Beförderung gesorgt hatte. Mit anderen Worten, nachdem die Zeugin E mittels des selbstgebuchten Fluges von *** nach *** gereist war, konnte das Luftfahrtunternehmen seine Verpflichtung nach Artikel 8, Absatz eins, Litera b, oder c der genannten Verordnung nicht mehr erfüllen. Diese Tat war daher in diesem Zeitpunkt (am 1. Februar 2019) abgeschlossen und im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses vom 08. März 2022 verjährt (sowohl Verfolgungs- als auch Strafbarkeitsverjährung). Allerdings wurde diese Tat der Beschwerdeführerin ohnedies nicht angelastet. Vielmehr besteht der Vorwurf im angefochtenen Straferkenntnis, soweit er überhaupt als hinreichend konkret im Sinne des Paragraph 44 a, Ziffer eins, VStG angesehen werden kann, insoweit darin, dass der Ersatz der Mehrkosten der Alternativbeförderung unterlassen worden wäre. Ein derartiger Anspruch wird jedoch nicht durch die in Rede stehenden Bestimmungen der Verordnungen (EG) 261/2004 – zumindest nicht nach deren Wortlaut - eingeräumt, sondern sind dies Ansprüche zivilrechtlicher Natur, die aus dem Beförderungsvertrag erwachsen. Die Strafbarkeit der Unterlassung des Ersatzes der Mehrkosten der Alternativbeförderung resultiert daher aus den von der belangten Behörde herangezogenen Normen nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet im Verwaltungsstrafrecht der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung (z.B. VwGH 13.07.2022, Ra 2020/02/0062). Eine Ergänzung durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung, insbesondere auch durch Größenschluss, zum Nachteil des Täters, ist untersagt vergleiche z.B. VwGH 26.01.2023, Ro 2020/01/0002). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob in diesem Zusammenhang überhaupt eine lückenhafte Regelung in Bezug auf die Fluggastrechte besteht.

Soweit die belangte Behörde der Beschwerdeführerin also den Nichtersatz der Mehrkosten der Alternativbeförderung vorgeworfen hat, hat sie ihr ein nicht strafbares Verhalten angelastet.

3.2.5. Zusammenfassend ergibt sich also, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren nach Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer eins, VStG (hinsichtlich des Vorwurfs des Nichtersatzes der Mehrkosten der Alternativbeförderung mangels Vorliegens einer Verwaltungsübertretung) bzw. Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, VStG (soweit es um Ausgleichsleistung und Ersatz der Flugscheinkosten geht, wegen Verfolgungsverjährung) einzustellen ist.

3.2.6. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war im vorliegenden Fall nicht zu lösen, ging es doch um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur hinreichend geklärten Rechtslage auf den Einzelfall. Die ordentliche Revision (Artikel 133, Absatz 4, B-VG) gegen diese Entscheidung ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Infrastruktur und Technik; Luftfahrt; Verwaltungsstrafe; Fluggast; Ausgleichsanspruch; Unterstützungsleistungen; Flugscheinkosten; Mehrkosten; Alternativbeförderung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.S.1107.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2024

Dokumentnummer

LVWGT_NI_20230606_LVwG_S_1107_001_2022_00

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