Bundesverwaltungsgericht (BVwG)

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Entscheidungstext W256 2143919-1

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Erkenntnis

Geschäftszahl

W256 2143919-1

Entscheidungsdatum

10.04.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch

W256 2143916-1/2E

W256 2143919-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. römisch 40 , geboren am römisch 40 , und 2. römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA Afghanistan, vertreten durch Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremden und Asyl vom 17. November 2016, 1. Zl. 1088910004-151436918 und 2. Zl. 1129964509-161266742 zu Recht:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben, und 1. römisch 40 und 2. römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 und römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 23. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Fluchtgrund brachte sie im Wesentlichen vor, sie sei im Iran geboren, und noch nie in Afghanistan gewesen. Auch kenne sie niemanden in Afghanistan. Sie würde dort verhungern, auch deshalb, weil sie der Volksgruppe der Hazara angehöre.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist die minderjährige Tochter der Erstbeschwerdeführerin. Sie wurde am römisch 40 in Österreich geboren. Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde am 19. September 2016 gestellt, eigene Fluchtgründe wurden von der Erstbeschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreterin für die Zweitbeschwerdeführerin nicht vorgebracht.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wurde ihnen dagegen der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die Erstbeschwerdeführerin sei im Iran geboren, und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Sie sei verheiratet, und habe eine minderjährige Tochter, römisch 40 . Ausdrücklich festgestellt wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin westlich orientiert sei, und zwar, weil sie ihre Tochter im Rahmen ihrer Einvernahme vor der Behörde in Anwesenheit des Organwalters und der Dolmetscherin gestillt habe. Die abweisende Entscheidung wurde damit begründet, dass sowohl die Erstbeschwerdeführerin, als auch die Zweitbeschwerdeführerin keine konkrete, individuell gegen sie gerichtete Verfolgung glaubhaft machen konnten. Die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara begründe für sich allein keine asylrechtliche Relevanz.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende (gemeinsame) Beschwerde, mit welcher jeweils der Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird mit einer mangelhaften Ermittlung bezüglich der Situation der Frauen und von Personen der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan begründet. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihres selbstbestimmten Lebens und ihrer westlichen Einstellung zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen, angehöre. Die Erstbeschwerdeführerin werde in Österreich nicht mehr diskriminiert und beschimpft, und habe sie die Möglichkeit, in die Schule zu gehen und eine Ausbildung zu absolvieren. Auch sei sie nicht mehr verpflichtet, den Tschador zu tragen. Ferner werde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerinnen in Afghanistan bereits allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt werden würden. Den Beschwerdeführerinnen wäre somit allein aus diesem Grund internationaler Schutz gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 zu gewähren gewesen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zu den Personen

Die Erstbeschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist muslimisch-schiitischen Bekenntnisses. Sie ist im Iran geboren, nie in Afghanistan gewesen und Mutter der in Österreich geborenen minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Hazara an.

Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine Frau, die an einem auf Selbstbestimmung ausgerichteten Frauenbild orientiert ist, das in Europa mehrheitlich gelebt und allgemein als westlich bezeichnet wird.

Zur Situation der Frauen in Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21. Jänner 2016):

Während sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat, bleibt die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 6.11.2015). Es steht außer Frage, dass ein gewisser Fortschritt gemacht wurde, gemeinsam mit Verbesserungen in Richtung Gleichheit. Jedoch waren die Verbesserungen diesbezüglich bescheidener, als ursprünglich erhofft (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen waren auch weiterhin gegeben, teils aufgrund des Wiederauflebens der Tailban und teils aufgrund des großen Einflusses religiöser Traditionalisten. [ ] Frauen, die danach streben sich ins öffentliche Leben einzubringen, werden oftmals als "sittenwidrig" verurteilt und gezielt eingeschüchtert, belästigt und es wird ihnen Gewalt angedroht [...]

Berufstätigkeit

Obwohl Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft wesentliche Fortschritte gemacht haben, sind sie noch immer Strömungen des islamischen Konservativismus und einer Missbilligung durch das Herausfordern traditioneller Geschlechterrollen ausgesetzt (BFA Staatendokumentation 3.2014). In Afghanistan ist die Mobilität von Frauen ohne männliche Erlaubnis oder Begleitung durch soziale Traditionen eingeschränkt. Unbegleitete Frauen sind gemeinhin nicht gesellschaftlich akzeptiert (USDOS 25.6.2015; vergleiche AA 16.11.2015; BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Speziell in den ländlichen Gebieten ist die Mobilität außerhalb des Hauses aus kulturellen Gründen limitiert. Daher sind Frauen hauptsächlich in häusliche Aktivitäten involviert. Frauen, die im Haushalt oder der Landwirtschaft arbeiten, beteiligen sich unbezahlt am wirtschaftlichen Wohl des Haushalts. Die Betreuung von Nutztieren ist in Afghanistan traditionell Frauensache. Es existieren regionale Unterschiede vor allem zwischen Stadt und Land, wo ein Großteil der Bevölkerung bezahlt und unbezahlt im Haushalt arbeitet (BFA Staatendokumentation 3.2014). Gleichzeitig ist es für viele Frauen immer noch sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Vorheriger SuchbegriffBerufeNächster Suchbegriff zu ergreifen. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 6.11.2015).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der weibliche Raum für Führung bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichheit werden auch weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als bloß symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und

finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). . Arbeitende Frauen waren,

Berichten zufolge, Schwierigkeiten ausgesetzt: sexuelle Belästigung, fehlende Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten davon, bedroht und misshandelt zu werden (USDOS 25.6.2015).

Strafverfolgung und Unterstützung

Obwohl weibliche Partizipation am öffentlichen Leben in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 drastisch gestiegen ist, sind die Fortschritte in manchen Bereichen, wie zum Beispiel dem Gesetz, langsam (IWPR 3.12.2015).

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 6.11.2015). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 6.11.2015; vergleiche USDOS 25.6.2015 und The Guardian 11.5.2015). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 6.11.2015).

[ ]

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt (AA 16.11.2015; vergleiche The Guardian 11.5.2015). Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z.B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 6.11.2015).

Ehrenmorde

Ehrenmorde werden an Frauen von einem - typischerweise männlichen - Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, bei "davonlaufen" vor Zwangsverheiratung oder Opfer eines sexuellen Übergriffs zu werden. (USDOS 25.6.2015).

[ ]

Als letzten Ausweg, in Reaktion auf gegen Frauen gerichtete Gewalt und traditionelle Praktiken, laufen Frauen entweder von zu Hause weg (BFA Staatendokumentation 2.7.2014), oder verbrennen sich in drastischen Fällen sogar selbst (USDOS 25.6.2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Darüber hinaus geschieht es immer wieder, dass Frauen, die entweder eine Straftat zur Anzeige bringen oder aber von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, wegen sog. Sittenverbrechen wie z.B. "zina" (außerehelicher Geschlechtsverkehr) im Fall einer Vergewaltigung verhaftet oder wegen "Von-zu-Hause-Weglaufens" (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der "zina" gewertet) inhaftiert werden (AA6.11.2015).

Frauenhäuser

Frauen auf der Suche nach Hilfe in Fällen von häuslicher Gewalt, müssen dies oft außerhalb ihres Heimes und ihrer Gemeinschaft tun (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser (USDOS 25.6.2015). Frauen, denen es nicht möglich war mit ihren Familien wieder vereint zu werden oder wiederheiratet zu werden, waren dazu gezwungen für unbestimmte Zeit im Frauenhaus zu bleiben, da "unbegleitete" Frauen allgemein in der Gesellschaft nicht akzeptiert werden (USDOS 25.6.2015; vergleiche AA 6.11.2015). Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband (6.11.2015).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösungsfindung für Frauen war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, dass das "Weglaufen von zu Hause" eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten sei. Des Weiteren wurden Frauen, die vergewaltigt wurden, von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 25.6.2015).

Zur Situation der Hazara in Afghanistan (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21. Jänner 2016):

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert.

Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 2.3.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.6.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015). Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.1.2015). Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

2. Beweiswürdigung:

Die Länderfeststellungen gründen sich auf die bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichte angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesasylamtes in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung für Frauen bzw. Hazara ergeben hätte, kann unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums in diesem Fall verneint werden.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerinnen, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zur familiären Situation ergeben sich aus den glaubwürdigen, gleichbleibenden eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde sowie aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten in Zusammenhalt mit der Beschwerde.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Zweitbeschwerdeführerin ergibt sich aus ihrer Strafunmündigkeit aufgrund ihres Alters.

Die belangte Behörde stellte – wenn auch disloziert in der Beweiswürdigung – bereits im angefochtenen Bescheid selbst fest, dass die Erstbeschwerdeführerin westlich orientiert sei. Dabei stützte sie sich auf den Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin ihr Kind in Anwesenheit des männlichen Organwalters und der Dolmetscherin gestillt habe. Das erkennende Gericht mag dieser Feststellung nicht entgegen treten, stellt doch gerade solch ein – schon allein aufgrund der strengen Kleidungsvorschriften in Afghanistan undenkbarer – freier und ungezwungener Umgang mit dem eigenen Körper ein wesentliches Indiz einer – bereits verfestigten – selbstbestimmten Lebenseinstellung dar. Davon abgesehen brachte die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer - in Abwesenheit ihres in Österreich aufhältigen Ehemannes und damit ohne dessen Begleitung erfolgten – Einvernahme vor der Behörde am 31. Oktober 2016 überdies vor, sie wolle in Österreich den Beruf der Frisörin ausüben, und erwarte sie in Afghanistan – da sie dort u.a. nicht zur Schule gehen könne – keine gute Zukunft.

Besonders die im Rahmen der Einvernahme erfolgte Stillsituation zeigt eindrücklich, wie selbstverständlich die Erstbeschwerdeführerin bereits nach einem "europäischen" Muster lebt, und ist – auch unter Berücksichtigung der von ihr geäußerten Zukunftswünsche – zu erkennen, dass sie das streng konservativ-afghanische Frauenbild und die konservativ-afghanische Tradition ablehnt bzw. bereits abgelegt hat.

Vor dem Hintergrund des von der Behörde im angefochtenen Bescheid dokumentierten bzw. sogar selbst festgestellten selbstbestimmten Verhaltens der Erstbeschwerdeführerin bestehen daher von Seiten des Gerichtes keine Gründe, das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Beschwerde, sie wolle als Vorheriger Suchbegrifffreie, selbständige Frau entgegen der konservativ-afghanischen Tradition leben, und keinen Kleidungszwängen unterliegen, in Zweifel zu ziehen. Ein persönlicher Eindruck war demgegenüber nicht erforderlich, zumal in diesem Punkt ohnedies aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu den im Bescheid getroffenen Feststellungen von einem "geklärten" Sachverhalt auszugehen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Im vorliegenden Fall behaupten die Beschwerdeführerinnen eine asylrechtliche Verfolgung in Afghanistan aufgrund 1. ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara und 2. der westlichen Orientierung der Erstbeschwerdeführerin.

Die belangte Behörde hat in ihrem angefochtenen Bescheid die behauptete Gruppenverfolgung der Hazara ausgeschlossen. In Bezug auf die westliche Orientierung der Erstbeschwerdeführerin stellte sie zwar fest, dass eine solche vorliege. Eine rechtliche Auseinandersetzung damit, fand allerdings nicht statt.

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).

Nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention ist Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Unter "Verfolgung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen vergleiche bspw. das Erkenntnis des VwGH vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074 u. v.a).

Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Artikel 9, der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15, Absatz 2, EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Artikel 2, EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Artikel 3, EMRK niedergelegte Verbot der Folter vergleiche das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083).

Eine konkrete gegen ihre Person selbst gerichtete Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. der westlichen Orientierung der Erstbeschwerdeführerin wird durch die Beschwerdeführerinnen, welche sich selbst nie in Afghanistan aufgehalten haben, nicht behauptet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung allerdings nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2017, Ra 2016/20/0089 u.v.m.).

3.1. Wie (auch) den Feststellungen (der belangten Behörde) in Bezug auf die Situation der Hazara in Afghanistan entnommen werden kann, unterliegen diese zwar zweifelsohne gesellschaftlichen Diskriminierungen und Schikanen. Von einer systematischen Vertreibung oder massiv diskriminierenden Benachteiligung sämtlicher Hazara und damit von einer asylrechtlichen (Gruppen)Verfolgung im oben beschriebenen Sinn kann, schon allein im Hinblick auf ihre Repräsentation in Politik sowie auch Armee und Sicherheitsbehörden, allerdings nicht ausgegangen werden vergleiche dazu auch das zu Artikel 3, MRK ergangene Urteil des EGMR, Case A.M. v. THE NETHERLANDS, vom 5. Juli 2016, Application Nr. 29094/09, wonach eine allgemeine Gefährdung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit der Hazara in Afghanistan nicht vorliegt).

Daran ändern auch die von den Beschwerdeführerinnen vorgelegten – vom erkennenden Gericht nicht in Zweifel gezogenen – Berichte über Anschläge und Angriffe auf Hazara nichts, weil diese Vorkommnisse nicht die – für eine (Gruppen)Verfolgung erforderliche – Verfolgungsdichte aufzeigen können. Gleiches gilt auch für das von den Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang aufgezeigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2015, Ra 2015/19/0106, weil darin keine inhaltliche Aussage in Bezug auf eine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan getroffen wird.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine asylrechtliche Verfolgung aus Gründen der Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerinnen verneint.

3.2. In Bezug auf die Situation von Frauen in Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Jänner 2008, Zl. 2006/19/0182, ausgesprochen, dass unter anderem afghanische Frauen, von denen angenommen werde, dass sie soziale Normen verletzen (oder die dies tatsächlich tun), bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund dieser individuellen Eigenschaft als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 2011, Zl. 2008/19/0994 u.v.m.).

Wie (auch von der belangten Behörde) festgestellt wurde, ist in Afghanistan eine Teilnahme am öffentlichen Leben für Frauen – schon allein aufgrund der auf sozialen Traditionen basierenden Beschränkungen der Mobilität ohne männliche Erlaubnis oder Begleitung – stark limitiert. Frauen, die dennoch danach streben, sich ins öffentliche Leben einzubringen, werden als "sittenwidrig" verurteilt, gezielt eingeschüchtert, belästigt und es wird ihnen Gewalt angedroht. "Unbegleitete" Frauen werden in der Gesellschaft zudem nicht akzeptiert. Selbst das "Weglaufen von zu Hause" (auch) im Falle von häuslicher Gewalt wird als ernste Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten angesehen, was oftmals zur Anzeige und in weiterer Folge sogar zur Inhaftierung führen kann. Das Prinzip eines individuellen Lebens ist in Afghanistan – nach den getroffenen Feststellungen – allgemein weitgehend unbekannt.

Eine selbstbestimmte Lebensweise einer Frau – wie von der Erstbeschwerdeführerin praktiziert – ist in Afghanistan somit aber (nur) mit ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt, unmittelbaren Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen verbunden vergleiche dazu auch das Urteil des EGMR, Case N. gegen Schweden, vom 20. Juli 2010, Application Nr. 23505/09, wonach für Frauen, welche sich nicht in die ihnen von der Gesellschaft, der Tradition und dem Rechtssystem zugewiesene Geschlechterrolle einfügen, eine besondere Gefahr misshandelt zu werden, besteht).

Diese die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan – auf Grund ihrer zu den herrschenden politischen bzw. religiösen Normen eingenommenen oppositionellen Einstellung – bedrohende Situation ist in ihrer Gesamtheit als von asylrelevanter Intensität zu beurteilen. Die demgegenüber stehende (einzig denkbare) Alternative der Unterdrückung dieser Lebenseinstellung kann aus asylrechtlicher Sicht nicht gefordert werden, bzw. wäre eine solche den eigenen Prinzipien widerstrebende Anpassung – wie oben ausgeführt – ohnedies einer Verfolgung in asylrechtlicher Intensität gleichzusetzen.

Die oben beschriebenen drohenden Übergriffe stellen zwar keinen Eingriff von staatlicher Seite dar; das heißt, sie sind von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet bzw. geduldet. Andererseits ist es der Zentralregierung auch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Bevölkerungsgruppe der afghanischen Frauen Sorge zu tragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt auch von privaten Personen oder Gruppierungen ausgehender Verfolgung asylrechtliche Relevanz zu, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, Schutz zu gewähren vergleiche etwa das Erkenntnis des VwGH vom 21. April 2011, 2011/01/0100, mwN).

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind staatliche Akteure aller drei Gewalten - wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt - häufig nicht in der Lage oder auf Grund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen.

Ausgehend von den der Erstbeschwerdeführerin drohenden Konsequenzen und der fehlenden Schutzgewährung durch die staatlichen Behörden kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführerin ein Ausweichen in einen anderen Landesteil Afghanistans möglich wäre, zumal sie im gesamten Staatsgebiet Afghanistans im Wesentlichen der gleichen - oben beschriebenen - Situation ausgesetzt wäre.

Da auch keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war der Erstbeschwerdeführerin gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.3. Gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 ist auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK mit dem Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 7,).

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Eine individuelle asylrelevante Verfolgung der Zweitbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat wurde – wie in Punkt 3.1. dargestellt - im vorliegenden Fall nicht aufgezeigt.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist aber im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005 Familienangehörige der Erstbeschwerdeführerin. Dass das zwischen den Beschwerdeführerinnen bestehende Familienleben in einem anderen Staat fortgesetzt werden könnte, ist nicht hervorgekommen.

Da der Erstbeschwerdeführerin – wie oben dargelegt – der Status einer Asylberechtigten zu gewähren war, war dieser Status gemäß Paragraph 34, AsylG 2005 auch der Zweitbeschwerdeführerin, bei der keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, zuzuerkennen.

3.4. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass den Beschwerdeführerinnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche maßgebliche Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz am 23. September 2015 und damit vor dem 15. November 2015 gestellt wurde; die Paragraphen 2, Absatz eins, Ziffer 15 und 3 Absatz 4, AsylG 2005 finden daher gemäß Paragraph 75, Absatz 24, leg.cit. im vorliegenden Fall keine Anwendung.

3.5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde unstrittig und damit geklärt ist. Das Bundesverwaltungsgericht ist (insb. hinsichtlich der westlichen Orientiertheit der Erstbeschwerdeführerin) von Tatsachen ausgegangen, die bereits im Bescheid auf unbedenkliche Weise festgestellt, und von den Beschwerdeführerinnen bestätigt bzw. nicht substantiiert bestritten worden sind. Allein diese Tatsachen hat das Bundesverwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2014, 2014/20/0017 und -0018). Dem Bundesverwaltungsgericht lag sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit den Beschwerdeführerinnen mündlich zu erörtern gewesen wäre, zumal ohnedies im Sinne der Beschwerdeführerinnen entschieden wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche die oben unter Punkt 3.1. und 3.5. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W256.2143919.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2017

Dokumentnummer

BVWGT_20170410_W256_2143919_1_00

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