Bundesverwaltungsgericht (BVwG)

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Entscheidungstext W121 2120771-1

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Erkenntnis

Geschäftszahl

W121 2120771-1

Entscheidungsdatum

04.08.2016

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch

W121 2120770-1/11E

W121 2120772-1/10E

W121 2120771-1/6E

W121 2128965-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika

ENZLBERGER-HEIS über die Beschwerde der römisch 40 , geb. römisch 40 , StA.:

Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung am römisch 40 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG), der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika

ENZLBERGER-HEIS über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA.:

Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung am römisch 40 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 iVm

Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika

ENZLBERGER-HEIS über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA.:

Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung am römisch 40 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß

Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika

ENZLBERGER-HEIS über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA.:

Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung am römisch 40 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 iVm

Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß

Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

römisch eins. Verfahrensgang:

römisch 40 (Erstbeschwerdeführerin zu W121 2120770-1) reiste zusammen mit ihrem 2012 geborenen Sohn römisch 40 (Drittbeschwerdeführer zu W121 2120771-1) nach Österreich und sie stellten am römisch 40 vor den Beamten des BPK römisch 40 , PI Traiskirchen East, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung am römisch 40 vor der PI Traiskirchen East gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund Folgendes an:

"Ich bin in Afghanistan bei meinem Onkel väterlicher Seite aufgewachsen. Die Familie meines Onkels wollte mich an einen alten Mann verkaufen. Ich wollte diesen jedoch nicht heiraten. Ich habe meinen jetzigen Mann geliebt. Aus diesem Grund sind wir vor drei Jahren von Afghanistan in den Iran geflohen. Im Iran waren wir illegal aufhältig, es bestand die Gefahr einer Abschiebung nach Afghanistan. Aus Angst vor meinem Onkel sind wir dann nach Europa geflohen.

Mein Sohn römisch 40 befindet sich seit seiner Geburt ständig bei mir. Für ihn gelten dieselben Asyl und Fluchtgründe wie für mich. Ich stelle hiermit auch für meinen Sohn einen Asylantrag."

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin römisch 40 (Zweitbeschwerdeführer zu W121 2120772-1) stellte am römisch 40 vor den Beamten des BPK Baden, PI Traiskirchen East, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung am römisch 40 vor der PI Traiskirchen East gab der Zweitbeschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund Folgendes an:

"Mein Schwiegervater wollte meine damalige Freundin und jetzige Ehefrau mit einem älteren Mann verheiraten. Aus diesem Grund nahm ich meine jetzige Frau mit und flüchtete in den Iran. Nach ca. 15-20 Tage heirateten wir in Teheran nach moslemischem Recht.

F: Haben Sie weitere Fluchtgründe?

A: Das ist mein einziger Fluchtgrund."

Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Erstbeschwerdeführerin am römisch 40 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

"(...)

F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?

A: Ich bin gesund und im fünften Monat schwanger.

F: Hat Ihr Sohn irgendwelche Krankheiten?

A: Mein Sohn ist gesund.

F: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente besorgt?

A: Nein.

F: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich, die Sie noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein.

Erklärung: Sie haben am römisch 40 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Asyl ersucht. Sie wurden am römisch 40 vor der Polizei Traiskirchen bereits zu Ihrem Asylverfahren, d.h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern? Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit? Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?

A: Ja, ich kann mich noch daran erinnern. Meine Angaben sind vollständig, ich habe damals alles gesagt, mehr habe ich selbst nicht dazu anzuführen. Ich habe die Wahrheit gesagt. Andere Gründe gibt es nicht.

Angaben zur Person und Lebensumständen:

Ich bin in römisch 40 in der Provinz römisch 40 geboren. Als ich zwei Jahre alt war sind meine Eltern verstorben. Ich bin bei meinem Onkel aufgewachsen. Mein Onkel war kein guter Mann und ich hatte ein sehr schweres Leben dort. Ich habe zwei Jahre lang eine Koranschule besucht.

F: Was haben Sie gearbeitet?

A: Ich habe nichts gearbeitet.

F: Wer hat für Ihren Lebensunterhalt gesorgt?

A: Mein Onkel hat für mich gesorgt.

Angaben zum Fluchtweg:

F: Wann haben Sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen?

A: Kurz vor meiner Ausreise vor vier Jahren.

F: Können Sie sich an Ihre Angaben zum Reiseweg, die Sie in Ihren bisherigen Einvernahmen gemacht haben, erinnern?

A: Ja, diese sind richtig.

F: Wie viel mussten Sie für die Reise bis nach Österreich bezahlen?

A: Euro römisch 40 .

F: Woher hatten Sie dieses Geld?

A: Mein Schwiegervater und der Onkel und die Tante von meinen Mann haben uns das Geld gegeben.

F: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

A: Wir sind illegal gereist.

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

A: Nein. Wir hatten in römisch 40 ein Interview, aber wir haben dort keinen Asylantrag gestellt. Wir hatten dann eine einmonatige Aufenthaltsgenehmigung. Wir mussten innerhalb von einem Monat römisch 40 verlassen.

F: Haben Sie zu Hause noch Personaldokumente?

A: Nein.

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Wir haben gehört, dass Österreich ein sicheres und gutes Land ist und es hier Menschenrechte gibt.

F: Möchten Sie zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?

A: Nein.

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben!

A: Mein jetziger Mann hat drei Monate lang versucht mich zu heiraten, aber mein Onkel hat immer abgelehnt, er wollte mich verkaufen und damit gutes Geld bekommen. Er wollte mich an einen römisch 40 -jährigen Mann verkaufen. Mein Onkel wollte nicht, dass ich meinen jetzigen Mann heirate, sondern dass ich jemanden heirate, von welchem er Geld bekommen würde. Ich wurde nicht gefragt, ob ich das wollte oder nicht. ich wollte mich umbringen. Meine jetzige Schwiegermutter kam zu mir und sagte mir, dass ihr Sohn - mein jetziger Mann - mit mir flüchten wollte. Sie war die einzige Person mit der ich sprechen konnte, weil sie immer zum Haus meines Onkels kam, um Trinkwasser zu holen. Ich habe zu meiner jetzigen Schwiegermutter gesagt, dass es gefährlich ist und dass wir getötet werden, wenn wir erwischt werden. Sie hat zu mir gesagt, dass es ihr Sohn so wollte, weil er mich liebt. Wir haben uns dann etwas ausgemacht, dass wir am nächsten Tag flüchten. Am Nachmittag hat die Frau meines Onkels meinen Onkel das Essen gebracht, es war somit niemand zuhause. Ich ging in das Haus meines jetzigen Mannes und wir sind mit dem Taxi nach Kabul geflüchtet. Dann sind wir zum Onkel meines jetzigen Mannes gegangen. Drei Tage waren wir dann dort und er hat uns geholfen, einen Schlepper für uns gefunden, und wir sind in den Iran gereist. Wir waren circa 18 Tage unterwegs, bis wir in den Iran angekommen sind. Dann sind wir zur Tante meines jetzigen Mannes gegangen. Dort haben wir geheiratet und zweieinhalb Jahre gelebt. Wir hatten dort ein kleines Zimmer, wo auch mein Kind auf die Welt kam. Wir haben ein paar Mal mit meinem Schwiegervater telefoniert und er hat gesagt, dass die Leute uns noch immer suchen würden. Ich wusste, dass die Leute sehr gefährlich waren, da sie auch mehrmals bei meinem Onkel auf Besuch waren. Wir waren im Iran illegal aufhältig und konnten dort nicht leben. Jederzeit hätte es passieren können, dass mein Mann nach Afghanistan abgeschoben wird. In Afghanistan hatte ich Angst, erwischt und getötet zu werden. Wir haben uns dann entschieden den Iran zu verlassen und nach Europa zu reisen und dabei haben uns die Tante und der Onkel meines jetzigen Mannes mit Geld geholfen.

F: Hatten Sie sonst irgendwelche Probleme in Ihrer Heimat?

A: Ich wurde von der Familie meines Onkels und von meinem Onkel geschlagen, ich war als Frau eingesperrt. Ich dufte auch nicht in die Schule gehen.

F: Von wem haben Sie in Afghanistan Angst erwischt und getötet zu werden?

A: Von meinem Onkel oder von der Person, die ich heiraten sollte.

F: Wer ist diese Person?

A: Sein Name war römisch 40 und ich habe ihn schon ein paar Mal gesehen, aber er war ein circa römisch 40 -jähriger Mann und war schon einmal verheiratet. Seine Frau ist aber verstorben.

F: Um wen handelt es sich bei dieser Person?

A: Er war einer der mächtigsten Talibankommandanten römisch 40 war seine rechte Hand.

F: Wollen Sie sonst noch irgendetwas dazu angeben?

A: Ich hatte bisher kein gutes Leben. Ich hätte diesen Mann unter Zwang heiraten sollen. Ich will hier in Österreich ein normales Leben mit meinen Mann haben.

F: Wie viel Geld hätte Ihr Onkel bekommen, wenn Sie diesen älteren Mann geheiratet hätten?

A: Ich weiß es nicht genau, aber ich schätze 400.000,--- Afghani.

F: Haben Sie diesen Mann, welchen Sie heiraten hätten sollen, gekannt?

A: Ja, er war schon ein paar Mal bei uns zuhause.

F: Warum wollten Sie diesen Mann nicht heiraten?

A: Er war alt und er hatte Kinder, welche so alt waren wie ich.

F: Warum wollte Ihr Onkel nicht, dass Sie ihren jetzigen Mann heiraten?

A: Er wollte jemanden für mich der Geld und Macht hat.

F: Warum konnten Sie nicht in Kabul bleiben?

A: Wenn wir in Kabul geblieben wären, wären wir von der Polizei festgenommen worden.

F: Warum?

A: Weil wir ohne zu heiraten geflüchtet sind und dies eine Straftat ist.

F: Wie hätte die Polizei wissen sollen, dass Sie nicht verheiratet sind?

A: Mein Schwiegervater hat gesagt, dass uns die Polizei suchen würde. Er hat uns dies auch zwei oder dreimal gesagt, als wir schon im Iran waren.

F: Wollen Sie sonst noch irgendetwas sagen?

A: Nein.

F: Was würde passieren, wenn Sie die Polizei finden würde?

A: Man wird festgenommen und zur Familie zurückgebracht. Die Familie wird dann gefragt, ob sie mit der Heirat zwischen den beiden einverstanden sind. Meine Familie war dagegen und aus diesem Grund würde mein Mann ins Gefängnis kommen. In Afghanistan würden wir gesteinigt werden.

F: Warum sind Ihre Eltern verstorben?

A: Mir wurde gesagt, dass sie im Krieg verstorben sind.

F: Hat Ihr Onkel irgendetwas mit den Taliban zu tun?

A: Nein, er ist kein Mitglied der Taliban, er hat nur eine Freundschaft zu ein paar Taliban.

Allgemeine Fragen:

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?

A: Nein.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Mein Mann und ich und mein Kind und mein noch ungeborenes Kind würden getötet werden.

F: Warum?

A: Weil wir geflüchtet sind ohne zu heiraten. Die Person, welche mich heiraten wollte, ist hinter uns her und will uns finden und töten.

F: Wer würde Sie töten?

A: Wahid, der Mann der mich heiraten wollte.

F: Warum konnten Sie nicht in Kabul bleiben?

A: Weil die Polizei uns verhaftet hätte.

F: Warum?

A: Früher oder später würde mein Onkel zur Polizei gehen und Anzeige erstatten.

F: Hat Ihr Onkel schon Anzeige bei der Polizei erstattet?

A: Ja, 100%ig ja. Mein Schwiegervater sagte uns, dass wir von der Polizei und von meinem Onkel gesucht wurden.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Ich glaube schon.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Die Polizei hätte uns überall gefunden.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat Bescheid?

A: Ja, darüber weiß ich Bescheid. In meiner Provinz ist eine Frau gar nichts wert. Hier in Österreich hat es ein Hund besser, als eine Frau in Afghanistan.

Feststellung des Bundesamtes: Wenn Sie möchten, werden Ihnen die Feststellungen des Bundesasylamtes zur Lage in Ihrer Heimat zur Kenntnis gebracht (Anmerkung: Der AW wird kurz erklärt, um was es sich handelt und welchen Inhalt die Feststellungen haben). Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Möchten Sie die Erkenntnisse des Bundesamtes Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu abgeben?

A: Nein, ich kenne die allgemeine Situation in meiner Heimat. Ich verzichte darauf. Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben.

Angaben zum Privat- und Familienleben:

F: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

A: Circa vor elf Monaten.

F: Seit wann sind Sie in Österreich aufhältig?

A: Seit der Einreise vor circa elf Monaten.

F: Hatten Sie in Österreich jemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes?

A: Nein.

F: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich?

A: Ich befinde mich in Grundversorgung.

F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?

A: Wir stehen auf, frühstücken, danach lernen wir selbständig Ddeutsch, dann essen wir zu Mittag, ich gehe dann mit meinem Mann und meinem Sohn spazieren. Wir essen dann und dann gehen wir schlafen.

F: Haben Sie in Österreich einen Deutschkurs besucht und können Sie dafür Beweismittel in Vorlage bringen?

A: Nein.

F: Haben Sie einen abgeschlossenen Deutschkurs mit mindestens dem Niveau A2?

A: Nein.

F: Verfügen Sie über einen Schulabschluss, der der allgemeinen Universitätsreife entspricht oder haben Sie einen Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule?

A: Nein.

F: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation?

A: Nein .

F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

A: Nein.

F: Üben Sie derzeit eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus?

A: Nein.

F: Haben Sie irgendwelche nahen Bindungen zu Österreich?

A: Nein.

F: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

A: Mein Mann und mein Kind, welche mit mir in Österreich eingereist sind, halten sich hier auf.

F: Haben Sie Angehörige oder sonstige Verwandte oder sonstige Personen in Österreich zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein.

F: Haben Sie Freunde oder Bekannte, die Sie bereits aus Ihrem Heimatland her kennen, in Österreich?

A: Nein.

F: Wo leben Ihre Verwandten?

A: Die Familie meines Onkels lebt in Afghanistan.

F: Seit wann sind Sie verheiratet?

A: Seit circa vier Jahren. Wir haben im Iran traditionell geheiratet.

F: Besitzen Sie eine Heiratsurkunde?

A: Ja, ich hatte eine, aber diese ist verloren gegangen.

F: Leben Sie in gemeinsamen Haushalt mit Ihrem Ehegatten?

A: Ja.

F: Haben Sie für Ihren Sohn spezielle Asylgründe vorzutragen, oder sollen für Ihren Sohn die gleichen Asylgründe gelten, wie für Sie?

A: Mein Sohn ist im Iran geboren und hat keine eigenen Asylgründe.

F: Sind Sie mit eventuellen amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?

A: Ja, damit bin ich einverstanden.

F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

A: Nein, ich habe alles gesagt. Ich hatte die Gelegenheit, alles vorzubringen, was mir wichtig war.

(...)"

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Zweitbeschwerdeführer am römisch 40 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

"(...)

F: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente besorgt?

A: Nein.

F: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich, die Sie noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein.

Erklärung: Sie haben am römisch 40 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Asyl ersucht. Sie wurden am römisch 40 vor der Polizei Traiskirchen bereits zu Ihrem Asylverfahren, d.h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern? Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit? Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?

A: Ja, ich kann mich noch daran erinnern. Meine Angaben sind vollständig, ich habe damals alles gesagt, mehr habe ich selbst nicht dazu anzuführen. Ich habe die Wahrheit gesagt. Andere Gründe gibt es nicht.

Angaben zur Person und Lebensumständen:

Ich bin in der Provinz römisch 40 im Dorf römisch 40 , in Afghanistan, geboren. Als ich sieben Jahre alt war habe ich vier Jahre lang die Grundschule besucht und danach gearbeitet. Ich war immer Hilfsarbeiter, auf der Baustelle und in der Landwirtschaft. Ich habe mich in meine Frau verliebt, doch ihre Familie war dagegen und sie wollten nicht, dass ich sie heirate. Aus diesem Grund habe ich Probleme bekommen und ich musste Afghanistan verlassen. Die Familie wollte, dass meine Frau einen Taliban Kommandanten heiraten soll.

Angaben zum Fluchtweg:

F: Wann haben Sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen?

A: Zwei Tage vor meiner Ausreise vor circa vier Jahren. Das Datum kann ich jetzt nicht mehr sagen.

F: Können Sie sich an Ihre Angaben zum Reiseweg, die Sie in Ihren bisherigen Einvernahmen gemacht haben, erinnern?

A: Ja, ich kann mich daran erinnern und sind diese richtig.

F: Wie viel mussten Sie für die Reise bis nach Österreich bezahlen?

A: Euro römisch 40 ,-- für meine ganze Familie.

F: Woher hatten Sie dieses Geld?

A: Mein Onkel und meine Tante haben mir das Geld gegeben.

F: Mit welchem Dokument sind Sie gereist?

A: Ich hatte eine Geburtsurkunde dabei, aber diese habe ich zwischen der Türkei und Griechenland am Meer verloren. Für die Reise habe ich keine Dokumente benötigt, ich bin illegal gereist.

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

A: Nein. In Griechenland wurden mir die Fingerabdrücke abgenommen, aber ich habe keinen Asylantrag gestellt.

F: Haben Sie zu Hause noch Personaldokumente?

A: Nein.

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Ich habe in Griechenland gehört, dass Österreich ein sicheres und gutes Land ist. Deswegen habe ich mich entschlossen nach Österreich zu reisen.

F: Möchten Sie zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?

A: Nein.

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben!

A: Ich habe mich in meine jetzige Frau verliebt, aber ihre Familie war dagegen, weil ich von einer armen Familie stamme. Ich wurde vom Bruder meiner Frau immer beleidigt und beschimpft. Meine Frau ist bei ihren Onkel aufgewachsen, weil ihre Eltern verstorben sind, als sie ein Jahr alt war. Ihr Onkel hat sie immer als Hausfrau, als Putzfrau, benutzt. Sie war meine Nachbarin und meine Mutter erzählte mir immer, dass sie ein sehr schweres Leben in der Familie ihres Onkels hat. Ich habe drei Monate lang versucht meine Frau zu heiraten, aber die Familie meiner Frau hat immer abgesagt. Nach drei Monaten habe ich erfahren, dass der Onkel will, dass meine Frau einen Taliban heiraten soll. Ich habe mit meinen Vater darüber gesprochen. Er hat gesagt, dass es nur eine Möglichkeit geben würde, meine Frau zu nehmen und Afghanistan zu verlassen. Ich habe mit meiner Frau ausgemacht, dass wir an einem Nachmittag von Afghanistan fliehen. Wir sind dann mit einem Taxi in die Stadt Kundus gefahren, von dort nach Kabul zu meinem Onkel. Dort blieben wir drei Nächte und dann sind wir in den Iran gereist. Dann sind wir in den Iran und dort habe ich eine Woche später meine Frau geheiratet. Ein Jahr später habe ich einen Sohn bekommen. Im Iran konnte ich nicht arbeiten und leben da ich dort illegal war und ich Angst hatte nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Deswegen habe ich den Iran verlassen und wir sind nach Europa gereist.

F: Hatten Sie sonst irgendwelche Probleme in Ihrer Heimat?

A: Nein.

F: Welche Probleme hatten Sie persönlich?

A: Ich wäre von den Taliban getötet worden, da meine Frau einem Taliban Kommandant versprochen wurde. Ich habe meine Frau dann genommen und bin mit ihr geflüchtet. Die Taliban sind überall und deswegen kann ich auch nicht in Afghanistan leben.

F: Wann haben Sie Afghanistan verlassen?

A: Vor circa vier Jahren.

F: Wo haben Sie sich seither aufgehalten?

A: Ich lebte zweieinhalb Jahre im Iran, circa zwei Monate in der Türkei und circa zwei Monate in Griechenland.

F: Wie war es Ihnen zweieinhalb Jahre möglich im Iran zu leben?

A: Ich hatte dort ein schweres Leben, ich lebte in einem Zimmer mit einer anderen Familie zusammen, welches nur durch einen Vorhang getrennt war. Ich habe dort schwarz gearbeitet und mit großer Angst, dass ich jederzeit nach Afghanistan abgeschoben werden kann.

F: Warum ist es Ihnen nicht mehr möglich im Iran zu leben?

A: Zweieinhalb Jahre war ich am Leben, aber ich habe dort nicht gelebt. Das war dort kein normales Leben.

F: Wäre es möglich gewesen beim Onkel in Kabul zu leben?

A: In Kabul könnte ich gefunden und getötet werden. Die Familie meiner Frau hat Anzeige erstattet, dass ich die Nichte mitgenommen habe.

F: Wo hat die Familie Ihrer Frau Anzeige erstattet?

A: In der Provinz Kundus, bei der Polizei.

F: Woher wissen Sie das?

A: Das hat mir mein Onkel, bei dem ich in Kabul gelebt habe, gesagt.

F: Warum wusste Ihr Onkel von der Anzeige Bescheid wissen?

A: Mein Vater hat ihm das gesagt.

F: Warum haben Sie sich nicht an die Polizei gewandt?

A: Wenn ich zur Polizei gehen würde, dann würde ich zwanzig Jahre Haft bekommen, da ich meine Frau mitgenommen habe, obwohl ich nicht mit ihr verheiratet war.

F: Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen, da Sie vom Bruder Ihrer Frau beleidigt wurden?

A: Ich wurde ja nur beleidigt und beschimpft. Ich wurde nicht bedroht, also konnte ich ihn ja nicht anzeigen. Außerdem hatte ich vor der Familie Angst, da sie gute Beziehungen zu den Taliban hatten.

F: Woher wissen Sie das?

A: Ich bin der Nachbar und das weiß man.

F: Woher wussten Sie, dass Ihre Frau einem Taliban Kommandanten versprochen wurde?

A: Meine Frau hat dies meiner Mutter erzählt. Meine Mutter ging in das Haus, wo meine Frau gewohnt hat und holte dort Trinkwasser. Der Talibankommandant war vierzig Jahre alt und wollte sie heiraten, damit sie ihn bedient. Der Onkel hätte 300.000,-- Afghani (umgerechnet circa Euro 4.500,--) für die Heirat bekommen.

F: Wie weit ist das Dorf römisch 40 von Kabul entfernt?

A: Circa elf Stunden mit dem Auto.

F: Wie viele Onkel haben Sie, welche in Kabul leben?

A: Einen Onkel, mütterlicherseits.

F: Von welchem Onkel haben Sie das Geld für die Ausreise?

A: Von meinem Onkel, welcher in Kabul lebt. Einen Teil hat mir auch meine Tante gegeben, welche im Iran lebt.

F: Wie ist es Ihrer Tante möglich im Iran zu leben?

A: Sie lebt seit 16 Jahren dort und hat eine Aufenthaltsgenehmigung.

F: Warum haben Sie keine Aufenthaltsgenehmigung für den Iran bekommen?

A: Jetzt bekommen afghanische Flüchtlinge keine Aufenthaltsgenehmigung mehr.

F: Haben Sie eine beantragt?

A: Nein.

F: Wollen Sie sonst irgendetwas dazu angeben?

A: Ich bin froh hier leben zu können.

F: Wollen Sie zu Ihrem Fluchtgrund noch irgendetwas angeben?

A: Nein, ich habe alles gesagt was ich erlebt habe.

Allgemeine Fragen:

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?

A: Nein.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Ich werde von der Polizei gesucht, das hat mir mein Onkel gesagt, da ich meine Frau entführt habe.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Gab es jemals bis zu den besagten Vorfällen auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Ich werde getötet.

F: Von wem?

A: Von den Taliban.

F: Wer sind diese Taliban?

A: Diese sind in Afghanistan mächtige Regierungsgegner.

F: Von wem konkret?

A: Vom römisch 40 , ein römisch 40 in Kundus.

F: Kennen Sie diesen?

A: Nein, ich habe ihn persönlich nicht gesehen. Er zeigt sich nicht, da er Angst dass er erkannt wird und mit der Regierung Probleme hätte.

F: Wie sollte Sie dieser Molah Tajmohammad, der Talibankommandant, kennen?

A: Durch seine Leute und Kommandant Wahid, weil er meine jetzige Frau heiraten wollte. Wahid ist die rechte Hand von Molah Tajmohammad.

F: Kennen Sie den Kommandanten Wahid persönlich?

A: Ja, ich habe ihn schon gesehen.

F: Wie oft?

A: Zweimal. Er ist mit seinen Leuten zu meiner jetzigen Frau gekommen.

F: Warum haben da Sie ihn gesehen?

A: Weil wir Nachbarn sind. Unser Dorf ist klein und man kennt dort jeden.

F: Wie viele Einwohner hat das Dorf?

A: Circa 90 Häuser.

F: Ist Ihre Frau freiwillig mit Ihnen ausgereist?

A: Ja, wir haben uns gegenseitig geliebt.

F: Was hatte die Familie der Frau gegen Sie?

A: Da ich aus einer armen Familie stamme. Die Familie meiner Frau wollte eine reiche und mächtige Familie für meine Frau.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Ja, ich würde festgenommen werden, da ich meine Frau entführt habe. Die Familie meiner Frau hat bei der Polizei eine Anzeige erstattet. Ich besitze keine schriftliche Anzeige, aber sie können das gerne überprüfen.

F: Wann hatten Sie das letzte Mal mit Ihren Eltern Kontakt?

A: Als ich im Iran war, habe ich zweimal mit meiner Familie telefoniert. Nachdem ich geflüchtet bin haben auch meinen Eltern Kunduz verlassen und leben seither in Mazare Sharif.

F: Warum haben Ihre Eltern Kunduz verlassen?

A: Meine Eltern wurden immer von den Taliban und von der Familie meiner Frau bedroht und es wurde nachgefragt wo ich mich aufhalte.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Es gibt in Afghanistan keine Sicherheit und die Taliban sind überall.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat bescheid?

A: Ja, darüber weiß ich bescheid.

Feststellung des Bundesamtes: Wenn Sie möchten, werden Ihnen die Feststellungen des Bundesasylamtes zur Lage in Ihrer Heimat zur Kenntnis gebracht (Anmerkung: Dem AW wird kurz erklärt, um was es sich handelt und welchen Inhalt die Feststellungen haben). Sie haben die Möglichkeit dazu im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Möchten Sie die Erkenntnisse des Bundesamtes Ihr Heimatland betreffend in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu abgeben?

A: Nein, ich kenne die allgemeine Situation in meiner Heimat. Ich verzichte darauf. Ich möchte keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben.

Angaben zum Privat- und Familienleben:

F: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Vor circa elf Monaten.

F: Seit wann sind Sie in Österreich aufhältig?

A: Seit meiner Einreise vor elf Monaten.

F: Hatten Sie in Österreich jemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes?

A: Nein.

F: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich?

A: Ich befinde mich in Grundversorgung.

F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?

A: Von der Früh bis am Abend denke ich wann ich anfangen kann Deutsch zu lernen. Ich stehe auf, mache Frühstück und dann gehe ich mit meiner Frau und meinem Kind spazieren.

F: Haben Sie in Österreich einen Deutschkurs besucht und können Sie dafür Beweismittel in Vorlage bringen?

A: Nein.

F: Haben Sie einen abgeschlossenen Deutschkurs mit mindestens dem Niveau A2?

A: Nein.

F: Verfügen Sie über einen Schulabschluss, der der allgemeinen Universitätsreife entspricht oder haben Sie einen Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule?

A: Nein.

F: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation?

A: Nein.

F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

A: Nein.

F: Üben Sie derzeit eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus?

A: Nein.

F: Haben Sie irgendwelche nahen Bindungen zu Österreich?

A: Meine Frau und mein Kind, welche mit mir eingereist sind, halten sich mit mir in Österreich auf. Außerdem hält sich in Österreich eine Cousine von mir auf. Diese heißt Azima HAKIMI und hält sich schon seit circa fünfzehn Jahren in Österreich auf. Wir telefonieren circa einmal pro Woche. Sie ist bereits österreichische Staatsbürgerin.

F: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

A: Meine Frau und mein Kind.

F: Haben Sie Angehörige oder sonstige Verwandte oder sonstige Personen in Österreich zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein.

F: Haben Sie Freunde oder Bekannte, die Sie bereits aus Ihrem Heimatland her kennen, in Österreich?

A: Nein.

F: Wo leben Ihre Verwandten?

A: Meine Eltern, mein Bruder und zwei Schwestern leben in Afghanistan.

F: Seit wann sind Sie verheiratet?

A: Seit vier Jahren. Ich weiß nicht genau wann wir geheiratet haben.

F: Wo ist die Heiratsurkunde?

A: Wir haben traditionell geheiratet und diese wurde händisch von einem Imam ausgestellt. Wir haben keine Heiratsurkunde erhalten.

F: Leben Sie in gemeinsamen Haushalt mit Ihrem Ehegatten?

A: Ja.

F: Haben Sie für Ihren Sohn spezielle Asylgründe vorzutragen, oder soll für Ihren Sohn die gleichen Asylgründe gelten, wie für Sie?

A: Mein Sohn ist im Iran geboren und war noch nie in Afghanistan aufhältig.

F: Sind Sie mit eventuellen amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?

A: Ja, damit bin ich einverstanden.

F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

A: Nein, ich habe alles gesagt. Ich hatte die Gelegenheit, alles vorzubringen, was mir wichtig war.

(...)

F: Hatten Sie während dieser Befragung irgendwelche Probleme?

A: Nein, ich hatte keine Probleme.

F: Haben Sie alles verstanden bzw. konnten Sie der Vernehmung ohne Probleme folgen?

A: Ja, ich habe alles verstanden und konnte der Vernehmung ohne Probleme folgen.

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstehen können?

A: Ja, ich konnte den Dolmetscher sehr gut verstehen und habe alles verstanden.

F: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?

A: Ja.

F: Wollen Sie abschließend noch etwas anführen?

A: Nein, ich habe nichts mehr zu sagen.

(...)"

Am römisch 40 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA gestellt, deren im Akt ersichtliches Ergebnis am römisch 40 einlangte.

Am römisch 40 wurde die Erstbeschwerdeführerin von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA zum Ergebnis der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation neuerlich einvernommen. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge dieser Einvernahme:

"(...)

F: Können Sie nun noch weitere Beweismittel vorlegen?

A: Nein. Meine Heiratsurkunde habe ich unterwegs verloren. Ein Hochzeitsfoto kann ich heute vorlegen (Kopie wird zum Akt genommen).

F: Wo haben Sie geheiratet?

A: Im Iran, in Qyam Dasht, im Haus der Tante meines Mannes.

F: Wer war anwesend?

A: Die Tante meines Mannes, väterlicherseits, die hat alles für uns gemacht.

F: Haben Sie zum bisherigen Sachverhalt oder Ihren Angaben welche Sie im Asylverfahren gemacht haben, von sich auch noch etwas zu ergänzen oder zu berichtigen?

A: Nein, ich habe alles gesagt und möchte auch nichts ergänzen.

F: Wo leben Sie derzeit?

A: In römisch 40 , römisch 40 .

F: Was machen Sie den ganzen Tag?

A: Ich besuche von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr, von Montag bis Freitag, einen Deutschkurs. Am Nachmittag lerne ich deutsch und wenn das Wetter schön ist, gehen wir spazieren.

F: Haben Sie derzeit Kontakt mit Ihren in Ihrer Heimat lebenden Verwandten?

A: Nein.

F: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Ihren in Ihrer Heimat lebenden Verwandten?

A: Nach meiner Flucht hatte ich keinen Kontakt mehr mit meinen Verwandten. Zuletzt hat mein Mann mit seinem Onkel, der in Kabul lebt, Kontakt aufgenommen.

F: Wollen Sie sonst noch irgendetwas dazu angeben?

A: Nein.

V: Ihnen wird die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom römisch 40 zur Kenntnis gebracht.

1. Kann überprüft werden, ob und warum, der Onkel der Frau tatsächlich gegen diese Beziehung gewesen ist?

Laut Auskunft der befragten Familienangehörigen des Antragstellers wie auch dessen ehemaliger Nachbarn, gab es keinerlei Streit oder wie auch immer geartete Auseinandersetzung zwischen der Familie des Antragstellers und der seiner Frau wegen deren Heirat.

2. Kann festgestellt werden, woran die Eltern der Ehefrau des Antragsstellers gestorben sind und wann?

Beide Eltern der römisch 40 sind noch am Leben.

3. Kann überprüft werden, ob der der Antragsteller bzw. seine Familie Bedrohungen seitens der Taliban ausgesetzt war?

a. Wenn ja, warum?

Es konnten in den Befragungen keine Hinweise auf eine Auseinandersetzung der Familie des Antragstellers mit den Taliban gefunden werden. Ein Nachbar und guter Bekannter der Familie römisch 40 gab dazu an, dass es keinerlei Feindschaft zwischen der Familie und den Taliban gäbe, auch nicht mit römisch 40 .

4. Sind beide Talibankommandanten römisch 40 und römisch 40 bekannt im Herkunftsort des Antragstellers?

Beide Männer, besonders aber römisch 40 sind in der Gegend sehr bekannt. römisch 40 war Richter der Taliban zu Zeiten ihrer Herrschaft. Seit etwa fünf Jahren aber unterrichtet er den Islam und pflegt nach eigenen Angaben derzeit keinerlei Beziehung zu den Taliban oder zur Regierung.

5. Wie sieht die Präsenz der Taliban im Heimatdorf des Antragstellers aus?

Das Dorf römisch 40 ist Teil einer größeren Region (Pol Modir) im Imam Sahib Distrikt der Provinz Kunduz. Die Region von Pol Modir bei Biss Tapa steht unter Kontrolle der Regierung während der zweite Teil von Pol Modir (bei Jangal) seit etwa drei Jahren unter dem Einfluss der Taliban steht. Etwa achtzig Prozent der Taliban hier sind Einheimische aus der Ethnie der Pashtunen.

6. Ist es üblich, dass Taliban Geld für Mädchen bezahlen, die sie heiraten wollen?

Üblicherweise zahlen Taliban nicht um Frauen zur Heirat zu erhalten. Sie setzen eher auf Drohung und Einschüchterung oder erzwingen die Heirat einfach. Im konkreten Fall handelt es sich bei den Taliban im überwiegenden Teil jedoch auch um Bewohner der Region, die sehr gläubig und traditionell agieren. Hier ist die Zahlung einer Ablöse (genannt "Qalin") üblich und wird auch von den Taliban angewandt.

7. Ist bekannt ob in der Familie des Antragsstellers oder dessen Frau, Mitglieder der Taliban sind?

Dazu konnten keine Informationen erlangt werden. In den Befragungen gab keiner der Dorfbewohner Hinweise auf eine mögliche Mitgliedschaft eines, oder mehrerer Mitglieder der Familie BORHANI bei den Taliban. Allerdings muss hierzu auch angemerkt werden, dass etwa achtzig Prozent der Bewohner der Region (siehe 5.) Mitglieder der Taliban sind und die Taliban verlautbaren ließen, dass jeder der Informationen an den Gouverneur, das Militär oder lokale wie auch internationale Organisationen weitergibt, mit dem Tode bestraft wird.

8. Ist es möglich - unter Wahrung der Anonymität des Antragstellers - herauszufinden, ob gegen diesen Anzeige erstattet wurde?

a. Wenn ja: was genau wird ihm vorgeworfen?

Es liegen keine Suchbefehle oder Haftanordnungen gegen den Antragsteller vor. Während seiner Recherche in den Archiven der Polizei des Distrikts Imam Sahib konnte der beauftragte Rechercheur zwar mehrere Anzeigen gegen Männer wegen Entführung unverheirateter Mädchen finden, der Name des römisch 40 befand sich jedoch nicht darunter.

9. Was ist über die Fluchtgründe des Antragsstellers bekannt?

Die befragten Nachbarn der Familie gaben an, dass römisch 40 keinerlei Bedrohung ausgesetzt war und des Öfteren nach Kabul reiste. Die Befragten wussten ferner von seiner Reise nach Österreich und gaben an, dass er diese angetreten hätte da bereits einige seiner Verwandten hier leben würden. Insgesamt scheinen es mindestens vier Brüder und Cousins des Antragstellers zu sein, die sich bereits in Österreich aufhalten.

10. Was ist die Strafe für so ein Vergehen: Flucht mit einem Mädchen - Wäre es möglich dies im Rahmen einer Jirga friedlich zu lösen?

Ein solcher Straftatbestand existiert in Afghanistan nicht. Solche Handlungen werden mittels Straftatbeständen sanktioniert, die als ähnlich oder begleitend angesehen werden, wie etwa Entführung oder Vergewaltigung. Die Länge der ausgesprochenen Freiheitsstrafen variiert von Provinz zu Provinz und weist auch zwischen den Fällen selbst, wenig Kongruenz auf.

11. Ist es für ein unverheiratetes Paar möglich in Afghanistan ohne Probleme zu reisen bzw. in den Iran zu reisen?

Das hängt stark davon ab, ob die Familie des Mädchens / der Frau bereit ist, sich deswegen an die Polizei zu wenden. Wird die Entführung (im Fall eines unverheirateten Paares, das ohne die Erlaubnis des verantwortlichen männlichen Vorstandes der Familie der Frau verreisen würde, müsste die Polizei wegen des Verdachts der Entführung ermitteln) schnell genug gemeldet und auch Bilder der Frau übermittelt bestehen gute Chancen das Paar an einem der zahlreichen Kontrollpunkte abzufangen. Es gibt jedoch auf zahlreiche Fälle von geflohenen, unverheirateten Paaren, die nicht gefunden werden konnten. Hier scheint jedoch auch eine nicht unbeträchtliche Zahl an Fällen von Selbstjustiz durch die Familie, in denen die Opfer nie gefunden werden konnten oder deren Überreste erst Jahre später auftauchten, enthalten zu sein.

12. Wie sieht die finanzielle Lage des Antragstellers im Herkunftsort aus?

Die ökonomische Situation der Familie des Antragstellers ist sehr gut. Die Familie verfügt über große Mengen an Farmland im Distrikt Imam Sahib, ein Haus in Kabul und mehrere Familienmitglieder, wie die Brüder und Cousins des Antragstellers, befinden sich bereits in Europa. Die Reise vieler Jugendlicher und junger Erwachsener wird durch den Verkauf von Farmland oder Häusern finanziert (Schlepper in Afghanistan verlangen in etwa zwischen sechs- und achttausend US-Dollar inkl. Nebenkosten für die Reise von Afghanistan nach Deutschland). Im gegenständlichen Fall konnte jedoch in den Befragungen kein Hinweis darauf gefunden werden, dass die Familie des Antragstellers Besitzungen verkauft hätte um die Reise des römisch 40 nach Europa zu finanzieren. Die Mittel der Finanzierung sind somit unklar.

13. Wo hält sich die Familie (Vater, Mutter etc.) des Antragstellers auf?

Die Eltern des Antragstellers leben immer noch in römisch 40 und reisen öfters nach Kabul und Mazar-e Sharif, ebenso wie in andere Teile des Landes.

F: Was sagen Sie dazu?

A: Vieles davon ist nicht richtig. Als ich zwei Jahre alt war, sind meine Eltern verstorben. Es stimmt, dass wir Nachbarn sind, aber meine Eltern sind verstorben. Ich bleibe bei meinen bisherigen Angaben.

F: Was sagen Sie dazu, dass es keinen Streit zwischen Ihrer und der Familie Ihres Mannes gab Fragen 1.?

A: Es gab nicht so viele Auseinandersetzung zwischen unseren Familien. Nachdem wir geflüchtet sind, ist auch die Familie meines Mannes nach Mazar Sharif gegangen.

F: Was sagen Sie dazu, dass Ihre Eltern noch am Leben sind - Frage 2.?

A: Ich habe bis jetzt nicht gewusst, dass meine Eltern noch leben. Mir wurde gesagt, dass sie tot sind.

F: Was sagen Sie dazu, dass es keine Feindschaft zwischen Ihrer Familie und den Taliban gäbe, auch nicht mit römisch 40 Frage 3.?

A: Der Taj Mohammad war mit meinem Onkel auch befreundet, es gab keine Feindschaft. Der andere Taliban namens römisch 40 , der mich heiraten wollte, war ein Arbeitskollege von römisch 40 . Wahid kannte auch meinen Onkel und er konnte es sich nicht erlauben mich einfach mitzunehmen bzw. mich zu entführen.

F: Zusammengefasst kann man sagen, dass Ihre gesamten Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Weder Sie, noch Ihr Mann werden von seitens der Polizei oder anderen Behörden gesucht. Was sagen Sie dazu?

A: Ich weiß es nicht ob mein Mann angezeigt wurde, da es eine Straftat ist wenn man mit einem unverheirateten Mädchen flieht. Wenn Wahid oder mein Onkel mich erwischen würde, würden sie mich töten, da ich mit meinem Mann Afghanistan verlassen habe.

F: Sind Sie gesund?

A: Ja, ich bin gesund, ich bin im achten Monat schwanger. Am römisch 40 habe ich Geburtstermin. (Kopie des Mutter-Kind-Passes wird zum Akt genommen).

F: Hat Ihr Sohn irgendwelche Krankheiten?

A: Nein, mein Sohn ist gesund.

F: Möchten Sie abschließend noch etwas dazu sagen?

A: Nein ich habe alles gesagt.

(...)"

Auch der Zweitbeschwerdeführer wurde am römisch 40 von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des BFA zum Ergebnis der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation neuerlich einvernommen.

Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge dieser Einvernahme:

"(...)

F: Können Sie nun noch weitere Beweismittel vorlegen?

A: Nein.

F: Haben Sie zum bisherigen Sachverhalt oder Ihren Angaben welche Sie im Asylverfahren gemacht haben, von sich auch noch etwas zu ergänzen oder zu berichtigen?

A: Nein, ich habe alles gesagt und möchte auch nichts ergänzen.

F: Wo leben Sie derzeit?

A: Wir befinden uns in Grundversorgung und wir leben in Deutschkreuz, Neubaug. 2/1.

F: Was machen Sie den ganzen Tag?

A: Nach dem Frühstück besuchen wir, meine Frau und ich, von Montag bis Freitag, von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr, einen Deutschkurs, am Nachmittag lernen wir deutsch und manchmal gehe ich mit meiner schwangeren Frau an die frische Luft.

F: Wo ist Ihr Sohn, wenn Sie den Deutschkurs besuchen?

A: Diesen nehmen wir mit. Er hat bis jetzt noch keinen Platz im Kindergarten bekommen.

F: Haben Sie derzeit Kontakt mit Ihren in Ihrer Heimat lebenden Verwandten?

A: Ja, ich habe Kontakt aber sehr wenig.

F: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Ihren in Ihrer Heimat lebenden Verwandten?

A: Vor circa fünf Monaten.

F: Mit wem hatten Sie zuletzt Kontakt?

A: Mit meinem Vater.

F: Hatten Sie in letzter Zeit auch Kontakt mit einem Ihrer Onkel?

A: Nein.

F: Was ist mit Ihren Onkel, welcher in Kabul lebt?

A: Nein, Ich hab nicht so viel Kontakt mit ihm.

F: Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt mit ihm?

A: Ja, vor vier Monaten habe ich mit meinem Onkel, welcher in Kabul lebt, gesprochen.

F: Was sagt Ihr Onkel?

A: Nichts, wir haben uns nur über unsere Probleme unterhalten.

F: Wollen Sie sonst noch irgendetwas dazu angeben?

A: Nein, ich habe alles gesagt.

V: Ihnen wird die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom römisch 40 zur Kenntnis gebracht.

1. Kann überprüft werden, ob und warum, der Onkel der Frau tatsächlich gegen diese Beziehung gewesen ist?

Laut Auskunft der befragten Familienangehörigen des Antragstellers wie auch dessen ehemaliger Nachbarn, gab es keinerlei Streit oder wie auch immer geartete Auseinandersetzung zwischen der Familie des Antragstellers und der seiner Frau wegen deren Heirat.

2. Kann festgestellt werden, woran die Eltern der Ehefrau des Antragsstellers gestorben sind und wann?

Beide Eltern der römisch 40 sind noch am Leben.

3. Kann überprüft werden, ob der der Antragsteller bzw. seine Familie Bedrohungen seitens der Taliban ausgesetzt war?

a. Wenn ja, warum?

Es konnten in den Befragungen keine Hinweise auf eine Auseinandersetzung der Familie des Antragstellers mit den Taliban gefunden werden. Ein Nachbar und guter Bekannter der Familie römisch 40 gab dazu an, dass es keinerlei Feindschaft zwischen der Familie und den Taliban gäbe, auch nicht mit römisch 40 .

4. Sind beide Talibankommandanten römisch 40 und römisch 40 bekannt im Herkunftsort des Antragstellers?

Beide Männer, besonders aber Mullah Taj Mohammad sind in der Gegend sehr bekannt. Mullah Taj Mohammad war Richter der Taliban zu Zeiten ihrer Herrschaft. Seit etwa fünf Jahren aber unterrichtet er den Islam und pflegt nach eigenen Angaben derzeit keinerlei Beziehung zu den Taliban oder zur Regierung.

5. Wie sieht die Präsenz der Taliban im Heimatdorf des Antragstellers aus?

Das Dorf römisch 40 ist Teil einer größeren Region (Pol Modir) im Imam Sahib Distrikt der Provinz Kunduz. Die Region von Pol Modir bei Biss Tapa steht unter Kontrolle der Regierung während der zweite Teil von Pol Modir (bei Jangal) seit etwa drei Jahren unter dem Einfluss der Taliban steht. Etwa achtzig Prozent der Taliban hier sind Einheimische aus der Ethnie der Pashtunen.

6. Ist es üblich, dass Taliban Geld für Mädchen bezahlen, die sie heiraten wollen?

Üblicherweise zahlen Taliban nicht um Frauen zur Heirat zu erhalten. Sie setzen eher auf Drohung und Einschüchterung oder erzwingen die Heirat einfach. Im konkreten Fall handelt es sich bei den Taliban im überwiegenden Teil jedoch auch um Bewohner der Region, die sehr gläubig und traditionell agieren. Hier ist die Zahlung einer Ablöse (genannt "Qalin") üblich und wird auch von den Taliban angewandt.

7. Ist bekannt ob in der Familie des Antragsstellers oder dessen Frau, Mitglieder der Taliban sind?

Dazu konnten keine Informationen erlangt werden. In den Befragungen gab keiner der Dorfbewohner Hinweise auf eine mögliche Mitgliedschaft eines, oder mehrerer Mitglieder der Familie römisch 40 bei den Taliban. Allerdings muss hierzu auch angemerkt werden, dass etwa achtzig Prozent der Bewohner der Region (siehe 5.) Mitglieder der Taliban sind und die Taliban verlautbaren ließen, dass jeder der Informationen an den Gouverneur, das Militär oder lokale wie auch internationale Organisationen weitergibt, mit dem Tode bestraft wird.

8. Ist es möglich - unter Wahrung der Anonymität des Antragstellers - herauszufinden, ob gegen diesen Anzeige erstattet wurde?

a. Wenn ja: was genau wird ihm vorgeworfen?

Es liegen keine Suchbefehle oder Haftanordnungen gegen den Antragsteller vor. Während seiner Recherche in den Archiven der Polizei des Distrikts Imam Sahib konnte der beauftragte Rechercheur zwar mehrere Anzeigen gegen Männer wegen Entführung unverheirateter Mädchen finden, der Name des römisch 40 befand sich jedoch nicht darunter.

9. Was ist über die Fluchtgründe des Antragsstellers bekannt?

Die befragten Nachbarn der Familie gaben an, dass römisch 40 keinerlei Bedrohung ausgesetzt war und des Öfteren nach Kabul reiste. Die Befragten wussten ferner von seiner Reise nach Österreich und gaben an, dass er diese angetreten hätte da bereits einige seiner Verwandten hier leben würden. Insgesamt scheinen es mindestens vier Brüder und Cousins des Antragstellers zu sein, die sich bereits in Österreich aufhalten.

10. Was ist die Strafe für so ein Vergehen: Flucht mit einem Mädchen - Wäre es möglich dies im Rahmen einer Jirga friedlich zu lösen?

Ein solcher Straftatbestand existiert in Afghanistan nicht. Solche Handlungen werden mittels Straftatbeständen sanktioniert, die als ähnlich oder begleitend angesehen werden, wie etwa Entführung oder Vergewaltigung. Die Länge der ausgesprochenen Freiheitsstrafen variiert von Provinz zu Provinz und weist auch zwischen den Fällen selbst, wenig Kongruenz auf.

11. Ist es für ein unverheiratetes Paar möglich in Afghanistan ohne Probleme zu reisen bzw. in den Iran zu reisen?

Das hängt stark davon ab, ob die Familie des Mädchens / der Frau bereit ist, sich deswegen an die Polizei zu wenden. Wird die Entführung (im Fall eines unverheirateten Paares, das ohne die Erlaubnis des verantwortlichen männlichen Vorstandes der Familie der Frau verreisen würde, müsste die Polizei wegen des Verdachts der Entführung ermitteln) schnell genug gemeldet und auch Bilder der Frau übermittelt bestehen gute Chancen das Paar an einem der zahlreichen Kontrollpunkte abzufangen. Es gibt jedoch auf zahlreiche Fälle von geflohenen, unverheirateten Paaren, die nicht gefunden werden konnten. Hier scheint jedoch auch eine nicht unbeträchtliche Zahl an Fällen von Selbstjustiz durch die Familie, in denen die Opfer nie gefunden werden konnten oder deren Überreste erst Jahre später auftauchten, enthalten zu sein.

12. Wie sieht die finanzielle Lage des Antragstellers im Herkunftsort aus?

Die ökonomische Situation der Familie des Antragstellers ist sehr gut. Die Familie verfügt über große Mengen an Farmland im Distrikt römisch 40 , ein Haus in Kabul und mehrere Familienmitglieder, wie die Brüder und Cousins des Antragstellers, befinden sich bereits in Europa. Die Reise vieler Jugendlicher und junger Erwachsener wird durch den Verkauf von Farmland oder Häusern finanziert (Schlepper in Afghanistan verlangen in etwa zwischen sechs- und achttausend US-Dollar inkl. Nebenkosten für die Reise von Afghanistan nach Deutschland). Im gegenständlichen Fall konnte jedoch in den Befragungen kein Hinweis darauf gefunden werden, dass die Familie des Antragstellers Besitzungen verkauft hätte um die Reise des römisch 40 nach Europa zu finanzieren. Die Mittel der Finanzierung sind somit unklar.

13. Wo hält sich die Familie (Vater, Mutter etc.) des Antragstellers auf?

Die Eltern des Antragstellers leben immer noch in römisch 40 und reisen öfters nach Kabul und Mazar-e Sharif, ebenso wie in andere Teile des Landes.

F: Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe nicht gelogen, alles was ich gesagt habe, ist richtig.

F: Was sagen Sie dazu, dass es nie einen Streit zwischen Ihrer Familie und der Familie Ihrer Frau gab - Frage 1.?

A: Ich bin mit meiner Frau geflüchtet, das ist ja offensichtlich. Wenn es keinen Streit gegeben hätte, wäre ich auch nicht geflüchtet.

F: Was sagen Sie dazu, dass die Eltern Ihrer Frau noch leben - Frage 2?

A: Die leben nicht mehr, sie war zwei Jahre alt, als ihre Eltern verstorben sind.

F: Was sagen Sie dazu, dass keine Anzeige gegen Sie erstattet wurde - Frage 8?

A: Nachdem wir geflüchtet sind, habe ich von meinem Onkel erfahren, dass sie nach uns suchen und wir das Land verlassen sollen. Wir haben uns drei Tage lang bei meinem Onkel in Kabul aufgehalten und dann haben wir das Land verlassen. Wir hielten uns schon im Iran auf, als mein Onkel, welcher in Kabul lebt, mir gesagt hat, dass nach uns gesucht wird. Leute von Taj Mohammad haben nach uns gesucht bzw. die Polizei, aber es gibt keine Polizei bei uns. In unserem Dorf sind die Taliban und da kann die Polizei, die Regierung gar nicht reinkommen. Wenn ich keine Probleme hätte, hätte ich das Land nicht verlassen.

Anmerkung: AW gibt einmal an, dass Leute der Taj Mohammad nach ihm gesucht hätten, dann gibt er wiederum an, dass die Polizei nach ihm gesucht hätte. Der AW gibt dann im selben Augenblick jedoch an, dass es ja keine Polizei geben würde.

F: Was sagen Sie dazu, dass Nachbarn Ihrer Familie von Ihrer Reise nach Österreich gewusst haben - Frage 9.?

A: Das stimmt nicht, ich habe erst in Griechenland erfahren, dass Österreich ein gutes Land ist.

F: Was sagen Sie dazu, dass die ökonomische Situation Ihrer Familie sehr gut ist - Frage 12.?

A: Ich war ein armer Mensch, habe als Tagelöhner bzw. als Hilfsarbeiter gearbeitet. Wenn die finanzielle Situation gut wäre, warum hätte ich dann mein Land verlassen. Wir hatten dort kein Land und kein Haus, wir haben nur ein altes Haus, wo wir gelebt haben.

F: Möchten Sie sonst noch etwas dazu sagen?

A: Unser Leben ist in Gefahr und in letzter Zeit entscheiden die Taliban bzw. die Dorfältesten über das Schicksal von jungen Mädchen und Jungs die miteinander leben wollen, die werden gesteinigt, ausgepeitscht oder getötet.

F: Dies kann in Ihrem Fall nicht stimmen, da Sie ja verheiratet sind! Was sagen Sie dazu?

A: Es ist strafbar, da Wahid meine Frau heiraten wollte und ich ohne Zustimmung mit ihr geflüchtet bin.

F: Wollen Sie sonst noch etwas dazu angeben?

A: Nein. (...)"

Am römisch 40 wurde der Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in Österreich geboren. Für ihn wurde im Rahmen des Familienverfahrens am römisch 40 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins). Unter Spruchpunkt römisch II wurden gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Beschwerdeführern unter Spruchpunkt römisch III. gemäß Paragraph 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß

Paragraph 52, BFA-VG erlassen. Weiters wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß Paragraph 46, FPG nach Afghanistan zulässig ist. Unter Spruchpunkt römisch IV. wurde festgehalten, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung auslaufe.

Begründend wurde in den Bescheiden im Wesentlichen ausgeführt, die Behauptung, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan einer Verfolgung durch den Onkel der Erstbeschwerdeführerin bzw. durch Taliban ausgesetzt gewesen seien, weil der Onkel die Erstbeschwerdeführerin mit einem römisch 40 -jährigen Mann verheiraten hätte wollen bzw. da dieser abgelehnt habe, dass sie den Zweitbeschwerdeführer heirate, sei nur allgemein in den Raum gestellt worden, ohne dies glaubhaft machen zu können.

Im gegenständlichen Fall sei durch die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom römisch 40 erwiesen, dass die asylbegründenden Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Weiters sei anzuführen, dass das Bundesamt keinen Anlass sehe das Rechercheergebnis in Zweifel zu ziehen. Aufgrund vorangeführter Ungereimtheiten sei das Bundesamt somit der Ansicht, dass das Vorbringen nicht der Wahrheit entspreche und die Beschwerdeführer eine Fluchtgeschichte für sich konstruiert hätten. Mit den Angaben vor der Behörde am römisch 40 seien die Beschwerdeführer dem Rechercheergebnis auch nicht substantiiert entgegentreten.

Zusammenfassend wurde bezüglich des Vorbringens befunden, dass besondere Umstände, aus denen bei objektiver Betrachtung glaubhaft hervorgehen würde, dass der Erstbeschwerdeführer in Afghanistan unmittelbaren und/oder mittelbaren persönlichen staatlichen Verfolgungen im Sinne der GFK ausgesetzt sei bzw. gegenwärtig sei, nicht hätten festgestellt werden können.

Am römisch 40 erging hinsichtlich des in Österreich geborenen Viertbeschwerdeführers ein gleichlautender Bescheid des BFA.

Gegen die Bescheide des BFA hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers vom römisch 40 (sowie gegen den Bescheid hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers vom römisch 40 ) wurde von den Beschwerdeführern jeweils fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bescheide wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalt angefochten würden. Die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien ausführlich sowohl bei der Erstbefragung sowie nach Zulassung des Verfahrens bei der Einvernahme und der ergänzenden Einvernahme ausführlich dargelegt worden. Die Beschwerdeführer hätten alles Mögliche unternommen, um zur Wahrheitsfindung beizutragen und niemals versucht ein Fluchtvorbringen zu konstruieren. Die Länderfeststellungen seien allgemein gehalten und würden sich nicht auf die persönliche Situation der Beschwerdeführer beziehen. Es sei überdies erforderlich gewesen, die Situation der Frauen und das Leben der Erstbeschwerdeführerin näher zu beleuchten. Die Erstbeschwerdeführerin habe den Zweitbeschwerdeführer gegen den Willen ihrer Familie geheiratet. Sie hätten damit Schande über die Familie gebracht. Die erste Instanz habe ihre Rechtsansicht nicht ausreichend begründet und der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer nicht ausreichend Gelegenheit gegeben Stellung zu nehmen. Betrachte man die Eingriffe der Taliban in die Lebensbedingungen der afghanischen Frauen in ihrer Gesamtheit, so könne kein Zweifel bestehen, dass hier einer der Fälle vorliege, in denen eine Summe von Vorschriften gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in Verbindung mit der Art der Durchsetzung von insgesamt so extremer Natur sei, dass die Diskriminierung das Ausmaß einer Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention erreiche.

Die Erstbeschwerdeführerin (= BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (= BF2) wurden im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am römisch 40 vor dem Bundesverwaltungsgericht durch die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichts (= VR) einvernommen. Die Verhandlung gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:

"(...)

RI beginnt mit der Befragung der BF1. BF2 verlässt nach Aufforderung den Verhandlungssaal um 10:10 Uhr.

RI: Möchten Sie zu den im erstinstanzlichen Verfahren bzw. der Beschwerdeschrift vorgebrachten Fluchtgründen bzw. Umständen Ihrer Flucht von sich aus eine Erklärung abgeben bzw. Richtigstellung oder Ergänzungen vornehmen?

BF1: Mein Leben und das meines Ehemannes waren in Gefahr. Ich habe meinen Mann vor der Heirat gern gehabt, ich wollte ihn heiraten. Aber mein Onkel wollte mich mit einem alten Mann verehelichen. Er war dagegen. Dieser Mann war ungefähr römisch 40 Jahre alt. Ich war zu diesem Zeitpunkt römisch 40 Jahre alt. Mein Mann wollte mich heiraten, aber mein Onkel war dagegen. Mein Onkel wollte mich mit jemandem verheiraten, der reich ist, aber mein jetziger Mann kommt aus keiner reichen Familie. Mein Onkel wollte mich an diesen reichen Mann verkaufen. Mein Mann hat drei Monate versucht sich mit mir zu verloben oder mich zu heiraten, aber mein Onkel war dagegen. Ich war ein Waisenkind und ich bin bei meinem Onkel aufgewachsen. Die Mutter von meinem Ehemann ist immer zu uns nach Hause gekommen und sie hat von uns Trinkwasser geholt. Dadurch habe ich meinen Mann kennengelernt. Ich habe meinem Onkel und auch meiner Tante gesagt, dass ich diesen alten Mann nicht heiraten möchte. Sie haben mich deswegen manchmal verprügelt. Sie haben mich gezwungen ihn zu heiraten. Dieser Mann war ein Freund von meinem Onkel und er wollte mich kaufen.

BF2: Ich bin aus Afghanistan geflüchtet, weil mein Leben und das meiner Frau in Gefahr war. Ich habe meine jetzige Frau sehr gern gehabt, ich wollte sie heiraten, aber die Familie meiner Frau war dagegen. Sie ist in der Familie ihres Onkels aufgewachsen. Ihr Onkel wollte sie mit einem alten Mann verheiraten. Der Onkel war absolut dagegen, dass ich sie heirate. Meine Frau wollte diesen alten Mann, den ihr Onkel ihr vorgeschlagen hatte, nicht heiraten. Er war reich, darüber hinaus arbeitete er auch mit den Taliban zusammen. Ich war arm, ich war ein Tagelöhner. Manchmal habe ich als Gärtner, manchmal als Bauarbeiter gearbeitet.

BFV: Die BF1 hat nun weitere Gründe, warum sie nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren kann. Sie ist mittlerweile westlich orientiert und würde auch selber Näheres dazu sagen.

BF1: Ja, ich bin nun westlich orientiert. Ich kann hier alles selbst entscheiden, was ich anziehen will, wohin ich hingehen will, wie ich sprechen will. Niemand schreibt mir vor, was zu tun ist. Das konnte ich alles zu Hause in Afghanistan nicht tun. Ich trage hier weder Kopftuch noch Burka. Am Anfang habe ich hier schon ein Kopftuch getragen, da ich noch immer die Ängste aus Afghanistan hatte, dass man ein Kopftuch tragen muss. Nach einiger Zeit habe ich jedoch verstanden, dass man hier in Österreich nicht gezwungen wird ein Kopftuch zu tragen.

RI: Haben Sie Kinder (evtl. auch aus früheren Beziehungen)?

BF1: Ja, ich habe römisch 40 Kinder. römisch 40 und römisch 40 .

RI: Haben Sie im Herkunftsstaat noch nahe Verwandte wie Eltern, Schwiegereltern Geschwister, etc.?

BF1: Ich habe sonst niemanden. Nur einen Onkel väterlicherseits.

BF2: Ja, meine Eltern sind in Afghanistan und meine zwei Schwestern. Sie sind beide verheiratet. Ich habe einen Bruder in Afghanistan, er sollte jetzt sechzehn Jahre alt sein.

RI: Welche Staatsbürgerschaft besitzen Sie?

BF1: Ich bin afghanische Staatsbürgerin.

BF2: Ich bin afghanischer Staatsbürger.

RI: Welcher Volksgruppe erachten Sie sich als zugehörig?

BF1: Ich bin Tadschikin.

BF2: Ich bin Tadschike.

RI: Gehören Sie derzeit einer Religionsgemeinschaft an? Wenn ja, welcher ?

BF1: Ich bin Moslem und Sunnitin.

BF2: Ich bin Moslem und Sunnit.

RI: Welche schulische oder sonstige Ausbildung haben Sie erhalten?

BF1: Man hat mir nicht erlaubt in die Schule zu gehen. Ich kann ein bisschen Deutsch schreiben.

BF2: Ich bin vier Jahre lang in die Schule gegangen. Ich kann lesen und schreiben.

RI: Welche berufliche Tätigkeit haben Sie im Herkunftsstaat ausgeübt, evt. auch Hilfsarbeiten?

BF1: Ich habe in Afghanistan nur den Haushalt gemacht.

BF2: Manchmal habe ich als Gärtner, manchmal als Bauarbeiter gearbeitet. Ich war Tagelöhner.

RI: Besitzen Sie im Herkunftsstaat noch eine Wohnung, ein Haus oder eine sonstige Unterkunft bzw. nennenswertes Vermögen?

BF1: Nein.

BF2: Meine Eltern haben in Afghanistan ein Haus. Aber sie sind jetzt in Nordafghanistan. Ich weiß nicht wer jetzt in diesem Haus lebt.

RI: Haben Sie bis zu Ihrer Flucht jemals außerhalb Ihres Herkunftsstaates gelebt?

BF1: Ich war ein Jahr und acht Monate lang im Iran. Ich war dort mit meinem Mann und mit der Tante väterlicherseits meines Mannes.

BF2: Ich war zweieinhalb Jahre im Iran. Ich habe dort auch geheiratet und mein erstes Kind ist dort auf die Welt gekommen. Ich war zwei Monate mit meiner Familie in der Türkei, und ebenfalls zwei Monate in Griechenland.

RI: Haben Sie jemals in einem anderen Staat um Asyl angesucht?

BF1: Nein.

BF2: Nein.

RI: Waren Sie im Herkunftsstaat jemals in Haft oder sind Sie angehalten worden (diese Frage bezieht sich auch auf kurzfristige illegale Anhaltungen)? Wenn ja, wo, wie lange und warum?

BF1: Nein.

BF2: Nein.

RI: Haben Sie sich politisch im Herkunftsstaat betätigt und/oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung?

BF1: Nein.

BF2: Nein.

RI: Wurden Sie aufgrund Ihrer Rasse, Nationalität bzw. Zugehörigkeit zu einer best. sozialen Gruppe verfolgt?

BF1: Ja, als Frau.

BFV: Die BF war in ihren Rechten als Frau beschränkt. Sie wurde von ihrem Onkel und seiner Familie misshandelt und "gefangen" gehalten. Sie durfte weder zur Schule gehen noch einer Arbeit nachgehen. Weiters wäre sie in Afghanistan durch ihren Onkel gezwungen worden, einen älteren Mann, der zu der Taliban gehörte, gegen ihren Willen zu heiraten, weshalb sie dann mit ihrem jetzigen Mann geflüchtet ist. Weiters wurde ihr immer vorgeschrieben, wie sie sich zu kleiden hat und musste sie sich immer komplett verschleiern.

BF2: Es gab mit den Pashtunen ein paar Spannungen wegen meiner Frau. Der Onkel meiner Frau hat Kontakte zur Taliban.

RI: Wurden Sie aus religiösen Gründen verfolgt?

BF1: Nein.

BF2: Nein.

RI: Was befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat?

BF1: Wenn ich zurück nach Hause gehe, werden sie mich steinigen und umbringen.

BF2: Wenn ich nach Afghanistan gehe, ist mein Leben in Gefahr, auch wegen der Eheschließung mit meiner Frau. Wenn ich zurückgehe, wird meine Frau gesteinigt und ich werde sicherlich auch bestraft, weil ich meine Frau gegen den Willen ihres Onkels geheiratet habe.

BFV: Gibt es einen Unterschied zu Ihrem Leben in Afghanistan und zu Ihrem Leben in Österreich?

BF1: In Afghanistan musste ich nur zu Hause arbeiten, ich war wie in einem Gefängnis. Hier bin ich frei und kann alles frei entscheiden, ohne, dass jemand meine Freiheit beschränkt.

RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?

BF1: Ich will zuerst Deutsch lernen. Ich möchte, wenn es geht, eine Lehre machen. Ich will Verkäuferin, zum Beispiel im Textilhandel, werden.

BF2: Ich will zuerst Deutsch lernen, später werde ich versuchen einen Beruf zu erlernen. Ich möchte hier ein Mechaniker werden. Ich würde gerne in Österreich arbeiten, damit ich meine Familie versorgen kann und meine Kinder eine gute Ausbildung erhalten. Darüber hinaus möchte ich einen guten Beitrag zur österreichischen Gesellschaft leisten.

RI: Haben Sie im Zuge Ihres Aufenthaltes in Österreich bisher an irgendwelchen Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen, Fortbildungsveranstaltungen besucht oder neue berufliche Kenntnisse bzw. Fähigkeiten erlangt?

BF1: Nein, habe ich bisher nicht gemacht, ich muss zuerst Deutsch lernen.

BF2: Momentan nicht, ich lerne Deutsch.

BF1 legt eine Deutsch-Kursbestätigung vor.

BF2 legt eine Deutsch-Kursbestätigung vor.

RI: Besuchen Ihre Kinder einen Kindergarten?

BF1: Ich habe Mohammad angemeldet, aber er darf erst nächstes Jahr in den Kindergarten. Mohammad spricht schon etwas Deutsch, er kann zählen. Er lernt mit mir und meinem Ehemann mit. Er hat auch Kontakt zu österreichischen Kindern.

RI: Sprechen Sie Deutsch? (Der BF wird ohne Unterstützung durch D aufgefordert, Fragen zum Namen, zur Herkunft, etwaigen Hobbys, den Lebensverhältnissen, den familiären Verhältnissen, seinen Alltag, oder das soziale Umfeld zu erörtern))

BF1: Ein bisschen, ich besuche erst seit fünf Monaten einen Deutschkurs.

BF2: Ja, ein bisschen.

RI stellt fest, dass die BF1 und der BF2 geringe Deutschkenntnisse aufweisen.

RI: Was wissen Sie über die österreichische Geschichte, Kultur oder Politik? (etwa politisches System, Parteien, Politfunktionären, Geographie, Sehenswürdigkeiten, Tageszeitungen, Speisen, Künstlern)?

BF1: Ich weiß noch nicht so viel darüber. Wir sprechen im Kurs über die österreichische Demokratie und Sitte. Man spricht mit uns über die Freiheit hier in Österreich.

Im Fernsehen schaue ich mir gemeinsam mit meinen Kindern den Sender KIKA an. Die Nachrichten schaue ich nicht, ich verstehe auch nicht viel.

BF2: Ich weiß, dass Österreich ein entwickeltes Land ist. Ich weiß, dass das Volk den Bundespräsidenten wählt.

RI: Sind Sie in Österreich Mitglied in Organisationen, Vereinen, etc.?

BF1: Nein. Aber ich habe schon österreichische Freundinnen.

BF2: Nein, aber ich wäre gerne Mitglied in einem Fußballverein. Jetzt spiele ich mit Freunden Fußball, darunter sind auch Österreicher.

BF1 legt Empfehlungsschreiben vor. Diese werden zum Akt genommen.

RI: Wurden Sie in Österreich oder einem anderen europäischen Land jemals strafrechtlich verurteilt bzw. ist derzeit gegen Sie nach Ihren Kenntnissen ein Strafverfahren anhängig?

BF1: Nein.

BF2: Nein.

Die RI befragt die BF, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen wollen.

BF1: Ich habe nichts anderes zu sagen. Ich wünsche mir nur, dass mein Asylantrag angenommen wird, damit ich hier in Österreich leben kann.

BF1 verlässt nach Aufforderung um 10:50 den Verhandlungssaal. BF2 betritt den Verhandlungssaal.

RI ersucht die BFV hinsichtlich zusätzlicher Fragen an den/die BF bzw. etwaigen Anträgen.

BFV: Was sagen Sie zur Bekleidung Ihrer Frau und, dass sie kein Kopftuch trägt. Sind Sie damit einverstanden?

BF2: Ich bin damit einverstanden, sie soll das selber entscheiden, was sie anziehen will. In Afghanistan wurde sie gezwungen. Die Frauen müssen dort anziehen, was die Eltern entscheiden. Ich bin auch damit einverstanden, dass sie hier in Österreich arbeiten geht.

(...)"

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wurde eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses, persönliche Bestätigungen hinsichtlich der Integration aller Beschwerdeführer sowie eine Anerkennung der Vaterschaft durch den Zweitbeschwerdeführer hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers vorgelegt.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken. Mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente kann die Identität der Beschwerdeführer nicht festgestellt werden. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers und beide sind Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und des in Österreich geborenen Viertbeschwerdeführers.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer stammen aus der Provinz Kunduz. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gelangten Jahre vor der Einreise in Österreich in den Iran, wo sie rund zwei Jahre in Teheran gelebt haben und der Drittbeschwerdeführer auf die Welt kam. Vom Iran aus reisten die Beschwerdeführer weiter nach Österreich.

Das Vorbringen, wonach die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer vor ihrer Ausreise vom Onkel mit Zwangsheirat bedroht und von Taliban, welche mit dem Onkel der Erstbeschwerdeführerin befreundet gewesen seien, verfolgt worden seien, wird aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführer und aufgrund des von der belangten Behörde eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation als nicht glaubhaft eingestuft.

Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zum Bestehen einer Verfolgungsgefahr hinsichtlich ihrer Person aufgrund des Umstandes, dass sie eine westlich orientierte Frau ist, ist glaubhaft und wird der Entscheidung als maßgebender Sachverhalt zu Grunde gelegt. Die persönliche Haltung der Erstbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Die Erstbeschwerdeführerin ist von ihrer persönlichen Werterhaltung her überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert. Es kann im gegenständlichen Fall nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund dieser persönlichen Wertehaltung einer Verfolgung ausgesetzt ist.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:

2. Politische Lage

Verfassung

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.) und auf der Verfassung aus dem Jahr 1964 basiert. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vergleiche Max Planck Institute 27.1.2004).

Afghanistans Präsident und CEO

Am 29. September 2014 wurde Ashraf Ghani als Präsident Afghanistans vereidigt (CRS 12.1.2015). Nach monatelangem Streit hatten sich Ghani und Abdullah auf eine gemeinsame Einheitsregierung geeinigt. Das Abkommen sieht vor, dass für den Zweitplatzierten bei der Wahl der Posten eines bislang nicht vorgesehenen Ministerpräsidenten geschaffen wird (FAZ 15.6.2014). Abdullah, der Verlierer der Präsidentschaftswahl, bekam den Posten des Geschäftsführers der Regierung bzw. "Chief Executive Officer" (CEO) der Regierung (CRS 12.1.2015). Diese per Präsidialdekret eingeführte Position weist Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers auf (AA 8.2015). Der CEO fungiert quasi als Premierminister, auch wenn eine Verfassungsänderung zur formalen Schaffung des Postens des Premierministers noch ausständig ist (CRS 12.1.2015).

Regierungsbildung

Obwohl Ghani ursprünglich versprochen hatte, 45 Tagen nach seiner Vereidigung eine Regierung zu präsentieren, zeichnete sich bald ab, dass dieses Versprechen nicht einghalten werden kann, da für die Regierungsbildung in Afghanistan für die Kabinettsposten die Koalitionspartner aus Ghanis und Abdullahs Lager gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Eine Regierung muss die starken regionalen und ethnischen sowie Stammesbindungen und -befindlichkeiten berücksichtigen, soll sie im ganzen Land akzeptiert sein. Ferner beabsichtigte Ghani, die Ministerien nur Personen mit Fachkenntnissen anzuvertrauen und keine bisherigen Minister oder Parlamentarier ins Kabinett aufzunehmen, um so die Voraussetzungen für einen kompetenten Neuanfang zu schaffen. Doch wird die Übung unter solchen Prämissen zusätzlich erschwert. Ghanis Kabinettsliste war in Afghanistan mit Erleichterung aufgenommen worden, weil das Land endlich eine handlungsfähige Regierung braucht. Zwar fragten sich Beobachter wie das Afghanistan Analysts Network einerseits, inwieweit eine junge und recht unerfahrene Regierung den Herausforderungen gewachsen sei. Anderseits wurde Ghanis Festhalten am Versprechen, keine politischen Schwergewichte der Vergangenheit in die Regierung aufzunehmen, durchaus anerkennend kommentiert (NZZ 22.1.2015).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung, Shuraye Melli, basiert auf einem Zweikammersystem, das sich in ein Unterhaus, Wolesi Jirga, und ein Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt, gliedert. Das Unterhaus setzt sich aus 249 Sitzen zusammen, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kuchi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 25.6.2015; vergleiche CRS 15.10.2015 und CRS 12.1.2015).

Das Oberhaus setzt sich aus 102 Sitzen zusammen. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Ein Drittel der Sitze, wovon wiederum 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst, (CRS 12.1.2015; vergleiche CRS 15.10.2015). Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßig vorgegebenen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für die Ernennung eines Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 25.6.2015

Eine der wesentlichen Neuerungen, welche die Parlamentswahlen 2005 und 2010 betrafen, war die "single non-transferable vote (SNTV)"-Regelung. Jedem Wahlkreis ist, proportional zur Bevölkerungszahl, mehr als ein Sitz im Parlament zugeteilt. Die Wähler des Wahlkreises können jeweils eine Stimme abgeben. Die Sitze des Wahlkreises gehen an die Kandidaten des Kreises in der Reihenfolge der Anzahl der von ihnen gewonnenen Stimmen. Dieses System ist weltweit sehr selten (UNAMA o.D.; vergleiche NDI 2011; vergleiche CRS 15.10.2015). Durch das System treten die Kandidaten individuell gegeneinander an und erlangen die Sitze nicht über Parteilisten (CRS 15.10.2015).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments (Unterhaus "Wolesi Jirga", Oberhaus "Meshrano Jirga") bleibt trotz wachsenden Selbstbewusstseins der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Generell leidet die Legislative aber nicht nur unter ihrer schwachen Rolle im Präsidialsystem, sondern auch unter dem unterentwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 6.11.2015).

Parteien

Die afghanische Parteienlandschaft ist wenig entwickelt und mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen in der Regel mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des Parteiensystems ist auch auf das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes zurückzuführen sowie auf das Wahlsystem (Direktwahl mit einfacher, nicht übertragbarer Stimme). Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen politischen Lager immer wieder gestört. (AA 6.11.2015).

Oppositionsbewegungen und Parteien - ganz gleich ob Kommunisten oder rechtsreligiös - wurden gezwungen entweder unterzutauchen oder ins Exil zu gehen. Unter einer neuen und formellen Verfassung haben sich seit 2001 früher islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine Organisation politischen Glaubens oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratie sind. Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen, aber nicht immer durch Wahlerfolge (USIP 3.2015).

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen oftmals eine untergeordnete Rolle bei der Verteilung politischer bzw. administrativer Ämter. Die Entscheidungen über viele Personalien, auch in entlegenen Provinzen, werden von der Zentralregierung in Kabul, häufig sogar vom Präsidenten getroffen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan spielen informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. Dadurch kommt es, für Außenstehende immer wieder überraschend, zu Koalitionswechseln und dem Herauslösen von Einzelpersonen aus bestehenden politischen Verbindungen, unabhängig von Parteistrukturen (AA 6.11.2015).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches eine Neuregistrierung aller Parteien verlangte und ferner zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie bisher die Unterschrift von 700 Mitgliedern vorzuweisen, mussten sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen einbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Partein von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung von Parteiunterstützungsbasen oder institutionalisieren Parteipraktiken bei (USIP 3.2015).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Der afghanische Friedens- und Versöhnungsprozess ist nach einem ersten direkten und öffentlichen Treffen zwischen Regierung und Taliban in diesem Jahr wieder ins Stocken geraten. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte, Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Beide Seiten haben sich aber grundsätzlich weiter zu Verhandlungen bereit erklärt. Die Reintegration versöhnungswilliger Insurgenten bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 6.11.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (8.2015): Aktuelle innenpolitische Lage, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.11.2015

  • Strichaufzählung
    AF - Asia Foundation (2012): Voter Behavior Survey,

  • Strichaufzählung
    BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 22.9.2014

  • Strichaufzählung
    CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
    Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    CRS - U.S. Congressional Research Service (12.1.2015):
    Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    Die Zeit (6.4.2014): Kandidaten sehen klaren Betrug bei Präsidentenwahl,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/unregelmaessigkeiten-afghanistan-wahl, Zugriff 24.9.2014

  • Strichaufzählung
    Die Zeit (5.4.2014): Viel Andrang bei Präsidentenwahl in Afghanistan,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/afghanistan-praesidentenwahl-karsai, Zugriff 24.9.2014

  • Strichaufzählung
    FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.9.2014): Ghani wird Präsident Afghanistans,
http://www.faz.net/aktuell/einigung-auf-einheitsregierung-ghani-wird-praesident-afghanistans-13165418.html, Zugriff 22.9.2014

  • Strichaufzählung
    ICG - International Crisis Group (26.6.2013): Afghanistan's Parties in Transition,
http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/asia/south-asia/afghanistan/b141-afghanistans-parties-in-transition.pdf, Zugriff 24.9.2014

  • Strichaufzählung
    IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves,
www.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 24.9.2014

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

  • Strichaufzählung
    NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.7.2014): Afghanischer Wahlsieger Ashraf Ghani,
http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

  • Strichaufzählung
    NZZ - Neue Zürcher Zeitung (22.1.2015): Leerlauf in Kabul Afghanistans endlose Regierungsbildung, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/afghanistans-endlose-regierungsbildung-1.18466841, Zugriff 2.11.2015

  • Strichaufzählung
    UNAMA - United Nations Assistance Mission to Afghanistan (o.D.):
Primer on the Single Non-Transferable Vote System, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/Documents/Election%20System%20in%20Afghanistan%20Primer.pdf, Zugriff 24.9.2014

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    USIP - United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan,
http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

3. Sicherheitslage

Im Zeitraum 1.8.-31.10.2015 verzeichnete die UNO landesweit 6.601 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan. Dies bedeutet eine Steigerung von 19% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2014. 62% dieser Vorfälle fanden in den südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen statt. Im Berichtszeitraum gelang es den Taliban neben Kunduz City weitere 16 Distriktzentren einzunehmen. Deren Großteil befindet sich im Norden (Badakhshan, Baghlan, Faryab, Kunduz, Sar-e Pul und Takhar), im Westen (Faryab) und im Süden (Helmand und Kandahar) des Landes. Den afghanischen Sicherheitskräften war es jedoch möglich bis Ende Oktober 13 Distriktzentren wieder zurückzuerobern (UN GASC 10.12.2015).

Im Zeitraum 1.6.-31.7.2015 registrierte die UNO landesweit 6.096 sicherheitsrelevante Vorfälle, ein Rückgang von 4,6% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die geographische Reichweite des Konfliktes fokussierte sich hauptsächlich auf die nord-östlichen Regionen rund um Kunduz, Badakhshan und Badghis, im Nordwesten auf die Provinz Faryab und im Südosten auf Nangarhar und im Süden auf Helmand. Der Großteil der Vorfälle wurde in den südlichen und östlichen Teilen des Landes registriert. In Kandahar, Nangarhar, Ghazni, Helmand und Kunar wurden 44.5% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle des Berichtszeitraumes registriert (UN GASC 1.9.2015).

Einige Experten haben auf Leistungsverbesserungen der afghanischen Sicherheitskräfte hingewiesen (SCR 9.2015). Ein erhöhtes Operationstempo hat zu einer signifikant höheren Opferzahl unter den afghanischen Sicherheitskräften geführt (+27% im Zeitraum von 1.1. -15.11.2015 im Vergleich zu 2014) (USDOD 12.2015). Ähnliche Zahlen nennt WP, mit 7.000 getöteten und und 12.000 verletzten Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte (+26% zum Jahr 2014). Im gesamten Jahr 2014 wurde hingegen von 5.000 getöteten afghanischen Polizisten und Soldaten berichtet (SCR 9.2015). Zudem haben die Taliban ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte seit Beginn ihrer jährlichen Frühjahrsoffensive im April 2015 erhöht (BBC 29.6.2015).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast allen Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten. Gleichzeitig haben die Taliban bewiesen, dass sie ländliche Gegenden einnehmen, Schlüsselgebiete bedrohen (z.B. in Helmand) und gleichzeitig high-profile Angriffe in Kabul durchführen können (USDOD 12.2015). Laut Angaben der afghanischen Regierung, kontrollieren die Taliban nur vier der mehr als 400 Bezirke landesweit, aber es ist bekannt, dass diese Zahl stark untertrieben ist. Die afghanische Regierung hat außerdem oftmals nur Kontrolle über die Distriktzentren, aber nicht über die ländlichen Gebiete (The Long War Journal 22.9.2015)

Es gab Vorschläge zur Gründung regierungsfreundlicher Milizen - sogenannter lokaler Verteidigungskräfte - um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Diese existieren angeblich bereits in einer Anzahl von Provinzen (UNGASC 10.12.2015).

Es gibt drei Gründe für das Wiederaufleben der Taliban: Erstens das Ende der US-amerikanischen und NATO-Mission Ende 2014, sowie der Abzug der ausländischen Kräfte aus Afghanistan, hat den militärischen Druck auf die Taliban verringert. Krisen in anderen Teilen der Welt (Syrien, Irak und Ukraine) nährten bei den Taliban die Hoffnungen auf ein Desinteresse der internationalen Gemeinschaft. Wenn Taliban militärische Stützpunkte, Distriktzentren und Check-Points Afghanistans überrennen, erbeuten sie jedes Mal Waffen für den Kampf gegen die afghanische Regierung. Zweitens vertrieb die pakistanische Militäroperation Zarb-e Azb in den Stammesgebieten Nordwaziristans im Juni 2014 tausende Aufständische - hauptsächlich Usbeken, Araber und Pakistanis - die nach Afghanistan strömten und in den Rängen der Taliban aufstiegen. Die Taliban lenkten ohnehin eine große Anzahl ihrer eigenen Kämpfer von Pakistan aus. Drittens mangelt es den afghanischen Sicherheitskräften an Ausbildung und Ausstattung, vor allem in den Bereichen Luftstreitkräfte und Aufklärung. Außerdem nützen die Taliban interne Machtkämpfe der Kabuler Zentralregierung und deren scheinbare Schwäche in verschiedenen Bereichen in Kabul aus (BBC 5.1.2016).

Rebellengruppen

Durch die Talibanoffensiven in den Provinzen Helmand und Kunduz entsteht der Eindruck, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Hauptbevölkerungszentren nicht kontrollieren können. Dies untergräbt das öffentliche Vertrauen, selbst dann, wenn es afghanischen Sicherheitskräften möglich ist, die Zentren zurückerobern, und überschattet die zahlreichen Erfolge der afghanischen Sicherheitskräfte (USDOD 12.2015).

Militärische Operationen im pakistanischen Nordwaziristan haben hunderte gut ausgebildete ausländische Kämpfer nach Afghanistan abgedrängt, wo sie nun die Taliban und den islamischen Staat unterstützen (WP 27.12.2015; vergleiche Pakistan Today 22.12.2015; UN GASC 10.12.2015; Tolonews 21.12.2015).

Doch die Taliban haben auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Nach der Nachricht vom Tod Mullah Omars hat sich die Bewegung zersplittert und Auseinandersetzungen zwischen Talibanführern begünstigen Fortschritte des IS, vor allem im östlichen Afghanistan (DS 6.1.2016).

Taliban und Frühlingsoffensive

Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai - Oktober) spricht man von der "Fighting Season", in der die meist koordinierten, Angriffe von Aufständischen, in Gruppenstärke oder stärker, auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte "harte Ziele" handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb der "Fighting Season" verlegen kampfwillige Aufständische ihre Aktivtäten in die Städte, da hier die ungünstige Witterung kein Faktor ist (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Die Taliban haben signifikante Verluste zu verzeichnen - abgesehen von der temporären Einnahme der Stadt Kunduz, war es ihnen nicht möglich ihre Hauptstrategie und ihre Operationsziele für die Fighting Season 2015 zu erreichen. Auch in Kunduz war es ihnen nicht möglich, das Territorium für einen längeren Zeitraum zu halten. Während der gesamten Fighting Season bewiesen die Taliban Erfahrung in der Durchführung von Angriffen und Bedrohungen von ländlichen Distrikten und zwangen so die afghanischen Sicherheitskräfte in eine reaktive Position (USDOD 12.2015).

Al-Qaida

Die amerikanischen Behörden gehen von einer Zahl von weniger als 100 Kämpfern der al-Qaida in Afghanistan aus. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Qaida angegliedert und in Kunduz aktiv sind (CRS 22.12.2015).

Haqqani-Netzwerk

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Sie ist mit al-Qaida und afghanischen Taliban verbündet, sowie mit anderen terroristischen Organisationen in der Region (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

Obwohl angenommen wird, dass das Netzwerk der al-Qaida näher steht als den Taliban (CRS 9.10.2014), wurde nach der Meldung vom Tod Mullah Omars, Siraj Haqqani zum stellvertretenden Talibanführer befördert. Dies signalisiert, dass das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin eine wichtige Komponente des Taliban-geführten Aufstandes ist (USDOD 12.2015).

Der Aufstand des Haqqani-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden (DW 17.10.2014).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Die radikal-islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt (CRS 22.12.2015). Er war ein ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 9.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 2.9.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete. (CRS 9.10.2014).

IS/ISIS/ISIL/Daesh - Islamischer Staat

Der Islamische Staat hat seinen Einfluss in Afghanistan seit Mitte des Jahres 2014 erhöht. Es wird berichtet, dass der Führer des Islamischen Staates Abu Bakr al-Baghdadi, Berichten zufolge, unter dem Talibanregime in Kabul gelebt und mit al-Qaida kooperiert hat. Die Präsenz der Gruppe in Afghanistan hat sich Anfang des Jahres 2013 aus mehreren kleinen afghanischen Taliban- und anderen Aufständischenfraktionen herausentwickelt (CRS 22.12.2015). Die Präsenz des islamischen Staates hat sich ausgeweitet, als immer mehr Talibanfraktionen dem IS Treue schworen. So kam es zur Einnahme kleiner Gebiete, hauptsächlich im östlichen Afghanistan, durch den IS (CRS 22.12.2015; vergleiche Tolonews 12.7.2015). Ende 2015 gab es Berichte, über finanzielle Hilfe des IS für seinen afghanischen Zweig (CRS 22.12.2015). Ehemalige Kämpfer von al-Qaida, Taliban und Haqqani-Netzwerk steigen in den Rängen des IS auf (Pajhwok 26.5.2015).

Der afghanische Geheimdienst NDS hat eine Spezialeinheit damit beauftragt Razzien gegen den IS durchzuführen (Pajhwok 1.7.2015). Das afghanische Innenministerium konzentriert sich auf bessere Ausbildung und Ausrüstung der nationalen und lokalen Polizei, damit nicht die Notwendigkeit zur Selbstjustiz für Anrainer/innen entsteht (Pajhwok 26.5.2015).

Drogenanbau

Es ist im Jahr 2015 zu einer Reduzierung der Opiumproduktion um

3.300 Tonnen (48%) gekommen (UN News Centre 14.10.2015).

Zivile Opfer

Zwischen 1.1. und 30.6.2015 registrierte UNAMA 4.921 zivile Opfer (1.592 Tote und 3.329 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 6% bei getöteten bzw. von 4% bei verletzten Zivilisten (UNAMA 8.2015).

Konfliktbedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2015 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. UNAMA verzeichnete 1.270 minderjährige Opfer (320 Kinder starben und 950 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 23% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2014. Es gab 559 weibliche Zivilopfer, davon wurden 164 Frauen getötet und 395 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 13% gegenüber 2014 (UNAMA 8.2015).

Laut UNAMA waren 70% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 16% regierungsfreundlichen Kräften (15% den ANSF und regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen, sowie 1% den internationalen militärischen Kräften). UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer Unfällen mit Blindgängern zu (8.2015).

3.436 zivile Opfer (1.213 Tote und 2.223 Verletzte) gehen auf Operationen regierungsfeindlicher Elemente zurück. Das bedeutet einen Rückgang von 3% gegenüber 2014. UNAMA verzeichnete einen Anstieg von 78% bei zivilen Opfer aufgrund von komplexen Angriffen und Selbstmordattentaten, sowie einen Anstieg von individuellen Tötungen. UNAMA registrierte ebenso 46% Rückgang an zivilen Opfern in Bodenkämpfen und 21% Rückgang ziviler Opfer aufgrund von IEDs (improvised explosive devices) (UNAMA 8.2015). Regierungsfreundliche Kräfte - speziell ANSF - waren auch weiterhin Grund für einen Anstieg bei zivilen Opfern im Jahr 2015. UNAMA registrierte hierzu 796 zivile Opfer (234 wurden getötet und 562 verletzt). Dies deutet einen Anstieg von 60% im Vergleich zum Jahr 2014. Der Großteil dieser zivilen Opfer geht auf Bodenkämpfe regierungsfreundlicher Gruppen, bei denen hauptsächlich Explosivwaffen, wie Mörser, Raketen oder Granaten verwendet wurden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 waren regierungsfreundliche Gruppen für mehr zivile Opfer verantwortlich, als regierungsfeindliche Elemente. Im Jahr 2015 haben die ANSF ihre Anzahl von Operationen, die am Boden durchgeführt wurden, signifikant erhöht, um den Regierungsbildungsprozess zu unterstützen und Angriffen regierungsfeindlicher Elemente entgegenzuwirken (UNAMA 8.2015).

Die UNAMA verzeichnete 37% Anstieg bei Entführungen von Zivilisten durch regierungsfeindliche Elemente, und mehr Morde und Körperverletzungen an den Entführungsopfern. Von 76 Entführten Zivilisten wurden im Berichtszeitraum (1.1. - 30.6.2015) 62 getötet und 14 verletzt. UNAMA dokumentierte die Entführung von Zivilist/innen durch regierungsfeindliche Elemente für finanzielle Zwecke, zur Einschüchterung der Bevölkerung und um Zugeständnisse von anderen Parteien im Konflikt zu erhalten, z.B. Geiselaustausch (UNAMA 8.2015).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

In einem Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo wurde im September 2015 berichtet, dass zuverlässige Dokumentation von konfliktbezogener Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen, existiert. Andererseits, konnte nur eingeschränkte Dokumentation zu konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokale Angestellte ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen afghanischer Angestellter der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürgern verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis zu ISAF zurückzuführen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014). Des Weitern bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Job für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    BBC (5.1.2016): Why are the Taliban resurgent in Afghanistan?, http://www.bbc.com/news/world-asia-35169478, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    BBC (29.6.2015): Taliban ambush in Herat province 'kills 11 soldiers', http://www.bbc.com/news/world-asia-33308094, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    BBC (2.9.2014): Afghan militant fighters 'may join Islamic State', http://www.bbc.com/news/world-asia-29009125, Zugriff 27.10.2014

  • Strichaufzählung
    CRS (22.12.2016): Afghanistan: Post Taliban Governance, Security, and U.S. Policy https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    CRS - Congressional Research Service (9.10.2014): Afghanistan:
    Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, http://fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 27.10.2014

  • Strichaufzählung
    DS - The Daily Signal (6.1.2016): römisch eins t Would Be a Mistake to Not Hold Steady in Afghanistan,
http://dailysignal.com/2016/01/06/it-would-be-a-mistake-to-not-hold-steady-in-afghanistan/, Zugriff 13.1.2016

  • Strichaufzählung
    DW - Deutsche Welle (17.10.2014): Capture of senior leaders to 'further weaken' Haqqani network, http://www.dw.de/capture-of-senior-leaders-to-further-weaken-haqqani-network/a-18001448, Zugriff 27.10.2014

  • Strichaufzählung
    EASO - European Asylum Support Office (21.1.2016): EASO Country of Origin Information Report AfghanistanSecurity Situation, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO-COI-Afghanistan_Security_Situation-BZ0416001ENN_FV1.pdf, Zugriff 21.1.2016

  • Strichaufzählung
    Khaama Press (16.10.2014): Top Haqqani Network leaders arrested by Afghan intelligence,
http://www.khaama.com/top-haqqani-network-leaders-arrested-by-afghan-intelligence-8821, Zugriff 27.10.2014

  • Strichaufzählung
    Landinfo (9.9.2015): Temanotat Afghanistan: Sivile afghanere tilknyttet internasjonal virksomhet, http://www.landinfo.no/asset/3219/1/3219_1.pdf, Zugriff 12.1.2015

  • Strichaufzählung
    Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014):
Sicherheitslage, per E-Mail.

  • Strichaufzählung
    NYT - The new York Times (17.10.2014): 2 Haqqani Militant Leaders Are Captured, Afghan Officials Say, http://www.nytimes.com/2014/10/17/world/asia/haqqani-leaders-arrested-afghanistan-khost.html?_r=0, Zugriff 27.10.2014

  • Strichaufzählung
    Pajhwok (1.7.2015): Special unit established to wipe out Daesh:
NDS,
http://www.pajhwok.com/en/2015/07/01/special-unit-established-wipe-out-daesh-nds, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    Pajhwok (26.5.2015): MoI confirms Daesh presence in parts of country,
http://www.pajhwok.com/en/2015/05/26/moi-confirms-daesh-presence-parts-country, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    Pakistan Today (22.12.2015): Pakistan urges Afghanistan to 'put their house in order' to improve security, http://www.pakistantoday.com.pk/2015/12/22/national/pakistan-urges-afghanistan-to-put-their-house-in-order-to-improve-security/, Zugriff 13.1.2016

  • Strichaufzählung
    Security Council Report (9.2015): September 2015 Monthly Forecast, http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2015-09/afghanistan_14.php?print=true, Zugriff 13.1.2016

  • Strichaufzählung
    The Long War Journal (22.9.2015): Taliban overruns outpost in eastern Afghanistan,
http://www.longwarjournal.org/archives/2015/09/taliban-overruns-outpost-in-eastern-afghanistan.php, Zugriff 30.11.2015

  • Strichaufzählung
    Tolonews (21.12.2015): UNAMA Chief Reports Of Increased Security Incidents,
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/22921-unama-chief-reports-of-increased-security-incidents, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    Tolonews (12.7.2015): Daesh Fighters Flee to Mountains After Commanders Eliminated: Muslimyar, http://www.tolonews.com/en/afghanistan/20422-daesh-fighters-flee-to-mountains-after-commanders-eliminated-muslimyar, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (10.12.2015):
Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942, Zugriff 4.1.2016

  • Strichaufzählung
    UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 17.11.2015

  • Strichaufzählung
    UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (8.2015):
Midyear report 2015 protection of civilians in armed conflict, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/human%20rights/2015/PoC%20Report%202015/UNAMA%20Protection%20of%20Civilians%20in%20Armed%20Conflict%20Midyear%20Report%202015_FINAL_%205%20August.pdf, Zugriff 18.11.2015

  • Strichaufzählung
    UNOCHA (28.12.2015): AFGHANISTAN: Administrative Divisions January 2014. Via E-Mail.

  • Strichaufzählung
    USDOD - Department of Defense (12.2015): Enhancing Security and Stability in Afghanistan,
http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/1225_Report_Dec_2015_-_Final_20151210.pdf, Zugriff 8.1.2016

  • Strichaufzählung
    WP - The Washington Post (27.12.2015). A year of Taliban gains shows that 'we haven't delivered,' top Afghan official says, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/a-year-of-taliban-gains-shows-that-we-havent-delivered-top-afghan-official-says/2015/12/27/172213e8-9cfb-11e5-9ad2-568d814bbf3b_story.html, Zugriff 13.1.2016

3.1. Sicherheitslage in Kabul

Wann immer man von der Sicherheitslage spricht, meint man die größeren Städte sowie das Gebiet in einem Radius von max. 3 km um diese Städte (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Kabul

Distrikt Kabul

Gewalt gegen Einzelne

37

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

16

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

68

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

50

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

39

Andere Vorfälle

7

Insgesamt

217

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in dem Distrikt Kabul, 217 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Provinz Kabul

Gewalt gegen Einzelne

40

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

69

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

103

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

94

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

39

Andere Vorfälle

7

Insgesamt

352

Im Zeitraum 1.1. -

31.8.2015 wurden in der Provinz Kabul insgesamt 352 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Provinzhauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan)Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.372.977 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Im Gegensatz zu den ländlichen Teilen Afghanistans, in denen das Gewaltniveau meist von jahreszeitenbedingter Witterung abhängt (erhöhte Angriffszahlen in den Sommermonaten), hängt die Sicherheitslage in Kabul stark von den politischen Entwicklungen innerhalb Afghanistans und internationalen Beziehungen ab (EI o.D.).

Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, Koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen, ist auf einem Niveau, wie zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordattentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o.D.). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mit unterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Von Jänner bis November 2015, wurden 28 hochrangige Angriffe in Kabul durchgeführt. Dies bedeutet eine Steigerung von 27% gegenüber dem Vergleichseitraum 2014. Diese Angriffe erreichen ein Hauptziel der Taliban, nämlich mediale Aufmerksamkeit, und gleichzeitig die Verbreitung eines Gefühls der Unsicherheit (USDOD 12.2015).

Traditionell erfüllen Angriffe auf die Stadt Kabul zwei Zwecke:

Erstens, physisch die Macht der afghanischen Regierung zu schwächen. Dies geschieht üblicherweise durch die Ermordung von Beamten und Zerstörung von Versorgungswegen. Zweitens, Propagandasiege durch Angriffe in Kabul. Aus demselben Grund werden internationale Organisationen (die einen ähnlichen Propagandawert für Aufständischenorganisationen haben) regelmäßig angegriffen. Oftmals dann, wenn es zu schwer war wichtige Regierungs- oder NATO-Gebäude erfolgreich zu infiltrieren. Während die Sicherheitskräfte sich fortwährend verbessern und ihre Fähigkeiten, solchen Angriffen entgegenzuwirken, entwickeln, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unterschwellige Bedrohung, insbesondere innerhalb der zentralen Kabuler Distrikte, in naher Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden kann (EI o.D.).

Ministerien sind bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vergleiche UNAMA 8.2015). Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen allerdings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Nach einer erhöhten Anzahl von Angriffen und Störungen im Sommer - vorläufige Daten zeigen im Jahr 2015 eine nennenswerte Steigerung zum Vergleichszeitraum 2014 in Bezug auf Selbstmordattentate und allgemeine Aufständischenaktivitäten in der Stadt Kabul. Allgemein wurde erwartet, dass die Gewalt mit Beginn des Winters 2015 abnehmen würde. Winterliche Gegebenheiten schränken allgemein die Bewegung extremistischer Gruppen am Boden ein, wodurch weniger Kämpfer und weniger Kampfmittel nach Kabul Stadt kommen. Ungeachtet dessen existiert weiterhin ein Potential für unerwartete Talibanangriffe. Auch das IS-Phänomen könnte das Risikoprofil innerhalb der Hauptstadt 2016 erweitern, jedoch müssen diese Gruppen ihre Effektivität innerhalb der Hauptstadt erst nachweisen. IS-Zweige treten derzeit mehr in interne Fehden mit den Taliban und anderen extremistischen Fraktionen, in Gebieten wie dem ländlichen Nangarhar, Farah und Zabul in Erscheinung, anstatt durch gezielte Angriffe auf internationale Organisationen (EI o.D.).

Die Stadt Kabul zieht auch weiterhin eine signifikante Zahl an Binnenvertriebenen an. Mindestens 3.000 Familien benötigen Hilfe (UN GASC 10.12.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    EASO - European Asylum Support Office (21.1.2016): EASO Country of Origin Information Report AfghanistanSecurity Situation, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO-COI-Afghanistan_Security_Situation-BZ0416001ENN_FV1.pdf, Zugriff 21.1.2016

  • Strichaufzählung
    EASO - European Asylum Support Office (1.2015): EASO Country of Origin Information Report Afghanistan, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/Afghanistan-security-situation.pdf, Zugriff 8.1.2016

  • Strichaufzählung
    EI - Edinburgh International (o.D.): Kabul Security Analysis:
    2015-2016 Forecast,
http://edinburghint.com/insidetrack/kabul-security-analysis-2015-2016-forecast/#, Zugriff 8.1.2016

  • Strichaufzählung
    Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA (14.11.2014):
Sicherheitslage, per Mail.

  • Strichaufzählung
    NYT - The New York Times (1.10.2014): Taliban Stage Attacks on Day After Afghanistan and U.S. Sign Security Deal, http://www.nytimes.com/2014/10/02/world/asia/taliban-afghanistan-kabul-suicide-attacks.html, Zugriff 27.10.2014

  • Strichaufzählung
    Pajhwok (o.D.z): Kabul province background profile, http://www.elections.pajhwok.com/en/content/kabul-province-background-profile, Zugriff 23.10.2014

  • Strichaufzählung
    WP - Washington Post (20.10.2014): A (fighting) season to remember in Afghanistan,
http://www.washingtonpost.com/blogs/monkey-cage/wp/2014/10/20/a-fighting-season-to-remember-in-afghanistan/, Zugriff 23.10.2014

  • Strichaufzählung
    UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (8.2015):
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    UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (10.12.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942, Zugriff 4.1.2016

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    UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG_Report_September_2015.pdf , Zugriff 17.11.2015

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    USDOD - Department of Defense (12.2015): Enhancing Security and Stability in Afghanistan,
http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/1225_Report_Dec_2015_-_Final_20151210.pdf, Zugriff 8.1.2016

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    Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (15.9.2015): Informationen zu den Provinzen Afghanistans. Per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf

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    UN OCHA - United Nation Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.8.2015): Afghanistan : Population Estimate for 2015,
https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/afg_mm_population_aug2015_a3.pdf, Zugriff 17.11.2015

Kunduz

Gewalt gegen Einzelne 44

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 291

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 69

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit 48

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 7

Andere Vorfälle 3

Insgesamt 462

Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Kunduz, 462 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Kunduz liegt 337 km nördlich von Kabul City. Es grenzt an die Provinzen Takhar im Osten, Baghlan im Süden und Samangan im Westen.

Die Provinz hat sechs Distrikte: Imam Sahib, Dasht-e-Archi, Qala-e-Zal, Chahar Dara, Ali Abad und Khan Abad. Die Hauptstadt ist Kunduz City (Pajhwok o.D.k). Die Bevölkerung der Provinz wird auf 1.010.037 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

Die Stadt Kunduz ist strategisch wichtig, nicht nur für Afghanistan (Deutsch Welle 30.9.2015). Kunduz war bis zum Einmarsch der US-Amerikaner im Jahr 2001, die letzte Hochburg der Tailban (RFE/RL 9.2015). Wer die Stadt kontrolliert, dem steht der Weg nach Nordafghanistan offen. Ferner, liegt in Kunduz eine wichtige Straße, die Kabul mit den angrenzenden nördlichen Provinzen verbindet (Deutsch Welle 30.9.2015). Die temporäre Einnahme der Stadt Kunduz [28.9. - 13.10.2015] durch die Taliban - die erste Provinzhauptstadt, die seit 2001 von den Taliban eingenommen wurde - markierte die erhöhte Intensität des Konfliktes und war ein großer Rückschlag für die afghanische Regierung. Den nationalen afghanischen Sicherheitskräften war es möglich, bis zum 31.10.2015, nicht nur die Stadt Kunduz, sondern 13 weitere Distriktzentren im Norden und Süden wieder unter ihre Kontrolle zu bringen (UN GASC 10.12.2015).

Der Führer der Hezb-e Islami - Gulbudinn Hekmatyar - kritisierte die Taliban öffentlich für ihre Einnahme von Kunduz und gab eine Agenda für Friedensverhandlungen vor (UN GASC 10.12.2015). Sowohl die Taliban als auch IMU-Kämpfer, die dem IS Treue geschworen haben, haben sich Kunduz als Ziel ihrer Frühlingsoffensive 2015 gesetzt, um sie als strategische Basis für größere Kampagnen im Norden zu verwenden. Der Kampf um Kunduz offenbarte Verbindungen zwischen den Taliban in Nordafghanistan und Zentralasien mit kaukasischen Aufständischen, welche dem IS Treue geschworen haben. Nachdem geschätzte 2.000 Talibanaufständische fünf der sieben Distrikte erobert hatten, rückten sie bis zehn Kilometer vor den strategisch gelegenen Flughafen der Provinz vor und konnten Boden im Distrikt Gul Tepe gewinnen, der an die Nordwestgrenze der Stadt Kunduz grenzt. Die Regierung versuchte im Sommer 2015 mit Hilfe US-amerikanischer Luftangriffe, verlorenes Territorium zurückzuerobern. Seit Ende September 2015, hatten die Regierungskräfte die Kontrolle über den Flughafen Kunduz (RFE/RL 9.2015).

Der Fall der Stadt Kunduz hatte für die Taliban, neben materiellen Vorteilen, auch einen erheblichen Propagandawert. Die Entwicklung unterstrich auch die Defizite der afghanischen Sicherheitskräfte in Bereichen Logistik und Planung, Geheimdienst und Luftunterstützung, aber auch die Notwendigkeit der stärkeren Kooperation zwischen Sicherheitskräften und zivilen Autoritäten. Auch gab es Vorschläge zu einer Gründung regierungsfreundlicher Millizen - sogenannter lokaler Verteidigungskräfte - um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Diese existieren angeblich bereits in einer Anzahl von Provinzen (UNGASC 10.12.2015).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Terroristen zu befreien (Xinhua 21.12.2015;

Khaama Press 22.12.2015; Xinhua 16.12.2015; Pajhwok 24.4.2015;

Tolonews 21.2.2015)

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Afghanistan ist eine Gesellschaft mit einer Vielzahl rechtlicher Traditionen, die historisch gesehen aus drei Komponenten bestehen:

dem staatlichen Gesetzbuch, dem islamisch-religiösen Gesetz (Scharia) und dem lokalen Gewohnheitsrecht. Die lokalen Gepflogenheiten beinhalten kulturelle und ethische Standards zur Beseitigung eines Disputs durch Mediation und Schlichtung in den Gemeinschaften (BU 23.9.2010).

Wegen des allgemeinen Islamvorbehalts darf laut Verfassung kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so dass nicht festgelegt ist, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 6.11.2015).

Das Gesetz beinhaltet eine unabhängige Justiz, aber in der der Praxis ist die Justiz oft unterfinanziert, unterbesetzt, nicht adäquat ausgebildet, uneffektiv, Drohungen ausgesetzt, befangen, politisch beeinflusst und durchdringender Korruption ausgesetzt (USDOS 25.6.2015). Die meisten Gerichte sprechen uneinheitlich Recht, basierend auf dem kodifiziertem Gesetz, der Scharia (islamisches Gesetz) und lokalen Gepflogenheiten. Traditionelle Justizmechanismen bleiben auch weiterhin die Hauptgrundlage für viele Menschen, besonders in den ländlichen Gebieten (USDOS 25.6.2015 vergleiche FH 28.1.2015). Die Einhaltung des kodifizierten Rechts variiert, wobei die Gerichte gesetzliche Vorschriften zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 25.6.2015). Laut Freedom House Report 2015 besteht der Oberste Gerichtshof in erster Linie aus Religionsgelehrten, die nur eine beschränkte Kenntnis der zivilen Rechtsprechung haben (USDOS 25.6.2015 vergleiche FH 28.1.2015).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an Kapazität um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu handhaben. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Verglichen mit 2012 gab es eine Steigerung in der Zahl der Richter, welche ein Rechtsstudium absolviert hatten (USDOS 25.6.2015). Es gibt etwa 1300 Richter im Land (SZ 29.9.2014). Präsident Ghani verfügte eine Reihe von Justizreformen, sodass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellt aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015).

Das formale Justizsystem ist relativ stark verankert in den städtischen Zentren, wo die Zentralregierung am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten, wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben, schwächer ausgeprägt ist (USDOS 25.6.2015). Insbesondere in den ländlichen Gebieten wird von einem Großteil der Bevölkerung auf traditionelle Justizmechanismen oder Selbstjustiz zurückgegriffen (FH 28.1.2015).

Der Zugang zu Gesetzblättern und Regelwerken steigt an, die geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter und Staatsanwälte aber weiterhin eine Behinderung dar. In den großen Städten entscheiden die Gerichte nach dem Gesetz. In den ländlichen Gegenden hingegen ist der primäre Weg zur Beilegung krimineller oder ziviler Streitigkeiten, jener über lokale Älteste und Shuras (Ratsversammlungen), wobei allerdings auch rechtlich nicht sanktionierte Strafen ausgesprochen werden (USDOS 25.6.2.2015). Schätzungen lassen vermuten, dass 80% aller Streitigkeiten durch Shuras entschieden werden. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (USDOS 25.6.2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 3.2014).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 13.10.2015

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    BU- Boston University (23.9.2010): Rule of law in Afghanistan, http://www.bu.edu/aias/reports/AIAS_ROL.pdf, Zugriff 13.10.2015

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    FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/298953/435505_de.html, Zugriff 13.10.2015

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    SZ - Süddeutsche Zeitung (29.9.2014): Große Reformen in Afghanistan,
http://www.sueddeutsche.de/politik/ende-der-aera-karsai-in-afghanistan-der-zieher-geht-die-strippen-bleiben-1.2150136-2, Zugriff 13.10.2015

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

5. Sicherheitsbehörden

Nach der Übergangsphase sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr verantwortlich für einen Kampfeinsatz in Afghanistan. Die afghanische Regierung ist selbst für die interne Sicherheit verantwortlich (USDOD 6.2015). Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD), das Büro des Präsidenten und das Parlament sind direkt in die zivile Aufsicht des Sicherheitssektors involviert (CGS 2.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP) tragen unter der Leitung des Innenministeriums die Hauptverantwortung für die innere Ordnung, sind aber auch an der Bekämpfung der Aufständischen beteiligt (USDOS 25.6.2015).

Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF)

Am 1. Jänner 2015 haben die ANDSF in einer Zeremonie formell die Sicherheitsverantwortung für Afghanistan übernommen (USDOD 6.2015; vergleiche AA 2.3.2015). Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2015; vergleiche NYT 16.10.2015). Etwa 1.700 Frauen dienen in den afghanischen Streitkräften, davon sind ungefähr

1.370 bei der Polizei (CRS 15.10.2015). Die ANDSF bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der ANP die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten, wie die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums, während die afghanische Nationalarmee (ANA) unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums steht (USDOD 6.2015; vergleiche USDOS 25.6.2015).

Einige Experten deuteten eine Verbesserung der Leistung der afghanischen Sicherheitskräfte an. Leider mussten auch Verluste verbucht werden: So wurde berichtet, dass im ersten Halbjahr 2015 etwa 4.100 Sicherheitskräfte (Polizei und Militär) getötet, sowie weitere 7.800 verletzt wurden. Dies übertrifft die Gesamtzahl des Jahres 2014, die mit 5.000 getöteten Sicherheitskräften angegeben wurde (SCR 9.2015).

Die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte hängt völlig von Fremdhilfen ab (BFA Staatendokumentation 3.2014). Es wird mit finanziellen Beiträgen an den NATO-Treuhandfond der ANA mit bis zu USD 1.2 Milliarden gerechnet. Zusätzlich haben Verbündete und Partnerländer der NATO bis Ende 2017 jährliche finanzielle Unterstützung in der Höhe von USD 450 Millionen zugesagt. Darüber hinaus liegt die finanzielle Hauptlast der afghanischen Sicherheitskräfte bei der afghanischen Regierung welche zugesagt hat, zu Beginn jährlich 500 Millionen Euro beizusteuern und diese Beiträge kontinuierlich zu erhöhen (NATO 6.2015).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Mit Stand Juni 2015 betrug die Personalstärke der ANP 157.000 Mann. Zusätzlich wurden für die ALP weitere 30.000 Mann autorisiert, die aber nicht in der allgemeinen ANDSF Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2015; vergleiche NYT 16.10.2015). Die monatliche Schwundquote ist während des Berichtszeitraumes zurückgegangen und beträgt durchschnittlich 1.8% im Vergleich zu einer Schwundrate von 2.1% des letzten Berichtszeitraumes (USDOD 6.2015).

Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit, bekämpft aber auch den internen Aufstand (USDOS 25.6.2015). Mit Stand Juni 2015 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 195.000 Mann, inklusive 7.800 Mann in den Luftstreitkräfte (Afghan Air Force - AAF), 9.321 Zivilisten und

10.312 Trainees, Studenten und Andere (USDOD 4.2014).

Durch die Vereinigten Staaten von Amerika wurden fünf Militärbasen in verschiedenen Teilen des Landes errichtet: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 17.8.2015).

National Directorate of Security (NDS)

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen der nationalen Sicherheit und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes (USDOS 25.6.2015).

Aufgrund von Abgängen und anderen Faktoren, fluktuierte die tatsächliche ANDSF Truppenstärke zwischen 91 und 92 % der autorisierten Truppenstärke im Berichtszeitraum (USDOD 6.2015).

Eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz führte zum Beispiel zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. So hatte insbesondere die Schaffung spezialisierter Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen positive Auswirkungen (AA 6.11.2015).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 20.10.2015

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    CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
    Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    NATO - North Atlantic Treaty Organization (6.2015): A new chapter in NATO-Afghanistan relations from 2015, www.nato.int/...2015.../20150622_1506-media-bckgr-afghanistan.pdf, Zugriff 15.10.2015

  • Strichaufzählung
    NYT - The New York Times (16.10.2015): Afghan Plan to Expand Militia Raises Abuse Concerns,
http://www.nytimes.com/2015/10/17/world/asia/afghan-local-police-taliban.html, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    NYT - The New York Times (22.7.2015): Afghan Security Forces Struggle Just to Maintain Stalemate, http://www.nytimes.com/2015/07/23/world/asia/afghan-security-forces-struggle-just-to-maintain-stalemate.html, Zugriff 20.10.2015

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    SCR- Security Council Report (9.2015): September 2015 Monthly Forecast,
http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2015-09/afghanistan_14.php?print=true, Zugriff 20.10.2015

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    USDOD - US Department of Defense (6.2015): Report on Enhancing Security and Stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/June_1225_Report_Final.pdf, Zugriff 15.10.2015

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Artikel 29,) (AA 6.11.2015; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind aber nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 2.3.2015; vergleiche OHCHR 8.1.2015).

Der Bericht der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) im Jahr 2015 besagt, dass trotz nationaler und internationaler Bemühungen Folter und Misshandlung von Häftlingen anhalten und ein ernstzunehmendes Problem in vielen Haftanstalten Afghanistans sind (UNAMA 2.2015; vergleiche USDOS 27.2.2014). Obwohl die Verfassung solche Praktiken verbietet, gibt es Berichte, die besagen, dass Beamte, Sicherheitskräfte, Justizwachbeamte und die Polizei Misshandlungen durchführten (USDOS 25.6.2015). Folter wird hauptsächlich verwendet um ein Geständnis oder Informationen zu erhalten (OHCHR 8.1.2015). Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. Aber auch in Bezug auf Häftlinge, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen werden, wurden in der jüngeren Vergangenheit grobe Missstände aufgedeckt (AA 2.3.2015).

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen, Geständnisse und Zeugenaussagen von Beschuldigten oder anderen Personen, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer bekannt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass afghanische Richter sich bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei ("almost total lack of accountability", Quelle:

UNAMA-Update on the Treatment of ConflictRelated Detainees in Afghan Custody: Accountability and Implementation of Presidential Decree 129, Febr. 2015) durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: Nur noch 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 6.11.2015).

Es kommt immer wieder auch vor, dass Inhaftierte keinen Zugang zu Rechtsschutzmechanismen wie rechtlichem Beistand haben (AA 2.3.2015; vergleiche UNAMA 2.2015; vergleiche AA 6.11.2015).

Die Regierung hat in den letzten Jahren Berichte der Vereinten Nationen und AIHRC bestritten, dass afghanische Polizei und NDS Häftlinge foltern (HRW 21.1.2014). Aufgrund des UNAMA-Berichtes im Januar 2013 gründete die Regierung ein Komitee um Anschuldigungen, in Bezug auf Misshandlung von Häftlingen, nachzugehen. Das Komitee führte Besuche und Interviews durch - die Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht. Die Regierung zog Folterer nicht durch glaubwürdige Untersuchungen und Straffverfolgung zur Rechenschaft (USDOS 25.6.2015). Obwohl es im Jahr 2013 eine Untersuchung zu den Vorwürfen der Misshandlung und Folter durch die Regierung gab, wurde - laut Human Rights Watch - kein Mitglied der afghanischen Sicherheitskräfte während des Berichtsjahres zur Rechenschaft gezogen (HRW 4.3.2015).

Im Februar 2013 erließ der damalige Präsident Karzai ein Dekret mit Anti-Foltermaßnahmen, welches Konsequenzen für folternde Beamte vorsieht (UNAMA 2.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    HRW - Human Rights Watch (4.3.2015): World Report 2015 - Afghanistan,
https://www.hrw.org/world-report/2015/country-chapters/afghanistan, Zugriff 29.9.2014

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    OHCHR - United Nations High Commissioner for Human Rights (8.1.2015): Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights on the situation of human rights in Afghanistan and on the achievements of technical assistance in the field of human rights in 2014, ,
http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&frm=1&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0CBsQFjAAahUKEwjwheDf-NDIAhXDliwKHY2mCcg&url=http%3A%2F%2Fwww.ohchr.org%2FEN%2FHRBodies%2FHRC%2FRegularSessions%2FSession28%2FDocuments%2FA_HRC_28_48_en.doc&usg=AFQjCNH4DwVIyTtou8DN6mOOJdtWHiT1Dg&bvm=bv.105454873,d.bGg, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (2.2015):
Update on the Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody:Accountability and Implementation of Presidential Decree 129 http://www.ohchr.org/Documents/Countries/AF/UNAMA_OHCHR_Detention_Report_Feb2015.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

7. Korruption

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2014 belegte Afghanistan von 175 Ländern den 172. Platz(TI 12.2014; vergleiche FH 28.1.2015). Noch im Jahr 2013 belegte Afghanistan gemeinsam mit Nordkorea und Somalia den

175. und damit letzten Platz (TI 3.12.2013; vergleiche FH 19.5.2014).

Korruption, Nepotismus und Vetternwirtschaft wuchern auf allen Ebenen der Regierung. Zu niedrige Gehälter fördern korruptes Verhalten der öffentlich Bediensteten (FH 28.1.2015). Von allen Institutionen werden von den Afghanen Gerichte und Zivilverwaltung als die korruptesten wahrgenommen, während religiöse Körperschaften und die Medien als am wenigsten korrupt gelten (FH 19.5.2014).

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung hat dieses Gesetz nicht effektiv umgesetzt und es wurde berichtet, dass öffentliche Beamte/Bedienstete regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Es gab aber auch Berichte von Korruptionsfällen, die erfolgreich auf Provinzebene vor Gericht gestellt wurden (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung bemühte sich auch weiterhin Rechtsstaatlichkeit voranzutreiben und Korruption anzugehen (UN GASC1.9.2015). So verfügte Präsident Ghani im Rahmen von Justizreformen, dass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellte aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015; vergleiche UN GASC 1.9.2015). Als positiv kann gewertet werden, dass Präsident Ghani Untersuchungen in den Kabuler Bankskandal eingeleitet und ferner den Versuch gestartet hat, die fast 1 Milliarde US Dollar, die gestohlen wurden, wieder einzubringen (CAP 17.3.2015). Auch etablierte die Allparteienregierung eine nationale Behörde zur Beschaffungsvergabe (National Procurement Authorithy - NPA), die Transparenz beim öffentlichen Vergabesystem in Afghanistan unterstützen soll. Um dieses Ziel zu erreichen arbeitet die NPA mit unterschiedlichen nationalen und internationalen Organisationen zusammen (SIGAR 13.7.2015). Integrity Watch Afghanistan startete ein Callcenter "efshagar.af", welches der Öffentlichkeit die Möglichkeit bietet, korrupte Vorgehensweisen innerhalb des Landes zu melden (IWA 9.12.2014).

Die Hälfte der afghanischen Bürger/innen zahlte nach Schätzungen des UN Office on Drugs and Crime (UNODC) im Jahr 2012 Bestechungsgelder für öffentliche Leistungen. Die Gesamtsumme aller Bestechungszahlungen an Beamte der letzten drei Jahre, stieg laut UNODC auf USD 3.9 Milliarden an (UNODC 12.2012; vergleiche CAP 17.3.2015). Laut Integrity Watch Afghanistan betrug die Summe der Bestechungen im Jahr 2014 1.2 Milliarden US Dollar und über 1.2 Millionen Acker Land wurden illegal beschlagnahmt (IWA 9.12.2014).

Quellen:

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    CAP - Center for American Progress (17.3.2015): Tackling Corruption in Afghanistan,
https://cdn.americanprogress.org/wp-content/uploads/2015/03/AfghanistanCorruption-FINAL.pdf, Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/298953/435505_de.html, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    IWA - Integrity Watch Afghanistan (9.12.2014): International Anti-Corruption Day!,
http://iwaweb.org/international-anti-corruption-day/, Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2015): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2015-07-30qr.pdf, Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    TI- Transparency International (12.2014): Corruption Perceptions Index 2014,
http://www.transparency.org/whatwedo/publication/cpi2014, Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    UN GASC - United Nations General Assembly (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security: report of the Secretary-General, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

8. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Eine Vielzahl an nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 25.6.2015).

Die Arbeit von internationalen und afghanischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch von Vereinen wird üblicherweise nicht von den Behörden in einem formalen Sinn eingeschränkt. Die Möglichkeiten dieser Gruppen frei und effektiv zu arbeiten werden durch die Sicherheitslage behindert. Aktivist/innen der Zivilgesellschaft, speziell, jene, die sich mit Menschenrechten bzw. Rechenschaftsangelegenheiten befassen, sind weiterhin Bedrohung und Belästigungen ausgesetzt (FH 28.1.2015). Mit Stand Februar 2015 wurden seit dem Jahr 2005 3.415 lokale NGOs und 4.016 internationale NGOs beim Wirtschaftsministerium (MoE-Ministry of Ecomomy) registriert. Die Zahl aktiver lokaler NGOs beträgt 1.665 und die der internationalen 275 (ICNL 25.2.2015).

Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht. Gleichwohl sind sie regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/ Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 6.11.2015).

Derzeit stehen mehrere die Zivilgesellschaft betreffende Reforminitiativen an:

  • Strichaufzählung
    Änderungen des NGO-Gesetzes

  • Strichaufzählung
    Gesetzentwurf bezüglich Stiftungen

  • Strichaufzählung
    Gesetzentwurf über Freiwilligenarbeit

  • Strichaufzählung
    Vorschläge zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (ICNL 25.2.2015; vergleiche AA 2.3.2015)

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women¿s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen. Sie erarbeiten derzeit in Absprache mit der internationalen Gebergemeinschaft ein Konzept zum besseren Schutz ihrer Mitglieder (AA 6.11.2015).

Es existierten keine gesetzlichen Hindernisse, die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen einschränken (ICNL 25.2.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/298953/435505_de.html, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    ICNL - The International Center for Not-for-profit-Law (25.2.2015): NGO Law Monitor: Afghanistan, http://www.icnl.org/research/monitor/afghanistan.html, Zugriff 22.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

9. Ombudsmann

Im Rahmen der Menschenrechtsarbeit von EUPOL (European Union Police Mission in Afghanistan) konzentriert sich diese auf die Unterstützung des Innenministeriums und der unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC), indem sie Mechanismen der internen und externen Aufsicht stärkt und entwickelt. Im Jahr 2010 initiierte EUPOL einen Dialog über die Errichtung eines unabhängigen afghanischen Polizei-Ombudsmanns als externen Aufsichtsmechanismus für Menschrechtsverletzungen der Polizei (EUPOL 8.12.2010).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    EUPOL - European Union Police Mission in Afghanistan (8.12.2010):
    EUPOL Afghanistan improving the Human Right standards within Afghan National Police,
http://www.eupol-afg.eu/pashto/sites/default/files/EUPOL%20Afghanistan%20improving%20the%20Human%20Right.pdf, Zugriff 20.10.2015

10. Wehrdienst

Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Mögliche Zwangsrekrutierungen bei der afghanischen Armee (oder Polizei) sind nicht auszuschließen. Da die erfolgreiche Anwerbung als Soldat oder Polizist für den überwiegend arbeitslosen Teil der jungen männlichen Bevölkerung aber eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich (AA 2.3.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

10.1. Wehrdienstverweigerung/Desertion

Man muss zwischen Desertion und unerlaubter Abwesenheit unterscheiden. Desertion bedeutet das Fliehen aus einer Kriegszone, während einer Militäroperation oder das Unterstützen des Feindes. Davon hätte es nur wenige Fälle in den vergangen Jahren gegeben. Logistische, familiäre und persönliche Probleme führen zu unerlaubter Abwesenheit. Die Soldaten kehren später wieder in ihre Stützpunkte zurück. Es gibt auch andere Gründe wie, wenn z.B. der Vater eines Soldaten stirbt, muss er eventuell die Verantwortung für die Familie übernehmen - wozu er dann auch berechtigt ist (Afghanistan Today 3.4.2011). Etwa 4.000 Soldaten verlassen monatlich die afghanischen Sicherheitskräfte (Washington Examiner 4.8.2015).

Die Hauptgründe der Abwesenheit von der ANDSF wird hauptsächlich folgenden Gründen zugeschrieben:

  • Strichaufzählung
    inadäquate Betreuung des Personals und niedrige Lebensqualität

  • Strichaufzählung
    alternative Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der ANDSF (UNDOD 6.2015)

  • Strichaufzählung
    schwache Führung und Personalmanagement (UNDOD 6.2015; vergleiche Washington Examiner 4.8.2015).

Das Problem der Abwesenheit in der ANA wird ebenso damit begründet, dass Soldaten oftmals nicht in ihrer Heimatprovinz dienen. Viele von ihnen müssen einen langen Reiseweg auf sich nehmen, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen und ihren Familien die Löhne geben zu können (CRS 15.10.2015). Diese "Deserteure" werden, schon aufgrund der sehr hohen Zahlen bei vorübergehenden Abwesenheiten, nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen (AA 6.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015). Auch kehren sie oftmals nach langer Abwesenheit aber wieder zur ANA zurück. Nachdem in den letzten Jahren fast jede Bezahlung der ANA elektronisch durchgeführt wurde, wurde dies nun erleichtert (CRS 15.10.2015).

Laut Verteidigungsministerium gibt es keine Strafe für Desertion. (NYT 27.6.2011).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
    Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    NYT - The New York Times (27.6.2011): Afghans build security, and hope to avoid Infiltrators,
http://www.nytimes.com/2011/06/28/world/asia/28infiltrate.html?pagewanted=all&_r=2&, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOD - US Department of Defense (6.2015): Report on Enhancing Security and Stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/June_1225_Report_Final.pdf, Zugriff 15.10.2015

  • Strichaufzählung
    Washington Examiner (4.8.2015): Afghans lose 4,000 soldiers per month, most going AWOL,
http://www.washingtonexaminer.com/afghans-lose-4000-soldiers-per-month-most-going-awol/article/2569559, Zugriff 20.10.2015

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Sie müssen landesweit weiterhin gegen große Widerstände in der konservativen Bevölkerung verteidigt werden. Insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt ist weitverbreitet; die Rechte von Frauen und Mädchen werden trotz fortschrittlicher Gesetzgebung nur unzureichend respektiert und umgesetzt (AA 6.11.2015).

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Ferner, hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 6.11.2015).

Als ein positives Signal wurde von Frauen- und Menschenrechtsgruppen gewertet, dass der ehemalige Präsident Karzai sich weigerte ein vom afghanischen Parlament erlassenes Gesetz zu unterzeichnen, welches Familienangehörigen eines Beschuldigten verbieten würde in strafrechtlichen Fällen auszusagen. Da ein Großteil gemeldeter Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt innerhalb der Familie geschehen, würde dies eine erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung erschweren und weiters, Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt, sowie jenen die Zwangsverheiratung und Kinderheirat ausgesetzt sind, Gerechtigkeit verwehren (AI 25.2.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/297302/434263_de.html, Zugriff 21.10.2015

12. Meinungs- und Pressefreiheit

In der afghanischen Verfassung ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Artikel 34 verankert (USDOS 25.6.2015; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004), jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung in unterschiedlichen Maßen eingeschränkt (USDOS 25.6.2015). Die Freiheiten sind grundsätzlich - vor allem im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht (AA 6.11.2015)

Afghanistan konnte sich auch dieses Mal, im Rahmen des World Press Freedom Index, um sechs Plätze verbessern und landete auf Platz 122 von 180 Ländern (RSF 12.2.2015; vergleiche AA 2.3.2015). In den vergangenen Jahren galt die afghanische Medienlandschaft als Vorzeigesektor: diversifiziert, unabhängig, im Wachstum- und Professionalisierungsprozess begriffen und von einem vergleichsweise liberalen rechtlichen Rahmenwerk gestützt. Dieses Bild muss differenziert werden. Während der Boomjahre 2007-12 sind mehr Medien entstanden als der afghanische Markt erhalten kann. Nur die größten Sender und die Kanäle lokaler Mäzene können dem wirtschaftlichen Druck standhalten. Sicherheitserwägungen, eine konservative Medienpolitik und religiöse Forderungen schränken die Medienfreiheit ein. Zugleich übernehmen afghanische Medienvertreter zunehmend politische Verantwortung und gehen bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern (AA 6.11.2015).

Während das Afghan Journalists Safety Committee aber von einem Rückgang der Bedrohungen und Einschüchterungen von Journalistinnen und Journalisten im ersten Halbjahr 2015 um 43 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum berichtet (AA 6.11.2015). Berichtet wiederum Amnesty International, dass sich die Zahl der getöteten Journalist/innen im Jahr 2014 um 50% und die Zahl der Angriffe um 60% im ersten Halbjahr 2014 im Vergleich zum Jahr 2013. Laut dem Überwachungsbeauftragten für afghanische Medien - NAI - wurden 20 Journalist/innen verletzt und sieben getötet (AI 25.2.2015).

Das Auswärtige Amt zählte von Januar bis Juli 2015 zählte es 39 Fälle von Gewalt gegen Journalisten, darunter einen Mord. Bessere Beziehungen zwischen den Journalisten und den die Medien unterstützenden Organisationen, aber auch die Unterstützung der Regierung für Journalisten und die Meinungsfreiheit sollen zu diesem Rückgang beigetragen haben (AA 6.11.2015).

Die internationale Gemeinschaft und lokale Medienorganisationen haben sich in der letzten Dekade für unterstützende Programme eingesetzt, deren Ziel es ist einen ernsten unabhängigen Mediensektor zu entwickeln - und waren auch relativ erfolgreich damit. Jedoch wird befürchtet, dass der Truppenabzug möglicherweise negative Auswirkungen auf ausländische Finanzierung von Medienprojekten hat und auch die allgemeine wirtschaftliche Lage in Afghanistan eine Rolle bei der Finanzierung spielt (FH 28.4.2015).

Amnesty International berichtet davon, dass die afghanische Regierung es verabsäumt hat, in Zusammenhang mit Angriffen auf Journalist/innen oder Mediaschaffende, die ihr Recht auf freieNächster Suchbegriff Meinungsfreiheit friedlich ausübten, adäquate Untersuchungen durchzuführen und Täter strafrechtlich zu verfolgen (AI 25.2.2015). Trotz Hindernissen publizierten Printmedien unabhängig Magazine, Newsletter und Zeitungen, jedoch war die Reichweite gering. Eine Vielzahl an Leitartikeln und Tageszeitungen kritisieren offen die Regierung. Aufgrund des hohen Grades an Analphabetentum, bevorzugen die meisten Bürger/innen Fernsehen oder Radio gegenüber Printmedien. Das Radio bleibt aufgrund der Zugänglichkeit weiterhin weitverbreitet In Afghanistan existieren 350 Fernseh- und Radiostationen (USDOS 25.6.2015).

Medienvielfalt und -freiheit sind in Kabul deutlich höher als anderswo im Land, aber manche lokale Älteste und Warlords üben gegenüber unabhängigen Medien in ihren Gegenden nur begrenzte Toleranz aus. Dutzende private Radiostationen und mehrere private Fernsehstationen sind derzeit in Betrieb, die eine Vielzahl von Ansichten verbreiten und oft auch die Regierung kritisieren (FH 28.4.2015).

Inzwischen wurde das lange von der Zivilgesellschaft und Medienvertretern eingeforderte Gesetz zum Zugang zu Informationen verabschiedet. Eine Gruppe von 35 Medienvertretern hat 2013 zudem einen Verhaltenskodex für Journalistinnen und Journalisten erarbeitet. Dieser soll die Achtung von Persönlichkeitsrechten stärken, ohne Medienfreiheit einzuschränken. Darin werden Grundregeln gegen Verleumdung, für gute Recherchearbeit und zum Opferschutz, etwa nach Anschlägen, aufgestellt (AA 6.11.2015; AA 2.3.2015).

Internet und Mobiltelefone:

Analphabetentum und schwache Infrastruktur haben gleichermaßen die Interverbreitung gebremst. Nur 6% der Bevölkerung haben das Internet im Jahr 2014 benutzt. Aber sowohl die Verwendung als auch die Wichtigkeit von "social Media" und Blogs nehmen zu, besonders bei städtischen Jugendlichen. Aus 100 Personen waren etwa 75 Mobiltelefonteilnehmer/innen im Jahr 2014. Schrittweise Verbesserungen an den Mobilfunknetzen und fallende Preise haben einen Bürgerjournalismus unterstützt (FH 28.4.2015).

Internetseiten mit nach afghanischem Verständnis unmoralischen oder pornographischen Inhalten sind gesperrt. Darunter fallen tatsächlich pornographische Seiten ebenso wie Webangebote für homo-, bi-, inter- oder transsexuelle User und Kennenlernportale bis hin zu Verkaufsseiten mit Weinangebot (AA 6.11.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/297302/434263_de.html, Zugriff 21.10.2015

  • Strichaufzählung
    FH - Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/311145/449187_de.html, Zugriff 21.10.2015

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

  • Strichaufzählung
    RSF-Reporters Without Borders (12.2.2015): World Press Freedom Index 2015: decline on all fronts, http://en.rsf.org/world-press-freedom-index-2015-12-02-2015,47573.html , Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 13.10.2015

13. Versammlungsfreiheit

Die afghanische Verfassung garantiert das Recht der Versammlungsfreiheit (Artikel 36) (FH 28.4.2015; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004). Dennoch gibt es einige Restriktionen, die von Region zu Region unterschiedlich aufrechterhalten werden. Polizei und anderes Sicherheitspersonal wenden gelegentlich exzessive Gewalt gegen Demonstranten an (FH 28.4.2015).

Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet. Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder auch für die Gewährleistung von Frauenrechten, z.B. nach dem Lynchmord an einer jungen Frau durch einen Mob im März 2015. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich (AA 6.11.2015). Die Kundgebungen verlaufen aber in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber bisweilen oder werden von Einzelpersonen gezielt dazu genutzt, gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten (AA 2.3.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    FH - Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/311145/449187_de.html, Zugriff 21.10.2015

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 30.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 13.10.2015

13.1. Vereinigungsfreiheit

Die afghanische Verfassung erlaubt in Artikel 35, die Gründung von Vereinen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Gemäß entsprechendem Gesetz von 2009 müssen sich politische Parteien beim Justizministerium registrieren. (AA 6.11.2015 vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004). In den letzten Jahren wurden die Anforderungen zur Registrierung erhöht: So muss eine Partei mindestens 10.000 Mitglieder vorweisen und lokale Büros in mindestens 20 Provinzen eröffnen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Konsequenzen in Bezug auf Nichteinhaltung dieser Vorschriften bekannt. Ferner dürfen afghanische Parteien und Organisationen nicht von ausländischen Parteien oder ausländischer Finanzierung abhängen (AA 6.11.2015).

Die afghanische Verfassung des Jahres 2004 garantiert das Vereinigungsrecht, welches auch politische Parteien erlaubt, solange sie nicht militärische oder paramilitärische Strukturen aufweisen (AGMRT 7.3.2013; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004). Ebenso dürfen sie nicht gegen die "Prinzipien des Islams" verstoßen (AGMRT 7.3.2013; vergleiche AA 2.3.2015). Parteien basierend auf ethnischer und regionaler Zugehörigkeit, Sprache oder Konfession waren ebenfalls erlaubt (AGMRT 7.3.2013; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004).

Mit Stand Februar 2015 sind beim afghanischen Justizministerium

5.350 Vereinigungen registriert (ICNL 25.2.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AGMRT- Australian Government Migration Review Tribunal (7.3.2013):
    Afghanistan: Political Parties and Insurgent Groups 2001-2013, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1369733768_ppig2.pdf, Zugriff 14.1.2016

  • Strichaufzählung
    ICNL - The International Center for Not-for-profit-Law (25.2.2015): NGO Law Monitor: Afghanistan, http://www.icnl.org/research/monitor/afghanistan.html, Zugriff 22.10.2015

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 14.1.2016

13.2. Opposition

Ehemalige Kommunisten versuchen in der Regel ihre Vergangenheit zu verbergen. Viele von ihnen sind allerdings weiterhin in der afghanischen Politik aktiv. Zu ihren Überzeugungen bekennen sie sich in der breiten Öffentlichkeit ebenso wenig wie säkular-demokratisch denkende Politiker. Im Parlament stellen säkulare Kräfte eine Minderheit dar (AA 6.11.205; vergleiche AA 2.3.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

14. Haftbedingungen

Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das "General Directorate of Prisons and Detention Centers" (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MoI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse, sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MoI und das "Juvenile Rehabilitation Directorate" (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die Afghan National Police (ANP) unter dem Innenministerium und dem National Directorate of Security (NDS), ist verantwortlich für Kurzzeit-Haftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die Nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki (USDOS 25.6.2015).

Aus dem Bericht der UNAMA, dem eine fast zweijährige Studie (1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014) in 221 Anstalten in 28 verschieden Provinzen Afghanistans vorrausgegangen war, geht hervor, dass allgemein die Zahl der interviewten Häftlinge, die misshandelt bzw. gefoltert wurden, um 14% niedriger ist als im Vergleichszeitraum (Oktober 2011 bis Dezember 2013). Von den 790 befragten Häftlingen gaben 278 an misshandelt oder gefoltert worden zu sein, was in etwa 35% entspricht. Ebenso wurde berichtet, dass Vertreter/innen des NDS und des MoI mit UNAMA kooperierten und Zugang zu den Häftlingen und den Anstalten in dem Berichtszeitraum gewährt wurde (UNAMA 2.2015).

Folter wird hauptsächlich verwendet um ein Geständnis oder Informationen zu erhalten (OHCHR 8.1.2015; vergleiche UNAMA 2.2015).

Es gibt Berichte über harte und manchmal lebensbedrohliche Bedingungen und Misshandlungen in öffentlichen Haftanstalten (USDOS 25.6.2015). Die afghanische Regierung signalisierte mit dem Präsidialdektret Nr. 129 und anderen Maßnahmen Folter und Misshandlungen entgegenzutreten (UNAMA 2.2015). Berichten zufolge gab es von Mitgliedern der ANSF privat geführte Gefängnisse, die dazu verwendet wurden, um Misshandlung und Folter an Häftlingen durchzuführen (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    OHCHR - United Nations High Commissioner for Human Rights (8.1.2015): Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights on the situation of human rights in Afghanistan and on the achievements of technical assistance in the field of human rights in 2014, ,
http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&frm=1&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0CBsQFjAAahUKEwjwheDf-NDIAhXDliwKHY2mCcg&url=http%3A%2F%2Fwww.ohchr.org%2FEN%2FHRBodies%2FHRC%2FRegularSessions%2FSession28%2FDocuments%2FA_HRC_28_48_en.doc&usg=AFQjCNH4DwVIyTtou8DN6mOOJdtWHiT1Dg&bvm=bv.105454873,d.bGg, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (2.2015):
Update on the Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody:Accountability and Implementation of Presidential Decree 129 http://www.ohchr.org/Documents/Countries/AF/UNAMA_OHCHR_Detention_Report_Feb2015.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 13.10.2015

15. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahre 1992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Deliktarten einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffattentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale Integrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster Zeit nicht beachtet. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen "Delikten" (z.B. Blasphemie, Apostasie) (AA 6.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015), . Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt. In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung.Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 6.11.2015)

Im September 2014 ordnete der aus dem Amt scheidende Präsident Karsai - offiziell erstmalig wieder seit 2012 - die Hinrichtung von zum Tode verurteilten Straftätern an (AA 6.11.2015). Im Oktober 2014 wurden sechs zum Tode verurteilte Männer gehängt. Unter ihnen befanden sich fünf Sexualstraftäter, die bei einer Gruppenvergewaltigung vier Frauen vergewaltigt hatten, sowie der Anführer eines Entführungsnetzwerkes (NZZ 8.10.2014; vergleiche AI 25.2.2015 und ICOMDP 21.10.2014). Dies stieß auf internationale Kritik (ICOMDP 21.10.2014; vergleiche AI 8.10.2015 und AA 2.3.2015). Präsident Ghani hat sich informell bereits positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert (AA 6.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015). Ferner ordnete Präsident Ghani die Überprüfung von etwa 400 Todesstrafe Fällen an (AI 25.2.2015).

Nach Angaben der Zentralabteilung für Gefängnisse waren im Mai 2014 128 Personen landesweit zum Tode verurteilt. Diese Angaben müssen angezweifelt werden, da im Jahre 2010 noch doppelt so viele Personen verurteilt wurden. Die Zahlen könnten jedoch auch durch Begnadigungen oder außergerichtliche Lösungen einschließlich Bestechungszahlungen zurückgegangen sein. Nach inoffiziellen Angaben der Generalstaatsanwaltschaft befinden sich angeblich 375 zum Tode verurteilte Personen in den Haftanstalten (AA 2.3.2015).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15,
https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/afghanistan/report-afghanistan/, Zugriff 22.10.2015

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    AI - Amnesty International (8.10.2014): Afghanistan: Execution of five men an affront to justice, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2014/10/afghanistan-execution-five-men-affront-justice/, Zugriff 22.10.2015

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    ICOMDP - International Commission against Death Penalty (21.10.2014): Open Letter by the International Commission against the Death Penalty to President of Afghanistan, Dr. Ashraf Ghani Ahmadzai,
http://www.icomdp.org/cms/wp-content/uploads/2014/10/ICDP-Open-Letter-Afghanistan-October-2014.pdf, Zugriff 22.10.2015

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    NZZ - Neue Züricher Zeitung (8.10.2014): Umstrittene Todesstrafen in Afghanistan,
http://www.nzz.ch/international/umstrittene-todesstrafen-in-afghanistan-1.18399777, Zugriff 22.10.2015

16. Religionsfreiheit

80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (The CIA World Factbook 20.10.2015). Es lebt offiziell noch ein Jude in Afghanistan, der sich um die verwaiste Synagoge kümmert (AA 16.11.2015).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3, der Verfassung) zu verstehen (AA 16.11.2015; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die Vorheriger SuchbegrifffreieNächster Suchbegriff Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 16.11..2015).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 28.4.2015).

Angaben eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul berichtete, dass entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, Hazara keiner gezoelten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach "unislamische" Aktivitäten setzen (USCIRF 30.4.2015).

Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 6.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014; vergleiche USDOS 14.10.2015; vergleiche USDOS 26.5.2015).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, waren sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen war nicht systematisch (USDOS 14.10.2015). Im Mai 2014 zum Beispiel trat Sham Lal Bathija als erster Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada an (RFERL 15.5.2014). Im März übergab er formell diese Position an seinen Nachfolger Dawood Qayomi (Afghan Embassy 18.3.2015). Sham Lal Bathija war bereits in der Vergangenheit als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AA - Auswärtiges Amt (31.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    The New Indian Express (16.5.2012): 'I greeted Manmohan, and he was delighted',
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    Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

16.1. Schiiten

Etwa 19% der Bevölkerung sind schiitische Muslime und damit die größte religiöse Minderheit des Landes. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an (USCIRF 30.4.2015). Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 16.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015).

Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Während des Untersuchungszeitraumes war es schiitischen Muslim/innen allgemein möglich ihre traditionelle Ashura Feierlichkeiten und Rituale, ohne Hindernisse, öffentlich durchzuführen (USCIRF 30.4.2015; vergleiche FH 28.4.2015). Trotzdem ist die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert (USDOS 28.7.2014). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013; vergleiche AA 2.3.2015; vergleiche AA 16.11.2015). Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf. Im Jahr 2015 verlief das Aschura-Fest in Afghanistan friedlich (AA 16.11.2015).

Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 14.10.2015). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (USDOS 25.6.2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 3.2014).

Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5% der Bevölkerung aus (USDOS 28.7.2014; vergleiche -CRS 12.1.2015). Es gibt wenige Berichte in Bezug auf gezielte Diskriminierung gegen Ismailiten (USDOS 25.6.2015). Auch unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschwerten sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 14.10.2015).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:
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  • Strichaufzählung
    Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

16.2. Christen und Konversionen zum Christentum

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 16.11.2015). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen. Sie beträgt aber wohl weniger als ein Prozent der Bevölkerung (AA 2.3.2015; vergleiche USDOS 14.10.2015 und AA 16.11.2015). Die christliche Gemeinde zählt 2.000 - 3.000 Personen (USDOS 28.7.2014).

Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, das mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 2.3.2015; vergleiche USDOS 28.7.2014); sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 28.7.2014). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 2.3.2015; vergleiche AA 16.11.2015).

Aus Angst vor Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung und Tod, bekennen sich Christen nicht öffentlich zu ihrem Glauben und versammeln sich nicht offen um zu beten (USDOS 28.7.2014). Gefahr droht Konvertiten oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Repressionen gegen Konvertiten sind in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Jedoch ist die gesellschaftliche Einstellung zu konvertierten Christen weitgehend feindlich geprägt. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 2.3.2015).

Berichten zufolge, gab es keine Informationen über Verhaftungen von Christen, jedoch sind viele von ihnen nach Indien ausgewandert (USCIRF 30.4.2015). Ferner gab es keine Berichte zu Belästigungen von Christ/innen, noch von Konversionen zum Christentum. Die kleine christliche Gemeinde blieb im Untergrund, vermutlich aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung (USDOS 14.10.2015). Die einzige bekannte Kirche im Land operiert auch weiterhin auf dem Gelände der italienischen Botschaft (USCIRF 30.4.2015; vergleiche AA 2.3.2015).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen mehr gibt. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NROs) abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen.

Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u. a. in verschiedenen Botschaften sowie auf den RS-Geländen statt (AA 16.11.2015). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vergleiche BBC 15.10.2014).

Berichten zufolge gibt es ein christliches Spital in Kabul (NYP 24.4.2014; vergleiche CNN 24.4.2014).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    BBC (15.10.2014): Afghanistan first lady Rula Ghani moves into the limelight, http://www.bbc.com/news/world-asia-29601045, Zugriff 23.10.2015

  • Strichaufzählung
    CNN (24.4.2014): Afghanistan Violence, http://edition.cnn.com/2014/04/24/world/asia/afghanistan-violence/, Zugriff 23.10.2015

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    The Voice of the Martyrs Canada (05.04.2012): Christianity growing, https://www.vomcanada.com/af-2012-04-05.htm, Zugriff 23.10.2015

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    NPR - National Public Radio (19.2.2015): For The First Time, An Afghan First Lady Steps Into The Spotlight, http://www.npr.org/sections/parallels/2015/02/19/386950128/for-the-first-time-an-afghan-first-lady-steps-into-the-spotlight, Zugriff 23.10.2015

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    NYP - The New York Post (24.4.2014):
    http://nypost.com/2014/04/24/3-foreigners-killed-in-attack-at-afghan-hospital/, 23.10.2015

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16.3. Sikhs/Hindus

Es wird angenommen, dass Sikhs vor etwa 200 Jahren nach Afghanistan gekommen sind. Bis 1992 stieg ihre Zahl auf bis zu 50.000, wobei sie sich vor allem in Jalalabad, Kabul, Kandahar und Ghazni ansiedelten. Aber jahrzehntelange Instabilität und Intoleranz haben Emigrationswellen verstärkt und dabei die Gemeinschaft landesweit reduziert (RAWA 17.6.2013). Der Vizepräsidenten des Sikh- und Hindurates in Afghanistan gibt an, dass nur noch ein paar tausend Sikhs in Afghanistan übrig sind (RAWA 19.8.2014). Führer der religiösen Minderheiten schätzen, dass etwa 600 Sikh-Familien und Hindu-Familien in Afghanistan leben, gemeinsam werden sie auf etwa 3.000 Personen geschätzt. Des Weiteren gaben diese Führer an, dass 700 Personen von den Sikhs und Hindus während des Jahres nach Europa oder anderswohin migriert waren (USDOS 14.10.2015).

Kremation:

In den vergangenen Jahren, gaben Hindus und Sikhs an, dass es ihnen aufgrund von Anrainer/innen die in der Nähe des Krematoriums wohnten nicht möglich war, ihre Toten im Rahmen ihrer Traditionen zu verbrennen.. Obwohl die Regierung aufgrund der Intervention eines Sikh-Senators das Land für eben diesen Zweck zur Verfügung gestellt hat, gab es Beschwerden durch Sikhs, dass das Land zu weit entfernt lag und sich als unbrauchbar erwies. Außerdem bemächtigte sich angeblich ein Parlamentsmitglied dieses Landes, das der Sikh-Gemeinschaft in Lut-o Band, außerhalb von Kabul, gehörte und drohte mit dem Umbringen eines jeden, der versuchen würde dort einen Körper zu verbrennen. Während des Berichtszeitraumes, bestimmte die Regierung einen Kremationsort innerhalb der Stadt und stellte der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft polizeiliche Unterstützung zur Verfügung, während sie ihre Rituale durchführten (USDOS 14.10.2015).

Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 25.6.2015). Der Sitz im Parlament wird zurzeit durch eine Frau eingenommen (AA 16.11.2015). Mindestens zwei Sikh hatten Regierungsposten inne (USDOS 14.10.2015; vergleiche USCIRF 30.4.2015). Die Sikhführer gaben an, dass es ihnen an politischer Repräsentation mangelt und dass es den meisten Afghanen nicht möglich war zwischen einem Hindu und Sikh, trotz ihrer signifikanten religiösen Unterschiede, zu differenzieren (USDOS 14.10.2015).

USCIRF geht davon aus, dass sich die Situation der afghanischen Sikh- und Hindu-Gemeinschaft seit dem Sturz des Taliban-Regimes verbesserte: Es ist den Sikhs und Hindus erlaubt, ihren Glauben zu leben. Auch haben sie Orte, an denen sie öffentlich ihren Gottesdienst verrichten (USCIRF 30.4.2013). Jedoch ist die lokale Hindu- und Sikhpopulation, obwohl es ihr erlaubt ist, ihren Glauben öffentlich zu praktizieren, Belästigung und manchmal auch Gewalt ausgesetzt (USCIRF 30.4.2015).

Berichten zufolge zeigten sich Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft besorgt über Landstreitigkeiten. Sie ziehen es vor, aus Angst vor Vergeltung, Entschädigungen nicht durch Gerichte einzuklagen, speziell auch dann, wenn mächtige lokale Führer ihre Grundstücke besetzen. Mitglieder der beiden Gemeinden gaben an, dass sie allgemein ihre Fälle nicht an ein ziviles Gericht herantragen, sondern es vorziehen ihre Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde zu lösen. Sikhs und Hindus haben die Möglichkeit sich an Schlichtungsstellen wie z.B. das Spezialgericht für Land- und Besitzfragen ("Special Land and Property Court") zu wenden, jedoch fühlen sie sich Berichten zufolge ungeschützt (USDOS 25.6.2015).

Die Regierung reagierte auf die vorrangegangenen Beschwerden bezüglich des Stroms, der für Moscheen gratis zur Verfügung gestellt wurde. Da weder Tempel (Gurdwaras) der Sikh-Gemeinde, noch Tempel (Mandirs) der Hindu-Gemeinde gratis Strom erhielten, segnete die Regierung eine Vorschrift ab, die gratis Strom für Mandirs und Gurdwaras zur Verfügung stellt (USDOS 14.10.2015). Es gibt zwei aktive Gurdwaras (Glaubensstätten der Sikhs) in Kabul und neun in anderen Teilen des Landes (USDOS 28.7.2014; vergleiche USDOS 14.10.2015).

Es gibt noch vier hinduistische Mandirs (Tempel) in drei Städten:

zwei in Kabul einen in Jalalabad und einen in Helmand (USDOS 28.7.2014).

Es gibt von der Regierung unterstützte Schulen für Sikhs in Kabul und Nangarhar. Obwohl mehr als ein Viertel der Sikh-Bevölkerung in Jalalabad lebt, gibt es dort keine Schule für sie. Die Regierung unterstützt durch begrenzte Finanzierung Schulen der Sikhs, inklusive Lehrer/innen für den Grundschullehrplan. Einige Kinder von Sikhs besuchen internationale Privatschulen. Hindus haben keine eigenen Schulen, senden ihre Kinder aber manchmal in Sikh-Schulen (USDOS 28.7.2014).

Quellen:

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    USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/313345/451609_de.html, Zugriff 23.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

16.4. Baha¿i/Juden

Anhänger/innen des Baha'i-Glaubens praktizieren seit ungefähr 150 Jahren ihren Glauben in Afghanistan. Die Gemeinschaft ist hauptsächlich in Kabul und mit wenigen Baha'is in Kandahar vertreten. Es gibt keine klaren Zahlen über die Mitglieder der Baha'i-Gemeinschaft, da sie ihren Glauben nicht öffentlich praktizieren (USDOS 14.10.2015). Schätzungen zufolge besteht die Baha'i-Gemeinschaft aus etwa 2.000 Personen (USDOS 28.7.2014).

Im Jahr 1966 entstand die erste Baha¿i-Gemeinde in Kabul. Viele ihrer Anhänger wurden während der Taliban-Herrschaft verhaftet oder mussten das Land verlassen. Inzwischen sind einige von ihnen nach Afghanistan zurückgekehrt. Offizielle Zahlen gibt es nicht, inoffiziell wird von 400 Baha¿i in Kabul bzw. 4.500 landesweit ausgegangen (AA 16.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015).

Im Mai 2007 befand das Generaldirektorat für Fatwas, dass der Glaube der Baha'i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie ist. Auch wurden alle Muslime, die zum Baha'i-Glauben konvertieren zu Abtrünnigen erklärt (USDOS 14.10.2015; vergleiche AA 2.3.2015). Die Bahai-Gemeinde hat angegeben, dass sie legal diskriminiert werden, speziell in Bezug auf Fragen betreffend der Ehen zwischen Bahai Frauen und muslimischen Männern (USDOS 14.10.2015).

Es gibt einen jüdischen Bürger in Afghanistan (USDOS 14.10.2015) und keine Berichte zu antisemitischen Handlungen (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/313345/451609_de.html, Zugriff 23.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (28.7.2014): International Religious Freedom Report for 2013, http://www.refworld.org/docid/53d907b814.html, Zugriff 27.10.2015

17. Ethnische Minderheiten

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Artikel 16,) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004).

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42%-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.1.2015). wie z.B. Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Balutschen 2% und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.6.2014).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.6.2015).

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.6.2015). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014; vergleiche GIZ 10.2015). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index,
http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.9.2015

  • Strichaufzählung
    CIA - Central Intelligence Agency (24.6.2014): The World Factbook Afghanistan,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html Zugriff 11.9.2014

  • Strichaufzählung
    CIA - Central Intelligence Agency (20.10.2015): The World Factbook: Afghanistan,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 22.10.2015

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    CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:
Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

  • Strichaufzählung
    DW - Deutsche Welle (26.4.2014): Abdullah ist keine Integrationsfigur für Afghanistan, http://www.dw.de/abdullah-ist-keine-integrationsfigur-f%C3%BCr-afghanistan/a-17593741, Zugriff 11.9.2014

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    GIZ (10.2015): Afghanistan,
http://liportal.giz.de/afghanistan/gesellschaft/, Zugriff 27.10.2015

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 27.10.2015

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

17.1. Tadschiken

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie macht etwa 25% der Bevölkerung in Afghanistan aus (CRS 12.1.2015).

Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition ist Dr. Abdullah Abdullah (CRS 12.1.2015., dessen Mutter eine Tadschikin ist und sein Vater Pashtune. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er auch ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Er ist mittlerweile der "Chief Executive Officer" in Afghanistan und sollte den Posten des Premierministers im Jahr 2016 annehmen (CRS 12.1.2015). Der im März 2014 verstorbene Vizepräsident Muhammad Fahim, war Tadschike, wie auch sein Nachfolger, der ehemalige Sprecher des Unterhauses Yunus Qanooni. Der Verteidigungsminister Bismillah Khan Mohammedi ist ebenfalls ein Tadschike. Die Tadschiken sind der Kern der "Nordallianz (CRS 12.1.2015).

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index,
http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.2015

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    CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:
Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

17.2. Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 2.3.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.6.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015).

Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.1.2015).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (31.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index,
http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.2015

  • Strichaufzählung
    CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:
Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

17.3. Usbeken

Die usbekische Minderheit macht etwa 10% der afghanischen Bevölkerung aus. Die Usbeken gehören dem sunnitischen Islam an und sprechen eine Sprache, die dem Türkischen ähnlich ist. Die meisten von ihnen sprechen aber auch Dari. Der wohl berühmteste Führer der Usbeken ist Abdul Rashid Dostam (CRS 12.1.2015). Er ist der Anführer der usbekischen Milizen, der Junbush-Melli auch "National Islamic Movement of Afghanistan" genannt. Er kämpfte Anfang der 90er Jahre zuerst gegen die Regierung und schloss sich später der Nordallianz im Kampf gegen die Taliban an (CRS 15.10.2015). Er ist mittlerweile der erste Vizepräsident Afghanistans (NYT 18.3.2016).

Die usbekische Minderheit ist im nationalen Durchschnitt mit etwa 8% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index,
http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.2015

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    CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:
Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

  • Strichaufzählung
    NYT - The New York Times (18.3.2015): Afghan First Vice President, an Ex-Warlord, Fumes on the Sidelines, http://www.nytimes.com/2015/03/19/world/asia/afghan-first-vice-president-an-ex-warlord-fumes-on-the-sidelines.html?_r=0, Zugriff 14.1.2016

17.4. Kutschi

Die ca. 1,5 Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu Diskriminierungen dieser Gruppe, da sie auf Grund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten. Nomaden werden öfter als andere Gruppen auf bloßen Verdacht hin einer Straftat bezichtigt und verhaftet, sind aber oft auch rasch wieder auf freiem Fuß. Angehörige der Nomadenstämme sind auf Grund bürokratischer Hindernisse dem Risiko der (faktischen) Staatenlosigkeit ausgesetzt. Die Verfassung sieht vor, dass der Staat Maßnahmen für die Verbesserung der Lebensgrundlagen von Nomaden ergreift. Einzelne Kutschi sind als Parlamentsabgeordnete oder durch politische und administrative Ämter Teil der Führungselite Afghanistans (AA 16.11.2015)

Die Verfassung sieht vor, dass 10 Sitze im Unterhaus der Nationalversammlung für die Kutschi-Minderheit reserviert sind. Auch sollen laut Verfassung vom Präsidenten zwei Kutschis zu Mitgliedern für das Oberhaus ernannt werden (USDOS 25.6.2015; vergleiche CRS 12.1.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges AMT (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan:
    Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

  • Strichaufzählung
    CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:
    Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

18. Frauen

Während sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat, bleibt die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 6.11.2015). Es steht außer Frage, dass ein gewisser Fortschritt gemacht wurde, gemeinsam mit Verbesserungen in Richtung Gleichheit. Jedoch waren die Verbesserungen diesbezüglich bescheidener, als ursprünglich erhofft (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen waren auch weiterhin gegeben, teils aufgrund des Wiederauflebens der Tailban und teils aufgrund des großen Einflusses religiöser Traditionalisten. Im November 2014 teilte Präsident Ghani den Mitgliedern der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC) mit, dass sie die Performance seiner Regierung hinsichtlich Menschenrechtsreformen beobachten können und er versprach, Frauenrechte zu fördern. Frauen, die danach streben sich ins öffentliche Leben einzubringen, werden oftmals als "sittenwidrig" verurteilt und gezielt eingeschüchtert, belästigt und es wird ihnen Gewalt angedroht. Nichtsdestotrotz hat Rula Ghani, die Frau des Präsidenten, eine sichtbare Rolle während der Kampagne geführt. Drei Frauen wurden für das Kabinett der Einheitsregierung mit 27 Mitgliedern vorgeschlagen. Zwei der drei nominierten Frauen wurden vom CEO Abdullah ausgewählt und eine vom Präsidenten (USCIRF 30.4.2015). Die Ehefrau des Präsidenten ist eine libanesische Christin (NZZ 8.7.2014).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistan verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht wurde durch die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 erreicht (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Die politische Partizipation von Frauen ist in ihren Grundstrukturen rechtlich verankert und hat sich auf diesem Wege deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor (AA 6.11.2015): Für Frauen sind per Verfassung 68 der 249 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 25.6.2015). Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2010 wurden 69 Frauen gewählt, eine mehr als die Quote vorsieht. Etwa 400 Frauen bewarben sich für die Sitze, was in etwa 16% aller Kandidat/innen ausmacht (CRS 12.1.2015). Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus werden vom Präsidenten vergeben (USDOS 25.6.2015); 17 dieser Sitze sind für Frauen vorgesehen. Derzeit haben Frauen insgesamt 28 Sitze inne (CRS 12.1.2015).

Die im September 2015 von Präsident Ghani initiierten Wahlreformen sehen Frauenquoten von 25 Prozent für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit 4 Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 6.11.2015).

Bildung

Afghanistan illustriert, wie ein Land, das aus einem jahrzehntelangen Krieg heraustritt und in einem andauernden Stadium des Konflikts ist, einen Willen besitzt - gemeinsam mit Gebern - Bildung Priorität einzuräumen. Es ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung von Zugang und Teilnahme an Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Denn Bildung für Frauen ist ein Recht, das den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt wurde (BFA Staatendokumentation 3.2014). Zum Beispiel hat das afghanische Bildungsministerium gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 13.000 Schulen errichtet (USAID 28.9.2015; vergleiche USAID 7.2014).

In Bezug auf Vorheriger SuchbegrifffreieNächster Suchbegriff und verpflichtende Bildung besagt Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes, das mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend ist. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004). Weiters ist der Staat verpflichtet, zur gleichmäßigen Verbreitung der Bildung in ganz Afghanistan und zur Sicherung der obligatorischen mittleren Schulbildung effektive Programme zu entwickeln und zu verwirklichen (Max Planck Institut 27.1.2004; vergleiche BFA Staatendokumentation 3.2014).

Im Jahr 2013 betrug die Zahl aller Schüler, die in unterschiedlichen Arten formaler Bildung eingeschrieben waren etwa 8,35 Millionen, davon waren 39% weiblich. Im Jahr 2013 betrug die Zahl der Lehrer/innen 187.000 - davon 32% Frauen. Etwa 72% aller Lehrer sind weiblich, im Primärbereich sind es 17,4%. In vier Provinzen gab es 5% Lehrerinnen und in 80 der 364 Bezirke gab es gar keine Lehrerinnen (Education for Development 7.7.2015). In ländlichen Gegenden ist die Alphabetenrate dreimal niedriger als in urbanen Gebieten (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Berufstätigkeit

Obwohl Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft wesentliche Fortschritte gemacht haben, sind sie noch immer Strömungen des islamischen Konservativismus und einer Missbilligung durch das Herausfordern traditioneller Geschlechterrollen ausgesetzt (BFA Staatendokumentation 3.2014). In Afghanistan ist die Mobilität von Frauen ohne männliche Erlaubnis oder Begleitung durch soziale Traditionen eingeschränkt. Unbegleitete Frauen sind gemeinhin nicht gesellschaftlich akzeptiert (USDOS 25.6.2015; vergleiche AA 16.11.2015; BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Speziell in den ländlichen Gebieten ist die Mobilität außerhalb des Hauses aus kulturellen Gründen limitiert. Daher sind Frauen hauptsächlich in häusliche Aktivitäten involviert. Frauen, die im Haushalt oder der Landwirtschaft arbeiten, beteiligen sich unbezahlt am wirtschaftlichen Wohl des Haushalts. Die Betreuung von Nutztieren ist in Afghanistan traditionell Frauensache. Es existieren regionale Unterschiede vor allem zwischen Stadt und Land, wo ein Großteil der Bevölkerung bezahlt und unbezahlt im Haushalt arbeitet (BFA Staatendokumentation 3.2014). Gleichzeitig ist es für viele Frauen immer noch sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Vorheriger SuchbegriffBerufeNächster Suchbegriff zu ergreifen. Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 6.11.2015).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der weibliche Raum für Führung bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichheit werden auch weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als bloß symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Etwa 24.1% der Regierungsmitarbeiter/innen waren im Jahr 2013 Frauen, im Vergleichszeitraum 2012 waren es 21,1%. Arbeitende Frauen waren, Berichten zufolge, Schwierigkeiten ausgesetzt: sexuelle Belästigung, fehlende Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten davon, bedroht und misshandelt zu werden (USDOS 25.6.2015).

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u. a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden (AA 6.11.2015).

Die Rekrutierungsprogramme führten bereits zu einer zwar langsamen, aber stetigen Steigerung der Zahl der Mitarbeiterinnen in der ANP. Im Jahr 2005 waren von 53.400 ANP-Angehörigen noch 180 Frauen (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Insgesamt gab es mit Stand Juli 2014 2.074 Polizistinnen (USDOS 25.6.2015).

Obwohl die Chance im Kampf eingesetzt zu werden gering ist, werden die Frauen ausgebildet, um verschiedene Tätigkeiten in der Armee zu übernehmen. Speziell, wenn es um invasive Sicherheitsdurchsuchungen in privaten Häusern geht, sind viele Afghanen entspannter, wenn die Dursuchung von einer Frau durchgeführt wird, besonders wenn es um die Leibesvisitation einer Frau in einer Burqa geht (BFA Staatendokumentation 26.3.2014).

Strafverfolgung und Unterstützung

Obwohl weibliche Partizipation am öffentlichen Leben in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 drastisch gestiegen ist, sind die Fortschritte in manchen Bereichen, wie zum Beispiel dem Gesetz, langsam (IWPR 3.12.2015).

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 6.11.2015). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebenen Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 6.11.2015; vergleiche USDOS 25.6.2015 und The Guardian 11.5.2015). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 6.11.2015)

Im Justiz- und Polizeisektor bleiben Frauen weiterhin unterrepräsentiert. So stellen Richterinnen nur etwa 15 % der Richterschaft. Im Juli 2015 scheiterte der Versuch des Präsidenten, eine Richterin am Obersten Gerichtshof einzusetzen, an der Bestätigung der Kandidatin durch das Parlament (AA 6.11.2015).

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt (AA 16.11.2015; vergleiche The Guardian 11.5.2015). Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z.B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 6.11.2015).

Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 16.11.2015; vergleiche USDOS 25.6.2015):

Die erste EVAW-Einheit (Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 25.6.2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte auch weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten, die, mit Stand August 2014, mittlerweile in 18 Provinzen existieren. In anderen Provinzen wurden durch die Generalstaatsanwaltschaft den Staatsanwälten Fälle zur Behandlung weitergeleitet. Landesweit sind 283 Ermittler der sogenannten "Female Response Unit" in 33 der 34 Provinzen aktiv (USDOS 25.6.2015). Diese sind zum Großteil mit Polizistinnen besetzt, die Gewalt und Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Familien behandeln. Polizistinnen sind darauf trainiert Opfern häuslicher Gewalt zu helfen, jedoch werden sie durch Vorschriften behindert, die verlangen, dass man warten muss, bis sich das Opfer von selbst meldet. Frauen in der afghanischen Polizei und in zivilen Positionen im Innenministerium bieten Vermittlung und Ressourcen zur zukünftigen Vermeidung von häuslicher Gewalt an (USDOS 25.6.2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 2.7.2014).

Das Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen (EVAW - law) und Kontroversen

Die Streitigkeiten in Bezug auf das Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen (Elimination of Violence Against Women - EVAW) unterstreichen, was für ein Drahtseilakt die Verbesserung der rechtlichen Situation von Frauen in Afghanistan ist. Verabschiedet im Jahr 2009, ist es das erste Gesetz, das Gewalt gegen Frauen kriminalisiert (BFA Staatendokumentation 2.7.2014).

Das EVAW-Gesetz führt zum ersten Mal "Vergewaltigung" als kriminelles Vergehen im afghanischen Gesetz ein (BFA Staatendokumentation 2.7.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015). Es kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung oder Verprügelung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten es als unislamisch (USDOS 26.5.2015).

Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und demzufolge seine tatsächliche Anwendung ist jedoch begrenzt. Genauso wie seine allgemeine Bekanntheit, obwohl sich die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission - AIHRC), einzelne Gesetzesvollzugsorgane und die Zivilgesellschaft bemühen, diese zu steigern. Teile der Öffentlichkeit und religiöser Kreise erachten das Gesetz nämlich als unislamisch. Somit ist seine erfolgreiche und korrekte Umsetzung auch weiterhin mangelhaft (USDOS 25.6.2015). Laut Angaben von Human Rights Watch, war die Umsetzung des Gesetzes durch die ehemalige afghanische Regierung mangelhaft (HRW 23.3.2015). Eine Erklärung von Frauenrechtsaktivistinnen hierfür ist das Fehlen sozialer Legitimität. EVAW wurde nie vom afghanischen Parlament abgesegnet, sondern durch ein Präsidialdekret bewilligt. Laut Artikel 79 der Verfassung von 2004 ist das statthaft (ein Präsidialdekret ist rechtmäßig, außer es wird vom Parlament ausdrücklich abgelehnt). Auch viele andere Gesetze wurden bereits auf diesem Wege erlassen und sind weiterhin in Kraft (BFA Staatendokumentation 2.7.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015). Eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern steht weiterhin aus (AA 16.11.2015). Ferner wird die Abwesenheit von Polizistinnen in der afghanischen Nationalpolizei als Erschwernis gesehen, um das EVAW-Gesetz zu forcieren (HRW 23.3.2015). Wenn rechtliche Behörden sich des EVAW-Gesetzes und dessen Umsetzung jedoch bewusst waren, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten (USDOS 25.6.2015).

Im Juni 2015 repräsentierte die afghanische Regierung einen Nationalen Aktionsplan für die Jahre 2015 - 2022, der die Implementierung der UN Resolution 1325 betrifft (HRW 12.1.2016; vergleiche MfA 30.6.2015). Der Nationale Aktionsplan ist ein Mechanismus, der von vielen Ländern genutzt wird, um die Einhaltung im Sinne der Resolution 1325 zu fördern (HRW 12.1.2016). Übergeordnete Ziele der Resolution 1325 (aus dem Jahr 2000) des UN-Sicherheitsrats, sind die aktive Einbindung von Frauen in allen Phasen der Konfliktprävention und Konfliktbewältigung sowie der Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt und Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten (AA 18.9.2015; vergleiche UNSC 2000).

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt (AA 6.11.2015). Die AIHRC berichtet, dass mit Stand 1. August 2014, 1.250 Fälle von Gewalt an Frauen gemeldet wurden (USDOS 25.6.2015). Weitestgehend besteht Einigkeit darüber, dass die gestiegenen Zahlen im Wesentlichen darauf zurückzuführen sind, dass solche Straftaten vermehrt angezeigt werden. Die Erkenntnisse sind gleichzeitig bezeichnend für die immer noch mangelhafte Befassung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden:

nur 11,5% der Fälle wurden durch die formelle Justiz entschieden. 41% der Fälle wurden durch Mediation gelöst. Darunter fallen jedoch auch die Fälle (48%), in denen die Vorkommnisse von der Geschädigten nicht weiterverfolgt wurden (AA 6.11.2015).

Die AIHRC zeigte sich besorgt über die traditionelle und kulturelle Gewalt, wie Kinder- und Zwangsheirat, die Praxis des Frauenaustausches zur Konfliktschlichtung (baad), Zwangsisolation und Ehrenmorde, die auch weiterhin im Aufstieg begriffen zu sein scheinen. Es ist schwierig exakte Statistiken zu der Verbreitung von Gewalt an Frauen zu erhalten (USDOS 25.6.2015).

Ehrenmorde

Ehrenmorde werden an Frauen von einem - typischerweise männlichen - Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, bei "davonlaufen" vor Zwangsverheiratung oder Opfer eines sexuellen Übergriffs zu werden. (USDOS 25.6.2015).

Die AIHRC gab im November 2013 bekannt, in den vorangegangen zwei Jahren 240 Ehrenmorde registriert zu haben (BFA Staatendokumentation 2.7.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015). Die AIHRC gab in ihrem Bericht aus dem Jahre 2013 auch an, dass die Anzahl an Ehrenmorden und sexuellen Übergriffen sich in fast allen Teilen des Landes erhöht hat. Laut diesem Bericht werden 91% der Fälle, die an die AIHRC herangetragen werden, innerhalb eines Jahres an das Justizsystem weitergeleitet. Von diesen Fällen erachtete die AIHRC, dass die legalen Vorgehensweisen in 65% der Fälle "erfolgreich" waren (USDOS 25.6.2015).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (BFA Staatendokumentation 2.7.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung ihres Vaters oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist jedoch unzulässig (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Nichtsdestotrotz ist Kinderheirat in Afghanistan weiterhin üblich (BFA Staatendokumentation 2.7.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015).

Als letzten Ausweg, in Reaktion auf gegen Frauen gerichtete Gewalt und traditionelle Praktiken, laufen Frauen entweder von zu Hause weg (BFA Staatendokumentation 2.7.2014), oder verbrennen sich in drastischen Fällen sogar selbst (USDOS 25.6.2015; vergleiche BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Darüber hinaus geschieht es immer wieder, dass Frauen, die entweder eine Straftat zur Anzeige bringen oder aber von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, wegen sog. Sittenverbrechen wie z.B. "zina" (außerehelicher Geschlechtsverkehr) im Fall einer Vergewaltigung verhaftet oder wegen "Von-zu-Hause-Weglaufens" (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der "zina" gewertet) inhaftiert werden (AA6.11.2015).

Frauenhäuser

Frauen auf der Suche nach Hilfe in Fällen von häuslicher Gewalt, müssen dies oft außerhalb ihres Heimes und ihrer Gemeinschaft tun (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser (USDOS 25.6.2015). Frauen, denen es nicht möglich war mit ihren Familien wieder vereint zu werden oder wiederheiratet zu werden, waren dazu gezwungen für unbestimmte Zeit im Frauenhaus zu bleiben, da "unbegleitete" Frauen allgemein in der Gesellschaft nicht akzeptiert werden (USDOS 25.6.2015; vergleiche AA 6.11.2015). Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband (6.11.2015).

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösungsfindung für Frauen war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, dass das "Weglaufen von zu Hause" eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten sei. Des Weiteren wurden Frauen, die vergewaltigt wurden, von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 25.6.2015).

Es gibt Berichte, dass das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangiern, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 25.6.2015).

Medizinische Versorgung - Gynäkologie

Das Recht auf Familienplanung wird noch von recht wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, so nutzen jedoch nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 6.11.2015).

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 6.11.2015) und ist kulturell nicht akzeptiert (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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18.1. Kinder

Auch wenn die Menschenrechtssituation von Kindern insgesamt Anlass zur Sorge gibt, hat sich ihre Situation teilweise in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Während Mädchen unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren, machen sie von den heute ca. 8 Millionen Schulkindern rund 3 Millionen aus. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufen ab. Den geringsten Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Uruzgan, Zabul, Paktika und Helmand) (AA 16.11.2015).

Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, um das Gewaltpotenzial von Lehrern zu beobachten oder einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet Hilfestellung zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 16.11.2015).

Vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, aber nicht nur dort, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in weiten Teilen Afghanistans nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten ("Bacha Bazi", so genannte "Tanzjungen") verschwiegen und verharmlost (AA 16.11.2015; vergleiche USDOS 25.6.2015). Die afghanische Menschenrechtskommission AIHRC hat sich 2014 mit einer nationalen Studie des Themas angenommen. Die Befragung zeigt den weitverbreiteten Missbrauch von Jungen zwischen 10 und 18 Jahren. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Die Jungen werden oft von armen Familien verkauft, sexuell missbraucht, weiter gehandelt oder auch getötet. Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt. Das Thema wurde jüngst auch von internationalen Medien aufgenommen, als es zu Vorwürfen gegen die US-Armee kam, den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in den ANDSF bewusst geduldet zu haben (AA 16.11.2015).

Das von der AIHRC geleitete Komitee zum Thema Bacha Bazi, reichte beim Justizministerium einen Gesetztesentwurf ein, um diese Praxis zu kriminalisieren. Nach intensiver medialer Auseinandersetzung über vermeintliche Misshandlungen durch afghanische Sicherheitskräfte, ordnete der Präsident am 23. September 2015, die Errichtung einer Körperschaft - bestehend aus dem Büro der Generalstaatsanwaltschaft, dem Innenministerium und der AIHRC - zur Untersuchung, Überwachung und Einrichtung eines Überwachungsmechanimus an, um sexuellen Missbrauch von Kindern zu verhindern und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen (UN GASC 10.12.2015)

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Alter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt aber 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Auch dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden oder sie zu Invaliden machen könnte. Es gibt keine Liste, die gefährliche Jobs definiert (USDOS 25.6.2015).

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC 51,8% der Kinder auf die eine oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z.B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Mio. Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt (AA 16.11.2015). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 26.5.2015).

Die Regierung untersuchte mit internationaler Hilfe offiziell alle Rekruten der bewaffneten Kräfte und Polizei und lehnte AnwärterInnen unter 18 Jahren ab. Es gab Berichte über die Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz für militärische Zwecke durch die ANSF und regierungsfreundliche Milizen. Im Rahmen eines Aktionsplan der Regierung, setzte die ANP Schritte: 150 neue Mitarbeiter/innen wurden in Bezug auf Altersfestellungsprozesse ausgebildet, den Start einer Sensibilisierungskampagne in Bezug auf minderjährigen Rekrutierung, die Untersuchung von angeblichen minderjährigen Rekrutierungen und die Errichtung einer Zentrums in manchen Provinzzentren, um Rekrutierungsversuche von Minderjährigen zu dokumentieren. Alle Rekruten müssen sich einer Identitätsfeststellung unterziehen, welche beinhaltet, dass mindestens zwei Gemeinschaftsführer für die Volljährigkeit des Rekruten und dessen Eintrittsberechtigung in die ANSF, bürgen (USDOS 25.6.2015). EASO berichtet, dass die Taliban die Rekrutierungen Minderjähriger bestreiten, jedoch wird davon ausgegangen, dass die Taliban Minderjährigkeit anders definieren (EASO 12.2012).

Das Jugendgesetz besagt, dass Kinder nicht unter denselben Voraussetzungen festgehalten werden dürfen wie Erwachsene. Das Gesetz besagt auch, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzestmögliche Zeit vorgenommen werden soll. In einem Bericht aus dem Jahre 2011 wurde festgehalten, dass verhafteten Kindern Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw. verwehrt wurden. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen erlauben bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen spezielle Gerichte nicht existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte (USDOS 27.2.2014; vergleiche USDOS 25.6.2015).

Laut den Vereinten Nationen wurden in 303 dokumentierten Anschlägen mindestens 159 Kinder getötet und 505 verletzt. Dies deutet einen Rückgang von 10% im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum an. Zwar ist ein signifikanter Rückgang der Angriffszahl auf Schulen und Bildungspersonal von 41 auf 22 zu verzeichnen gewesen, jedoch führte die Talibanoffensive auf Kunduz zur Schließung von 497 Schulen und verhinderte so den Zugang von 330.000 Kindern (UN GASC 10.12.2015).

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10% (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 16.11.2015).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan,

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    AA - Auswärtiges Amt (31.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    EASO (12.2012): Country of origin information report- Afghanistan Insurgent strategies - intimidation and targeted violence against Afghans,
http://easo.europa.eu/wp-content/uploads/192143_2012_5967_EASO_Afghanistan_II.pdf, Zugriff 17.1.2014

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    UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (10.12.2015):
Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942, Zugriff 4.1.2016

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

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    USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 7.7.2014

19. Homosexuelle

Die afghanische Verfassung kennt kein Verbot der Diskriminierung auf Grund sexueller Identität oder Orientierung. Entsprechende Forderungen im Rahmen des Universal Periodic Review Verfahrens im Januar 2014 in Genf, gleichgeschlechtliche Paare zu schützen und nicht zu diskriminieren, wies die afghanische Vertretung (als eine der wenigen nicht akzeptierten Forderungen) zurück. Bisexuelle und homosexuelle Orientierung sowie transsexuelles Leben werden von der breiten Gesellschaft abgelehnt. Es findet daher ausschließlich im Privaten statt. Laut Artikel 247, des afghanischen Strafgesetzbuches werden neben unehelichem Geschlechtsverkehr auch solche Sexualpraktiken, die üblicherweise mit männlicher Homosexualität in Verbindung gebracht werden, mit langjährigen Haftstrafen bis zu 20 Jahren sanktioniert. Neben der sozialen Ächtung von Bisexuellen, Homosexuellen und Transsexuellen verstärken Bestimmungen und Auslegung des islamischen Rechts (der Scharia, die z.T. von noch konservativeren vor-islamischen Stammestraditionen beeinflusst wird) mit Androhungen von Strafen bis hin zur Todesstrafe den Druck auf die Betroffenen. (AA 16.11.2015). Über die Durchführung von Strafverfahren wegen homosexueller oder transsexueller Handlungen liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor (AA 2.3.2015).

Das Gesetz kriminalisiert einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten, es wurde berichtet, dass Belästigungen, Gewalt und Inhaftierungen durch die Polizei auch weiterhin anhalten. NGOs berichten, dass die Polizei schwule Männer verhaftet, ausraubt und vergewaltigt (USDOS 25.6.2015). Es gibt kein Gesetz, das Diskriminierung und Belästigung aufgrund von sexueller Orientierung oder "gender identity" thematisiert. Mitgliedern der LGBT-Gemeinschaft hatten keinen Zugang zu Gesundheitsleistungen und können aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihren Jobs entlassen werden (USDOS 25.6.2015). Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Freiheiten von LGBT-Personen zu schützen, blieben im Untergrund, da sie nicht legal registriert werden konnten (USDOS 25.6.2015 vergleiche AA 16.11.2015). Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft wurden auch weiterhin diskriminiert, misshandelt, vergewaltigt und verhaftet (USDOS 25.6.2015).

Obwohl soziale Tabus gegen offen gleichgeschlechtliche Orientierung anhielten, konnte in Kabul zum Teil angeblich eine veränderte Sichtweise festgestellt werden (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

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    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
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  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/#wrapper, Zugriff 13.10.2015

20. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz erlaubt interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, aber die Regierung schränkte die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.:

siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 25.6.2015; vergleiche Max Planck Institut 27.1.2004).

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht (USDOS 25.6.2015).

Bewegungsfreiheit in Bezug auf Frauen siehe Kapitel 18.

Quellen:

  • Strichaufzählung
    Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

20.1. Meldewesen

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    DIS - Danish Immigration Service (5.2012): Afghanistan Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/3FD55632-770B-48B6-935C-827E83C18AD8/0/FFMrapportenAFGHANISTAN2012Final.pdf, Zugriff 13.10.2015

21. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Interne Bevölkerungsbewegungen steigen an, hauptsächlich wegen militärischer Operationen, aber auch wegen bewaffneten Konflikten und der Sicherheitslage (USDOS 25.6.2015).

Ende August 2015 waren, laut UNHCR, 948.000Personen intern vertrieben (UNHCR 8.2015 vergleiche IDMC 7.2015). Die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenvertriebenen für das erste Halbjahr 2015 wird mit 103.000 angegeben. Mehr als 36.000 wurden seit April aus Kunduz intern vertrieben. Ferner wurden auch in den Provinzen Badakshan, Badghis, Baghlan, Faryab, Ghazni, Kapisa und (Maydan) Wardak seit Juni 2014 Menschen intern vertrieben (IDMC 7.2015).

UNHCR registrierte die höchste Zahl intern vertriebener aus den nordöstlichen Gebieten Afghanistans (UNHCR 5.2015). Auseinandersetzungen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und bewaffneten nicht-staatlichen Gruppen, wurden als Grund angegeben (z.B. Provinz Kunduz) (UNHCR 5.2015; vergleiche UNHCR 7.2015). Die zweithöchste Zahl intern Vertriebener wurde in den Regionen Zentralafghanistans angegeben. Als Gründe wurden hier die allgemeine Sicherheitslage, militärische Operationen und gelegentliche Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften genannt (UNHCR 5.2015).

Bewaffnete Zusammenstöße zwischen regierungsfeindlichen Gruppen und den afghanischen Sicherheitskräften wurden als die Hauptursache für die Vertreibung innerhalb des Landes angegeben. Als weitere Ursachen wurden im Belästigungen und Einschüchterungen durch regierungsfeindliche Gruppen sowie stammesinterne Dispute angegeben (UNHCR 5.2015). Ferner kam es auch aufgrund von Naturkatastrophen und Arbeitsmöglichkeiten in anderen Gebieten zu internen Bevölkerungsbewegungen (USDOS 25.6.2015)

Die größten Bedürfnisse der IDP-Bevölkerung waren Nahrung, sowie Gebrauchsgüter (NFI- Non-Food-Items), die keine Lebensmittel sind. Einem Großteil der IDP gelang es temporär Behausungen in Gegenden der Vertreibung zu mieten. Anderen war es möglich bei Verwandten oder in Gastgemeinden unterzukommen bzw. aufgenommen zu werden. Situationen in denen internvertriebenen Familienen keine Behausung zur Verfügung stand, waren selten. War dies dennoch der Fall, so wurde den Familien sofort Notfallsbehausungen bzw. Zelte zur Verfügung gestellt. In gewissen Gegenden kam zu Herauforderungen im Bereich von Bildungszugang. Grund dafür waren das Fehlen notwendiger Dokumente oder Platz- oder Ressourcenmangel. Diese Fälle wurden an die notwendigen Bildungsautoritäten entweder durch UNHCR direkt oder durch UNICEF gemeldet (UNHCR 5.2015).

Flüchtlinge in Afghanistan:

Afghanistan beheimatet auch weiterhin etwa 227.000 Flüchtlinge aus Pakistan, die aufgrund militärischer Operationen in Nordwaziristan, in die südöstlichen Teile des Landes übergetreten sind (UN GASC 10.12.2015; vergleiche Tolonews 21.12.2015). Laut UNHCR sind es derzeit sogar rund 300.000 Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und 60 Asylbewerber in Afghanistan. Allein im Juni 2014 kamen lt. UNHCR rund 100.000 Menschen aus Pakistans Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan. Sie hatten sich vor den Auseinandersetzungen in ihrer Heimatregion geflüchtet und wurden oft direkt von paschtunischen Familien in den afghanischen Nachbarprovinzen Paktika und Khost aufgenommen. Im Dezember 2014 waren beim UNHCR rund 800.000 afghanische konflikt-induzierte Binnenflüchtlinge registriert (AA 16.11.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    DW - Deutsche Welle (28.4.2015): Seeking asylum in Afghanistan, http://dw.com/p/18Nin, Zugriff 28.10.2015

  • Strichaufzählung
    IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (7.2015):
    Afghanistan IDP Figures Analysis, http://www.internal-displacement.org/south-and-south-east-asia/afghanistan/figures-analysis, Zugriff 28.10.2015 ,

  • Strichaufzählung
    UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (8.2015): Afghanistan Factsheet, http://www.unhcr.org/50002021b.html, Zugriff 28.10.2015

  • Strichaufzählung
    UNHCR- UN High Commissioner for Refugees (7.2015):
    Conflict-induced Internal Displacement - Monthly Update, July 2015, https://www.humanitarianresponse.info/en/system/files/documents/files/unhcr_idp_monthly_update_july_2015.pdf, Zugriff 28.10.2015

  • Strichaufzählung
    UN GASC - UN General Assembly Secretary-General (10.12.2015):
    Afghanistan and its implications for international peace and security,
http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/942, Zugriff 4.1.2016

  • Strichaufzählung
    UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (5.2015): Afghanistan - Conflict-Induced Internal Displacement Monthly Update, May 2015, http://www.refworld.org/docid/5594f2544.html, Zugriff 28.10.2015]

  • Strichaufzählung
    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

22. Grundversorgung/Wirtschaft

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169 Platz von mehr als 187 Anmerkung, darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8.2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit haben die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vergleiche IMF 9.6.2015).

Das Wirtschaftswachstum war zum Größtenteil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, welche ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau, wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet. (WB 2015).

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8.2015).

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und einer starken Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8.2015).

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus, , konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachtums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8.2015).

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8.2015).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8.2015; vergleiche UN GASC 6.9.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und -verkauf (AA 8.2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8.2015; vergleiche UN GASC 6.9.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8.2015).

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezeber 2014 bestätigt. Sie begrüßren das Engagement der neuen afghanischen Regierung für macroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (8.2015): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Wirtschaft_node.html, Zugriff 2.11.2015

  • Strichaufzählung
    IMF - International Monetary Fund (9.6.2015): Afghanistan: Reforms to Build Self Reliance and Prosperity, https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2015/cr15140.pdf, Zugriff 2.11.2015

  • Strichaufzählung
    IMF - International Monetary Fund (5.2015): Islamic republic of Afghanistan staff-monitored program-press release; and staff report, https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2015/cr15140.pdf, Zugriff 2.11.2015

  • Strichaufzählung
    - Tolonews (21.12.2015): UNAMA Chief Reports Of Increased Security Incidents,
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/22921-unama-chief-reports-of-increased-security-incidents, Zugriff 12.1.2016

  • Strichaufzählung
    UNDP - United Nations Development Programm (2014): Human Development Report 2014,
http://hdr.undp.org/sites/default/files/hdr14-report-en-1.pdf, Zugriff 2.11.2015

  • Strichaufzählung
    UN GASC - United Nations General Assembly (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security : report of the Secretary-General, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 14.10.2015

  • Strichaufzählung
    WB - The Worldbank (10.2015): Afghanistan Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview , Zugriff 30.10.2015

  • Strichaufzählung
    WB - The World Bank (4.2015): Afghanistan Country Update, http://www-wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/2015/04/17/000333037_20150417090116/Rendered/PDF/954240REVISED00425B0AF0CU0APR150WEB.pdf Zugriff 30.10.2015

23. Medizinische Versorgung

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 16.11.2015). Ferner, können sich die im Zuge der Recherche gefundenen Informationen, auch widersprechen.

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 16.11.201). Auch hat sich seit dem Jahr 2001 der Zugang zur Grundleistung für die afghanische Bevölkerung in fast allen Bereichen erheblich verbessert: der Deckungsgrad medizinischer Gesundheitsversorgung hat sich von 9% im Jahr 2001 auf 80% im Jahr 2011 erweitert (WB 4.2015). Jedoch fällt diese Grundversorung im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 2.3.2015).

Die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 165 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 97 auf 77 bei 1.000 Lebendgeburten und die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebengebburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Ferner, erhöhte sich die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstaten mit weiblichem Personal (WB 4.2015).

In der letzten Dekade hat das afghanische Gesundheitssystem ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund starker Regierungsführung, einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer, was ferner andeutet, dass die Notwendigkeit besteht, Zugangshindernisse zu Leistungen für Frauen zu beseitigen. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralspiegeldefiziten (WB 4.2015).

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 16.11.2015; vergleiche AA 2.3.2015).

Obwohl Vorheriger Suchbegrifffreie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 25.6.2015)

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)]. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die Patient/innen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014). Obwohl Qualitätskontrollmaßnahmen für Medikamente im öffentlichen Gesundheitsvorsorgesystem existieren, ist die Umsetzung laut einem US-amerikanischen Bericht schwach. Der Großteil der verschriebenen Medikamente wird verschrieben und privat verkauft. Auch, so der Bericht weiter, gibt es keine Daten zu Pahrmazisten, die im privaten Sektor arbeiten. Bis zu 300 in Pakistan ansässige Unternehmen produzieren Medikamente, die speziell für den Export nach Afghanistan vorgesehen sind, aber den von für Pakistan vorgeschriebenen Standards nicht entsprechen (IJACMEC 10.2014; vergleiche The Guardian 7.1.2015).

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig leiden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn der Patient oder die Patientin kein unterstützendes Familienumfeld hat. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 16.11.2015).

Quellen:

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    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt: Afghanistan - Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 7.7.2014, (Unverändert gültig seit: 8.5.2014)
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8845A1EEE2FAECF7D8808747FED28C35/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/AfghanistanSicherheit.html?nn=343328#doc343208bodyText5, Zugriff 9.8.2013

  • Strichaufzählung
    BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 22.9.2014

  • Strichaufzählung
    BMJ - British Medical Journal (17.6.2014): Afghanistan: a healthy future?, http://dx.doi.org/10.1136/bmj.g3950, Zugriff 7.7.2014

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    GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2015): Afghanistan, http://liportal.giz.de/afghanistan/alltag/, Zugriff 28.10.2015

  • Strichaufzählung
    IJACMEC - (10.2014): Independent Joint Anti -Corruption Monitoring and Evaluation Committee,
http://www.mec.af/files/2014_11_19_Pharmaceutical_VCA_ENGLISH.pdf, Zugriff 19.1.2016

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    IRIN (2.7.2014): Stark choice for many Afghans: sickness or debt, http://www.irinnews.org/report/100295/stark-choice-for-many-afghans-sickness-or-debt, Zugriff 7.7.2014

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    Max Planck Institute (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan,
http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 30.10.2015

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    Save the children (2014): State of the World Mother¿s 2014, http://www.savethechildren.org/atf/cf/%7b9def2ebe-10ae-432c-9bd0-df91d2eba74a%7d/SOWM_2014.PDF, Zugriff 7.7.2014

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    The Guardian (7.1.2015): Killing, not curing: deadly boom in counterfeit medicine in Afghanistan, http://www.theguardian.com/world/2015/jan/07/counterfeit-medicine-afghanistan-corruption-border-controls-drugs-poor, Zugriff 19.1.2016

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

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    WB - The World Bank (4.2015): Afghanistan Country Update, http://www-wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/2015/04/17/000333037_20150417090116/Rendered/PDF/954240REVISED00425B0AF0CU0APR150WEB.pdf Zugriff 30.10.2015

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    The World Bank (2014a): Maternal mortality ratio (modeled estimate, per 100,000 live births), http://data.worldbank.org/indicator/SH.STA.MMRT, Zugriff 7.7.2014

  • Strichaufzählung
    The World Bank (2014b): Mortality rate, infant (per 1,000 live births), http://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.IMRT.IN, Zugriff 7.7.2014

  • Strichaufzählung
    The World Bank (1.7.2014): World Development Indicators, http://data.worldbank.org/sites/default/files/wdi-2014-book.pdf, Zugriff 7.7.2014

24. Behandlung nach Rückkehr

In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwiliigen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insegesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vergleiche AA 2.3.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 2.3.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstüzt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig.Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 2.3.2015; vergleiche AA 16.11.2015).

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vergleiche AA 16.11.2015).

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

  • Strichaufzählung
    BFA Staatendokumentation (9.2015): FFM Bericht Pakistan, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 30.10.2015

  • Strichaufzählung
    DW - Deutsche Welle (19.10.2015): Funds shortage may trigger Afghan refugee exodus, says UNHCR, http://www.dw.com/en/funds-shortage-may-trigger-afghan-refugee-exodus-says-unhcr/a-18790962, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (8.2015): Afghan Refugees and Returnees: Corruption and Lack of Afghan Ministerial Capacity Have Prevented Implementation of a Long-term Refugee StrategySIGAR 15-83-AR/, https://www.sigar.mil/pdf/audits/SIGAR-15-83-AR.pdf, Zugriff 29.10.2015

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    UNHCR - United Nations High Commissioner For Refugees (29.10.2015): Afghan returness, Per E-Mail.

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

24.1. Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF)

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF), die in Europa um Asyl ansuchen, hat sich seit dem Jahr 2010 stetig erhöht. Im Jahr 2014 lag die Zahl der asylansuchenden UMF bei 24.075, was 4% der Gesamtzahl aller Asylansuchenden ausmachte. Etwa 70% dieser UMFs wurde von den folgenden Ländern aufgenommen: Schweden 7.050, Deutschland 4.400, Italien 2.505, Österreich 1.975 und Großbritannien 1.860. Buben machten 86% der UMFs aus, während die restlichen 14% Mädchen waren. Afghanistan war das Herkunftsland mit der höchsten Zahl von UMF, die nach Europa kamen. Die Zahl afghanischer UMF betrug 6.155 oder 26% (Andere Länder waren: Eritrea (4.475 bzw. 19%), Syrien (3.170 bzw.13%), Somalia (2.335 bzw. 10%), Gambia (1.075 bzw. 4%) und Marokko (615 bzw. 3%) (EC 5.2015). Im Jahr 2012 haben vergleichsweise mehr als 21.300 unbegleitete oder von den Eltern getrennte Kinder, zum Großteil aus Afghanistan und Somalia, in Europa um Asyl angesucht (UNHCR 19.8.2013).

Laut UNHCR handelt es sich bei afghanischen UMF allgemein um männliche unbegleitete Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die die Reise auf sich nehmen. Sie werden aus unterschiedlichen Gründen dazu motiviert, eine solche Reise auf sich zu nehmen. Diese zusammenhängenden Faktoren inkludieren Armut, Unsicherheit, inadäquate Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, sowie Erwartungshaltung von Familie und Peergruppe. Sowohl aus Gegenden mit einer geringen Zahl an entsandten Kindern, als auch aus Gegenden mit einer hohen Zahl entsandter Kinder, waren europäische Länder typischerweise das gewünschte Ziel. Teilweise wurde der Iran als Zwischenstation ausgewählt, aufgrund der Anwesenheit von Familienmitgliedern und Verwandten, die helfen konnten Arbeit zu finden. Die Hauptabreiseorte waren Herat, Islam Qala [Anm.: im Westen von Herat] und Nimroz. Es ist allgemein bekannt, dass Schmuggelnetzwerke für diese Reise verwendet werden (UNHCR 12.2014).

Waisenhäuser

Es gibt 16.700 Kinder in den Waisenhäusern in Afghanistan, 440 dieser Kinder sind in Kandahar (WP 10.8.2012). In der Provinz Nangahar gibt es laut UNAMA neun Waisenhäuser, in denen hunderte Waisen, inklusive Mädchen leben und lernen (UNAMA 18.4.2013).

Die Bedingungen für Kinder in Waisenhäusern waren schlecht (USDOS 25.6.2015). Die Regierung leitete 84 Kinderschutz-Netzwerk-Zentren und 78 Wohngemeinschaften für Waisen (USDOS 25.6.2015; vergleiche Khaama Press 20.4.2015), die vor allem die Berufsausbildung von Kindern unterstützten, die aus armen Familien stammen. 30 dieser Waisenhäuser wurden privat finanziert, während 48 von ihnen von der Regierung über NGOs unterstützt wurden (USDOS 25.6.2015). Berichten zufolge gibt es in Kabul 20 Zufluchtstätten für Kinder mit eingeschränkten Kapazitäten (Daily Mail UK 29.10.2015). NGOs berichteten, dass 80% der vier- bis 18-jährigen in den Waisenhäusern nicht wirklich Waisen sind, sondern aus Familien stammen, die nicht für Essen, Behausung und Schule aufkommen konnten (USDOS 25.6.2015; vergleiche Daily Mail UK 29.10.2015). Es wurde berichtet, dass Kinder in den Waisenhäusern mental, physisch und sexuell misshandelt wurden und manchmal Menschenhandel ausgesetzt waren. Auch hatten Kinder in den Waisenhäusern nicht immer Zugang zu fließendem Wasser, Heizung, Sanitäranlagen, Gesundheitsversorgung, Freizeiteinrichtungen oder Bildung (USDOS 25.6.2015).

Waisenhäuser werden von unterschiedlichen Organisationen betrieben, wie z.B.: Hagar International (Daily Mail UK 29.10.2015), , The Afghan Orphan Project, Waisenhaus Afghanistan und Shelter Now Germany (The Afghan Orphan Project o.D.; Shelter Now o.D.).

Quellen:

  • Strichaufzählung
    Daily Mail UK (29.10.2015): For Afghanistan's abandoned children, help is scarce,
http://www.dailymail.co.uk/wires/ap/article-3060269/For-Afghanistans-abandoned-children-help-scarce.html, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    EC - European Commission (5.2015): Policies, practices and data on unaccompanied minors in the EU Member States and Norway, http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/networks/european_migration_network/reports/docs/emn-studies/emn_study_policies_practices_and_data_on_unaccompanied_minors_in_the_eu_member_states_and_norway_synthesis_report_final_eu_2015.pdf, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    Khaama Press (20.4.2015): Kabul orphanage gets new nursery house with Afghan lawmaker's support, http://www.khaama.com/kabul-orphanage-gets-new-nursery-house-with-afghan-lawmakers-support-1014, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    Shelter Now (ohne Datumsangabe): Waisenhaus in Nordafghanistan, http://www.shelter.de/projekte-in-afghanistan-kurdistan/waisenhaus/, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    The Afghan Orphan Project (ohne Datumsangabe): The Afghan Orphan Project, http://taoproject.org/aboutus.htm, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    UNAMA - United Nation Asistance Mission in Afghanistan (18.4.2013): Articles - Nangarhar (RTA) Headlines, http://unama.unmissions.org/Default.aspx?ctl=Details&tabid=12329&mid=15870&ItemID=36720, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    UNHCR - United Nations High Commissioner For Refugees (12.2014):
Why do children undertake the unaccompanied journey? http://www.unhcr.org/548ea0f09.pdf, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    UNHCR - United Nations High Commissioner For Refugees (19.8.2013):
UNHCR Global Trends 2012,
http://unhcr.org/globaltrendsjune2013/UNHCR%20GLOBAL%20TRENDS%202012_V05.pdf, Zugriff 29.10.2015

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    USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

  • Strichaufzählung
    Waisenhaus Afghanistan (2010): Projekte, http://www.waisenhaus-afghanistan.de/de/projekte--bilder.html, Zugriff 29.10.2015

  • Strichaufzählung
    WP - The Washington Post (10.8.2012): At Afghan orphanage, friends from different sides of the war, http://articles.washingtonpost.com/2012-08-10/world/35491352_1_fathers-taliban-fighters-orphanage, Zugriff 29.10.2015

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, zum Ausreisegrund sowie zur familiären Situation ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am römisch 40 .

Das Vorbringen wonach die Erstbeschwerdeführerin sowie der Zweitbeschwerdeführer vor ihrer Ausreise vom Onkel mit Zwangsheirat bedroht und von Taliban, welche mit dem Onkel der Erstbeschwerdeführerin befreundet gewesen seien, verfolgt würden, wird aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführer und aufgrund der von der belangten Behörde eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation als nicht glaubhaft eingestuft.

Bereits das BFA hat nachvollziehbar und schlüssig und unter Zugrundelegung der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in den angefochtenen Bescheiden festgestellt, dass die Behauptung, die Beschwerdeführer seien in Afghanistan einer Verfolgung durch den Onkel der Erstbeschwerdeführerin ausgesetzt gewesen, weil dieser die Erstbeschwerdeführerin mit einem römisch 40 jährigen Mann gegen ihren Willen verheiraten hätte wollen bzw. da der Onkel abgelehnt habe, dass die Erstbeschwerdeführerin den Zweitbeschwerdeführer (ihren nunmehrigen Ehemann) heirate, als nicht glaubhaft eingestuft.

Die erkennende Richterin folgt der ausführlichen Einschätzung der belangten Behörde, in der aufgrund der eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom römisch 40 dargelegt wurde, dass die Angaben der Beschwerdeführer über die behauptete Verfolgung wegen der nicht erfolgten Zwangsheirat im Herkunftsstaat aufgrund der ausführlichen Ermittlungen nicht der Wahrheit entsprechen. Es ist erhoben worden, dass beide Eltern der Erstbeschwerdeführerin nach wie vor am Leben sind. Es konnte trotz Recherche keine Feindschaft zwischen der Familie römisch 40 und den Taliban festgestellt werden.

Laut Auskunft der befragten Familienangehörigen des Antragstellers wie auch dessen ehemaliger Nachbarn, gab es - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer - keinerlei Streit oder wie auch immer geartete Auseinandersetzung zwischen der Familie der Erstbeschwerdeführerin und der des Zweitbeschwerdeführers wegen deren Heirat.

Seitens der Polizei im Distrikt römisch 40 gab es auch keine Anzeige und keinen Suchbefehl und auch keine Haftanordnung gegen den Zweitbeschwerdeführer. Auf entsprechenden Vorhalt zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom römisch 40 konnten weder die Erstbeschwerdeführerin noch der Zweitbeschwerdeführer in ihrer Einvernahme am römisch 40 substantiierte Einwendungen oder begründete Zweifel an den Feststellungen in der ausführlichen und schlüssigen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation darlegen.

Weder das BFA noch die erkennende Richterin sehen einen Anlass das Rechercheergebnis in Zweifel zu ziehen, zumal es nicht nachvollziehbar ist, warum all diese befragten Personen falsche Angaben machen sollten und ist weiters anzuzweifeln, dass ein Vertrauensanwalt auch ein persönliches Interesse am Ausgang eines Asylverfahrens in irgendeine Richtung haben könnte.

Aufgrund vorangeführter Ungereimtheiten ist somit auch die erkennende Richterin der Ansicht, dass das Vorbringen über die drohende Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat wegen der Heirat nicht der Wahrheit entspricht und die Beschwerdeführer eine Fluchtgeschichte für sich konstruiert haben.

Zusammenfassend wurde somit bereits von der belangten Behörde nachvollziehbar befunden, dass besondere Umstände, aus denen bei objektiver Betrachtung glaubhaft hervorgehen würde, dass die Beschwerdeführer wegen der Heirat der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers in Afghanistan unmittelbaren und/oder mittelbaren persönlichen staatlichen Verfolgungen im Sinne der GFK ausgesetzt war bzw. gegenwärtig ist. Auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung tätigten die Beschwerdeführer keinerlei substantiierten Einwendungen gegen das Rechercheergebnis der Anfragebeantwortung, welche die diesbezügliche Fluchtbehauptung widerlegt hatte.

Die Feststellungen zur Erstbeschwerdeführerin als junge moderne Frau, die die traditionell begründeten gesellschaftlichen Einstellungen und die sich daraus für den Alltag ergebenden Zwänge gegenüber Frauen im Herkunftsstaat ablehnt, ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am römisch 40 und dem persönlichen Eindruck, der von der Erstbeschwerdeführerin in der Verhandlung gewonnen werden konnte. Die Erstbeschwerdeführerin vermochte in der Beschwerdeverhandlung zu überzeugen, dass sie in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition lebt, sondern diese vielmehr ablehnt, und sich aufgrund ihres Aufenthaltes in Österreich an eine Lebensführung ohne religiös motivierte Einschränkungen angepasst hat und sich auch weiter anpassen will. Die Erstbeschwerdeführerin hat - auch ihrem äußeren Erscheinungsbild nach - die zugrundeliegenden Werte verinnerlicht und lebt auch danach.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchwegs einen persönlichen glaubwürdigen Eindruck zur Art und Weise der von ihr beabsichtigten Lebensgestaltung gemacht hat. Die persönliche Haltung der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich der Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht überwiegend im Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen mehrheitlich unterworfen sind. Die von der Erstbeschwerdeführerin vertretene und nach außen hin auch erkennbare persönliche Wertehaltung steht zu der von ihrer gesellschaftlichen und familiären Umgebung getragenen konservativ-restriktiven Wertehaltung hinsichtlich der Rolle und Stellung von Frauen im eindeutigen Widerspruch, es kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass ihr im Fall der Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung drohen würde.

Die Feststellung betreffend die überwiegende Orientierung der Erstbeschwerdeführerin an den allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbildern ergibt sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben und dem persönlichen Auftreten der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Erstbeschwerdeführerin hat glaubhaft dargelegt, dass sie nicht bereit wäre sich als überwiegend westlich orientierte Frau den in Afghanistan allgemein vorherrschenden Zwängen und Diskriminierungen von Frauen zu unterwerfen. Die persönlich und nach außen offen dargelegte Wertehaltung der Erstbeschwerdeführerin an ein würdiges Leben als Frau steht zu der in Afghanistan weiterhin vorherrschenden Situation für Frauen im Gegensatz. Das äußere Erscheinungsbild der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung war auch ein dahingehendes Indiz.

Das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich der ihr drohenden Unterdrückung als westlich orientierte Frau war in ganzheitlicher Würdigung aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auch im Hinblick auf die vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, als glaubhaft zu beurteilen. Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin waren im Hinblick auf die diesbezüglich geäußerte Verfolgungsgefahr ausreichend substantiiert, in sich schlüssig und im Hinblick auf die besonderen Umstände der Erstbeschwerdeführerin und die allgemeine Situation in Afghanistan plausibel.

Die getroffene Feststellung betreffend die überwiegende Orientierung der Erstbeschwerdeführerin an dem allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild ergibt sich aus dem durchwegs selbstbewussten Auftreten der Erstbeschwerdeführerin, welche bereits Deutschkurse in Österreich besucht, und ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die persönliche und nach außen offen dargelegte Wertehaltung der Erstbeschwerdeführerin an ein würdiges Leben als Frau, ihre Absicht, berufstätig und selbständig zu sein und die von der Erstbeschwerdeführerin dargelegte Auffassung steht zu der in Afghanistan weiterhin vorherrschenden Situation für Frauen im völligen Gegensatz. Auch das äußere Erscheinungsbild der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und die von der Erstbeschwerdeführerin geplanten Ausbildungsschritte waren dahingehende Indizien.

In einer Gesamtschau der Angaben der Erstbeschwerdeführerin im gesamten Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu ihrer Furcht vor Verfolgung in Afghanistan als glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, der Erstbeschwerdeführerin vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Dass die Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sind und Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister und ins Grundversorgungssystem.

2.2. Die Feststellungen zur Situation (von Frauen und Mädchen) in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen und wurden in der Beschwerdeverhandlung. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation (der Frauen und Mädchen) in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Zudem basieren die vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen (Frauen und Mädchen) in Afghanistan größtenteils ebenfalls auf diesen Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden des Bundesamtes.

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK (i.d.F. des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 78 aus 1974,) - deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Auf¬enthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Ver-folgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde vergleiche VwGH 19.12.2007, 2006/-20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ur-sache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer eins und Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Ak¬teuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherr¬schen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebie¬tes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann vergleiche zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfor¬dernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteili¬gungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Or-ganen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichen¬den Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu ver-stehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat vergleiche VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Her-kunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen vergleiche VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

3.3. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Furcht der Erstbeschwerdeführerin vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention wohlbegründet ist.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre die Erstbeschwerdeführerin zunächst mit einer für sie prekären Sicherheitslage konfrontiert. Das bedeutet, dass für sie in fast allen Teilen Afghanistans ein erhöhtes Risiko besteht, Eingriffen in ihre physische Integrität und Sicherheit ausgesetzt zu sein. Den Feststellungen zufolge ist dieses Risiko sowohl als generelle, die afghanischen Frauen betreffende Gefährdung zu sehen (Risiko, Opfer einer Vergewaltigung oder eines sonstigen Übergriffs bzw. Verbrechens zu werden) als auch als spezifische Gefährdung, bei nonkonformem Verhalten (d.h. bei Verstößen gegen gesellschaftliche Normen wie beispielsweise Bekleidungsvorschriften) einer "Bestrafung" ausgesetzt zu sein. Am Beispiel der die Frauen und Mädchen betreffenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wird anschaulich, dass afghanische Frauen de facto einer Verletzung in grundlegenden Rechten ausgesetzt sind. Es bestehen nach wie vor gesellschaftliche Normen dahingehend, dass Frauen sich nur bei Vorliegen bestimmter Gründe alleine außerhalb ihres Wohnraumes bewegen sollen. Widrigenfalls haben Frauen mit Beschimpfungen und Bedrohungen zu rechnen bzw. sind der Gefahr willkürlicher Übergriffe ausgesetzt. Für die Erstbeschwerdeführerin wirkt sich die derzeitige Situation in Afghanistan so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen und durch das Bestehen dieser Situation einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist.

Die Erstbeschwerdeführerin unterliegt allerdings einer erhöhten Gefährdung, in Afghanistan dieser Situation ausgesetzt zu sein, weil sie als Frau nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition lebt, sondern sich eine Lebensführung angeeignet hat, gegensätzlich zu dem in der afghanischen Gesellschaft weiterhin vorherrschenden traditionell-konservativen Rollenbild der Frau. Der Einschätzung des UNHCR, der Indizwirkung zukommt vergleiche VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182), zufolge sind Frauen besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen zu werden, wenn ihr Verhalten als nicht mit den von der Gesellschaft, der Tradition oder sogar vom Rechtssystem auferlegten Geschlechterrollen vereinbar angesehen wird. Afghanische Frauen, die einen weniger konservativen Lebensstil angenommen haben, beispielsweise solche, die aus dem Exil im Iran oder in Europa zurückgekehrt sind, werden nach wie vor als soziale und religiöse Normen überschreitend wahrgenommen. Die Erstbeschwerdeführerin würde dadurch gegenwärtig in Afghanistan als Frauen wahrgenommen werden, die sich als nicht konform ihrer durch die Gesellschaft, Tradition und das Rechtssystem vorgeschriebenen geschlechtsspezifischen Rolle benehmen; sie sind insofern einem besonderen Misshandlungsrisiko ausgesetzt vergleiche dazu EGMR, Case N. gegen Schweden, 20.07.2010 Application Nr. 23505/09, ebenfalls unter Hinweis auf UNHCR). Damit droht der Erstbeschwerdeführerin Verfolgung aufgrund einer ihr unterstellten politischen Gesinnung vergleiche dazu auch VwGH, 06.07.2011, 2008/19/0994, wonach "Asyl zu gewähren ist, wenn der von [der Beschwerdeführerin] vorgebrachte, westliche Lebensstil in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommene oppositionellen Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung [...] droht").

Zudem steht das dargestellte Verfolgungsrisiko auch im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin zu einer bestimmten sozialen Gruppe vergleiche dazu VwGH 16.04.2002, 99/20/0483; 20.06.2002, 99/20/0172), zumal die persönliche und auch nach außen dargelegte westliche Lebenseinstellung der Erstbeschwerdeführerin im Gegensatz zu der in Afghanistan weiterhin vorherrschenden Situation für Frauen steht. Zwar stellen diese Umstände keine Eingriffe von "offizieller" Seite dar, das heißt, sie sind von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet, andererseits ist es der Zentralregierung auch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten der afghanischen Frauen Sorge zu tragen. Gegenwärtig besteht in Afghanistan kein funktionierender Polizei- und Justizapparat. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber effektive Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und Einschränkungen gegenüber Frauen bestünden; ganz im Gegenteil, liegt ein derartiges Vorgehen gegenüber Frauen teilweise ganz im Sinne der lokalen Machthaber. Für die Erstbeschwerdeführerin ist damit nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie angesichts des sie als Frau westlicher Orientierung betreffenden Risikos, Opfer von Misshandlungen und Einschränkungen zu werden, ausreichenden Schutz im Herkunftsstaat finden können. Die sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan bedrohende Situation ist in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für die Erstbeschwerdeführerin nicht, zumal im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, wo sie deshalb einem erhöhten Sicherheitsrisiko und den daraus resultierenden Einschränkungen ausgesetzt wären.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und Paragraph 6, AsylG 2005) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.

Der Erstbeschwerdeführerin war daher gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Erstbeschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.4. Zur Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an den Zweitbeschwerdeführer, den Drittbeschwerdeführer und den Viertbeschwerdeführer:

Stellt ein Familienangehöriger (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22,) von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8,) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,

so gilt dieser gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß Paragraph 34, Absatz 2, AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist (Paragraph 2, Absatz 3,);

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (Paragraph 7,).

Gemäß Absatz 4, leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 4, zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Familienangehörige sind gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Der Zweitbeschwerdeführer, der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer sind Familienangehörige der Erstbeschwerdeführerin im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG 2005. Da der Erstbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuerkannt wird, ist auch dem Zweitbeschwerdeführer, dem Drittbeschwerdeführer und dem Viertbeschwerdeführer daher nach Paragraph 34, Absatz 2, in Verbindung mit Absatz 4, AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang zuzuerkennen, zumal diese nicht straffällig geworden sind. Hinweise darauf, dass dem Zweitbeschwerdeführer, dem Drittbeschwerdeführer und dem Viertbeschwerdeführer die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit der Erstbeschwerdeführerin in einem anderen Staat möglich wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in den obigen rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2016:W121.2120771.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.08.2016

Dokumentnummer

BVWGT_20160804_W121_2120771_1_00

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