Verfassungsgerichtshof (VfGH)

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Rechtssatz für G164/2016

Entscheidungsart

Erkenntnis

Dokumenttyp

Rechtssatz

Sammlungsnummer

20151

Geschäftszahl

G164/2016

Entscheidungsdatum

14.03.2017

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw NichtraucherschutzG §1, §2a, §10d
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK 1. ZP Art1
EU-Grundrechte-Charta Art16, Art17
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 18 heute
  2. B-VG Art. 18 gültig ab 01.07.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  3. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2001
  5. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2001
  6. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.1996 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 8/1999
  7. B-VG Art. 18 gültig von 01.01.1997 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 121/2001
  8. B-VG Art. 18 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1996 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 18 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots des Versandhandels mit E-Zigaretten und Liquids; Abweisung des Individualantrags der Betreiberin eines Onlineshops; keine Verletzung der Erwerbsfreiheit; Versandhandelsverbot im öffentlichen Interesse des Gesundheits-, Konsumenten- und Jugendschutzes gelegen und zur Zielerreichung geeignet und adäquat; kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht; keine unsachliche Gleichbehandlung von E-Zigaretten mit Tabakerzeugnissen und anderen verwandten Erzeugnissen; Informationspflichten der Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten nicht unsachlich und hinreichend bestimmt

Rechtssatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen in §1 Z1b, Z1c, Z1l und §2a sowie des §10d Abs1 Z3, Z4 und §10d Abs3 Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw NichtraucherschutzG - TNRSG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 22 aus 2016,.

Das Versandhandelsverbot mit (nikotinhaltigen und nikotinfreien) elektronischen Zigaretten sowie die Verpflichtungen im Hinblick auf die Sammlung und Aufbereitung von Informationen betreffen die antragstellende Gesellschaft als Betreiberin eines entsprechenden Onlineshops unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre.

Bestehender Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Versandhandelsverbot in §2a TNRSG und den angefochtenen Begriffsbestimmungen des §1 Z1b, 1c, und 1l TNRSG. Keine Unzulässigkeit des Antrags wegen eines gegebenenfalls zu weiten Anfechtungsumfanges.

Keine Verletzung der Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art6 StGG und der unternehmerischen Freiheit nach Art16 GRC durch das Versandhandelsverbot in §2a in Verbindung mit §1 Z1b, 1c und 1l TNRSG.

Die angefochtenen Bestimmungen beschränken das Recht der antragstellenden Gesellschaft, eine bereits ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit - den Versandhandel von (nikotinhaltigen und nikotinfreien) E-Zigaretten und Liquids an Verbraucher - auszuüben, und bewirken, dass die bisher über den Onlineshop durchgeführte Tätigkeit im Hinblick auf den Verbraucher mit 20.05.2016 einzustellen war.

Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, auch nikotinfreie Produkte, im Sinn des Vorsorgeprinzips, auf Grund potentieller gesundheitsschädigender Auswirkungen (durch die Inhalation einer Chemikalienmischung, insbesondere von Propylenglykol) in den Anwendungsbereich des TNRSG und des Versandhandelsverbots einzubeziehen.

Das Versandhandelsverbot verfolgte offensichtlich die Interessen des Gesundheits-, Konsumenten- und Jugendschutzes. Damit verfolgt das Versandhandelsverbot jedenfalls (schwerwiegende) im öffentlichen Interesse gelegene Ziele.

Im Hinblick auf das Ziel des Gesundheitsschutzes ist das Versandhandelsverbot zur Zielerreichung deshalb als geeignet anzusehen, weil es jedenfalls dazu beiträgt, die allgemeine Verfügbarkeit von E-Zigaretten sowie den erleichterten Zugang zu diesen und damit gegebenenfalls auch ihre Attraktivität zu reduzieren.

Vor dem Hintergrund der gesundheitspolitischen Zielsetzung wäre es zudem unsachlich, ein Versandhandelsverbot für Tabakerzeugnisse, nicht jedoch auch für die ähnlich gesundheitsgefährdenden verwandten Erzeugnisse vorzusehen.

Auch im Hinblick auf den Konsumentenschutz (einschließlich der Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten) und den Jugendschutz ist das Versandhandelsverbot zur Zielerreichung als geeignet anzusehen.

Die von der antragstellenden Gesellschaft ins Treffen geführten Möglichkeiten einer Alterskontrolle im Versandhandel ändern nichts daran, dass der Versandhandel insoweit einem diesbezüglich höheren Manipulationsrisiko unterliegt als der persönliche Verkauf im Fachgeschäft durch einen verständigen Verkäufer.

Das Verbot ist auch adäquat. Das Gewicht der gesundheitspolitischen Zielsetzung verbunden mit Aspekten des Konsumenten- und Jugendschutzes überwiegt die Schwere des Eingriffs in die Rechte von Betreibern eines Onlineshops für elektronische Zigaretten gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass es diesen nach wie vor offen steht, E-Zigaretten weiterhin im Wege des Onlinehandels an Händler zu vertreiben und im Fall des beabsichtigten Verkaufs an Verbraucher ein Einzelhandelsgeschäft zu eröffnen.

Kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht und den Gleichheitssatz.

Hinweis darauf, dass der Gleichheitssatz weder einen Schutz vor (auch nachteiligen) Gesetzesänderungen bietet, noch dem Gesetzgeber Grenzen auferlegt, die ihn bei seiner Entscheidung über das "Ob" der Gesetzesänderung in irgendeiner Weise beschränken würden, sofern nur das Gesetz in der geänderten Fassung den Anforderungen des Gleichheitssatzes entspricht.

Der Gesetzgeber handelt nicht unsachlich, wenn er den Versandhandel mit (nikotinhaltigen und nikotinfreien) E-Zigaretten und deren Zubehör an Verbraucher aus Gründen des Gesundheits-, Konsumenten- oder Jugendschutzes ebenso wie jenen mit Tabakerzeugnissen und anderen verwandten Erzeugnissen untersagt. Im Hinblick auf die mit E-Zigaretten verbundenen Gesundheitsrisiken liegt in der Gleichbehandlung mit Tabakerzeugnissen und anderen verwandten Erzeugnissen keine unsachliche Gleichbehandlung, auch wenn bei E-Zigaretten kein Verbrennungs-, sondern ein Verdampfungsvorgang stattfindet. Das auch bei E-Zigaretten gegebene Sucht- und Gesundheitsgefährdungspotential sowie deren besondere Attraktivität für Einsteiger rechtfertigen die Gleichbehandlung.

Auch in der unterschiedlichen Behandlung des Produktes E-Zigaretten einerseits und von Pfeifen andererseits sowie der unterschiedlichen Behandlung von Einzelhandel und Versandhandel vermag der VfGH keine unsachliche Ungleichbehandlung zu erkennen.

Keine unsachliche Ungleichbehandlung von Herstellern und Importeuren von elektronischen Zigaretten (gegenüber Herstellern von Tabakzigaretten) durch die Verpflichtung gemäß §10d Abs1 Z4 TNRSG, dem Bundesminister Zusammenfassungen aller durchgeführten Marktstudien, einschließlich einer englischen Übersetzung, jährlich vorzulegen.

Bei nikotinfreien und nikotinhaltigen E-Zigaretten handelt es sich um relativ neuartige Produkte, die erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind, deren Verkauf bisher kaum reglementiert war und deren (großteils synthetische) Inhaltsstoffe sowie deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Gefährdungspotentiale dementsprechend kaum erforscht sind. Es liegt im Interesse der öffentlichen Gesundheit und ist aus gesundheits- und präventionspolitischen Gründen erforderlich, ein Mindestmaß an wissenschaftlichen Informationen zu diesen Produkten für die zuständigen Behörden zu erlangen.

§10d Abs1 Z3, Z4 und Abs3 TNRSG (betr Informationspflichten) hinreichend bestimmt.

Der durch die Formulierungen eingeräumte Spielraum lässt der Vollziehung ausreichend Raum, um auf die Besonderheiten des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Die Regelung ist aber auch hinreichend klar, um die Ausübung dieses Spielraums im konkreten Einzelfall - vor dem Hintergrund ihrer Zielsetzungen - einer Überprüfung zu unterziehen.

§10d Abs1 Z3 und Z4 sowie Abs3 TNRSG richten sich zudem an eine kundige Personengruppe, an "Fachleute" des Sachgebiets, nämlich an die Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten, von der angenommen werden muss, dass sie in der Lage ist, zu beurteilen, was unter der "Art des Verkaufs" zu verstehen sein wird oder wie ein "System zur Erhebung von Informationen über alle vermuteten schädlichen Auswirkungen dieser Erzeugnisse auf die menschliche Gesundheit" auszusehen hat. Die Regelungen sind mit den herkömmlichen Interpretationsmethoden, gerade auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung des umfassenden und zentralen Gewinnens von Informationen über elektronische Zigaretten, einer Auslegung zugänglich und damit hinreichend bestimmt.

Entscheidungstexte

  • G164/2016
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.03.2017 G164/2016

Schlagworte

Gesundheitswesen, Tabak, Erwerbsausübungsfreiheit, Vertrauensschutz, Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G164.2016

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018

Dokumentnummer

JFR_20170314_16G00164_01

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