Bundesverwaltungsgericht (BVwG)

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Entscheidungstext L501 2186277-1

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Erkenntnis

Geschäftszahl

L501 2186277-1

Entscheidungsdatum

02.03.2022

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
  1. AsylG 2005 § 10 heute
  2. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 10 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  5. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  6. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  7. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  9. AsylG 2005 § 10 gültig von 09.11.2007 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 75/2007
  10. AsylG 2005 § 10 gültig von 01.01.2006 bis 08.11.2007
  1. AsylG 2005 § 57 heute
  2. AsylG 2005 § 57 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2021
  3. AsylG 2005 § 57 gültig von 20.07.2015 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  4. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  6. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  7. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  9. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  10. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 8 heute
  2. AsylG 2005 § 8 gültig ab 01.03.2027 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/2025
  3. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.11.2017 bis 28.02.2027 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  6. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  7. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2009
  1. BFA-VG § 9 heute
  2. BFA-VG § 9 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. BFA-VG § 9 gültig von 20.07.2015 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  4. BFA-VG § 9 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013
  5. BFA-VG § 9 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. FPG § 50 heute
  2. FPG § 50 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  3. FPG § 50 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  4. FPG § 50 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. FPG § 50 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. FPG § 52 heute
  2. FPG § 52 gültig ab 28.12.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2019
  3. FPG § 52 gültig von 28.12.2019 bis 27.12.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2019
  4. FPG § 52 gültig von 01.11.2017 bis 27.12.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  5. FPG § 52 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  6. FPG § 52 gültig von 01.10.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2017
  7. FPG § 52 gültig von 20.07.2015 bis 30.09.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  8. FPG § 52 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  9. FPG § 52 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  10. FPG § 52 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  11. FPG § 52 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2011
  1. FPG § 52 heute
  2. FPG § 52 gültig ab 28.12.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2019
  3. FPG § 52 gültig von 28.12.2019 bis 27.12.2023 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 110/2019
  4. FPG § 52 gültig von 01.11.2017 bis 27.12.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  5. FPG § 52 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  6. FPG § 52 gültig von 01.10.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2017
  7. FPG § 52 gültig von 20.07.2015 bis 30.09.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  8. FPG § 52 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  9. FPG § 52 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  10. FPG § 52 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  11. FPG § 52 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2011
  1. FPG § 55 heute
  2. FPG § 55 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  3. FPG § 55 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  4. FPG § 55 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  5. FPG § 55 gültig von 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. FPG § 55 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2009

Spruch


L501 2186277-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2018, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30.11.2021 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

römisch eins.1. Die beschwerdeführende Partei (in der Folge: "bP") stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 06.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab die bP an, den Namen römisch 40 zu führen und Staatsangehörige des Irak zu sein. Sie sei am römisch 40 in römisch 40 geboren, gehöre der Volksgruppe der Araber an und bekenne sich zum schiitischen Islam. Sie sei ledig und habe keine Kinder. Sie habe in römisch 40 zehn Jahre lang die Grundschule besucht und zuletzt als Hilfsarbeiterin gearbeitet.

Zu ihren Ausreisegründen befragt, gab die bP an, dass sie im Irak bei einer ausländischen Firma gearbeitet habe. Sie sei dann von den schiitischen Milizen bedroht worden. Sie hätten ihren Bruder umgebracht. Sie hätten ihr vorgeworfen, dass sie ein Verräter sei, weil sie mit einer amerikanischen Firma zusammenarbeite. Dann hätten sie ihren Bruder und einen Freund von ihr umgebracht. Vor ca. zwei bis drei Jahren sei sie von römisch 40 nach Mosel (gemeint: Mossul) geflüchtet. Dort habe sie zwei bis drei Jahre gearbeitet. Dann habe sie entschieden, das Land komplett zu verlassen. Dort sei sie nicht mehr bedroht worden. Sonst gebe es keine weiteren Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst um ihr Leben.

Die Amtshandlung erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache. Die bP gab in ihrer Befragung an, dass sie den Dolmetscher verstehe. Zum Abschluss ihrer Befragung bestätigte die bP, dass die aufgenommene Niederschrift in eine für sie verständliche Sprache rückübersetzt worden sei und es keine Verständigungsprobleme gegeben habe.

römisch eins.2. Am 2.5.2017 wurde die bP vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: "BFA") von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen.

Die bP erklärte eingangs ihrer Einvernahme, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten Die Verständigung mit dem anwesenden Dolmetscher für die arabische Sprache sei gut.

Zu ihrem bisherigen Leben im Herkunftsstaat und ihren Ausreisegründen gab die bP zusammengefasst im Wesentlichen an, dass sie in römisch 40 geboren und sunnitischer Moslem sei. Sie habe mit ihrem Vater und ihrer Mutter sowie ihrem Bruder im Stadtteil römisch 40 gelebt; sie habe noch Schwestern, die verheiratet seien und nicht mehr dort wohnen würden. Ein weiterer Bruder sei ermordet worden. 2005 habe sie eine Arbeit bei einer ausländischen Firma begonnen. In diesem Jahr habe der konfessionelle Konflikt begonnen und sei auch ihr Bruder ermordet worden. Ende 2006 sei ihnen dann ihr Haus weggenommen worden. Seit Ende 2006 sei sie nicht mehr in römisch 40 gewesen. Ihre Familie sei in römisch 40 geblieben, habe aber in einem anderen Stadtteil gewohnt. Sie sei nach Mossul zu ihren Verwandten gegangen. Sie habe sich dort zwei bis zweieinhalb Jahre aufgehalten. Ungefähr 2008 sei sie dann nach römisch 40 zurückgekehrt, nachdem die Milizen von den Amerikanern und von der Regierung bekämpft worden seien. Von 2008 bis 2013 habe sie in römisch 40 ohne Probleme gelebt und ein normales Leben geführt. Nachdem der IS entstanden sei, seien die Milizen wieder gebildet worden. Nachdem ihr Arbeitsvertrag abgelaufen gewesen sei, sei sie der Polizei zugewiesen worden. Ihr Arbeitgeber habe damals zu ihr gesagt, falls sie weiterhin arbeiten möchte, sei es möglich, dass sie beim Innenministerium eine Anstellung bekomme. Sie sei bei der Polizei angestellt gewesen und habe im Lager gearbeitet. Ihre Aufgabe sei es gewesen, den Polizisten ihre Uniform auszugeben. Im Jahr 2014 seien die Milizen stärker geworden. Ein Freund habe sie dann angerufen. Er arbeite in der Polizeizentrale. Er habe ihr gesagt, es sei eine Anordnung gekommen, dass diejenigen, die von den ausländischen Firmen übernommen worden seien, nach Mossul geschickt würden, um sie dort loszuwerden, liquidiert zu werden. Nachdem sie das gehört habe, sei sie nicht mehr zur Arbeit gegangen. Sie sei zu einem ihrer Verwandten in römisch 40 gegangen. Ungefähr 15 Tage, nachdem sie nicht mehr zur Arbeit gegangen sei, sei sie dann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Am 5.7. sei sie verurteilt worden, am 25. sei sie aus dem Land ausgereist. Da sie zur Fahndung ausgeschrieben worden sei, habe sie nur durch die Unterstützung eines Freundes ausreisen können. Dieser Freund habe sie zum Flughafen gebracht und am Flughafen habe sie dann ein anderer Offizier übernommen und habe sie bis zum Flieger gebracht. Am 25.7.20215 sei sie in der Türkei gewesen. Sie sei drei Tage in Istanbul geblieben.

römisch eins.3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 26.1.2018 wurde der Antrag der bP auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der bP gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG gegen die bP erlassen (Spruchpunkt römisch IV). Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch VI.).

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die von der bP angegebenen Gründe, die sie zum Verlassen des Heimatlandes bewogen hätten, nicht als glaubhaft festzustellen gewesen wären. Die Angaben der bP zum Fluchtgrund würden keinesfalls den Tatsachen entsprechen und sei davon auszugehen, dass sich die bP einer konstruierten Geschichte in diesem Verfahren bedient habe. Ebenso habe nicht festgestellt werden können, dass der bP im Fall einer Rückkehr in den Irak Verfolgung drohe. Die behauptete aktuelle Gefährdungslage sei unglaubwürdig. Der bP sei eine Rückkehr in ihre Heimat jedenfalls zumutbar. Sie verfügte im Irak noch über Verwandte und sei auch nicht ersichtlich, dass die im Herkunftsland verbliebenen Verwandten der bP bei einer Rückkehr Hilfe und Unterstützung versagen würden. Die bP habe keine Verwandten im Bundesgebiet. Eine besondere Verankerung der bP in Österreich sei nicht vorgebracht worden und auch nicht zu erkennen.

römisch eins.4. Mit Verfahrensanordnung vom 30.01.2018 wurde der bP gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

römisch eins.5. Gegen den der bP am 6.2.2018 zugestellten Bescheid der belangten Behörde vom 26.1.2018 richtet sich die im Wege der von ihr bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation eingebrachte Beschwerde vom 12.2.2018.

In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die bP sunnitischer Moslem sei. Ihr Nachname sei ein sunnitischer Nachname. Ihr Clan AL SAADI sei sunnitisch, ihr Scheich sei römisch 40 . Die Erstbefragung sei schwer mangelhaft abgelaufen. Der Dolmetscher sei Ägypter gewesen und habe daher einen anderen Dialekt als die bP gesprochen; sie habe ihn nur schwer verstanden. Die bP habe erzählt, dass sie nach ihrem Aufenthalt in Mossul wieder nach römisch 40 zurückgekehrt sei, es sei aber nicht protokolliert worden. Die Niederschrift sei der bP nicht rückübersetzt worden. Ihr Bruder römisch 40 sei 2006, nicht 2007 getötet worden. Die bP habe nicht vor fünf Jahren entschieden, das Land zu verlassen, sondern als sie von der Anordnung erfahren habe. Die bP sei legal ausgereist, aber nur durch Bestechung. Ihr Freund habe den Reisepass abgestempelt und der Offizier habe ihr "geholfen". Die belangte Behörde habe die von der bP vorgelegten Beweismittel nicht gewürdigt, sondern sich auf angeblich vage Angaben und Widersprüche gestützt, um der bP die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Diese seien teilweise aktenwidrig und würden fabriziert wirken. Die weiteren Beschwerdeausführungen betreffen einzelne beweiswürdigende Überlegungen der belangten Behörde zu den Angaben der bP zur Erstürmung ihres Elternhauses und zur Anordnung. Die bP werde in ihrem Herkunftsland einerseits von den schiitischen Milizen wegen ihrer ehemaligen Tätigkeit für amerikanische Firmen, andererseits als Deserteurin aus dem polizeilichen Dienst wegen einer unterstellten politischen Gesinnung in Form einer unmenschlichen Haftstrafe verfolgt. Der bP sei daher Asyl zu gewähren. Der bP drohe im Irak eine dreijährige Gefängnisstrafe. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde sie am Flughafen kontrolliert und festgenommen werden. Die Haftbedingungen im Irak seien laut Länderberichten "hart und lebensbedrohlich". Gefängnisse seien von Folter und Misshandlungen gekennzeichnet. Die Gefängnisse seien überfüllt, es herrsche Nahrungsmittelknappheit und eine mangelhafte medizinische Versorgung. Gefangene, insbesondere Sunniten wie die bP, würden von Regierungskräften und den schiitischen Kräften misshandelt. Der bP würde bei einer Rückkehr somit Folter oder andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Artikel 3, EMRK drohen. Ihr sei daher in eventu der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen.

römisch eins.6. Am 16.2.2018 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

römisch eins.7. Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 9.7.2021 (OZ 12) wurde die bP im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen die vom Gericht schriftlich übermittelten Fragen zu beantworten und ihre Behauptungen zur Glaubhaftmachung – soweit als möglich – durch Bescheinigungsmittel zu belegen. Weiters wurde die belangte Behörde aufgefordert, innerhalb derselben Frist unter Berücksichtigung der Einwendungen der bP in ihrer Beschwerde ihre Gründe darzulegen, weshalb die belangte Behörde aktuell im konkreten Fall vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennung des Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten ausgeht.

römisch eins.8. Mit Schriftsatz ihrer bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 22.7.2021 (OZ 13) erstattete die bP fristgerecht eine Stellungnahme.

Die bP legte mit der Stellungnahme einen bedingten Dienstvertrag, ein Detailergebnis zur ÖSD-Integrationsprüfung A2 vom 6.11.2019 ("bestanden") sowie ein Prüfungsergebnis B1 vom 4.6.2021 ("nicht bestanden"), Krankenhausbestätigungen über eine Behandlung im Jahr 2019 sowie eine Meldebestätigung vor.

römisch eins.9. Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 10.8.2021 (OZ 14) wurde die bP um Übermittlung des Zertifikats betreffend die abgelegte Integrationsprüfung A2 sowie um Bekanntgabe, ob sie zwischenzeitlich die Prüfung B1 erfolgreich abgelegt habe bzw. ob ein Prüfungstermin in näherer Zukunft feststeht, ersucht.

römisch eins.10. Mit Schriftsatz ihrer bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 13.8.2021 (OZ 15) erstattete die bP eine Stellungnahme und legte eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs B1.1 für 30.8.2021 bis 23.11.2021 vor.

römisch eins.11. Mit Urkundenvorlage ihrer bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 6.9.2021 (OZ 16) legte die bP ein Zeugnis zur Integrationsprüfung A2 vom 23.10.2019 vor.

römisch eins.12. Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 21.10.2021 (OZ 18) wurde der bP die Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak aus dem COI-CMS, Version 4, Datum der Veröffentlichung: 15.10.2021, übermittelt und die Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

römisch eins.13. Mit Schriftsatz ihrer bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 11.11.2021 (OZ 20) erstattete die bP eine Stellungnahme zu den Fluchtgründen, zur Sicherheitslage im Irak und zur Integration der bP.

Die bP legte mit der Stellungnahme mehrere Empfehlungsschreiben vor.

römisch eins.14. Am 30.11.2021 führte das erkennende Gericht im Beisein der bP, deren Rechtsvertreter und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung durch. Ein Behördenvertreter ist entschuldigt nicht erschienen.

Im Zuge der Verhandlung wurden der bP Erkenntnisquellen (Länderberichte) zur aktuellen Lage in ihrem Herkunftsstaat, konkret die Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak aus dem COI-CMS, Version 4, Datum der Veröffentlichung: 15.10.2021; die EASO-Country Guidance: Iraq, Common analysis and guidance note, von Jänner 2021; die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, von Mai 2019; der EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Gezielte Gewalt gegen Individuen, von März 2019; der EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak: Sicherheitslage, von Oktober 2020 (Allgemeines Kapitel und Kapitel römisch 40 ); der EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Akteure, die Schutz bieten können, von November 2018; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Sicherheitslage in den Provinzen römisch 40 und Kerbala vom 23.4.2021; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak, Versorgungslage römisch 40 (Lebensmittel, Wasser, Strom), Wohnungsmarkt, Schulbesuch, von 20.1.2021; der EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Zentrale sozioökonomische Indikatoren für römisch 40 Basra und Erbil von September 2020; das ACCORD ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen im Irak, vom 27.9.2021; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Bestimmte Artikel aus dem Strafgesetz der inneren Sicherheitskräfte; Ermittlungen und Verurteilungen bei Beschäftigten des Innenministeriums wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst; Ist die nicht ordnungsgemäße Rückgabe der Dienstwaffe und des Dienstausweises des Innenministeriums strafbar?, vom 8.9.2021; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Desertion vom Militär, Ausreise, zivile Dokumente, Strafen, vom 7.5.2019; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Gesetzliche Bestimmungen, die für Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen; Festnahme bei der Einreise, vom 26.1.2018; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee, vom 24.10.2016; sowie den irakischen Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 in englischer Übersetzung; übergeben und dieser eine Frist von zwei Wochen für eine Stellungnahme eingeräumt.

römisch eins.15. Eine Stellungnahme zu den Länderberichten wurde nicht erstattet.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:

römisch II.1.1. Zur Person der bP:

römisch II.1.1.1. Die bP führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren. Sie ist Staatsangehörige des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Die bP spricht Arabisch als Muttersprache. Sie ist gesund.

Die bP ist ledig und hat keine Kinder. Sie hat vier Schwestern und einen Bruder; ein weiterer Bruder ist im Jahr 2006 gestorben. Die bP wuchs in römisch 40 im Stadtteil römisch 40 , Viertel römisch 40 , auf und besuchte in römisch 40 zwölf Jahre lang die Schule (ohne Abschluss). Danach übte sie verschiedene Vorheriger SuchbegriffBerufeNächster Suchbegriff – auch gemeinsam mit ihrem selbständig tätigen Vater – aus. Anschließend arbeitete sie als Friseurin und Tischlerin. Von 2004 bis 2013 arbeitete die bP in verschiedenen ausländischen Unternehmen als Reinigungskraft. Später wurde sie in den irakischen Polizeidienst übernommen, wo ihre Aufgabe darin bestand, Kleidung und Lebensmittel an die Bediensteten auszugeben.

Die Eltern der bP und ihre bereits verheirateten Schwestern leben weiterhin in römisch 40 . Ihre Eltern leben in einem Mietshaus, ihre Schwestern in Eigentumshäusern. Der Vater der bP war selbständig tätig, ihre Mutter war Angestellte im Gesundheitsamt. Die Eltern beziehen beide eine Pension. Die Ehemänner der Schwestern der bP sind als Polizist, beim Militär oder selbständig tätig. Der Bruder der bP lebt in der Türkei. Die bP steht gegenwärtig nicht in direktem Kontakt mit ihrer Familie in römisch 40 ; sie kontaktiert aber ihren in der Türkei lebenden Bruder, der sie über die im Irak lebenden Familienangehörigen informiert.

Die bP reiste im Juli 2015 via internationalem Flug ab römisch 40 aus dem Irak in Richtung Türkei aus.

Die bP gehörte im Irak keiner politischen Partei oder politischen Gruppierung an und nahm auch nicht an Demonstrationen teil. Sie hatte vor ihrer Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder der Polizei ihres Herkunftsstaates zu gewärtigen.

römisch II.1.1.2. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass ein Bruder der bP im Jahr 2006 im Zuge eines terroristischen Aktes erschossen wurde.

Die bP wurde vor ihrer Ausreise aus dem Irak nicht von Anhängern einer schiitischen Miliz, konkret der Mahdi-Armee, gesucht oder haben diese versucht, sie zu töten.

Von Seiten des irakischen Staates wurde wider die bP kein Strafverfahren wegen Desertion aus dem Polizeidienst eingeleitet bzw. ist kein diesbezügliches Urteil ergangen.

Die bP war vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat keiner individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe, Anhänger von schiitischen Milizen oder sonstigen Privatpersonen ausgesetzt und wird im Falle einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion römisch 40 auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt sein.

Die bP ist im Fall einer Rückkehr in ihrer Herkunftsregion römisch 40 nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihres sunnitischen Religionsbekenntnisses ausgesetzt. Zudem wird der bP im Fall einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Anhängerschaft bzw. Unterstützung des IS oder ein sonstiges Naheverhältnis zum IS vor der Ausreise unterstellt werden. Sie hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland oder ihres Aufenthalts in Europa zu rechnen.

römisch II.1.1.3. Der bP droht im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der bP festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

Die bP ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mann mit im Herkunftsstaat erworbener zwölfjähriger Schulbildung (ohne Abschluss) sowie Berufserfahrung als Friseurin, Tischlerin, Reinigungskraft sowie im Staatsdienst. Die bP verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie ein familiäres Netz. Der bP ist außerdem die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes möglich und zumutbar.

Die bP verfügt über einen irakischen Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis und eine Wohnsitzkarte.

Die Stadt römisch 40 ist über den dortigen internationalen Flughafen von Wien-Schwechat aus (mit Umstieg in Istanbul oder alternativ in Amman, Doha oder Dubai) auf dem Luftweg sicher erreichbar.

römisch II.1.1.4. Die bP reiste im August 2015 illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein.

Die bP hat in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten und lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihr sonst nahestehenden Person zusammen. Die bP verfügt in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte; engere freundschaftliche Beziehungen der bP können nicht festgestellt werden. Die bP ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Erst im Jahr 2021 hat sie sich ehrenamtlich von April 2021 bis Oktober 2021 bei „Start up“ engagiert.

Die bP spricht gutes Alltagsdeutsch. Sie besuchte im Jahr 2016 mehrere Deutschkurse sowie zwei Integrationsmodule der Stadt römisch 40 . Am 23.10.2019 absolvierte die bP eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2. Eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestand die bP am 4.6.2021 nicht. Sie meldete sich im Jahr 2021 für einen Kurs B1.1 von 30.8.2021 bis 23.11.2021 an.

Die bP ging in Österreich bislang keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und steht nach wie vor im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung. Sie verfügte über einen aufschiebend mit der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung bedingten Dienstvertrag als Arbeiter. Der potenzielle Dienstgeber wurde am 10.9.2021 amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht. Mit Schreiben vom 28.02.2022 legte sie erneut einen aufschiebend mit der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung bedingten Dienstvertrag als Arbeiterin vor.

Die bP ist strafgerichtlich unbescholten. Von der bP im Bundesgebiet begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.

Der Aufenthalt der bP im Bundesgebiet war nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Die bP wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.

römisch II.1.2. Zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat:

römisch II.1.2.1. Zur allgemeinen Lage im Irak:

Covid-19

Letzte Änderung: 15.10.2021

Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle im Irak empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https://www.who.int/countries/irq/, oder der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Auswirkungen auf die Bewegungs- und die Versammlungsfreiheit

Im März und April 2020 verhängte die Regierung in römisch 40 Sperren aufgrund von COVID-19, welche die Bewegungsfreiheit zwischen den Provinzen stark einschränkten und zur Schließung der Grenzübergänge führten (FH 3.3.2021). Die im föderalen Irak am 9.6.2021 verhängte Ausgangssperre ist noch aktiv. Ausgangssperren gelten zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr und sind von Freitag bis Sonntag zusätzlich verschärft (IOM 18.6.2021).

Im April und Mai 2020 nutzten die Behörden im Irak die COVID-19-Maßnahmen, um Proteste niederzuschlagen und die Pressefreiheit, das Versammlungsrecht und die Aktivitäten der Opposition stark einzuschränken (FH 3.3.2021).

Nutzer sozialer Medien und Blogger wurden mit Verleumdungsklagen konfrontiert, weil sie die schlechte Reaktion der lokalen Behörden auf die COVID-19-Pandemie kritisierten (FH 3.3.2021).

Auswirkungen auf die Religionsfreiheit

Die Hadsch- und Umrah-Behörde registriert keinen Bürger, der die Umrah- und Hadsch-Pilgerreise antreten möchte, wenn dieser keinen Impfnachweis vorweisen kann (GoI 13.4.2021).

Auswirkungen auf die Wirtschaftslage

Die von den irakischen Behörden und der kurdischen Regionalregierung (KRG) verhängten Abriegelungen verschlimmerten die finanziellen Nöte von Niedriglohnarbeitern und Kleinunternehmern (FH 3.3.2021). Die Erwerbsbeteiligung im Irak war mit 48,7% im Jahr 2019 bereits vor der Ausbreitung des COVID-19-Virus eine der niedrigsten in der Welt. Der wirtschaftliche Abschwung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Beschäftigungsmöglichkeiten deutlich verringert und die Löhne gesenkt. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) wurde aufgrund der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen ab April 2020 ein durchschnittlicher Beschäftigungsrückgang von 40% verzeichnet. Am stärksten betroffen waren KMUs im Baugewerbe und in der verarbeitenden Industrie, mit einem Verlust von 52% der Arbeitsplätze, gefolgt vom Lebensmittel- und Agrarsektor, mit einem Verlust von 45% der Arbeitsplätze (IOM 18.6.2021).

Seit dem Ausbruch der Corona-Krise haben staatliche Angestellte im gesamten Land keine regelmäßige und volle Gehaltsauszahlung erhalten (GIZ 1.2021b). Die irakische Regierung hat Schwierigkeiten, die Löhne und Gehälter der sechs Millionen im öffentlichen Sektor Angestellten zu zahlen. Millionen Menschen, die im privaten und informellen Sektor gearbeitet haben, haben ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensgrundlage verloren. Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltbankgruppe leben im Jahr 2020 schätzungsweise 4,5 Millionen Iraker unter die Armutsgrenze von 1,90 USD pro Tag (IOM 18.6.2021).

Auswirkungen auf die medizinische Versorgung

Die COVID-19-Pandemie hat das ohnehin schon marode irakische Gesundheitswesen stark in Mitleidenschaft gezogen, das mit der großen Zahl von Menschen, die sich mit dem Virus infiziert haben, nur schwer zurechtkommt (FH 3.3.2021).

Anfang 2020, zu Beginn der COVID-19-Krise, pausierten die Gesundheitseinrichtungen die meisten Dienstleistungen und konzentrierten sich auf die Erforschung des Virus und seine Auswirkungen. Im September 2020 nahm der öffentliche Gesundheitssektor seine Arbeit und seine Dienste wieder auf, mit zusätzlichen Vorschriften wie z. B., dass Krankenhäuser nur nach Terminvereinbarung aufgesucht werden dürfen, strengere Hygienemaßnahmen, und dass medizinisches Personal im Rotationsverfahren eingesetzt wird, was längere Wartezeiten zur Folge hat (IOM 18.6.2021).

Im Jahr 2021 arbeiteten sowohl der öffentliche als auch der private Gesundheitssektor fast wieder auf normalem Niveau, jedoch mit hohen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 auf Anweisung des irakischen Gesundheitsministeriums (MoH) (IOM 18.6.2021).

Eine Umfrage deutet darauf hin, dass im Jahr 2020, infolge der COVID-Krise, die Zahl der Rückkehrerhaushalte, die mehr als 20% ihrer monatlichen Gesamtausgaben für Gesundheit oder Medikamente ausgeben, stark auf 38% gestiegen ist (gegenüber 7% im Jahr 2019) (IOM 18.6.2021).

Auswirkungen auf den Bildungszugang

Als Sofortmaßnahme gegen die COVID-19-Pandemie hat das Bundesbildungsministerium Ende Februar 2020 alle Schulen im Irak schließen lassen (UNICEF 20.1.2021). Die Schulen waren von März bis November 2020 geschlossen. Kinder ohne Zugang zu digitalen Lernmöglichkeiten, insbesondere Kinder von Vertriebenen und in Armut lebenden Familien, sind besonders vom Bildungsverlust betroffen. Besonders hart betroffen sind jene Kinder, die bereits vor der Pandemie durch das Leben unter IS-Herrschaft mehrere Jahre an Bildungszugang verloren haben (HRW 13.1.2021). Ende November 2020 wurden die Schulen wieder geöffnet, mit einem Tag Präsenzunterricht pro Woche für jede Klasse (UNICEF 20.2.2021).

Quellen:

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        GoI - Government of Iraq (13.4.2021): Covid-19: Iraqi government amends curfew hours, announces other measures, https://gds.gov.iq/covid-19-iraqi-government-amends-curfew-hours-announces-other-measures/, Zugriff 25.8.2021

●        Gov.KRD - Kurdistan Regional Governemnet (30.6.2021): Situation Update Coronavirus (COVID-19), https://gov.krd/coronavirus-en/situation-update/, Zugriff 25.8.2021

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 10.2.2021

●        IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

●        UNICEF - UN Children's Fund, Central Statistical Organization (20.1.2021): Iraq Humanitarian Situation Report (IDP Crisis): End-Year 2020, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNICEF%20Iraq%20Humanitarian%20Situation%20Report%20%28IDP%20Crisis%29%20-%20End-Year%202020.pdf, Zugriff 25.8.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 15.10.2021

Mit dem gewaltsamen Sturz Saddam Husseins und der Ba'ath-Partei im März 2003 (DFAT 17.8.2020, S.9) wurde die politische Landschaft des Irak enorm verändert (KAS 2.5.2018, S.2; vergleiche Fanack 8.7.2020). 2005 hielt der Irak erstmals demokratische Wahlen ab und führte eine Verfassung ein, die zahlreiche Menschenrechtsbestimmungen enthält. Das Machtvakuum infolge des Regimesturzes und die Misswirtschaft der Besatzungstruppen führten hingegen zu einem langwierigen Aufstand gegen die US-geführten Koalitionstruppen (DFAT 17.8.2020, S.9). Dieses gemischte Bild ist das Ergebnis der intensiven politischen Dynamik, die durch den Aufstieg des sog. Islamischen Staates auf eine harte Probe gestellt wurde (KAS 2.5.2018, S.2). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2021a).

Gemäß der Verfassung von 2005 ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine der Hauptquellen der Gesetzgebung (AA 22.1.2021, S.8; vergleiche Fanack 8.7.2020). Das Land ist in 18 Gouvernements (muhafazāt) unterteilt (Fanack 8.7.2020), jedes mit einem gewählten Rat, der einen Gouverneur ernennt (DFAT 17.8.2020; S.17). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (BS 29.4.2020, S.11; vergleiche GIZ 1.2021a, RoI 15.10.2005). An der Spitze der Exekutive steht der Präsident, welcher mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (arab.: majlis al-nuwwāb, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 8.7.2020). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert die Souveränität und Einheit des Staates (DFAT 17.8.2020, S.17). Das zweite Organ der Exekutive ist der Premierminister, welcher vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt wird (Fanack 8.7.2020; vergleiche RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist zudem Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 8.7.2020; vergleiche DFAT 17.8.2020, S.17). Die Legislative wird durch den Repräsentantenrat, d.h. das Parlament, ausgeübt (Fanack 8.7.2020; vergleiche KAS 2.5.2018, S.2). Er besteht aus 329 Abgeordneten, die für eine Periode von vier Jahren gewählt werden (FH 3.3.2021; vergleiche GIZ 1.2021a). Neun Sitze sind per Gesetz für Minderheiten reserviert (AA 22.1.2021, S.11; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021) - fünf für Christen und je einer für Jesiden, Manäer-Sabäer, Schabak und für Faili-Kurden aus dem Gouvernement Wassit (AA 22.1.2021, S.11; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021). Die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021). Die Judikative wird vor allem durch den Bundesgerichtshof repräsentiert (KAS 2.5.2018, S.2).

Die Grenzen zwischen Exekutive, Legislative und Judikative sind jedoch häufig fließend (FH 3.3.2021). Unabhängige Institutionen, die stark genug wären, die Einhaltung der Verfassung zu kontrollieren und zu gewährleisten, existieren nicht (GIZ 1.2021a). In Artikel 19 der Verfassung heißt es beispielsweise, dass die Justiz unabhängig ist, und keine Macht über der Justiz steht, außer dem Gesetz selbst. Die Justiz ist jedoch eine der schwächsten Institutionen des Staates, und ihre Unabhängigkeit wird häufig durch die Einmischung politischer Parteien über Patronage-Netzwerke und Klientelismus untergraben (BS 29.4.2020, S.11).

Das politische System des Iraks wird durch das sogenannte Muhasasa-System geprägt. Muhasasa im irakischen Kontext bedeutet die Vergabe von staatlichen Ämtern entlang ethnisch-konfessioneller (Muhasasa Ta’ifiyya) oder parteipolitischer (Muhasasa Hizbiyya) Linien. Der Aufteilung wird ein geschätzter Zensus zu Grunde gelegt, sodass die drei größten Bevölkerungsgruppen (Kurden, Sunniten, Schiiten) ihren Bevölkerungsanteilen gemäß proportional repräsentiert werden. Einige Minderheiten wie Christen und Jesiden sind durch für sie reservierte Sitze repräsentiert. Mit der Vergabe staatlicher Ämter ergibt sich auch ein Zugang zu staatlichen Ressourcen, z.B. durch Zugang zu Budgets von Ministerien oder lokalen Behörden (BAMF 5.2020, S.2f.). Das Muhasasa-System gilt auch für die Staatsführung. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018; vergleiche FH 3.3.2021). Das konfessionelle Proporzsystem im Parlament festigt den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindert die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 2.3.2020, S.8). Das seit 2003 etablierte politische Muhasasa-System steht in weiten Teilen der Bevölkerung in der Kritik (BAMF 5.2020, S.30), insbesondere bei säkularen und nationalen Kräften (GIZ 1.2021a). Seit 2015 richten sich die Demonstrationen im Irak zunehmend auch gegen das etablierte Muhasasa-System als solches. Das Muhasasa-System wird für das Scheitern des Staates verantwortlich gemacht (BAMF 5.2020, S.1). Vom Muhasasa-System abgesehen, stehen viele sunnitische Iraker der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber (AA 2.3.2020, S.8).

Für die Durchführung der Wahlen im Irak ist die Unabhängige Hohe Wahlkommission (IHEC) verantwortlich. Sie genießt generell das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft und der irakischen Bevölkerung. Der Irak hält regelmäßig, kompetitive Wahlen ab. Die verschiedenen parteipolitischen, ethnischen und konfessionellen Gruppen des Landes sind im Allgemeinen im politischen System vertreten. Allerdings wird die demokratische Regierungsführung in der Praxis durch Korruption und Sicherheitsbedrohungen behindert (FH 3.3.2021). Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünften landesweiten Wahlen seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018; vergleiche FH 3.3.2021). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September 2018 zusammen (ZO 2.10.2018; vergleiche FH 3.3.2021).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (FH 3.3.2021; vergleiche DW 2.10.2018, ZO 2.10.2018, KAS 5.10.2018). Bereits ein Jahr nach seiner Ernennung, reichte Premierminister Adel Abdul Mahdi Ende November 2019 als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste seinen Rücktritt ein. Die Proteste richteten sich gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vergleiche RFE/RL 6.2.2020; GIZ 1.2021a). Nachdem Muhammad Tawfiq Allawi an der Regierungsbildung scheiterte und nach einem Monat am 1.3.2020 seinen Rücktritt verkündete (GIZ 11.2020a; vergleiche Standard 2.3.2020; Reuters 1.3.2020), misslang auch dem als säkular geltenden Adnan az-Zurfi (GIZ 1.2021; vergleiche Reuters 17.3.2020), wegen des Widerstands der drei schiitischen Koalitionen Fatah, Dawlat al-Qanoon und Hikma, die Bildung einer Regierung. Präsident Salih beauftragte daraufhin am 9.4.2020 den von den schiitischen Blöcken favorisierten Kandidaten Mustafa al-Kadhimi mit der Regierungsbildung (GIZ 1.2021a), auf den sich die großen Blöcke im Parlament und ihre ausländischen Unterstützer letztlich einigten (FH 3.3.2021).

Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vergleiche NYT 24.12.2019; Al Monitor 2.11.2020). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass künftig für Einzelpersonen statt für Parteilisten gestimmt werden soll (NYT 24.12.2019; vergleiche FH 3.3.2021). Die Gouvernements werden hierzu in eine Reihe neuer Wahlbezirke unterteilt, in denen für jeweils 100.000 Einwohner ein Abgeordneter gewählt wird (FH 3.3.2021). Unklar ist für diese Einteilung jedoch, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (FH 3.3.2021; vergleiche NYT 24.12.2019). Einige politische Parteien befürchten Wahlbetrug und lehnen die Einteilung der Wahlbezirke ab. Besonders die traditionellen Parteienblöcke befürchten einen Verlust an Einfluss durch die Aufteilung ihrer Wählerschaft in die neuen, kleineren Wahlbezirke (Al Monitor 2.11.2020).

Die aus den letzten Wahlen im Mai 2018 hervorgegangenen vier größten Allianzen wurden alle von schiitischen Parteien angeführt, wobei unterschiedliche Anstrengungen unternommen wurden, die konfessionellen Grenzen zu überwinden. Unter den verschiedenen kurdischen Parteien dominierten die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und die Patriotische Union Kurdistans (PUK). Die restlichen Sitze verteilten sich auf sunnitisch geführte Bündnisse, kleinere Parteien und Unabhängige (FH 3.3.2021), wobei die sunnitische politische Szene im Irak durch anhaltende Fragmentierung und Konflikte zwischen Kräften, die auf Gouvernements-Ebene und solchen, die auf Bundesebene agieren, gekennzeichnet ist. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).

Sairoun, das Bündnis aus der schiitischen Sadr-Bewegung und der Kommunistischen Partei, erlangte bei den Wahlen 2018 54 Sitze im Parlament, gefolgt von den vier schiitisch geprägten Bündnissen, der Fatah-Koalition mit 47, der Nasr-Allianz mit 42, der Dawlat al Qanoon-Allianz mit 25 Sitzen sowie der Hikma-Koalition mit 19 Sitzen. Die säkulare Wataniya-Allianz, angeführt von Ex-Premier Allawi, errang 21 Mandate. Das größte sunnitische Bündnis unter Osama al-Nujaifi errang 11 Sitze. Die beiden großen Kurden-Parteien KDP und PUK gewannen 25 bzw. 18 Sitze (LSE 7.2018).

Die Gründung von Parteien, die mit militärischen oder paramilitärischen Organisationen in Verbindung stehen, ist eigentlich verboten (RCRSS 24.2.2019) und laut Executive Order 91, die im Februar 2016 vom damaligen Premierminister Abadi erlassen wurde, sind Angehörige der Volksmobilisierungskräfte (PMF) von politischer Betätigung ausgeschlossen (Wilson Center 27.4.2018). Die Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018). Im Jahr 2018 traten über 500 Milizionäre und mit Milizen verbundene Politiker, viele davon mit einem Naheverhältnis zum Iran, bei den Wahlen an (Wilson Center 27.4.2018). Etliche errangen tatsächlich auch Sitze im Parlament (FH 3.3.2021).

Im Juli 2020 hat Premierminister al-Kadhimi ein Versprechen an die Protestbewegung erfüllt und die Vorverlegung der Parlamentswahlen auf 6.6.2021 beschlossen (Reuters 31.7.2020; vergleiche GIZ 1.2021a; Al Monitor 9.12.2020). Auf Vorschlag der Unabhängigen Hohen Wahlkommission (IHEC), die um mehr Zeit für die Umsetzung der rechtlichen und logistischen Maßnahmen bat, hat das Kabinett einstimmig entschieden, die Parlamentswahlen auf den 10.10.2021 zu verschieben. Die Amtszeit für das aktuelle Parlament endet offiziell 2022 (Al Jazeera 19.1.2021). Am Vorabend der Parlamentswahlen im Oktober 2021 sahen sich reformorientierte Kandidaten bei Vorbereitung gegen die etablierten Parteien des Landes anzutreten, zu denen auch bewaffnete Milizen gehören, die das irakische Parlament seit 2018 dominieren, mit beunruhigenden Hindernissen konfrontiert (MEI 22.3.2021).

Nach wiederholten Verzögerungen wurden die ursprünglich für 2017 geplanten Wahlen zu den Provinzräten im November 2019 auf unbestimmte Zeit verschoben (FH 3.3.2021). Das irakische Parlament hatte Ende Oktober 2019 beschlossen, die Provinzräte aufzulösen, mit Ausnahme jener in der Region Kurdistan (KRI). Es beschloss jedoch, die Gouverneure im Amt zu belassen, welche die Aufgaben der Räte übernehmen, aber unter der Kontrolle der Zentralregierung stehen. Das irakische Bundesgericht bestätigte Anfang Juni 2021 nach einer vorausgegangenen Klage die Entscheidung des Parlaments von 2019 (Rudaw 2.6.2021).

Quellen:

●        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 13.8.2021

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.3.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027997/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_02.03.2020.pdf, Zugriff 13.8.2021

●        Al Jazeera (19.1.2021): Iraqi cabinet votes to delay general election until October 10, https://www.aljazeera.com/news/2021/1/19/iraqi-cabinet-votes-to-delay-general-election-until-october-10, Zugriff 16.8.2021

●        Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/9/15/deadlock-broken-as-iraqi-parliament-elects-speaker, Zugriff 16.8.2021

●        Al Monitor (9.12.2020): Iraqi government presses ahead with early elections next year, https://www.al-monitor.com/originals/2020/12/iraq-elections-parliament.html, Zugriff 16.8.2021

●        Al Monitor (2.11.2020): Iraqi parliament votes on final version of electoral law, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/11/iraq-elections-law-parliament.html, Zugriff 16.8.2021

●        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2020): Länderreport 25; Irak; Die Entstehung einer neuen Protestbewegung, Mai 2020
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2020/laenderreport-25-irak.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 16.8.2021

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Sicherheitslage

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die Sicherheitslage im Irak hat sich seit dem Ende der groß angelegten Kämpfe gegen den sog. Islamischen Staat (IS) erheblich verbessert (FH 3.3.2021). Derzeit ist es jedoch staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen (AA 22.1.2021). Der sog. IS ist zwar offiziell besiegt, stellt aber weiterhin eine Bedrohung dar, und es besteht die ernsthafte Sorge, dass die Gruppe wieder an Stärke gewinnt (DIIS 23.6.2021). Zusätzlich agieren insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen eigenmächtig. Die ursprünglich für den Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar (AA 22.1.2021). Die Volksmobilisierungskräfte (PMF) haben erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Lage im Irak und nutzen ihre Stellung zum Teil, um unter anderem ungestraft gegen Kritiker vorzugehen. Immer wieder werden Aktivisten ermordet, welche die vom Iran unterstützten PMF öffentlich kritisiert haben (DIIS 23.6.2021). Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 22.1.2021). Siehe hierzu Kapitel: Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha‘bi

Im Jahr 2020 blieb die Sicherheitslage in vielen Gebieten des Irak instabil (USDOS 30.3.2021). Die Gründe dafür liegen in sporadischen Angriffen durch den sog. IS (UNSC 30.3.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021), in Kämpfen zwischen den irakischen Sicherheitskräften (ISF) und dem IS in dessen Hochburgen in abgelegenen Gebieten des Irak, in der Präsenz von Milizen, die nicht vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen, einschließlich bestimmter Volksmobiliserungskräfte (PMF) sowie in ethno-konfessioneller und finanziell motivierter Gewalt (USDOS 30.3.2021).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA, die am 3.1.2020 in der gezielten Tötung von Qasem Soleimani, Kommandant des Korps der Islamischen Revolutionsgarden und der Quds Force, und Abu Mahdi al-Muhandis, Gründer der Kataib Hisbollah und de facto Anführer der Volksmobilisierungskräfte, bei einem Militärschlag am Internationalen Flughafen von römisch 40 gipfelten, haben einen destabilisierenden Einfluss auf den Irak (DIIS 23.6.2021). Schiitische Milizenführer drohen regelmäßig damit, die von den USA unterstützten Streitkräfte im Irak anzugreifen. Anschläge mit Sprengfallen (IEDs) gegen militärische Versorgungskonvois der USA sind im Irak an der Tagesordnung. Es wird häufig über Anschläge in der südlichen Region des Landes berichtet, darunter in den Gouvernements Babil, Basra, Dhi Qar, Qadisiyyah und Muthanna. Aber auch aus den zentralen Gouvernements römisch 40 , Anbar und Salah ad-Din wurden Anschläge gemeldet. Konvois werden oft auf Autobahnen angegriffen, wobei diese Vorfälle selten Opfer oder größere Schäden zur Folge haben (Garda 15.7.2021). Die Zahl der Angriffe pro-iranischer Milizen hat ihren bisherigen monatlichen Höhepunkt mit 26 im April 2021 erreicht und ist seitdem zurückgegangen. Diese Gruppen versuchen, die US-Präsenz im Irak einzuschränken, was ihr auch gelungen ist, da sich die Amerikaner nun auf den Schutz ihrer Truppen konzentrieren, anstatt mit den irakischen Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten (Wing 2.8.2021).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 22.1.2021).

Im Nordirak führt die Türkei zum Teil massive militärische Interventionen durch, die laut der Türkei gegen die PKK gerichtet sind, und die Türkei unterhält temporäre Militärstützpunkte (GIZ 1.2021a). Die Gründung weiterer Militärstützpunkte ist geplant (Reuters 18.6.2020).

Die Regierungen in römisch 40 und Erbil haben im Mai 2021 eine Vereinbarung über den gemeinsamen Einsatz ihrer Sicherheitskräfte (ISF und der Peshmerga) in den Sicherheitslücken zwischen den von ihnen kontrollierten Gebieten getroffen (Rudaw 14.5.2021; vergleiche Rudaw 21.6.2021). Seitdem wurden mehrere "Gemeinsame Koordinationszentren" eingerichtet (Rudaw 21.6.2021). In vier neuen Gemeinsamen Koordinationszentren, in Makhmour, in Diyala, in Kirkuks K1 Militärbasis und in Ninewa, werden kurdische und irakische Kräfte zusammenarbeiten und Informationen austauschen, um den sog. IS in diesen Gebieten zu bekämpfen (Rudaw 25.5.2021). - Jene Sicherheitslücken werden vom sog. IS erfolgreich ausgenutzt. In einigen Gebieten ist die Sicherheitslücke bis zu 40 Kilometer breit. Der sog. IS gewinnt dort an Stärke und führt tödliche Angriffe auf kurdische und irakische Kräfte und Zivilisten durch (Rudaw 14.5.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        DIIS - Danish Institute for international Studies (23.6.2021): Security provision and external actors in Iraq, https://www.diis.dk/en/research/security-provision-and-external-actors-in-iraq, Zugriff 25.8.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        Garda World (15.7.2021): Iraq: Improvised explosive device targets convoy carrying military supplies in Dhi Qar Governorate July 15, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/502161/iraq-improvised-explosive-device-targets-convoy-carrying-military-supplies-in-dhi-qar-governorate-july-15, Zugriff 25.8.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        Reuters (18.6.2020): Turkey plans more military bases in north Iraq after offensive: official, https://www.reuters.com/article/us-turkey-security-iraq/turkey-plans-more-military-bases-in-north-iraq-after-offensive-official-idUSKBN23P12U, Zugriff 16.3.2021

●        Rudaw (21.6.2021): Coalition ‘very happy’ with Peshmerga reform, Kurdish-Iraqi coordination: colonel, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/210620212, Zugriff 21.6.2021

●        Rudaw (25.5.2021): In Makhmour, Iraqi and Kurdish forces collaborate against common enemy ISIS, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/25052021, Zugriff 21.6.2021

●        Rudaw (14.5.2021): Erbil, Baghdad agree on joint deployment to combat ISIS threat: Peshmerga ministry, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/14052021, Zugriff 21.6.2021

●        UNSC - United Nations Security Council (30.3.2021): Conflict-related sexual violence; Report of the Secretary-General [S/2021/312], https://www.ecoi.net/en/file/local/2049397/S_2021_312_E.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html, Zugriff 25.8.2021

Islamischer Staat (IS)

Letzte Änderung: 15.10.2021

Im Dezember 2017 erklärte der Irak offiziell den Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS), nachdem im Monat zuvor mit Rawa im westlichen Anbar, das letzte urbane Zentrum des IS im Irak zurückerobert worden war (Al Monitor 11.7.2021). Der IS stellt nach wie vor eine Bedrohung dar (DIIS 23.6.2021; vergleiche MEE 4.2.2021, Garda 15.4.2021). Er ist als klandestine Terrorgruppe aktiv, deren Fähigkeit zu operieren dadurch verringert ist, dass er weder Territorium noch Zivilbevölkerung beherrscht (FH 3.3.2021). Laut irakischen Kommandanten ist der IS nicht mehr in der Lage Territorien zu halten (MEE 4.2.2021).

Nur eine Minderheit der IS-Kräfte ist aktiv in Kämpfe verwickelt, besonders in einigen Gebieten im Nord- und Zentralirak. In Gebieten mit sunnitischer Bevölkerungsmehrheit konzentriert sich der IS auf die Doppelstrategie der Einschüchterung und Versöhnung mit den lokalen Gemeinschaften, während er auf ein erneutes Chaos oder den Abzug der internationalen Anti-Terrortruppen wartet (NI 19.5.2020). Der IS unterhält im gesamten West- und Nordirak Zellen, die gut ausgerüstet und äußerst mobil sind. Es wird angenommen, dass sie die Unterstützung aus den marginalisierten sunnitischen Gemeinschaften in der Region erhalten (Garda 15.4.2021). Schätzungen über die Stärke des IS gehen von 2.000 bis zu 10.000 IS-Kämpfer im Irak, dürften aber zu hoch gegriffen sein und sich zur Hälfte aus Unterstützern und Schläfern zusammensetzen (NI 18.5.2021).

Eine grundlegende geografische Verteilung der IS-Kämpfer lässt sich aus deren Operationen ableiten, die sie gegen die Sicherheitskräfte und die PMF durchführen. Diese betreffen hauptsächlich Anbar, römisch 40 , Babil, Kirkuk, Salah ad-Din, Ninewa und Diyala (NI 18.5.2021). Nach der territorialen Niederlage im Jahr 2017 haben sich Zellen des IS weitgehend im Gebietsdreieck zwischen den Gouvernements Salah ad-Din, Diyala und Kirkuk, einschließlich des Hamrin-Gebirges, im Nordirak neu gruppiert. Das Gebiet liegt zwischen den Zuständigkeiten der irakischen Sicherheitskräfte und denen der kurdischen Regionalregierung (KRG), den Peshmerga (MEE 4.2.2021). Um die 2.000 der Kämpfer sollen sich in diversen Dreiecksgebieten konzentrieren: Das Gebiet zwischen Nord, West und Süd römisch 40 , das Gebiet zwischen den nördlichen Hamreenbergen, Südkirkuk und dem Osten von Salah-ad-Din, das Gebiet zwischen Makhmour, Shirqat und den Khanoukenbergen im nördlichen Salah ad-Din, das Gebiet zwischen Baaj in Ninewa, Rawa im nördlichen Anbar und dem Tharthar See, das Gebiet zwischen Wadi Hauran, Wadi al-Qathf und Wadi al-Abyad in Anbar (NI 19.5.2020). Auch Informationen irakischer Sicherheitsbeamter deuten darauf hin, dass der IS auf abgelegene Stützpunkte tief in der Wüste in Anbar, Ninewa, in Gebirgszügen, Tälern und Obstplantagen in römisch 40 , Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala zurückgreift, um seine Kämpfer unterzubringen und Überwachungs- und Kontrollpunkte zur Sicherung der Nachschubwege einzurichten. Er nutzt diese Stützpunkte auch, um Kommandozentren und kleine Ausbildungslager einzurichten. In urbanen Gebieten hat der IS seine Kämpfer in kleinen mobilen Untergruppen reorganisiert und seine Aktivitäten in Gebieten in denen er noch Einfluss hat verstärkt, indem er die internen Probleme des Iraks ausnutzt und sich vertrautes geografisches Gebiet zunutze macht (NI 18.5.2021).

(Quelle: NI 19.5.2020)

Der verstärkte Einsatz von mobilen Gruppen, die in verschiedenen Gebieten operieren, oft weit entfernt von ihren Stützpunkten oder von Unterkünften wie den Madafat Anmerkung, Grundausbildungslager), die sich in unwegsamem Gelände, Felsenhöhlen oder unterirdischen Tunneln befinden, bedeutet, dass die tatsächliche Präsenz der Gruppe nicht anhand ihrer territorialen Ansprüche oder von Ankündigungen irakischer Behörden beurteilt werden kann (NI 18.5.2021). Der IS verlässt sich bei der Planung und Ausführung seiner Aktivitäten auf geografisches Terrain. Obwohl die Gruppe nicht mehr als Staat agiert, wie es in den Jahren des Kalifats von 2014 bis 2018 der Fall war, beziehen sich ihre Kommuniqués, in denen sie sich zu Anschlägen bekennt, immer noch auf das Wilayat als Teil ihrer PR-Strategie (NI 18.5.2021).

Der IS wählt seine Einsatzgebiete nach strategischen Faktoren aus: Ein Faktor ist die Generierung von Finanzmitteln, an den Handelsrouten zum Iran, zu Syrien und zwischen den irakischen Gouvernements, durch Steuern bzw. Schutzgelder, die Transportunternehmen auferlegt werden, sowie aus dem Schmuggel von Medikamenten, Waffen, Zigaretten, Öl, illegalen Substanzen und Lebensmitteln. Ein anderer Faktor ist die Schaffung strategischer Tiefe und sicherer Häfen. So konzentriert sich der IS auf die Ansiedlung in verlassenen Dörfern im Nord- und Zentralirak, wo natürliche geographische Barrieren und Gelände, wie Täler, Berge, Wüsten und ländliche Gebiete, konventionelle Militäroperationen zu einer Herausforderung machen. Hier nutzt der IS Höhlen, Tunnel und Lager zu Ausbildungszwecken, auch um sich Überwachung, Spionage und feindlichen Operationen zu entziehen. Ein weiterer Faktor ist die direkte Nähe zum Ziel. Der IS konzentriert sich beispielsweise auf Randgebiete um Städte und große Dörfer, die eine große Präsenz von einerseits Stammesmilizen oder lokalen Streitkräften und andererseits von nicht-lokalen loyalistischen PMF-Milizen aufweisen, sowie auf niederrangige Beamte, die mit der Regierung für die Vertreibung des IS zusammengearbeitet haben. Solche Gebiete sind häufig instabil aufgrund von Friktionen zwischen den verschiedenen Kräften. Einheimische, vor allem solche, die durch die anwesenden Kräfte geschädigt wurden, können dem IS gegenüber aufgeschlossener sein (CPG 5.5.2020).

Der IS hat die jüngsten Entwicklungen im Irak, wie die weitreichenden öffentlichen Proteste, den Rücktritt der Regierung und die daraus resultierende politische Stagnation, die Machtkämpfe um die Ermordung des Führers der Popular Mobilization Forces (PMF), Abu Mahdi al-Muhandis, durch die USA und den Abzug von US-Streitkräften aus dem Irak, operativ genutzt und in eher kleinen Gruppen von neun bis elf Männern Anschläge in Diyala, Salah ad-Din, Ninewa, Kirkuk und im Norden Bagdads verübt (CPG 5.5.2020).

Seit Sommer 2021 häufen sich Angriffe auf das irakische Stromnetz. Diese Angriffe werden von den Behörden terroristischen Kräften oder dem IS zugeschrieben (AN 14.8.2021). Der IS hat sich zu Dutzenden solcher Anschläge bekannt und bedroht auch andere lebenswichtige Infrastruktur. Es wird angenommen, dass der IS versucht Panik zu verbreiten, indem er das Elektrizitätsnetz angreift (Rudaw 8.8.2021).

Nach der Tötung des "Kalifen" Abu Bakr al-Baghdadi wurde Abu Ibrahim al-Hashimi al-Qurashi 2019 der neue Anführer des IS. Dieser wurde als Ameer Muhammed Sa'id al-Salbi al-Mawla identifiziert, ein langjähriger Anführer des IS aus Tal Afar im Nordirak (NI 19.5.2020; vergleiche CISAC 2021). Dem neuen Kalifen sind zwei fünfköpfige Ausschüsse unterstellt: ein Shura (Beratungs-) Rat und ein Delegiertenausschuss. Jedes Mitglied des letzteren ist für ein Ressort zuständig (Sicherheit, sichere Unterkünfte, religiöse Angelegenheiten, Medien und Finanzierung). Die verschiedenen Sektoren des IS arbeiten auf lokaler Ebene dezentralisiert, halbautonom und sind finanziell autark (NI 19.5.2020). Ende Jänner 2021 wurde der Wali [Anm.: Gouverneur] für den Irak Jabbar Salman Ali Farhan al-Issawi, bekannt als Abu Yasser, in einer Operation als Vergeltung für den IS-Bombenanschlag in römisch 40 vom 21.1.2021 im Süden Kirkuks getötet (WIng 4.2.2021; vergleiche Al-Monitor 1.3.2021, VOA 7.2.2021). Abu Yasser hatte Berichten zufolge seit 2017 den IS-Aufstand im Irak angeführt (VOA 7.2.2021).

Quellen:

●        Al Monitor (11.7.2021): Islamic State uses hit-and-run tactics in Iraq, https://www.al-monitor.com/originals/2021/07/islamic-state-uses-hit-and-run-tactics-iraq, Zugriff 25.8.2021

●        Al Monitor (1.3.2021): Prominent Islamic State leaders killed in Iraq, https://www.al-monitor.com/originals/2021/03/iraq-security-isis-tarmiya.html, Zugriff 12.4.2021

●        AN - Arab News (14.8.2021): West Baghdad without water after ‘attack’ on power grid, https://www.arabnews.com/node/1911056/middle-east, Zugriff 25.8.2021

●        CISAC - Center for International Security and Cooperation (2021): The Islamic State, https://cisac.fsi.stanford.edu/mappingmilitants/profiles/islamic-state#highlight_text_12400, Zugriff 25.8.2021

●        CPG - Center for Global Policy (5.5.2020): ISIS in Iraq: From Abandoned Villages to the Cities, https://cgpolicy.org/articles/isis-in-iraq-from-abandoned-villages-to-the-cities/, Zugriff 4.6.2020

●        DIIS - Danish Institute for international Studies (23.6.2021): Security provision and external actors in Iraq, https://www.diis.dk/en/research/security-provision-and-external-actors-in-iraq, Zugriff 25.8.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        Garda World (15.4.2021): Iraq: At least five people killed, 21 injured in car bomb explosion in Baghdad April 15 /update 1, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/467636/iraq-at-least-five-people-killed-21-injured-in-car-bomb-explosion-in-baghdad-april-15-update-1, Zugriff 25.8.2021

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●        NI - Newlines Institute (19.5.2020): ISIS 2020: New Structures and Leaders in Iraq Revealed, https://newlinesinstitute.org/isis/isis-2020-new-structures-and-leaders-in-iraq-revealed/, Zugriff 4.6.2021

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●        Rudaw (8.8.2021): More than 18 attacks on electricity towers thwarted in Iraq in two weeks: military spox, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/080820212, Zugriff 25.8.2021

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Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Letzte Änderung: 15.10.2021

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den gesamten Irak im Lauf des Monats Jänner 2021 77 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 92 Toten (46 Zivilisten) und 176 Verwundeten (125 Zivilisten) verzeichnet. 64 dieser Vorfälle werden dem sog. Islamischen Staat (IS) zugeschrieben und 13 pro-iranischen Milizen. Die meisten Opfer gab es in römisch 40 mit 145, gefolgt von 36 in Diyala, 28 in Ninewa und 26 in Salah ad-Din (Wing 4.2.2021). Im Februar 2021 waren es 63 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 39 Toten (elf Zivilisten) und 77 Verwundeten (elf Zivilisten). 47 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 16 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Diyala mit 38, gefolgt von 26 in Kirkuk und 21 in Anbar (Wing 8.3.2021). Im März 2021 waren es 79 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 39 Toten (16 Zivilisten) und 44 Verwundeten (14 Zivilisten). 59 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 20 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Salah ad-Din mit 22, gefolgt von 19 in Diyala und 18 in Kirkuk (Wing 5.4.2021). Im April 2021 waren es 107 Vorfälle mit 54 Toten (19 Zivilisten) und 132 Verwundeten (52 Zivilisten). 80 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 27 pro-iranischen Milizen. Diyala hatte mit 62 die meisten Opfer zu beklagen, gefolgt von 39 in Kirkuk, 30 in römisch 40 , 24 in Salah ad-Din und 22 in Ninewa (Wing 3.5.2021). Im Mai 2021 waren es 113 Vorfälle mit 59 Toten (elf Zivilisten) und 100 Verwundeten (24 Zivilisten). 89 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 24 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Kirkuk mit 53, gefolgt von 31 in Salah ad-Din, 26 in Diyala und 19 in Anbar (Wing 7.6.2021). Im Juni 2021 wurden 83 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Dabei wurden 36 Menschen (16 Zivilisten) getötet und 87 verwundet (50 Zivilisten). 62 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 17 pro-iranischen Milizen. Vier weitere Vorfälle konnten nicht zugewiesen werden. Die meisten Opfer gab es in römisch 40 mit 47, gefolgt von 31 in Diyala und 23 in Kirkuk (Wing 6.7.2021). Im Juli 2021 waren es 107 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 106 Toten (76 Zivilisten) und 164 (114 Zivilisten) Verwundeten. 90 dieser Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 17 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in römisch 40 , wo ein Bombenanschlag 101 Opfer forderte, gefolgt von 65 in Salah ad-Din, 33 in Anbar, 25 in Diyala, 21 in Kirkuk und 20 in Ninewa (Wing 2.8.2021). Im August 2021 wurden schließlich 103 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 54 Toten (15 Zivilisten) und 82 Verwundeten (34 Zivilisten) verzeichnet. 73 der Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, 30 pro-iranischen Milizen. Die Meisten Opfer gab es in Salah ad-Din mit 48, gefolgt von 23 in Kirkuk, 19 in römisch 40 und 18 in Diyala (Wing 6.9.2021).

Die folgende Grafik von ACCORD zeigt im linken Bild die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im dritten Quartal 2020, nach Gouvernements aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im dritten Quartal 2020, nach Gouvernements aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 25.3.2021).

(ACCORD 25.3.2021)

Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 bis Juli 2021 dar (pro Monat jeweils ein Balken) (IBC 8.2021).

(IBC 8.2021)

Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle dokumentierte IBC im Jahr 2020 902 zivile Todesopfer. Im Jahr 2021 wurden bis Juli 2021 bisher 417 zivile Todesopfer verzeichnet. Bis auf die Monate April und Juli waren es jeweils weniger als in den Vergleichsmonaten des Vorjahres (IBC 8.2021).

(IBC 8.2021)

Quellen:

●        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (25.3.2021): Iraq, third quarter 2020: Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050684/2020q3Iraq_en.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        IBC - Iraq Bodycount (8.2021): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (6.9.2021): Islamic State’s Summer Offensive In Iraq Ends In August, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/09/islamic-states-summer-offensive-in-iraq.html, Zugriff 7.9.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (6.7.2021): Security In Iraq June 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/07/security-in-iraq-june-2021.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (7.6.2021): Islamic State’s Offensive Appears Over While Pro-Iran Groups Maintain Campaign In May 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/06/islamic-states-offensive-appears-over.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (3.5.2021): Islamic State Ramadan Offensive Begins, Pro-Iran Groups Increase Attacks In April 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/05/islamic-state-ramadan-offensive-begins.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (5.4.2021): Violence In Iraq, March 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/04/violence-in-iraq-march-2021.html,Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (8.3.2021): IS Winter Break Continues In Feb While Pro-Iran Groups Picking Up Attacks, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/03/is-winter-break-continues-in-feb-while.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (4.2.2021): Violence Continues To Decline In Iraq Winter 2020-21, https://musingsoniraq.blogspot.com/2021/02/violence-continues-to-decline-in-iraq.html, Zugriff 25.8.2021

Sicherheitslage römisch 40

Letzte Änderung: 15.10.2021

Das Gouvernement römisch 40 ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, das seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Gebiete (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmiya, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten "Bagdader Gürtel" (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 Kilometern um die Stadt römisch 40 liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Im Ort Tarmiya im nördlichen Teil des Gouvernement römisch 40 , hat der sog. Islamische Staat (IS) eine Zelle reaktiviert (Wing 2.8.2021). Im August 2021 haben Sicherheitskräfte eine Operation gegen diese IS-Zelle gestartet, nachdem der IS seine Angriffe in den vorangegangenen Monaten verstärkt hatte (Anadolu 23.8.2021). Seit Beginn des Sommers 2021 häufen sich Angriffe auf das irakische Stromnetz, das ohnehin bereits mit schweren Stromengpässen zu kämpfen hat. Mitte August 2021 wurde beispielsweise bei Tarmiya ein Strommast gesprengt, der die dortige Pumpstation mit Strom versorgt. Deren Stillstand hatte den Ausfall der Wasserversorgung für mehrere Millionen Menschen im Westen Bagdads zur Folge. Diese Angriffe werden von den Behörden terroristischen Kräften oder dem IS zugeschrieben (AN 14.8.2021).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA, die am 3.1.2020 in der gezielten Tötung von Qasem Soleimani, Kommandant des Korps der Islamischen Revolutionsgarden und der Quds Force und Abu Mahdi al-Muhandis, Gründer der Kata'ib Hisbollah und de facto Anführer der Volksmobilisierungskräfte bei einem Militärschlag am Internationalen Flughafen von römisch 40 gipfelten, haben einen destabilisierenden Einfluss auf den Irak (DIIS 23.6.2021).

Pro-iranische schiitische Milizenführer drohen regelmäßig damit, die von den USA unterstützten Streitkräfte im Irak anzugreifen. Unter anderem werden auch aus dem Gouvernement römisch 40 Anschläge mit Sprengfallen (IEDs) gegen militärische Versorgungskonvois der USA gemeldet. Konvois werden oft auf Autobahnen angegriffen, wobei diese Vorfälle selten Opfer oder größere Schäden zur Folge haben (Garda 15.7.2021). Pro-iranische Milizen werden auch für Raketen- und Drohnenangriffe auf den Internationalen Flughafen römisch 40 und auf die sogenannte Grüne Zone Anmerkung, ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandsvertretungen beherbergt) verantwortlich gemacht. Siehe dazu die folgende Auflistungen der monatlichen sicherheitsrelevanten Vorfälle:

Im Jänner 2021 wurden im Gouvernement römisch 40 zehn sicherheitsrelevante Vorfälle mit 34 Toten und 111 Verletzten verzeichnet. 32 der Toten und 110 der Verletzten waren Zivilisten. Sechs dieser Vorfälle werden dem sog. IS zugeschrieben, vier pro-iranischen Milizen (Wing 4.2.2021). Der IS hat im Jänner 2021 einen doppelten Selbstmordanschlag auf einem Markt am Tayaran-Platz im Zentrum Bagdads ausgeführt, bei dem 32 Menschen getötet und 110 verletzt wurden (Al Arabiya 19.7.2021; vergleiche BBC 21.1.2021, Wing 4.2.2021). Pro-iranische Milizen zeichneten sich verantwortlich für drei IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA und für den Raketenbeschuss des Internationalen Flughafens römisch 40 (Wing 4.2.2021).

Im Februar 2021 wurden zehn Vorfälle mit vier Toten und drei Verletzten verzeichnet. Je fünf Vorfälle werden dem IS und pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Bei den IS-Vorfällen handelte es sich, bis auf ein Feuergefecht in Tarmiya im Norden Bagdads, um Angriffe von geringem Ausmaß. Bei vier der pro-iranischen Vorfälle handelte es sich um IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA, beim fünften um einen Raketenbeschuss der Grünen Zone in römisch 40 (Wing 8.3.2021).

Im März 2021 gab es zehn sicherheitsrelevante Vorfälle mit drei Toten und sieben Verletzten, davon waren zwei der getöteten und sechs der verwundeten Personen Zivilisten. Acht dieser Vorfälle werden dem sog. IS, zwei weitere pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Die IS-Angriffe umfassten unter anderem ein Feuergefecht, den Einsatz einer Motorradbombe und den Angriff auf das Haus eines Sheikhs mit einem Sprengsatz. Tarmiya, ein Ort im Norden Bagdads, von dem aus eine IS-Zelle operiert, war hauptsächlich von den IS-Übergriffen betroffen. Bei den pro-iranischen Vorfällen handelte es sich um zwei IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA (Wing 5.4.2021).

Im April 2021 wurden im Gouvernement römisch 40 sieben sicherheitsrelevante Vorfälle mit sieben Toten und 23 Verletzten verzeichnet. Vier dieser Vorfälle werden dem IS, drei pro-iranischen Milizen zugeschrieben (Wing 3.5.2021). Bei einem der IS-Angriffe handelte es sich um einen Anschlag unter Verwendung einer Autobombe auf einem Markt in Sadr City, bei dem vier Menschen getötet und 20 verwundet wurden (Al Arabiya 19.7.2021; vergleiche Garda 15.4.2021, Wing 3.5.2021). Bei den pro-iranischen Vorfällen handelte es sich wiederum um zwei IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der USA sowie um Raketenbeschuss einer Militärbasis (Wing 3.5.2021).

Im Mai 2021 wurden neun sicherheitsrelevante Vorfälle mit 16 Toten verzeichnet, von denen zwei Zivilisten waren. Sieben Vorfälle werden dem IS zugeschrieben, wobei sich sechs im nördlichen Tarmiya Distrikt ereigneten. Zwei Vorfälle, ein Raketenbeschuss des Internationalen Flughafens römisch 40 und ein vereitelter Angriff, werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben (Wing 7.6.2021).

Im Juni 2021 wurden 16 sicherheitsrelevante Vorfälle mit acht Toten und 39 Verletzten verzeichnet. Sieben der Toten und 36 der Verletzten waren zivile Opfer. Zehn der Vorfälle werden dem sog. IS zugeschrieben. Sechs der sicherheitsrelevante Vorfälle, unter anderem ein IED-Angriff auf einen Versorgungskonvoi der USA sowie zwei Drohnenangriffe auf den Internationalen Flughafen römisch 40 , werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Weitere Angriffe konnten verhindert werden (Wing 6.7.2021).

Im Juli 2021 wurden im Gouvernement römisch 40 18 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten, davon 38 Zivilisten, und 59 zivile Verletzte verzeichnet. 14 dieser Vorfälle werden dem sog. IS zugeschrieben (Wing 2.8.2021). Am 19.7.2021 führte der IS ein Selbstmordattentat in einem Markt in Sadr City aus, bei dem 35 Menschen getötet und 59 verletzt wurden (Al Arabiya 19.7.2021; vergleiche Wing 2.8.2021). Vier Vorfälle, ein IED-Angriff gegen einen Versorgungskonvoi der USA, zwei Raketenbeschüsse der Grünen Zone sowie die Entschärfung einer Rakete, werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben (WIng 2.8.2021).

Im August 2021 wurden zehn Vorfälle, mit acht Toten und elf Verwundeten verzeichnet, wobei zwei der Verwundeten Zivilisten waren. Sechs Angriffe werden dem sog. IS zugeordnet, vier pro-iranischen Milizen (Wing 6.9.2021). Der IS war im Gouvernement römisch 40 neuerlich in Tarmiya am aktivsten, wo unter anderem ein PMF-Brigade-Hauptquartier angegriffen wurde. Bei den vier Vorfällen unter Beteiligung pro-iranischen Milizen handelt es sich um IED-Angriffe auf Versorgungskonvois der US-Streitkräfte (Wing 6.9.2021).

[Anm.: Weiterführende Informationen zu den Demonstrationen können dem Kapitel Protestbewegung entnommen werden.]

Quellen:

●        Al Monitor (11.3.2016): The rise of Islamic State sleeper cells in Baghdad, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-baghdad-belts-harbor-islamic-state.html, Zugriff 25.8.2021

●        Al Arabiya (19.7.2021): Suicide attack in Iraq's Sadr City kills at least 35, wounds dozens, https://english.alarabiya.net/News/middle-east/2021/07/19/Eight-killed-24-wounded-in-explosion-in-Iraq-s-Sadr-city, Zugriff 25.8.2021

●        Anadolu Agency (23.8.2021): Iraq launches security operation against Daesh/ISIS, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iraq-launches-security-operation-against-daesh-isis/2343607, Zugriff 25.8.2021

●        AN - Arab News (14.8.2021): West Baghdad without water after ‘attack’ on power grid, https://www.arabnews.com/node/1911056/middle-east, Zugriff 25.8.2021

●        BBC (21.1.2021): Iraq attack: Twin suicide bombings in central Baghdad kill 32, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-55746676, Zugriff 28.5.2021

●        DIIS - Danish Institute for International Studies (23.6.2021): Security provision and external actors in Iraq, https://www.diis.dk/en/research/security-provision-and-external-actors-in-iraq, Zugriff 25.8.2021

●        Garda World (15.7.2021): Iraq: Improvised explosive device targets convoy carrying military supplies in Dhi Qar Governorate July 15, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/502161/iraq-improvised-explosive-device-targets-convoy-carrying-military-supplies-in-dhi-qar-governorate-july-15, Zugriff 25.8.2021

●        Garda (15.4.2021): Iraq: At least five people killed, 21 injured in car bomb explosion in Baghdad April 15 /update 1, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/467636/iraq-at-least-five-people-killed-21-injured-in-car-bomb-explosion-in-baghdad-april-15-update-1, Zugriff 25.8.2021

●        ISW - Institute for the Study of War (2008): Baghdad Belts, http://www.understandingwar.org/region/baghdad-belts, Zugriff 25.8.2021

●        OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides [Frankreich] (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 13.3.2020

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (6.9.2021): Islamic State’s Summer Offensive In Iraq Ends In August, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/09/islamic-states-summer-offensive-in-iraq.html, Zugriff 7.9.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (6.7.2021): Security In Iraq June 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/07/security-in-iraq-june-2021.html, Zugriff 25.8.202

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (7.6.2021): Islamic State’s Offensive Appears Over While Pro-Iran Groups Maintain Campaign In May 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/06/islamic-states-offensive-appears-over.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (3.5.2021): Islamic State Ramadan Offensive Begins, Pro-Iran Groups Increase Attacks In April 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/05/islamic-state-ramadan-offensive-begins.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (5.4.2021): Violence In Iraq, March 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/04/violence-in-iraq-march-2021.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (8.3.2021): IS Winter Break Continues In Feb While Pro-Iran Groups Picking Up Attacks, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/03/is-winter-break-continues-in-feb-while.html, Zugriff 25.8.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (4.2.2021): Violence Continues To Decline In Iraq Winter 2020-21, https://musingsoniraq.blogspot.com/2021/02/violence-continues-to-decline-in-iraq.html, Zugriff 25.8.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die irakische Gerichtsbarkeit besteht aus dem Obersten Justizrat, dem Obersten Gerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission, dem Zentralen Strafgericht und anderen föderalen Gerichten mit jeweils eigenen Kompetenzen (Fanack 8.7.2020). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 22.1.2021). Das Rechtssystem basiert auf einer Mischung aus zivilem und islamischem Recht (Fanack 8.7.2020).

Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vergleiche AA 22.1.2021, USDOS 30.3.2021, GIZ 1.2021a). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein (USDOS 30.3.2021). Die Justiz ist von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt (FH 3.3.2021).

Eine Verfolgung von Straftaten findet nur unzureichend statt (AA 22.1.2021). Strafverfahren sind zutiefst mangelhaft. Willkürliche Verhaftungen, einschließlich Verhaftungen ohne Haftbefehl, sind üblich (FH 3.3.2021). Eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen erheblich ausgedehnt. Es gibt häufig Fälle überlanger Untersuchungshaft, ohne dass die Betroffenen, wie vom irakischen Gesetz vorgesehen, einem Richter oder Staatsanwalt vorgeführt würden. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten. Das seit 2004 geltende Notstandsgesetz ermöglicht der Regierung Festnahmen und Durchsuchungen unter erleichterten Bedingungen (AA 22.1.2021).

Korruption oder Einschüchterung beeinflussen Berichten zufolge einige Richter in Strafsachen auf der Prozessebene und bei der Berufung vor dem Kassationsgericht. Zahlreiche Drohungen und Morde durch konfessionelle, extremistische und kriminelle Elemente oder Stämme beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, Anwälte und ihre Familienangehörigen sind häufig mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert (USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung garantiert das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess für alle Bürger (USDOS 30.3.2021) und das Recht auf Rechtsbeistand für alle verhafteten Personen (CEDAW 30.9.2019; vergleiche HRW 13.1.2021). Dennoch verabsäumen es Beamte routinemäßig, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. In zahlreichen Fällen dienen erzwungene Geständnisse als primäre Beweisquelle. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen (USDOS 30.3.2021).

Die Behörden verletzen systematisch die Verfahrensrechte von Personen, die verdächtigt werden dem sog. IS anzugehören (FH 3.3.2021; vergleiche HRW 13.1.2021). Menschenrechtsgruppen kritisierten, insbesondere in Terrorismusverfahren, die systematische Verweigerung des Zugangs der Angeklagten zu einem Rechtsbeistand und die kurzen, summarischen Gerichtsverfahren mit wenigen Beweismitteln für spezifische Verbrechen, abgesehen von vermeintlichen Verbindungen der Angeklagten zum IS (HRW 13.1.2021; vergleiche CEDAW 30.9.2019). Rechtsanwälte beklagen einen häufig unzureichenden Zugang zu ihren Mandanten, wodurch eine angemessene Beratung erschwert wird. Viele Angeklagte treffen ihre Anwälte zum ersten Mal während der ersten Anhörung und haben nur begrenzten Zugang zu Rechtsbeistand während der Untersuchungshaft. Dies gilt insbesondere für die Anti-Terror-Gerichte, wo Justizbeamte Berichten zufolge versuchen, Schuldsprüche und Urteilsverkündungen für Tausende von verdächtigen IS-Mitgliedern in kurzer Zeit abzuschließen (USDOS 30.3.2021). 2018 dauerten einige Prozesse, die ein Todesurteil zur Folge hatten nur etwa 20 Minuten und hunderte von Familienangehörigen mutmaßlicher IS-Kämpfer wurden willkürlich inhaftiert (FH 3.3.2021). Anwälte, die Familien mit vermeintlicher IS-Zugehörigkeit unterstützen, berichten bedroht zu werden (USDOS 30.3.2021).

Am 28.3.2018 kündigte das irakische Justizministerium die Bildung einer Gruppe von 47 Stammesführern an, genannt al-Awaref, die sich als Schiedsrichter mit der Schlichtung von Stammeskonflikten beschäftigen soll. Die Einrichtung dieses Stammesgerichts wird durch Personen der Zivilgesellschaft als ein Untergraben der staatlichen Institution angesehen (Al Monitor 12.4.2018; vergleiche UK Home Office 2.2020). Das informelle irakische Stammesjustizsystem überschneidet und koordiniert sich mit dem formellen Justizsystem (TCF 7.11.2019).

In Ermangelung von Recht und Ordnung - oder zumindest des Vertrauens in das Rechtssystem - greifen immer mehr Iraker auf die Stammesjustiz zurück (AW 29.6.2019; vergleiche FH 3.3.2021, UK Home Office 3.2021). Stammesgerichte beschäftigen sich mit kommerziellen und kriminellen Angelegenheiten, Diebstahl, bewaffneten Konflikten, Körperverletzung und Mord sowie deren Beilegung durch Entschädigungszahlungen (Blutgeld oder diya), den Austausch von Frauen und Mädchen, Heirat und Vergeltung (UK Home Office 3.2021).

Nach Ansicht der Regierung gibt es im Irak keine politischen Gefangenen. Alle inhaftierten Personen haben demnach gegen Strafgesetze verstoßen. Politische Gegner der Regierung behaupteten jedoch, diese habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen unter dem Vorwand von Korruption, Terrorismus und Mord inhaftiert oder zu inhaftieren versucht. Eine Beurteilung ist kaum möglich, aufgrund mangelnder Transparenz seitens der Regierung, Korruption während der Verfahren und wegen des eingeschränkten Zugangs zu Gefangenen, insbesondere solchen, die in Einrichtungen der Terrorismusbekämpfung, der Geheimdienste und des Militärs inhaftiert sind (USDOS 30.3.2021).

Im südirakischen Basra berichten Einwohner über sogenannte "degga ashairiya" (Stammeswarnungen). Bei diesem alten Brauch zur Beilegung von Streitigkeiten versammeln sich bewaffnete Angehörige eines Stammes vor dem Haus eines Angehörigen eines gegnerischen Stammes und beschießen dieses, bis sich dieser bereit erklärt, herauszukommen und einen Streit durch Verhandlungen beizulegen. Wenn er sich weigert zu verhandeln oder keine Einigung erzielt wird, kann dies zu mehr Gewalt und manchmal auch zu Todesopfern führen (AW 29.6.2019).

In den von römisch 40 kontrollierten Gebieten können Kinder ab dem Alter von neun Jahren strafrechtlich verfolgt werden, was gegen internationale Standards verstößt. Ein Komitee in Mossul verbesserte den Umgang mit der strafrechtlichen Verfolgung von Kindern, die verdächtigt werden dem sog. IS anzugehören (HRW 13.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        Al Monitor (12.4.2018): Will Iraq's new 'tribal court' undermine rule of law?, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/04/iraq-tribalism-sheikhs-justice-law.html, Zugriff 2.2.2021

●        AW - The Arab Weekly (29.6.2019): Tribal feuds pushing many Iraqis to leave Basra, https://thearabweekly.com/tribal-feuds-pushing-many-iraqis-leave-basra, Zugriff 28.1.2021

●        CEDAW - UN Committee on the Elimination of Discrimination Against Women (30.9.2019): The Compliance of Iraq with Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women; Alternative Report about the Death Penalty, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared Documents/IRQ/INT_CEDAW_CSS_IRQ_37410_E.DOCX, Zugriff 28.1.2021

●        Fanack (8.7.2020): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 28.1.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Irak - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 28.1.2021

●        Stanford - Stanford Law School (2013): Constitutional Law of Iraq, https://law.stanford.edu/wp-content/uploads/2018/04/ILEI-Constitutional-Law-2013.pdf, Zugriff 28.1.2021

●        TCF - The Century Foundation (7.11.2019): Tribal Justice in a Fragile Iraq, https://tcf.org/content/report/tribal-justice-fragile-iraq/?agreed=1, Zugriff 2.2.2021

●        UK Home Office [UK] (3.2021): Country Policy and Information Note Iraq: ‘Honour’ crimes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2048206/Iraq_-_Honour_Crimes_-_CPIN_-_v2.0_-_March_2021_-_EXT.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        UK Home Office [UK] (2.2020): Country Policy and Information Note Iraq: Blood feuds, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025236/Iraq_-_Blood_Feuds_-_CPIN_v2.0_-_Feb_2020_-_EXT__004_.pdf, Zugriff 2.2.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Sicherheitskräfte und Milizen

Letzte Änderung: 15.10.2021

Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, demontierte die Koalitions-Übergangsverwaltung das irakische Militär und schickte dessen Personal nach Hause.Statt des bisherigen war ein politisch neutrales Militär vorgesehen. Das aufgelöste Militär bildete einen großen Pool für Aufständische (Fanack 8.7.2020).

Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS). Neben den staatlichen Sicherheitskräften gibt es das Volksmobilisierungskomitee, eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, der etwa 60 Milizen angehören, die als Volksmobilisierungskräfte (PMF) bekannt sind. PMF operieren im ganzen Land, oft außerhalb der Kontrolle der Regierung und in Opposition zur Regierungspolitik (USDOS 30.3.2021). Siehe hierzu Kapitel: Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha‘bi

Militäreinheiten verschiedener Zweige der irakischen Sicherheitskräfte und der PMF, einschließlich Stammeseinheiten, aus mehreren Provinzen, nehmen gemeinsam an Sicherheitsoperationen gegen den sog IS teil, unterstützt durch Luftstreitkräfte der irakischen Armee und der internationalen Koalition (NI 18.5.2021).

Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle, insbesondere über bestimmte, mit dem Iran verbündete Einheiten der Volksmobilisierungskräfte (PMF) und das Popular Mobilization Committee (USDOS 30.3.2021).

Seit Anfang 2021 gibt es ein Koordinationsabkommen zwischen den ISF und den Peschmerga der Kurdischen Regionalregierung (KRG). Die Zusammenarbeit soll sich auf die Koordinierung und das Sammeln von Informationen zur Bekämpfung des sog. IS in den sogenannten "umstrittenen Gebieten" beschränken und die Lücken zwischen den Sicherheitskräften schließen, die bisher vom IS ausgenutzt werden konnten. Es gibt auch Stimmen, die für die Bildung einer gemeinsamen Truppe einstehen (Rudaw 23.5.2021).

Quellen:

●        Fanack (8.7.2020): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 28.1.2021

●        NI - Newlines Institute (18.5.2021): ISIS in Iraq: Weakened but Agile, https://newlinesinstitute.org/iraq/isis-in-iraq-weakened-but-agile/?ref=nl, Zugriff 20.5.2021

●        Rudaw (23.5.2021): Peshmerga-Iraq cooperation will ‘close that gap,’ cut off ISIS: Coalition, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/230520212, Zugriff 3.6.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Letzte Änderung: 13.09.2021

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Einheiten, die vom Innen- und Verteidigungsministerium, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF), und dem Counter-Terrorism Service (CTS) verwaltet werden. Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig. Es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Erdöl-Infrastruktur verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der CTS ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 30.3.2021).

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 150.000 bis 185.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Es gibt kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitreichend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 22.1.2021).

Straffreiheit für Angehörige der Sicherheitskräfte ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums, sowie über extra-legale Tötungen (USDOS 30.3.2021). Den Sicherheitskräften werden zahlreiche Fälle von Verschwindenlassen („forced disappearance“) zur Last gelegt: Im Zuge von Antiterror-Operationen, aber auch an Checkpoints, wurden nach 2014 junge, vorwiegend sunnitische Männer gefangen genommen (AA 22.1.2021).

Internationale Militär-und Polizeiausbildung unterstützt die irakischen Sicherheitskräfte bei ihrer Professionalisierung (AA 22.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.202

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Volksmobilisierungskräfte (PMF) / Al-Hashd Ash-Sha'bi

Letzte Änderung: 15.10.2021

Der Name "Volksmobilisierungskräfte" (arab: al-Hashd ash-Sha‘bi, engl.: Popular Mobilization Forces - PMF oder auch Popular Mobilization Units - PMU) bezeichnet eine Dachorganisation, ein loses Bündnis von etwa 40 bis 70 Milizen (USDOS 30.3.2021; vergleiche FPRI 19.8.2019, Clingendael 6.2018, S.1f, Wilson Center 27.4.2018), die, je nach Quelle, zwischen 45.000 und 142.000 Kämpfer umfassen (ICG 30.7.2018). Die PMF formierten sich 2014 infolge eines Rechtsgutachtens, einer sogenannten Fatwa, durch Ayatollah Ali as-Sistani, welcher darin zum Kampf gegen den vorrückenden, sog. Islamischen Staat (IS) aufrief (SWP 8.2016; S.2-4; vergleiche TCF 5.3.20218, S.2, EPIC 5.2020). Die irakische Regierung bemühte sich hernach, die Kontrolle über diese zu bewahren, indem sie am 15.6.2014 eine Kommission (auch Komitee genannt) der Volksmobilisierung bildete, das formal dem Ministerpräsidenten untersteht (SWP 8.2016; S.4).

Die PMF, deren Wurzeln teilweise auf die Zeit vor 2003 zurückgehen, sind keine einheitliche Organisation, sondern bestehen aus einer Reihe von Netzwerken, die sich in ihrer Struktur und ihren Verbindungen zueinander und zu anderen Akteuren im Staat unterscheiden (CH 2.2021, S.9). Sie haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat (Clingendael 6.2018, S.3f). Die PMF weisen ein breites Spektrum auf, sowohl organisatorisch und ideologisch als auch in Bezug auf die religiöse Zusammensetzung der einzelnen Formationen. Die PMF bestehen aus Einheiten mit unterschiedlicher Geschichte, Zugehörigkeit und Loyalität (TCF 5.3.2018, S.3).

Die PMF werden grob in drei Gruppen eingeteilt: Erstens die pro-iranischen schiitischen Milizen und zweitens die nationalistisch-schiitischen Milizen, die den iranischen Einfluss ablehnen. Letztere nehmen eine positivere Haltung gegenüber der irakischen Regierung ein und sprechen sich für die Auflösung der PMF und die Eingliederung ihrer Mitglieder in die irakische Armee bzw. Polizei aus. Und drittens gibt es die heterogene Gruppe der nicht-schiitischen Milizen, die üblicherweise nicht auf einem nationalen Level operieren, sondern lokal aktiv sind. Zu letzteren zählen beispielsweise die mehrheitlich sunnitischen Stammesmilizen und die kurdisch-jesidischen "Sinjar Widerstandseinheiten". Letztere haben Verbindungen zur Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018, S.3f). Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist somit schiitisch, was auch die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 30.3.2021).

Die PMF wurden im Dezember 2016 (erstmals) formell in die irakischen Streitkräfte integriert (AA 22.1.2021, S.16; vergleiche FPRI 19.8.2019). Allerdings hat die gewählte offizielle Formulierung, welche die PMF als Teil der Sicherheitskräfte des Landes bezeichnet und sie gleichzeitig als "unabhängig" definiert, viel Raum für Interpretationen gelassen (ICSR 1.11.2018, S.5). Seit 2017 unterstehen die PMF formell dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 22.1.2021, S.16; vergleiche FPRI 19.8.2019). Am 8.3.2018 brachte der damalige irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi eine Proklamation ein, mit der die Mitglieder der PMF in die irakischen Sicherheitskräfte eingegliedert wurden, wobei sie dasselbe Gehalt wie die Angehörigen des Militärs erhalten, denselben Gesetzen unterworfen werden und Zugang zu Militärschulen und Militärinstituten erhalten sollten (EPIC 5.2020). Am 1.7.2018 folgte ein dementsprechendes Dekret, wonach der Regierungschef als Oberkommandierender der PMF deren Vorsitzenden ernennt. Bewaffneten Gruppen, die offen oder verdeckt außerhalb der Bestimmungen des Dekrets arbeiten, gelten demnach als illegal und werden entsprechend verfolgt (1000 IT 11.7.2019). Trotz dieser und weiterer Versuche der Regierung, die PMF zu regulieren und zu kontrollieren, operieren viele der mächtigsten Gruppierungen der PMF weiterhin außerhalb der formalen Befehlskette und führen illegale, politische, wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Aktivitäten durch (EPIC 5.2020). Verschiedene PMF-Einheiten haben sogar Militärindustrien im Irak aufgebaut, von simpler Ausrüstung und Munition bis mutmaßlich zur Produktion von Artilleriegranaten (WI 23.3.2020, S.70f). Die begrenzten Einflussmöglichkeiten des Premierministers haben es den PMF erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen (AA 22.1.2021, S.19).

Die PMF-Netzwerke stehen in einer symbiotischen Beziehung zu den irakischen Sicherheitsdiensten, den politischen Parteien und der Wirtschaft. Zu ihren Mitgliedern gehören nicht nur Kämpfer, sondern auch Parlamentarier, Kabinettsminister, lokale Gouverneure, Mitglieder von Provinzräten, Geschäftsleute in öffentlichen und privaten Unternehmen, hohe Beamte, humanitäre Organisationen und Zivilisten. Politische Entscheidungsträger, die die PMF reformieren oder einschränken wollen, haben sich auf eine Reihe von Optionen verlassen: die einzelnen Gruppen gegeneinander ausspielen, alternative Sicherheitsinstitutionen aufbauen, Sanktionen gegen Einzelpersonen verhängen oder mit militärischer Gewalt vorgehen. Diese Optionen haben jedoch weder zu einer Reform der PMF-Netzwerke noch zu einer Reform des irakischen Staates geführt (CH 2.2021, S.2).

Viele PMF-Brigaden nehmen Befehle von bestimmten Parteien oder konkurrierenden Regierungsbeamten entgegen (FPRI 19.8.2019). In diesem Zusammenhang kommt vor allem der sog. Badr-Organisation eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von der Badr-Organisation dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann (Süß 21.8.2017). Die Kontrolle der Badr-Organisation über das Innenministerium verstärkte deren Einfluss auf die Zuteilung der staatlichen Mittel und deren Weitergabe an die einzelnen PMF-Milizen (Clingendael 6.2018, S.6).

Insbesondere mit dem Iran verbündete Einheiten operieren im ganzen Land oft außerhalb der Kontrolle der Regierung oder gar in Opposition zur Regierungspolitik. Selbiges gilt auch für die (offizielle) PMF-Kommission (USDOS 30.3.2021), welche wiederum tendenziell pro-iranische Gruppen bevorzugt hat (ICG 30.7.2018). In der Praxis sind etliche Einheiten auch dem Iran und dessen Korps der Islamischen Revolutionsgarden unterstellt (USDOS 30.3.2021). Überdies haben einige bewaffnete Gruppen, wie die der pro-iranischen Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbollah und Harakat Hizbollah an-Nujaba sowohl Kämpfer innerhalb als auch außerhalb der PMF. Diejenigen, die sich außerhalb der Truppe befinden, beteiligen sich an Aktivitäten, wie zum Beispiel Kämpfen in Syrien, die nicht zum Auftrag der Volksmobilisierungskräfte gehören (WoR 11.11.2019), denn das Wirken der PMF ist laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teile der PMF sind (USDOS 13.3.2019). Die Präsenz pro-iranischer PMF-Milizen, namentlich der Kata'ib Hizbollah und der Kata'ib Sayyid ash-Shuhada, in Syrien nahe oder an der Grenze zum Irak belegen Berichte über Angriffe auf Einrichtungen der US-Armee und Vergeltungsmaßnahmen seitens der US-Streitkräfte im Verlaufe des Jahres 2021 (RFE/RL 27.6.2021; vlg. BBC 28.6.2021).

Die PMF sind vor allem Sicherheitsakteure. Ihr Beitrag im Kampf gegen den sog. IS und beim Halten von Gebieten nach der Vertreibung des IS sind wichtige Faktoren für ihren aktuellen, mächtigen Status. Als staatlich anerkannte Sicherheitskräfte kontrollieren ihre Mitglieder ein bedeutendes Territorium und strategische Gebiete im Irak, größtenteils in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Sicherheitsbehörden. Manchmal nützen die PMF jedoch ihre Position bei der Kontrolle lokaler Gebiete aus, um ihre eigenen Interessen, auch in finanzieller Hinsicht, durchzusetzen. Sie agieren als Lückenbüßer, wenn sich die staatlichen Stellen als unzureichend in ihrem Handeln im Bereich der Sicherheit erweisen. In einigen Gebieten sind die PMF der wichtigste Sicherheitsakteur, an den sich die Einheimischen wenden, wenn sie Schutz oder einen Fürsprecher bei Streitigkeiten oder bei der Strafverfolgung benötigen (CH 2.2021, Sitzung 18f).

Die wirtschaftliche/finanzielle Macht der einzelnen PMF-Gruppen setzt sich zusammen aus: ihrem Anteil an staatlich zugewiesenen Mitteln, autonomen einkommengenerierenden Aktivitäten und externer Finanzierung (vor allem durch den Iran). Autonome einkommenschaffende Aktivitäten erfolgen in der Regel in Form von religiösen Steuern, Einnahmen aus Heiligtümern und Unterstützung durch religiöse Wohltätigkeitsorganisationen. Diese Mittel sind jedoch relativ bescheiden (Clingendael 6.2018, S.7f). Den Löwenanteil machen die offiziellen Zuwendungen aus. 2020 betrugen die Budgetmittel der PMF-Kommission 2,6 Mrd. US-Dollar (CH 2.2021, S.19). - Darüberhinaus aquirieren PMF-Milizen Einnahmen aus halb-legalen Quellen und in krimineller Weise (FPRI 19.8.2019). Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind und waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind (Posch 8.2017). Neben diesen illegalen Methoden erwerben die PMF beispielsweise im ganzen Land Grundstücke, was ihnen ermöglicht, Unternehmen anzusiedeln und von diesen dann Abgaben zu lukrieren. Einnahmen werden, auch in Kooperation mit anderen Sicherheitskräften, an Grenzübergängen und Checkpoints an wichtigen Verkehrsverbindungen generiert (CH 2.2021, S.29-31). Außer durch die Finanzierung durch den irakischen sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf – mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem so hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen – oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat (Posch 8.2017).

Trotz des Schutzes, den die PMF bieten, sind sie aufgrund ihrer strategischen Kontrolle und ihrer sich wandelnden Rolle weiterhin eine Quelle lokaler Auseinandersetzungen und Polarisierungen. Für mehrere Befragte sind die PMF-Milizen Helden, die ihr Leben geopfert haben, um den IS zu besiegen - ganz im Gegensatz zu den Regierungstruppen und den kurdischen Peshmerga, die sich als unzuverlässig erwiesen und die Christen und Assyrer im Stich gelassen haben, als sich der IS näherte. Für andere kontrollieren die PMF weiterhin gewaltsam Gebiete gegen den Willen der Anwohner. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren mehrere Berichte von Anwohnern, Menschenrechtsbeobachtern und internationalen Organisationen über das Fehlverhalten der PMF laut (Clingendael 5.2021, S.17). So klagten nach der Rückkehr der Zentralregierung nach Kirkuk Ende 2017 mehrere Gemeinschaften ethnischer und religiöser Minderheiten über Diskriminierung, Vertreibung und gelegentliche Gewalt durch PMF-Gruppen und Sicherheitskräfte der Regierung (DFAT 17.8.2020, S.20). Einige PMF gehen auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten vor (USDOS 30.3.2021). Die Medien meldeten zahlreiche Vorfälle, bei denen schiitische PMF in die Häuser ethnischer und religiöser Minderheiten im gesamten Gouvernement Kirkuk eindrangen, sie plünderten und niederbrannten (DFAT 17.8.2020, S.20, 26, 32). In Ninewa, beispielsweise, nahmen mit dem Iran verbündete PMF willkürlich bzw. unrechtmäßig Kurden, Turkmenen, Christen und Angehörige anderer Minderheiten fest. Es gab zahlreiche Berichte über die Beteiligung der 30. und 50. PMF-Brigaden an Erpressungen, illegalen Verhaftungen, Entführungen und Festnahmen von Personen ohne Haftbefehl. Glaubwürdige Informationen der Strafverfolgungsbehörden wiesen darauf hin, dass die 30. PMF-Brigade an mehreren Orten in der Provinz Ninewa geheime Gefängnisse unterhielt, in denen 1.000 Gefangene untergebracht waren, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus konfessionellen Gründen festgenommen wurden. Die Anführer der 30. PMF-Brigade sollen die Familien der Inhaftierten gezwungen haben, im Gegenzug für die Freilassung ihrer Angehörigen hohe Geldbeträge zu zahlen (USDOS 30.3.2021). Jesiden und Christen sowie lokale und internationale NGOs berichteten von anhaltenden verbalen und körperlichen Übergriffen durch Mitglieder der PMF, welche auch für etliche Angriffe auf, und Vertreibungen von Sunniten, angeblich aus Rache für Verbrechen seitens des sog. IS an Schiiten, verantwortlich gemacht werden (USDOS 12.5.2021).

Einige PMF-Einheiten in den südlichen Gouvernements Najaf und al-Qadisiya sollen Kinder rekrutiert und militärische Ausbildungslager für Schüler unter 18 Jahren gesponsert haben. Einige mit dem Iran verbündete PMF-Gruppen, insbesondere Asa'ib Ahl al-Haqq (AAH) und Harakat Hizbollah an-Nujaba (HHN), rekrutierten weiterhin Burschen unter 18 Jahren für den Kampf in Syrien und im Jemen (DFAT 17.8.2020, S.47).

Mehrere Quellen geben an, dass zu den PMF gehörende Kräfte, oft von Iran unterstützte Milizen, 2019 für viele der tödlichen Angriffe auf Demonstranten, auch durch Scharfschützen, verantwortlich waren (EASO 10.2020, S.31; vergleiche WI 23.3.2020, S.91), namentlich die pro-iranischen Saraya Talia al-Khorasani, Kata'ib Sayyid ash-Shuhada, Asa'ib Ahl al-Haqq und die Badr-Organisation. Die PMF wurden international auch für illegale Massenverhaftungen und Folter, Einschüchterungsversuche gegen Demonstranten und Journalisten, Attentate, Bombenanschläge und Plünderungen von Fernsehsendern kritisiert. Nach Angaben des irakischen Hochkommissariats für Menschenrechte wurden über 500 Menschen getötet und über 23.500 verwundet (Stand März 2020). Im Januar 2020 waren auch Kämpfer von Saraya as-Salam an Angriffen auf Demonstranten und an der Erstürmung von Proteststätten durch die Badr-Milizen beteiligt, die die Zeltlager der Demonstranten niederbrannten (WI 23.3.2020, S.91). Im Laufe des Jahres 2020 haben unbekannte Bewaffnete und Mitglieder der PMF Aktivisten ermordet oder entführt und mindestens 30 Menschen in römisch 40 , Nasriya und Basra getötet. Auf mehr als 30 weitere wurden Mordanschläge verübt, sie kamen mit Verletzungen davon. Bis zum Ende des Jahres wurden 56 Aktivisten gewaltsam zum Verschwinden gebracht. Diejenigen, die während der Proteste 2019 gewaltsam verschwunden sind, werden weiterhin vermisst (AI 7.4.2021). Anfang Jänner 2021 belegten die USA den Vorsitzenden der PMF-Kommission, Faleh al-Fayyadh, mit Sanktionen, da dieser für die Anordnung und Ausführung der Ermordung friedlicher Demonstranten und der Durchführung einer gewaltsamen Aktionen gegen die irakische Demokratie verantwortlich sei (Al Monitor 8.1.2021).

Die PMF sollen, aufgrund guter nachrichtendienstlicher Möglichkeiten, die Fähigkeit haben, jede von ihnen gesuchte Person aufspüren zu können. Politische und wirtschaftliche Gegner werden unabhängig von ihrem konfessionellen oder ethnischen Hintergrund ins Visier genommen. Es wird als unwahrscheinlich angesehen, dass die PMF über die Fähigkeit verfügen, in der Kurdischen Region im Irak (KRI) zu operieren. Dementsprechend gehen sie nicht gegen Personen in der KRI vor (DIS/Landinfo 5.11.2018, S.23). Anlässlich der sozialen Proteste zeigten die PMF ihre Fähigkeit Kritiker zu verfolgen. Beispielsweise können kritische Kommentare in sozialen Medien zur Verfolgung seitens Asa‘ib Ahl al-Haqq, Kata’ib Hizbollah oder der Saraya as-Salam führen, welche im Stande sind, die Personen ausfindig zu machen und sie anschließend zu bedrohen und zu attackieren. Namentlich Kata’ib Hizbollah kann jeden ins Visier nehmen und kennt etwa die Namen aller, die über den Internationalen Flughafen einreisen (AQ1 27.5.2021).

Präsident der PMF-Kommission ist - auf dem Papier - Faleh al-Fayyadh. Er hat jedoch keinen großen Mitarbeiterstab und unterliegt häufig den Anweisungen der Mittelsmänner im weiteren Netzwerk der PMF (CH 2.2021, S.7). Inoffizieller Spiritus Rector und strategische Kopf der Volksmobilisierung war Jamal Ebrahimi alias Abu Mahdi al-Muhandis, Vize-Kommandeur der PMF (Zenith 3.1.2020) und zugleich Begründer sowie Anführer der pro-iranischen Kata’ib Hizbollah, welche von den USA als Terrororganisation eingestuft ist (Guardian 3.1.2020; vergleiche Wilson Center 27.4.2018). Abu Mahdi Al-Muhandis galt als rechte Hand des iranischen Generalmajors der Revolutionsgarden, Qassem Soleimani. Beide wurden am 3.1.2020 bei einem US-Drohnenangriff in römisch 40 getötet (Al Monitor 21.2.2020; vergleiche MEMO 21.2.2020). Infolge dessen kam es innerhalb der PMF zu einem Machtkampf zwischen den Fraktionen, die einerseits dem iranischen Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei, andererseits dem irakischen Großayatollah Ali as-Sistani nahe stehen (MEE 16.2.2020). Der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei ernannte Brigadegeneral Esmail Ghaani als Nachfolger von Soleimani (Al Monitor 21.2.2020). Am 20.2.2020 wurde Abu Fadak Al-Mohammedawi, Kommandeur der Kata'ib Hizbollah, zum neuen stellvertretenden Kommandeur der PMF ernannt (Al Monitor 21.2.2020; vergleiche MEMO 21.2.2020). Die Ernennung erfolgte einseitig durch die Vertreter des inneren Zirkels innerhalb der Hashd ash-Sha'bi, deren fünf (pro-iranische) Milizen dem sogenannten "Muhandis-Kern" zugeordnet werden (Warsaw Institute 9.7.2020). Die vier PMF-Fraktionen, die dem schiitischen Kleriker Ayatollah Ali as-Sistani nahe stehen, haben sich gegen die Ernennung Mohammadawis ausgesprochen und alle PMF-Fraktionen aufgefordert, sich in die irakischen Streitkräfte unter dem Oberbefehl des Premierministers zu integrieren (Al Monitor 21.2.2020).

Formal wurde der Loslösungsprozess der vier Atabat- bzw. Schrein-Milizen mit einer Entscheidung des scheidenden Regierungschefs Mahdi am 22.4.2020 eingeleitet, wonach diese Einheiten vom PMF-Kommando getrennt werden und von nun an direkt dem Premierminister verantwortlich sind (Warsaw Institute 9.7.2020; vergleiche AAA 23.4.2020, Al Monitor 29.4.2020). Laut Aussagen aus dem Kreise der Schrein-Milizen auf einer Koordinierungskonferenz im Dezember 2020 wollten diese die irakische Regierung unterstützen, sich von Fraktionen und politische Parteien zu trennen, welche die Interessen eines anderen Staates, gemeint ist der Iran, verfolgen (Al Monitor 4.12.2020; vergleiche Diyaruna 22.2.2021). Erklärtes Ziel der vier Schrein-Milizen sei auch die Eingrenzung und Isolation der pro-iranischen PMF (Diyaruna 22.2.2021).

Diese fortschreitende Zersplitterung der PMU lässt sich auf viele Faktoren zurückführen. Einer der Hauptgründe ist das Fehlen eines einheitlichen Ziels, das zuvor der Sieg über den sog. IS darstellte. Ein weiterer Katalysator war der Tod von Abu Mahdi al Muhandis, der in der Lage war, die unterschiedlichen Fraktionen zu einen (AIIA 12.1.2021). Und obwohl der Nachfolger Muhandis, Abu Fadak Al-Mohammedawi, enge Beziehungen zu Iran unterhält, gibt es eine breite Opposition gegen seine Führung in seiner eigenen Miliz, Kata'ib Hizbollah, die ihn als den unrechtmäßigen Chef der PMF betrachtet (Manara 10.3.2021). Die neueste Erscheinung, welche als Zeichen einer weiteren Aufsplitterung der PMF gewertet wird, ist das Auftreten mehrerer kleinerer Splittergruppen im Verlaufe des Jahres 2020, die mit größeren, vom Iran unterstützten Gruppierungen verbunden sind, die sich sowohl durch Gewalt gegen Zivilisten als auch gegen Einrichtungen der US-geführten Militärallianz hervor tun (AIIA 12.1.2021).

Innerhalb der schiitischen PMF gibt es Formationen, die mit den religiösen Lehrstätten im Irak bzw. den schiitischen religiösen Autoritäten (Marji'iya) verbunden sind (TCF 5.3.2018, S.4), und deshalb auch gelegentlich als Hashd al-Marji'i bezeichnet werden (TCF 5.3.2018, S.4; vergleiche ICSR 1.11.2018, S.24). Geläufiger sind die Termini "Schrein"-Milizen bzw. Saraya al-'Atabat (kurz: Atabat) (WI 5.2.2021; vergleiche ICSR 1.11.2018, S.24). Prominenter und umstrittener sind die mit dem Iran verbündeten Formationen, die oft als Hashd al-Wala'i bezeichnet werden - wala' ist das arabische Wort für Loyalität - eine Anspielung auf die Loyalität dieser Formationen gegenüber dem iranischen Obersten Führer Ali Khamenei. Die erstgenannten Gruppen sind in der Regel kleiner und wurden nach dem Fall von Mossul im Jahr 2014 als direkte Reaktion auf Sistanis Aufruf zur Massenmobilisierung gegen die Bedrohung durch den sog. IS gebildet. Bei den letztgenannten, stärker auf Iran ausgerichteten Formationen handelt es sich eher um erfahrenere Gruppen mit einer längeren Geschichte paramilitärischer Aktivitäten im Irak und in einigen Fällen auch in Syrien (TCF 5.3.2018, S.3f).

Pro-iranische Milizen: al-Hashd al-Wala'i / al-Muqawama al-Islamiyya

Das Lager, welches u.a. als al-Hashd al-Wala'i bezeichnet wird, umfasst jene PMF-Formationen, die entweder mit dem Iran verbündet sind oder mit ihm zusammenarbeiten, und die innerhalb der PMF sowohl quantitativ als auch qualitativ die Oberhand haben (EUI 6.2020, S.3). Die vom Iran unterstützten irakischen Milizen bezeichnen sich selbst auch als al-Muqawama al-Islamiyya - der islamische Widerstand - Widerstand vor allem gegen die US-geführten Koalitionstruppen, meist in Form von Raketen- und Sprengstoffangriffen (JS 12.4.2021). Jene PMF (bzw. deren Vertreter), welche im Februar 2020 das Wahlkomitee zur Bestimmung eines neuen stellvertretenden Vorsitzenden nach dem Tode Muhandis bildeten, gelten als die wichtigsten Iran-affinen Milizen. Diese sind: Kata'ib Hizbollah, die Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Sayyid ash-Shuhada und Kata'ib Jund al-Imam (WI 23.3.2020, S.23; vergleiche ICG). Hinzu kommen noch Harakat Hizbollah an-Nujaba (Bewegung der Partei Gottes der Noblen) (ICG 30.7.2018, S.3), mit mindestens 1.500 Kämpfern, auch in Syrien aktiv (WI 23.3.2020, S.110, 204) und eine der kampferfahrensten Milizen und stark seitens des Iran gefördert (ITIC 8.1.2020), sowie die Kata’ib Imam Ali (Bataillone des Imam Ali), deren Anführer, Shibl al Zaydi, 2018 von den USA wegen seiner Verbindungen zu den Iranischen Revolutionsgarden als Terrorist eingestuft wurde (LWJ 15.12.2020). Zudem war Kata’ib Imam Ali auch 2021 in Syrien präsent (AAA 22.3.2021). Dazu gesellen sich noch die Saraya Talia al-Khorasani, die auch in Syrien aktiv waren (WI 23.3.2020, S.110, 205; vergleiche ICG 30.7.2018, S.27). Einige der pro-iranischen PMF sicherten sich bei den letzten Wahlen auch ihren Einfluss im Parlament. Innerhalb der 2018 gewonnenen Parlamentssitze des Wahlbündnisses "Fatah" sind 22 Abgeordnete der Badr-Organisation zugehörig und 15 dem politischem Flügel der Asai‘b Ahl al-Haqq, Sadiqoun (CH 2.2021, S.21f; vergleiche EPIC 5.2020).

Die Badr-Organisation, die mächtigste schiitische Miliz, gilt als Irans ältester Stellvertreter im Irak. Sie wurde 1982 im Iran gegründet, um Saddam Hussein zu bekämpfen, und wurde zunächst vom Korps der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) finanziert, ausgebildet, ausgerüstet und geführt (Soufan 20.3.2020; vergleiche Wilson Center 27.4.2018). Nach der US-Invasion im Jahr 2003 kehrte sie in den Irak zurück und wurde in die neue irakische Regierung integriert. Ihre Kräfte wurden zur größten Fraktion innerhalb der staatlichen Sicherheitskräfte, insbesondere der Polizei (Wilson Center 27.4.2018), die wiederum zu einem Instrument der Badr-Organisation erwuchs (SWP 2.7.2021, S.26). Sie nahm an Wahlen teil; ihre Führer wurden in die neue Regierung in Kabinettspositionen aufgenommen. Sie behielt jedoch ihre Miliz bei (Wilson Center 27.4.2018). Sie umfasst rund 20.000 Kämpfer (Soufan 20.3.2020) und unterhält mindestens zehn Brigaden der staatlich finanzierten PMF, möglicherweise sogar siebzehn. Badr schickte ihre Kämpfer auch nach Syrien, um das Assad-Regime zu unterstützen (WI 2.9.2021). Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt. Viele Badr-Mitglieder waren oder sind Teil der offiziellen Staatssicherheitsapparate, insbesondere des Innenministeriums und der Bundespolizei (FPRI 19.8.2019). So haben einige Mitglieder der PMF auch Doppelpositionen inne. Abu Dergham al-Maturi, beispielsweise, führte die 5. PMF-Brigade, eine Badr-Brigade, und fungierte gleichzeitig als stellvertretender Kommandeur der Bundespolizei im Innenministerium (CH 2.2021, S.18f). Oder das Badr-Führungsmitglied Qassim al-Araji war Innenminister (2017-2018) und ist nun der nationale Sicherheitsberater. Die Badr ist eine große und komplexe Organisation, die sowohl einen militärischen als auch einen politischen Flügel und viele Unterfraktionen hat. Im Großen und Ganzen hat sich Badr durch seine Wahlerfolge, seine paramilitärische Macht und seine Patronagenetzwerke tief in den irakischen Staat eingebettet. Badr war die Quelle für viele jüngere und und radikalere Gruppen, einschließlich Kata'ib Hisbollah. Zwar setzt sich die Badr-Organisation für den Abzug der US-Kampftruppen aus der Region ein, doch hat sie sich im Gegensatz zu den anderen pro-iranischen PMF von Angriffen auf die USA und deren Verbündete öffentlich distanziert. Innerhalb der Muqawama nimmt die Badr-Organisation weiterhin eine wichtige Rolle ein und bleibt gleichzeitig ihren Wurzeln als iranischer Stellvertreter treu, mit weiterhin engen institutionellen und personellen Beziehungen zum IRGC (WI 2.9.2021).

Die Kata’ib Hizbollah (Brigaden der Partei Gottes) umfassen etwa 3.000 bis 7.000 Kämpfer (Al Arabiya 31.5.2020), anderen Schätzungen zufolge sogar 20.000 (Soufan 20.3.2020). Die Kata'ib Hisbollah haben enge konfessionelle, ideologische und finanzielle Bindungen zum Iran (Al Arabiya 31.5.2020). Keine andere Miliz steht den IRGC näher (Soufan 20.3.2020). Sie sind für zahlreiche Angriffe auf die von den USA geführte Militärallianz verantwortlich, und riefen u.a. auch zu Terrorattacken gegen Saudi-Arabien auf. Menschenrechtsorganisationen werfen der Miliz schwere Menschenrechtsverletzungen vor, insbesondere gegen Sunniten (Al Arabiya 31.5.2020). Sie arbeiten intensiv mit der Badr-Organisation und der libanesischen Hizbollah zusammen. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

Die Asa‘ib Ahl al-Haqq (AAH) (Liga der Rechtschaffen) mit ihrem Anführer Qais Al-Khaz'ali verfügt über etwa 15.000 Kämpfer (Soufan 20.3.2019). Die AAH ist eine mächtige schiitische Muslim-Miliz, die sich 2007 von Sadrs damaligen Mahdi-Armee abgespalten hat (Clingendael 6.2018; vergleiche EPIC 5.2020). Die AAH wurde ursprünglich von den IRGC mit Unterstützung der libanesischen Hisbollah in iranischen Lagern ausgerüstet, finanziert und ausgebildet und war auch in Syrien präsent (Wilson Center 27.4.2018). Die militärische und finanzielle Unterstützung durch die Al-Quds-Einheit der IRGC hält weiterhin an (ITIC 8.1.2020). Sie richtete politische Büros, religiöse Schulen und soziale Dienste ein, vor allem im Süden Iraks und in römisch 40 (Wilson Center 27.4.2018). Ihr Anführer, Qais al-Khazali, wurde von den US-Behörden im Irak wegen seiner Rolle bei tödlichen Angriffen auf US-Truppen im Jahr 2007 für fünf Jahre inhaftiert. Er gilt den für die USA als einer der Verantwortlichen für den Anschlag auf die US-Botschaft in römisch 40 zu Silvester 2019. Am 3.1.2020 stufte das US-Außenministerium die AAH als terroristische Organisation und Khaz'ali als "Specially Designated Global Terrorist" ein (EPIC 5.2020). Innerhalb der Volksmobilisierung erwarb sich die Organisation den Ruf, politisch-weltanschauliche mit kriminellen Motiven zu verbinden und besonders gewalttätig zu sein. Sie wird für zahlreiche Verbrechen gegen sunnitische Zivilisten verantwortlich gemacht (SWP 2.7.2021, S.25).

Die seit 2020 vermehrt in Erscheinung tretenden pro-iranischen Splittergruppen haben ein zweifelhaftes Maß an Autonomie. Es ist nicht klar, ob es sich bei diesen um unabhängige Gruppen handelt, die von den größeren "Mutter"-Milizen unterstützt werden, oder ob sie lediglich eine Fassade für diese größeren Milizen bilden, um sich den US-Sanktionen durch die Einstufung als terroristische Organisation zu entziehen (AIIA 12.1.2021; vergleiche JS 10.3.2021). Sie werden diesbezüglich insbesondere Kata'ib Hizbollah, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Sayyid ash-Shuhada und der Harakat Hizbollah an-Nujaba zugeordnet (JS 10.3.2021). Ihre Anzahl ist vage und wird auf 10 bis 20 Gruppen geschätzt (Al Arabiya 18.11.2020). Die neuen Splittergruppen treten durch primär zwei unterschiedliche Handlungsweisen in Erscheinung: Zum einen bewaffnete Milizen, die in der Lage sind, Anschläge auf US-Einrichtungen im Irak zu verüben, und zum anderen Straßenbanden, die eine Art sozialen Krieg auf den Straßen Bagdads führen. Zu den ersteren gehören Usbat al-Tha'ireen (Liga der Revolutionäre) und Ashab al-Kahf (die Gefährten der Höhle), die sich regelmäßig zu Raketen- oder IED-Angriffen auf US-Ziele bekennen (AIIA 12.1.2021). Usbat al-Tha'ireen übernahm beispielsweise die Verantwortung für den Angriff auf Camp Taji im März 2020, bei dem zwei amerikanische Soldaten und ein britischer Soldat getötet wurden (WI 10.4.2020; vergleiche Al Arabiya 18.11.2020), während Ashab al-Kahf zahlreiche Angriffe auf Konvois sowie einen Raketenangriff auf die US-Botschaft im November 2020 für sich reklamierte (JS 10.3.2021). Zur zweiten Gruppe gehören Raba Allah/Rab'Allah (das Volk Gottes), Jund Soleimani (die Soldaten Soleimanis) und Jabhat Abu Jadahah (eng. People of the Lighter's Front), die, getragen von stark religiösen Anwandlungen, als Sittenpolizei agieren und das liberalere Leben Bagdads unterdrücken, indem sie beispielsweise Massagesalons angriffen oder Bombenanschläge auf Geschäfte verübten, die Alkohol verkauften (AIIA 12.1.2021; vergleiche WI 9.4.2021). Rab'Allah gilt als wichtigste Gruppe. Im Oktober 2020 verübte sie Brandanschläge auf Büros von Fernsehsendern sowie der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP). Weiters führte sie Hetzkampagnen gegen Personen aus Politik und Medien durch und drohte ihnen mit Gewalt. Zudem organisierte sie Proteste vor ausländischen Vertretungen (WI 9.4.2021).

Iran-kritische Milizen: Atabat / Schrein-Milizen / Hashd al-Marji‘i

Bei den "Schrein"- oder Atabat-Milizen (andere Bezeichnungen: Hashd al-Atabat/ Saraya al-Atabat/ al-Atabat al-Muqadasa) oder auch Hashd al-Marji‘i handelt es sich um paramilitärische Gruppen, die mit den schiitischen Heiligtümern in Najaf und Kerbala verbunden sind, deshalb auch die Bezeichnung "Schrein-Milizen" (ICSR 1.11.2018, S.24; vergleiche WI 28.5.2020, Diyaruna 1.3.2021). Liwa Ansar al-Marjaiya, Liwa Ali al-Akbar, Firqat al-Abbas al-Qitaliyah, letztere bekannter unter der Bezeichnung Abbas Kampfdivision (Abbas Combat Division) und Firqat al-Imam Ali al-Qitaliyah haben keine Verbindungen zum Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) des Iran, sondern zu Ayatollah Ali as-Sistani, dem irakischen schiitischen Kleriker, den sie als ihr Vorbild betrachten. Insgesamt verfügen die Atabat über rund 18.000 aktive Soldaten und Zehntausende von Reservisten. Die Abbas Kampfdivision (Firqat al-Abbas) ist die militärisch fähigste der vier Gruppen, gestärkt durch die logistische Ausbildung und die Zusammenarbeit mit dem irakischen Verteidigungsministerium. Mehrere Merkmale unterscheiden die Atabat von den pro-iranischen Einheiten der PMF: Erstens arbeiten sie nur mit nationalen irakischen Institutionen zusammen und dürfen nicht mit IRGC-Kommandeuren oder anderen ausländischen Militärs in Verbindung treten. Zweitens halten sie sich aus der Politik heraus, während die iran-freundlichen Gruppen sogar ihre eigenen politischen Parteien gegründet haben. Drittens betrachten die Atabat-Einheiten die Vereinigten Staaten nicht als Feind, trotz anlassbezogener Verurteilungen von US-Aktionen. Viertens wurden die Atabat nicht der Verletzung von Menschenrechten beschuldigt. Tatsächlich haben sie kein Interesse daran, in den sunnitisch-arabischen Gebieten präsent zu sein, in denen viele solcher Verstöße begangen wurden. Ihr Hauptinteresse gilt den schiitischen heiligen Städten Karbala und Najaf und dem Wüstengebiet, die diese Städte mit Anbar verbindet. Die Atabat wurden auch nicht der Erpressung beschuldigt, im Gegensatz zu den vielen PMF-Gruppen, die solche Taktiken anwenden, um sich selbst zu erhalten, und damit den Unmut der sunnitischen Bevölkerung verschärfen (WI 28.5.2020). Die Schrein-Milizen spielten eine wichtige Rolle bei der Verteilung von Hilfsgütern im Rahmen einer Kampagne von Großayatollah as-Sistani mit dem Namen Maraji'yat al-Takaful (Solidarität der Marji'i) zur wirtschaftlichen Unterstützung der Menschen, die unter der von der Regierung verhängten Ausgangssperre während der COVID-Krise litten (EUI 6.2020, S.3).

Saraya as-Salam / Friedenskompanien

Die Saraya as-Salam mobilisierten sich 2014 aus den Rängen der vormaligen Mahdi-Armee, die dem irakischen Kleriker Muqtada as-Sadr untersteht. Sie verfolgen eine nationalistische Ideologie und eigene politische Ziele (Clingendael 6.2018, S.3). Sadr und seine Anhänger lehnen die pro-Khamenei paramilitärischen Führer und Gruppen entschieden ab. Dennoch bleiben sie Teil der Gesamtstruktur der PMF. Sie sind hinsichtlich einer Integration in die Sicherheitskräfte aufgeschlossen (ICG 30.7.2018, S.3f; vergleiche FPRI 19.8.2019). Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann. Ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert (Süß 21.8.2017). Hinsichtlich der im Herbst 2019 aufflammenden Proteste vollzog Muqtada as-Sadr eine zwiespältige Politik. - Schon in der Anfangsphase der Oktober-Demonstrationen 2019 waren Sadristen aktiv an den Demonstrationen beteiligt, und deren Paramilitärs verteidigten andere Demonstranten vor der Gewalt staatlicher und mit dem Iran verbündeter bewaffneter Kräfte. Im Frühjahr 2020 allerdings, nachdem Sadr die Demonstranten wegen ihres Auftreten gegenüber den religiösen Autoritäten tadelte, ihre "Abweichung" vom "richtigen Weg" kritisierte und parallel die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Saraya as-Salam und der pro-iranischen Asa'ib Ahl al-Haqq eingestellt wurden, gingen die Sadr-Miliz bzw. seine Anhänger in römisch 40 und weiteren Städten im Südirak gewaltsam gegen Demonstranten vor und besetzten Protestlager (FPRI, 3.2020, S.2, 17; vergleiche BAMF 5.2020, S.9f, 22).

Quellen:

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●        RFE/RL - Radio Free Europe/ Radion Liberty (27.6.2021): U.S. Troops Come Under Rocket Fire In Syria After Strikes Against Iran-Backed Militias, https://www.rferl.org/a/us-strike-iran-militia-iraq-syria/31328792.html, Zugriff 23.8.2021

●        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 27.8.2021

●        Soufan - The Soufan Center (20.3.2019): IntelBrief: The Growing Influence of Iran-Backed Militias in Iraq, https://thesoufancenter.org/intelbrief-the-growing-influence-of-iran-backed-militias-in-iraq/, Zugriff 26.8.2021

●        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik [Steinberg, Guido] (2.7.2021): Die "Achse des Widerstands" - Irans Expansion im Nahen Osten stößt an Grenzen, https://www.swp-berlin.org/publications/products/studien/2021S08_Achse_Widerstand.pdf, Zugriff 27.8.2021

●        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik [Steinberg, Guido] (1.8.2016): Die »Volksmobilisierung« im Irak - Das schiitische Milizenbündnis al-Hashd ash-Sha‘bi beschleunigt den Zerfall des Staates, https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2016A52_sbg.pdf, Zugriff 19.8.2021

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●        USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051589.html, Zugriff 23.8.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 23.8.2021

●        USDOS - United States Department of State [USA] (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004254.html, Zugriff 23.8.2021

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●        WI - Washington Institute (2.9.2021): Profile: Badr Organization, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/profile-badr-organization, Zugriff 6.9.2021

●        WI - Washington Institute (9.4.2021): Profile: Raba Allah, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/profile-raba-allah, Zugriff 31.8.2021

●        WI - Washington Institute (5.2.2021): How the United States Should View Iraq’s Shrine Militias, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/how-united-states-should-view-iraqs-shrine-militias, Zugriff 24.8.2021

●        WI - Washington Institute (28.5.2020): The Future of Iraq's Popular Mobilization Forces, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/future-iraqs-popular-mobilization-forces, Zugriff 25.8.2021

●        WI - Washington Institute (10.4.2020): Qaani’s Surprise Visit to Baghdad and the Future of the PMF, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/qaanis-surprise-visit-baghdad-and-future-pmf, Zugriff 31.8.2021

●        WI - Washington Institute [Knights, Michael et alia] (23.3.2020): Honored, not Contained - The Future Of Iraq’s Popular Mobilization Forces, https://www.washingtoninstitute.org/media/4125?disposition=attachment, Zugriff 26.8.2021

●        Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff 24.8.2021

●        WoR - War on the Rocks (11.11.2019): A State with Four Armies: How to Deal with the Case of Iraq, https://warontherocks.com/2019/11/a-state-with-four-armies-how-to-deal-with-the-case-of-iraq/, Zugriff 19.8.2021

●        Zenith (3.1.2020): Der Mann, der an Soleimanis Seite starb, https://magazin.zenith.me/de/politik/us-drohnenangriff-gegen-abu-al-muhandis, Zugirff 24.8.2021

●        1000 TI - 1000 Iraqi Thoughts (11.7.2019): Interpreting the Iraqi Prime Minister’s PMF Decree, https://1001iraqithoughts.com/2019/07/11/interpreting-the-iraqi-prime-ministers-pmf-decree/, Zugriff 24.8.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 15.10.2021

Folter und unmenschliche Behandlung sind laut der irakischen Verfassung ausdrücklich verboten (AA 22.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte (AA 22.1.2021), oder auch um Geständnisse zu erzwingen (HRW 13.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Gerichte akzeptieren solche Geständnisse als Beweismittel (USDOS 30.3.2021) auch für die Vollstreckung von Todesurteilen. Laut Informationen der Vereinten Nationen (UNAMI) sollen u.a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören (AA 22.1.2021). Häftlinge berichten auch über Todesfälle aufgrund von Folter während Verhören (HRW 13.1.2021).

Weiterhin misshandeln und foltern Angehörige der Sicherheitskräfte, darunter Polizeibeamte, Angehörige des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS), der Volksmobilisierungskräfte (PMF) und der kurdischen Asayish, Personen, insbesondere sunnitische Araber, während Verhaftung, Untersuchungshaft und nach einer Verurteilung. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 30.3.2021).

Seit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 werden irakische Sicherheitsbehörden und Milizen beschuldigt an Entführungen und Folter gegen die Demonstranten involviert zu sein (GIZ 1.2021a; vergleiche UNAMI 23.5.2020). In Basra gingen die Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstranten vor, wobei auch einige Kinder bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen wurden. Andere Demonstranten waren Misshandlungen ausgesetzt, die Folter gleichkommen könnten (AI 7.4.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Iraq 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048571.html, Zugriff 10.4.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Irak - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 28.1.2021

●        UNAMI - United Nations Assistance Mission for Iraq (23.5.2020): Demonstrations in Iraq: 3rd update, Abductions, torture and enforced disappearancesin the context ofongoing demonstrations in Iraq, https://www.ohchr.org/Documents/Countries/IQ/3pdatemayen_1.pdf, Zugriff 16.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Korruption

Letzte Änderung: 15.10.2021

Korruption ist nach wie vor ein großes Problem im Irak (FH 3.3.2021; vergleiche GIZ 1.2021b). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Staatsdiener vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht immer wirksam um (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021). Weniger als 5% der Korruptionsfälle werden angezeigt (GIZ 1.2021b).

Beamte sind häufig ungestraft in korrupte Praktiken verstrickt. Die Untersuchung von Korruption ist nicht frei von politischer Einflussnahme. Die Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung wurden durch Mangel an Einigkeit bezüglich der institutionellen Rollen, an politischem Willen, und politischem Einfluss, mangelnder Transparenz und durch unklare Rechtsvorschriften und Regulierungsverfahren behindert. Im August 2020 hat Premierminister al-Kadhimi per Verordnung einen ständigen Sonderausschusses zur Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung größerer Korruptionsfälle eingesetzt. Im September 2020 wurden aufgrund der Arbeit des Antikorruptionsausschusses 19 hochrangige Personen verhaftet. Im Oktober 2020 wurden rund 1.000 Beamte entlassen, nachdem sie wegen Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, darunter Verschwendung öffentlicher Gelder, Bestechung und Veruntreuung, verurteilt worden waren (USDOS 30.3.2021).

Antikorruptions-, Strafverfolgungs- und Justizbeamte sowie Mitglieder der Zivilgesellschaft und der Medien werden wegen ihrer Bemühungen zur Bekämpfung korrupter Praktiken bedroht und eingeschüchtert (USDOS 30.3.2021). Korruption war einer der Auslöser für die Massenproteste am 1.10.2019 im Süd- und Zentralirak, inklusive römisch 40 (FH 3.3.2021).

Auf dem Corruption Perceptions Index 2020 von Transparency International wird der Irak mit 21 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean) und nimmt Rang 160 von 180 Staaten ein (TI 3.2021).

Die Kurdische Region im Irak (KRI) leidet unter ähnlichen Korruptionsproblemen (FH 3.3.2021).

Quellen:

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        TI - Transparency International (3.2021): Iraq, https://www.transparency.org/country/IRQ, Zugriff 1.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Wehrdienst, Rekrutierungen und Wehrdienstverweigerung

Letzte Änderung: 13.09.2021

Im Irak besteht keine Wehrpflicht (AA 22.1.2021). Männer zwischen 18 und 40 Jahren können sich freiwillig zum Militärdienst melden (CIA 18.1.2021). Seit 2003 wurden keine Personen mit Verbindungen zum alten Regime bei den neuen Sicherheitskräften aufgenommen (AA 22.1.2021).

Laut Kapitel 5 des irakischen Militärstrafgesetzes von 2007 ist Desertion in Gefechtssituationen mit bis zu sieben Jahren Haft strafbar. Das Überlaufen zum Feind ist mit dem Tode strafbar (MoD 10.2007). Angehörige des irakischen Militärs, die 2014 desertiert sind, können auf der Grundlage eines Beschlusses des Ministerrates vom Juni 2019 wieder der irakischen Armee beitreten und so einer Strafverfolgung auf der Grundlage des Militärstrafgesetzes entgehen. Regierungsangaben zufolge betrifft dies über 52.000 Soldaten und 2.000 Angehörige von Spezialeinheiten (AA 22.1.2021).

Die Rekrutierung in die Volksmobilisierungskräfte (PMF) erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis. Viele schließen sich den PMF aus wirtschaftlichen Gründen an. Desertion von Kämpfern niederer Ränge hätte wahrscheinlich keine Konsequenzen oder Vergeltungsmaßnahmen zur Folge (DIS/Landinfo 5.11.2018; vergleiche UK Home Office 1.2021).

Auch in der Kurdischen Region im Irak (KRI) herrscht keine Wehrpflicht (DIS 12.4.2016; vergleiche EASO 1.2021). Kurdische Männer und Frauen können sich freiwillig zu den Peshmerga melden (DIS 12.4.2016). Rekruten für die Peshmerga unterzeichnen einen Vertrag für eine bestimmte Dienstzeit, nach dessen Ablauf die Person freiwillig gehen kann (EASO 1.2021 ).

Mehrere Quellen haben festgestellt, dass es für hochrangige Peshmerga schwieriger sein kann, die Armee zu verlassen und dass dies Konsequenzen haben kann. Nicht aber für Peshmerga niederen Ranges (EASO 1.2021). Die Strafe für Desertion von den Peshmerga kann, je nach den Umständen, von der Auflösung des Vertrages bis zur Verurteilung zum Tode reichen (DIS 12.4.2016; vergleiche EASO 1.2021). Es wurden jedoch weder vor 2015 noch in neueren Berichten derartige Fälle bekannt (EASO 1.2021).

Es gibt keine Berichte darüber, dass das Verteidigungsministerium der Zentralregierung Kinder für den Dienst in den Sicherheitsdiensten einberufen oder rekrutiert hat. Die Regierung und die religiösen schiitischen Führer haben Kindern unter 18 Jahren ausdrücklich verboten, im Kampf zu dienen. Es gab 2020 keine neuen Berichten über die Rekrutierung Minderjähriger durch die Volksmobilisierungskräfte (PMF) (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

●        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (18.1.2021): The World Factbook – Iraq, file:///home/co7295/Dokumente/LIB_KI/IRAK/IRAK_LIB_Update_2021/Quellen/CIA%2018.1.2021.html#military-and-security, Zugriff 18.1.2021

●        DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (12.4.2016): The Kurdistan Region of Iraq (KRI); Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation; Report from fact finding mission to Erbil, the Kurdistan Region of Iraq (KRI) and Beirut, Lebanon, 26 September to 6 October 2015, https://www.ecoi.net/en/file/local/1302021/1226_1460710389_factfindingreportkurdistanregionofiraq11042016.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        DIS/Landinfo - Danish Immigration Service [Dänemark]; Norwegian Country of Origin Information Center [Norwegen] (5.11.2018): Northern Iraq: Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), https://www.ecoi.net/en/file/local/1450541/1226_1542182184_iraq-report-security-idps-and-access-nov2018.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        EASO – European Asylum Support Office (1.2021): Country Guidance: Iraq; Common analysis and guidance note, https://www.ecoi.net/en/file/local/2045437/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        MoD - Republic of Iraq, Ministry of Defense [Irak] (10.2007): Military Penal Code No. 19 of 2007, https://ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl-nat.nsf/implementingLaws.xsp?documentId=9C60EDC34C397A53C1257C080040F111&action=openDocument&xp_countrySelected=IQ&xp_topicSelected=GVAL-992BUA&from=state, Zugriff 18.1.2021

●        UK Home Office [Großbritannien] (1.2021): Country Policy and Information Note Iraq: Sunni Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043500/Iraq_-_Sunni_Arabs_-_CPIN_-_v3.0_-_January_2021_-_ext.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die Verfassung vom 15.10.2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit (AA 22.1.2021; vergleiche GIZ 1.2021a), Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung (AA 22.1.2021). Die Verfassungswirklichkeit weicht jedoch vielfach von diesen Prinzipien ab. Unabhängige Institutionen, die stark genug wären, die Einhaltung der Verfassung zu kontrollieren und zu gewährleisten, existieren nicht (GIZ 1.2021a).

Der Irak hat auch wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft, und die unabhängige Menschenrechtskommission ist in der Vergangenheit wenig in Erscheinung getreten. Im Zuge der Proteste seit Oktober 2019 versucht die Kommission jedoch sich unabhängig ein Bild von der Lage zu machen und die Zahlen von Toten und Verletzten zu sammeln, zu verifizieren und zu veröffentlichen, da sich die Regierung einer Veröffentlichung verweigert (AA 22.1.2021).

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen; Verschwindenlassen; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; erzwungene Rückkehr von Binnenvertriebenen (IDPs); Kriminalisierung und Gewalt gegen LGBTIQ-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 30.3.2021). Auch Menschenhandel ist ein Problem. IDPs sind davon besonders gefährdet. Die Bemühungen der Regierung, die Gesetze gegen den Menschenhandel durchzusetzen, sind unzureichend (FH 3.3.2021).

Im Irak kam es 2020 zu einer Reihe von Morden an zivilgesellschaftlichen, politischen und Menschenrechtsaktivisten sowie zu vermehrten Drohungen gegen Journalisten (FCO 8.7.2021).

Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten (USDOS 12.5.2021). Tausende IDPs, die aus Gebieten geflohen sind, die unter der Kontrolle des Islamischen Staats (IS) standen, wurden von Irakischen Sicherheitskräften (ISF) und Volksmobilisierungskräften (PMF) willkürlich verhaftet und sind nach wie vor verschwunden (AI 7.4.2021).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Enteignungen, außer im öffentlichen Interesse und gegen eine gerechte Entschädigung. In den vergangenen Jahren wurden Häuser und Eigentum von mutmaßlichen IS-Angehörigen sowie Mitgliedern religiöser und konfessioneller Minderheiten durch Regierungstruppen und PMF-Milizen konfisziert und besetzt, ohne Kompensationen für die Besitzer (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung, einschließlich des Büros des Premierministers, untersucht Vorwürfe über Missbräuche und Gräueltaten, die durch die Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) begangen wurden, bestraft die Verantwortlichen jedoch selten. Es fehlt an Rechenschaftspflicht für Gewalt gegen Frauen und Gewaltverbrechen, die sich gegen Angehörige ethnischer Minderheiten richten. Der sog. IS begeht weiterhin schwere Gräueltaten, darunter Tötungen durch Selbstmordattentate und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die Behörden untersuchen IS-Handlungen und verfolgen IS-Mitglieder nach dem Anti-Terrorgesetz von 2005 (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Iraq 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048571.html, Zugriff 10.4.2021

●        FCO - UK Foreign, Commonwealth and Development Office (8.7.2021): Human Rights and Democracy: 2020 Foreign, Commonwealth & Development Office report, https://www.ecoi.net/en/document/2056823.html, Zugriff 14.8.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungsfreiheit

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die Verfassung sieht das Recht auf Versammlung und friedliche Demonstration nach den Regeln des Gesetzes vor (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021), allerdings nur unter der Vorgabe, dass nicht gegen die öffentliche Ordnung und Moral verstoßen wird (AA 22.1.2021; vergleiche GIZ 1.2021a). Ein Gesetzesentwurf von 2014 für eine nähere Ausgestaltung der Regelung wurde bislang nicht verabschiedet (AA 22.1.2021).

Die gesetzlichen Regelungen schreiben vor, dass die Veranstalter sieben Tage vor einer Demonstration um Genehmigung ansuchen und detaillierte Informationen über Veranstalter, Grund des Protests und Teilnehmer einreichen müssen. Die Vorschriften verbieten jegliche Slogans, Schilder, Druckschriften oder Zeichnungen, die Konfessionalismus, Rassismus oder die Segregation der Bürger zum Inhalt haben. Die Vorschriften verbieten auch alles, was gegen die Verfassung oder gegen das Gesetz verstößt; alles, was zu Gewalt, Hass oder Mord ermutigt; und alles, was eine Beleidigung des Islam, der Ehre, der Moral, der Religion, heiliger Gruppen oder irakischer Einrichtungen im Allgemeinen darstellt. Die Behörden erteilen Genehmigungen in der Regel in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften (USDOS 30.3.2021).

Demonstranten sind häufig der Gefahr von Gewalt oder Verhaftung ausgesetzt (FH 3.3.2021). Als die Demonstrationen ab Oktober 2019 eskalierten, versäumten es die Behörden, die Demonstranten vor Gewalt zu schützen (USDOS 30.3.2021). Sicherheitskräfte gingen teils mit großer Härte gegen Demonstranten vor. Es gibt Berichte über Entführung, Folter und Tötung von Demonstranten, Aktivisten und Journalisten, von denen angenommen wird, dass diese der Einschüchterung der Demonstranten und der Beendigung der Proteste dienen sollten (AA 22.1.2021).

Im Zuge der ab Oktober 2019 stattfindenden Protestbewegung wurden Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängt (FH 3.3.2021; vergleiche GIZ 2021a) und Sicherheitskräfte setzten Tränengas und scharfe Munition gegen Demonstranten ein. Bis Mitte Dezember 2020 wurden bei den Protesten etwa 25.000 Menschen verletzt, mindestens 700 wurden getötet. Irakische Sicherheitskräfte und pro-iranische Milizen schossen routinemäßig mit scharfer Munition auf Demonstranten. Irakische Beamte und Journalisten berichteten auch, dass Scharfschützen unter dem Kommando von iranisch unterstützten Milizeinheiten mit scharfer Munition von Dächern aus auf Demonstranten schossen und eine Welle von Entführungen von Protestorganisatoren und Aktivisten durchführten. Iranische und irakische Medien, die mit den vom Iran unterstützten Milizen in Verbindung stehen, verbreiteten falsche Berichte über Aktivisten, um diese Angriffe zu rechtfertigen (FH 3.3.2021).

Im Jänner 2021 griff in Nasiriya, der Hauptstadt des Gouvernements Dhi Qar, eine Armee-Einheit ein, um Demonstranten vor der Polizei zu schützen. Dabei kam es zu Schusswechseln zwischen den Sicherheitskräften, bei denen ein Polizist getötet wurde (Wing 11.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Irak - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (11.1.2021): Iraqi Army Intervenes To Protect Nasiriya Protesters From Police, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/01/iraqi-army-intervenes-to-protect.html, Zugriff 25.8.2021

Protestbewegung

Letzte Änderung: 13.09.2021

Versorgungsengpässe bei Strom und Wasser sowie die mangelnde Arbeitsbeschaffung sind die Gründe für die andauernden Proteste in Iraks großen Städten (GIZ 1.2021a). Bereits von Juli bis September 2018 kam es in Basra und im übrigen Südirak zu Protesten (DFAT 17.8.2020).

Im Oktober 2019 begannen landesweite Massenproteste (ICG 26.7.021; vergleiche AI 7.4.2021). Diese betrafen vor allem die schiitischen Gebiete des Südirak und römisch 40 . Die Forderungen umfassten bessere Beschäftigungsmöglichkeiten und öffentliche Dienstleistungen sowie ein Ende der Korruption in der Regierung (DFAT 17.8.2020; vergleiche ICG 26.7.2021, AI 7.4.2021). Eine weitere Forderung der Demonstranten ist die Abschaffung des Muhasasa-Systems, d.h. der ethnisch-konfessionellen Postenbesetzung in der Regierung und Verwaltung (ICG 26.7.2021). Sie waren außerdem gegen die Einmischung ausländischer Mächte, insbesondere des Iran gerichtet (DFAT 17.8.2020). Diese Proteste wurden auch in den ersten Monaten des Jahres 2020 fortgesetzt, bis sie durch den Ausbruch von COVID-19 vorübergehend unterbrochen wurden. Seit Mai 2020 kommt es wieder zu kleineren Demonstrationen, vor allem in den Städten römisch 40 , Basra und Nasriyah (AI 7.4.2021).

Es wurden Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängt (GIZ 1.2021a). Fernsehsender, die über die Proteste berichteten, wurden von bewaffneten Männern überfallen (ICG 27.7.2021). Staatliche Sicherheitskräfte (ISF) und mit dem Iran verbündete Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) waren an gewaltsamer Unterdrückung der Proteste beteiligt (DFAT 17.8.2020; vergleiche ICG 26.7.2021). Im Zuge der Proteste kam es seit Ende 2019 bis ins Jahr 2020 hinein zu willkürlichen Verhaftungen, gewaltsamem Verschwindenlassen und außergerichtlichen Tötungen von Demonstranten durch ISF und PMF (HRW 13.1.2021). Dutzende Aktivisten wurden im Zuge der Protestbewegung Ziel von Entführungen, Mordversuchen und Morden (MEE 25.7.2021). Mindestens 560 Demonstranten wurden während der Proteste getötet (HRW 13.1.2021). Andere Quellen sprechen von etwa 600 getöteten Demonstranten und über 20.000 Verletzten in den ersten sechs Monaten der Proteste (ICG 26.7.2021). Diese Vorfälle führten zum Rücktritt der Regierung unter Premierminister Adil Abdul al-Mahdi und zur Ernennung eines neuen Premierministers, Mustafa al-Kadhimi, im Mai 2020 (HRW 13.1.2021; vergleiche ICG 26.7.2021).

Die Demonstranten fordern, dass die Sicherheitskräfte für ihre Übergriffe zur Rechenschaft gezogen werden, einschließlich der Tötung und des gewaltsamen Verschwindenlassens von Demonstranten (AI 7.4.2021). Trotz der anfänglichen, scheinbaren Bereitschaft, einige der gravierendsten Menschenrechtsprobleme des Irak anzugehen, gelang es der Regierung al-Kadhimi nicht, die Übergriffe auf Demonstranten zu beenden. Ein im Mai 2020 eingerichteter Ausschuss zur Untersuchung der Tötung von Demonstranten hat bis Ende 2020 noch keine Ergebnisse öffentlich bekannt gegeben. Im Juli 2020 kündigte die Regierung al-Kadhimi an, die Familien der bei den Protesten Getöteten zu entschädigen (HRW 13.1.2021).

Im Oktober 2019 wurden mehrere hochrangige Militärkommandanten wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten von ihren Posten entfernt (FH 3.3.2021). Es wurden jedoch bislang keine hochrangigen Kommandanten strafrechtlich verfolgt. Nach einer Reihe von Tötungen und versuchten Tötungen von Demonstranten in Basra wurden im August 2020 der Polizeichef von Basra und der Direktor für nationale Sicherheit des Gouvernements entlassen. Es wurde jedoch keine Strafverfolgung eingeleitet (HRW 13.1.2021). Diese Maßnahmen wurden von vielen Irakern als unzureichend abgelehnt und hatten wenig abschreckende Wirkung auf Mitglieder der Sicherheitskräfte, die im Laufe des Jahres zahlreiche Demonstranten tödlich verletzten. Trotz eines öffentlichen Versprechens von Premierminister al-Kadhimi im August 2020, die Verantwortlichen für das Verschwindenlassen und die Ermordungen zu untersuchen und zu bestrafen, befinden sich die Täter weiterhin auf freiem Fuß (FH 3.3.2021).

Quellen:

●        AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Iraq 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048571.html, Zugriff 10.4.2021

●        DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Irak - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 10.2.2021

●        ICG - International Crisis Group (26.7.2021): Iraq’s Tishreen Uprising: From Barricades to Ballot Box, https://www.ecoi.net/en/file/local/2056850/223-iraq-tishreen.pdf, Zugriff 2.8.2021

●        MEE - Middle East Eye (25.7.2021): Iraq: Son of prominent women's rights activist found shot dead near Basra, https://www.middleeasteye.net/news/iraq-son-prominent-iraqi-rights-activist-shot-dead-near-basra, Zugriff 2.8.2021

Vereinigungsfreiheit / Opposition

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die Verfassung garantiert, mit einigen Ausnahmen, das Recht auf Gründung von und Mitgliedschaft in Vereinen und politischen Parteien. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Ausnahmen betreffen das gesetzliche Verbot von Gruppen, die Unterstützung für die Ba‘ath-Partei oder für zionistische Prinzipien bekunden (USDOS 30.3.2021). Iraker können generell ohne staatliche Einmischung Parteien gründen oder ihnen beitreten. Bei den letzten Wahlen 2018 waren 205 Parteien registriert. Es wird erwartet, dass die Wahlreform von 2019 unabhängige Kandidaturen existenzfähiger macht (FH 3.3.2021). Es liegen keine Erkenntnisse über die gezielte Unterdrückung der politischen Opposition durch staatliche Organe vor. Politische Aktivisten berichten jedoch von Einschüchterungen und Gewalt durch staatliche, nicht-staatliche oder paramilitärische Akteure, die abschrecken sollen, neue politische Bewegungen zu etablieren, und die Vorheriger SuchbegrifffreieNächster Suchbegriff Meinungsäußerung teils massiv einschränken (AA 22.1.2021). Irakische Politiker, die gegen iranische Interessen agieren, werden bedroht (FH 3.3.2021).

Die Arbeitsgesetze garantieren Arbeitnehmern das Recht auf die Bildung von Gewerkschaften, von Kollektivverhandlungen und auf das Abhalten von Streiks, schützen sie aber nicht vor gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung bis hin zu Entlassungen (FH 3.3.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). Es ist verboten Gewerkschaften unabhängig vom staatlichen kontrollierten Generalverband der irakischen Arbeiter zu gründen (USDOS 30.3.2021). Angestellten des öffentlichen Sektors ist es nicht gestattet sich gewerkschaftlich zu organisieren. Einige Staatsbeamte und private Arbeitgeber entmutigen Gewerkschaftsaktivitäten mit Drohungen, Degradierungen und anderen Abschreckungsmaßnahmen (FH 3.3.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 13.09.2021

Die Haftbedingungen entsprechen nicht dem internationalen Mindeststandard, wobei die Situation in den Haftanstalten erheblich variiert (AA 22.1.20210). In einigen Gefängnissen und Haftanstalten sind die Bedingungen aufgrund von Überbelegung oft hart (FH 3.3.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). Misshandlung und unzureichender Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung lassen die Bedingungen auch lebensbedrohlich werden. Die Überbelegung der staatlichen Gefängnisse stellt ein systemisches Problem dar, das durch die Zunahme der Zahl der festgenommenen mutmaßlichen IS-Mitglieder noch verschärft wird. Einen weiteren lebensbedrohlichen Faktor stellt die COVID-19 Pandemie dar. Im April 2020 gab das Justizministerium bekannt, dass 950 erwachsene Häftlinge und 57 Jugendliche begnadigt wurden, um die Ausbreitung von COVID-19 in den Gefängnissen einzudämmen (USDOS 30.3.2021). Anderen Quellen zufolge wurde die Freilassung von 20.000 Häftlingen verkündet (MEMO 24.4.2020; vergleiche HRW 13.1.2021). Mitte 2020 haben das Justizministerium und das Irakische Hochkommissariat für Menschenrechte (IHCHR) vor einer COVID-19 bedingten Gesundheitskrise wegen der Überbelegung in den Haftanstalten gewarnt. Um dieser Überbelegung weiter entgegenzuwirken wurde im August 2020 die Eröffnung eines neuen Gefängnisses in römisch 40 angekündigt (USDOS 30.3.2021).

Es mangelt an Jugendstrafanstalten. Dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zufolge werden jugendliche Häftlinge mittlerweile meist getrennt von erwachsenen Straftätern inhaftiert, ihnen wird aber oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt (AA 22.1.2021). Bürokratische Hürden erschweren das Mandat der UN-Mission für den Irak (UNAMI) zum Besuch irakischer Haftanstalten. Das IKRK hat hingegen regelmäßigen und flächendeckenden Zugang (AA 22.1.2021).

Es gibt Berichte über gewaltsames Verschwindenlassen von Häftlingen, besonders von mutmaßlichen IS-Kämpfern (FH 3.3.2021).

Der nationale Sicherheitsdienst (National Security Service, NSS), ein dem Premierminister unterstellter Geheimdienst, hat im Juli 2018 erstmals eingestanden Personen über einen längeren Zeitraum festzuhalten, beispielsweise in ash-Shurta, im Osten Mossuls. Dies geschieht laut NSS mit der Zustimmung des Hohen Justizrates in Ninewa (HRW 22.7.2018; vergleiche DFAT 17.8.2020). Berichten zufolge betreibt auch die 30. Brigade der Volksmobilisierungskräfte (PMF) mehrere geheime Gefängnisse in Ninewa. Rund 1.000 Personen sollen unter falschen Tatsachen und aus ethno-konfessionellen Gründen verhaftet worden sein. Familien solcher Gefangener müssen hohe Lösegeldsummen für die Freilassung ihrer Angehörigen zahlen (USDOS 30.3.2021).

Auch in Frauengefängnissen gibt es Überbelegung, und es fehlen oft ausreichende Kinderbetreuungseinrichtungen für die Kinder der Gefangenen, die nach dem Gesetz bis zum Alter von vier Jahren bei ihren Müttern bleiben dürfen (USDOS 11.3.2020).

Es gibt keine psychosoziale Unterstützung für Gefangene mit geistigen Behinderungen (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

●        • AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asylund abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www. ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_% C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28St and_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.2021

●        • DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 3.3.2021

●        • FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html , Zugriff 3.3.2021

●        • HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html , Zugriff 10.2.2021

●        • HRW - Human Rights Watch (22.7.2018): Iraq: Intelligence Agency Admits Holding Hundreds Despite Previous Denials, https://www.hrw.org/news/2018/07/22/iraq-intelligence-agency-admits-holding-hundreds-despite-previous-denials , Zugriff 3.3.2021

●        • MEMO - Middle East Monitor (24.4.2020): Iraq releases 20,000 prisoners amid fears of spread of coronavirus, https://www.middleeastmonitor.com/20200424-iraq-releases-20000-prisoners-amid-fears-of-spread-of-coronavirus/; Zugriff 1.4.2021

●        • USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html , Zugriff 1.4.2021

●        • USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html , Zugriff 1.4.2021

Todesstrafe

Letzte Änderung: 13.09.2021

Die Todesstrafe ist in Artikel 15 der Verfassung auf Grundlage einer von einer zuständigen Justizbehörde erlassenen Entscheidung erlaubt (DFAT 17.8.2020). Sie ist auch im irakischen Strafrecht vorgesehen, wird verhängt und vollstreckt (AA 22.1.2021). Der Irak ist eines der Länder mit der höchsten Zahl von verhängten Todesstrafen (HRW 13.1.2021). Die Todesstrafe kann bei 48 verschiedenen Delikten, darunter Mord, terroristische und staatsfeindliche Aktivitäten, Hochverrat, Einsatz von chemischen Waffen und Vergewaltigung verhängt werden (AA 22.1.2021).

Nach dem Antiterrorismusgesetz (2005) kann die Todesstrafe gegen jeden verhängt werden, der terroristische Handlungen begeht, dazu anstiftet, sie plant, finanziert oder unterstützt (DFAT 17.8.2020). Der Großteil der Hinrichtungen erfolgt wegen Terrorismusvorwürfen (AA 22.1.2021; vergleiche DFAT 17.8.2020). Viele Personen werden im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung wegen ihrer IS-Angehörigkeit verurteilt (HRW 13.1.2021). Die Todesstrafe stößt in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz (AA 22.1.2021).

Aktuelle Zahlen zu den vollstreckten Hinrichtungen liegen nicht vor (HRW 13.1.2021; vergleiche AA 22.1.2021). Die Behörden berichten diese nicht mehr regelmäßig an die Vereinten Nationen und machen auch auf Nachfrage keine verlässlichen Angaben (AA 22.1.2021). Amnesty International zufolge wurden 2020 mindestens 27 Todesurteile ausgesprochen (AI 4.2021). Mindestens 50 Hinrichtungen wurden vollzogen (AI 7.4.2021). 21 dieser Hinrichtungen fanden während einer Massenexekution am 17.11.2020 statt (AI 4.2021; vergleiche DW 16.11.2020, HRW 13.1.2021). Unter den Verurteilen waren elf Franzosen und ein Belgier. Bis dahin wurde im Irak noch nie ein ausländisches IS-Mitglied hingerichtet (DW 16.11.2020). 8.022 Gefangene saßen im August 2019 in der Todeszelle (HRW 13.1.2021). Ende 2020 waren es über 7.900 Personen, die zum Tode verurteilt waren (AI 4.2021). Vor allem gegen mutmaßliche IS-Kämpfer werden in fragwürdigen Prozessen zunehmend Todesurteile verhängt und vollstreckt (AA 22.1.2021).

Das irakische Strafgesetzbuch verbietet das Verhängen der Todesstrafe gegen jugendliche Straftäter, d.h. Minderjährige und Personen im Alter von 18 bis 21 Jahren zum Zeitpunkt der Begehung der mutmaßlichen Straftat sowie gegen schwangere Frauen und Frauen bis zu vier Monaten nach einer Geburt. In diesem Fall wird die Todesstrafe in eine lebenslange Haft umgewandelt (HRC 5.6.2018).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        AI - Amnesty International (4.2021): Death Sentences and Executions 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2049793/ACT5037602021ENGLISH.PDF, Zugriff 2.5.2021

●        AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Iraq 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048571.html, Zugriff 10.4.2021

●        DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        DW - Deutsche Welle (16.11.2020): Irak lässt 21 Todesurteile vollstrecken, https://www.dw.com/de/irak-l%C3%A4sst-21-todesurteile-vollstrecken/a-55619212, Zugriff 13.8.2021

●        HRC - Human Rights Council (5.6.2018): Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions on her mission to Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/A_HRC_38_44_Add.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 10.2.2021

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 15.10.2021

Anmerkung: Aufgrund der komplexen Verflechtung religiöser und ethnischer Identitäten ist eine strikte Unterscheidung zwischen rein religiösen Minderheiten und rein ethnischen Minderheiten im Irak oft nur schwer möglich. Um eine willkürliche Trennung zu vermeiden, werden alle Minderheiten, einschließlich derer, bei denen das religiöse Element überwiegt, im Abschnitt "Minderheiten" behandelt.

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an (AA 22.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021). Gemäß Artikel 2 Absatz 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 22.1.2021; vergleiche GIZ 1.2021a). Es darf kein Gesetz erlassen werden, das den "erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (RoI 15.10.2005; vergleiche USDOS 12.5.2021 ). In Absatz 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert (AA 22.1.2021 ). Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen oder Atheisten (RoI 15.10.2005; vergleiche USDOS 12.5.2021 ).

Artikel 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 22.1.2021; vergleiche ROI 15.10.2005). Artikel 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten (AA 14.10.2020; vergleiche ROI 15.10.2005). Die meisten politischen Führer haben sich nach der Niederlage des Islamischen Staats (IS) für religiösen Pluralismus ausgesprochen, und Minderheiten, die in befreiten Gebieten leben, können ihre Religion seitdem weitgehend frei ausüben (FH 3.3.2021).

Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Mandäer-Sabäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der Regierung gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 12.5.2021).

Das Gesetz verbietet die Ausübung des Bahai-Glaubens und der wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams (USDOS 12.5.2021; vergleiche USCIRF 4.2021).

Mit Einführung eines neuen Personalausweises im Jahr 2015 wurde ein Eintrag, der die Religionszugehörigkeit des Passinhabers deklarierte, dauerhaft abgeschafft (AA 22.1.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021). Es wurde allerdings ein Passus in die Bestimmungen aufgenommen, der religiöse Minderheiten diskriminiert. Artikel 26 besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 22.1.2021). Der Online-Antrag auf einen Personalausweis verlangt nach wie vor die Deklaration der Religionszugehörigkeit, wobei nur Muslim, Christ, Sabäer-Mandäer, Jeside und Jude zur Auswahl stehen. Dabei wird zwischen den verschiedenen Konfessionen des Islams (Shi‘a-Sunni) bzw. den unterschiedlichen Denominationen des Christentums nicht unterschieden. Personen, die anderen Glaubensrichtungen angehören, können nur dann einen Ausweis erhalten, wenn sie sich selbst als Muslim, Jeside, Mandäer-Sabäer, Jude oder Christ deklarieren. Ohne einen amtlichen Personalausweis kann man keine Eheschließung eintragen lassen, seine Kinder nicht in einer öffentlichen Schule anmelden, keinen Reisepass beantragen und auch einige staatliche Dienstleistungen nicht in Anspruch nehmen (USDOS 12.5.2021).

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage dazu bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze. Fünf Sitze sind für die christliche Minderheit sowie jeweils ein Sitz für Jesiden, Mandäer/Sabäer, Schabak und Faili Kurden reserviert. Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 22.1.2021).

Einschränkungen der Religionsfreiheit sowie Gewalt gegen und Belästigung von Minderheitengruppen durch staatliche Sicherheitskräfte (ISF) sind nach Angaben von Religionsführern und NGOs außerhalb der Kurdischen Region im Irak (KRI) nach wie vor weit verbreitet. Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten (USDOS 12.5.2021).

Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass Regierungstruppen, einschließlich der ISF, der Peshmerga und der PMF, die Freizügigkeit innerhalb des Landes aus ethnisch-konfessionellen Gründen selektiv einschränken, um z.B. die Einreise von Personengruppen in von ihnen kontrollierte Gebiete zu begrenzen. Diskriminierung von Minderheiten durch Regierungstruppen, insbesondere durch manche PMF-Gruppen, und andere Milizen, sowie das Vorgehen verbliebener aktiver IS-Kämpfer, hat ethnisch-konfessionelle Spannungen in den umstrittenen Gebieten weiter verschärft. Es kommt weiterhin zu Vertreibungen wegen vermeintlicher IS- Zugehörigkeit. Kurden und Turkmenen, sowie Christen und andere Minderheiten im Westen Ninewas und in der Ninewa-Ebene berichten über willkürliche und unrechtmäßige Verhaftungen durch Volksmobilisierungskräfte (PMF) (USDOS 30.3.2021).

Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig festzustellen, wieviele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren sind (USDOS 30.3.2021).

Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in die religiösen Bräuche der Mitglieder von Minderheitengruppen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt. Manche Minderheitenvertreter berichten jedoch über Schikanen und Restriktionen durch lokale Behörden (USDOS 12.5.2021).

Vertreter religiöser Minderheiten berichten weiterhin über Druck auf ihre Gemeinschaften Landrechte abzugeben, wenn sie sich nicht stärker an islamische Gebote halten (USDOS 12.5.2021).

In der KRI erhalten Religionsgemeinschaften ihre Anerkennung durch die Registrierung beim Ministerium für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA) der Kurdischen Regionalregierung (KRG). Um sich registrieren zu können, muss eine Gemeinschaft mindestens 150 Anhänger haben, Unterlagen über die Quellen ihrer finanziellen Unterstützung vorlegen und nachweisen, dass sie nicht "anti-islamisch" ist. Acht Glaubensrichtungen sind anerkannt und bei der KRG-MERA registriert: Islam, Christentum, Jesidentum, Judentum, Sabäer-Mandäismus, Zoroastrismus, Yarsanismus und der Bahai-Glaube (USDOS 12.5.2021).

[Anm.: Weiterführende Informationen zur Situation einzelner religiöser Minderheiten können dem Kapitel Minderheiten entnommen werden.]

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Irak - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 3.3.2021

●        SCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF – Recommended for Special Watchlist: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052974/Iraq+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 2.2.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Minderheiten

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die genaue ethno-konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung des Iraks ist unklar, da die letzten Volkszählungen manipulativ waren und beispielsweise nur die Angaben "Araber" und "Kurde" zuließen. Andere Bevölkerungsgruppen wurden so statistisch marginalisiert. Laut Schätzungen teilen sich die Einwohner Iraks folgendermaßen auf: in etwa 75-80% Araber, 15-20% Kurden und etwa 5%, Tendenz fallend, Minderheiten, zu denen unter anderem Assyrer, Armenier, Mandäer/Sabäer und Turkmenen zählen (GIZ 1.2021c).

Die wichtigsten ethno-konfessionellen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60-65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17-22%) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15-20%) (AA 22.1.2021).

Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten faktisch unter weitreichender Diskriminierung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 22.1.2021). Mitglieder bestimmter ethnischer oder religiöser Gruppen erleiden in Gebieten, in denen sie eine Minderheit darstellen, häufig Diskriminierung oder Verfolgung, was viele dazu veranlasst, Sicherheit in anderen Stadtteilen oder Gouvernements zu suchen (FH 3.3.2021). Es gibt Berichte über rechtswidrige Verhaftungen, Erpressung und Entführung von Angehörigen von Minderheiten, wie Kurden, Turkmenen, Christen und anderen, durch PMF-Milizen, in den umstrittenen Gebieten, insbesondere im westlichen Ninewa und in der Ninewa-Ebene (USDOS 30.3.2021).

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Kurdischen Region im Irak (KRI), oft benachteiligt (AA 22.1.2021).

Die Hauptsiedlungsgebiete der meisten religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des Islamischen Staates (IS) standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäer/Sabäern, Kaka‘i, Schabak und Christen. Aus dieser Zeit liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 22.1.2021).

In der KRI sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 22.1.2021). Es gibt jedoch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Schabak und Christen) durch KRI-Behörden in den sogenannten "umstrittenen Gebieten" (USDOS 12.5.2021). Darüber hinaus empfinden dort Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und vor allem der schiitischen Milizen (AA 22.1.2021).

Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden besonders in den zwischen der Zentralregierung und der KRI sogenannten "umstrittenen Gebieten" (Gouvernement Kirkuk, sowie Teile von Ninewa, Salah Ad-Din und Diyala) Tendenzen zur gewaltsamen ethnisch-konfessionellen Homogenisierung festgestellt. Die Mission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) und Amnesty International haben dokumentiert, wie angestammte Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. Binnenvertriebene an der Rückkehr gehindert wurden. Dabei handelte es sich oft um die sunnitische Bevölkerung, die häufig unter dem Generalverdacht einer Zusammenarbeit mit dem IS steht, aber auch um Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen. Beschuldigt werden sowohl kurdische Peshmerga als auch PMF-Milizen und in geringerem Ausmaß auch Armee und Polizei (AA 22.1.2021).

BMI (2016): Atlas - Middle East & North Africa: Religious Groups

BMI (2016): Atlas - Middle East & North Africa: Ethnic Groups

Anmerkung zu beiden Karten:

Die religiös-konfessionelle sowie ethnisch-linguistische Zusammensetzung der irakischen Bevölkerung ist höchst heterogen. Die hier dargebotenen Karten zeigen nur die ungefähre Verteilung der Hauptsiedlungsgebiete religiös-konfessioneller bzw. ethnisch-linguistischer Gruppen und Minderheiten. Insbesondere in Städten kann die Verteilung deutlich von der ländlichen Umgebung abweichen (BMI 2016). Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend die Minderheit, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.4.2017).

Die territoriale Niederlage des sog. IS im Jahr 2017 beendete dessen Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes. Dennoch können Hunderttausende Iraker, die vom IS vertrieben wurden nicht in ihre Häuser zurückkehren, sowohl aus Sicherheits- als auch aus wirtschaftlichen Gründen (FH 3.3.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        BMI - Bundesministerium für Inneres; BMLVS - Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (2016): Atlas: Middle East & North Africa, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf, Zugriff 15.5.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021c): Irak - Gesellschaft, https://www.liportal.de/irak/gesellschaft/, Zugriff 16.3.2021

●        Lattimer EASO - Lattimer, Mark in EASO - European Asylum Support Office (26.4.2017): Minorities and Vulnerable Groups - EASO COI Meeting Report Iraq: Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meeting-report.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Sunnitische Araber

Letzte Änderung: 13.09.2021

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt (AA 22.1.2021).

Oft werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Auch unbeteiligte Familienangehörige tatsächlicher oder vermeintlicher IS-Anhänger sind davon betroffen (AA 22.1.2021). Berichten zufolge halten die Behörden Ehepartner und andere Familienangehörige von Flüchtigen Personen, zumeist sunnitische Araber, die wegen Terrorismusvorwürfen gesucht werden, fest, damit diese sich stellen (USDOS 30.3.2021). Unter Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes können Personen ohne ordnungsgemäßes Verfahren inhaftiert werden. Die Behörden berufen sich auf dieses Gesetz, wenn sie junge sunnitische Männer festnehmen, die im Verdacht stehen, Verbindungen zum IS zu haben (USDOS 12.5.2021). Wie in den Vorjahren gibt es auch weiterhin glaubwürdige Berichte darüber, dass Regierungskräfte, einschließlich der Bundespolizei, des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) und der PMF, Personen, insbesondere sunnitische Araber, während der Festnahme, in der Untersuchungshaft und nach der Verurteilung misshandeln und foltern (USDOS 30.3.2021). Einige schiitische Milizen, darunter auch solche, die unter dem Dach der PMF operieren, sind für Angriffe auf sunnitische Zivilisten verantwortlich, mutmaßlich als Vergeltung für IS-Verbrechen an Schiiten (USDOS 12.5.2021).

Im Zuge von Anti-Terror-Operationen, aber auch an Kontrollpunkten, wurden seit 2014 junge, vorwiegend sunnitische Männer festgenommen. Den Sicherheitskräften werden dabei zahlreiche Fälle von Verschwindenlassen zur Last gelegt (AA 22.1.2021). Es gibt zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, den NSS, PMF, Peshmerga und Asayish (USDOS 30.3.2021).

Über eine Million sunnitische Araber sind vertrieben. Viele von ihnen werden verdächtigt den IS zu unterstützen und fürchten Vergeltungsmaßnahmen, wenn sie in ihre Häuser in den früher vom IS-kontrollierten Gebieten zurückkehren (USCIRF 4.2021). Die kurdischen Behörden haben Tausende von Arabern daran gehindert, in ihre Dörfer im Unterbezirk Rabia und im Bezirk Hamdaniya im Gouvernement Ninewa zurückzukehren, Gebiete, aus denen kurdische Einheiten 2014 den IS vertrieben und dort die territoriale Kontrolle übernommen hatten. Gleichzeitig jedoch erlaubte die KRG kurdischen Dorfbewohnern, in diese Gebiete zurückzukehren (HRW 13.1.2021).

Im August 2020 berichtet ein sunnitischer ehemalige Parlamentsabgeordneter aus römisch 40 , dass regierungsnahe schiitische Milizen (PMF) sunnitische Bewohner des Bezirks al-Madain am Stadtrand von römisch 40 gewaltsam vertreiben würden und versuchen, die Demografie des Bezirks zu verändern. Im September 2020 erklärte ein sunnitischer Parlamentarier aus dem Gouvernement Diyala, dass regierungsnahe schiitische Milizen weiterhin Sunniten in seiner Provinz gewaltsam vertreiben würden, was zu einem weitreichenden demografischen Wandel entlang der irakisch-iranischen Grenze führt (USDOS 12.5.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf , Zugriff 3.3.202

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 28.1.2021

●        USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF – Recommended for Special Watchlist: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052974/Iraq+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 2.2.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

Relevante Bevölkerungsgruppen

Berufsgruppen & Menschen, die einer bestimmten Beschäftigung nachgehen

Letzte Änderung: 14.09.2021

Journalisten, Blogger, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte sowie Mitglieder des Sicherheitsapparats, wie Polizisten und Soldaten, sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von Entführungen und gezielten Attentaten. Die Täter sind meist Angehörige von Milizen oder des Islamischen Staates (IS) (AA 21.1.2021).

Es sind fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, die Alkohol verkaufen, vor allem Jesiden und Christen (AA 21.1.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021), sowie Mandäer/Sabäer (USDOS 12.5.2021). Das Verbot des Alkoholkonsums für Muslime hindert muslimische Geschäftsinhaber daran, Genehmigungen für den Alkoholverkauf zu beantragen. Christen werden deshalb als Strohmänner benutzt, um dieses Verbot zu umgehen (USDOS 12.5.2021). Läden, die Alkohol verkaufen, bzw. deren Inhaber und Angestellte, werden immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 14.10.2020). Im Oktober 2020 wurde beispielsweise ein Bombenanschlag auf ein von Christen betriebenes Spirituosengeschäft in römisch 40 verübt. Nach Angaben von Anwohnern handelte es sich bei den Angreifern um mit der PMF verbündete Milizionäre (USDOS 12.5.2021).

Auch Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 21.1.2021).

Im Juli 2021 gab es 13 Angriffe mit Bomben (IED) auf Konvois, die Nachschub für die USA transportierten. Vier in Dhi Qar, je zwei in Anbar, Babil und Diwaniyah, sowie je einen in römisch 40 , Basra und Salah ad-Din (Wing 2.8.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (2.8.2021): Violence Picks Up Again In Iraq In July 2021, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/08/violence-picks-up-again-in-iraq-in-july.html, Zugriff 25.8.2021

(Mutmaßliche) IS-Mitglieder, IS-Sympathisanten und "IS-Familien" (Dawa'aesh)

Letzte Änderung: 15.10.2021

Personen können aufgrund ihres Familiennamens, ihrer Stammeszugehörigkeit oder ihres Herkunftsgebiets als dem sog. Islamischen Staat (IS) nahestehend pauschal verurteilt werden (HRW 13.1.2021). Der Vorwurf einer IS-nähe wird von den Behörden und Gemeinschaften oft ohne Beweise erhoben. Der Verdacht, dass sich ein Verwandter dem IS angeschlossen oder mit der Gruppe sympathisiert hat, ist dafür ausreichend. Es gibt keine Möglichkeit dagegen Einspruch zu erheben (HRW 3.6.2021). Generell: Frauen und Kinder von Angehörigen des sog. IS sind wegen ihrer Verbindung zu diesem stigmatisiert (USDOS 30.3.2021). Das Fehlen von Ausweispapieren wirkt sich für vermeintliche ehemalige IS-Angehörige bzw. deren Familien negativ auf die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Arbeit und Sozialleistungen aus (HRW 13.1.2021).

Irakische Sicherheitskräfte halten mutmaßliche IS-Angehörige willkürlich fest, viele davon monatelang, einige sogar jahrelang. Verdächtige werden regelmäßig ohne Gerichtsbeschluss oder Haftbefehl und ohne Nennung eines Grundes festgenommen. Dabei wird über die weit verbreitete Anwendung von Folter durch Sicherheitskräfte zur Gewinnung von Geständnissen berichtet (HRW 13.1.2021). Regierungstruppen der Zentralregierung und der Kurdischen Region im Irak (KRI) werden für das Verschwindenlassen Tausender mutmaßlicher IS-Mitglieder und Personen, die ihnen nahe stehen, verantwortlich gemacht (USDOS 11.3.2020). Ebenso gibt es Berichte über willkürliche rechtswidrige Tötungen von mutmaßlichen IS-Mitgliedern durch Sicherheitskräfte und Milizen (PMF). Regierungskräfte und Milizen haben in einigen Gouvernements mutmaßliche IS-Sympathisanten und Familienangehörige mutmaßlicher IS-Mitglieder aus deren Häusern vertrieben und diese beschlagnahmt (USDOS 30.3.2021). Derartige Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 14.10.2020). Obwohl derartige Beschlagnahmen von Häusern und Grundstücken im Laufe des Jahres 2020 zurückgegangen sind, bleiben viele Häuser und Grundstücke nach wie vor in Fremdbesitz (USDOS 30.3.2021).

Dokumente: Der Islamische Staat (IS) konfiszierte und zerstörte routinemäßig zivile und andere staatlich ausgestellte Dokumente und stellte stattdessen seine eigenen Dokumente aus, die vom irakischen Staat nicht anerkannt werden. Außerdem haben viele Familien ihre Dokumente während der Kämpfe verloren oder sie wurden von Sicherheitskräften konfisziert - entweder nachdem sie aus den vom IS kontrollierten Gebieten geflohen waren, oder als sie in den Lagern für IDPs ankamen (CCiC 1.4.2021; vergleiche NRC 4.2019). Bis heute fehlen schätzungsweise 37.980 Irakern, die in Lagern für Binnenvertriebene (IDPs) leben, diverse zivile Dokumente (CCiC 1.4.2021). Wenn aufgrund des Familiennamens, der Stammeszugehörigkeit oder des Herkunftsgebietes von Familien eine IS-Angehörigkeit vermutet wird (HRW 13.1.2021), kommt es zur Weigerung, eine Sicherheitsfreigabe zu erteilen, was wiederum die Beschaffung von Dokumenten verunmöglicht (HRW 13.1.2021; vergleiche CCiC 1.4.2021). Einige Familien wurden genötigt, zur Erlangung der Sicherheitsfreigabe Verwandte, die verdächtigt werden, sich dem IS angeschlossen zu haben, anzuzeigen (HRW 13.1.2021).

Frauen: Vielen Frauen, die mit IS-Kämpfern verheiratet waren und verwitwet sind, fehlen Heiratsurkunden und ihren Kindern die entsprechenden Geburtsurkunden, die für die Ausstellung rechtlicher Dokumente für diese Kinder erforderlich sind (USDOS 30.3.2021). Einige Dokumente sind auf den Namen des männlichen Haushaltsvorstands ausgestellt. Um diese Dokumente auf ihren Namen neu ausstellen lassen zu können, müssen diese Frauen ihre Ehe auflösen, indem sie einen Antrag vor Gericht stellen und die Sterbeurkunde des Ehemanns vorlegen. Viele Frauen haben jedoch keine Sterbeurkunde für ihren Ehemann. Ohne diese Sterbeurkunde können diese Frauen auch keine Klagen, ihren Besitz betreffend einreichen, da dieser auf den Namen des Ehemannes eingeschrieben ist. Außerdem können gemeinsame Kinder nicht das Eigentum ihres Vaters erben (CCiC 1.4.2021). Auch werden Heiratsurkunden, die in den vormals vom IS kontrollierten Gebieten ausgestellt wurden, von der irakischen Regierung nicht anerkannt (CCiC 1.4.2021; vergleiche NRC 4.2019). Ohne vorliegender Sterbeurkunde des Ehemanns ist den betroffenen Frauen auch eine neuerliche Heirat nicht möglich (AA 21.1.2021). Diese Frauen sind einem erhöhten Risiko von Selbstmord, Vergeltung und sexueller Ausbeutung ausgesetzt. Auch Ehrenmorde bleiben ein Risiko. Manche Gemeinschaften haben Edikte erlassen und Maßnahmen ergriffen, um die betroffenen Frauen von jeder Schuld freizusprechen, die mit ihrer sexuellen Ausbeutung durch IS-Kämpfer verbunden ist. Die Gemeinschaften akzeptieren jedoch im Allgemeinen keine Kinder von IS-Kämpfern, weswegen diese häufig ausgesetzt oder in Waisenhäuser gebracht werden (USDOS 30.3.2021).

Kinder: Vom IS ausgestellte Geburtsurkunden für Kinder, die im IS-Territorium geboren wurden, werden von Regierungsbehörden nicht anerkannt und die Ausstellung von neuen Geburtsurkunden wird oft verweigert. Ohne Geburtsurkunden können diese Kinder nicht eingeschult werden (AA 22.1.2021). Jahrelang haben die Behörden Tausende von Kindern ohne zivile Papiere daran gehindert, sich in staatlichen Schulen einzuschreiben, einschließlich staatlicher Schulen in Lagern für Vertriebene (HRW 13.1.2021).

Bewegungsfreiheit: Die Bewegungsfreiheit von Personen mit angenommenen IS-Verbindungen wird eingeschränkt. Zudem sind Familienmitglieder von IS-Angehörigen oft nicht bereit oder in der Lage an ihre Herkunftsorte zurückzukehren (FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021), weil ihre ursprünglichen Gemeinschaften ihre Rückkehr ablehnen oder die irakischen Behörden sie verbieten (FH 3.3.2021). Auch das Fehlen von Dokumenten hindert Menschen an der Rückkehr in ihre Heimatregionen (HRW 13.1.2021; vergleiche NRC 4.2019). Überhaupt wirkt sich das Fehlen von Ausweispapieren negativ auf die Bewegungsfreiheit aus (HRW 13.1.2021; vergleiche AA 22.1.2021). Personen ohne Papiere sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, willkürlich verhaftet oder an Kontrollpunkten festgehalten zu werden (HRW 13.1.2021; vergleiche NRC 4.2019). Sie können bei Polizeikontrollen festgenommen und verhört werden (AA 22.1.2021).

Unterstützung: Personen mit angenommenen IS-Verbindungen erhalten aufgrund fehlender Dokumente keinen Zugang zu Dienstleistungen (HRW 13.1.2021; vergleiche UN General Assembly 30.7.2019). Insbesondere Frauen, deren Ehemänner vermisst oder verstorben sind, und die nicht über eine entsprechende Sterbeurkunde verfügen, um sich selbst als Haushaltsvorstand einschrieben zu lassen, stehen damit vor einem Hindernis, um humanitäre und staatliche Hilfe zu erhalten (CCiC 1.4.2021). Das Gesetz Nr. 20 von 2009 zur Entschädigung der Opfer von Militäroperationen, militärischen Fehlern und terroristischen Handlungen, egal durch welche Konfliktpartei, wird von lokalen Behörden in diskriminierender Weise angewendet, indem Familien mit vermeintlichen IS-Verbindungen davon ausgeschlossen werden. Vielen fehlen dadurch die Mittel zum Wiederaufbau ihrer Häuser (HRW 3.6.2021). Die Entschädigungskommission von Mossul im Gouvernement Ninewa hat erklärt, dass Familien von IS-Mitgliedern eine Entschädigung erhalten können, wenn sie vom irakischen Geheimdienst NSS eine Sicherheitsfreigabe für ihre Heimkehr erhalten. Es wird aber berichtet, dass allen Familien von mutmaßlichen IS-Mitgliedern diese Genehmigung verweigert wird (USDOS 30.3.2021). Das Fehlen von Dokumenten schränkt mitunter den Zugang zu grundlegenden Diensten zusätzlich ein (NRC 4.2019; vergleiche HRW 13.1.2021).

Amnestie: Ein im August 2016 verabschiedetes allgemeines Amnestiegesetz (Nr. 27/2016) gewährt allen Personen, die zwischen 2003 und dem Datum der Verabschiedung des Gesetzes verurteilt wurden, die Möglichkeit einen Antrag auf Amnestie zu stellen (Al-Monitor 30.8.2016; vergleiche HRW 6.3.2019, WCAC 3.2021). Ausgenommen sind Personen, die wegen 13 Arten von Verbrechen verurteilt wurden, darunter Terrorakte, die Todesfälle oder dauerhafte Invalidität zur Folge hatten, Menschenhandel, Vergewaltigung, Geldwäsche und Veruntreuung sowie Diebstahl staatlicher Gelder (Al-Monitor 30.8.2016; vergleiche WCAC 3.2021). Dieses Gesetz sieht theoretisch auch eine Amnestie für jede Person vor, die sich gegen ihren Willen dem IS oder einer anderen extremistischen Gruppe angeschlossen und keine schwere Straftat begangen hat (HRW 6.3.2019; vergleiche Al-Monitor 30.8.2016). Richter, die mit Fällen der Terrorismusbekämpfung befasst sind, weigern sich jedoch häufig, das Gesetz anzuwenden (HRW 6.3.2019; vergleiche WCAC 3.2021). NGOs und Politiker kritisieren die selektive Umsetzung des Gesetzes, die nicht dem beabsichtigten Ziel der Gesetzgebung entspricht, das darin besteht, Erleichterung für diejenigen zu schaffen, die unter falschen Anschuldigungen oder aus konfessionellen Gründen inhaftiert wurden (USDOS 13.3.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.10.2020): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2040689/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_14.10.2020.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        CCiC - Center for Civilians in Conflict (1.4.2021): Ignoring Iraq’s Most Vulnerable: The Plight of Displaced Persons, https://civiliansinconflict.org/wp-content/uploads/2021/04/CIVIC_Iraq_Report_Final-Web.pdf, Zugriff 8.6.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        HRW - Human Rights Watch: Iraq (3.6.2021): Inadequate Plans for Camp Closures, https://www.ecoi.net/en/document/2053207.html, Zugriff 3.6.2021

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 28.1.2021

●        HRW - Human Rights Watch (6.3.2019): Everyone Must Confess Abuses against Children Suspected of ISIS Affiliation in Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458729/4792_1552027742_iraq0319-web-1.pdf, Zugriff 15.5.2021

●        NRC - Norwegian Refugee Council (4.2019): Barriers from birth: Undocumented children in Iraq sentenced to a life on the margins, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/barriers-from-birth---report.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 1.4.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 2.2.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html , Zugriff 15.5.2021

●        WCAC - Watchlist on Children and Armed Conflict (3.2021): Bridging the Gap: Bringing the Response to Children Formerly Associated with ISIL in Iraq in Line with International Child Protection Standards, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/watchlist-policy-brief-iraq-mar2021-final.pdf, Zugriff 15.5.2021

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an. Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von IDPs und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, als Reaktion auf Sicherheitsbedrohungen und Angriffe, die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen (USDOS 30.3.2021).

In vielen Teilen des Landes, die von der IS-Kontrolle befreit wurden, kam es zu Bewegungseinschränkungen für Zivilisten, darunter sunnitische Araber sowie ethnische und religiöse Minderheiten, aufgrund von Kontrollpunkten von Sicherheitskräften (ISF, PMF, Peshmerga) (USDOS 30.3.2021). Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen (NYT 2.4.2018). Der sog. Islamische Staat (IS) richtet falsche Checkpoints an Straßen zur Hauptstadt ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben (AI 26.2.2019; vergleiche Zeidel/al-Hashimis 6.2019). Kämpfer des sog. IS haben ihre Entführungsaktivitäten in den zwischen der kurdischen und irakischen Regierung umstrittenen Gebieten verstärkt (Rudaw 1.2.2020). So wurden beispielsweise Anfang 2020 bei zwei Vorfällen in den umstrittenen Gebieten von Diyala und Salah ad-Din, in der Garmiyan Region, mehrere Zivilisten an IS-Checkpoints entführt (Rudaw 1.2.2020; vergleiche K24 31.1.2020, K24 2.2.2020). Die Garmiyan-Verwaltung ist eine inoffizielle Provinz der Kurdischen Region im Irak (KRI), die die drei Distrikte Kalar, Kifri und Chamchamal umfasst. Regionale kurdische Peshmerga- und Asayish-Kräfte sind für die Sicherheit in Garmiyan zuständig, während nationale irakische Kräfte die Region im Süden und Westen kontrollieren (K24 2.2.2020).

Der offizielle Wohnort wird durch die Aufenthaltskarte ausgewiesen. Bei einem Umzug muss eine neue Aufenthaltskarte beschafft werden, ebenso bei einer Rückkehr in die Heimatregion, sollte die ursprüngliche Bescheinigung fehlen (FIS 17.6.2019). Es gab zahlreiche Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) aus ethno-konfessionellen Gründen Bestimmungen, welche Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, selektiv umgesetzt haben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken (USDOS 30.3.2021).

Angesichts der massiven Vertreibung von Menschen aufgrund der IS-Expansion und der anschließenden Militäroperationen gegen den IS zwischen 2014 und 2017 führten viele lokale Behörden strenge Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen ein, darunter unter anderem Bürgschafts-Anforderungen und in einigen Gebieten nahezu vollständige Einreiseverbote für Personen, die aus ehemals vom IS kontrollierten oder konfliktbehafteten Gebieten geflohen sind, insbesondere sunnitische Araber, einschließlich Personen, die aus einem Drittland in den Irak zurückkehren. Die Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen sind nicht immer klar definiert und/oder die Umsetzung kann je nach Sicherheitslage variieren oder sich ändern. Bürgschafts-Anforderungen sind in der Regel weder gesetzlich verankert noch werden sie offiziell bekannt gegeben (UNHCR 11.1.2021). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas, nachdem die vom sog. IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 3.3.2021).

Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht konsequent durchgesetzt (USDOS 30.3.2021). Eine Einreise in den Irak ist mit einem gültigen und von der irakischen Regierung anerkannten irakischen Nationalpass möglich. Die irakische Botschaft stellt zudem Passersatzpapiere an irakische Staatsangehörige zur einmaligen Einreise in den Irak aus. Iraker mit gültigem Reisepass genießen Reisefreiheit und können die Landesgrenzen problemlos passieren (AA 22.1.2021).

Nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie im März 2020 führten die Behörden auf nationaler und regionaler Ebene eine Reihe von Beschränkungen ein, darunter auch für die interne Bewegungsfreiheit (UNHCR 11.1.2021. So war etwa die Bewegungsfreiheit in den großen Städten und zwischen den einzelnen Gouvernements zum Teil stark eingeschränkt (GIZ 1.2021a). Die Vorgehensweise der lokalen Behörden bei der Durchsetzung dieser Beschränkungen war in den einzelnen Gouvernements unterschiedlich. Die meisten Beschränkungen wurden ab August 2020 wieder aufgehoben (UNHCR 11.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 16.3.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        FIS - Finnish Migrations Service [Finnland] (17.6.2019): Irak: Tiendonhankintamatka Bagdadiin Helmikuussa 2019 Paluut Kotialueille (Entisille ISIS-Alueille); Ajankohtaista Irakilaisista Asiakirjoista, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Irak+Tiedonhankintamatka+Bagdadiin+helmikuussa+2019+Paluut+kotialueille+%28entisille+ISIS-alueille%29%3B+ajankohtaista+irakilaisista+asiakirjoista.pdf/c5019f7f-e3f7-981b-7cea-3edc1303aa78/Irak+Tiedonhankintamatka+Bagdadiin+helmikuussa+2019+Paluut+kotialueille+%28entisille+ISIS-alueille%29%3B+ajankohtaista+irakilaisista+asiakirjoista.pdf, Zugriff 13.3.2020

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021a): Irak - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        K24 - Kurdistan 24 (31.1.2020): ISIS kidnaps 7 civilians at fake checkpoint in Kurdistan’s Garmiyan region, https://www.kurdistan24.net/en/story/21800-ISIS-kidnaps-7-civilians-at-fake-checkpoint-in-Kurdistan%E2%80%99s-Garmiyan-region, Zugriff 16.3.2021

●        K24 - Kurdistan 24 (2.2.2020): ISIS abducts two brothers at fake checkpoint in Garmiyan, https://www.kurdistan24.net/en/story/21816-ISIS-abducts-two-brothers-at-fake-checkpoint-in-Garmiyan, Zugriff 16.3.2021

●        NYT - New York Times, The (2.4.2018): In Iraq, römisch eins Found Checkpoints as Endless as the Whims of Armed Men, https://www.nytimes.com/2018/04/02/magazine/iraq-sinjar-checkpoints-militias.html, Zugriff 13.3.2020

●        Rudaw (1.2.2020): ISIS kidnaps 9 civilians in two nights in disputed areas of Diyala, Saladin provinces, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/010220201, Zugriff 16.3.2021

●        UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (11.1.2021): Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR’s Country Guidance on Iraq; Ability of Persons Originating from Formerly ISIS-Held or Conflict-Affected Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Internal Relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043432/5ffc243b4.pdf, Zugriff 1.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        Zeidel, Ronan/ al-Hashimis, Hisham in: Terrorism Research Initiative (6.2019): A Phoenix Rising from the Ashes? Daesh after its Territorial Losses in Iraq and Syria, https://www.jstor.org/stable/26681907, Zugriff 3.3.2021

Einreise und Einwanderung in den Irak unter der Zentralregierung

Letzte Änderung: 14.09.2021

Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht konsequent durchgesetzt (USDOS 30.3.2021). Eine Einreise in den Irak ist mit einem gültigen und von der irakischen Regierung anerkannten irakischen Nationalpass möglich. Die irakische Botschaft stellt zudem Passersatzpapiere an irakische Staatsangehörige zur einmaligen Einreise in den Irak aus. Iraker mit gültigem Reisepass genießen Reisefreiheit und können die Landesgrenzen problemlos passieren (AA 22.1.2021).

Es gibt keine Bürgschaftsanforderungen für die Einreise in die Gouvernements Babil, römisch 40 , Basra, Dhi-Qar, Diyala, Kerbala, Kirkuk, Maysan, Muthanna, Najaf, Qadissiyah und Wassit. Bürgschaftsanforderungen für die Einreise in die Gouvernements Maysan und Muthanna wurden 2020 aufgehoben (UNHCR 11.1.2021). Lokale PMF-Gruppen verhinderten in gewissen Gebieten die Rückkehr von Binnenvertriebenen, beispielsweise nach Salah ad-Din oder von Christen in mehrere Städte in der Ninewa-Ebene, darunter Bartalla und Qaraqosh (USDOS 30.3.2021).

Für die Niederlassung in den verschiedenen Gouvernements existieren für Personen aus den vormals vom sog. IS kontrollierten Gebieten, insbesondere für sunnitische Araber, einschließlich Personen, die aus einem Drittland in den Irak zurückkehren, unterschiedliche Regelungen. Für eine Ansiedlung in römisch 40 werden zwei Bürgen aus der Nachbarschaft benötigt, in der die Person wohnen möchte, sowie ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar Anmerkung, etwa Dorf-, Gemeindevorsteher). Für die Ansiedlung in Diyala, sowie in den südlichen Gouvernements Babil, Basra, Dhi-Qar, Kerbala, Maysan, Muthanna, Najaf, Qadisiya und Wassit sind ein Bürge und ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar erforderlich. Ausnahmen stellen der nördliche Bezirks Muqdadiyah, der Unterbezirk Saadiyah im Bezirk Khanaqin, sowie der Norden des Unterbezriks Al-Udhim im Bezirk Khalis dar, in denen Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar, des nationalen Sicherheitsdiensts (National Security Service, NSS) und des Nachrichtendienstes notwendig sind. Für die Ansiedlung in der Stadt Kirkuk wird ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar benötigt (UNHCR 11.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (11.1.2021): Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR’s Country Guidance on Iraq; Ability of Persons Originating from Formerly ISIS-Held or Conflict-Affected Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Internal Relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043432/5ffc243b4.pdf, Zugriff 1.3.2021

IDPs und Flüchtlinge

Letzte Änderung: 15.10.2021

Mit Dezember 2020 waren etwa 4,7 Millionen Iraker, die durch den Krieg gegen den sog. Islamischen Staat (IS) ab 2014 vertrieben wurden, in ihre Heimatregionen zurückgekehrt (FH 3.3.2021). Rund 1,2 Millionen Menschen waren Anfang 2021 weiterhin intern vertrieben (FH 3.3.2021; vergleiche IDMC 5.2021). Mit Stand April 2021 waren noch rund 1,19 Millionen Personen IDPs, während 4,87 Millionen Personen Rückkehrer waren (IOM 18.5.2021). Etwa 700.000 IDPs halten sich in der Kurdischen Region im Irak (KRI) auf (USDOS 12.5.2021).

Etwa 40% der IDPs im ganzen Land sind sunnitische Araber, 30% Jesiden, 13% Kurden (verschiedener Religionszugehörigkeiten) und 7% Christen. Andere religiöse Minderheiten machen die restlichen 10% aus (USDOS 12.5.2021). Die KRI beherbergt einen großen Anteil von Christen, Jesiden, Shabak, Kaka'i und andere ethno-konfessionelle Gruppen aus der Ninewa Ebene. Trotz der katastrophalen wirtschaftlichen Lage und der Sicherheitsprobleme in der Region berichteten KRG-Beamte, dass sie die Wahrung der Rechte dieser Minderheiten als oberste Priorität ansehen (USDOS 30.3.2021).

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Zahlen von IDPs und Rückkehrern im Irak von April 2014 bis April 2021.

(IOM 18.5.2021)

Die meisten IDPs befinden sich in Ninewa, Dohuk und Erbil (IOM 18.5.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). 57% der IDPs stammen aus dem Gouvernement Ninewa (678.512), insbesondere aus den Distrikten Mossul (251.691), Sinjar (198.852) und Al-Ba'aj (91.723). Die nächstgrößeren IDP-Kontingente kommen aus Salah ad-Din (141.628), Anbar (134.965), Kirkuk (77.530) und Diyala (72.102) (IOM 18.5.2021). Hunderttausende Iraker, die vom sog. IS vertrieben wurden, können nicht in ihre Häuser zurückkehren, sowohl aus Sicherheits- als auch aus wirtschaftlichen Gründen (FH 3.3.2021). Etwa 76% der IDPs leben in privaten Unterkünften (909.870), 15% in Lagern (183.680) und 9% (104.622) in Notunterkünften (IOM 18.5.2021), darunter unsichere und verlassene Gebäude, religiöse Gebäude und Schulen (USDOS 30.3.2021). Die meisten Personen, die in Notunterkünften wohnen, leben in Dohuk (26.052), Anbar (20.514), Ninewa (19.632) und Salah ad-Din (16.998) (IOM 18.5.2021).

Die erzwungene Rückkehr von Binnenvertriebenen an Orte, an denen ihr Leben und ihre Freiheit bedroht sind, sowie Androhung von Gewalt gegen Binnenvertriebene und Rückkehrer, von denen angenommen wurde, dass sie mit dem sog. IS in Verbindung stehen, zählen zu wichtigen Menschenrechtsproblemen im Irak (USDOS 30.3.2021). Sowohl erzwungene Rückkehr als auch das Verhindern einer Rückkehr dauerten im Jahr 2020 an (GIZ 1.2021c; vergleiche Rudaw 11.9.2020). Personen aus vormals vom sog. IS kontrollierten oder vom Konflikt betroffenen Gebieten werden in vielen Gebieten wegen mutmaßlicher Nähe zum IS und aus ethno-konfessionellen Gründen von lokalen Behörden oder anderen Akteuren, wie den Volksmobilisierungskräften (PMF), unter Druck gesetzt oder gezwungen, in ihre Heimatregionen zurückzukehren (UNHCR 11.1.2021). Andererseits erkennen lokale Behörden Sicherheitsgenehmigungen von Rückkehrern nicht immer an oder halten sich nicht an die Anweisungen der Zentralregierung, die Rückkehr zu erleichtern (USDOS 30.3.2021).

Im März 2021 verabschiedete die irakische Regierung einen Nationalen Plan zur Bekämpfung der Vertreibung im Irak, der von den Ministerien für Planung und für Migration und Vertreibung ausgearbeitet wurde. Trotz des erklärten Ziels der Regierung, IDPs in ihre Heimat zurückkehren zu lassen, verhindern administrative Hürden, dass Familien mit vermeintlicher IS-Zugehörigkeit Dokumente erhalten, darunter Personalausweise, Geburtsurkunden und Lebensmittelkarten. Dies blockiert sowohl ihre sichere Rückkehr als auch den Zugang zu Sozialleistungen und staatlichen Dienstleistungen (HRW 3.6.2021). Insgesamt 58.000 Personen waren bereits mindestens einmal zuvor durch bewaffnete Konflikte und Gewalt vertrieben worden (IDMC 5.2021).

Berichten zufolge ermutigten kurdische Behörden lokale Kräfte dazu, tausende arabische Familien, die durch den Konflikt mit dem sog. IS vertrieben wurden, daran zu hindern, in ihre Dörfer nahe der syrisch-irakischen Grenze und in den sogenannten umstrittenen Gebieten, die de facto unter der Kontrolle der Kurdischen Regionalregierung (KRG) stehen, zurückzukehren, in einem Versuch, die Demografie der Region zu verändern (FH 3.3.2021).

Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, gewähren IDPs Schutz und andere Hilfe. Humanitäre Akteure unterstützen IDP-Lager und gewähren auch IDPs außerhalb der Lager Dienstleistungen, um die Belastung der Ressourcen der Gastgebergemeinden zu begrenzen. Vertriebene Familien, insbesondere solche mit vermeintlichen Verbindungen zum sog. IS, sind oft nicht in der Lage, wichtige Personenstandsdokumente zu erhalten oder zu ersetzen, ohne die sie nicht arbeiten, zur Schule gehen oder sich frei bewegen können (USDOS 30.3.2021). Die Vereinten Nationen und andere humanitäre Organisationen unterstützen IDPs bei der Beschaffung von Dokumenten und der Registrierung bei den Behörden, um den Zugang zu Dienstleistungen und Bezugsrechten zu verbessern (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung stellt vielen - aber nicht allen - IDPs, auch in der Kurdischen Region im Irak (KRI), Nahrungsmittel, Wasser und finanzielle Hilfe zur Verfügung. Viele IDPs leben in informellen Siedlungen, wo sie keine ausreichende Versorgung mit Wasser, sanitären Einrichtungen oder anderen wichtigen Dienstleistungen erhalten. Alle Bürger sind berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des Public Distribution System (PDS) zu erhalten. Die Behörden verteilen aber nicht jeden Monat alle Waren. Nicht alle IDPs können in jedem Gouvernement auf Lebensmittel aus dem Public Distribution System (PDS) zugreifen, insbesondere nicht in den vom IS befreiten Gebieten. Die Bürger können die PDS-Rationen nur an ihrem Wohnort und in ihrem eingetragenen Gouvernement einlösen, was zu einem Verlust des Zugangs und der Ansprüche aufgrund von Vertreibungen führt (USDOS 30.3.2021).

Familien, die an ihren Herkunftsort zurückkehren, sehen sich mit einem Mangel an Unterkünften sowie an Dienstleistungen und Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts konfrontiert (USDOS 30.3.2021). Massive Zerstörung von Wohnungen und Infrastruktur, die Präsenz konfessioneller- oder parteiischer Milizen sowie die anhaltende Bedrohung durch Gewalt machten es vielen IDPs schwer, nach Hause zurückzukehren (FH 3.3.2021). In einigen Gebieten behindern Gewalt und Unsicherheit sowie langjährige politische, stammes- und konfessionelle Spannungen die Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung und erschweren den Schutz von IDPs. Tausende Familien sahen sich aus wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Gründen mit einer neuerlichen Vertreibung konfrontiert. Zwangsvertreibungen, kombiniert mit dem langwierigen und weitgehend ungelösten Problem von Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten entwurzelt wurden, belasten die Kapazitäten der lokalen Behörden (USDOS 30.3.2021).

Vertriebene Familien mit vermeintlichen Verbindungen zum sog. IS, die sich weiterhin in und außerhalb von Lagern aufhalten, sind besonders anfällig für Übergriffe und sexuellen Missbrauch. Viele können nicht in ihre Heimat zurückkehren, weil ihre ursprünglichen Gemeinschaften ihre Rückkehr ablehnen oder die irakischen Behörden sie verbieten (FH 3.3.2021). Haushalte mit vermeintlichen Verbindungen zum sog. IS sind stigmatisiert und werden mit einem erhöhten Risiko ihrer Grundrechte beraubt. Probleme bei der Beschaffung der notwendigen Zivildokumente und die häufig vorenthaltenen Sicherheitsfreigaben schränken ihre Bewegungsfreiheit ein, einschließlich ihrer Möglichkeiten zur Inanspruchnahme medizinischer Versorgung, wegen der Gefahr von Verhaftungen und eines Verbots ins Lager zurückzukehren (USDOS 30.3.2021).

Behörden der Zentralregierung und der Gouvernements unternahmen manchmal Maßnahmen zur Schließung oder Konsolidierung von Flüchtlingslagern, um IDPs zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete zu zwingen. So wurde die Anzahl der formellen IDP-Lager zwischen August und September 2019 von 89 auf 77 reduziert (USDOS 11.3.2020). Im Oktober 2020 kündigte der Minister für Vertreibung und Migration einen Drei-Phasen-Plan zur Schließung aller Binnenvertriebenenlager des Landes an und begann sofort mit einer Reihe von plötzlichen Lagerschließungen in den Gouvernements Anbar, römisch 40 , Diyala, Kerbala, Kirkuk und Ninewa. Bis Ende November 2020 hat das Ministerium elf IDP-Lager - acht formelle und drei informelle - im gesamten Irak geschlossen, wovon mehr als 25.000 IDPs betroffen waren. Die Schließungen waren nicht mit den zuständigen lokalen Behörden oder humanitären Akteuren koordiniert und nicht alle betroffenen IDPs waren in der Lage oder bereit, an ihren Herkunftsort zurückzukehren (USDOS 30.3.2021). Diese Schließungen zwangen viele IDPs zur Rückkehr in zerstörte Häuser und Dörfer ohne Grundversorgung (UNHCR 27.5.2021). Während einige IDPs nach den Lagerschließungen in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren konnten, war eine beträchtliche Anzahl von ihnen nicht dazu in der Lage, sondern war mit neuerlicher Vertreibung konfrontiert (UNHCR 11.1.2021). Etwa die Hälfte der betroffenen Personen ist in Gefahr, in eine sekundäre Vertreibung zu geraten (USDOS 30.3.2021). Im Zusammenhang mit den Lagerschließungen Ende 2020 gewährten die Behörden vielen der betroffenen Personen eine Sicherheitsfreigabe und stellten ihnen neue zivile Dokumente aus. Da sie die Familien jedoch in einigen Fällen nur 24 Stunden vorher darüber informierten, dass sie die Lager, in denen sie jahrelang gelebt hatten, verlassen mussten, wurden einige von ihnen faktisch ihres Zugangs zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung beraubt und obdachlos gemacht (HRW 13.1.2021). Von lokalen Gemeinschaften wurde insbesondere die Rückkehr von Familien mutmaßlicher IS-Mitglieder an einer Rückkehr abgelehnt, was diese zu einer Rückkehr in ihre bisherigen Lager oder andernorts zwang (USDOS 30.3.2021). Eine erzwungene Rückkehr resultiert häufig in neuerlicher Vertreibung (USDOS 11.3.2020).

Ausländische Flüchtlinge

Das Gesetz sieht die Gewährung von Asyl vor, und die Regierung hat ein System zum Schutz von Flüchtlingen eingerichtet (USDOS 30.3.2021). Unter den etwa 335.000 ausländischen Flüchtlingen sind etwa 240.000 Syrer und ca. 40.000 Flüchtlinge aus anderen Gebieten, sowie knapp 50.000 Staatenlose. Ihren Status regelt das Gesetz über politische Flüchtlinge, Nr. 51 (1971). Der Entwurf einer Novellierung des Gesetzes wurde bislang nicht verabschiedet. Die Flüchtlinge befinden sich überwiegend in und um römisch 40 sowie unmittelbar im Grenzbereich zu Syrien und Jordanien (AA 21.1.2021). Die Regierung arbeitet im Allgemeinen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen im Land Schutz und Unterstützung zu bieten (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021c): Irak - Gesellschaft, https://www.liportal.de/irak/gesellschaft/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        HRW - Human Rights Watch: Iraq (3.6.2021): Inadequate Plans for Camp Closures, https://www.ecoi.net/en/document/2053207.html, Zugriff 3.6.2021

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 28.1.2021

●        IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (5.2021): Iraq; Displacement associated with Conflict and Violence; Figures Analysis – 2020, https://www.internal-displacement.org/sites/default/files/2021-05/figure-analysis-irq.pdf, Zugriff 1.6.2021

●        IOM - International Organization for Migration (18.5.2021): Iraq Master List Report 121, March - April 2021, http://iraqdtm.iom.int/images/MasterList/20215184359394_DTM_121_Report_March_April_2021.pdf, Zugriff 1.6.2021

●        Rudaw (11.9.2020): Iraq is prompting another wave of displacement with rapid closure of camps: aid group, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/091120203, Zugriff 17.3.2021

●        UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (27.5.2021): Returning Iraqis face dire conditions following camp closures, https://www.ecoi.net/en/document/2052458.html, Zugriff 1.6.2021

●        UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (11.1.2021): Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR’s Country Guidance on Iraq; Ability of Persons Originating from Formerly ISIS-Held or Conflict-Affected Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Internal Relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043432/5ffc243b4.pdf, Zugriff 1.3.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 2.2.2021

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 15.10.2021

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Einige Städte und Siedlungen sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 22.1.2021). Wiederaufbauprogramme liefen vor der Corona-Krise vorsichtig an (GIZ 1.2021b).

Versorgungsengpässe bei Strom und Wasser sowie die mangelnde Arbeitsbeschaffung sind die Gründe für die andauernden Proteste in Iraks großen Städten (GIZ 1.2021b). Die Versorgungslage für die irakische Wohnbevölkerung stellt sich, je nach Region, sehr unterschiedlich dar. Die Knappheit an Strom und sauberem Trinkwasser hat 2018 zu mehreren, zum Teil gewalttätigen Protesten im Süden geführt (GIZ 1.2021d).

Nach Angaben der Weltbank (2018) leben 70% der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung ist prekär, ohne ausreichenden Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen. Die über Jahrzehnte durch internationale Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 22.1.2021).

Wirtschaftslage

Die größtenteils staatlich geführte Wirtschaft Iraks wird vom Ölsektor dominiert (Fanak 5.6.2020). Dieser erwirtschaftet seit Jahren rund 90 bis 95% der Staatseinnahmen (AA 22.1.2021; vergleiche GIZ 1.2021b). Abseits des Ölsektors besitzt der Irak kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 22.1.2021).

Die seit 2020 sinkenden Ölpreise und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben sich negativ auf die Wirtschaftsentwicklung niedergeschlagen, die wirtschaftlichen Probleme des Iraks verstärkt und zwei Jahre der stetigen Erholung zunichte gemacht (WB 5.4.2021; vergleiche GIZ 1.2021b). Der Ölpreis fiel im April 2020 auf einen Tiefststand von 13,8 US-Dollar (Wing 2.6.2021). Im Zuge dessen haben sich auch die bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Schwachstellen vertieft und den öffentlichen Unmut, der bereits vor COVID-19 bestand, noch verstärkt. Die Fähigkeit der irakischen Regierung ein Konjunkturpaket für eine Wirtschaft zu schnüren, die in hohem Maße von Ölexporten abhängig ist, um Wachstum und Einnahmen zu erzielen, wird durch den fehlenden fiskalischen Spielraum eingeschränkt. Infolgedessen hat das Land die größte Schrumpfung seiner Wirtschaft seit 2003 erlebt (WB 5.4.2021). Die Prognosen der ökonomischen Entwicklung im Irak sind schlechter denn je (GIZ 1.2021b). Die wirtschaftlichen Aussichten des Irak hängen von der weiteren Entwicklung der COVID-19-Pandemie, den globalen Aussichten am Ölmarkt und von der Umsetzung von Reformen ab (WB 5.4.2021). Seit Februar 2021 liegt der Ölpreis wieder über 60 US-Dollar/Barrel (Wing 2.6.2021). Es wird daher erwartet, dass sich die irakische Wirtschaft allmählich erholen wird (WB 5.4.2021).

Ein wichtiger Faktor für die Landwirtschaft, vor allem im Süden des Irak, sind die Umweltzerstörung und der Klimawandel. Abnehmende Niederschläge, höhere Temperaturen und flussaufwärts gelegene Staudämme in der Türkei und im Iran haben den Wasserfluss im Euphrat und Tigris Becken verringert, in dem die Gouvernements Basra, Dhi Qar und Missan liegen. Die Verringerung des Wasserflusses hat Auswirkungen auf den Zugang zu Wasser, der für den Anbau von Pflanzen entscheidend ist (Altai 14.6.2021).

Die Arbeitslosenquote im Irak stieg von 12,76% im Jahr 2019 auf 13,74% im Jahr 2020 (TE 2021). Laut Schätzung der Vereinten Nationen beträgt die Arbeitslosenquote 11%, bei Jugendlichen unter 24 Jahren ist sie doppelt so hoch und liegt bei 22,8%. Unter den IDPs sind fast 24% arbeitslos oder unterbeschäftigt (im Vergleich zu 18% im Landesdurchschnitt) (GIZ 1.2021b). Verschiedene Quellen geben, mit Verweis auf Regierungsquellen, Arbeitslosenquoten im Land zwischen 13,8% und 40% an (ACCORD 28.9.2021). Darüber hinaus ist fast ein Viertel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nicht ausgelastet, also entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt. Bei Frauen, die am Arbeitsmarkt teilnehmen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie arbeitslos, unter- oder teilzeitbeschäftigt sind (ILO 2021). Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei IDPs, die in Lagern leben, wo 29% der Haushalte angaben, dass mindestens ein Mitglied arbeitslos ist und aktiv nach Arbeit sucht. Bei IDPs, die außerhalb von Lagern leben, sind es 22% und 18% bei Rückkehrern (OCHA 2.2021).

Die Arbeitsmarktbeteiligung im Irak war mit 48,7% im Jahr 2019 bereits vor der Ausbreitung des COVID-19-Virus eine der niedrigsten der Welt (IOM 18.6.2021; vergleiche ILO 2021). Der wirtschaftliche Abschwung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Beschäftigungsmöglichkeiten deutlich reduziert und die Löhne gesenkt (IOM 18.6.2021). Die Weltbank schätzt den Anteil der Arbeitssuchenden unter 24-Jährigen auf ca. 32%. Die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen liegt wesentlich unter dem Durchschnitt der MENA-Region (GIZ 1.2021b). Je nach Quelle liegt sie bei rund 12% (DFAT 17.8.2020), bzw. wird sie auf rund 20% geschätzt (ILO 2021). Die Frauenarbeitslosigkeit liegt bei etwa 29,7% (DFAT 17.8.2020).

Einer Befragung vom Februar 2021 zufolge liegt das Durchschnittsgehalt für Fachkräfte im Irak bei 384 USD (~561.180 IQD), das für ungelernte Arbeiter bei 215 USD (~314.200 IQD). Es zeigt sich dabei ein deutlicher Unterschied im Lohnniveau zwischen den vom Islamischen Staat (IS) zurückeroberten Gebieten und jenen, die nicht durch den IS besetzt waren. Für Fachkräfte liegt das Durchschnittsgehalt in den zurückeroberten Gebieten bei 289 USD (~422.350 IQD) und in Gebieten, die nicht vom Konflikt betroffen waren, bei 460 USD (~672.250 IQD). Für ungelernten Arbeitskräften betragen die Durchschnittslöhne in den zurückeroberten Gebieten 158 USD (~230.900 IQD) und in Gebieten die nicht vom Konflikt betroffen waren 263 USD (~384.350 IQD).

Die Armutsrate ist infolge der Wirtschaftskrise bis Juli 2020 auf ca. 30% angestiegen (AA 22.1.2021; vergleiche ILO 2021), Laut Weltbank lag sie Anfang 2021 bei 22,5% (WB 5.4.2021). Dabei ist die Armutsrate in ländlichen Gebieten deutlich höher als in städtischen (ILO 2021). Aufgrund der COVID-19-Pandemie hatte die irakische Regierung Schwierigkeiten, die Gehälter der sechs Millionen Staatsbediensteten zu zahlen, und Millionen von Menschen, die im privaten und informellen Sektor arbeiten, haben ihre Beschäftigung und ihre Lebensgrundlage verloren. Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltbankgruppe fielen im Jahr 2020 schätzungsweise 4,5 Millionen Iraker unter die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag (IOM 18.6.2021). Einhergehend mit dem neuerlichen Ansteigen der Ölpreise wird auch eine Reduktion der Armutsrate um 7 bis 14% erwartet (WB 5.4.2021).

Die Löhne liegen zwischen 200 und 2.500 USD (163,8 und 2.047,45 EUR), je nach Qualifikation und Ausbildung. Für ungelernte Arbeitskräfte liegt das Lohnniveau etwa zwischen 200 und 400 USD (163,8 und327,59 EUR) pro Monat (IOM 18.6.2021).

Nahrungsmittelversorgung

Der Irak ist in hohem Maße von Nahrungsmittelimporten (schätzungsweise 50% des Nahrungsmittelbedarfs) abhängig (FAO 30.6.2020). Grundnahrungsmittel sind in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021).

Aufgrund von Panikkäufen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kam es in den letzten beiden Märzwochen 2020 zu einem vorübergehenden Preisanstieg für Lebensmittel. Strenge Preiskontrollmaßnahmen der Regierung führten ab April 2020 zuerst zu einer Stabilisierung der Preise und ab Mai 2020 wieder zu einer Normalisierung (FAO 30.6.2020). Die lokalen Märkte haben sich in allen Gouvernements als widerstandsfähig angesichts der Pandemie bewährt (OCHA 2.2021).

Vor der Covid-19-Krise war eines von fünf Kindern unter fünf Jahren unterernährt. 3,3 Millionen Kinder sind laut UNICEF immer noch auf humanitäre Unterstützung angewiesen (AA 21.1.2021). Etwa 4,1 Millionen Iraker benötigen humanitäre Hilfe (FAO 11.6.2021).

Alle Iraker, die als Familie registriert sind und über ein monatliches Einkommen von höchstens 1.000.000 IQD (558,14 EUR) verfügen, haben Anspruch auf Zugang zum Public Distribution System (PDS) (IOM 18.6.2021). Das PDS ist ein universelles Lebensmittelsubventionsprogramm der irakischen Regierung, das als Sozialschutzprogramm kostenlose Lebensmittel subventioniert oder verteilt (WB 2.2020). Formal erfordert die Registrierung für das PDS die irakische Staatsbürgerschaft sowie die Anerkennung als "Familie", die durch einen rechtsgültigen Ehevertrag oder eine Verwandtschaft ersten Grades (Eltern, Kinder) erreicht wird. Alleinstehende Rückkehrer können sich bei ihren Verwandten ersten Grades registrieren lassen, z.B. bei ihrer Mutter oder ihrem Vater. Sollten alleinstehende Rückkehrer keine Familienangehörigen haben, bei denen sie sich anmelden können, erhalten sie keine PDS-Unterstützung (IOM 18.6.2021). Die angeschlagene finanzielle Lage des Irak wirkt sich auch auf das PDS aus (WB 5.4.2021), insbesondere der niedrige Ölpreis schränkt die Mittel ein (USDOS 30.3.2021). Der Anteil der Haushalte, der im Rahmen des PDS Überweisungen erhalten hat, ist um etwa 8% gesunken. Der Verlust von Haushaltseinkommen und Sozialhilfe hat die Anfälligkeit für Ernährungsunsicherheit erhöht (WB 5.4.2021).

Das Programm wird von den Behörden jedoch nur sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Die Behörden verteilen nicht jeden Monat alle Waren, und nicht in jedem Gouvernement haben alle Binnenvertriebenen (IDPs) Zugang zum PDS. Es wird berichtet, dass IDPs den Zugang zum PDS verloren haben, aufgrund der Voraussetzung, dass Bürger nur an ihrem registrierten Wohnort PDS-Rationen und andere Dienstleistungen beantragen können (USDOS 30.3.2021).

Aufgrund der Dürre kam es 2021 zu Ernteausfällen im Gouvernement Ninewa, sodass das Landwirtschaftsministerium (MoA) im April 2021 den Transport von Weizen und Gerste zwischen der KRI und dem Rest des Landes einschränkte, mit Ausnahme des Transfers in die Lagerhäuser des MoA, um Spekulanten und Schmuggler einzudämmen (FAO 11.6.2021).

Wasserversorgung

Die Hauptwasserquellen des Irak sind der Euphrat und der Tigris, die 98% des Oberflächenwassers des Landes liefern (AGSIW 27.8.2021). Etwa 70% des irakischen Wassers haben ihren Ursprung in Gebieten außerhalb des Landes (GRI 24.11.2019). Beide Flüsse entspringen in der Türkei, während der Euphrat durch Syrien fließt und einige Nebenflüsse durch den Iran fließen (AGSIW 27.8.2021). Der Wasserfluss aus diesen Ländern wurde durch Staudammprojekte stark, um etwa 80% reduziert (GRI 24.11.2019; vergleiche AGSIW 27.8.2021). Das verbleibende Wasser wird zu einem großen Teil für die Landwirtschaft genutzt, die rund 13 der 38 Millionen Einwohner des Landes ernährt (GRI 24.11.2019). 2019 berichtete die Internationale Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM), dass 21.314 Iraker in den südlichen und zentralen Gouvernements des Irak aufgrund von Trinkwassermangel vertrieben wurden. Spannungen zwischen den Stämmen um Wasser nehmen zu. Der Wassermangel in den südlichen Gouvernements wie Missan und Dhi Qar und die immer wiederkehrenden Dürreperioden sind bereits die Hauptursache für lokale Konflikte (AGSIW 27.8.2021). Da die Niederschlagsperiode 2020/2021 die zweit niedrigste seit 40 Jahren war, kam es zu einer Verringerung der Wassermenge im Tigris und Euphrat um 29% bzw. 73% (UNICEF 29.8.2021).

Trinkwasser ist in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021). Fast drei von fünf Kindern im Irak haben jedoch keinen Zugang zu einer sicheren Wasserversorgung, und weniger als die Hälfte aller Schulen im Land haben Zugang zu einer grundlegenden Wasserversorgung (UNICEF 29.8.2021).

Die Wasserversorgung im Irak wird durch marode und teilweise im Krieg zerstörte Leitungen in Mitleidenschaft gezogen. Dies führt zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. (Industrie)abfälle führen zusätzlich zu Verschmutzung (AA 22.1.2021).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 22.1.2021). Die meisten irakischen Städte haben keine 24-Stunden-Stromversorgung (DW 8.7.2021). Die Stromversorgung deckt nur etwa 60% der Nachfrage ab, wobei etwa 20% der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Die verfügbare Kapazität variiert je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 2020). Besonders in den Sommermonaten wird die Versorgungslage strapaziert (DW 8.7.2021). Selbst in römisch 40 ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten häufig unterbrochen (AA 22.1.2021).

Das irakische Stromnetz verliert bei der Stromübertragung zwischen 40 und 50%. Dieser Verlust hat sowohl technische Gründe, z.B. beschädigte, unzureichend funktionierende oder veraltete Stromübertragungsanlagen, als auch nichttechnische Gründe wie Diebstahl oder Manipulation. So wird zum Beispiel dem Islamischen Staat (IS) vorgeworfen Strommasten sabotiert zu haben (DW 8.7.2021). Der IS hat im Jahr 2021 vermehrt das irakische Stromnetz angegriffen, indem er wiederholt Strommasten gesprengt hat (Wing 6.9.2021; vergleiche Anadolu 2.7.2021). Allein im August 2021 wurden Masten in römisch 40 , Babil, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din sabotiert (Wing 6.9.2021). Sabotageakte werden in jüngster Zeit zunehmend an Umspannwerken in Städten verübt und zielen auch auf die Trinkwasserversorgung, die Wasseraufbereitung und auf den Krankenhausbetrieb ab (VOA 14.8.2021). Am 2.7.2021 kam es zu einem stundenlangen, landesweiten Stromausfall (Anadolu 2.7.2021; vergleiche BBC 2.7.2021). Nur die Kurdische Region im Irak war davon nicht betroffen (BBC 2.7.2021). Häufige Stromausfälle führen zu Protesten. Mitte 2021 haben wütende Iraker Kraftwerke in römisch 40 und Diyala gestürmt. Ende Juni 2021 ist der irakische Elektrizitätsminister, Majed Mahdi Hantoush, zurückgetreten (DW 8.7.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (28.9.2021): Anfragebeantwortung zum Irak: Kirkuk: Arbeitsmarktlage [a-11674-2], https://www.ecoi.net/en/document/2061064.html, Zugriff 1.10.2021

●        AGSIW - The Arab Gulf States Institute bin Washington (27.8.2021): Iraq’s Water Crisis: An Existential But Unheeded Threat, https://agsiw.org/iraqs-water-crisis-an-existential-but-unheeded-threat/, Zugriff 1.9.2021

●        Altai Consulting (14.6.2021): Economic relief, recovery, and resilience - Assessment for Southern Iraq, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---arabstates/---ro-beirut/documents/publication/wcms_802486.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        Anadolu Agency (2.7.2021): العراق.. إعادة تشغيل كامل منظومة الكهرباء بعد توقفها لساعات [Irak.. Neustart des gesamten Stromsystems nach stundenlangem Stillstand], https://www.aa.com.tr/ar/%D8%A7%D9%84%D8%AF%D9%88%D9%84-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A8%D9%8A%D8%A9/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82-%D8%A5%D8%B9%D8%A7%D8%AF%D8%A9-%D8%AA%D8%B4%D8%BA%D9%8A%D9%84-%D9%83%D8%A7%D9%85%D9%84-%D9%85%D9%86%D8%B8%D9%88%D9%85%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D9%83%D9%87%D8%B1%D8%A8%D8%A7%D8%A1-%D8%A8%D8%B9%D8%AF-%D8%AA%D9%88%D9%82%D9%81%D9%87%D8%A7-%D9%84%D8%B3%D8%A7%D8%B9%D8%A7%D8%AA/2292230, Zugriff 30.8.2021

●        BBC News (2.7.2021): انقطاع الكهرباء في العراق: #ماكو_كهرباء يتصدر وسوم العراق تعبيرا عن معاناة الشعب مع الحر [Stromausfälle im Irak: Mako_ Electricity führt die Schlagzeilen des Irak an und drückt das Leid der Menschen mit der Hitze aus], https://www.bbc.com/arabic/trending-57698908, Zugriff 30.8.2021

●        DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        DW - Deutsche Welle (8.7.2021): How to solve Iraq's hellishly hot power crisis, https://www.dw.com/en/why-are-iraqs-electricity-issues-so-hard-to-solve/a-58189500, Zugriff 15.8.2021

●        Fanack (2020): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/, Zugriff 15.8.2021

●        FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (11.6.2021): GIEWS Country Brief, The Republic of Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/IRQ_13.pdf, Zugriff 15.8.2021

●        FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (30.06.2020): Food Security in Iraq - Impact of Coiv-19, April - June 2020 https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Food%20Security%20in%20Iraq%20-%20Impact%20of%20Covid-19%20-%20April-June%202020.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Irak - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021d): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        GRI - Global Risk Insights (24.11.2019): Water Shortage and Unrest in Iraq, https://globalriskinsights.com/2019/11/water-shortage-and-unrest-in-iraq/, Zugriff 15.8.2021

●        ILO - International Labour Organization (2021): Promoting decent work in Iraq, https://www.ilo.org/beirut/countries/iraq/WCMS_433682/lang--en/index.htm, Zugriff 1.9.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021a): Labour Market Assessment, Al-Musayyab Babylon Governorate, https://iraq.iom.int/files/Mahmoudiya%20-%20Baghdad%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

●        OCHA - Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (2.2021): Humanitarian Needs Overview Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Iraq%20Humanitarian%20Needs%20Overview%20%28February%202021%29.pdf, Zugriff 29.9.2021

●        TE - Trading Economics (2021): Iraq Unemployment Rate, 1991-2020 Data | 2021-2023 Forecast | Historical | Chart, https://tradingeconomics.com/iraq/unemployment-rate, Zugriff 1.9.2021

●        UNICEF - UN Children's Fund (29.8.2021): Running Dry: water scarcity threatens lives and development in Iraq, https://www.unicef.org/iraq/press-releases/running-dry-water-scarcity-threatens-lives-and-development-iraq, Zugriff 1.9.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

●        VOA - Voice of America (14.8.2021): Iraqi PM Vows to Target Terrorists Attacking Electricity Grid, https://www.voanews.com/a/middle-east_iraqi-pm-vows-target-terrorists-attacking-electricity-grid/6209584.html, Zugriff 29.9.2021

●        WB - World Bank, The (5.4.2021): Republic of Iraq, https://pubdocs.worldbank.org/en/527001554825517687/mpo-irq.pdf, Zugriff 10.4.2021

●        WB - World Band (2.2020): Iraq’s Universal Public Distribution System, Utilization and Impacts During Displacement, https://documents1.worldbank.org/curated/en/239031582135436157/pdf/Iraqs-Universal-Public-Distribution-System-Utilization-and-Impacts-During-Displacement.pdf, Zugriff 14.10.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (6.9.2021): Islamic State’s Summer Offensive In Iraq Ends In August, http://musingsoniraq.blogspot.com/2021/09/islamic-states-summer-offensive-in-iraq.html, Zugriff 7.9.2021

●        Wing, Joel, Musings on Iraq (2.6.2021): Iraq’s Oil Revenues Continue To Climb In May 2021, https://musingsoniraq.blogspot.com/2021/06/iraqs-oil-revenues-continue-to-climb-in.html, Zugriff 6.6.2021

Grundversorgung und Wirtschaft in römisch 40 und im Südirak

Letzte Änderung: 15.10.2021
XXXX
XXXX ist das Zentrum des irakischen Wirtschafts-, Handels-, Banken- und Finanzsektors. römisch 40 ist ebenso ein wichtiges Zentrum für die Erdölindustrie (NCCI 12.2015; vergleiche EASO 9.2020). Bis auf die Schwerindustrie ist ein großer Teil der irakischen Produktion in römisch 40 angesiedelt. Die Regierung ist dabei der wichtigste Arbeitgeber in der Stadt (EASO 9.2020). Einige Sektoren waren besonders betroffen von Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, darunter das Transportwesen, das Baugewerbe, die Lebensmittelindustrie, das Bildungswesen, der Tourismus, die Geflügel- und Fischzucht, sowie der Einzelhandel, insbesondere für Bekleidung. Die meisten Frauen sind in den Bereichen Nähen, Friseurhandwerk, Unterricht und Einzelhandel tätig, die alle von Auswirkungen der COVID-19- Pandemie negativ beeinflusst wurden (IOM 9.2021a).

Laut einer Befragung im Distrikt Mahmoudiya vom Februar 2021 liegen die derzeitigen Durchschnittsgehälter für Fachkräfte bei 264 USD (~385.813 IQD) und reichen von von 170 bis 540 USD (~248.440 bis 789.160 IQD). Etwa die Hälfte der befragten Arbeitgeber gab jedoch an, keine Fachkräfte zu beschäftigen, obwohl dies in der Vergangenheit der Fall war, und zahlten ihnen ein Durchschnittsgehalt von 291 USD (~425.270 IQD) (IOM 9.2021a).

Im Jahr 2016 lag die Arbeitslosenquote in römisch 40 zwischen 6% und 10%. Für 2017 betrug sie 9,3%. Unter jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren wird die Arbeitslosigkeit im Jahr 2016 in römisch 40 mit 18,6 % und für 2017 mit 5-7% beziffert (EASO 9.2020). Im Jahr 2018 war über 1% der Bevölkerung des Gouvernements römisch 40 von akuter Armut betroffen und 4% waren armutsgefährdet (OPHI 10.9.2020; vergleiche EASO 9.2020).

Etwa 6,39% der Bevölkerung Bagdads (rund 456.500 Personen) sind unzureichend ernährt. Für rund 0,46% (rund 32.600 Personen) ist die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs kritisch (WFP 9.2021). Bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und anderen Waren hat römisch 40 im Zuge einer Untersuchung vom Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten erhalten [Anm.: Verfügbarkeit ist hier nicht gleichzusetzen mit Leistbarkeit] (WB, WFP, FAO, IFAD 9.2020).

Im Jahr 2017 lag der Anteil der Bevölkerung mit Trinkwasserversorgung in römisch 40 bei 86,9% (CSO 2018a). 2019 war für etwa 70% der Einwohner Bagdads ständige Verfügbarkeit von Trinkwasser gegeben, während 30% nur unregelmäßigen Zugang zu Trinkwasser hatten (WFP 2019). Mitte Juli 2021 wurde die Wasserversorgung in Karkh, im Westen Bagdads durch einen Sabotageakt an Strommasten in Tarmiya, die die Pumpstation versorgen, unterbrochen (Siwssinfo 17.7.2021). Auch Mitte August 2021 wurde durch einen Anschlag auf einen Strommasten in Tarmiya, der die dortige Pumpstation mit Energie versorgte, die Trinkwasserversorgung für mehrere Millionen Bewohner im Westen der Stadt römisch 40 unterbrochen (AN 14.8.2021).

Die öffentliche Stromversorgung ist in römisch 40 vor allem in den Sommermonaten häufig unterbrochen (AA 22.1.2021). Stromausfälle führen häufig zu Protesten. Mitte 2021 haben wütende Iraker Kraftwerke in römisch 40 und Diyala gestürmt (DW 8.7.2021). Seit Beginn des Sommers 2021 häufen sich Angriffe auf das irakische Stromnetz, das ohnehin bereits mit schweren Stromengpässen zu kämpfen hat. Diese Angriffe werden von den Behörden terroristischen Kräften oder dem IS zugeschrieben (AN 14.8.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (23.8.2021): Anfragebeantwortung zum Irak: Provinz Dhi Qar: Aktuelle sozioökonomische Lage (Nahrungsmittel, Trinkwasser, Wohnungsmarkt; Schulen; Gesundheitsversorgung) [a-11636-1], https://www.ecoi.net/en/document/2058957.html, Zugriff 29.9.2021

●        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (9.8.2021): Anfragebeantwortung zum Irak: Wassit: Aktuelle sozioökonomische Lage (Nahrungsmittel, Trinkwasser, Wohnungsmarkt (Wohnung für fünf- oder siebenköpfige Familie), Schulen (Probleme beim Zugang), Gesundheitsversorgung (Probleme beim Zugang)) [a-11633-1], https://www.ecoi.net/de/dokument/2058035.html, Zugriff 25.8.2021

●        Al-Ahad News (4.6.2021): النجف تدق ناقوس الخطر بشأن عجز المياه الصالحة للشرب [Najaf schlägt Alarm wegen Trinkwasserknappheit], https://alahadnews.net/182025/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82/%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A7%D8%AA/, Zugriff 30.8.2021

●        Al-Ahad News (19.9.2021): بعد الانقطاع التام.. عودة تدريجية للتيار الكهربائي في النجف [Nach dem kompletten Ausfall die schrittweise Rückkehr der Elektrizität in Najaf], https://alahadnews.net/235970/%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82/%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A7%D8%AA/, Zugriff 30.8.2021

●        Al Monitor (18.8.2021): Electrical towers again become targets in Iraq, https://www.al-monitor.com/originals/2021/08/electrical-towers-again-become-targets-iraq, Zugriff 29.9.2021

●        Al-Sumaria (25.7.2020): ماء النجف" توضح أسباب شح المياه في المحافظة" ["Najaf Water" erklärt die Gründe für die Wasserknappheit in der Provinz], https://www.alsumaria.tv/news/%D9%85%D8%AD%D9%84%D9%8A%D8%A7%D8%AA/352690/%D9%85%D8%A7%D8%A1-%D8%A7%D9%84%D9%86%D8%AC%D9%81-%D8%AA%D9%88%D8%B6%D8%AD-%D8%A3%D8%B3%D8%A8%D8%A7%D8%A8-%D8%B4%D8%AD-%D8%A7%D9%84%D9%85%D9%8A%D8%A7%D9%87-%D9%81%D9%8A-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%AD%D8%A7%D9%81%D8%B8%D8%A9, Zugriff 30.8.2021

●        Altai Consulting (14.6.2021): Economic relief, recovery, and resilience - Assessment for Southern Iraq, https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---arabstates/---ro-beirut/documents/publication/wcms_802486.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        Anadolu Agency (19.7.2020): Iraqis protest power outage in Karbala, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iraqis-protest-power-outage-in-karbala/1915386, Zugriff 29.9.2021

●        AN - Arab News (14.8.2021): West Baghdad without water after ‘attack’ on power grid, https://www.arabnews.com/node/1911056/middle-east, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018a): الموجز الاحصائي بغداد 2018 [ römisch 40 Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1205-2019-11, Zugriff 29.9.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018b): الموجز الاحصائي بابل 2018 [Babil Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1217, Zugriff 29.9.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018c): الموجز الاحصائي البصرة 2018 [Basra Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1206, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018d): الموجز الاحصائي ذي قار2018 [Dhi Qar Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1216, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018e): الموجز الاحصائي كربلاء 2018 [Kerbela Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1204-2018-7, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018f): الموجز الاحصائي ميسان 2018 [Maysan Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1211-2018-11, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018g): الموجز الاحصائي المثنى 2018 [Al Muthanna Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1213, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018h): الموجز الاحصائي نجف 2018 [Najaf Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1219, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018i): الموجز الاحصائي القادسية 2018 [Qadisiyah Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/1207-2018-9, Zugriff 25.8.2021

●        CSO - Central Statistical Organization Iraq, Ministry of Planning (MoP) [Irak] (2018j): الموجز الاحصائي واسط 2018 [Wasit Statistisches Briefing 2018], http://cosit.gov.iq/ar/?option=com_content&view=article&layout=edit&id=1214, Zugriff 25.8.2021

●        EASO – European Asylum Support Office (9.2020): Iraq; Key socio-economic indicators; For Baghdad, Basra and Erbil, https://www.ecoi.net/en/file/local/2037976/2020_09_EASO_COI_Report_Iraq_Key_socio_economic_indicators_Baghdad_Basra_Erbil.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        DW - Deutsche Welle (8.7.2021): How to solve Iraq's hellishly hot power crisis, https://www.dw.com/en/why-are-iraqs-electricity-issues-so-hard-to-solve/a-58189500, Zugriff 15.8.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021a): Labour Market Assessment, Al-Musayyab Babylon Governorate, https://iraq.iom.int/files/Mahmoudiya%20-%20Baghdad%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021 [Anm.: ein Fehler im Titel: es behandelt den Mahmoudiya Distrikt in römisch 40 ]

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021b): Labour Market Assessment, Al-Musayyab Babylon Governorate, https://iraq.iom.int/files/Mahmoudiya%20-%20Baghdad%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021c): Labour Market Assessment, Qurna District, Basra Governorate, https://iraq.iom.int/files/Qurna%20District,%20Basra%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021d): Labour Market Assessment, Suq Al-Shoyokh District, Thi-Qar Governorate, https://iraq.iom.int/files/Suq%20Al-Shoyokh%20District,%20Thi-Qar%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021e): Labour Market Assessment, Kerbala District, Kerbala Governorate, https://iraq.iom.int/files/Kerbala%20District%20-%20Kerbala%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021f): Labour Market Assessment, Amara District, Missan Governorate, https://iraq.iom.int/files/Amara%20District,%20Missan%20Governorate_0.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        IOM - International Organization for Migration (9.2021g): Labour Market Assessment, Kufa District, Najaf Governorate, https://iraq.iom.int/files/Kufa%20District%20-%20Najaf%20Governorate.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        LSE - London School of Econonomics and Political Science (2.4.2020): Failure of Governance in Basra puts all of Iraq at Risk, https://blogs.lse.ac.uk/mec/2020/04/02/failure-of-governance-in-basra-puts-all-of-iraq-at-risk/, Zugriff 25.8.2021

●        NCCI - NGO Coordination Commitee for Iraq (12.2015): Baghdad Governorate Profile, https://www.ncciraq.org/images/infobygov/NCCI_Baghdad_Governorate_Profile.pdf, Zugriff 25.8.2021

●        NINA - National Iraqi News Agency (19.9.2021): كهرباء النجف : اعادة التيار الكهربائي الوطني بصورة تدريجية بعد انقطاع مفاجئ في عموم المحافظة, https://ninanews.com/Website/News/Details?Key=927910&__cf_chl_jschl_tk__=pmd_xnuCmLoupgfLQxXD37xqkX6WG3liuWUx.7JOnxSr9fM-1632489715-0-gqNtZGzNAfujcnBszQi9, Zugriff 30.8.2021

●        OPHI - Oxford Poverty and Human Development Initiative (10.9.2020): Iraq: Global Multidimensional Poverty Index (MPI), https://data.humdata.org/dataset/iraq-mpi, Zugriff 25.8.2021

●        Rudaw (14.8.2021): ً منطقة في النجف بلا ماء منذ 45 يوماً [Ein Gebiet in Najaf ohne Wasser für 45 Tage], https://www.rudaw.net/arabic/business/14082021, Zugriff 30.8.2021

●        Swissinfo (17.7.2021): انقطاع المياه في جزء من بغداد إثر عمل تخريبي طال شبكة الكهرباء [Wasserknappheit in einem Teil von römisch 40 wegen Sabotage des Stromnetzes], https://www.swissinfo.ch/ara/afp/%D8%A7%D9%86%D9%82%D8%B7%D8%A7%D8%B9-%D8%A7%D9%84%D9%85%D9%8A%D8%A7%D9%87-%D9%81%D9%8A-%D8%AC%D8%B2%D8%A1-%D9%85%D9%86-%D8%A8%D8%BA%D8%AF%D8%A7%D8%AF-%D8%A5%D8%AB%D8%B1-%D8%B9%D9%85%D9%84-%D8%AA%D8%AE%D8%B1%D9%8A%D8%A8%D9%8A-%D8%B7%D8%A7%D9%84-%D8%B4%D8%A8%D9%83%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D9%83%D9%87%D8%B1%D8%A8%D8%A7%D8%A1/46868162, Zugriff 29.9.2021

●        WB, WFB, FAO, IFAD - World Bank (WB), World Food Programme (WFP), Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), International Fund for Agricultural Development (IFAD) (2.7.2020): Food Security in Iraq - Impact of COVID-19, April - Juni 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000117361/download/?_ga=2.67020393.616067374.1626875776-315491719.1617105906, Zugriff 25.8.2021

●        WB, WFP, FAO, IFAD - World Bank (WB), World Food Programme (WFP), Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), International Fund for Agricultural Development (IFAD) (9.2020): Food Security in Iraq - Impact of COVID-19, with a Special Feature on Digital Innovation, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Iraq%20Food%20Security%20Report%20August%202020%20-%20Arabic.pdf, Zugriff 1.10.2021

●        WFP - World Food Programme (9.2021): Hunger Map Live, Iraq, https://hungermap.wfp.org/, Zugriff 27.9.2021

●        WFP - World Food Programme (1.2021): Iraq - Annual Country Report 2020, Country Strategic Plan 2020 – 2024, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000125441/download/, Zugriff 29.9.2021

●        WFP - World Food Programme (2019): Iraq Socio-Economic Atlas 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2020086/WFP-0000110173.pdf, Zugriff 25.8.2021

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 15.10.2021

Der Gesundheitssektor im Irak hat unter den Kriegen, den Sanktionen, der Korruption und den mangelnden Investitionen gelitten. Mithilfe der Vereinten Nationen und ausländischer Hilfsorganisationen kann meist nur das Nötigste gesichert werden (GIZ 1.2021b).

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor (IOM 1.4.2019). Öffentliche Krankenhäuser berechnen niedrigere Kosten für Untersuchungen und Medikamente als der private Sektor. Allerdings sind nicht alle medizinischen Leistungen in öffentlichen Einrichtungen verfügbar und von geringerer Qualität als jene im privaten Sektor. Vor allem in größeren Städten und für spezialisierte Behandlungen kann es zu langen Wartezeiten kommen. Die Qualität der Gesundheitsversorgung hängt stark davon ab, ob die Gesundheitsinfrastruktur seit dem jüngsten bewaffneten Konflikt wiederhergestellt wurde, und ob Ärzte und Krankenschwestern zurückgekehrt sind (IOM 18.6.2021).

Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD Anmerkung, ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 1.2021d). Medizinische Kosten und Gesundheitsleistungen werden im Irak nicht von einer Krankenversicherung übernommen (IOM 18.6.2021).

Es gibt im Irak 1146 primäre Gesundheitszentren, die von Mitarbeitern der mittleren Ebene geleitet werden und 1185, die von Ärzten geleitet werden. Des weiteren gibt es im Irak 229 allgemeine und spezialisierte Krankenhäuser, darunter 61 Lehrkrankenhäuser (WHO o.D.). Im Zuge der COVID-19 Krise hat die Regierung einen spürbaren Bedarf an medizinischer Ausrüstung festgestellt. Die Regierung hat Initiativen ergriffen, um die Verfügbarkeit von Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmitteln zu erhöhen sowie Krankenhäuser mit mehr Sauerstofftanks und Notaufnahmen auszustatten. Im April 2021 hat die Regierung eine COVID-19-Unterstützung für abgelegene Gebiete initiiert, die Arztbesuche in abgelegenen Orten, die Verteilung von Medikamenten und die Bereitstellung kostenloser medizinischer Beratung umfasst. Daten über konkrete Initiativen und die Wirksamkeit der Maßnahmen sind jedoch nicht verfügbar (IOM 18.6.2021)

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 22.1.2021). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustregel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 1.2021d). In römisch 40 arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 22.1.2021). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Anfang des Jahres 2020, mit Beginn der COVID-19-Pandemie stellten die medizinischen Fakultäten und Gesundheitseinrichtungen die meisten ihrer zur Verfügung gestellten Dienste ein und verlagerten sich auf die Untersuchung des Virus und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft. Im September 2020 nahm der öffentliche Gesundheitssektor seine Arbeit und Dienstleistungen wieder auf, mit neuen Regelungen, wie dem Zugang zu Krankenhäusern nur nach Terminvereinbarung, Rotationsschichten des medizinischen Personals, längeren erforderlichen Wartezeiten und strengeren Hygienemaßnahmen. Im Jahr 2021 bieten sowohl der öffentliche als auch der private Gesundheitssektor ihre Arbeit beinahe wieder normal an, jedoch mit hohen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19, wie vom irakischen Gesundheitsministerium (MoH) angewiesen (IOM 18.6.2021).

Aufgrund der COVID-19-Pandemie steht die Bereitstellung grundlegender Gesundheitsdienste unter Druck. Familien haben nicht im gleichen Maße wie 2019 Zugang zu grundlegenden Diensten, einschließlich Impfungen und Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind. Schätzungsweise 300.000 Kinder laufen Gefahr, nicht geimpft zu werden, was zu Masernausbrüchen oder der Rückkehr von Polio führen könnte (UN OCHA 2021).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich (AA 22.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021b): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021d): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

●        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 15.8.2021

●        UN OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2021): Global Humanitarian Overview 2021, Iraq, https://gho.unocha.org/iraq, Zugriff 25.8.2021

●        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 3.3.2021

Rückkehr

Letzte Änderung: 15.10.2021

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten, auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, unter anderem von ihrer ethnischen und konfessionellen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 22.1.2021).

Zu den größten Herausforderung für Rückkehrer zählen die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychische und psychologische Probleme, sowie negative Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018).

Reintegration und Sicherheit werden durch Schutz, Stabilisierung, Rechtsstaatlichkeit und sozialen Zusammenhalt beeinflusst. An vielen Orten bleiben auch nach der Niederlage des sog. Islamischen Staates (IS) Quellen der Gewalt bestehen, die Rückkehrer betreffen können. In einigen Fällen kann Gewalt sogar durch die tatsächliche Rückkehr verschiedener Bevölkerungsgruppen an einen bestimmten Ort geschürt werden. Gewaltrisiken bleiben anhaltende Angriffe des IS oder anderer bewaffneter Gruppen, aber auch soziale Konflikte in Form von ethnisch-konfessionellen oder stammesbedingten Spannungen und Gewalt, darunter auch Racheakte. Auch politische Konkurrenz spielt bei diesem Risiko eine Rolle, da verschiedene Sicherheitsakteure in der fragmentierten Sicherheitskonfiguration nach dem Konflikt im Irak um territoriale Vorherrschaft ringen (IOM 2021).

Eine Untersuchung von 2020, zu der fast 7.000 Binnenvertriebene und 2.700 Rückkehrer befragt wurden, hat ergeben, dass die Zahl der Rückkehrerhaushalte, die mehr als 20% ihrer monatlichen Gesamtausgaben für Gesundheit oder Medikamente ausgeben, im Jahr 2020 stark, auf 38% gestiegen ist (im Vergleich zu 7% im Jahr 2019) (IOM 18.6.2021).

Hinsichtlich der Beschäftigung berichteten etwa 12% der befragten Rückkehrerhaushalte von vorübergehender und 1% von dauerhafter COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) waren mehrere Distrikte im Gouvernement Erbil besonders von COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit betroffen. 71% der IDP- und Rückkehrerhaushalte im Distrikt Rawanduz meldeten vorübergehende oder dauerhafte Arbeitslosigkeit aufgrund von COVID-19, im Distrkt Shaqlawa waren es 56%. Im Gouvernement Sulaymaniyah war der Distrikt Dokan mit 52% am stärksten betroffen. Im föderalen Irak war der Distrikt Al-Kut im Gouvernement Wassit am stärksten von COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit betroffen. 56% seiner IDP- und Rückkehrerhaushalte meldeten vorübergehende oder dauerhafte Arbeitslosigkeit aufgrund von COVID-19 (IOM 18.6.2021).

Im Jahr 2020 hatten 59% der Rückkehrer ein durchschnittliches Monatseinkommen von weniger als 480.000 Irakischen Dinar (IQD) (~267,90 EUR) (im Vergleich zu 55% im Jahr 2019 und 71% im Jahr 2018). Bei Rückkehrerhaushalten, die von alleinstehenden Frauen geführten wurden, lag der Anteil sogar bei 79%. In der KRI waren die Haushaltseinkommen von Binnenvertriebenen- und Rückkehrerhaushalten im Jahr 2020 besonders niedrig: In den Bezirken Chamchamal, Halabcha, Rania und und Dokan im Gouvernement Sulaymaniyah und im Bezirk Koysinjag im Gouvernement Erbil hatten im Berichtszeitraum der MCNA-VIII-Erhebung (Juli - September 2021) zwischen 92% und 93% der Rückkehrerhaushalte ein Monatseinkommen von weniger als 480.000 IQD (IOM 18.6.2021).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussein sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 1.2021d).

Um die Rückkehr von Flüchtlingen in die Herkunftsgebiete zu erleichtern, fianziert das UNDP die Umsetzung von Projekten zur Wiederherstellung der Infrastruktur, der Existenzgrundlagen und des sozialen Zusammenhalts in Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din. Darüber hinaus führte das Programm der Vereinten Nationen für Won- und Siedlungswesen (UN-Habitat) Schnellbewertungen von zerstörten Häusern in Gebieten von Ninewa durch und unterstützte 2.190 Familien, deren Häuser zerstört wurden, bei der Registrierung von Entschädigungsansprüchen. UN-Habitat stellte weiterhin Wohnberechtigungsscheine für jesidische Rückkehrer in Sinjar aus (UNSC 3.8.2021).

Es gibt mehrere Organisationen, die Unterstützung bei der Wiedereingliederung anbieten, darunter ETTC (Europäisches Technologie- und Ausbildungszentrum), IOM (Internationale Organisation für Migration) und GMAC (Deutsche Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration). Ebenso gibt es mehrere NGOs, die bedürftigen Menschen finanzielle und administrative Unterstützung bereitstellen sowie Institutionen, die Darlehen für Rückkehrer anbieten. Beispielsweise Bright Future Institution in Erbil, die Al-Thiqa Bank, CHF International/Vitas Iraq, die National Bank of Iraq, die Al-Rasheed Bank und die Byblos Bank (IOM 18.6.2021).

In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortführung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 22.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2021d): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 16.3.2021 [Anm.: Der Link ist nicht mehr abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und einsehbar.]

●        IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, Zugriff 21.6.2021

●        IOM - International Organization for Migration (2021): Home Again? Categorising Obstacles to Returnee Reintegration in Iraq, https://iraq.iom.int/files/IOM%20Iraq%20Home%20Again%2C%20Categorising%20Obstacles%20to%20Returnee%20Reintegration%20in%20Iraq.pdf, Zugriff 13.3.2021

●        IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635%20-%20Iraq_Returnees_Snapshot-Report%20-%20V5.pdf, Zugriff 21.6.2021

●        UNSC - UN Security Council (3.8.2021): Implementation of resolution 2576 (2021); Report of the Secretary-General [S/2021/700], https://www.ecoi.net/en/file/local/2058500/S_2021_700_E.pdf, Zugriff 15.5.2021

Staatsbürgerschaft und Dokumente

Letzte Änderung: 15.10.2021

Artikel 18 der irakischen Verfassung besagt, dass jede Person, die zumindest über einen irakischen Elternteil verfügt, die Staatsbürgerschaft erhält und somit Anspruch auf Ausweispapiere hat (Irakische Nationalversammlung 15.10.2005; vergleiche USDOS 30.3.2021). Dies wird in Artikel 3 des irakischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2006 bestätigt, jedoch wird in Artikel 4 darauf hingewiesen, dass Personen, die außerhalb des Iraks von einer irakischen Mutter geboren werden und deren Vater entweder unbekannt oder staatenlos ist, vom Minister für die irakischen Staatsbürgerschaft in Betracht gezogen werden können. Dies geschieht, wenn sich die besagte Person innerhalb eines Jahres nach ihrer Vollmündigkeit für die irakische Staatsbürgerschaft entscheidet. Wenn dies aus schwierigen Gründen unmöglich ist, kann die Person trotzdem noch um die irakische Staatsbürgerschaft ansuchen. In jedem Fall muss der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Bewerbung aber im Irak ansässig sein (Irakische Nationalversammlung 7.3.2006). Eine Doppelstaatsbürgerschaft ist per Staatsbürgerschaftsgesetz No.26/2006, Artikel 10 erlaubt (RoI MoFA 2021b).

Für die Ausstellung einer Geburtsurkunde für ein im Ausland geborenes Kind ist eine Registrierung bei der Konsularabteilung einer irakischen Botschaft notwendig. Der Vater der Kindes muss in der Konsularabteilung der Botschaft anwesend sein. Im Fall seines Ablebens ist der Ehevertrag ein erforderliches Dokument, um die Vaterschaft des Kindes zu belegen. Innerhalb von zwei Monaten nach dem Geburtstermin muss eine beglaubigte Geburtsbestätigung von der zuständigen Behörde des Landes, in dem die Geburt erfolgte, vorgelegt werden. Bei Verspätung ist eine Gebühr für die verzögerte Registrierung in Höhe von zehntausend irakischen Dinar [Anm.: 5,69 € (Stand April.2021)] zu bezahlen (RoI MoFA 2021a).

Laut dem irakischen Passgesetz kann jede Person über 18 Jahren, unabhängig von ihrem Geschlecht und ohne Erlaubnis des Vormunds einen Pass erhalten (Irakisches Innenministerium 2017). Ein Personalausweis wird etwa für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt (USDOS 30.3.2021; vergleiche FIS 17.6.2019). Er wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente, wie den Reisepass, benötigt (FIS 17.6.2019). Im Oktober 2015 ist ein neues nationales Ausweisgesetz in Kraft getreten. Laut diesem soll ein neuer biometrischer Personalausweis vier Karten ersetzen: den alten Personalausweis, den Staatsangehörigkeitsnachweis, den Aufenthaltsnachweis und den Lebensmittelausweis. Seit der Jahreswende 2015/2016 werden die neuen Ausweise sukzessive ausgestellt, bisher mehr als zehn Millionen (FIS 17.6.2019). In den seit 2016 ausgestellten Personalausweisen ist die Religionszugehörigkeit des Inhabers nicht mehr vermerkt, obwohl bei der Online-Beantragung immer noch nach dieser Information gefragt wird, und ein Datenchip auf dem Ausweis weiterhin Angaben zur Religion enthält (USDOS 12.5.2021). Viele Iraker besitzen nach wie vor ihren alten Personalausweis und den erforderlichen Staatsbürgerschaftsnachweis. Zwar haben die alten Ausweise kein Ablaufdatum, doch werden sie laut irakischen Behörden im Jahr 2024 ihre Gültigkeit verlieren. Die alten Ausweise werden dabei nach wie vor an Orten ausgegeben, an denen die notwendigen Gegebenheiten für die Ausstellung der neuen Dokumente nicht vorhanden sind. Da Ausweise in der Regel nur an den Orten der Aufenthaltsmeldung ausgestellt werden, benötigen IDPs häufig die Hilfe anderer, um zumindest an einen alten Ausweis zu kommen (FIS 17.6.2019).

Jedoch können Frauen ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters weder einen Reisepass beantragen (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021) noch einen Personalausweis bekommen, der etwa für den Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt wird (USDOS 30.3.2021).

Auch Personen, denen ein Naheverhältnis zum sog. Islamischen Staat (IS) vorgeworfen wird, in der Regel aufgrund ihres Familiennamens, ihrer Stammeszugehörigkeit oder ihres Herkunftsgebiets, sind von Auswirkungen der Verweigerung eines Passes betroffen (HRW 13.1.2021). Der sog. IS konfiszierte und zerstörte routinemäßig zivile und andere staatlich ausgestellte Dokumente und stellte stattdessen eigene Dokumente aus, die vom irakischen Staat nicht anerkannt werden. Heiratsurkunden, die in den vom sog. IS kontrollierten Gebieten ausgestellt wurden, werden zum Beispiel von der irakischen Regierung nicht anerkannt (CCiC 1.4.2021; vfl. NRC 4.2019). Viele Familien haben ihre Dokumente während der Kämpfe verloren oder sie wurden von Sicherheitskräften konfisziert - entweder nachdem sie aus den vom IS kontrollierten Gebieten geflohen waren oder als sie in den Lagern für Binnenvertriebene (IDPs) ankamen. Fehlende Sicherheitsfreigaben hindern Familien daran, zivile Dokumente zu erhalten oder zu erneuern. Bis heute fehlen schätzungsweise 37.980 Irakern, die in Binnenvertriebenenlagern leben, diverse zivile Dokumente (CCiC 1.4.2021).

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind in Umlauf. Zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 22.1.2021).

Quellen:

●        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2057645/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Irak_%28Stand_Januar_2021%29%2C_22.01.2021.pdf, Zugriff 3.3.2021

●        CCiC - Center for Civilians in Conflict (1.4.2021): Ignoring Iraq’s Most Vulnerable: The Plight of Displaced Persons, https://civiliansinconflict.org/wp-content/uploads/2021/04/CIVIC_Iraq_Report_Final-Web.pdf, Zugriff 8.6.2021

●        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2046520.html, Zugriff 3.3.2021

●        FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (17.6.2019): Irak: Tiendonhankintamatka Bagdadiin Helmikuussa 2019 Paluut Kotialueille (Entisille ISIS-Alueille); Ajankohtaista Irakilaisista Asiakirjoista, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Irak+Tiedonhankintamatka+Bagdadiin+helmikuussa+2019+Paluut+kotialueille+%28entisille+ISIS-alueille%29%3B+ajankohtaista+irakilaisista+asiakirjoista.pdf/c5019f7f-e3f7-981b-7cea-3edc1303aa78/Irak+Tiedonhankintamatka+Bagdadiin+helmikuussa+2019+Paluut+kotialueille+%28entisille+ISIS-alueille%29%3B+ajankohtaista+irakilaisista+asiakirjoista.pdf, Zugriff 13.3.2020

●        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043505.html, Zugriff 10.2.2021

●        Irakische Nationalversammlung [Irak] (9.9.2015): Iraq: Passports Law (2015), inoffizielle englische Übersetzung, https://www.refworld.org/docid/5c755e247.html, Zugriff 10.2.2021

●        Irakische Nationalversammlung [Irak] (7.3.2006): Iraqi Nationality Law, Law 26 of 2006,inoffizielle englische Übersetzung, https://www.refworld.org/docid/4b1e364c2.html, Zugriff 10.2.2021

●        Irakische Nationalversammlung [Irak] (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, inoffizielle englische Übersetzung, http://www.refworld.org/topic,50ffbce524d,50ffbce525c,454f50804,0,,LEGISLATION,IRQ.html, Zugriff 10.2.2021

●        NRC - Norwegian Refugee Council [Norwegen] (4.2019): Barriers from birth: Undocumented children in Iraq sentenced to a life on the margins, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/barriers-from-birth---report.pdf, 1.4.2021

●        RoI MoFA - Republic of Iraq, Ministry of Foreign Affairs [Irak] (2021a): Birth Certificate, https://www.mofa.gov.iq/birth-certificate, Zugriff 3.3.2021

●        RoI MoFA - Republic of Iraq, Ministry of Foreign Affairs [Irak] (2021b): Passport Issuance, https://www.mofa.gov.iq/passport-issuance, Zugriff 8.6.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 15.5.2021

●        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2048100.html, Zugriff 1.4.2021

(Quelle: Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak aus dem COI-CMS, Version 4, Datum der Veröffentlichung: 15.10.2021)

römisch II.1.2.2. Zur Sicherheitslage in römisch 40 :

Grundlegende Geografie
XXXX , die Hauptstadt des Irak, ist in der Provinz römisch 40 gelegen. römisch 40 liegt im Tigris-Tal im Zentrum des Irak und ist die flächenmäßig kleinste Provinz (4 555 km2). Sie ist das wirtschaftliche Drehkreuz des Landes; in ihr befindet sich die massiv geschützte Grüne Zone, „in der die US-Botschaft und Büros der irakischen Regierung untergebracht sind“.

Die Stadt römisch 40 umfasst die folgenden Bezirke: Adhamiya, al-Karch, Karrada, al-Kazimiyya, Mansour, Sadr City, al-Rashid, Rusafa und 9 Nisan („Neu- römisch 40 “). Das übrige Gebiet der Provinz römisch 40 umfasst die Bezirke al-Madain, Tadschi, al-Tarmia, Mahmudiyah und Abu Ghuraib. Das Gebiet rund um die Hauptstadt bis zu den Grenzen mit Diyala, al-Anbar, Salah al-Din und Babil wird als „ römisch 40 -Gürtel“ bezeichnet.

Bevölkerung

Für 2019 schätzte die irakische CSO (Zentrale Statistikorganisation) die Bevölkerung der Provinz auf 8 340 711 Einwohner, von denen 1 043 279 in ländlichen Gebieten und 7 297 432 in städtischen Gebieten lebten. Die CIA schätzte die Bevölkerung von römisch 40 2020 auf 7 144 000 Einwohner. Ungeachtet seiner geringen Größe hat römisch 40 mehr Einwohner als die übrigen Provinzen, und diese leben zu 87 % in Städten. römisch 40 weist die höchste Bevölkerungsdichte aller irakischen Provinzen auf.

Ethnische Zugehörigkeit

Quellen zufolge leben in der Provinz sowie in der Hauptstadt römisch 40 sowohl schiitische als auch sunnitische Muslime sowie eine „Anzahl kleinerer christlicher Gemeinschaften“. römisch 40 war einer der wichtigsten Schauplätze der religiös motivierten Kämpfe, die in den Jahren 2006 und 2007 nach der von den USA angeführten Invasion des Jahres 2003 tobten. Damals zwangen Bombenangriffe und Tötungen in zahlreichen Gebieten Bagdads die Bevölkerung, sich an anderen Orten niederzulassen und dabei religiös bedingte Grenzen zu achten; den Berichten zufolge waren daran auch schiitische Milizen beteiligt, die die sunnitischen Einwohner aus manchen Gebieten vertrieben. Darüber hinaus berichtete Landinfo im Jahr 2015, dass „die meisten Wohnviertel in römisch 40 in der Vergangenheit stets eine gemischte Bevölkerung aus Sunniten und Schiiten hatten, die gewaltsamen religiösen Säuberungen der 2000er Jahre jedoch dazu führten, dass die Stadt mittlerweile deutlich stärker von Segregation geprägt ist und in erster Linie von Schiiten bewohnt wird“.

Wirtschaft

In der Encyclopaedia Britannica heißt es, „der Großteil des produzierenden Gewerbes, des Finanzwesens und des Handels des Irak ist in und um römisch 40 konzentriert“. Dies umfasst mindestens die Hälfte der Großindustrie des Irak. Das Ölfeld östlich von römisch 40 ist 65 km lang und 11 km breit und birgt eine Reserve von acht Millionen Barrel Öl. Darüber hinaus ist römisch 40 gut an den Rest des Landes angebunden und verfügt über einen der wichtigsten Flughäfen in Irak, den Baghdad International Airport.

Straßensicherheit

Der Overseas Security Advisory Council (OSAC) stellte fest, dass es überall in römisch 40 -Stadt „improvisierte Kontrollpunkte“ neben den „zahlreichen Sicherheitskontrollpunkten der Regierung“ gibt. Der OSAC stellte ferner fest, dass Maßnahmen zur Beschränkung des Zugangs zur Internationalen Zone im Dezember 2018 gelockert wurden. Im Oktober 2019 wurde jedoch im Zusammenhang mit den über die Stadt hereinbrechenden Protesten der Zugang zur Internationalen Zone stärker eingeschränkt. In Berichten heißt es, dass „sich je nach besserer oder schlechterer Sicherheitslage der Zugang zur Internationalen Zone rasch ändern kann, … was sich unmittelbar auf diplomatische Vertretungen, den privaten Sektor und Wohngebäude auswirkt“. Der Iraq Humanitarian Fund und iMMAP veröffentlichten eine Karte zum Ausmaß des Risikos durch explosionsgefährliche Stoffe auf Straßen in der Provinz römisch 40 zwischen dem 1. und dem 30. April 2020. Dieser Karte zufolge waren die Straßen mit hohem Risiko in Tarmiyah, Abu Ghuraib und Mahmoudiya zu finden. Straßen mit geringerem Risiko waren in den genannten Gebieten angegeben, aber auch in Mada’in und in vereinzelten Stadtteilen von römisch 40 -Stadt.

Hintergrund des Konflikts und bewaffnete Akteure in der Provinz

Hintergrund des Konflikts

Im Jahr 2013 verstärkte der ISIL seine Terroranschläge auf römisch 40 drastisch. Insbesondere auf schiitische Ziele in der Stadt wurden Anschläge mit Autobomben (VBIED) verübt. Mit dieser Strategie versuchte der ISIL, die Unfähigkeit der irakischen Behörden und der ISF zu demonstrieren und ein Wiedererstarken der schiitischen Milizen zu bewirken. Diese Wellen von Anschlägen mit VBIED setzten sich im Jahr 2014 fort. Die Befürchtung, dass der ISIL römisch 40 im Sommer 2014 überrennen könnte, bewahrheitete sich nicht; jedoch kam es in Zaidan und Abu Ghuraib im Westen der Provinz (etwa 20 km vom Stadtzentrum entfernt) zu Kämpfen zwischen dem ISIL und der irakischen Armee. Auch aus Mahmudiyah und Latifiya im Süden der Stadt wurden Feuergefechte mit dem ISIL gemeldet. Darüber hinaus wurden im Jahr 2014 in den schiitischen Bezirken Bagdads weiterhin regelmäßig Terroranschläge auf öffentliche Plätze verübt. Im Juni 2014 wurden aufgrund der vom ISIL verübten Überfälle die schiitischen Milizen in römisch 40 mobilisiert. Während die irakische Armee in erster Linie die Sicherheit im Stadtzentrum gewährleistete, waren diese Milizen vorwiegend in den Vorstädten Bagdads präsent. Das sichtbare Wiederauftreten dieser Milizen rief bei der sunnitischen Minderheit in der Stadt Erinnerungen an den Bürgerkrieg der Jahre 2006 und 2007 wach, als schiitische Milizen religiöse Säuberungen gegen die sunnitische Bevölkerung Bagdads durchführten.

Im Jahr 2014 gab es Berichte über religiös motivierte Tötungen durch schiitische Milizen sowie über Morde an sunnitischen Zivilisten, die Angehörigen verschiedener Milizen zugeschrieben wurden. Die massiven religiös motivierten Tötungen der Jahre 2006 und 2007 kamen jedoch in römisch 40 weder 2014 noch in den Jahren danach erneut vor.

Nach Angaben des ISW stellte der ISIL seine Anschläge mit Autobomben und Sprengstoffwesten im Jahr 2016 in römisch 40 für einige Monate ein, griff jedoch im April und Mai 2016 erneut auf diese Taktiken zurück, um Anschläge in römisch 40 zu verüben. Dem ISW zufolge gelang es den ISF, Autobomben abzufangen; aufgrund der politischen Umwälzungen und der angespannten Sicherheitslage konnte der ISIL jedoch zwischen dem 4. April und dem 11. Mai 2016 in römisch 40 23 Anschläge mit VBIED und Sprengstoffwesten verüben, die zumeist Sicherheitskräfte und Kontrollpunkte zum Ziel hatten, aber auch beispielsweise Märkte, Beisetzungen und Pilger. Im April 2016 wurden bei Bombenanschlägen in römisch 40 mehrere Zivilisten getötet und verletzt, als der ISIL die Zivilbevölkerung und schiitische Pilger ins Visier nahm. Im Mai 2016 verübte der ISIL in dem schiitischen Stadtviertel Sadr City einen großen Bombenanschlag, bei dem 52 Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden; in Baquba in der Provinz Diyala, das zur Peripherie des römisch 40 -Gürtels gehört, explodierte eine weitere Bombe und tötete zehn Menschen. Am 11. Mai 2016 wurden bei drei zeitgleichen Anschlägen des ISIL in römisch 40 93 Zivilpersonen getötet und viele weitere verletzt. Im Juli 2016 kamen im Stadtbezirk Karrada in römisch 40 bei einem Selbstmordanschlag 324 Menschen ums Leben, als der ISIL eine Lkw-Bombe vor einem Einkaufszentrum detonieren ließ. Anhand seiner eigenen Daten erklärte der Irak-Experte Joel Wing im August 2017, dass der ISIL ausgehend von den ländlichen Gebieten rund um römisch 40 weitere Anschläge verübte, die Zahl der Vorfälle jedoch von 12 auf drei pro Tag zurückging. Im Jahr 2017 verübte der ISIL in römisch 40 auf Märkten und in Geschäften zahlreiche Anschläge auf Menschenmengen. Beispielsweise wurden im Januar 2017 in dem schiitischen Stadtviertel Sadr City 35 Menschen von einer Autobombe getötet. Weitere drei Menschen starben bei einem Anschlag mit einer Autobombe vor dem al-Kindi-Krankenhaus in römisch 40 . Im selben Monat kamen bei zwei Selbstmordanschlägen auf einen überwiegend von Schiiten besuchten Markt in römisch 40 28 Menschen ums Leben. Ab dem zweiten Quartal 2018 ging die Zahl der ISIL-Anschläge auf Menschenmengen deutlich zurück.

Bewaffnete Akteure

Irakische Armee, Polizei

Einem vom ISW 2017 veröffentlichten Bericht zufolge unterstanden die Einheiten der irakischen Armee in römisch 40 dem Einsatzkommando römisch 40 (Baghdad Operations Command, BOC), das in das Gebietskommando al-Karch und das Gebietskommando Rusafa unterteilt ist. Die Sondereinheit (Special Forces Division, SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der Internationalen Zone und den Schutz des Premierministers zuständig. Die SFD erstattet dem Verteidigungsministerium über das BOC und das Gemeinsame Einsatzkommando (JOC) sowie dem Premierminister Bericht. Darüber hinaus ist sie insbesondere während der schiitischen Pilgerschaften für die Sicherung einiger weiterer Gebiete Bagdads verantwortlich.

Die irakische Armee in römisch 40 gliedert sich in die Gebietskommandos Rusafa (östliches römisch 40 ) und Karch (westliches römisch 40 ) des BOC:

• Gebietskommando Karch: 6. Division der irakischen Armee, eine der Einheiten, die den westlichen römisch 40 -Gürtel sichern. Die 22., 24. und 54. Brigade sind nördlich und nordwestlich der Hauptstadt stationiert, die 54. auch in Mansour in Zentralbagdad. Die 59. Brigade ist im Norden Bagdads (in Karma, nahe bei Falludscha) und südlich der Hauptstadt stationiert. Keiner Brigade zuzuordnende Einheiten sind im Südwesten von römisch 40 , in der Provinz al-Anbar sowie in al-Kazimiyya nordwestlich der Hauptstadt aktiv.

• Gebietskommando Rusafa: 9. Panzerdivision der irakischen Armee. Dies ist die einzige Panzerdivision der irakischen Armee, daher ist ihr Zuständigkeitsbereich eher funktional als geografisch definiert. Die 9. Division der irakischen Armee ist nicht in römisch 40 stationiert.

Am 7. April 2020 berichtete Rudaw: „Heute übernahmen die irakischen Streitkräfte erneut die Kontrolle über das Lager [Abu Ghuraib] innerhalb des Hauptquartiers der 6. Division der irakischen Streitkräfte in der Hauptstadt römisch 40 , das von (französischen) Beratern der Internationalen Koalitionsstreitkräfte genutzt wurde.“ Und weiter führte die Quelle aus: „Die Übergabe von Abu Ghuraib ist die letzte einer raschen Abfolge von Übergaben der Kontrolle über Stützpunkte an die irakischen Streitkräfte in den letzten Wochen“.

Von der dem Innenministerium unterstehenden Bundespolizei sind in römisch 40 die folgenden Divisionen präsent: die 1. Division der Bundespolizei, zuständig für den Südwesten, den Westen und den Südosten Bagdads sowie die Kanalzone (im Osten der Hauptstadt); die 2. Division der Bundespolizei, die einzige Panzergrenadierdivision der Bundespolizei und für die Sicherheit Bagdads zuständig. Sie wird in erster Linie bei Anti-Terror-Operationen in römisch 40 und im römisch 40 -Gürtel eingesetzt, sichert die Pilgerwege und nimmt Aufgaben der Strafverfolgung wahr. Die 4. Division der Bundespolizei deckt das südliche römisch 40 sowie Gebiete im Süden der Hauptstadt ab, wie beispielsweise das Gefängnis in al-Karch. Die 3. Brigade der Abteilung für Notfallmaßnahmen ist westlich von römisch 40 stationiert.

Die Stadt römisch 40 und ihre Vorstädte sind grundsätzlich unter der Kontrolle der Behörden; in der Praxis jedoch nehmen die Behörden die Aufgaben der Verteidigung und Strafverfolgung gemeinsam mit den von Schiiten dominierten PMU wahr, sodass ihre Kontrolle „unvollständig“ ist bzw. mit diesen Milizen geteilt wird. In seinem Bericht über die Aufstellung der irakischen Streitkräfte vom Dezember 2017 erklärte das ISW:

„Das BOC ist für die Sicherheit sowohl in römisch 40 als auch in großen Teilen des römisch 40 -Gürtels rund um die Hauptstadt zuständig. Der Zuständigkeitsbereich des BOC umfasst die früheren Zuständigkeitsbereiche der Einsatzkommandos Karch und Rusafa. Die irakischen Schiitenmilizen, einschließlich der todbringenden Stellvertreter- und Sadristenmilizen, operieren außerhalb des Kommandos und der Kontrolle des BOC. Sie haben ungestraft Verbrechen und Entführungen begangen sowie Stützpunkte und ausschließlich von ihnen kontrollierte Zonen im Nordosten und Süden Bagdads errichtet und hatten bei einigen wenigen Gelegenheiten sogar Auseinandersetzungen mit den ISF. Mittlerweile sichert die dem Einsatzführungskommando [Joint Operations Command, JOC] angegliederte SFD des Premierministers die Grüne Zone sowie wesentliche Infrastrukturen rund um römisch 40 . Ungeachtet dessen ist das BOC für gewöhnlich eines der am besten ausgestatteten Einsatzkommandos der ISF. Angesichts seiner Funktion bei der Sicherung der Hauptstadt geht man davon aus, dass es über eine höhere Mannstärke verfügt als alle anderen Einsatzkommandos.“

Die Informationen über die irakische Armee und Polizei stammen aus dem Jahr 2017; neuere Angaben konnten nicht gefunden werden.

Volksmobilisierungseinheiten (PMU)

Michael Knights stellte fest, dass offiziell die PMU nicht über ein operatives Hauptquartier in der Provinz römisch 40 verfügen, dass sie in der Praxis jedoch „größere Stützpunkte“ im römisch 40 -Gürtel unterhalten. Berichten zufolge „hat sich Kataib Hisbollah in Jurf as-Sakhr, 40 Kilometer südwestlich von römisch 40 , ein eigenes Fürstentum geschaffen“, versucht Kataib Al-Imam Ali, einen Stützpunkt im Südosten des römisch 40 -Gürtels aufzubauen, und hat Asa’ib Ahl Al-Haq eine vorherrschende Stellung im nördlichen römisch 40 -Gürtel. Zur Stadt selber stellt die Quelle fest, dass PMU „örtliche Büros in zahlreichen Teilen Iraks unterhalten, um Geld zu beschaffen und Mitglieder zu rekrutieren“, wobei die höchste Konzentration solcher Büros in römisch 40 -Stadt anzutreffen ist. Des Weiteren haben sich die PMU-Milizen in römisch 40 -Stadt „Gebiete ihrer Vorherrschaft geschaffen: Palestine Street für Kataib Hisbollah, Sadr City für Saraya Salam und Asa’ib Ahl al-Haq, Badr und Kata’ib Al-Imam Ali für Karradah und Jadiriyah“, in denen diese Milizen Steuern von Unternehmen und für Immobiliengeschäfte erheben. In einem von Knights et al. im März 2020 veröffentlichten Bericht stellte der verstorbene Husham al-Hashimi fest, dass die PMU „66 überwiegend schiitische Untereinheiten, 43 sunnitische Stammeskräfte und ein Dutzend auf Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit beruhende Einheiten umfassen. Von diesen 121 als Haschd-Formationen identifizierten Untereinheiten mit registrierten Haschd-Angehörigen hatten weniger als 60 eine eindeutige numerische Kennung (also eine „Brigaden-“Nummer).“

Das unabhängige iranische Medien-Outlet „Iran Wire“ veröffentlichte eine am 8. Mai 2020 aktualisierte Karte, der zu entnehmen ist, dass die folgenden PMU-Gruppen in der Stadt römisch 40 präsent sind, und wie hoch die Gesamtzahl der Kämpfer ist, über die jede Gruppe in Irak und Syrien verfügt:

• Al-Khorasani-Brigaden – 3 000 Kämpfer – Gherai'at, Al-Bayda’a und Bo'aitha – Hauptquartier in Karada.

• Al-Salam-Brigaden – 7 000 Kämpfer registriert bei den PMU und 20 000 Kämpfer bei Jaysh Al-Mahdi (Mahdi Army) – Hauptquartier in Sadr City.

• Al-Tayyar Al-Risali – 2 000 Kämpfer – A502 und 9 Nissan in römisch 40 .

• Liwa Abu Fadl Al-Abbas – 2 500 Kämpfer (Mischung von libanesischer Hisbollah und Asa’ib Ahl Al-Haq) – Safaraat und Al-Saadoon Park.

• Kata’eb Al-Imam Ali – Al-Mutanabi.

• Faylaq Badr (Badr-Organisation) – 10 000 Kämpfer – Mansour, Suwaib und Al-Rasheed.

• Saraya Ashoura’a – 6 000 Kämpfer – Abu Nuwas.

• Asa’ib Ahl Al-Haq – 15 000 Kämpfer – Diyala River und Bab Al-Sham.

• Kata’ib Jund Al-Imam – bestehend aus mehreren Brigaden, darunter 4 und 6 – Stützpunkt Falcon.

Einer im September 2019 veröffentlichten Studie des Chatham House zufolge waren in der Provinz römisch 40 neben den ISF-Einsatzkommandos Tigris und römisch 40 folgende PMU-Gruppen präsent: Brigaden 1, 2, 4, 20, 22, 23, 24, 26, 28, 47 und 110. Das Internationale Institut für strategische Studien (IISS) stelle fest, dass „von Iran unterstützte Milizen zumindest einige Kräfte in überwiegend schiitischen Gebieten, vor allem in römisch 40 , halten, die sie im Krisenfall schnell einsetzen könnten“. Berichten zufolge horteten PMU Waffen in mehreren Gebieten, darunter in römisch 40 .

In einem Bericht von Knights et al. vom März 2020 hieß es, dass „im Zeitraum 2014 eine andere Art von Haschd auftrat, die sich von al-Haschd al-Shabi unterschied: die Verteidigungs-Haschd, bestehend aus zahlreichen kleineren Gruppen, die vorwiegend im Belgrad-Gürtel eingesetzt wurden und dem Namen nach dem Verteidigungsministerium unterstanden“. Nach Angaben der Verfasser verfügte die Verteidigungs-Haschd über „56 Kontrollpunkt-Einheiten in Zuggröße, die der Einsatzkontrolle des dem Verteidigungsministerium unterstehenden Einsatzkommandos römisch 40 unterliegen und Unterstützung in Form von Ausbildung in der Baghdad Fighting School des Ministeriums in Taji erhalten“. Anhänger der PMU verunglimpften die Verteidigungs-Hadsch, und von der PMU-Kommission wurde sie nicht anerkannt.

Am 17. Juli 2020 stellte der Congressional Research Service fest, es sei im März 2020 eine neue Gruppe mit Namen Usbat Al-Tha’irien (Liga der Revolutionäre) aufgetaucht. Der Quelle zufolge übernahm die neue Gruppe „die Verantwortung für erfolgte und versuchte Anschläge auf US-Ziele und stellte Filmmaterial von der Luftüberwachung wichtiger US-Einrichtungen in Irak ein“. Nach Auffassung von Husham Al-Hashimi versucht die Gruppe, „diese [U.S.] Truppen zu provozieren und in einen unberechenbaren Vergeltungsfeldzug hineinzuziehen, in dem irakische Sicherheits- oder Streitkräfte oder Zivilpersonen getötet werden. Auf diese Weise kann sie in der Öffentlichkeit Ressentiments gegen die Anwesenheit ausländischer Kräfte schüren.“

ISIL

Mehrere Quellen sprechen von zunehmender ISIL-Aktivität in römisch 40 im Zeitraum 2019-2020. In einem BBC-Artikel vom 23. Dezember 2019 hieß es, dass sich der ISIL „in Irak zwei Jahre nach dem Verlust seines letzten Territoriums in dem Land neu aufstellt“. Die BBC zitierte einen höheren kurdischen Beamten der Terrorismusbekämpfung, der warnte, dass der ISIL „vom derzeitigen Unfrieden in der irakischen Hauptstadt römisch 40 profitieren und das Gefühl der Entfremdung bei seinen sunnitisch-muslimischen Glaubensbrüdern, einer Minderheitengemeinschaft, ausnutzen würde.“ Business Insider merkte an, dass der ISIL seit Mitte 2019 in ländlichen Gebieten aktiv war, darunter östlich und nördlich von römisch 40 . Musings on Iraq beobachtete, dass 2019 der ISIL eigentlich in die Stadt zurückkehren wollte und es sogar schaffte, koordiniert mehrere Bombenanschläge zu verüben, dann aber sein Hauptaugenmerk auf ländliche Gebiete verlagerte.

Im Mai 2020 stellte das Combating Terrorism Center (CTC) fest, dass es aktive Anschlagszellen des ISIL in folgenden Gebieten der Provinz römisch 40 gab: Tarmiyah; Taji/Saab al-Bour; Abu Ghuraib/Zaidon; im Dreieck Latifiyah/ Yusufiyah/ Mahmudiyah; Jurf al-Sakhr und Jisr Diyala/Madain. Weiter berichtete die Quelle, dass sich die Zunahme der ISIL-Aktivitäten rund um römisch 40 „überwiegend im nördlichen und westlichen Gürtel gezeigt hat“, wobei der nördliche Gürtel der Gruppe Shamal Al-Baghdad Wilayat untersteht. Berichten zufolge ist dieses Gebiet „eine lebenswichtige Verkehrsverbindung zu einer Reihe anderer geografischer Untersektoren des Aufstands“ und „scheint als Drehscheibe für Kämpfer und Material zu fungieren, die von Syrien aus das Euphrat-Tal hinunter transportiert werden und sich im Dreieck zwischen Hit, Fallujah/Karma und dem Südufer des Thar Thar-Sees sammeln.“

Koalitionsstreitkräfte unter Führung der USA

Laut einem am 8. Januar 2020 veröffentlichten Artikel von Al Jazeera hatten die USA an verschiedenen über Irak verteilten Stützpunkten 5 200 Soldaten stationiert. Zwei dieser Stützpunkte befanden sich in römisch 40 , nämlich Taji im Norden und Victory, gelegen innerhalb des Baghdad International Airport. Letzterer wird laut Al Jazeera als Kommandozentrum sowie für nachrichtendienstliche und Kontrollzwecke verwendet. In einem am 6. Juli 2020 von Military Times veröffentlichten Artikel hieß es, die Koalition unter Führung der USA in Irak „sei dabei, ihr Vorgehen anzupassen, da irakische Sicherheitskräfte ihren Kampf gegen den ISIS intensivieren“. Berichten zufolge wird Task Force Iraq, „ein Ein-Stern-Unterkommando von Combined Joint Task Force Operation Inherent Resolve“ in eine Militärische Beratergruppe umgewandelt, die ihren Hauptsitz in römisch 40 haben wird. In der Zeitung Al-Arab vom 17. Juli 2020 hieß es, die USA beabsichtigten keinen Abzug aus Irak; dennoch sei ein Abbau der US-Truppen in Irak möglich und werde mit römisch 40 derzeit beraten.

Neueste Sicherheitstrends und Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung

Entwicklungen 2019-2020

Spannungen zwischen Iran und den USA

Eine der wichtigsten sicherheitsrelevanten Entwicklungen in Irak in den Jahren 2019 und 2020 waren die wachsenden Spannungen zwischen Iran und den USA. Am 29. Dezember 2019 berichtete die New York Times über US-Luftangriffe gegen mehrere Stellungen der Kataib Hisbollah überall in Irak als Vergeltung für einen Anschlag, bei dem ein amerikanischer Staatsbürger ums Leben kam. Am 2. Januar 2020 wurden Qassim Suleimani, Befehlshaber der Al-Quds-Streitkräfte der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC), sowie eine Reihe ranghoher Vertreter von von Iran unterstützten Milizen, insbesondere der Stabschef des Volksmobilisierungskomitees, Abu Mahdi Al-Muhandis, bei einem US-Drohnenangriff auf dem Flughafen römisch 40 getötet. Berichten zufolge stimmte kurz nach dem Angriff der irakische Rat der Vertreter dafür, „die amerikanischen Streitkräfte aus dem Land zu vertreiben“. Am 8. Januar 2020 berichtete die New York Times, Iran hätte mit dem Abschuss von mehr als 20 ballistischen Raketen auf Militärstützpunkte in Irak, auf denen amerikanische Truppen stationiert sind, Vergeltung geübt“. Berichten zufolge befand sich keiner dieser Militärstützpunkte in der Provinz römisch 40 . Radio Free Europe berichtete, dass am 24. Januar auf einen Aufruf des schiitischen Führers Muqtada Al-Sadr hin Tausende von Irakern durch die Straßen von römisch 40 zogen und Slogans gegen die USA skandierten. Berichten zufolge wurde die Demonstration durch Saraya As-Salam und andere PMU geschützt. Nach Angaben von ISW gab am 29. Februar 2020 Kataib Hisbollah eine „letzte Warnung“ an alle Iraker heraus, die mit den USA kollaborieren, einschließlich Unternehmen und Regierungsstellen. Darüber hinaus berichtete der New Arab am 13. März 2020 über den Einsatz von ISF in der Grünen Zone und die Räumung von Miliz-Stützpunkten in den Stadtteilen Jadiriya, Karrada, Arsat und Palestine Street im Zusammenhang mit den US-Luftangriffen gegen PMU-Standorte in Jurf Al-Sakhr in der Provinz Babil. Die gleiche Quelle berichtete am 14. März, dass 14 „Katjuscha-Raketen“ den Militärstützpunkt Al-Taji nördlich von römisch 40 getroffen hatten, wobei es drei Opfer unter den US-Truppen gab, von denen zwei in kritischem Zustand waren. Am 17. März 2020 übernahm eine neue Gruppe mit dem Namen Usbat Al-Tha’irien (Liga der Revolutionäre) die Verantwortung für den Anschlag vom 14. März und zwei weitere Anschläge auf das Lager Al-Taji. In dieser Eskalation gab es im April 2020 rund einen Monat Pause, bevor von Iran unterstützte Milizen ihre Anschläge wieder aufnahmen und am 6. Mai 2020 Stellungen der US-Armee in der Nähe des Flughafens römisch 40 ins Visier nahmen. Die Anschläge gingen im Juli 2020 weiter, und nach Angaben von EPIC trafen drei Raketen den Militärstützpunkt Al-Taji am 27. Juli und zwei Raketen den Baghdad International Airport am 30. Juli 2020.

Neben den bereits genannten Anschlägen dokumentierte das ISW sieben Anschläge mit Zielen in der Grünen Zone und einigen anderen Stadtteilen von römisch 40 zwischen dem 8. Januar und dem 17. März 2020. Nach Angaben des ISW wurden einige der Raketen in Stadtvierteln von römisch 40 wie Al-Amanah, Zafaraniyah und Arab Jabour abgeschossen. Bei den sieben Anschlägen wurde nur ein amerikanischer Staatsbürger beim Einschlag von drei Mörsern in der US-Botschaft am 26. Januar 2020 verwundet. Ferner berichtete EPIC von drei Raketenangriffen gegen die Grüne Zone in römisch 40 im Juni und Juli 2020, bei denen in einem Fall ein Kind verletzt wurde.

Das Washington Institute hielt fest, dass am 3. Juni 2020 der Vorsitzende der Haschd-Kommission beim Amt von Premierminister Mustafa Al-Kadhimi einen Aktenvermerk verfasste, in dem von einem „Neuanfang der ‚Haschd-Reform‘“ die Rede war. Zu den in diesem Aktenvermerk vorgeschlagenen Veränderungen gehörte die Schließung einiger PMU-Büros in den Städten und die Entfernung von Einheitsbezeichnungen. Nach Auffassung des Washington Institute hat allerdings die PMU-Kommission ihr Hauptquartier in römisch 40 und wird der neue Aktenvermerk größeren Milizen einschließlich Kataib Hisbollah dabei helfen, die Regierung einzuschüchtern, „indem taktische Einheiten an sensiblen Orten postiert werden (z. B. in unmittelbarer Nähe des Sitzes des Premierministers oder sogar innerhalb des Komplexes des Palasts der Republik, einem wichtigen Ort für Sitzungen der Regierung)“. Am 25. Juni 2020 schließlich genehmigte der irakische Premierminister einen Einsatz des Anti-Terror-Dienstes im Gebäude der Kataib Hisbollah im Gebiet Dora im Süden Bagdads, bei dem 14 Angehörige der Gruppe festgenommen und Raketen beschlagnahmt wurden. Nachdem, Berichten zufolge, Kataib Hisbollah, Druck auf den Premierminister ausgeübt hatte, wurden die 14 Personen wieder freigelassen.

Protestbewegung

Eine weitere Entwicklung, die 2019-2020 in Irak stattfand, waren Großdemonstrationen in mehreren Städten, insbesondere in römisch 40 . In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 22. November 2019 heißt es, dass sich am 1. Oktober 2019 Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in römisch 40 versammelten und Reformen forderten. Die Demonstration endete in Gewalt, als die Demonstranten versuchten, in die Internationale Zone zu gelangen. Berichten zufolge setzten sich die Proteste in römisch 40 an den folgenden Tagen fort, bevor sie in andere Provinzen übersprangen. Am 3. Oktober 2019 verhängte die irakische Regierung eine unbefristete Ausgangssperre. Am 7. Oktober 2019 berichtete Reuters von Zusammenstößen zwischen Demonstranten und den ISF in Sadr City, bei denen 15 Menschen ums Leben kamen. Reuters schrieb hierzu: „Die Ausbreitung der Gewalt in Sadr City am Samstagabend stellt ein neues Sicherheitsproblem für Behörden dar, die es mit der schlimmsten Gewalt im Land seit der Niederschlagung der Gruppe Islamischer Staat vor fast zwei Jahren zu tun hat.“ Ende Oktober 2019 hatten die Demonstranten weitere Forderungen gestellt, darunter „politische Rechenschaft über Tote, Rücktritt der Regierung und Reformen des Wahlrechts und der Verfassung“. Im HRW World Report 2019 hieß es, dass „bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften zwischen Anfang Oktober und Dezember bei Protesten in römisch 40 und Städten im Süden Iraks mindestens 350 Demonstranten ums Leben kamen“. Berichten zufolge feuerten in einigen Fällen Sicherheitskräfte Tränengaspatronen und scharfe Munition direkt auf Demonstranten ab. Amnesty International veröffentlichte am 23. Januar 2020 einen Bericht, dem zufolge seit Oktober 2019 mehr als 600 Demonstranten ums Leben gekommen waren. In dem Bericht werden Aktivisten zitiert, die vom vorsätzlichen Einsatz scharfer Munition und von Tränengas „in militärischer Qualität“ mit dem Ziel sprachen, Demonstranten zu töten. Das ISW teilte mit, dass zwischen dem 5. und 8. März 2020 im Zentrum Bagdads drei Demonstranten von „nicht identifizierten Sicherheitskräften“ getötet und 44 verletzt wurden. In einem am 6. Mai 2020 veröffentlichten Bericht des UN-Sicherheitsrats ist die Rede von einem Rückgang der Zahlen von getöteten und verletzten Demonstranten, der teilweise auf die COVID-19-Situation zurückzuführen sei. In dem Bericht heißt es weiter, dass im Berichtszeitraum 21. Februar bis Mai 2020 in römisch 40 zehn Demonstranten ums Leben kamen und 367 verletzt wurden. Zur offiziellen Reaktion sei angemerkt, dass der frühere irakische Premierminister Abdul Mahdi Ende Oktober 2019 die CTS entsandte, um den Protesten ein Ende zu bereiten. Später erließ das PMU-Kommando am 7. Dezember 2019 strenge Weisungen an seine Einheiten dahingehend, dass alle militärischen Aufgaben der PMU dem Gemeinsamen Einsatzkommando unterstehen und sich keine Einheiten in der Nähe von Demonstrationsorten aufhalten sollten. Am 26. Mai 2020 sagte der neue irakische Premierminister Al-Kadhimi zu, Berichten über Gewalt gegen Demonstranten nachzugehen.

Einem UNAMI-Bericht vom 23. Mai 2020 zufolge gab es mehrere Fälle von „Verschleppung“ von Personen, die an Demonstrationen teilgenommen oder Demonstrationen unterstützt hatten. Dem Bericht zufolge ereigneten sich die Vorfälle in der Nähe von Demonstrationsorten oder auf dem Weg zur/von der Arbeit. Ferner berichteten die „Verschleppten“, ihnen seien die Augen verbunden und sie seien an Orten inhaftiert oder verhört worden, an denen man ihnen „mutmaßliche Unterstützung für/von ausländische(n) Staaten, insbesondere die/durch die USA“ vorgeworfen habe. Des Weiteren hieß es in dem Bericht, alle männlichen Befragten hätten „beschrieben, verschiedene Handlungen erlitten zu haben, die Folter und/oder Misshandlung gleichkommen“, während weibliche Befragte aussagten, sie seien „geschlagen, mit Vergewaltigung bedroht und in ‚intimen Körperzonen berührt‘ worden“. Mit einer Ausnahme erhielten die Verschleppten während ihrer Verschleppung keinerlei medizinische Behandlung“.

ISIL-Aufstand

Zum Thema ISIL hieß es in einem im November 2019 veröffentlichten Bericht des UN-Sicherheitsrats, dass „Überreste des Islamischen Staats im Irak und in der Levante (ISIL) weiterhin häufig asymmetrische Anschläge gegen das irakische Volk und irakische Sicherheitskräfte verübten, insbesondere in den Provinzen al-Anbar, römisch 40 , Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salah al-Din. Musings on Iraq beobachtete im April und Mai 2020 „eine starke Zunahme der Gewalt“. Des Weiteren besagte die Quelle, dass seit der Niederlage in Syrien bis April der Erhalt der Kämpfer für den ISIL vorrangig war, als er „eine ganze Welle von Anschlägen lostrat, die in den folgenden Monaten immer größer wurde und schließlich das Niveau von 2018 erreichte“. Mit Blick auf römisch 40 stellte die Quelle 2019 fest, dass der ISIL eigentlich in die Stadt zurückkehren wollte und sogar in der Lage war, mehrere Bombenanschläge zu koordinieren. Die Gruppe schien jedoch ihre Aufmerksamkeit eher ländlichen Regionen zugewandt zu haben, da die Zahl der Anschläge in römisch 40 stark zurückging. Der Quelle zufolge verübte der ISIL sieben Anschläge im März 2020, keinen im April 2020 und 14 im Verlauf seiner Frühlingsikampagne; im Juni 2020 fiel die Zahl auf zwei zurück. Das ISW beobachtete ferner, dass der ISIL seine Unterstützungszone im nördlichen und südwestlichen römisch 40 -Gürtel auf- und ausbaute. Das Combating Terrorism Center beobachtete, dass „in der ersten Jahreshälfte 2019 die Zahl der Anschläge [des ISIL] im Durchschnitt bei 11,3 pro Monat lag, in der zweiten Jahreshälfte bei 24,3 pro Monat und im ersten Quartal 2020 im Durchschnitt 35,5 pro Monat erreichte“. Der Quelle zufolge „hat es ganz ohne Zweifel ein teilweises Wiederaufleben der Anschläge in ländlichen Gegenden von römisch 40 gegeben“ und liegt der Schwerpunkt des ISIL 2020 vorrangig „auf Sicherheitszielen und nicht auf der Zivilbevölkerung“. Der Lead Inspector General of Operation Inherent Resolve berichtete, dass es zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 2020 „in der Provinz römisch 40 etwas mehr als 20 Anschläge gab; ... doch übernahm für diese Anschläge niemand die Verantwortung und gab es dabei nur wenige Opfer“.

Am 8. Februar 2020 stellte das ISW fest, dass der ISIL vermutlich für die Explosion von fünf USBV in öffentlichen Bereichen in römisch 40 verantwortlich war. Am 12. März 2020 berichtet das ISW, der ISIL stehe mutmaßlich hinter sechs Anschlägen mit USBV in östlichen, südlichen und nördlichen Bereichen von römisch 40 , bei denen sieben Zivilpersonen verletzt wurden. In einem am 6. Mai 2020 veröffentlichten Bericht des UN-Sicherheitsrats hieß es, dass in mehreren Provinzen einschließlich römisch 40 „Überreste des ISIL weiterhin häufig asymmetrische Anschläge gegen das irakische Volk und irakische Sicherheitskräfte verübten“. Nach Angaben von Musings on Iraq startete die irakische Armee am 2. Juli 2020 einen gegen den ISIL gerichteten Einsatz in Al-Tarmiya, nördlich von römisch 40 , wo es noch immer ISIL-Zellen gibt. Asharq Al-Awsat zitierte Mohammad Al-Karbouli, Abgeordneter im irakischen Parlament und Mitglied des Parlamentsausschusses für Sicherheit und Verteidigung, der „die willkürlichen Verhaftungskampagnen nördlich von römisch 40 “ beklagte und enthüllte, dass „mehr als 50 junge Männer vor ihren Familien auf erniedrigende Weise festgenommen Wurden“, womit er auf mögliche religionsbezogene Dimensionen anspielte. Auch der National berichtete über diesen Einsatz und stellte fest, dass er sich als Folge der zunehmenden Anschläge des ISIL im Jahr 2020 ereignete.

Das ISW berichtete, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie europäische Mitglieder der von den USA angeführten Anti-ISIL-Koalition zwischen dem 25. und dem 31. März 2020 mit dem Abzug ihrer Truppen aus Irak begannen. Berichten zufolge kündigten Frankreich, die Tschechische Republik und Portugal den vollständigen Abzug aus Irak an, währen das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Spanien, Italien und Deutschland lediglich einen Teilabzug ankündigten. Ferner befahl das USDOS am 25. März 2020 allen Bediensteten der US-Regierung in Irak und in der KRI wegen „schlechter Sicherheitslage und eingeschränkter Reisemöglichkeiten aufgrund von COVID-19“ die Abreise aus Irak. Des Weiteren setzte das irakische Gemeinsame Einsatzkommando 40 Militärfahrzeuge in Sadr City zur Durchsetzung der Ausgangssperre ein, die von der irakischen Regierung am 17. März 2020 in römisch 40 verhängt worden war. Im Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 6. Mai 2020 heißt es weiter, dass es in römisch 40 und an mehreren anderen Orten zu Protesten gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der von der Regierung zur Eindämmung der Verbreitung des Virus verhängten Maßnahmen kam. Berichten zufolge meldete das Einsatzkommando römisch 40 27 000 Verhaftungen wegen Verstößen gegen die Ausgangssperre.

Einige Beispiele für Sicherheitsvorfälle

• Am 10. Mai 2019 zitierte Radio Free Europe irakische Sicherheitsbeamte, denen zufolge sich in Sadr City in römisch 40 ein Selbstmordanschlag mit mindestens acht Toten und 15 Verletzten ereignet hatte. Die Verantwortung für den Anschlag wurde vom ISIL übernommen.

• Nach Angaben des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab es am 13. Juni 2019 einen Selbstmordanschlag auf ein Spirituosengeschäft in römisch 40 . Berichten zufolge wurden bei dem Anschlag zwei Zivilpersonen verletzt.

• Am 12. August 2019 ereignete sich eine schwere Explosion am südlichen Stadtrand von römisch 40 in einem Munitionslager der PMU. Berichten zufolge beschädigten die durch die Explosion verursachten Splitter in der Nähe gelegene Wohngebäude von Zivilpersonen.

• Radio Free Europe berichtete am 7. September 2019 von vier Bombenanschlägen auf Einkaufsviertel im Osten, Süden, Westen und Zentrum von römisch 40 , bei denen 14 Personen verwundet wurden.

• Am 26. November 2019 gab es zwei Anschläge mit Motorradbomben und einen mit einer USBV gegen die Stadtvierteil Al-Sha’ab, Bayaa und Baladiyyat. Bei diesen Anschlägen, für die niemand die Verantwortung übernahm, starben mindestens sechs Menschen.

• Am 20. Januar 2020 wurden drei französische Staatsbürger und ein Iraker, die für eine christliche Hilfsorganisation arbeiteten, in römisch 40 entführt. Sie wurden am 27. März 2020 freigelassen.

• Das ISW meldete, dass am 8. Februar 2020 fünf USBV an öffentlichen Plätzen in römisch 40 detonierten, darunter römisch 40 Jadida, Bayaa, Jokuk, Hurriya und Qahira. Dem Bericht zufolge wurden die Anschläge vom ISIL verübt.

• Am 14. Februar 2020 wurden sechs Demonstranten auf dem Tahrir Square getötet, eine Person in Yarmouk, und wurde eine Leiche in Nahrawan gefunden.

• Nach Angaben des ISW wurden am 22. Februar 2020 bei sieben vermutlich vom ISIL verübten Anschlägen mit USBV in römisch 40 13 Menschen verwundet. Die Explosionen ereigneten sich in den Stadtteilen Al-Maalaf, Al-Shaab, Al-Habibi, Al-Mashtal, Al-Zafaraniya und Al-Shula.

• Am 11. April 2020 wurden zwei verbrannte Leichen in Karrada gefunden.

• Am 30. April 2020 verübten ISIL-Kämpfer Anschläge auf Hochspannungsmaste östlich von römisch 40 und südlich von Baquba. Nach Angaben von EPIC „wurde mit dem Anschlag eine Leistung von 1 500 Megawatt lahmgelegt und wurde in sechs Provinzen die Stromversorgung unterbrochen“.

• Am 12. Mai 2020 wurden bei einem bewaffneten Überfall auf ein Haus in Abu Ghuraib drei Mitglieder einer Familie getötet.

• Am 15. Mai 2020 wurde die Leiche eines zuvor vom ISIL entführten jungen Mannes mit Stichverletzungen aufgefunden. Am 14. Mai 2020 wurde die Leiche eines Mädchens gefunden, die Anzeichen von Folter aufwies, und wurde in New Baghdad eine Frau erstochen.

• Nach Angaben von IBC kam am 19. Mai 2020 ein Mensch bei der Explosion einer USBV in einem Minibus in Mada’in ums Leben und wurde in Tigris eine Leiche gefunden, die angeblich Anzeichen von Folter und Schüssen aufwies.

• Am 9. Juni 2020 wurden zwei Frauen im Vorbeifahren in Al-Binak erschossen.

• Nach Angaben von IBC wurden am 9. Juni 2020 zwei Frauen von Killern in römisch 40 erschossen.

• Nach Angaben von IBC wurde am 17. Juni 2020 eine Person in Ur getötet, wurde eine Person in Sadr City erstochen und wurden drei Leichen an nicht näher spezifizierten Orte in römisch 40 gefunden.

• Laut IBC wurde am 24. Juni 2020 in römisch 40 eine Frau von Killern getötet.

• Am 6. Juli 2020 ermordeten maskierte Killer auf Motorrädern Husham al-Hashimi, den irakischen Sicherheitsanalysten und Berater des irakischen Präsidenten und Premierministers vor seinem Haus im Stadtviertel Ziyouna in römisch 40 . Nach Ansicht des ISW dürfte hierfür Kataib Hisbollah verantwortlich sein.

• Am 24. Juli 2020 berichtete Al-Monitor, dass ein in römisch 40 entführter deutscher Staatsangehöriger im Zuge eines ISF-Einsatzes befreit wurde.

Zahl der zivilen Opfer

Die nachstehende Tabelle gibt Auskunft über mit bewaffneten Konflikten zusammenhängende Vorfälle und zivile Opfer in der Provinz, die von der UNAMI für den Zeitraum 1. Januar 2019 - 31. Juli 2020 erfasst wurden.

Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle

Im Referenzzeitraum verzeichnete ACLED 42 Kämpfe, 163 Vorfälle von ferngesteuerter Gewalt/Explosionen, 81 Fälle von Gewalt gegen Zivilpersonen, 107 Unruhen; das sind insgesamt 393 sicherheitsrelevante Vorfälle dieser Arten in der Provinz römisch 40 , meist in der Hauptstadt römisch 40 . Ferner wurden für den Referenzzeitraum 130 Demonstrationen in der Provinz römisch 40 gemeldet. Die folgende Abbildung gibt Auskunft über die Entwicklung aller Arten sicherheitsrelevanter Vorfälle im Referenzzeitraum.

Fähigkeit des Staates zur Sicherung von Recht und Ordnung

Weitere Informationen über die Fähigkeit der irakischen Streitkräfte und der der KRG unterstehenden Streitkräfte als Akteure, die Schutz bieten, einschließlich der Fähigkeit, für Recht und Ordnung sorgen, sowie Informationen über die Integrität der Streitkräfte sind dem folgenden Bericht zu entnehmen: EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland – Irak: Akteure, die Schutz bieten können (2018).

Der Overseas Security Advisory Council (OSAC) stellte fest, dass in römisch 40 „organisierte Kriminalität, unkontrollierte Aktivitäten von Milizen und Korruption nach wie vor das Vorheriger Suchbegrifffreie Unternehmertum und Unternehmen stark behindern“. Erwähnt wurde in dem Bericht auch die Bedrohung, die schiitische Milizen für US-Staatsangehörige, aber auch für irakische Zivilpersonen darstellen. Es heißt dort ferner, dass diese Milizen „primitive USBV mit geringer Sprengkraft in römisch 40 -Stadt einsetzen, um Inhaber kleiner Läden einzuschüchtern und von ihnen Schutzgeld zu erpressen“. Bezüglich des ISIL führte der OSAC aus, das USDOS habe „ römisch 40 als den Ort eingestuft, an dem eine KRITISCHE Bedrohung durch Terrorismus besteht, der sich gegen die offiziellen Interessen der US-Regierung richtet oder sie berührt“. Milizen und kriminelle Gruppen in römisch 40 waren auch in Entführungen von Personen zur Erzielung politischen oder finanziellen Gewinns verwickelt.

Zur Fähigkeit der ISF, die Ordnung aufrechtzuerhalten, führte der OSAC aus, dass für den Fall, dass Demonstranten die Sinak-Brücke zur Internationalen Zone zu überqueren versuchten, die ISF in der Lage seien, sie auf das Ost-Ufer des Tigris zurückzudrängen. AP berichtet am 7. Oktober 2019, dass nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der irakischen Armee und Demonstranten in Sadr City der irakische Premierminister der irakischen Polizei befohlen habe, an die Stelle der Armee zu treten, um die Situation zu deeskalieren. Ferner stellt der OSAC fest, die ISF seien „nur begrenzt in der Lage, auf Sicherheitsvorfälle, terroristische Anschläge und kriminelle Aktivitäten zu reagieren“. Überall in der Stadt gibt es ständige sowie zeitweilige Kontrollpunkte.

(Quelle: Auszug aus dem EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak: Sicherheitslage, von Oktober 2020, Kapitel römisch 40 )

Aktuelle Sicherheitslage in römisch 40

Auf der Website des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) der University of Sussex lässt sich ein Datensatz der von ACLED aufgezeichneten sicherheitsrelevanten Vorfälle im gesamten Irak einsehen, der kontinuierlich aktualisiert wird. Die registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle basieren auf den Berichterstattungen verschiedener Nachrichtenquellen. Der Datensatz für die letzten sechs Monate (Anfang Oktober 2020 bis Ende März 2021), zeigt insgesamt 285 sicherheitsrelevante Vorfälle (Kämpfe, Explosionen, Proteste, Unruhen, strategische Entwicklungen und Gewalt gegen ZivilistInnen) in römisch 40 , inklusive Vororte. 75 der Vorfälle werden von ACLED als strategische Entwicklungen bezeichnet (dazu zählt ACLED Polizei- und Militäreinsätze sowie Verhaftungen). Bei 93 der Vorfälle habe es sich um Proteste gehandelt (sowohl friedliche als auch gewalttätige). Bei weiteren 90 Vorfällen habe es sich um Kämpfe oder Explosionen gehandelt, wobei bei 43 dieser Vorfälle (alle davon von oft unbekannten bewaffneten Gruppierungen verursachte Explosionen) ZivilistInnen betroffen gewesen seien. 27 der Vorfälle seit Oktober 2020 registriert ACLED spezifisch als Gewalt gegen ZivilistInnen. In zwei Fällen sei die irakische Polizei bzw. das irakische Militär verantwortlich gewesen und zwei Mal Akteure der Gruppe Islamischer Staat (IS). Die restlichen Vorfälle seien durch unbekannte bewaffnete Gruppierungen verursacht worden, die von Schusswaffen Gebrauch gemacht hätten. (ACLED, 8. April 2021)

Joel Wing dokumentiert auf seinem Blog Musings on Iraq die wöchentliche und monatliche Anzahl von Anschlägen durch den Islamischen Staat (IS) und pro-iranische Gruppierungen in den verschieden irakischen Provinzen. Im November 2020 habe es fünf Anschläge des IS in römisch 40 gegeben. Zwei der Angriffe hätten sich im Süden und drei im Norden der Stadt ereignet. Wing analysiert, dass der IS es aufgegeben habe, die Hauptstadt selbst zu infiltrieren und nun kleinere Anschläge in der Peripherie durchführe. (Wing, 3. Dezember 2020) Auch im Dezember habe es fünf Angriffe durch den IS in römisch 40 gegeben. Diese hätten nördlich der Hauptstadt stattgefunden. Weitere zwei Sicherheitsvorfälle seien von Pro-iranischen Gruppen durchgeführt worden. Insgesamt seien in römisch 40 im Dezember zwei Personen bei sicherheitsrelevanten Vorfällen getötet und sieben verletzt worden. (Wing, 4. Jänner 2021)

Im Jänner habe es laut Wing 14 Vorfälle in römisch 40 gegeben (für zehn sei der IS verantwortlich gewesen und für vier, pro-iranischen Gruppen). Ein Doppelanschlag in römisch 40 habe zum Tod von 32 Menschen sowie 110 Verletzten geführt. Der Anschlag sei der größte in römisch 40 in drei Jahren gewesen. (Wing, 4. Februar 2021)

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschreibt den Doppelanschlag vom 21. Jänner wie folgt:

„Anschläge in römisch 40 Am 21.01.21 kam es in römisch 40 auf dem Tayaran-Platz auf einem Markt, auf dem v.a. gebrauchte Kleidung gehandelt wird, zu einem Doppelanschlag. Der erste Attentäter täuschte einen Krankheitsanfall vor und zündete einen Sprengstoffgürtel, als Umstehende ihm helfen wollten; kurz darauf zündete ein zweiter Attentäter ebenfalls einen Sprengstoffgürtel, nachdem freiwillige Helfer die Verwundeten versorgen wollten. Insgesamt kam es zu 32 Toten und einer hohen Zahl an Verletzten. Der IS übernahm die Verantwortung für diesen Anschlag, den ersten dieser Art in römisch 40 seit fast drei Jahren. In der Nacht vom 22.01.21 auf den 23.01.21 kam es zudem zu einem Angriff auf den Flughafen von römisch 40 . Drei Katjuscha-Raketen wurden abgefeuert, richteten aber nur geringen Sachschaden an. Verletzt wurde niemand.“ (BAMF, 25. Jänner 2021, Sitzung 3)

Im Februar habe es laut Wing zwei Anschläge durch den IS in römisch 40 gegeben, beide im Norden der Stadt. Es seien vier Personen ums Leben gekommen und drei verletzt worden. Wing stellt weiters fest, dass die Raketenangriffe auf das Verwaltungsviertel der Stadt (Green Zone) zugenommen hätten. (Wing, 2. März 2021)

Im März habe es acht Anschläge durch den IS gegeben. Dazu hätten ein Schusswechsel, eine Motorradbombe und ein Bombenanschlag auf das Haus eines Scheichs gehört. Eine Vorstadt im Norden Bagdads, Tarmiya, sei das Hauptziel gewesen, da der IS in dieser Stadt immer noch aktiv sei. (Wing, 5. April 2021)

EPIC zeichnet Sicherheitsvorfälle im Land in seinem wöchentlichen Irak Security and Humanitarian Monitor auf. Diese Anfragebeantwortung konzentriert sich bei der Durchsicht von EPIC insbesondere auf Angriffe auf Zivilisten in der Hauptstadt seit November 2020. Angriffe auf AktivistInnen, PolitikerInnen und Sicherheitspersonal wurde nicht in die Anfragebeantwortung inkludiert. Viele der Anschläge, die im Zuge der Recherche gefunden wurden, richteten sich gegen Alkoholgeschäfte. Im genannten Zeitraum wurden von 35 Anschläge auf Alkoholgeschäfte dokumentiert, die auch zivile Opfer zur Folge hatten. (EPIC, 5. November 2020; EPIC, 12. November 2020; EPIC, 19. November 2020; EPIC, 3. Dezember 2020; EPIC, 17. Dezember 2020; EPIC, 24. Dezember 2020; EPIC, 14. Jänner 2021; EPIC, 21. Jänner 2021; EPIC, 28. Jänner 2021; EPIC, 4. Februar 2021; EPIC, 11. Februar 2021; EPIC, 25. Februar 2021)

Weitere Anschläge in römisch 40 inkludieren eine Explosion, bei der ein Zivilist verletzt worden sei, am 8. November (EPIC, 12. November 2020), eine Explosion in einem privaten Garten sowie die Tötung eines Autofahrers durch eine Explosion am 15. November (EPIC, 19. November 2020). Am 17. November sei eine Rakete, die für die Grüne Zone bestimmt gewesen sei, im al-Zawra Park explodiert und habe eine Frau getötet und fünf ZivilistInnen verletzt. Eine weitere dieser Raketen sei in der Medical City gelandet. (EPIC, 19. November 2020) Am 26. November hätten Angehörige der Miliz Rab’a Allah ein Spa im Bezirk Karrada attackiert. Zwei Angestellte seien geschlagen worden und das Gebäude in Brand gesetzt worden. Am 3. Dezember habe ein Anschlag auf einen Nachtklub stattgefunden. (EPIC, 3. Dezember 2020) Am 5. Dezember habe eine Explosion einen Autofahrer getötet. (EPIC, 10. Dezember 2020) Am 12. Dezember sei ein Kind bei einem Anschlag auf eine Lehreinrichtung der Sicherheitskräfte verletzt worden. (EPIC, 17. Dezember 2020) Am 4. Jänner habe eine Explosion drei Kinder verletzt (EPIC, 7. Jänner 2021). Am 21. Jänner habe es den oben beschriebenen Doppelanschlag auf einem Markt im Zentrum Bagdads gegeben (EPIC, 21. Jänner 2021). Am 23. Jänner habe eine Rakete, die für den Flughafen bestimmt gewesen sei, das Haus von Zivilisten getroffen (EPIC, 28. Jänner 2021). Anfang Februar habe es eine Explosion vor einem Massagesalon im Bezirk Karrada gegeben (EPIC, 4. Februar 2021). Am 9. Februar habe es eine Explosion auf der al-Binook Brücke gegeben. (EPIC, 11. Februar 2021) Zwischen 25. Februar und 2. März sei ein Zivilist von bewaffneten Männern im Bezirk Binook erschossen worden, es habe eine Explosion im Bezirk Yusufiya gegeben und eine Granate habe ein Wohngebäude auf der Palästina-Straße beschädigt. (EPIC, 4. März 2021) Am 7. März habe es zwei Explosionen vor privaten Häusern in den Bezirken Sadr City und al- Zafaraniyah gegeben. Am 8. März habe eine Handgranate eine Pilgerin auf der A’imma-Brücke getötet und sieben weitere PilgerInnen verletzt. (EPIC, 11. März 2021) Am 24. März hätten bewaffnete Männer einen Zivilisten im Bezirk al-Shaab erschossen. (EPIC, 25. März 2021)

(Quelle: Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Sicherheitslage in den Provinzen römisch 40 und Kerbala vom 23.4.2021)

römisch II.1.2.3. Zur Aktivität von schiitischen Milizen im Irak:
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Die Quellen deuten auf mehrere Wirkungsfelder der Milizen in römisch 40 hin. Sie konkurrieren mit offiziellen Sicherheitskräften, haben Mitglieder beziehungsweise Verbündete in wichtigen politischen Ämtern und sind teilweise für Übergriffe auf StadtbewohnerInnen verantwortlich:

Laut dem EASO-Bericht zur Sicherheitslage im Irak vom Oktober 2020 befinden sich die Stadt römisch 40 und ihre Vororte generell unter staatlicher Kontrolle, in der Praxis teilen sich jedoch die Behörden die Bereiche Verteidigung und Strafverfolgung mit den zumeist schiitischen PMF, was zu unvollständiger oder sich mit den Milizen überschneidender Kontrolle führt (EASO, Oktober 2020, Sitzung 80).

Das Institute of Regional and International Studies (IRIS) der American University of Sulaimani veröffentlicht im Juli 2021 einen Bericht über die Beziehung zwischen ZivilistInnen und den PMF in fünf irakischen Provinzen. Laut IRIS haben BewohnerInnen von römisch 40 eine pragmatische Beziehung mit den PMF. Je nach sozialer Schicht und Gegend herrscht ein unterschiedlicher Grad an Interaktion. Bewohner der Mittel- und Oberschicht im Zentrum von römisch 40 neigen dazu, sich in ihrem täglichen Leben weniger auf die PMF zu verlassen, da sie über breite soziale und politische Netzwerke verfügen, die ihnen helfen, sich in der Bürokratie zurechtzufinden. In ärmeren Gebieten im Osten und Süden Bagdads, wo Saraya Al-Salam und die Asa’ib Ahl al-Haqq dominieren, haben die Anwohner keine andere Wahl, als diese Gruppen um Hilfe zu bitten, da die PMF- Gruppen laut IRIS Teil der lokalen Verwaltung und Sicherheitsbehörde sind (IRIS, Juli 2021, S.8).

Im Jänner 2019 wird in Sadr City ein Restaurantbesitzer von einem Angreifer auf einem Motorrad erschossen. Zuvor ist laut Rudaw der Vorwurf an die PMF, für Verbrechen wie Erpressung, Entführung und Tötungen verantwortlich zu sein, nur verhalten vonseiten von Menschenrechtsorganisationen und BewohnerInnen sunnitischer Stadtteile geäußert worden. Dieses Mal hat jedoch ein Medium, das dem schiitischen Parteienblock Al-Hikma nahesteht, berichtet, dass der Täter später gefasst wurde und er Papiere bei sich trug, die dessen Mitgliedschaft bei Asa’ib Ahl al-Haqq bestätigen. Führende Mitglieder von Asa’ib Ahl al-Haqq lehnen diese Berichterstattung scharf ab und sehen sich als Opfer einer Verleumdungskampagne (Rudaw, 11. Jänner 2019; Al-Araby Al-Jadeed, 11. Jänner 2019).

Im Februar 2019 verweist Middle East Monitor (MEMO) unter Berufung auf Informationen der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu auf eine Operation der Sicherheitskräfte in römisch 40 , bei der vier Stützpunkte der PMF durchsucht und geschlossen wurden (MEMO, 8. Februar 2019). Im Februar 2019 kommt es innerhalb der PMF-Strukturen in römisch 40 zu Auseinandersetzungen, was eine Welle von Festnahmen und Schließungen von PMF-Stützpunkten zufolge hat. Mehrere Stützpunkte der Abu Fadl Al-Abbas-Miliz sind von den Schließungen betroffen, der Aufenthaltsort des Anführers ist unbekannt. Die Durchsuchungen erfolgen, nachdem die Führung der Abu Fadl Al-Abbas-Miliz bestimmte Kräfte für die Ermordung eines Schriftstellers verantwortlich gemacht hat (Al-Araby Al-Jadeed, 8. Februar 2019).

Im Mai belagern zum Präsidentenregiment gehörende Sicherheitskräfte einen PMF-Stützpunkt in römisch 40 im Stadtteil Dschadiriya und fordern die PMF dazu auf, ihren Stützpunkt zu verlassen (Al-Sumaria, 23. Mai 2019 ).

Laut einer Meldung auf Sumer News vom Juni 2019 ruft der Provinzrat von römisch 40 dazu auf, diePMF zu Hilfe zu nehmen, um den römisch 40 -Gürtel zu sichern (Sumer News, 9. Juni 2019).

Im Dezember 2019 greifen bei gegen die Regierung gerichteten Protesten in römisch 40 nicht identifizierte Milizen DemonstrantInnen an, wobei Dutzende getötet werden. Laut Angaben eines Koordinators der Proteste trugen ein paar Angreifer, die von DemonstrantInenn gefangen genommen wurden, Ausweise der Kata’ib Hisbollah bei sich. (Al-Monitor, 6. Dezember 2019)

Anfang Februar 2020 setzt Muqtada Al-Sadr paramilitärische Gruppen, die auch „Blaue Schirmmützen“ genannt werden, ein, um Protestlager um den Tahrir-Platz in römisch 40 gewaltsam zu überfallen und einzunehmen. Sadrs Miliz Saraya Al-Salam nimmt ebenfalls einen symbolträchtigen Platz der Protestbewegung ein. (FPRI, März 2020, Sitzung 17)

Am 25. Juni führen irakische Anti-Terror-Einheiten eine Razzia im Hauptquartier der Hisbollah-

Brigade, im Süden Bagdads, durch, bei der mindestens 13 Mitglieder der Gruppe festgenommen (MEMO, 26. Juni 2020) und wenige Tage später wieder freigelassen werden (Brookings, 1. Juli 2020).

Am 6. Juli wird der bekannte irakische Analytiker und Politikforscher Hisham Al-Hashimi von bewaffneten Männern vor seinem Haus in römisch 40 ermordet. Am 1. Juli wurde seine letzte Studie zu „Internen Meinungsverschiedenheiten in den Volksmobilisierungskräften“ veröffentlicht (Al Arabiya, 7. Juli 2020).

The Guardian berichtet im Oktober von einem Vorfall, bei dem hunderte Mitglieder von Milizen sich in und um die grüne Zone versammelten, nachdem einige Milizsoldaten Stunden zuvor von irakischen Sicherheitskräften festgenommen worden waren. Die Milizionäre kamen dem Haus des Premierministers nahe. Er forderte beim Verteidigungsministerium Unterstützung an, die nie erschien. Am nächsten Tag wurden die festgenommenen Milizsoldaten freigelassen (The Guardian, 8. Oktober 2020).

Am 17. Oktober stecken Anhänger der Volksmobilisierungskräfte (PMF) einen Teil des Hauptquartiers der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) im Bezirk Karrada in römisch 40 in Brand, nachdem Hoshyar Zebari, Mitglied der KDP und ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident, die Entfernung der PMF aus der internationalen Zone von römisch 40 forderte (Garda, 17. Oktober 2020).

Am 8. November greifen vier IS-Kämpfer einen PMF-Außenposten in Radwaniyah südwestlich von römisch 40 an. Eine Sicherheitsquelle berichtet, dass bei dem Angriff elf Menschen getötet wurden, darunter sechs Zivilisten, die versuchten, den PMF-Kämpfern mit eigenen Waffen zu helfen (EPIC, 12. November 2020).

Im November 2020 berichtet die Washington Post, dass irakische Übersetzer zunehmend besorgt sind, dass vom Iran unterstützte Milizen ihre persönlichen Daten von kompromittierten Personen der irakischen Sicherheitskräfte erhalten haben. Die Reduzierung der US-Militärpräsenz verschärft die Anfälligkeit der von den USA beschäftigten irakischen Übersetzer für Angriffe von Anti-USA Gruppierungen (WP, 13. November 2020).

Am 17. November kommt es zu Raketenangriffen in Richtung US-Botschaft in römisch 40 . Von sieben Raketen landen vier in der Grünen Zone und verletzen zwei Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte. Eine weitere Rakete trifft den al-Zawra Park, einen beliebten Park außerhalb der Grünen Zone, bei dem eine achtzehnjährige Frau getötet und fünf Zivilist·Innen verletzt werden. Eine Rakete landet in der Medical City, während die siebte Rakete in der Luft explodiert (EPIC, 19. November 2020). Ashab al-Kahf, eine Untergruppe der Kata‘ib-Hisbollah, übernimmt zunächst die Verantwortung, doch Kata‘ib Hisbollah und die Fatah-Koalition bestreiten später die Beteiligung schiitischer Milizen an dem Angriff (VOA, 19. November 2020).

Am 25. November wird der irakische Aktivist Akram Adhab von zwei maskierten Männern im Bezirk al-Talbiya, im Osten Bagdads, angeschossen, nachdem er am Tag zuvor die Milizgruppe Rab’Allah auf Facebook kritisierte (Rudaw, 26. November 2020).

Am 26. November überfällt Rab'Allah, eine Gruppe mit Verbindungen zu den irakischen Volksmobilisierungskräften (PMF), einen Massagesalon in römisch 40 , ruft religiöse Parolen und schlägt die dort arbeitenden Frauen mit Knüppeln und Stöcken (Rudaw, 27. November 2020).

Im Dezember berichtet EPIC, dass militante Gruppen wie Rab 'Allah ihre Angriffe auf Spirituosengeschäfte und Nachtclubs in der irakischen Hauptstadt eskaliert haben und nennt als Beispiel vier Explosionen in der Nähe von Spirituosengeschäften und die Tötung eines Inhabers eines Spirituosengeschäftes allein am 15. Dezember (EPIC, 17. Dezember 2020). Die Angriffe auf Spirituosengeschäfte werden auch im neuen Jahr weitergeführt (EPIC, 21. Jänner 2021, EPIC, 4. Februar 2021).

Am 15. Dezember wird Salih al-Iraqi, ein prominenter Protestführer und Kritiker politischer Parteien und Milizen, im Distrikt römisch 40 al-Dschadida, im Südosten Bagdads, von zwei Aufständischen erschossen (EPIC, 17. Dezember 2020).

Am 25. März fährt ein Konvoi maskierter schiitischer Milizsoldaten der Gruppierung Rab’Allah bewaffnet mit Maschinengewehren offen durch das Zentrum Bagdads. Die Milizsoldaten warnen Politiker, die Genehmigung des Jahresbudgets nicht weiter zu verzögern und drohen, dem Premierminister die Ohren abzuschneiden (Rudaw, 25. März 2021).

Im Mai schreibt ISW, dass der Rückzug von US-Truppen zu einer Verdrängung der irakischen Sicherheitskräfte und einer zunehmenden Kontrolle der vom Iran unterstützten Milizen über römisch 40 und die umliegenden Gebiete führt (ISW, 6. Mai 2021).

Die oben beschriebene Verhaftung von Qasim Musleh, Kommandant des Westirak-Sektors der PMF, führt zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen PMF-Kämpfern und irakischen Sicherheitskräften innerhalb der Grünen Zone (EPIC, 10. Juni 2021).

(Quelle: Auszug aus dem ACCORD ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen im Irak, vom 27.9.2021)

römisch II.1.2.4. Zur Desertion aus dem Polizeidienst:

Der Verbindungsbeamte des BM.I beantwortete die Frage wie folgt:

Frage: Gibt es eine Verpflichtungszeit für Polizisten? Wenn ja, wie lange? Bestünde eine Möglichkeit aus dem Polizeidienst auszutreten? Antwort: Mitarbeiter der irakischen Polizei können jederzeit ohne Angaben von Gründen kündigen. Hier unterscheidet sich die Polizei vom Militär. Beim Militär hat man eine Dienstzeit von mind zwei Jahre zu dienen. VB Amman (3.8.2015): AW: Anfrage zum Irak: Polizeidienst, ELAK 560, Antwort per Email

Bezüglich der Konsequenzen bei unerlaubtem Fernbleiben vom Polizeidienst wurden unterschiedliche Auskünfte erteilt; diese reichen von dem Verlust aller staatlichen Rechte wie z.B. Pension bis zum Erteilen einer Freiheitsstrafe von bis zu einem/drei Jahr(en) – je nach Quelle.

Bei unerlaubtem Fernbleiben vom Militärdienst ist eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorgesehen, bis zu fünf Jahre bei Desertion ins Ausland. Abhängig von der Schwere des Vergehens ist auch eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren möglich, bei Anstiftung/Mithilfe zur Desertion kann auch eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verhängt werden. Bei einer unerlaubten Abwesenheit von weniger als 15 Tagen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu 30 Tagen verhängt werden. Eine Auflistung der konkreten Straftatbestände sowie deren strafrechtlicher Konsequenzen findet sich – inkl. deutscher Übersetzung - in der Anfragebeantwortung von ACCORD (siehe unten). Auf Desertion kann auch die Todesstrafe verhängt werden, siehe dazu Frage 6.

Im Sommer 2014 flohen/desertierten/verließen zahlreiche Soldaten ihren Posten, nachdem ihre Kommandanten verschwunden waren. [Im Zuge der Kämpfe um Mossul gegen den IS kam es damals zum teilweisen Zerfall der irakischen Armee.] Aufgrund dieses Sonderfalls wurde den Soldaten im Juni 2014 während der Amtszeit des Premierministers Nouri al-Maliki vom Sprecher des Innenministeriums eine Chance auf Rückkehr zum Militär in Aussicht gestellt. Gleichzeitig drohte jedoch Premierminister Maliki mit der Exekution der „Deserteure“. Im Frühjahr 2015 verkündete der neue Premierminister Haidar al-Abadi, Straffreiheit bei bestimmten mit Desertion in Verbindung stehenden Straftatbeständen zu gewähren, sofern sich die desertierten Soldaten innerhalb von 30 Tagen wieder bei ihrer Einheit melden würden. [Anm.: Stand Mai 2015. Es wurden keine Informationen darüber gefunden, wie die Behörden mit nach Ablauf dieser Frist desertierten Soldaten umgingen/umgehen.]

[…]

Der Verbindungsbeamte des BM.I gibt an:

Laut Artikel 33, vom Militärstrafgesetzbuch wird bestraft mit bis zu 3 Jahren Gefängnisstrafe wer länger als 15 Tage sich von der Truppe entfernt bzw. seinen Dienst nicht Antritt. Mit bis zu fünf Jahren Gefängnis wird der Soldat bestraft, wenn er während seiner Militärdienstzeit in ein anderes Land flüchtet.

(Quelle: Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee, vom 24.10.2016)

Die schwedische staatliche Herkunftsländerdokumentationsstelle Lifos bemerkt in einem Bericht vom Jänner 2018, dass es gewisse Informationen zu illegalem Verlassen des Dienstes bzw. Desertion von der irakischen Polizei, jedoch nur wenige konkrete Berichte über Inhaftierungen von Deserteuren gebe (Lifos, 12. Jänner 2018, Sitzung 4).

Der Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 (verfügbar in englischer Übersetzung vom Global Justice Project: Iraq, GJPI) enthält strafrechtliche Bestimmungen betreffend die Polizeikräfte des Irak.

Laut Artikel 5 dieses Gesetzbuchs sind Personen, die ihrer Abteilung oder ihrem Dienstort fernbleiben oder deren Urlaub länger als 15 Tage andauert, mit maximal sechsmonatiger Haft zu bestrafen. Bei wiederholtem Fernbleiben erhöht sich die Haftdauer auf maximal ein Jahr.

Gemäß Artikel 6 sind Personen, die während Unruhen oder eines Notstandes mehr als zehn Tage ihrem Dienstort fernbleiben, mit mindestens einem Jahr Haft zu bestrafen.

Gemäß Artikel 7 kann ein Hoher Disziplinarkommandeur (Senior Disciplinary Commander), bei dem es sich um den Innenminister oder eine von ihm ermächtigte Person handele, einem Polizisten das Gehalt für eine Dauer von maximal 15 Tagen abziehen, wenn bewiesen werden kann, dass dieser in gewöhnlichen Zeiten nicht länger als 15 Tage seinem Dienst fernblieb. Bei wiederholtem Fernbleiben ist der Polizist mit maximal 30-tägiger Haft zu bestrafen:

[…]

Al-Monitor, eine auf Berichterstattung zum Nahen Osten spezialisierte Medienplattform, schreibt in einem Artikel vom Dezember 2016, dass der irakische Parlamentsausschuss für Sicherheit und Verteidigung angekündigt habe, mit Beginn der Gesetzgebungsperiode 2017 die Umsetzung eines im Dezember 2016 beschlossenen Gesetzes zur Repatriierung von Personen, die aus der Armee, der Polizei oder den Sicherheitseinrichtungen entlassen oder (aus diesen Organisationen) geflohen oder deren Verträge beendet worden seien, zu überwachen:

[…]

Die private irakische Online-Zeitung Iraqi News berichtet im Mai 2015, dass der irakische Premierminister Haider al-Abadi erklärt habe, dass unter anderem gegen geflohene oder abwesende Mitglieder der Streitkräfte und der Sicherheitskräfte des Inneren keine rechtlichen Schritte mehr unternommen würden:

[…]

(Quelle: ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Gesetzliche Bestimmungen, die für Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen; Festnahme bei der Einreise, vom 26.1.2018)

Im irakischen Strafgesetz für Sicherheitskräfte von 2008 wird das Vergehen des Fernbleibens vom Polizeidienst definiert und die möglichen Strafen für diese Tat angegeben. Die relevanten Abschnitte werden im Folgenden ins Deutsche übersetzt.

Teil 2, Straftat der Abwesenheit/des Fernbleibens. Artikel 1. Erstens: Dieses Gesetz gilt für: A. Offiziere und eingetragene Dienstgrade der Inneren Sicherheitskräfte (engl. Internal Security Forces), die im Dienst sind. B. Studenten an der Polizeiakademie, an Instituten oder Schulen, die sich auf die Ausbildung der Inneren Sicherheitskräfte spezialisieren. C. Ruheständler, Suspendierte, Entlassene, Ausgeschlossene, des Dienstes Enthobene, und die, die aus den Inneren Sicherheitskräften ausgeschieden sind, wenn sie ein Verbrechen begangen haben während sie noch im Dienst waren. Zweitens: Definition der Begriffe und Ziele dieses Gesetzes: A. Offizier: Polizisten, die den Dienstgrad eines Leutnants/Unterleutnants oder höher haben. B. Aufgezählte Dienstgrade: Kommissar, Unteroffizier oder ein gewöhnlicher Polizist. C. Student: jeder Student einer Polizeiakademie oder an jedem anderen Institut oder Schule, welche sich auf die Ausbildung der Sicherheitskräfte spezialisiert. Artikel 5. Die, welche abwesend von ihrer Abteilung oder ihrem Dienstort sind, oder wenn ihr Urlaub 15 Tage übersteigt, sollen für den Zeitraum von maximal sechs Monaten inhaftiert werden. Kommt es zu einer wiederholten Abwesenheit, soll eine Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr verhängt werden. Artikel 6. Derjenige, der in Zeiten von Beunruhigung oder Ausnahmezustand mehr als zehn Tage abwesend ist, soll mit einer Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr bestraft werden. Artikel 7. Erstens: Der Oberste Disziplinarkommandant (engl. Senior Disciplinary Commander) kann einen Polizisten durch Reduzierung des Gehalts bestrafen, für einen Zeitraum von nicht mehr als 15 Tagen, nachdem er bewiesen hat, dass er unter gewöhnlichen Umständen nicht mehr als 15 Tage abwesend war. Wird die Abwesenheit wiederholt, soll der Polizist für maximal 30 Tage inhaftiert werden. Zweitens: Der Begriff Oberster Disziplinarkommandant (engl. Senior Disciplinary Commander) bezieht sich hier auf den Innenminister oder denjenigen, der von ihm autorisiert wurde.

(Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Desertion vom Militär, Ausreise, zivile Dokumente, Strafen, vom 7.5.2019)

Im Jahr 2008 wurde das Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte verabschiedet.

Im Artikel 5 dieses Gesetzes wird festgelegt, dass derjenige, der seinem Dienst oder Dienstort fernbleibt, beziehungsweise der seinen Urlaub auf mehr als 15 Tage ausdehnt, mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft wird. Im Falle eines wiederholten Fernbleibens droht eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr. (Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte Nr. 14 des Jahres 2008, Artikel 5,)

Artikel 32 desselben Gesetzes sieht vor, dass derjenige, der bei seiner Rekrutierung in die Inneren Sicherheitskräfte, Informationen in Zusammenhang mit seinem Lebenslauf verheimlicht beziehungsweise nicht offenlegt, ob er vormals bei den Inneren Sicherheitskräften oder irgendwelchen anderen staatlichen Behörden angestellt war, mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr bestraft wird. (Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte Nr. 14 des Jahres 2008, Artikel 32,)

[…]

Bestimmungen zum Fernbleiben vom Dienst finden sich in den Artikeln 5 bis 7 des oben angeführten Strafgesetzes der Inneren Sicherheitskräfte. Laut Artikel 5 dieses Gesetzbuchs sind Personen, die ihrer Abteilung oder ihrem Dienstort fernbleiben oder deren Urlaub länger als 15 Tage andauert, mit maximal sechsmonatiger Haft zu bestrafen. Bei wiederholtem Fernbleiben erhöht sich die Haftdauer auf maximal ein Jahr. Gemäß Artikel 6 sind Personen, die während Unruhen oder eines Notstandes mehr als zehn Tage ihrem Dienstort fernbleiben, mit mindestens einem Jahr Haft zu bestrafen. Gemäß Artikel 7 kann ein Hoher Disziplinarkommandeur (Senior Disciplinary Commander), bei dem es sich um den Innenminister oder eine von ihm ermächtigte Person handelt, einem Polizisten das Gehalt für eine Dauer von maximal 15 Tagen abziehen, wenn bewiesen werden kann, dass dieser in gewöhnlichen Zeiten nicht länger als 15 Tage seinem Dienst fernblieb. Bei wiederholtem Fernbleiben ist der Polizist mit maximal 30-tägiger Haft zu bestrafen. (Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte Nr. 14 des Jahres 2008, Artikel 5 -, 7,)

Es konnten im Gesetzestext keine Bestimmungen zu einer nicht erfolgten Rückgabe der Dienstwaffe oder des Dienstausweises gefunden werden.

Allerdings besagt Artikel 35 Absatz 1 desselben Gesetzes, dass eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren für denjenigen vorgesehen ist, der Material oder Ausrüstung der Sicherheitskräfte stiehlt oder entwendet beziehungsweise unrechtmäßig besitzt. (Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte Nr. 14 des Jahres 2008, Artikel 35 /, eins,)

Es konnten keine Informationen zur Umsetzung der oben genannten gesetzlichen Bestimmungen gefunden werden. Gesucht wurde mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen auf Deutsch, Englisch und Arabisch: Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte, verurteilt gemäß, Fernbleiben vom Dienst, Waffe, Ausweis, Rückgabe

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo und das Zentrum für Länderinformationen der schwedischen Einwanderungsbehörde (Migrationsverket) unternahmen Ende 2013 eine Fact-Finding-Mission in den Irak, um Informationen über das Justizsystem und die Sicherheitskräfte im Land zu erhalten. Im Bericht zu dieser Fact-Finding-Mission vom Mai 2014 wird erwähnt, dass man bei Zivilist·innen, die ohne Erlaubnis ihre Arbeit verlassen würden, nach zehn Tagen davon ausgehe, dass sie gekündigt hätten. Polizist·innen, die ihrer Arbeitsstelle fernbleiben würden, seien vor das dem Innenministerium unterstellte Polizeigericht gestellt worden. Laut dem Strafgesetz der Inneren Sicherheitskräfte aus dem Jahr 2008 würden sie eine Gehaltsreduktion, eine Haftstrafe von sechs oder in Ausnahmefällen zwölf Monaten riskieren. Von einem Polizisten aus Basra, der im November 2013 bei einer Veranstaltung in römisch 40 teilgenommen habe, habe man erfahren, dass Polizisten ursprünglich mit einer bis zu sechsmonatigen Haftstrafe zu rechnen gehabt hätten, wenn sie ohne Ankündigung ihren Arbeitsposten verlassen hätten. Im August (2013) sei jedoch eine Amnestie erlassen worden. Diese Amnestie habe zunächst bis zum 15. Oktober gegolten, mittlerweile gelte sie unbefristet. (Landinfo/Migrationsverket, 8. Mai 2014, Sitzung 17)

Die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu Agency (AA) berichtet im Mai 2020, dass anlässlich eines Besuches des irakischen Innenministers in der südlichen Provinz Diwaniya Dutzende aus dem Dienst entlassene ehemalige Mitglieder der Sicherheitskräfte demonstriert und ihre Wiedereinstellung gefordert hätten. Einer der Demonstranten habe gegenüber AA erklärt, dass es verschiedenen Gründe für die Entlassung der Sicherheitskräfte gegeben habe, gegen einige der betroffenen Personen würden noch interne Ermittlungen laufen, einige seien beschuldigt worden, ihren Aufgaben als Sicherheitsbeamte nicht nachgekommen zu sein, andere seien aus unfairen Gründen entlassen worden. In den vergangenen Monaten hätten das Innenministerium sowie das Verteidigungsministerium beschlossen, tausende ehemalige Mitglieder, deren Verträge gekündigt worden seien, wiedereinzustellen. Als die Gruppe Islamischer Staat (IS) im Sommer 2014 Mossul erobert habe, seien tausende Soldaten und Mitglieder der Sicherheitskräfte geflohen, ohne zu kämpfen. (AA, 27. Mai 2020)

(Quelle: ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Bestimmte Artikel aus dem Strafgesetz der inneren Sicherheitskräfte; Ermittlungen und Verurteilungen bei Beschäftigten des Innenministeriums wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst; Ist die nicht ordnungsgemäße Rückgabe der Dienstwaffe und des Dienstausweises des Innenministeriums strafbar?, vom 8.9.2021)

römisch II.1.2.5. Zur Versorgungslage in römisch 40 und zur Lage von Rückkehrern:

Schäden an der Infrastruktur und explosive Kampfmittelrückstände

Das US Central Command berichtete von der Entdeckung und Zerstörung von Munitionsverstecken des ISIL in verschiedenen Gegenden Iraks, darunter in der Provinz römisch 40 . Am 28. Juni 2020 wurde im Gebiet Al-Mikaitimat im Teilbezirk Al-Yusifiya ein Waffenversteck entdeckt. Des Weiteren berichtete Counter IED Report, dass am 26. Juli 2020 ein Waffendepot der irakischen Bundespolizei am südlichen Stadtrand von römisch 40 aufgrund der Hitze explodierte. Berichten zufolge kam dabei eine Person ums Leben und wurden 29 verletzt. Ferner lokalisierten am 22. Juli 2020 die ISF „ein Munitionsversteck mit einer Reihe von Mörsergranaten“ westlich von römisch 40 und wurden am 28. Juli Sprengkörper in der Al-Nabai’i-Wüste westlich von römisch 40 lokalisiert.

Die IOM stellte 2017 Folgendes fest: „Die Schäden an der Infrastruktur entsprechen dem Landesdurchschnitt in allen Sektoren mit Ausnahme der Straßen, die wohl am stärksten gelitten habe dürften (Straßen wurden an Orten zerstört, an denen 7 % der Binnenvertriebenen und der einheimischen Bevölkerung leben, und sind nicht ausreichend für 53 % der Bevölkerung), insbesondere in den Bezirken Abu Ghuraib und Mahmoudiya.“ Ferner waren die Strom- und Wassernetze „für mehr als die Hälfte der Binnenvertriebenen und Rückkehrer“ zerstört oder nicht voll funktionsfähig. Nach Angaben von Reuters waren allerdings Stromausfälle an der Tagesordnung. Die Schäden am Wohnungsbestand in der Provinz römisch 40 wurden auf 337,5 Mrd. IQD (239,3 Mio. EUR) veranschlagt. Erhebliche Schäden an Wohngebäuden wurden vornehmlich aus den Gebieten Abu Ghuraib (3 %) und Mahmudiyah (7 %) gemeldet. Die IOM stellte ferner fest, dass in römisch 40 13 994 Haushalte in nicht prekäre Unterkünfte zurückkehrten, während 1 044 in prekäre Unterkünfte zurückkehrten, also nicht bewohnbare Gebäude, informelle Siedlungen und aufgegebene, religiöse oder Schulgebäude.

Bei der Ausarbeitung dieses Berichts lagen in Bezug auf die Provinz römisch 40 keine Informationen zu explosiven Kampfmittelrückständen oder nicht gezündeten Sprengkörpern vor.

Vertreibung und Rückkehr

Nach Angaben der Displacement Tracking Matrix (DTM) der IOM gab es per 30. Juni 2020 in römisch 40 35 034 Binnenvertriebene, die aus den Provinzen al-Anbar (18 102), Babil (4 812), römisch 40 (348), Diyala (858), Kirkuk (108), Ninawa (7 992) und Salah al-Din (2 814) stammten. Der DTM zufolge gab es in Irak 38 766 Binnenvertriebene, die aus der Provinz römisch 40 stammten, von denen 348 innerhalb der Provinz vertrieben worden waren. Die drei Bezirke mit den meisten Vertreibungen waren Karkh (10 284), Abu Ghuraib (6 846) und Mahmoudiya (4 944). In einem im Februar 2020 veröffentlichten Bericht der IOM, der sich mit dem Zeitraum März 2018 - Dezember 2019 befasste, wurden 292 Ortschaften in Irak mit Sekundärvertreibung aufgeführt, von denen 18 in römisch 40 lagen. Darüber hinaus kam es zu einer erneuten Vertreibung von 161 Haushalten in Mahmoudiya und 150 in Abu Ghuraib.

Beim Thema Rückkehr verzeichnete die DTM die Rückkehr von 90 228 Binnenvertriebenen nach römisch 40 , während 38 766 noch immer in der Vertreibung waren. Von diesen kehrten 49 116 aus Mahmoudiya, 23 112 aus Abu Ghuraib, 10 236 aus Tarmia und 7 764 aus Kadhimiya zurück.

Das UNHCR beobachtete, dass ab November 2019 Personen aus vom ISIL zurückeroberten Gebieten, insbesondere sunnitische Araber, für die Einreise nach römisch 40 keinen Bürgen benötigten. Allerdings mussten diese Personen, um ihren Wohnsitz in römisch 40 nehmen zu können, zwei Bürgen aus dem Stadtviertel vorweisen, in dem sie wohnen wollten, sowie ein Schreiben des Mukhtar.

(Quelle: Auszug aus dem EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak: Sicherheitslage, von Oktober 2020, Kapitel römisch 40 )

Aktuelle Versorgungslage in römisch 40 (Lebensmittel, Wasser, Strom)

Ernährungssicherheit

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) erstellte im April 2019 eine Karte der sozioökonomischen Situation der Bevölkerung Bagdads, die sich auf Erhebungen von 2016 und 2018 stützt. Laut WFP hätten 99 Prozent der Haushalte in römisch 40 einen „akzeptablen Lebensmittelkonsum“. 53 Prozent der Haushalte seien „ernährungssicher“, 46 Prozent nur marginal ernährungssicher und 1 Prozent sei ernährungsunsicher. (WFP, 2019, Sitzung 101)

WFP zusammen mit der Weltbank, IFAD (International Fund for Agricultural Development) und FAO (UN Food and Agricultural Organization) erstellte einen detaillierten Bericht zu Ernährungssicherheit im Irak im Zeitraum Juni bis August 2020 unter Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19. Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sei aufgrund stetiger internationaler Lebensmittelhandelsströme und einer günstigen Inlandsproduktion stabil geblieben. Die Funktionalität des Lebensmittelmarktes und der Zugang der Haushalte zu Nahrungsmitteln hätten sich im Vergleich zum April kurz nach Beginn des Ausbruchs verbessert. Die Preisstabilität gebe laut den UNO-Organisationen und der Weltbank jedoch Anlass zur Sorge. Die Grundnahrungsmittelpreise hätten sich nicht wesentlich verändert. Die Preise für Gemüse - insbesondere für Tomaten - würden jedoch stark schwanken. (FAO/World Bank/WFP/IFAD, 23. September 2020, Sitzung 2)

Die Verfügbarkeit von Lebensmitteln sowie anderer Artikel sei im ganzen Land gut. (FAO, World Bank, WFP, IFAD, 23. September 2020, Sitzung 18)

Ökonomische Konsequenzen von COVID-19 sowie Bewegungseinschränkungen und Infektionsängste hätten jedoch den Zugang zu Lebensmitteln im Irak erschwert. Während 2016 rund 1,5% der Menschen mit unzureichendem Lebensmittelkonsum registriert worden seien, habe laut dem Hunger Monitoring System des WFP der Wert von April bis August 2020 zwischen 5 und 9,3 Prozent fluktuiert. Rund 13,7 Prozent der Befragten, was rund 5,3 Millionen Menschen entspreche, habe angegeben, am 9. August negative Bewältigungsstrategien zur Deckung ihres Lebensmittelbedarfs angewendet zu haben. Zusätzliche Gesundheits- und Hygienekosten würden dazu führen, dass Personen nicht genügend Lebensmittel für ihre Familie kaufen könnten. Der Tageslohn eines Hilfsarbeiters habe vor COVID-19 31 kg Weizenmehl kaufen können; das sei jedoch auf 27 kg gesunken. (FAO/World Bank/WFP/IFAD, 23. September 2020, Sitzung 22)

WFP, World Bank, IFAD und FAO gaben in ihrem zweiwöchentlichen Update zur Ernährungssicherheit im Irak Mitte November 2020 an, dass laut des Mobile Vulnerability Analysis and Monitoring Systems von WFP rund 3 Millionen Menschen im ganzen Land mit unzureichendem Lebensmittelkonsum leben würden. Laut des irakischen Planungsministeriums sei die Armutsquote im Irak durch COVID-19 von 20 auf 30 Prozent gestiegen. In römisch 40 hätten 10 Prozent der Bevölkerung unzureichenden Lebensmittelkonsum. 9,8 Prozent der landesweit Befragten würden negative Bewältigungsstrategien zur Deckung ihres Lebensmittelbedarfs anwenden. 12 Prozent hätten Probleme mit dem Zugang zu Märkten. (FAO, WFP, World Bank, IFAD, 16. November 2020, Sitzung 8)

Wasserversorgung

Laut dem WFP hätten basierend auf Erhebungen von 2016 70 Prozent der Bevölkerung Bagdads kontinuierliche Verfügbarkeit von Trinkwasser und 91 Prozent würden ihr Wasser vom allgemeinen Wasserversorgungsnetz erhalten, die restlichen 9 Prozent von in Flaschen abgefülltem Wasser. (WFP, 2019, Sitzung 101)

Im Vergleich dazu veröffentlichen die staatlichen Einrichtungen Iraks folgende Zahlen: Die zentrale Statistikorganisation (Central Statistical Organization Iraq, CSO) gibt auf ihrer Webseite zu einer Erhebung der Situation von römisch 40 2018 an, dass 86,9 Prozent der Einwohner Bagdads 2017 mit Trinkwassernetzen versorgt seien, und 75,9 Prozent der Einwohner mit einem Abwassersystem. (CSO, ohne Datum a)

Das irakische Planungsministerium (Ministry of Planning, MOP) veröffentlicht im Juni 2018 einen National Development Plan, laut dem der Prozentsatz der Bevölkerung, der mit reinem Trinkwasser versorgt werde, in römisch 40 bei 100 Prozent liege. (MOP, Juni 2018, Sitzung 160)

Das Abwassersystem in römisch 40 sei alt und habe seine Lebensdauer überschritten. Es leide unter vielen Problemen, insbesondere in Regenperioden. Es sei nicht in der Lage, die täglichen Wassermengen zu absorbieren, insbesondere angesichts beispielloser Regenfälle im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die die Entwurfs- und Notfallberechnungenüberschreiten würden. Ende 2016 sei 90% der Bevölkerung mit Kanalisation ausgestattet gewesen. Die restlichen 10% würden viele Nichtwohn- und Landwirtschaftsgebiete umfassen. (MOP, Juni 2018, Sitzung 163)

Die Weltbank berichtet im Jänner 2018, dass die EinwohnerInnen von römisch 40 vor allem in den heißen Sommermonaten mit täglichen Unterbrechungen der Wasserversorgung zu kämpfen hätten. römisch 40 sei von Ausbrüchen von durch Wasser übertragenen Krankheiten betroffen. Das Trinkwassernetzwerk sei durch Abwasser kontaminiert. Kontaminierte Wasserversorgung und unsachgemäße Entsorgung von Abwasser würden Familien dazu zwingen, einen erheblichen Teil ihres Einkommens für die medizinische Behandlung und Wasser in Flaschen auszugeben. (World Bank, 31. Jänner 2018)

Das Enabling Peace in Iraq Center (EPIC) schreibt in einem Artikel über die Wasserkrise im Irak vom Juli 2017, dass das Trinkwasser oft von schlechter Qualität sei. Dies führe zur Verbreitung von durch Wasser übertragbaren Krankheiten wie Typhus, Ruhr, Hepatitis B und Cholera. römisch 40 sei auch von dieser Wasserverschmutzung betroffen. In Bagdads Sadr City sei es zum Beispiel nur möglich, sauberes Wasser in Flaschen abgefüllt zu erhalten. Dies sei aber für viele der ärmeren EinwohnerInnen zu teuer. (EPIC, 18. Juli 2017)

Stromversorgung

Al-Jazeera zitiert in einem Artikel von 2018 EinwohnerInnen Bagdads, die regelmäßige Stromausfälle in der Hauptstadt beschreiben. Laut einer 42-jährigen Mutter von vier Kindern aus Shawaka gebe es in ihrem Stadtteil im Sommer nur zwei bis vier Stunden Strom pro Tag. Die Häufung der Stromausfälle sei von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich. Einige Haushalte würden nur vier Stunden Strom pro Tag erhalten, andere bis zu 20.

Einwohner, die es sich leisten könnten, würden daher auf Generatoren zurückgreifen. Ein Generator versorge 70 Haushalte. Der Generator schalte sich automatisch ein, sobald der Strom ausfalle. Laut dem Inhaber eines solchen Generators liefere der Generator zwischen 500 und 600 Ampere Strom pro Monat, wobei jedes Ampere für 25,000 Irakische Dinar (umgerechnet etwa 14,15 Euro, Anmerkung ACCORD) verkauft werde. Laut Al-Jazeera würde ein Haushalt durchschnittlich 125,000 Irakische Dinar (umgerechnet etwa 70,73 Euro, Anmerkung ACCORD) pro Monat ausgeben, um die Stromausfälle auszugleichen. Dies sei nicht für alle erschwinglich. (Al-Jazeera, 31. Juli 2018)

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund, UNICEF) und die Weltbank veröffentlichen im Juli 2020 eine Analyse der Auswirkungen von COVID-19 auf Armut im Irak. Die Armut sei 2020 um 11,7 Prozent auf 31,7 Prozent gestiegen, im Vergleich zu 20,0 Prozent aus den Jahren 2017-2018. Kinder unter 18 Jahren seien mit einer höheren Armutsrate von 37,9 Prozent konfrontiert. (UNICEF/World Bank, Juli 2020, Sitzung 22)

Laut UNICEF und der Weltbank würden 42 Prozent der Bevölkerung in Hinblick auf mehr als einen der Aspekte des Vulnerabilitätsindex (Bildung, Gesundheit, Lebensbedingungen und finanzielle Sicherheit) Mängel aufweisen. Familien mit mehr als sieben Mitgliedern, insbesondere Familien mit mehr als einem Kind, würden mit mehr als 46 Prozent eine hohe Anfälligkeitsrate für Vulnerabilität aufweisen. (UNICEF/World Bank, Juli 2020, Sitzung 23)

(Quelle: Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak, Versorgungslage römisch 40 (Lebensmittel, Wasser, Strom), Wohnungsmarkt, Schulbesuch, von 20.1.2021)

römisch II.2. Beweiswürdigung:

römisch II.2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der bP und der im erstinstanzlichen Verfahren in Vorlage gebrachten Unterlagen sowie des Inhaltes der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde; weiters durch die im Beschwerdeverfahren erstatteten Stellungnahmen der bP, ihre Einvernahme als Partei in der vor dem erkennenden Gericht am 30.11.2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung sowie die im Beschwerdeverfahren in Vorlage gebrachten Unterlagen; ferner durch Einholung aktueller Auszüge aus dem Strafregister, Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich und Firmenbuch sowie eine elektronische Abfrage beim Dachverband der Sozialversicherungsträger; schließlich im Wege der Einsichtnahme in die vom erkennenden Gericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen (Länderberichte) zur Lage im Herkunftsstaat der bP, konkret die Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak aus dem COI-CMS, Version 4, Datum der Veröffentlichung: 15.10.2021; die EASO-Country Guidance: Iraq, Common analysis and guidance note, von Jänner 2021; die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, von Mai 2019; den EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Gezielte Gewalt gegen Individuen, von März 2019; den EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak: Sicherheitslage, von Oktober 2020 (Allgemeines Kapitel und Kapitel römisch 40 ); den EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Akteure, die Schutz bieten können, von November 2018; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Sicherheitslage in den Provinzen römisch 40 und Kerbala vom 23.4.2021; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak, Versorgungslage römisch 40 (Lebensmittel, Wasser, Strom), Wohnungsmarkt, Schulbesuch, von 20.1.2021; der EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Zentrale sozioökonomische Indikatoren für römisch 40 Basra und Erbil von September 2020; das ACCORD ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen im Irak, vom 27.9.2021; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Bestimmte Artikel aus dem Strafgesetz der inneren Sicherheitskräfte; Ermittlungen und Verurteilungen bei Beschäftigten des Innenministeriums wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst; Ist die nicht ordnungsgemäße Rückgabe der Dienstwaffe und des Dienstausweises des Innenministeriums strafbar?, vom 8.9.2021; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Desertion vom Militär, Ausreise, zivile Dokumente, Strafen, vom 7.5.2019; die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Gesetzliche Bestimmungen, die für Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen; Festnahme bei der Einreise, vom 26.1.2018; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee, vom 24.10.2016; sowie den irakischen Internal Security Forces Penal Code in englischer Übersetzung.

Die bP stellte im Verfahren vor dem erkennenden Gericht keine über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinausgehenden Beweisanträge.

römisch II.2.2. Der eingangs der gegenständlichen Entscheidung angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensaktes der belangten Behörde.

Die Identität der bP konnte aufgrund des im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten irakischen Identitätsdokumente festgestellt werden vergleiche AS 81 ff).

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der bP, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und ihrer Muttersprache sowie zu ihren persönlichen und familiären Lebensumständen im Herkunftsstaat ergeben sich im Wesentlichen aus ihren eigenen Angaben vor der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht und waren grundsätzlich nicht strittig.

Einander widerstreitende Angaben der bP waren hingegen zur Frage ihres religiösen Bekenntnisses festzustellen:

Gab die bP in der Erstbefragung noch an, schiitischer Moslem zu sein vergleiche AS 7), erklärte sie in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde davon abweichend, der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam anzugehören vergleiche AS 52). Auf Vorhalt ihrer bisherigen Angaben in der Erstbefragung durch die belangte Behörde erklärte die bP: "Ich wurde eigentlich nicht nach meiner Konfessionszugehörigkeit befragt. Ich wurde nur gefragt, von wem ich bedroht werde, da sagte ich, dass es sich um die schiitischen Milizen handelte." vergleiche AS 52). Die Antworten der bP auf die ihr in der Folge von der belangten Behörde gestellten Fragen zu Glaubensinhalten des Islam erwiesen sich im Wesentlichen als indifferent vergleiche AS 52). In der mündlichen Verhandlung gab die bP zu ihrem Religionsbekenntnis Folgendes an: "RI: Welcher Religion sind sie zugehörig? – bP: Ich bin Moslem. – Dolmetscherin: Er will es nicht sagen. – bP auf Deutsch: Muss ich sagen, ob ich ein Sunnit oder Schiit bin? Ich bin Sunnit." vergleiche OZ 22, Sitzung 5). Auf Vorhalt ihrer Angaben in der Erstbefragung führte die bP wiederum aus, dass sie damals gesagt habe, sie werde von den schiitischen Milizen bedroht, aber nicht, dass sie Schiit sei. Auf weiteren Vorhalt, dass ihr die Frage, ob sie Sunnit oder Schiit sei, aber bereits bei den Fragen nach ihren Personalien gestellt worden sei und sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gefragt worden sei, wer sie verfolge, erklärte die bP, dass sie sie nicht gefragt hätten, ob sie Schiit oder Sunnit sei. Sie habe, als sie sie gefragt hätten, was der Grund für ihre Flucht sei, geantwortet, dass sie für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet habe und von der schiitischen Miliz bedroht worden sei vergleiche OZ 22, Sitzung 6). Die von der bP dargestellte Vorgangsweise ergibt sich in keiner Weise aus der unbedenklichen Niederschrift der Erstbefragung: Darin wurde – bereits auf AS 7 – im Bereich "Religionszugehörigkeit" als Religion "Moslem Schiit" angegeben, wohingegen der bP erst auf AS 15 Fragen zu ihrem Fluchtgrund gestellt wurden. Nicht nachvollzogen werden können auch die weiteren Ausführungen der bP zur Erstbefragung. So gab sie in der mündlichen Verhandlung etwa an, dass ihr das Protokoll nicht rückübersetzt worden sei vergleiche OZ 22, Sitzung 4). Auch habe die Erstbefragung nach Angaben der bP nur "ein paar Minuten" gedauert. vergleiche OZ 22, Sitzung 5). Aus der Niederschrift der Erstbefragung ergibt sich hingegen, dass diese am 7.8.2015 stattgefunden und um 10:50 Uhr begonnen hat vergleiche AS 7 f). Als Ende der Befragung wurde 12.00 Uhr angegeben vergleiche AS 17). Die sich daraus ergebende Dauer von 1 Stunde 10 Minuten erscheint auch dem Umfang der Befragung angemessen, wohingegen "ein paar Minuten" nach Ansicht des erkennenden Gerichtes sicherlich nicht für die in der Niederschrift – unter Beiziehung eines Dolmetschers – protokollierten Angaben ausgereicht hätten, zumal diese, etwa zur Frage der Reiseroute, durchaus umfangreich sind vergleiche AS 13). Die bP erklärte eingangs ihrer Befragung, dass sie den Dolmetscher verstehe vergleiche AS 11) und bestätigte zum Ende der Befragung mit ihrer Unterschrift, dass ihr die aufgenommene Niederschrift in eine für sie verständliche Sprache rückübersetzt worden sei und es keine Verständigungsprobleme gegeben habe vergleiche AS 17). Ebenso bejahte die bP noch in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde die Frage, ob sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe und ihr diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert worden seien vergleiche AS 50). Erstmals im Beschwerdeschriftsatz wurde – entgegen der Niederschrift der Erstbefragung und den bisherigen Angaben der bP – der Versuch unternommen, die Erstbefragung in Zweifel zu ziehen. So gab die bP nunmehr an, dass der Dolmetscher "Ägypter" gewesen sei und daher einen "anderen Dialekt" als die bP gesprochen habe, dieser habe sie "schwer verstanden". Des Weiteren wurde im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt: "Außerdem hatte er Angst, ihm wurde gesagt, er müsse vielleicht zurück nach Ungarn, wenn er keine Fingerabdrücke abgibt. Der BF hatte erzählt, dass er nach seinem Aufenthalt in Mossul wieder nach römisch 40 zurückgekehrt sei, es wurde aber nicht protokolliert. Die Niederschrift wurde nicht rückübersetzt. Der BF konnte die Richtigkeit der Niederschrift somit nicht überprüfen." vergleiche AS 237). Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes sind diese Ausführungen als bloße Schutzbehauptungen zu qualifizieren. In diesem Sinne wurden sie auch erstmals im Beschwerdeschriftsatz zur Entkräftung der ihr von Seiten der belangten Behörde vorgehaltenen Steigerung zwischen Erstbefragung und Einvernahme (siehe dazu auch die Ausführungen unten) getätigt, vergleiche dazu "Dem BF wird vorgehalten, dass er sein Vorbringen in der Einvernahme gesteigert hätte, weil in der Niederschrift der Erstbefragung die Verfolgung durch die Milizen nicht protokolliert wurde. Er hätte sein Vorbringen massiv gesteigert. Die Erstbefragung lief aber schwer mangelhaft ab." (AS 237). Soweit die bP diese Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sogar noch weiter steigerte und erklärte "Bei der Erstbefragung haben sie mir das Protokoll nicht rückübersetzt. Sie sagten mir, ich soll bzw. ich muss unterschreiben, sonst schicken sie mich nach Ungarn wieder zurück." vergleiche OZ 22, Sitzung 4), um das Vorbringen, die Erstbefragung sei nicht rückübersetzt worden, zu untermauern, unterstellt sie damit nicht nur eine gröbliche Verletzung der Dienstpflichten durch die einschreitenden Beamten, sondern auch strafgesetzwidriges Verhalten (Amtsmissbrauch, Nötigung). Aus den selbstwidersprüchlichen Angaben der bP im Laufe des Verfahrens können solche Verhaltensweisen durch die einschreitenden Beamten jedoch nicht abgeleitet werden; vielmehr entsteht beim erkennenden Gericht im Gegenteil der Eindruck, dass die bP ihr Vorbringen in der Erstbefragung – welches sich deutlich von jenem in der Einvernahme unterscheidet vergleiche dazu die Ausführungen unten) – nachträglich (nachdem die Widersprüche durch die belangte Behörde aufgezeigt wurden) zu sanieren versuchte. Dies lässt die persönliche Glaubwürdigkeit der bP für das weitere Verfahren jedoch nicht als unbelastet erscheinen. In dieses Bild fügt sich auch der Umstand, dass die bP in der mündlichen Verhandlung nunmehr auch monierte, dass sie in der Einvernahme vor der belangten Behörde "nur eine halbe Stunde" Zeit gehabt hätte, also "nicht alles erwähnen" hätte können vergleiche OZ 22, Sitzung 5). Auf Vorhalt des erkennenden Gerichtes, dass der Niederschrift über die Einvernahme zu entnehmen ist, dass diese zwei Stunden (konkret von 10:00 bis 12:00 Uhr; vergleiche AS 49, 60) gedauert habe, wiederholte die bP nur: "Eine halbe Stunde."; die Befragung sei "nicht mehr als eine halbe Stunde" gewesen vergleiche OZ 22, Sitzung 5).

Im Hinblick auf die zuletzt getätigten Ausführungen der bP zu ihrer Religionszugehörigkeit kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sie Sunnit ist, sodass im Folgenden von einem sunnitischen Glaubensbekenntnis der bP ausgegangen wird.

Zum Gesundheitszustand der bP ist auszuführen, dass sie mit Stellungnahme vom 22.7.2021 (OZ 13) zwar Krankenhausbestätigungen über eine Behandlung im Jahr 2019 vorlegte, dazu wurde in der Stellungnahme jedoch ausgeführt, dass die bP im November/Dezember 2019 an der Schulter operiert worden sei und sie derzeit weder in Therapie noch in ärztlicher Behandlung sei. In der mündlichen Verhandlung wurden schließlich keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht, sodass zur Feststellung zu gelangen war, dass die bP gesund ist. Es liegen insbesondere keine Umstände vor, die ihre Arbeitsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit in Zweifel ziehen würden.

römisch II.2.3. Die zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vom erkennenden Gericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen, welche der bP zwecks Stellungnahmemöglichkeit in der mündlichen Verhandlung übergeben wurden. Zur Sicherstellung der notwendigen Ausgewogenheit in der Darstellung wurden Berichte verschiedenster anerkannter Institutionen berücksichtigt. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Quellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener und voneinander unabhängiger Quellen beruhen und sie dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Auf die von der bP in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2021 (OZ 20) aus der übermittelten Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak aus dem COI-CMS, Version 4, Datum der Veröffentlichung: 15.10.2021, gezogenen Schlüsse wird unten näher eingegangen. Die bP erstattete keine Stellungnahme zu den übrigen herangezogenen (in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachten) Länderberichten.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative zieht das erkennende Gericht nicht in Betracht. Die bP ist in römisch 40 aufgewachsen und lebte dort bis zu ihrer Ausreise vergleiche dazu etwa OZ 22, Sitzung 6; zu einem angegebenen Aufenthalt in Mossul von 2006 bis 2008, vergleiche die Ausführungen unten). Für das erkennende Gericht steht außer Zweifel, dass römisch 40 Herkunftsort (Herkunftsregion) der bP im Sinne der Rechtsprechung ist und sie sich bei einer neuerlichen Niederlassung dort auch nicht neue lokale Kenntnisse und soziale Netzwerke erarbeiten müsste, sondern an die bestehenden Kenntnisse und Kontakte anknüpfen könnte vergleiche zu den Unterscheidungskriterien VwGH vom 23.9.2020, Ra 2019/14/0600 mwN). Die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist somit nicht zu prüfen und es sind folglich auch keine dahingehenden besonderen Feststellungen erforderlich.

Zur Lage von Sunniten sowie zu den Aktivitäten schiitischer Milizen wurden die erforderlichen Feststellungen getroffen, wobei der Hinweis ausreicht, dass der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in der aktuellen Position „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" vom Mai 2019 nicht von einer Gefährdung von in römisch 40 lebenden sunnitischen Arabern ausgeht und römisch 40 als innerstaatliche Aufenthaltsalternative für arabisch-sunnitische alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer und kinderlose Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten als zumutbar erachtet vergleiche UNHCR-Erwägungen Sitzung 141). Da ausweislich der untenstehenden Beweiswürdigung von keiner Gefährdung durch schiitische Milizen im Rückkehrfall ausgegangen wird, erübrigen sich auch Feststellungen betreffend die Schutzfähigkeit und die Schutzwilligkeit der Behörden. Eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen wäre nämlich nur dann erforderlich, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird vergleiche VwGH vom 2.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da die bP jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichtes im Rückkehrfall keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen – wie etwa Milizen oder andere paramilitärische Gruppierungen – ausgehende Verfolgung zu gewärtigen hätte (siehe dazu die Ausführungen unten), sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit im Irak nicht geboten.

Schließlich finden sich in den herangezogenen Quellen keinerlei Hinweise darauf, dass mit einer Asylantragstellung in Europa eine individuelle Gefährdung im Rückkehrfall einhergehen würde. Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten auf einem relativ hohen Niveau. Es liegen keine Erkenntnisse vor, die auf eine systematische Diskriminierung zurückgeführter Iraker schließen lassen. Da die bP selbst bei ihren Ausführungen keine eigenen Befürchtungen im Zusammenhang mit ihrer Antragstellung äußerte, ergeben sich in Zusammenhalt mit den getroffenen Feststellungen keine Notwendigkeiten für weitere Ermittlungen.

Die direkte Erreichbarkeit der irakischen Hauptstadt römisch 40 über den dortigen internationalen Flughaften von Wien-Schwechat aus (mit Umstieg in Istanbul oder alternativ in Amman, Doha oder Dubai) auf dem Luftweg ist gerichtsnotorisch und einer jederzeitigen Überprüfung auf gängigen Buchungsportalen im Internet (wie etwa https://www.fluege.de/) zugänglich. Gegenteilige Behauptungen wurden im Verfahren nicht vorgebracht.

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage im Gouvernement römisch 40 ergeben sich keine Hinweise auf Gefährdungen oder Einschränkungen beim Passieren der vom Flughafen in das Stadtgebiet von römisch 40 führenden Straßen oder im Stadtgebiet selbst. So weisen die Berichte zur Straßensicherheit im Gouvernement römisch 40 Straßen mit hohem Sicherheitsrisiko nur für einzelne Städte an der Peripherie Bagdads, etwa Tarmiyah, Abu Ghuraib und Mahmoudiya, aus. Für das Stadtgebiet von römisch 40 selbst waren keine Straßen mit hohem Sicherheitsrisiko und nur einzelne Straßen mit geringem Risiko angegeben. Von Seiten der bP wurden keine konkreten Befürchtungen hinsichtlich der Sicherheit der Verkehrswege dargetan und war eine relevante Sicherheitsgefährdung der bP anhand der Berichtslage nicht zu erkennen.

Das erkennende Gericht geht ferner davon aus, dass die bP in der Lage sein wird, auf ihrem Reiseweg liegende Checkpoints zu passieren:

Aufgrund der Berichtslage ist es nicht als wahrscheinlich anzusehen, dass die aus römisch 40 stammende – und auf dem Luftweg dorthin zurückkehrende – sunnitische bP mit nennenswerten Problemen an Checkpoints zwischen Flughafen und Stadtgebiet bzw. im Stadtgebiet selbst zu rechnen hätte. Das Gericht verkennt nicht, dass Checkpoints oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen unterliegen; die lediglich in ihre Heimatstadt zurückkehrende bP verfügt allerdings über einen irakischen Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis und eine Wohnsitzkarte und wird damit an Checkpoints in der Lage sein, sich entsprechend als Einwohner Bagdads auszuweisen, wodurch eine Festnahme oder Verweigerung der Weiterreise im konkreten Falle der bP als unwahrscheinlich anzusehen ist. Greifbare Hindernisse, die ihrer Rückkehr im Wege stünden, sind damit nicht erkennbar. Angesichts des Umstandes, dass die bP in ihre Heimatstadt römisch 40 – in der er sich vor ihrer Ausreise bis zuletzt aufgehalten hat – zurückkehrt, in der darüber hinaus Familienangehörige – konkret ihre Eltern und Schwestern – weiterhin leben, sind überdies keine Gründe ersichtlich, die gegen eine neuerliche Niederlassung der bP in römisch 40 sprechen würden.

römisch II.2.4. Die unter Punkt römisch II.1.1.4. getroffenen Feststellungen zum Aufenthalt der bP im Bundesgebiet und ihren privaten Aktivitäten gründen sich auf die entsprechenden Angaben der bP im Verfahren vor der belangten Behörde und im Beschwerdeverfahren vor dem erkennenden Gericht sowie die vorgelegten Unterlagen, denen keine gegenteiligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gegenstehen.

Die bP gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sie keine Verwandten in Österreich habe vergleiche OZ 22, Sitzung 18). Sie brachte auch nicht vor, dass sie in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihr sonst nahestehenden Person zusammenlebe. Von erkennenden Gericht zu ihren Freunden in Österreich befragt, führte die bP aus, dass sie hier viele Freunde, Österreicher, Ungarn, unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, habe. Konkret dazu befragt, wie ihre Freunde heißen, gab die bP an, diese würden römisch 40 , römisch 40 , römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 bzw. römisch 40 heißen; dann gebe es noch römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 . Die bP habe diese Personen beim Tischtennis oder Schwimmen, oder auch im Park oder in einer Bar kennengelernt. Sie würden spazieren gehen und zusammen kochen; die bP koche arabisch vergleiche OZ 22, Sitzung 20). Manchmal würde die bP ihren Freunden kostenlos die Haare schneiden vergleiche OZ 29, Sitzung 18). Weitere Ausführungen zu ihren Freunden in Österreich traf die bP nicht. In den vorgelegten Empfehlungsschreiben vergleiche OZ 20) wird die bP zwar durchwegs positiv charakterisiert und besonders ihre Deutschkenntnisse hervorgehoben. Der Inhalt der – eher allgemein und oberflächlich gehaltenen – Schreiben lässt jedoch auf bestehende engere freundschaftliche Beziehungen kaum schließen. Die Verfasser geben darin im Wesentlichen bekannt, dass sie die bP zu einem bestimmten Zeitpunkt oder durch einen Freund kennengelernt haben und beschreiben die bP etwa als freundlich und hilfsbereit. Einmal wird erwähnt, dass die bP mit dem Verfasser eines Schreibens öfters spazieren gewesen sei und gemeinsam gekocht und gegessen habe. Sie seien mittlerweile vier oder fünf Personen, die etwas gemeinsam unternehmen; der Verfasser habe sich dadurch mit der bP mittlerweile angefreundet. In einem anderen Schreiben ist die Rede davon, dass die bP einige Tage auf den Hund der Verfasserin aufgepasst habe. Verfestigte persönliche Bindungen zwischen der bP und den Verfassern der Schreiben lassen sich daraus nicht entnehmen, wenngleich dadurch zumindest gewisse soziale Anknüpfungspunkte der bP in Österreich dargestellt werden konnten. Ein ähnliches Bild ergab sich über die Beziehung der bP zu ihrer Freundin: In der Stellungnahme vom 11.11.2021 (OZ 20) gab die bP an, dass sie seit zwei Jahren in einer Beziehung mit römisch 40 stehe. In der mündlichen Verhandlung erwähnte die bP ihre Freundin dagegen – trotz Fragen zu ihrem Freundeskreis in Österreich – von sich aus gar nicht. Erst auf Befragen durch ihren Rechtsvertreter erklärte die bP schließlich, dass sie, immer wenn sie die Gelegenheit habe, sich mit dieser treffe; sie könne durchschnittlich sagen, einmal im Monat. Auf weiteres Befragen durch ihren Rechtsvertreter gab die bP an, sie würden dann zu ihr nach Hause gehen und gemeinsam kochen und spazieren gehen vergleiche OZ 22, Sitzung 22). Die (wie erwähnt erst auf gezielte Nachfrage durch ihren Rechtsvertreter getätigten) Ausführungen zu ihrer Freundin blieben vage und oberflächlich und lassen keineswegs auf ein partnerschaftliches Zusammenleben schließen. Mit Schriftsatz vom 28.02.2022 legte die bP ein Schreiben dieser Freundin vor, in der diese mitteilte, dass die bP ein offener, hilfsbereiter Mensch sei, ihr, wenn sie in römisch 40 sei, im Haushalt helfe und ihre Kinder sie wegen ihrer Mithilfe bei den Hausaufgaben mögen würden. Insgesamt gesehen, ist folglich nicht von einer intensiveren Freundschaft auszugehen. Im Ergebnis konnten daher keine engeren freundschaftlichen Beziehungen der bP in Österreich festgestellt werden.

Die bP verneinte die Mitgliedschaft in einem Verein oder einer sonstigen Organisation vergleiche OZ 22, Sitzung 20). Soweit die bP in der mündlichen Verhandlung angab, alten Leuten zu helfen vergleiche OZ 22, Sitzung 18), spiegelt sich dies – entgegen den Ausführungen der bP – nicht in den vorgelegten Empfehlungsschreiben wider. Entsprechende Feststellungen waren damit nicht zu treffen. Ebenso ist eine in der Stellungnahme vom 22.7.2021 (OZ 13) erwähnte Bestätigung, wonach die bP ca. acht Monate ehrenamtlich bei der Organisation " römisch 40 " in Kärnten gearbeitet habe, nicht aktenkundig. Aus der vorliegenden Bestätigung dieser Organisation vom 19.12.2016 ergibt sich lediglich die Teilnahme an einem Deutsch-Übungskurs im Jahr 2016 vergleiche AS 67). Die bP erwähnte ein derartiges ehrenamtliches Engagement auch in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde vergleiche AS 59) und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nicht vergleiche OZ 22, Sitzung 18 ff).

Das erkennende Gericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild von den Deutschkenntnissen der bP machen; diese verstand die an sie gestellten Fragen und entstand beim Gericht der Eindruck, dass die bP gutes Alltagsdeutsch spricht vergleiche OZ 22, Sitzung 21). Eine Besuchsbestätigung für den Kurs B1.1 von 30.8.2021 bis 23.11.2021 vergleiche Anmeldebestätigung OZ 15) legte die bP nicht vor.

Die Feststellungen betreffend die von der bP während ihres Aufenthalts in Österreich bezogenen Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus dem vom erkennenden Gericht eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich. Eine ebenfalls durchgeführte Abfrage beim Dachverband der Sozialversicherungsträger ergab keine von der bP ausgeübte sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit. Die Feststellungen zum abgeschlossenen bedingten Dienstvertrag als Arbeiter gegeben sich einerseits aus der mit Stellungnahme vom 22.7.2021 vorgelegten Vertragsausfertigung (OZ 13), andererseits aus einem vom erkennenden Gericht eingeholten Firmenbuchauszug vom 27.11.2021. Aus letzterem geht hervor, dass der potenzielle Dienstgeber am 10.9.2021 gemäß Paragraph 30, Absatz 2, UGB amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Dazu befragt, erklärte die bP, dass diese Firma einen neuen Namen habe vergleiche OZ 22, Sitzung 19). Einen aktuellen Arbeitsvorvertrag legte die bP nicht vor. Mit Schriftsatz vom 28.02.2022 legte die bP einen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag vor; eine Personenidentität mit der gelöschten Firma ist dem Firmenbuch jedohc nicht zu entnehmen.

Ausweislich des amtswegig eingeholten Strafregisterauszuges ist die bP strafgerichtlich unbescholten. Von der bP im Bundesgebiet begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.

Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann entnommen werden, dass der Aufenthalt der bP im Bundesgebiet nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG geduldet war. Hinweise darauf, dass ihr weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder die bP im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO wurde, kamen im Verfahren nicht hervor und es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine positiven Feststellungen hiezu getroffen werden können.

römisch II.2.5. Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte vor Ort zu verifizieren, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153; 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn die bP die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt dabei positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vorbringen im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden kann, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist es der bP nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen. Im Einzelnen:

Die bP erachtet sich ausweislich ihres Vorbringen im Verfahren vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in ihrem Herkunftsstaat als von Anhängern schiitischer Milizen sowie von Seiten des irakischen Staates aufgrund von Desertion aus dem Polizeidienst verfolgt.

römisch II.2.5.1. Zum Vorbringen hinsichtlich einer Gefährdung der bP durch schiitische Milizen ist zunächst festzuhalten, dass erhebliche Divergenzen zwischen den Ausführungen der bP in der Erstbefragung und ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde bestehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich die Erstbefragung zufolge Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen Bedenken bestehen vergleiche VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0061, mwN). Im konkreten Fall traten zwischen Erstbefragung und Einvernahme jedoch für die Beurteilung des Gesamtbildes des Vorbringens bedeutsame Abweichungen zu Tage. Konkret führte die bP in der Erstbefragung zu ihrem Fluchtgrund Folgendes aus: "Ich habe im Irak bei einer ausländischen Firma gearbeitet. Ich wurde dann von den schiitischen Milizen bedroht worden. Sie haben meinen Bruder umgebracht. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich ein Verräter bin weil ich mit einer amerikanischen Firma zusammenarbeite. Dann haben Sie meinen Bruder und einen Freund von mir umgebracht. Vor ca. 2 – 3 Jahren bin ich von römisch 40 nach Mosel (gemeint: Mossul, Anmerkung geflüchtet. Dort habe ich 2-3 Jahre gearbeitet. Dann habe ich entschieden, dass Land komplett zu verlassen. Dort wurde ich nicht mehr bedroht. Sonst gibt es keine weiteren Fluchtgründe." vergleiche AS 15). In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde gab die bP in diametralem Gegensatz zu ihren bisherigen Ausführungen stehend an, dass sie – nicht etwa vor zwei bis drei Jahren, also im Jahr 2012 oder 2013 – sondern bereits im Jahr 2006 nach Mossul zu ihren Verwandten gegangen und 2008 wieder nach römisch 40 zurückgekehrt sei vergleiche AS 51). Diese Abweichungen konnte die bP auch in der mündlichen Verhandlung nicht schlüssig erklären: Wie bereits dargestellt, hatte die bP in ihrer Erstbefragung angegeben, nach Mossul gegangen zu sein und "dort" zwei bis drei Jahre gearbeitet zu haben vergleiche AS 15). In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde hatte die bP ferner angegeben, dass sie nach Mossul zu ihren Verwandten gegangen sei und sich "dort" ungefähr zwei bis zweieinhalb Jahre "aufgehalten" habe vergleiche AS 51). Hingegen erklärte die bP in der mündlichen Verhandlung auf konkretes Befragen nunmehr, dass sie immer nur in römisch 40 und römisch 40 -Umgebung gearbeitet habe. Nachdem sie Drohungen erhalten habe, sei sie "auch öfters zu meinen Verwandten, die außerhalb römisch 40 leben, gegangen. Ich nenne es wie Urlaub, fünf Tage oder eine Woche haben wir bei den Verwandten gelebt." und fügte dem hinzu, dass ihre Verwandten in Mossul gelebt hätten vergleiche OZ 22, Sitzung 7). Auf Vorhalt ihrer anderslautenden Angaben vor der belangten Behörde gab die bP an: "Ich sagte, von 2006 bis 2008, das sind zwei Jahre. Meine Arbeit war am Flughafen in römisch 40 . Ich habe in der Arbeit auch zwei bis drei Monate dort geschlafen und dann bin ich wieder zu meinen Verwandten nach Mosul gegangen." vergleiche OZ 22, Sitzung 10). Auf Vorhalt, dass ihren Angaben vor der belangten Behörde ein anderer Sinn zu entnehmen ist und für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar sei, dass die bP immer für nur fünf Tage den gefährlichen Weg bis nach Mossul auf sich genommen hätte und hierbei keiner Gefährdung durch die Milizen ausgesetzt gewesen sei, erklärte die bP: "Die Strecke zwischen Mosul und meiner Arbeit am Flughafen waren lauter sunnitische kleine Städte und der Flughafen römisch 40 liegt am Rande der Stadt römisch 40 und musste ich nicht durch römisch 40 ." vergleiche OZ 22, Sitzung 10). Die Angaben der bP in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht lassen sich in keiner Weise mit ihren bisherigen Angaben in Einklang bringen. So ist ein fundamentaler Unterschied darin zu erkennen, ob sich jemand einerseits – aus Furcht vor Milizen – in eine andere Stadt, konkret Mossul, begibt und dort "aufhält" und "arbeitet" oder andererseits weiterhin am Bagdader Flughafen arbeitet und nur alle paar Monate für einige Tage seine Verwandten in Mossul besucht. Diesen massiven Widerspruch vermochte die bP auch nicht durch die Relativierung des Reisewegs von römisch 40 nach Mossul ausräumen, handelt es sich hierbei doch – je nach gewählter Route – um eine Strecke von jedenfalls über 400 km. Aufgrund der offenbaren Diskrepanzen zwischen den unterschiedlichen Angaben der bP im Laufe des Verfahrens kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die bP (abgesehen von Besuchen bei ihren Verwandten in den Jahren von 2006 bis 2008) jemals in Mossul aufgehalten hat. Indem die bP ihren – solcherart nicht feststellbaren – Aufenthalt in der Erstbefragung auch mit der angegebenen Bedrohung durch schiitische Milizen verband, obwalten auch insofern erhebliche Zweifel am Fluchtvorbringen der bP.

An dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass das erkennende Gericht den Ausführungen der bP insoweit nicht entgegentreten kann, als sie sich auf den Umstand der Ermordung ihres Bruders im Jahr 2006 bezieht. Vor dem Hintergrund des konfessionellen Bürgerkriegs im Irak zwischen 2006 und 2008 kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bruder der bP der zur damaligen Zeit in weiten Teilen des Irak – so auch in römisch 40 – vorherrschenden willkürlichen Gewalt zum Opfer gefallen ist. In diesem Sinne wurde auch in der im Verfahren vorgelegten Sterbeurkunde als Todesursache ein terroristischer Akt angegeben vergleiche AS 57).

Soweit die bP jedoch eine Verbindung zwischen dem Tod ihres Bruders im Jahr 2006 und ihrer Ausreise aus dem Irak im Jahr 2015 herzustellen versuchte, war dem – aufgrund ihres von Widersprüchen und Ungereimtheiten geprägten Fluchtvorbringens – nicht zu folgen:

Die bP gibt dazu im Wesentlichen an, dass sie für eine ausländische Firma gearbeitet habe vergleiche AS 51). Die Milizen hätten im Jahr 2006 – nachdem der konfessionelle Konflikt ausgebrochen sei – alle, die für die Amerikaner gearbeitet hätten, als Kollaborateure angesehen, viele seien umgebracht worden, weil sie für ausländische Firmen gearbeitet hätten. Das sei auch der Grund, warum sie die bP umbringen hätten wollen vergleiche AS 57). Die bP habe Drohungen bekommen vergleiche OZ 22, Sitzung 9) und seien die Milizen auf der Suche nach der bP gewesen, damit sie sich stelle vergleiche AS 57). Zu den konkreten Umständen der Ermordung ihres Bruders gab die bP vor der belangten Behörde an: "Die waren auch auf der Suche nach mir, damit ich mich stelle. Danach brachten sie ihn (ihren Bruder, Anmerkung vor unsere Haustür und brachten ihn um." vergleiche AS 57). In der mündlichen Verhandlung führte die bP demgegenüber Folgendes aus: "Mein Bruder war vor dem Haus. Dann kamen die Autos und haben das Haus beschossen. So trafen die Männer im am Kopf. So wurde er getötet." vergleiche OZ 22, Sitzung 9). Neben den solcherart unterschiedlichen Angaben über die Ermordung ihres Bruders – die Sachverhaltsvariante, dass die Miliz auf der Suche nach der bP gewesen sei, damit sie sich stelle, lässt sich freilich kaum damit in Einklang bringen, dass die Miliz sogleich das Feuer auf das Haus der abwesenden bP eröffnet hätte – waren auch die Ausführungen zu den von der Miliz im Vorfeld der Ermordung des Bruders ausgesprochenen Drohungen nicht nachvollziehbar. Dazu gab die bP etwa Folgendes an: "Sie bedrohten mich mit dem Tod. Die Milizen haben eine Person zu uns nach Hause geschickt. Diese Person sprach mit meinem Vater und sagte ihm, falls ich versuche das Land zu verlassen, werden sie mich töten. Kurz danach, zwei oder drei Tage, wurde mein Bruder getötet." vergleiche OZ 22, Sitzung 9). Auf Vorhalt des Umstandes, dass sie zum Zeitpunkt der Tötung ihres Bruders in der Arbeit gewesen und nicht versucht habe, das Land zu verlassen bzw. zu flüchten, änderte die bP ihr Vorbringen dahingehend ab, dass sie nunmehr angab, mit der Drohung sei nicht gemeint gewesen, dass "ich den Irak verlassen", sondern "die Stadt oder mich verstecke" vergleiche OZ 22, Sitzung 9) – was aber ihrem Vorbringen zufolge ebenso nicht zugetroffen hätte. Derartige Drohungen hatte die bP in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde im Übrigen noch mit keinem Wort vorgebracht. Dass die bP in der Zeit nach der Ermordung ihres Bruders – etwa in den Jahren von 2006 bis 2008, wo sie weiterhin am Bagdader Flughafen gearbeitet habe – jemals eine persönliche Konfrontation mit Angehörigen einer schiitischen Miliz zu gewärtigen gehabt hätte, brachte die bP nicht vor, was keineswegs darauf schließen lässt, dass die Milizen ein besonderes Interesse an einer Verfolgung ihrer Person hätten. Hinzu kommt, dass die bP für die Zeit ab dem Jahr 2008 bis zu den behaupteten Ereignissen unmittelbar vor ihrer Ausreise im Jahr 2015 (siehe dazu die Ausführungen unten) keine Schwierigkeiten mit schiitischen Milizen vorgebracht hat. Ihren eigenen Angaben zufolge habe sie von 2008 bis 2013 ohne Probleme in römisch 40 leben können vergleiche AS 51). Erst im Jahr 2015 sei dann die Anordnung des Innenministeriums ergangen vergleiche OZ 22, Sitzung 10). Soweit die bP nun glaubhaft zu machen versucht, dass sie vor ihrer Ausreise abermals in das Fadenkreuz der – nach dem Einmarsch des IS in den Irak gestärkten – schiitischen Milizen geraten sei, erscheint dies nicht als glaubhaft. Einerseits ist im Einklang mit den Länderberichten darauf hinzuweisen, dass sich die PMF im Jahr 2014 nach einem Aufruf durch Großayatollah as-Sistani zum Kampf gegen den vorrückenden IS formierten, sodass schon deshalb fraglich erscheint, dass sich die Anhänger der schiitischen Milizen auf die Verfolgung der bP als angeblichen "Kollaborateur" – damit meint die bP schlicht ihre Eigenschaft als vormaliger Mitarbeiter bei ausländischen Firmen (konkret habe die bP ihren Angaben zufolge bei zwei britischen, einer südafrikanischen und schließlich bei einer amerikanisch-kuwaitischen Firma gearbeitet; vergleiche OZ 22, Sitzung 6 f) – konzentrieren sollten. Dergleichen lässt sich den Länderberichten nicht entnehmen. Ungeachtet dessen ist in diesem Zusammenhang jedoch von entscheidender Bedeutung, dass die bP nicht im entferntesten ein Profil aufweist, das eine – über Jahre hinweg fortgeführte – gezielte Verfolgung ihrer Person als glaubhaft erscheinen lässt. So gab die bP in ihrer Einvernahme zu ihrer Tätigkeit bei der ausländischen Firma (vor der belangten Behörde sprach die bP stets von Firma im Singular) an: "Putztätigkeiten, ich habe die Toiletten sauber gemacht. Ich war im Reinigungsdienst tätig. Aber ich habe 700,-- Dollar bekommen, das ist ein gutes Gehalt." vergleiche AS 58). Wenn die bP im Verfahren nun angibt, sie würde im Falle einer Rückkehr deshalb mit dem Vorwurf konfrontiert sein, als "Spion" tätig gewesen zu sein vergleiche OZ 22, Sitzung 14), kann dies schlicht nicht nachvollzogen werden, zumal es mit der Berichtslage nicht in Einklang zu bringen ist, dass Personen (auch Sunniten), die vor mehreren (im konkreten Fall: acht) Jahren Putztätigkeiten für ausländische Unternehmen verrichtet haben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Verfolgung durch schiitische Milizen unterliegen. Soweit in der Stellungnahme vom 11.11.2021 (OZ 20) mit Verweis auf die Länderberichte darauf hingewiesen wird, dass Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinischen Personal immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen werden, so mag dies zwar zutreffen vergleiche Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak, Sitzung 141), lässt im Hinblick auf die bP, welche seit mehr als sechs Jahren nicht mehr im Irak in Erscheinung getreten ist und seit acht Jahren nicht mehr für ein ausländisches Unternehmen – dort ohnehin nur in untergeordneter Funktion – gearbeitet hat, sondern überdies zuletzt im irakischen Staatsdienst gestanden ist, nicht auf eine maßgebliche Gefahr einer persönlichen Verfolgung aus diesem Grund schließen.

Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in der aktuellen Position „UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" vom Mai 2019 ein Risikoprofil für Personen, die für ausländische (etwa amerikanische) Unternehmen gearbeitet haben, nicht definiert hat und auch EASO in seiner "Country Guidance: Iraq, Common analysis und guidance note", von Jänner 2021 zu dem eindeutigen Schluss kommt, dass keine aktuellen Berichte über Angriffe gegen Personen mit dem Profil "(Vermeintliche) Kollaborateure von westlichen Streitkräften, Organisationen oder Unternehmen", welche die Schwelle der Verfolgung erreichen würden, vorliegen und deshalb bei Personen dieses Profils im Allgemeinen nicht von einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung ausgegangen werden kann vergleiche Country Guidance: Iraq, Sitzung 78 f).

Dem im Folgenden zu behandelnden Vorbringen hinsichtlich einer staatlichen Verfolgung der bP wegen Desertion aus dem Polizeidienst ist zunächst vorauszuschicken, dass gegenständlich keine Anhaltspunkte für ein fluchtartiges Verlassen des Herkunftsstaates durch die bP vorliegen. In ihrer Erstbefragung gab die bP etwa an, vor fünf Jahren den Entschluss zur Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat gefasst zu haben vergleiche AS 11). Hinsichtlich ihres zuletzt ausgeübten Berufes gab die bP in der Erstbefragung auch nicht Polizist, sondern "Hilfsarbeiter" an vergleiche AS 9), erwähnte auf Befragen zu ihren Fluchtgründen eine Desertion noch mit keinem Wort vergleiche AS 15) und verneinte, im Falle ihrer Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen rechnen zu müssen vergleiche AS 17).

In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde gab die bP sodann als fluchtauslösendes Ereignis an, ein Freund in der Polizeizentrale habe ihr gesagt, es sei eine Anordnung gekommen, "dass diejenigen, die von den ausländischen Firmen übernommen wurden, nach Mossul geschickt werden, um sie dort loszuwerden, liquidiert zu werden." vergleiche AS 51). Dass die bP nach Mossul geschickt werden sollte, um dort "liquidiert" zu werden, entspricht offenkundig ihrer eigenen Interpretation der angeblich ergangenen Anordnung: Bereits auf Befragen durch die belangte Behörde, ob es sich bei der Anordnung um eine Versetzung gehandelt habe, machte die bP deutlich, dass es sich hierbei lediglich um Spekulationen handelt: "In der Anordnung stand nichts von einer Ermordung. Aber weshalb sollten nur Personen versetzt werden, die von ausländischen Firmen kamen. Wir waren alle auch nicht bewaffnet." (AS 55). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht war sodann von einer gezielten "Liquidierung" der bP und anderer von ausländischen Firmen übernommener Bediensteter nicht mehr die Rede. Die bP bekräftigte nur noch, dass sie nach Mossul versetzt werden hätte sollen, um dort den IS zu bekämpfen und fügte dem hinzu: "Wer damals nach Mosul versetzt wurde, wurde sowieso getötet, entweder vom IS oder von der Miliz" vergleiche OZ 22, Sitzung 11). Ungeachtet dessen war aber die Existenz einer solchen Anordnung ohnehin nicht glaubhaft. Die Kenntniserlangung von dieser Anordnung beschrieb die bP in der Einvernahme vor der belangten Behörde wie folgt: "LA: Zu welcher Tageszeit haben Sie davon erfahren, auf welche Weise hat Sie der Freund informiert? – VP: Tagsüber hat er mich angerufen, er war in seiner Dienststelle. Er hat mich telefonisch informiert. – LA: Wo waren Sie? – VP: Ich war auch in der Arbeit. Seine Arbeitsstelle war in der Zentrale, ich habe woanders gearbeitet, aber für die gleiche Organisation, für die Polizei. – LA: Wie haben Sie auf dieses Telefonat reagiert? – VP: Ich bekam Angst. – LA: Was genau hat Ihnen der Freund gesagt? – Er hat gesagt, pass auf dich auf und bleib nicht am Ort, wo du bist. Er hat mir gesagt, eine Anordnung ist gekommen, dass die Personen, die früher bei ausländischen Firmen gearbeitet haben, nach Mossul versetzt werden, damit man sie los wird. Damals war der IS in Mossul noch sehr stark. Ich bekam dann Angst und war gezwungen, zu fliehen und nicht mehr zu Arbeit zu gehen. – LA: Was haben Sie unmittelbar nach diesem Telefonat gemacht? – VP: Ich bin sofort aus der Arbeit geflüchtet. – LA: Wohin? – VP: Ich bin zu Verwandten, die in römisch 40 leben, gezogen." (AS 53 f). Auf weiteres Befragen bekräftigte die bP: "Sofort, nachdem ich aufgelegt habe, bin ich geflüchtet." vergleiche AS 54). Zum näheren Inhalt des Gesprächs mit ihrem Freund über die Anordnung führte die bP Folgendes aus: "Er hat mir nur gesagt, vor mir ist eine Anordnung. Ich habe ihm gesagt, schick mir ein Foto davon, er sagte, dass das nicht gehen würde, weil es interne Dokumente wären. Er sagte, wenn du mir nicht glaubst, kannst du auch bleiben wo du bist." vergleiche AS 54) und weiter: "Ich habe gefragt, wessen Namen dort drinnen stehen. Er meinte nur diejenigen, die von ausländischen Firmen gekommen sind. Ich habe dann sofort gewusst, dass die uns damit nur loswerden wollten." vergleiche AS 55). In der mündlichen Verhandlung stellte die bP die Umstände der Kenntniserlangung von der Anordnung in Widerspruch zu ihren bisherigen Angaben dar: Nunmehr sei die bP nämlich nicht mehr unmittelbar nach dem Telefonat zu Verwandten geflüchtet, sondern habe zunächst gar ihren Freund in der Polizeizentrale aufgesucht: "Als mein Freund mich benachrichtigt hat, dass mein Name auf der Liste steht, bin ich gleich von der Arbeit zu ihm hingegangen und habe ihn auf seiner Arbeitsstelle aufgesucht." Auf Nachfrage des erkennenden Gerichtes, ob sie bei ihrem Freund gewesen sei, bestätigte die bP in diesem Sinne: "Ja. Ich war dort und habe die Anordnung auch gelesen." vergleiche OZ 22, S 13). Auf Vorhalt ihrer anderslautenden bisherigen Angaben erklärte die bP nur knapp: "Ich bin so oder so geflüchtet. Ich bin zu meinem Freund gegangen, habe die Anordnung gelesen und bin geflüchtet." (OZ 22, Sitzung 13). Auf nochmaligen Vorhalt ihrer bisherigen Angaben, wonach sie, sofort nachdem sie aufgelegt habe, geflüchtet sei, variierte die bP auch ihr – bereits abgeändertes – Vorbringen neuerlich: "Ja, das stimmt schon. Ich habe gleich den Telefonhörer aufgelegt und wollte gleich zum einen Freund gehen und die Anordnung selbst lesen. Auf der Strecke zu meinem Freund haben mich meine Eltern angerufen und dann bin ich geflüchtet." (OZ 22, 13). Die bP war damit in keiner Weise im Stande, ihre Reaktion auf ihre Kenntnisnahme von der behaupteten, fluchtauslösenden Anordnung nachvollziehbar darzustellen, sondern erscheint ihr Vorbringen insoweit völlig beliebig. Die bP konnte aber auch den angeblichen Inhalt der Anordnung nicht gleichbleibend wiedergeben: So gab sie in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde etwa an, es seien "[u]ngefähr 17, 18 Personen" aufgelistet gewesen vergleiche AS 55). In der mündlichen Verhandlung erklärte sie hingegen, "[i]ch und drei weitere Personen waren auf dieser Liste, die nach Mosul sollten, ich wollte aber nicht kämpfen, also bin ich geflohen." vergleiche OZ 22, Sitzung 11). Auch den Aussteller der Anordnung gab die bP in widersprüchlicher Weise an. In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde führt sie dazu aus, dass der Innenminister von der Badr-Organisation sei. Die Anordnung sei sicherlich von der Zentrale gekommen. Ein hoher Beamter oder Polizist habe das sicherlich unterschrieben. Auf Nachfrage gab die bP an, dass sie nicht wisse, wer unterschrieben habe, aber eine Versetzung müsse ein Minister oder stellvertretender Minister unterschreiben vergleiche AS 55). In der mündlichen Verhandlung gab die bP hingegen explizit an: "Der Polizeigeneraldirektor hat unterschrieben." Auf Vorhalt, dass sie dies vor der belangten Behörde noch nicht gewusst habe, entgegnete die bP bloß, dass sie "diese Frage nicht gefragt" worden sei vergleiche OZ 22, Sitzung 13). Hatte die bP, wie dargestellt, zuvor in der mündlichen Verhandlung noch explizit angegeben, dass der "Polizeigeneraldirektor" unterschrieben habe, änderte sie auf Vorhalt des erkennenden Gerichtes, dass sie vor der belangten Behörde sehr wohl dazu befragt worden sei, wer die Anordnung unterschreiben habe vergleiche AS 55), dieses Vorbringen dahingehend ab, dass sie ausführte: "Bei der Unterschrift wird nicht der vollständige Name angegeben, sondern nur ein Strich. Aber wer eine Anordnung unterschreibt, muss ein Generaldirektor oder der Vertreter des Ministers sein etc. Es kann kein normaler Beamter diese Anordnung unterschreiben." vergleiche OZ 22, Sitzung 14). Ob der insoweit aufgezeigten zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten – konkret zum Inhalt der Anordnung, zu deren Aussteller und zur Reaktion der bP auf die Kenntniserlangung derselben – kann das erkennende Gericht einen den Ausführungen der bP zu besagter Anordnung innewohnenden Wahrheitsgehalt nicht erkennen. Das Gericht geht demnach davon aus, dass die Angaben der bP zur Existenz einer solchen Anordnung nicht der Wahrheit entsprechen.

Schließlich versuchte die bP auch, einen Konnex zwischen der behaupteten Anordnung und ihrer Verfolgung durch schiitische Milizen herzustellen. So gab die bP vor der belangten Behörde etwa an: "Gleichzeitig, ungefähr 1 – 2 Tage, nachdem ich die Information (über die Anordnung, Anmerkung bekommen habe, wurde ich von meiner Familie telefonisch informiert, dass unser Haus gestürmt wurde" vergleiche AS 53). Ungeachtet dessen, dass diese Angaben nicht mit den bereits behandelten Angaben, wonach die bP den Anruf ihrer Eltern bereits am Tag der Kenntniserlangung ("auf der Strecke zu meinem Freund") von der Anordnung erhalten habe vergleiche OZ 22, Sitzung 13), nicht in Einklang zu bringen ist – die bP hatte diese Angaben im Übrigen bereits auf Nachfrage der belangten Behörde dahingehend relativiert, dass es doch der gleiche Tag gewesen sei vergleiche AS 56), ist auch eine schlüssige Begründung dafür nicht zu erkennen, dass sich die Miliz noch am selben Tag auf die Suche nach der bP begeben und zu diesem Zwecke das Elternhaus der bP erstürmen sollten vergleiche AS 56). Dies erscheint deshalb von besonderer Bedeutung, weil die bP selbst einen Konnex zwischen der angeblichen Anordnung und der Erstürmung ihres Elternhauses herzustellen versuchte: "RI: In welchem Zusammenhang steht diese Hausdurchsuchung mit der Anordnung? – bP: Das ist die gleiche Miliz, die die Anordnung auch gemacht hat, die gleiche, die meinen Bruder getötet hat und die gleiche, die das Haus durchsucht hat. Das war die Al Mahdi Miliz." vergleiche OZ 22, Sitzung 14). In ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde hatte die bP hingegen noch den Innenminister, der ein Mitglied der "Badr Organisation" sei, mit der Erlassung der Anordnung in Verbindung gebracht vergleiche AS 55); von der Mahdi-Armee ("Al Mahdi Miliz") war überhaupt erstmals im Beschwerdeverfahren in der Stellungnahme 11.11.2021 (OZ 20) die Rede: "Er wird in seinem Herkunftsstaat einerseits von den schiitischen Milizen, im Speziellen von der Mahdi Armee, wegen seiner ehemaligen Tätigkeit für amerikanische Firmen verfolgt." vergleiche OZ 20, Sitzung 2). Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass die bP in der mündlichen Verhandlung erst auf viermalige Nachfrage durch das erkennende Gericht die Hausdurchsuchung überhaupt erwähnte; auszugsweise sei dazu folgender Dialog dargestellt: "RI: Was passierte noch alles? – bP: Die Person, die mir half, hat meinen Reisepass und alles bei der Behörde fertiggemacht und mich bis zur Flugzeugtür mit dem Auto gefahren. – RI: Was passierte noch? – bP: Dann habe ich das Land verlassen und bin hierhergekommen. Das war alles im Irak. – RI: das ist alles, was passiert ist, nachdem Sie von der Anordnung erfahren hatten? – bP: Ja. – RI: Ihre Familie ist nichts mehr passiert? – bP: Ich habe einen Bruder, der nach mir auch in die Türkei eingereist ist, und meine Eltern sind sehr alt und im Irak geblieben. Sie sind beide krank. – RI: Nochmal: Nachdem Sie von der Anordnung erfahren hatten, was ist alles passiert, auch im Hinblick auf Ihre Eltern und Ihre Familie? – bP: Ich habe eine Sache vergessen zu erwähnen. Meine Eltern haben mich in der Arbeit angerufen und sagte mir, ich solle nicht mehr nach Hause zurückkehren, weil zwei Autos zu ihnen kamen und nach mir fragten. Sie machten eine Hausdurchsuchung. Dann fuhr ich nach römisch 40 zu meinen Verwandten, habe mich dort versteckt bis ich alles organisieren konnte für die Ausreise." vergleiche OZ 22, Sitzung 12). Schließlich vermochte die bP eine schlüssige Begründung dafür, weshalb sie überhaupt zur "Liquidierung" nach Mossul hätte versetzt werden sollen, aber schließlich, noch bevor ihr die Anordnung überhaupt offiziell bekanntgegeben gegeben worden sei, den Fall ihrer Flucht vorwegnehmend – gleichsam prophylaktisch – eine Hausdurchsuchung in ihrem Elternhaus mit dem Ziel, sie zu töten vergleiche OZ 22, Sitzung 14), durchgeführt hätte werden sollen, nicht anbieten. Weshalb die Miliz, die nach Angaben der bP "alles in der Hand" habe vergleiche OZ 22, Sitzung 15) an jenem Tag überhaupt das Elternhaus der bP in deren Abwesenheit stürmen hätte sollen, obwohl die bP an diesem Tag bereits in der Arbeit erschienen war, vermochte die bP nicht anzubieten, sondern spekulierte bloß, dass die Miliz "vielleicht" gedacht hätte, dass die bP "vielleicht" flüchten würde, wenn sie von der Anordnung hören würde vergleiche OZ 22, Sitzung 15). Nur der Vollständigkeit halber hält das Gericht abermals fest, dass – wie bereits oben erwähnt – auch kein nachvollziehbarer Grund dafür erkennbar ist, weshalb an der Person der bP ein derartig großes Interesse bestanden hätte, dass diese, nachdem sie zuerst in den Polizeidienst übernommen wurde, nur kurze Zeit später auf unterschiedliche Art und Weisen getötet hätte werden sollen.

Festzuhalten ist daher, dass die bP vor ihrer Ausreise aus dem Irak nicht von Anhängern einer schiitischen Miliz, konkret der Mahdi-Armee, gesucht wurde oder diese versucht haben, die bP zu töten. Wie bereits oben dargestellt, war vor dem Hintergrund des persönlichen Profils der bP auch nicht davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung – etwa aufgrund ihrer vormaligen Tätigkeit für ausländische Firmen – ausgesetzt wäre.

Im Verfahren traten schließlich auch Widersprüche und Ungereimtheiten hinsichtlich des Zeitpunktes der Ausreise der bP aus dem Irak zu Tage: In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab die bP an, dass sie "[v]or dem 7. Monat" im Jahr 2015 von der Anordnung erfahren habe. Am 5.7. sei das Urteil gegen sie ergangen. Ungefähr 15 Tage nach dem Fernbleiben von der Dienststelle ergehe immer ein Urteil. Wenn man 15 Tage lang nicht zum Dienst erscheine, würden die Akte dem Gericht vorgelegt vergleiche AS 53). Nach ihrer Flucht zu Verwandten habe sie sich dort "ungefähr 15 bis 20 Tage" aufgehalten, dann sei sie aus römisch 40 mit dem Flugzeug ausgereist vergleiche AS 54). In ihrer Erstbefragung hatte die bP angegeben, am 25.7.2015 mit dem Flugzeug ausgereist zu sein vergleiche AS 11). In der Stellungnahme vom 22.7.2021 (OZ 22) wurde hingegen ausgeführt, dass sich die bP "im letzten halben Jahr vor der Ausreise in römisch 40 versteckt aufgehalten" habe vergleiche OZ 22, Sitzung 2). In der mündlichen Verhandlung erklärte die bP sodann: "Ich habe gearbeitet bis zu meiner Ausreise und zwar bis 25.07.2015" vergleiche OZ 22, Sitzung 6). Zu ihrer Abwesenheit vom Dienst führte die bP nunmehr aus, dass sie "zirka eine Woche" vom Dienst weg gewesen sei. Wenn die Person mehr als drei Tage nicht in die Arbeit gehe, werde das Gericht eingeschaltet vergleiche OZ 22, Sitzung 16).

Zum Nachweis ihres – allerdings mehrfach wechselnden – Vorbringens legte die bP im Verfahren vor der belangten Behörde ein in arabischer Schrift verfasstes Urteil vor, welches von der Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung übersetzt wurde. Darin finden sich unter anderem die gesetzliche Bestimmung "Paragraph (5) Zahl 14, Jahr 2008" sowie der Spruch: "Das Gericht verurteilt den Polizisten römisch 40 für drei Jahre unbedingt in Bezug auf den Paragraphen 5 Q.A.D. 14, 2008." Als Urteilsdatum wurde der 5.7.2015 angegeben vergleiche OZ 22, Sitzung 16).

Das Vorbringen der bP im Zusammenhalt mit dem vorgelegten Urteil kann – ungeachtet der bisher dargestellten Widersprüche und Ungereimtheiten – nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen im Herkunftsstaat in Einklang gebracht werden (zur Verpflichtung, den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte zur erheben und die Glaubwürdigkeit von Behauptungen auch im Vergleich zu den diese Ereignisse betreffenden Berichten zu messen siehe statt aller VwGH 11.04.2018, Ra 2018/20/0040).

Artikel 5, des irakischen Internal Security Forces Penal Code Nr. 14/2008 zufolge sind Personen, die ihrer Abteilung oder ihrem Dienstort fernbleiben oder deren Urlaub länger als 15 Tage andauert, mit maximal sechsmonatiger Haft zu bestrafen. Bei wiederholtem Fernbleiben erhöht sich die Haftdauer auf maximal ein Jahr vergleiche die englische Übersetzung des Internal Security Forces Penal Code sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 26.1.2018). Hingegen wird laut Artikel 33, des irakischen Militärstrafgesetzes mit bis zu drei Jahren Gefängnisstrafe bestraft, wer länger als 15 Tage sich von der Truppe entfernt bzw. seinen Dienst nicht Antritt. Mit bis zu fünf Jahren Gefängnis wird der Soldat bestraft, wenn er während seiner Militärdienstzeit in ein anderes Land flüchtet vergleiche ACCORD-Anfragebeantwortung vom 24.10.2016).

Dass die bP – obwohl Angehörige der irakischen Polizei – zu drei Jahren Haft (also dem Strafsatz des irakischen Militärstrafgesetzes) verurteilt worden sei, ist mit den irakischen Rechtsvorschriften, konkret dem dargestellten Artikel 5, des Internal Security Forces Penal Code, der eine Haftdauer von maximal sechs Monaten (bzw. im Wiederholungsfall von einem Jahr) vorsieht, nicht in Übereinstimmung zu bringen. Angesichts der klaren Rechtslage, die zwischen Sicherheitskräften des Inneren und Militärangehörigen strikt unterscheidet, verfängt auch die Einlassung der bP nicht, dass es im Krieg "immer einen anderen Maßstab" gebe vergleiche OZ 22, Sitzung 17); derartiges findet in der Berichtslage keine Deckung. Hinzu tritt, dass ausweislich der Feststellungen zur Lage im Irak dort jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung zu beschaffen ist. Ausgehend vom Erscheinungsbild des vorgelegten Urteils kann dieses Schriftstück auf einfache Weise, nämlich unter Verwendung eines Druckers und eines Stempels, angefertigt werden. Der Aufwand, ein derart beschaffenes Schriftstück herzustellen, erscheint jedenfalls überschaubar. Der Beweiswert der Urkunde ist schon deshalb als gering anzusehen. Ferner umfasst das vorgelegte Urteil lediglich eine halbe Seite und nimmt – abgesehen davon, dass darin der Name der bP eingefügt wurde – auch nicht weiter Bezug auf den Einzelfall. In Ansehung der evidenten Unstimmigkeiten im Vorbringen der bP einerseits sowie der nicht mit den irakischen Rechtsvorschriften übereinstimmenden Ausführungen im Urteil andererseits, geht das erkennende Gericht davon aus, dass die vorgelegte Urkunde nicht authentisch ist.

Insgesamt liegen damit keine glaubhaften Anhaltspunkte für eine Desertion der bP aus dem Polizeidienst vor. Ob des in seiner Gesamtheit unglaubhaften Fluchtvorbringens der bP kann das Gericht auch keine Gründe dafür erkennen, weshalb die bP aus dem Polizeidienst desertieren hätte sollen, obwohl für Polizisten eine Kündigung jederzeit möglich wäre vergleiche Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.10.2016). Allein aus dem Umstand, dass die bP im Verfahren vor der belangten Behörde ihren Polizeiausweis vorgelegt hat vergleiche AS 85 f) – und nicht etwa zurückgegeben hat – kann vor dem Hintergrund der zu Tage getretenen massiven Widersprüche und Ungereimtheiten noch nicht auf eine Desertion geschlossen werden.

Demnach geht das erkennende Gericht auch nicht davon aus, dass wider die bP von Seiten des irakischen Staates ein Strafverfahren wegen Desertion aus dem Polizeidienst eingeleitet wurde oder bereits ein Urteil ergangen ist.

Die bP war daher im Ergebnis vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat keiner individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe, Anhänger von schiitischen Milizen oder sonstigen Privatpersonen ausgesetzt und wird im Falle einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion römisch 40 auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt sein.

römisch II.2.6. Zuletzt ist eine amtswegige Auseinandersetzung mit der Lage der bP aufgrund ihres sunnitischen Religionsbekenntnisses im Rückkehrfall geboten.

Das Gericht verkennt im gegebenen Zusammenhang nicht, dass die irakische Gesellschaft bereits seit dem Sturz des (sunnitisch geprägten) Regimes von Saddam Hussein in zunehmendem Maße religiös gespalten ist und sich in den Jahren 2006 bis 2008 massive konfessionelle Konflikte ereigneten. Während des Bürgerkrieges der (ebenfalls sunnitischen) Milizen des IS wurde die sunnitische Minderheit im Irak darüber hinaus oftmals einerseits für das Erstarken des IS und die damit verbundenen zahlreichen vornehmlich schiitischen Opfer unter den Sicherheitskräften (wie etwa beim Massaker von Tikrit) und Zivilisten verantwortlich gemacht und andererseits selbst fallweise mit einer unterstellten Sympathie gegenüber dem IS konfrontiert. römisch 40 und die umgebenden Gebiete sind in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt.

Eine systematische und asylrelevante Verfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Minderheit durch die schiitische Mehrheitsbevölkerung ist dessen ungeachtet in Anbetracht der Quellenlage auszuschließen. Im konkreten Einzelfall findet dies Bestätigung darin, dass sich die Eltern und Schwestern der bP den Feststellungen zufolge weiterhin im Irak und dort in römisch 40 aufhalten und diesbezüglich aktuelle Schwierigkeiten nicht vorgebracht wurden. Dass ihre Familienangehörigen in römisch 40 eine Verfolgung aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses oder eines sunnitischen Nachnamens zu fürchten hätten, brachte die bP nicht vor. Dass der bP dort im Rückkehrfall aus diesen Gründen eine Verfolgung drohe, ist – ungeachtet des fehlenden Vorbringens – auch den Länderberichten nicht zu entnehmen, zumal daraus in keiner Weise der Schluss gezogen werden kann, dass gleichsam sämtliche sunnitischen Einwohner Bagdads, konkret jene mit sunnitisch konnotiertem Namen, schon deshalb mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in ihre schützende persönliche Sphäre zu gewärtigen hätten. So betrafen ausweislich des EASO-Berichts "Gezielte Gewalt gegen Individuen" derartige Probleme vornehmlich sunnitische Männer, die aus von ISL-kontrollierten Gebieten zu fliehen versucht hätten und deren Namen dem eines ISIS-Verdächtigen ähnelten vergleiche EASO-Bericht, Sitzung 98).

Ein genereller Ausschluss von Sunniten vom Arbeitsmarkt und von Bildungseinrichtungen liegt in Anbetracht der Quellenlage ebenfalls nicht vor, was sich im gegenständlichen Fall auch daran zeigt, dass der Vater der bP selbständig und ihre Mutter als Angestellte im Gesundheitsamt tätig waren und die bP selbst eine zwölfjährige Schulbildung (ohne Abschluss) sowie Berufserfahrung als Friseur, Tischler, Reinigungskraft und zuletzt als Polizist im Staatsdienst erwerben konnte. Dazu tritt, dass ausweislich der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak hohe Staatsämter, etwa jenes des Parlamentspräsidenten, Sunniten vorbehalten und diese auch im irakischen Parlament angemessen repräsentiert sind, war auch gegen eine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Religionsbekenntnisses im Irak spricht. Würde eine Gruppenverfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung im Irak tatsächlich stattfinden, wäre ferner mit Sicherheit davon auszugehen, dass entsprechende eindeutige und aktuelle Quellen vorhanden wären.

Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass von schiitischen Milizen nach wie vor Menschenrechtsverletzungen ausgehen und auch eine nicht feststellbare Zahl von Übergriffen auf sunnitische Iraker stattfindet, welche über Diskriminierungen hinausgehen. Ausweislich der Feststellungen sind insbesondere in den von den Milizen des IS zurückeroberten Gebieten von schiitischen Milizen (wie etwa der Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq) ausgehende Gewaltakte gegen männliche sunnitische Araber dokumentiert und kommen Entführungen und außergerichtliche Hinrichtungen ebenso vor wie Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung. Ferner sind Übergriffe seitens Angehöriger der al-Haschd asch-Schaʿbī (PMF-Milizen) im Gefolge von Kampfhandlungen oder Anschlägen in den umkämpften Gebieten bekannt, welche von den Verantwortlichen als Einzelfälle abgetan werden und die als Vergeltungsaktionen in Zusammenhang mit konkreten Angriffen des IS angesehen werden.

Bei Abwägung der Feststellungen zu Übergriffen einerseits und den aus den Feststellungen zur Sicherheitslage ersichtlichen Angaben zu zivilen Opfern andererseits und der Bevölkerungszahl im Gouvernement römisch 40 andererseits ist indes nach Auffassung des erkennenden Gerichtes nicht davon auszugehen, dass männliche sunnitische Araber in römisch 40 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in ihre schützende persönliche Sphäre aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses oder einer ihnen aufgrund ihres Profils als männliche Sunniten unterstellten Anhängerschaft zum IS zu gewärtigen hätten. Es gibt auch keine Zahlen, die zeigen würden, wie viele Sunniten etwa aus politischen oder religiösen Gründen getötet wurden; nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wäre aber zu erwarten, dass eine tatsächlich vorhandene zielgerichtete Verfolgung dieser Gruppe entsprechenden deutlichen Niederschlag in den Berichten finden würde, was aus Sicht des Gerichtes jedoch nicht zutrifft. In Anbetracht der in den Feststellungen zur Lage in römisch 40 dargelegten jüngsten sicherheitsrelevanten Vorfälle ist die Wahrscheinlichkeit, einem zielgerichteten Übergriff schiitischer Milizen aus den eingangs erörterten Motiven zum Opfer zu fallen, vielmehr derzeit nicht als erheblich anzusehen. Diese nur entfernte Möglichkeit, Opfer eines religiös motivierten Übergriffes zu werden, genügt indes nicht zur Annahme einer Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472 mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen einer behaupteten Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak in mehreren Entscheidungen nicht nähergetreten (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/18/0014; 19.06.2019, Ra 2018/01/0379; 25.06.2019, Ra 2019/19/0193; 10.07.2019, Ra 2019/14/0225, und vom 18.07.2019, Ra 2019/19/0191) und wurde etwa in den Entscheidung vom 29.06.2018, Ra 2018/18/0138, und vom 30.04.2019, Ra 2018/14/0354, auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes eine Gruppenverfolgung von Sunniten in römisch 40 verneint. Die bP selbst hat in dieser Hinsicht auch kein glaubhaftes Vorbringen erstattet, weshalb sie im Vergleich zu den sonst in römisch 40 lebenden Arabern sunnitischen Glaubens in besonderer Weise von Verfolgung bedroht wäre. Dazu tritt, dass die Familienangehörigen der bP unbehelligt in römisch 40 leben. Dass andere Personen als Binnenvertriebene und diejenigen sunnitischen Männer, die in vom IS zurückeroberten Gebieten im Gefolge der Rückeroberung vorgefunden wurden (und sohin dort während der Machtausübung durch den IS gelebt haben), von schiitischen Milizen oder Sicherheitskräften in den Jahren 2014 bis 2017 systematisch bedrängt wurden oder nunmehr der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt wären, kann den länderkundlichen Informationen auch derzeit nicht entnommen werden. Die bP wurde in römisch 40 geboren und ist dort aufgewachsen. Die bP lebte bis zu ihrer Ausreise in römisch 40 , mithin nicht in einer Stadt, die vom IS eingenommen wurde und Teil des sogenannten "Kalifates" war (zu einem angegebenen Aufenthalt in Mossul von 2006 und 2008 siehe die Ausführungen oben). Der bP kann somit nicht vorgeworfen werden, eine gewisse Zeit unter der faktischen Herrschaft des IS zugebracht und dermaßen – wenn auch nur stillschweigend – mit dem IS kooperiert zu haben. Sie ist auch nicht durch einen in einem vom IS besetzten Gebiet ausgestellten Ausweis belastet. Die bP wird auch nicht in ein vom IS befreites und nunmehr von schiitischen Milizen kontrolliertes Gebiet zurückehren müssen. Die gegenwärtige Lage in römisch 40 ist ausweislich der Feststellungen durch eine im Verhältnis zur Bevölkerungszahl geringe Anzahl an Zivilisten betreffender sicherheitsrelevanter Vorfälle gekennzeichnet, wobei die aktuellen, sich in geringer Zahl ereignenden sicherheitsrelevanten Vorfälle den Quellen zufolge überwiegend entweder auf Aktivitäten des IS oder Aktivitäten schiitischer Milizen gegen amerikanische Streitkräfte zurückzuführen sind. Die in Quellen ersichtlichen festgestellten Vorfälle von gewaltsamen Übergriffen gegenüber Sunniten betreffen beinahe ausschließlich das Jahr 2017 oder frühere Jahre und stehen aus Sicht des erkennenden Gerichtes in Zusammenhang mit Kampfhandlungen gegen die Milizen des IS, wobei abschnittsweise diese Motivation in den Länderberichten deutlich hervorkommt. So geht etwa aus dem Bericht von EASO vom Mai 2019 zwar hervor, dass in römisch 40 zwei Fälle von Übergriffen auf sunnitische Binnenvertriebene dokumentiert sind, diese ereigneten sich jedoch im Dezember 2014 und im April 2015. Entsprechendes gilt für Übergriffe auf sunnitische Männer, die ebenfalls für die Jahre 2014 und 2015 dokumentiert sind und sich in Anbetracht der Bevölkerungszahl des Gouvernements auch nicht in namhafter Zahl ereigneten. Solche Vergeltungsschläge richteten sich dem Bericht zufolge vorrangig gegen Personen mit (mutmaßlichen) Verbindungen zum IS. Aktuelle Übergriffe auf Sunniten bzw. sunnitische Binnenvertriebene in römisch 40 gehen aus diesem Bericht nicht hervor vergleiche EASO, Gezielte Gewalt gegen Individuen, Sitzung 28 ff, 49 f). Auch der im Mai 2019 veröffentlichten Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge "UNCHR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" kann entnommen werden, dass die berichteten gravierenden Übergriffe auf Sunniten "im Kontext der Militäreinsätze gegen ISIS zwischen 2014 und 2017" berichtet wurden und somit als Folge der Kampfhandlungen bzw. der anschließenden Besatzung zu sehen sind (UNHCR-Erwägungen, Seite 71). Im Hinblick auf die letzten Jahre liegt ein vereinzelt gebliebener Bericht eines ehemaligen sunnitischen Parlamentsabgeordneten aus römisch 40 von August 2020 vor, wonach regierungsnahe schiitische Milizen (PMF) sunnitische Bewohner des Bezirks al-Madain am Stadtrand von römisch 40 gewaltsam vertrieben und versucht hätten, die Demografie des Bezirks zu verändern vergleiche Länderinformation der Staatendokumentation vom 15.10.2021, Sitzung 95). Anhaltspunkte für weitere Übergriffe gegen sunnitische Araber in römisch 40 aus konfessionellen Motiven in den letzten Jahren liegen demgegenüber nicht vor.

An dieser Stelle ist eine nähere Auseinandersetzung mit der im Mai 2019 veröffentlichten Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge "UNCHR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen", erforderlich, weil Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkung nach der Rechtsprechung zukommt (VwGH vom 06.7.2011, 2008/19/0994) und sich die angeführte Position von UNHCR ausführlich mit potentiellen Verfolgungsszenarien im Irak auseinandersetzt. Die zitierte Indizwirkung bedeutet jedoch nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen etwa des UNHCR Asyl zu gewähren hat. Vielmehr ist, wenn in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht gefolgt wird, beweiswürdigend darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte von einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat ausgegangen wird (VwGH 13.12.2010, Zl. 2008/23/0976; 06.02.2017, Ra 2017/20/0016, zur Lage im Irak).

Der zitierte Bericht kommt zunächst zum Ergebnis, dass sich die Sicherheitslage in römisch 40 in den Jahren 2018 und 2019 weitgehend stabilisiert hat. In den römisch 40 Belts sei der IS jedoch weiterhin aktiv und startete gelegentlich Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen gegen Zivilisten. Die Fähigkeit des IS, Anschläge mit einer großen Zahl von Opfern zu verüben, habe sich jedoch erheblich reduziert. Anfang 2019 soll sich IS weitgehend zurückgezogen haben, während die irakischen Sicherheitskräfte ihre Kontrolle im römisch 40 -Belt weiter ausgebaut hätten, was zu einer weiteren Verringerung der sicherheitsrelevanten Vorfälle geführt habe. Im April 2019 habe der IS allerdings versucht, seine Unterstützungszone im Südwesten des römisch 40 -Belts zu erweitern. Während in Berichten in den letzten Jahren fast tägliche Entführungen aus politischen Gründen oder zur Erpressung von Lösegeld beschrieben worden wären, habe sich in den Jahren 2018 und 2019 dahingehend ein Rückgang ergeben. Demgegenüber habe es weiterhin gezielte Fälle Attentate auf hochrangige, exponierte Persönlichkeiten gegeben vergleiche UNHCR-Erwägungen, Sitzung 23 f).

In der Folge identifiziert der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zwölf Personengruppen, die als besonders schutzbedürftig angesehen werden vergleiche UNHCR-Erwägungen, Sitzung 68 ff). Als sunnitischer Araber aus römisch 40 kann die bP nicht der Gruppe "Personen, die fälschlicherweise verdächtigt werden, ISIS zu unterstützen" zugeordnet werden, weil sie nicht aus einem vormals vom IS besetzten Gebiet stammt. Auch kann ein familiärer Bezug zum IS ausgeschlossen werden und es kam vor der Ausreise auch zu keinen dahingehenden Unterstellungen in Ansehung der bP. Im Hinblick auf die weiteren Risikogruppen ist einerseits festzuhalten, dass eine eigene Risikokategorie für sunnitische Araber aus römisch 40 ohne Bezug zum IS vom Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nicht definiert wurde und sunnitische Araber aus römisch 40 (ohne weitere Gefährdungsmomente) somit nicht als schutzbedürftig angesehen werden.

Die Berücksichtigung der Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zur Rückkehr in den Irak vom Mai 2019 zeigt somit ebenfalls keine aktuelle individuelle Gefährdung der bP im Rückkehrfall auf. Vielmehr geht der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in seinem Bericht davon aus, dass römisch 40 als innerstaatliche Fluchtalternative für arabisch-sunnitische alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer und kinderlose Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten tauglich ist (UNHCR-Erwägungen, Sitzung 141). Würde in römisch 40 eine Sunnitenverfolgung stattfinden, würde der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge wohl kaum von einer innerstaatlichen Fluchtalternative für sunnitische Männer und kinderlose Ehepaare in römisch 40 ausgehen.

Eine individuelle Gefährdung der bP als sunnitisch-arabischer Mann im Fall einer Rückkehr nach römisch 40 ist vor diesem Hintergrund zusammenfassend nicht erkennbar.

Es ist somit festzuhalten, dass die bP im Fall einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihres Bekenntnisses zum sunnitischen Islam ausgesetzt wäre.

römisch II.2.7. Ebenso wenig kann das Gericht erkennen, dass die bP im Rückkehrfall strafrechtliche Verfolgung – etwa nach dem irakischen Antiterrorgesetz Nr. 13 aus dem Jahr 2005 – ausgesetzt sein könnte. Die bP ist in Anbetracht ihres persönlichen Profils im Hinblick auf eine allfällige Strafverfolgung nicht exponiert. Wie oben unter Punkt römisch II.2.5. dargelegt, konnte auch nicht festgestellt werden, dass der bP eine strafrechtliche Verfolgung als Deserteur aus dem Polizeidienst droht.

Die bP stammt nicht aus einem zeitweilig vom IS kontrollierten Gebiet. Da die bP aus römisch 40 stammt, wird sie sich auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, den IS durch Befolgung von dessen quasi-staatlicher Ordnung unterstützt zu haben. Darüber hinaus ist die bP in der Lage, ihren Wohnsitz in römisch 40 durch Dokumente (beispielsweise ihre Wohnsitzkarte) und Zeugen (Familienangehörige) im Irak nachzuweisen. Zusammenfassend erkennt das Gericht aufgrund des skizzierten Profils der bP kein Risiko einer im Rückkehrfall drohenden strafrechtlichen Verfolgung und/oder einer Inhaftierung nach dem irakischen Antiterrorgesetzes Nr. 13 aus dem Jahr 2005 oder einer anderen Strafnorm.

Die bP brachte keine mit ihrer arabischen Volksgruppenzugehörigkeit in Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten vor der Ausreise substantiiert vor. Ebenso wenig wurden Probleme mit Behörden, Gerichten oder der Polizei des Herkunftsstaates glaubhaft gemacht vergleiche zur behaupteten Desertion die Ausführungen unter Punkt römisch II.2.5.). Die bP brachte schließlich auch nicht vor, dass sie in ihrem Herkunftsstaat einer politischen Partei angehört habe oder in sonstiger Weise politisch aktiv gewesen sei.

An dieser Stelle ist der Vollständigkeit halber auf die im Irak immer wieder stattfindenden und abschnittsweise mit gewalttätigen Ausschreitungen verbundenen Proteste gegen die Regierung einzugehen und dahingehenden festzuhalten, dass die bP kein Vorbringen zu einer beabsichtigten Teilnahme an diesen Protesten erstattete, sodass keine dahingehenden Absichten der bP festgestellt werden könne. Ausgehend davon ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes auszuschließen, dass sich die bP an der Besetzung, Verwüstung und Inbrandsetzung von Gebäuden beteiligen oder aktiv den Konflikt mit Sicherheitskräften oder Dritten bei solchen Protesten suchen wird. Dazu tritt, dass sich die bP bislang nicht politisch betätigte. Das erkennende Gericht geht deshalb nicht davon aus, dass die bP im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dort als regierungskritisch eingestellte Person bekannt und deshalb einer erhöhten Gefährdung bei einer Teilnahme an friedlichen regierungskritischen Protesten ausgesetzt wäre. Vielmehr würde sich die bP im selbst Fall einer Teilnahme an friedlichen regierungskritischen Protesten als einer von tausenden (in der Hauptstadt römisch 40 allenfalls zehntausenden) Protestierenden wiederfinden, ohne in irgendeiner Weise exponiert zu sein.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche statt aller VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009 mwN).

Da die bP keine staatliche Strafverfolgung im Irak aufgrund eines Kapitalverbrechens vorgebracht hat, ist zur Feststellung zu gelangen, dass die bP im Fall einer Rückkehr nicht der Todesstrafe unterzogen würde. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung der bP durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden, zumal keine drohenden Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften glaubhaft gemacht wurden.

römisch II.2.8. Die Sicherheitslage im Gouvernement römisch 40 ist ausweislich der ausführlichen Feststellungen stabil und es ist infolge der militärischen Niederlage des IS ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten. Die vereinzelten terroristischen Aktivitäten des IS konzentrieren dabei sich auf die Vororte (den sogenannten römisch 40 -Belt), sie sind vorrangig gegen Sicherheitskräfte, exponierte Personen wie Stammesführer oder gegen die schiitische Zivilbevölkerung gerichtet, um eine Verunsicherung in der Bevölkerung zu erzielen. Im August 2021 wurde davon berichtet, dass in Tarmiya – einem Ort des römisch 40 -Belt – eine IS-Zelle reaktiviert wurde und sich die dortigen Angriffe des IS auf Infrastruktureinrichtungen (Stromnetz) konzentriert haben. Die irakischen Sicherheitskräfte haben im August 2021 eine Operation gegen diese IS-Zelle gestartet.

Wenngleich sich im Jahr 2021 erstmals seit längerer Zeit in römisch 40 auch zwei größere Anschläge, die dem IS zugeschrieben werden, ereignet haben – im Jänner 2021 im Stadtzentrum von römisch 40 und im Juli 2021 im schiitisch dominierten Bezirk Sadr City – sind bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weiteren gravierenden Sicherheitsereignisse in römisch 40 aufgetreten, sodass aus den dargestellten Anschlägen noch keine Tendenz einer sich maßgeblich verschlechternden Sicherheitslage in römisch 40 abgeleitet werden kann.

Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person der bP, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder im Hinblick auf willkürliche Gewalt im Zuge von Ausschreitungen bei Protesten oder kriminellen Aktivtäten hindeuten würden, wurden im Verfahren nicht vorgebracht; insbesondere entfaltete die bP bislang kein politisches Engagement und ist deshalb nicht dahingehend exponiert und es besteht auch kein Anlass zur Annahme, dass sie sich führend oder in besonders exponierter Stellung an Protesten beteiligen würde. Es ist auch kein Grund dafür erkennbar, dass sie im Rückkehrfall in bewaffnete Stammeskonflikte oder gewaltsame Auseinandersetzungen im Gefolge krimineller Aktivitäten Dritter verwickelt werden sollte.

Das erkennende Gericht übersieht dabei nicht, dass den Länderberichten zufolge Mitglieder des Sicherheitsapparates, wie Polizisten, besonders gefährdet sind vergleiche Länderinformation der Staatendokumentation zum Irak vom 15.10.2021, Sitzung 140) und der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in der aktuellen Position "UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" von Mai 2019 ein Risikoprofil für Angehörige der ISF, damit verbundener Kräfte und von Peschmerga definiert, worin unter anderem darauf verwiesen wird, dass es auch Berichte über gezielte Anschläge auf ehemalige Angehörige der irakischen Armee gegeben habe vergleiche UNHCR-Erwägungen, Sitzung 80). Nach Ansicht des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge benötigen ehemalige Angehörige der ISF – abhängig von den individuellen Umständen des jeweiligen Falls – möglicherweise internationalen Schutz vergleiche UNHCR-Erwägungen, Sitzung 82). In Ansehung der im konkreten Einzelfall lediglich untergeordneten Tätigkeit der bP als Polizist, deren Aufgaben darin bestanden, Kleidung und Lebensmittel an die Bediensteten zu verteilen und die nicht einmal eine Waffe tragen durfte vergleiche AS 55; siehe auch den Polizeiausweis AS 85 f) im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass die bP seit mehr als sechs Jahren nicht mehr im Irak – somit auch nicht als Polizist – in Erscheinung getreten ist, ist ein gezielter Angriff auf die bP als (ehemaligem) Polizeiangehörigen aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen, zumal sich die UNHCR-Erwägungen, soweit überprüfbar, vorwiegend auf Anschläge auf höherrangige ehemalige Militärangehörige (etwa einen General und einen Offizier) beziehen vergleiche UNCHR-Erwägungen FN 426).

römisch II.2.9. Die bP ist in römisch 40 geboren und aufgewachsen und mit der Sprache sowie den Gebräuchen in ihrem Herkunftsstaat vertraut. Sie hat in römisch 40 eine zwölfjährige Schulbildung (ohne Abschluss) sowie Berufserfahrung als Friseur, Tischler, Reinigungskraft und zuletzt als Polizist im Staatsdienst erworben. Die bP ist als gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mann aufgrund ihrer Schulbildung und Berufserfahrung aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Rückkehrfall in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. In Anbetracht der Schulbildung und Berufserfahrung der bP ist kein Grund erkennbar, weshalb sie im Falle einer Rückkehr in den Irak nicht wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte. Die allgemeine wirtschaftliche Situation im Irak hat sich ausweislich der Länderberichte durch die COVID-19-Pandemie zwar verschlechtert, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern ist jedoch gesichert und ist derzeit kein über die pandemiebedingten wirtschaftlichen Einbußen hinausgehender Zusammenbruch der irakischen Wirtschaft erkennbar. Ausweislich der Feststellungen wurden im Irak ähnliche Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gesetzt wie in Österreich.

Da die bP nach wie vor über ihre Eltern und Schwestern in römisch 40 verfügt, wird sie auch sozialen Anschluss vorfinden. Die bP könnte – zumindest für eine allenfalls notwendige Übergangszeit bis zur Aufnahme einer Beschäftigung – auch wieder im Haus ihrer Eltern in römisch 40 Unterkunft nehmen. Wenngleich die bP angibt, dass sie gegenwärtig nicht in Kontakt mit ihren Familienangehörigen steht, spricht aus Sicht des erkennenden Gerichtes nichts dagegen, dass sie den Kontakt zu ihren Familienangehörigen wieder intensivieren könnte, zumal sie auch kein Zerwürfnis mit ihrer Familie vorgebracht, sondern im Gegenteil angegeben hat, sich weiterhin – über ihren in der Türkei lebenden Bruder – über ihre im Irak lebenden Familienangehörigen zu informieren vergleiche OZ 22, Sitzung 18). Soweit die bP als Grund dafür, weshalb sie ihre Familie nicht direkt kontaktiere angab, dass sie "keine Probleme" für diese im Irak machen möchte vergleiche OZ 22, Sitzung 18), erscheint dies vor dem Hintergrund, dass ihrem Fluchtvorbringen in seiner Gesamtheit die Glaubhaftigkeit zu versagen war, ebenfalls nicht als glaubhaft. Es war daher davon auszugehen, dass das familiäre Netzwerk der bP im Falle einer Rückkehr in den Irak – zumindest durch Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit im Elternhaus – einen Beitrag bei der Bestreitung ihres Auskommens leisten wird können, selbst wenn die bP in der mündlichen Verhandlung angab, dass ihre Eltern alt und krank seien vergleiche OZ 20, Sitzung 12), zumal beide Elternteile eine Pension beziehen vergleiche OZ 20, Sitzung 17) und die bP im Falle der Unterkunft in ihrem Elternhaus ohnehin lediglich die Aufwendungen für Nahrungsmittel und soziale Teilhabe selbst erwirtschaften müsste. Im Übrigen sind die Ehemänner der Schwestern der bP ebenfalls – etwa bei der Polizei, beim Militär oder selbständig – erwerbstätig vergleiche OZ 20, Sitzung 17). Ungeachtet der bestehenden Wohnmöglichkeit wäre es der gesunden und arbeits- und anpassungsfähigen bP aber auch möglich, die Kosten eines Mietobjektes selbst zu erwirtschaften. Den Länderberichten zufolge steht der bP im Hinblick auf die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln auch die Unterstützung durch das PDS offen. In Anbetracht des persönlichen Profils der bP und ob des von der bP in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks gelangt das erkennende Gericht indes zur Auffassung, dass die bP anpassungsfähig und selbst in der Lage ist, für ein eigenes Auskommen im Fall der Rückkehr nach römisch 40 zu sorgen und die Aufwendungen für Nahrungsmittel und soziale Teilhabe durch eigenen Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften, ohne auf die Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk angewiesen zu sein.

Diese Überlegungen stehen überdies im Einklang mit der in den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" vom Mai 2019 niedergelegten – im Folgenden auszugsweise dargestellten – Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vergleiche UNHCR-Erwägungen, Sitzung 141):

"In Bezug auf die Stadt römisch 40 vertritt UNHCR die Ansicht, dass die einzigen Personengruppen, hinsichtlich derer keine externe Unterstützung vorauszusetzen ist, arabisch-schiitische und arabischsunnitische alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer und kinderlose Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten gemäß der oben stehenden Beschreibungen sind. Abhängig von den jeweiligen Umständen (siehe oben "Die persönlichen Umstände des Antragstellers") sind solche Personen möglicherweise in der Lage, in der Stadt römisch 40 ohne Unterstützung durch ihre Familie und/oder ihren Stamm zu bestehen."

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes trifft dies auf die bP zu. Bei der bP handelt es sich um einen gesunden, arbeits- und anpassungsfähigen Mann ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten. Wie bereits dargelegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles – insbesondere aufgrund ihres persönlichen Profils – davon auszugehen, dass die bP ihren Lebensunterhalt in römisch 40 ohne Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk bestreiten könnte.

römisch II.2.10. Die bP leidet bei Berücksichtigung aller bekannten Umstände an keiner Vorerkrankung und gehört auch nicht der Risikogruppe für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung an vergleiche dazu die Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe vom 7.5.2020, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 203 aus 2020,).

römisch II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

römisch II.3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

römisch II.3.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 69 aus 2020, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.08.2018 Ra 2018/20/0314; 10.11.2015, Ra 2015/19/0185).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 mwN).

römisch II.3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der bP, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Im gegenständlichen Fall gelangt das erkennende Gericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die bP keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war und sie im Fall der Rückkehr dorthin auch keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt wäre.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass der bP im Fall einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht.

Eine Verfolgung der bP im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2, GFK liegt somit nicht vor und es braucht daher auf die Frage der Schutzwilligkeit und -fähigkeit der staatlichen Organe vor derartigen Bedrohungen sowie des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr eingegangen werden.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids kommt folglich keine Berechtigung zu.

Das erkennende Gericht weist darüber hinaus auf Folgendes hin:

Selbst wenn – entgegen den getroffenen Feststellungen und der zugrundeliegenden Beweiswürdigung – die bP im Irak Strafverfolgung nach Artikel 5, des Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 zu gewärtigen hätte, wäre ihr deshalb nicht internationaler Schutz zu gewähren.

Eine wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird vom Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0718; 21.04.1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben vergleiche VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 08.04.1992, Zl. 92/01/0243, und vom 16.12.1992, Zl. 92/01/0734, sowie vom 17.02.1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt ferner in ständiger Rechtsprechung, dass die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa bei Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (VwGH 27.02.2017, Ra 2016/18/0203 mwN).

Hinweise darauf, dass die bP im Fall des weiteren Verbleibes an ihrer Dienststelle an völkerrechtswidrigen Aktionen der Sicherheitskräfte teilnehmen hätte müssen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen (wobei eine Versetzung der bP nach Mossul jedenfalls nicht glaubhaft war). Die getroffenen Feststellungen bieten ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass die bP bei einer Rückkehr zu völkerrechtswidrigen Aktionen der Sicherheitskräfte gezwungen werden könnte oder sie wegen ihrer politischen oder religiösen Überzeugungen desertiert wäre. Der angedrohten Sanktion fehlt aus Sicht erkennenden Gerichtes auch nicht jede Verhältnismäßigkeit im Sinn der zitierten Rechtsprechung, zumal Artikel 5, des Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 eine Haftstrafe von höchstens sechs Monaten bzw. einem Jahr Gefängnis (bei wiederholtem Fernbleiben) vorsieht. Polizeieinheiten im Irak (irakische Polizei und die National Police [Bundespolizei]) sind wie die irakische Armee Teileinheiten der Iraqi Security Forces (ISF). Dass die irakische Rechtsordnung für das unbefugte Verlassen des Polizeidienstes daher eine Strafe vorsieht, ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes angesichts der Organisation der ISF und der Sicherheitslage im Irak nicht unverhältnismäßig. Erwähnt sei, dass auch das österreichische Militärstrafgesetzbuch im Fall der Desertion eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren als Sanktion vorsieht (Paragraph 9, Absatz eins, Militärstrafgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 344 aus 1970, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 112 aus 2007,). Dass eine vergleichbare Tat in Österreich straffrei wäre oder geringer bestraft würde, trifft demgemäß nicht zu.

Die bP wäre demnach selbst im Fall des Zutreffens ihres Vorbringens im Irak keiner im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung unverhältnismäßigen Bestrafung ausgesetzt und war oder wäre auch nicht der Zwang zu völkerrechtswidrigen Aktionen der Sicherheitskräfte ausgesetzt. Eine Bestrafung nach Artikel 5, des Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 würde daher auch im Fall entsprechender Feststellungen keinen Anlass für die Gewährung internationalen Schutzes darstellen.

Die mangelnde Gewissheit über den Verlauf und die Objektivität des Gerichtes in einem allfälligen Strafverfahren vermag daran nichts zu ändern, zumal über allgemeine Aussagen zur Qualität eines Justizsystems im Vorhinein keine belastbaren Aussagen über einen Verfahrensverlauf getroffen werden können. Den im Verfahren herangezogenen länderkundlichen Berichten zufolge käme – sollte sich die bP entgegen den getroffenen Feststellungen und der zugrundeliegenden Beweiswürdigung tatsächlich unerlaubt vom Polizeidienst entfernt haben – als Sanktion der Verlust aller staatlichen Rechte, wie z.B. der Pension, ebenso in Betracht wie eine Haftstrafe. Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Verhängung der dargestellten strafrechtlichen Sanktionen ist nicht feststellbar. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes kann letztlich aus den vorhandenen Hinweisen auf Korruption und Qualitätsdefizite im irakischen Justizwesen aber nicht darauf geschlossen werden, dass ein allfälliges gerichtliches Verfahren wider die bP mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer willkürlichen und exzessiven Bestrafung führen würde.

römisch II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

römisch II.3.2.1. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Ziffer eins,) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Ziffer 2,), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak Artikel 2, EMRK (Recht auf Leben), Artikel 3, EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein „real risk“ einer gegen Artikel 3, MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

römisch II.3.2.2. Unter „real risk“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; Regierungsvorlage 952 BlgNR römisch 22 . Gesetzgebungsperiode 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

römisch II.3.2.3. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche EGMR U 08.04.2008, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Artikel 3, EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (VfSlg 13.314/1992; EGMR GK 07.07.1989, Soering gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 14038/88). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein ausreichend reales Risiko für eine Verletzung des Artikel 3, EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (EGMR U 04.07.2006, Karim gegen Schweden, Nr. 24171/05, U 03.05.2007, Goncharova/Alekseytev gegen Schweden, Nr. 31246/06).

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bereits in zahlreichen Fällen erkannt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 22.03.2017, Ro 2017/18/0001, unter Verweis auf das Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili gegen Königreich Belgien, Nr. 41738/10).

römisch II.3.2.4. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Artikel 15, Litera c, der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).

Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH U 17.02.2009, Meki Elgafaji und Noor Elgafaji gegen Staatssecretaris van Justitie, C-465/07). Die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts setzt voraus, dass das Verhältnis der Zahl der Opfer in dem betreffenden Gebiet zur Gesamtzahl der Bevölkerung dieses Gebiets eine bestimmte Schwelle erreicht (EuGH U 10.06.2021, CF und DN gegen Bundesrepublik Deutschland, C-901/19).

Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in römisch 40 ). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).

römisch II.3.2.5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 nicht gegeben sind:

Dass die bP im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde die bP somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Die Sicherheitslage im Gouvernement römisch 40 ist ausweislich der ausführlichen Feststellungen stabil und es ist infolge der militärischen Niederlage des IS ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, kann aus den jüngsten Berichten über Anschläge in römisch 40 keine Tendenz einer sich maßgeblich verschlechternden Sicherheitslage abgeleitet werden. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes kann in dieser Hinsicht in Anbetracht der sich aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in römisch 40 ergebenden Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der bP in römisch 40 davon ausgegangen werden muss, dass diese wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlages, krimineller Aktivtäten oder anderweitiger willkürlicher Gewalt werden würde vergleiche VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in römisch 40 ).

EASO nimmt in der Country Guidance: Iraq von Jänner 2021 den Standpunkt ein, dass es im Gouvernement römisch 40 zwar zu nicht gezielt gegen bestimmte Individuen gerichteter Gewalt kommt, jedoch nicht auf hohem Niveau, sodass ein höherer Grad an zusätzlichen Gefährdungsmomenten erforderlich ist, um Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass eine in das Gouvernement römisch 40 zurückgekehrte Zivilperson dem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne des Artikel 15 Buchstabe c der Richtlinie 2011/95/EU ausgesetzt wäre (EASO, Country Guidance Iraq, Sitzung 107 f). Solche zusätzlichen Gefährdungsmomente sind in Ansehung der bP – wie in der Beweiswürdigung erörtert – nicht vorhanden. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person der bP konnten nicht festgestellt werden. Der in der Stellungnahme vom 11.11.2021 (OZ 20) artikulierten Ansicht, aufgrund der derzeitig hohen Gefährdungslage in römisch 40 drohe bereits durch deren Anwesenheit eine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens infolge Willkürlicher Gewalt und somit ein ernsthafter Schaden im Sinne des Artikel 15, RL 2011/95/EU (Status-RL) war damit in Anbetracht der aktuellen Länderberichte zum Irak, der Erwägungen des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und der EASO Country Guidance: Iraq nicht beizutreten.

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Artikel 2, oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372 mwN). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist in Anbetracht der Feststellungen zur Sicherheitslage und des Profils der bP als nicht vulnerabler Mann nicht zu erkennen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt findet im Gouvernement römisch 40 darüber hinaus nicht statt.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass der bP im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), hat doch die bP selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihr im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

In Anbetracht der Feststellungen zur Lage im Irak ist derzeit zwar eine Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage durch die COVID-19-Pandemie im Irak erkennbar, jedoch ergibt sich daraus ob der ergriffenen Maßnahmen aus Sicht des erkennenden Gerichtes keine dauerhafte und maßgebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Allgemeinen. Die Versorgung im Hinblick auf lebenswichtige Güter ist gewährleistet. Dass die Wirtschaftslage im Irak insgesamt als schwierig anzusehen ist, mag zwar zutreffen, stellt jedoch aus Sicht des erkennenden Gerichtes in Anbetracht des persönlichen Profils der bP und der bestehenden Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat keine drohende Verletzung von Artikel 3, EMRK dar. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet auch nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160).

Der Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge "UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" vom Mai 2019 können im Übrigen ebenfalls keine einer Rückkehr der bP in ihre Herkunftsregion römisch 40 entgegenstehenden Aspekte in Bezug auf die dortige wirtschaftliche und soziale Lage entnommen werden.

Die bP ist in römisch 40 geboren und aufgewachsen und mit der Sprache sowie den Gebräuchen in ihrem Herkunftsstaat vertraut. Sie hat in römisch 40 eine zwölfjährige Schulbildung (ohne Abschluss) sowie Berufserfahrung als Friseur, Tischler, Reinigungskraft sowie zuletzt als Polizist im Staatsdienst erworben und verfügt dort über ein familiäres Netz vergleiche dazu die näheren Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung).

Die bP ist als irakische Staatsbürgerin außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt, sodass eine Absicherung im Hinblick auf Grundnahrungsmittel gegeben ist. Auch wenn das Programm unter Insuffizienzen leidet, ist von einer Unterstützung der bP bei der Bestreitung ihres Auskommens auszugehen. Da die bP an ihren Herkunftsort römisch 40 zurückkehrt, wird sie keine Schwierigkeiten beim Erhalt einer Lebensmittelbezugskarte zu gewärtigen haben.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen nicht vor. Soweit in den Feststellungen zur Lage im Irak abschnittsweise auf eine problematische Versorgungssituation hingewiesen wird, ergibt sich aus den diesbezüglichen Feststellungen klar, dass diese Unzulänglichkeiten hauptsächlich die zuletzt umkämpften und vormals unter der Kontrolle des IS stehenden Gebiete vorwiegend betreffen und nicht die Stadt römisch 40 , die nie vom IS erobert und auch nicht bei Kampfhandlungen zerstört wurde. Dass die Versorgungssituation in römisch 40 an sich unzureichend sei, wurde nicht vorgebracht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht im Übrigen eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160 mwN). Eine solche Verletzung von Artikel 3, EMRK ist vielmehr nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen, nämlich wenn die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006). Im gegenständlichen Fall ist zwar von einer schwierigen Lebenssituation im Rückkehrfall aufgrund des allgemein problematischen wirtschaftlichen Lage im Irak auszugehen, nicht jedoch von exzeptionellen Umständen, zumal die bP die Landessprache beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut ist, über ein familiäres Netz am Herkunftsort sowie Schulbildung und Berufserfahrung verfügt, sodass infolge dieser Umstände von einer gesicherten Existenzgrundlage auszugehen ist.

Dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland schon aufgrund des Auslandsaufenthaltes oder einer im Ausland erfolgten Asylantragstellung besonders vulnerabel wären, kann den zur Rückkehr getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden. Seitens der bP wurde in diesem Zusammenhang auch nicht konkret vorgebracht, im Rückkehrfall in eine ausweglose Lage zu geraten oder in ihren Grundbedürfnissen nicht abgesichert zu sein, sodass auch unter diesen Umständen jedenfalls eine gesicherte Existenzgrundlage im Irak als erwiesen anzusehen ist.

Nach der Rechtsprechung können auch lebensbedrohende Ereignisse wie etwa das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung ein Abschiebungshindernis im Sinne des Artikel 3, EMRK in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0142). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Artikel 3, EMRK für die Beantwortung dieser Frage unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Im Irak gab es bisher insgesamt 2.094.349 bestätigte COVID-19-Fälle, 24.174 Personen sind bis dato verstorben (Stand 4.1.2022). Dies bedeutet 5.206,91 Fälle pro 100.000 Menschen (weltweit tagesaktuelle Statistiken abgerufen unter www.covid19.who.int). In Relation ist diese Zahl wesentlich niedriger als jene in Österreich (14.439,85 Fälle pro 100.000 Menschen). Für den Irak weist die aktuelle Zahl von 5.206,91 Fällen pro 100.000 Menschen – auch im Vergleich zu anderen Staaten in der Region, etwa dem Iran mit 7.379,89 oder der Türkei mit 11.378,81 Fällen pro 100.000 Menschen – zudem nicht auf eine völlig außer Kontrolle geratene Ausbreitung des Virus hin. In einer Gesamtbetrachtung ergeben sich vor dem Hintergrund der persönlichen Situation der bP – diese leidet weder an einer Vorerkrankung noch gehört sie der Risikogruppe für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung an – und der Infektionszahlen im Irak und der individuellen Situation der bP keine Hinweise auf eine unzumutbare, schon mit der Rückverbringung der bP in den Irak einhergehende, im Sinne des Artikel 3, EMRK relevanten Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes. Derartiges wurde auch nicht vorgebracht.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde die bP somit nicht in ihren Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides zu Recht abgewiesen wurde.

Der Vollständigkeit halber hält das erkennende Gericht noch Folgendes fest:

Ungeachtet des Umstandes, dass eine Desertion der bP aus dem Polizeidienst ohnehin nicht feststellbar war, sodass auch nicht davon auszugehen war, dass die bP im Herkunftsstaat tatsächlich die Verhängung einer Haftstrafe zu gewärtigen hätte, hat die bP darüber hinaus nicht dargetan, dass sie in einem solchen – aus den Feststellungen und der zugrundeliegenden Beweiswürdigung nicht ableitbaren – Fall in ihrem Herkunftsstaat Folter, erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung oder Strafe ausgesetzt wäre. Soweit auf die problematischen Haftbedingungen in irakischen Haftanstalten und die Eigenschaft der bP als Sunnit verwiesen wird vergleiche die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz [AS 239] sowie in der Stellungnahme [OZ 20]), zeigt die bP damit noch nicht auf, dass gerade sie im Falle der Verbüßung einer nach den oben dargestellten irakischen Rechtsvorschriften für den Fall der Desertion eines Polizeibeamten vorgesehenen sechs Monate bis ein Jahr andauernden Freiheitsstrafe misshandelt oder lebensbedrohlichen Haftbedingungen ausgesetzt würde. Den Länderberichten ist nicht zu entnehmen, dass gleichsam sämtliche (sunnitischen) Strafgefangenen – mag es sich dabei auch um Polizeibeamte handeln, die dem Dienst ferngeblieben sind – Misshandlungen oder Artikel 2, bzw. 3 EMRK widersprechenden Haftbedingungen ausgesetzt wären und haben sich insoweit in Ansehung des persönlichen Profils der bP auch keine gefahrenerhöhenden Momente ergeben. Die reale Gefahr, dass die bP im – ohnehin nicht zu erwartenden – Falle einer Inhaftierung Folter, erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung oder Strafe unterworfen wäre, ist demnach nicht zu erkennen.

römisch II.3.3. Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

römisch II.3.3.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß Paragraph 58, Absatz 3, AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach dem Asylgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn – wie gegenständlich – der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Ziffer 3, leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt daher eine vorangehende Klärung der Frage voraus, ob ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt wird.

römisch II.3.3.2. Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in Paragraph 57, Absatz eins, AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde von der bP selbst nichts dahingehend dargetan und auch in der Beschwerde kein diesbezügliches Vorbringen erstattet.

Der Aufenthalt der bP im Bundesgebiet war ausweislich der Feststellungen nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurde schließlich nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.

Der bP ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen. Der gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde kommt daher keine Berichtigung zu.

römisch II.3.4. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8, EMRK und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

römisch II.3.4.1. Die Einreise der bP in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt der bP im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer ihres nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt der bP im Bundesgebiet mehr vor und unterliegt diese damit nicht dem Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden nach Artikel 8, Absatz eins, EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts der bP auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Artikel 8, EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (VfSlg. 16928/2003). Der Begriff des Familienlebens ist nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein. Maßgebend sind etwa das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR U 13.06.1979, Marckx gegen Belgien, Nr. 6833/74; GK 22.04.1997, römisch zehn, Y u. Z gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 21830/93).

Die bP hat in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten und lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihr sonst nahestehenden Person zusammen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme stellt daher keinen Eingriff in das Recht der bP auf Familienleben, sondern allenfalls einen solchen in das Recht auf Privatleben dar.

römisch II.3.4.2. Der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff im Sinn des Artikel 8, Absatz 2, EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist voranzustellen, dass die Rückkehrentscheidung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtigung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind (EGMR U 18.02.1991, Moustaquim gegen Belgien, Nr. 12313/86).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Die Konventionsstaaten sind nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (EGRM U 30.10.1991, Vilvarajah u.a. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 13163/87).

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten regelmäßig ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfSlg. 17.516/2005).

römisch II.3.4.3. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Artikel 8, EMRK einer Ausweisung entgegensteht (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vergleiche VfSlg. 18.223/2007).

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben knüpft (EGMR U 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99; U 16.9.2004, M.C.G. gegen Bundesrepublik Deutschland, Nr. 11.103/03), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR GK 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 9214/80, 9473/81, 9474/81; U 20.6.2002, Al-Nashif gegen Bulgarien, Nr. 50.963/99) und dessen Intensität (EGMR U 02.08.2001, Boultif gegen Schweiz, Nr. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert vergleiche EGMR U 04.10.2001, Adam gegen Deutschland, Nr. 43.359/98; GK 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99; vergleiche VwGH 5.7.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR U 11.04.2006, Useinov gegen Niederlande Nr. 61292/00) für maßgeblich erachtet.

Bereits vor Inkrafttreten des nunmehrigen Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erkenntnissen VfSlg. 18.224/2007 und VwGH 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Leitlinien, welche im Rahmen der Interessensabwägung gem. Artikel 8, Absatz 2, EMRK zu berücksichtigen sind. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Artikel 8, MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 13.06.2016, Ra 2015/01/0255). Ferner sind nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie dies Verfassungsgerichtshofs die strafgerichtliche Unbescholtenheit aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht sowie Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und schließlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen.

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten wie insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes, relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (VwGH 2.10.1996, Zl. 95/21/0169; 28.06.2007, Zl. 2006/21/0114; VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251).

Die öffentliche Ordnung, hier im Besonderen das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird etwa beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.02.1996, Zl. 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.

römisch II.3.4.4. In Abwägung der gemäß Artikel 8, EMRK maßgeblichen Umstände in Ansehung der bP ergibt sich für den gegenständlichen Fall Folgendes:

Die bP stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 6.8.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie ist seither als Asylwerberin in Österreich aufhältig. Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist. Das Gewicht faktischen Aufenthalts der bP in Österreich ist allerdings dadurch abgeschwächt, dass die bP ihren Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte; sie konnte alleine durch die Stellung ihres Antrags jedoch nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung ihres Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von etwa fünf Jahren kommt ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 03.12.2020, Ra 2020/20/0392 mwN; 23.10.2019, Ra 2019/19/0289 mwN). Da der Aufenthalt der bP zwischenzeitlich über sechs Jahre währt, ist die Aufenthaltsdauer freilich bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung zu ihren Gunsten in Anschlag zu bringen, zumal die bP keine verfahrensverzögernden Schritte gesetzt hat.

Die bP hat hierorts keine belegten Anknüpfungspunkte in Form einer Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen und ist zum Entscheidungszeitpunkt zur Sicherstellung ihres Auskommens auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber angewiesen. Die bP ging während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet bislang keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach. Das Gericht anerkennt jedoch, dass sich die bP um einen bedingten Dienstvertrag als Arbeiter bemüht hat; nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer ausgeübten Beschäftigung sowie einer "bindenden Einstellungszusage" (Arbeitsvorvertrag; vergleiche dazu VwGH vom 15.5.2020, Ra 2020/20/0145) allerdings keine wesentliche Bedeutung zu, wenn der Beschwerdeführer lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat vergleiche VwGH vom 22.2.2011, 2010/18/0323, mit Hinweis auf die Erk. vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0612, und vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195, jeweils mwN). Eine Beschäftigungsbewilligung wurde der bP nicht erteilt. Anzumerken ist ferner, dass der erste potenzielle Dienstgeber bereits vor Monaten amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht wurde und die bP – wenngleich sie auf diesen Vorhalt angab, dass die Firma einen neuen Namen habe – auch keinen diesbezüglich aktuellen Arbeitsvorvertrag vorgelegt hat. Vor diesem Hintergrund war daher eine berücksichtigungswürdige Integration der bP in den österreichischen Arbeitsmarkt nicht zu erkennen.

Die bP verfügt in Österreich zwar über soziale Anknüpfungspunkte; engere freundschaftliche Beziehungen konnten hingegen nicht festgestellt werden (siehe dazu die Ausführungen unter Punkt römisch II.2.4). Die bP ist auch nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, sie engagierte sich auch erst im Jahr 2021 für einige Monate ehrenamtlich. Es wird nicht verkannt, dass die bP im Jahr 2016 zwei Integrationsmodule besucht und am 23.10.2019 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 bestanden hat. Unter Berücksichtigung ihrer bisher gesetzten Integrationsschritte kann aber noch nicht von einer tiefergehenden sozialen Einbindung der bP in die österreichische Gesellschaft im Sinne einer umfassenden Integration ihrer Person ausgegangen werden.

Positiv hervorzuheben sind hingegen die Deutschkenntnisse der bP, welche sich in der mündlichen Verhandlung als alltagstauglich herausstellten. Die bP besuchte im Jahr 2016 mehrere Deutschkurse und im Jahr 2019 – wie bereits erwähnt – eine Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2. Eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestand die bP am 4.6.2021 jedoch nicht, sodass die durch Prüfungen nachgewiesenen Sprachkenntnisse der bP auf dem Niveau A2 nicht als übermäßig ausgeprägt erscheinen, zumal dieses Sprachniveau nach der Einstufung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen bloß die "Elementare Sprachverwendung – Grundlegende Kenntnisse" vermittelt. Schließlich ist noch festzuhalten, dass sich die bP im Jahr 2021 zwar für einen Kurs B1.1 von 30.8.2021 bis 23.11.2021 angemeldet hat, allerdings im Verfahren keine Besuchsbestätigung vorgelegt hat. Ungeachtet dessen sprechen die guten Deutschkenntnisse der bP im Rahmen der Interessenabwägung jedenfalls für diese, wenngleich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst der Umstand, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht, noch kein über das übliche Maß hinausgehendes Integrationsmerkmal darstellen würde vergleiche VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit der bP stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zl. 98/18/0420).

Im gegenständlichen Verfahren ist insgesamt noch keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wäre und die sich bei der folgenden Gesamtwürdigung entscheidend zugunsten der bP auswirken würde. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die im Jahr 2015 einsetzende extrem hohe Zahl an Verfahren für die belangte Behörde – ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung – unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation dargestellt hat, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet. Der Verwaltungsgerichtshof hat es als notorisch angesehen, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen kann, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen muss (VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001). Dessen ungeachtet ist die Gesamtverfahrensdauer von über sechs Jahren jedenfalls zugunsten der bP zu würdigen, sie kann jedoch für sich alleine nicht den Ausschlag dafür geben, dass der bP schon deshalb ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre.

Den erörterten Aspekten steht gegenüber, dass die bP den weitaus überwiegenden Teil ihres Lebens – nämlich 31 Jahre – im Herkunftsstaat verbrachte. Sie wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache ihrer Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass sie im Irak über Bezugspersonen in Form von nahen Angehörigen – in Gestalt ihrer Eltern und Schwestern – verfügt, wobei sie den Kontakt zu ihrer Familie wieder intensiveren könnte. Wenngleich die bP angegeben hat, dass sie gegenwärtig nicht in Kontakt mit ihren Familienangehörigen steht, kann dennoch von gewissen familiären Bindungen ausgegangen werden, zumal die bP ein Zerwürfnis mit ihrer Familie nicht vorgebracht, sondern im Gegenteil angegeben hat, sich weiterhin – über ihren in der Türkei lebenden Bruder – über ihre im Irak lebenden Familienangehörigen zu informieren vergleiche dazu die Ausführungen unter Punkt römisch II.2.9.), wobei eine Existenzgrundlage der bP bereits vorstehend bejaht wurde (VwGH 31.08.2017, Ra 2016/21/0296, zur Maßgeblichkeit der Bindungen zum Herkunftsstaat vergleiche auch VwGH 22.02.2011, Zl. 2010/18/0323). Es deutet daher nichts darauf hin, dass es der bP im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Soweit die bP über soziale Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass die bP hierdurch gezwungen würde, den Kontakt zu jenen Personen gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihr frei, die Kontakte anderweitig (brieflich, telefonisch, elektronisch, durch Urlaubsaufenthalte gegebenenfalls auch in einem Drittstaat etc.) aufrecht zu erhalten.

In einer Abwägung der erörterten Aspekte ist zunächst festzustellen, dass der Rechtsposition der bP im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüberstehen. Auch wenn die bP gute Kenntnisse der deutschen Sprache erworben hat, eine grundsätzlich bestehende Arbeitswilligkeit ansatzweise zu erkennen ist sind und ihre Aufenthaltsdauer sowie die Gesamtverfahrensdauer über sechs Jahre betragen, stehen dem die unberechtigte Asylantragstellung, die unrechtmäßige Einreise und die einen Zeitraum von zehn Jahren noch nicht annähernd erreichende Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet gegenüber, währenddessen sich die bP – insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides – der Ungewissheit ihres weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinn des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste vergleiche VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003 mwN). Dazu tritt, dass familiäre Bindungen der bP zum Herkunftsstaat aufgrund der Präsenz von nahen Angehörigen bestehen und dem kein im Bundesgebiet eingegangenes Familienleben gegenübersteht. Darüber hinaus ist die bP während ihres Aufenthalts in Österreich bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung anhand der in Paragraph 9, BFA-VG angeführten Kriterien gelangt das erkennende Gericht folglich zu dem Ergebnis, dass die individuellen Interessen der bP im Sinn des Artikel 8, Absatz eins, EMRK (noch) nicht dermaßen ausgeprägt sind, dass sie das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Einhaltung der in Geltung stehenden aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Wenngleich zusammenfassend die für den Verbleib der bP in Österreich sprechenden persönlichen Interessen aufgrund einer sechs Jahre bereits übersteigenden faktischen Anwesenheitsdauer und der dargestellten Integrationsschritte durchaus von einem gewissen Gewicht sein mögen, werden diese Interessen durch den unsicheren Aufenthaltsstatus maßgeblich relativiert und es kommt ihnen vorliegend im Hinblick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ob der bestehenden Bindungen zum Herkunftsstaat, der mangelnden Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt sowie mangels eines Familienlebens im Bundesgebiet in der anzustellenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände noch kein größeres Gewicht zu als dem durch die illegale Einreise und die unberechtigte Asylantragstellung bewirkten Fehlverhalten der bP beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen.

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es der bP durch die gegenständliche Rückkehrentscheidung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn sie sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland ausstellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben. Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes würde die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung in einer Konstellation wie der hier vorliegenden außerdem einen Wertungswiderspruch und eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung jener Personen darstellen, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten. Letzter wären bei Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung schlechter gestellt als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet durch ihre unrechtmäßige Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung von Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007; vergleiche dazu auch VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf diese Entscheidung Bezug nimmt und darlegt, dass eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde). Der bP steht es ferner – wie bereits angesprochen – frei, sich um einen weiteren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu bemühen und die dafür gesetzlich vorgesehenen Aufenthaltstitel zu beantragen.

Im Ergebnis stellen sich die individuellen Interessen der bP im Sinn des Artikel 8, Absatz eins, EMRK noch nicht als so ausgeprägt dar, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG wider die bP keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.

römisch II.3.5. Zulässigkeit der Abschiebung und Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:

römisch II.3.5.1. Für die gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des Paragraph 50, FPG (VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des Paragraph 50, Absatz eins, oder Absatz 2, FPG – diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in Paragraphen 3 und 8 AsylG 2005 enthalten sind – glaubhaft zu machen. Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen; für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße im Sinn des Paragraph 50, Absatz eins, FPG 2005 durch den betroffenen Staat bekannt geworden sind (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht somit jenem des Refoulementverbots im FPG 2005. Erkennbar eben deshalb ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber auch ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des Paragraph 50, FPG 2005 nicht möglich; einem Fremden ist es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen ist. Ein inhaltliches Auseinanderfallen der genannten Entscheidungen (insbesondere nach Paragraph 8, AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 andererseits ist ausgeschlossen (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).

römisch II.3.5.2. Bezüglich Paragraph 50, Absatz eins, FPG 2005 bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens betreffend den von der bP gestellten Antrag auf internationalen Schutz nicht festgestellt werden konnte, dass die bP im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde die bP somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak ebenfalls nicht vor.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Ebenso sind keine von Amts wegen aufzugreifenden stichhaltige Gründe für die Annahme erkennbar, dass im Herkunftsstaat der bP deren Leben oder deren Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihren politischen Ansichten im Sinn des Paragraph 50, Absatz 2, FPG 2005 bedroht wäre und wird insoweit auf die Erwägungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung betreffend den von der bP gestellten Antrag auf internationalen Schutz verwiesen.

römisch II.3.5.3. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz 3, FPG 2005 schließlich unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine solche Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme besteht hinsichtlich des Staates Irak nicht.

römisch II.3.5.4. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen.

Der Flughafen römisch 40 ist geöffnet und von Wien-Schwechat aus (mit Umstieg in Istanbul oder alternativ Amman, Doha oder Dubai) auf dem Luftweg erreichbar, sodass auch keine Hindernisse erkannt werden können, das Bundesgebiet innerhalb der eingeräumten First in den Herkunftsstaat zu verlassen.

römisch II.4. Der angefochtene Bescheid erweist sich ob der vorstehenden Ausführungen als rechtsrichtig, sodass die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz und zum durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer Desertion Glaubwürdigkeit individuelle Gefährdung Interessenabwägung Lebensgrundlage mangelnde Asylrelevanz Miliz non refoulement öffentliches Interesse Pandemie Polizist Privatleben Religion Resozialisierung Risikogruppe Rückkehrentscheidung Rückkehrsituation Sicherheitslage staatliche Verfolgung Verfahrensdauer Verfolgungsgefahr Versorgungslage Vorerkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2022:L501.2186277.1.00

Im RIS seit

08.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2022

Dokumentnummer

BVWGT_20220302_L501_2186277_1_00

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