Bundesdisziplinarbehörde, Disziplinarkommissionen

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Entscheidungstext 19-DK-17

Disziplinarbehörde

BM für Inneres

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Geschäftszahl

19-DK-17

Entscheidungsdatum

22.10.2018

Schlagworte

Schwere Körperverletzung bei Einschreiten im Dienst

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat am 22. Oktober 2018 zu Recht erkannt:

römisch eins.

Gruppeninspektor NN ist – in Verbindung mit dem Urteil des LG NN Z Nn vom 19.09.2018 in Verbindung mit OLG NN - Zahl NN vom 12.09.2018) – gemäß Paragraph 126, Absatz 2, BDG schuldig: Er hat am 19. Mai 2017, um ca. 12:00 Uhr, als Beamter der Polizeiinspektion NN unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit, im Dienst und in Vollziehung einer Amtshandlung nach dem Unterbringungsgesetz in NN den sitzenden NN, ohne dass dieser ihn oder einen anderen tätlich angegriffen oder bedroht hätte mit beiden Händen am rechten Arm gepackt und hochgerissen, wodurch dieser mit voller Wucht auf den Boden fiel und schwer verletzt wurde (Fraktur des Oberschenkelhalsknochens).

Der Beamte hat seine Dienstpflichten nach

    Paragraph 43, Absatz eins, BDG, nämlich seine dienstlichen Aufgaben gewissenhaft, treu und unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu erfüllen und

    Paragraph 43, Absatz 2, BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt

gemäß Paragraph 91, BDG schuldhaft verletzt.

Gemäß Paragraph 92, Absatz eins, Ziffer 3 BDG wird die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 3.000,-- (dreitausend) verhängt. Dem Beschuldigten werden gemäß Paragraph 117, Absatz 2, BDG keine Verfahrenskosten vorgeschrieben. Die eigenen Kosten hat er selbst zu tragen.

II

Hingegen wird der Disziplinarbeschuldigte von den im Einleitungsbeschluss in den Punkten 1b, 2 und 3 erhobenen Vorwürfen gemäß Paragraphen 118, Absatz eins, Ziffer 1, 126 Absatz 2, BDG freigesprochen.

BEGRÜNDUNG

Gruppeninspektor NN ist Mitarbeiter der Landespolizeidirektion NN und als eingeteilter Beamter in der PI NN eingesetzt. Er verrichtete am 19. Mai 2017 gemeinsam mit Gruppeninspektor NN Streifendienst.

Strafverfahren

Mit rechtskräftigem Urteil des LG NN Zahl NN vom 19.09.2018 (OLG NN vom 12.09.2018 Zahl NN) wurde der DB wegen des Vergehens nach Paragraph 84, Absatz eins, StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagsätzen à € 20,-- verurteilt. Die Hälfte dieser Geldstrafe wurde bedingt nachgesehen. Der Schuldspruch bezieht sich auf Punkt 1a des EB. Hingegen wurde der DB vom Vorwurf der Begehung einer Körperverletzung nach Paragraph 83, Absatz 2, StGB (Schleifen aus dem Raum) freigesprochen – der Freispruch bezieht sich auf Punkt 1 b des EB.

Vorwurf von Dienstpflichtverletzungen

Der Vorwurf schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen ergibt sich aus der Disziplinaranzeige der LPD NN, GZ NN, vom 11.09.2017 einschließlich Beilagen, sowie den Akten des Strafverfahrens. Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt:

Sachverhalt:

Der DB verrichtete am 19. Mai 2017 gemeinsam mit GrInsp NN Dienst und war als Streifenbesatzung eingeteilt. Um ca. 12:00 Uhr erhielt diese Streife den Auftrag, zum Wohnort des NN nach NN zu fahren, weil vom Arzt Dr. NN die Einweisung in die Psychiatrische Abteilung des LKH NN angeordnet wurde. In dessen Wohnung – in der untragbare hygienische Zustände herrschten - hielten sich zu diesem Zeitpunkt neben dem Betroffenen, der Arzt Dr. NN, sowie Rettungssanitäter und Krankenpfleger auf. Der Betroffene verweigerte trotz Zuspruchs der anwesenden Rettungssanitäter bzw. Bediensteten der Hauskrankenhilfe beharrlich sich in das Krankenhaus einliefern zu lassen, weshalb vom zuständigen Arzt eine Parere für eine zwangsweise Einlieferung nach Paragraph 9, UbG ausgestellt wurde.

Trotz Aufforderung des anwesenden ärztlichen Personals und der eingetroffenen Polizeibeamten verweigerte der an einer Eckbank in der Küche sitzende Betroffene die Einlieferung in das Krankenhaus. Nach der vorliegenden Beweislage hat der DB den Hilflosen mit beiden Händen am rechten Arm gepackt und ihn aus seiner sitzenden Position hochgerissen. Dadurch stürzte dieser und fiel auf den Boden.

Verletzungen:

NN erlitt durch den Sturz eine Fraktur des rechten Oberschenkelhalsknochens, sowie – durch die Verbringung zum Rettungssessel - mehrere, bis zu acht Zentimeter lange Rissquetschwunden an beiden Armen, sowie eine Prellung an der rechten Schulter.

Angaben des Opfers

NN gab bei seiner Befragung am 19. August 2017 zusammenfassend im Wesentlichen an, dass er sich geweigert habe mitzufahren. Einer der beiden Polizisten hätte ihn wie einen Mehlsack direkt ins Vorhaus geschmissen. Er sei daraufhin zu Sturz gekommen und habe sofort Schmerzen verspürt. Im Krankenhaus sei dann ein Bruch des rechten Oberschenkelhalses festgestellt worden.

Weitere Ermittlungen

Zeugen

Über Auftrag der DK wurde der Polizeibeamte RevInsp NN am 28. September 2018 niederschriftlich einvernommen. Er gab im Wesentlichen an, dass die Zwangsmittelanwendung mit Verletzungsfolgen dem Vorgesetzten am Nachmittag vom DB GrInsp NN gemeldet worden war.

Der PI-Kommandant Chefinspektor NN gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme im Wesentlichen ausweichend an, dass „es ihm nicht bewusst sei, dass ihm der Vorfall unmittelbar nach dem Einrücken gemeldet worden wäre“.

Mündliche Disziplinarverhandlung

Mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission, GZ NN, wurde die mündliche Verhandlung anberaumt und – nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens - am 22. Oktober 2018 durchgeführt.

Angaben des Disziplinarbeschuldigten

Der DB bekannte sich umfassend für schuldig; er gab zusammenfassend im Wesentlichen an, dass er von der Situation überfordert und deshalb überschießend reagiert habe. Er würde heute weitaus maßvoller einschreiten. Es habe ihm in der total verdreckten Wohnung so gegraust, dass er einfach schnell wieder raus und das Einschreiten beenden wollte. Er ersuchte um eine milde Strafe.

Plädoyer des Disziplinaranwaltes

Der Disziplinaranwalt fasste die Ergebnisse des Beweisverfahrens zusammen und stellte fest, dass der DB eine schwere Dienstpflichtverletzung zu verantworten habe. Er beantragte die Verhängung einer Geldstrafe nach Paragraph 92, Absatz eins, Ziffer 3 BDG in der Höhe von ca. zwei Monatsbezügen.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

Auf dieses Verfahren ist die Geschäftsordnung der Disziplinarkommission für das Jahr 2017 anzuwenden.

Paragraph 43, (1) BDG Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Paragraph 43, (2) BDG Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Paragraph 44, (1) BDG

Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen, und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.

Befehle der LPD NN

GZ NN vom 07.02.2017
Punkt 3. Meldepflicht

Meldepflichtige Maßnahmen im Sinne dieses Erlasses sind

3.2 die Anwendung sonstiger Zwangsmaßnahmen (z.B. Anwendung von Körperkraft, Anlegen von Handfesseln, Errichtung oder Beseitigung von Sperren udgl.) mit Verletzungs- oder Sachschadensfolgen.

4. Pflichten der Zwang ausübenden Organe

Für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die eine der unter Punkt 3. genannten Maßnahmen ausgeübt haben, besteht die Verpflichtung

         4.1     zur notwendigen und zumutbaren Hilfeleistung und Schadensbegrenzung,

         4.2     zur unverzüglichen Meldung an den unmittelbaren Vorgesetzten und

GZ NN vom 04.08.2014 - Verwendung des Anhalteprotokolls bei Festnahmen

Bei jeder Freiheitsentziehung gewährleistet der Gesetzgeber der festgenommenen Person bestimmte Verständigungs- bzw. Informationsrechte. Diese Rechte bestehen unabhängig davon, nach welchen Grundlagen die Festnahme erfolgt. Auf Grund der Notwendigkeit der besseren Nachvollziehbarkeit, insbesondere über die erforderlichen Belehrungen von Personen, die festgenommen worden sind und in eine Polizeidienststelle gebracht wurden, ist ab sofort wie folgt vorzugehen: Die Verwendung des Anhalteprotokolls ist - unabhängig von der Rechtsgrundlage der Festnahme (StPO, VStG, FPG, BFA-VG, UbG…) - und auch schon bei kurzer Anhaltedauer erforderlich. Alle Anhaltungen in einem Haftraum sowie Vorführungen (sog.Terminvorführungen) sind entsprechend zu erfassen und zu dokumentieren. Aus diesem Grund ist ein Anhalteprotokoll (Download) grundsätzlich bei jeder Freiheitsentziehung, egal von welcher Dauer, erforderlich. Sobald eine Person festgenommen und in eine Polizeiinspektion bzw. auf eine Dienststelle der Bundespolizei in den Verwahrungs- bzw. Arrestbereich verbracht wird, ist folglich durch die aktenführende

Dienststelle ein Anhalteprotokoll (Downloadbereich bzw. PAD) aufzunehmen. Im Anhalteprotokoll ist die gesamte Freiheitsbeschränkung von der Festnahme bis zum Abgang (z.B. Entlassung, Einlieferung, Überstellung) zu dokumentieren.

Zur Schuldfrage

Gemäß Paragraph 95, Absatz 2, BDG ist die DK an die einem rechtskräftigen Urteil eines Strafgerichtes zugrundgelegte Sachverhaltsdarstellung gebunden. Es ist daher erwiesen, dass der DB das Vergehen der schweren Körperverletzung nach Paragraph 84, Absatz eins, StGB zu verantworten hat. Der DB ist überführt, im Zuge einer Routineamtshandlung und ohne vorangegangenen Angriff auf ihn oder eine andere Person, einen hilflosen Mann durch aggressive Gewaltanwendung zu Boden gebracht und schwer am Körper verletzt zu haben. Dies stellt einen schwerwiegenden polizeilichen Übergriff dar, bei dem eine hilflose Person überzogener Gewaltanwendung ausgesetzt war. Es besteht daher ein disziplinärer Überhang, der sich wie folgt darstellt:

Dienstpflichtverletzung nach Paragraph 43, Absatz eins, BDG

Gemäß Paragraph 43, Absatz eins, BDG hat der Beamte seine dienstlichen Aufgaben treu, gewissenhaft und engagiert aus eigenem zu erfüllen. Er darf also während der Ausübung seines Dienstes keine strafbaren Handlungen (Beachtung der geltenden Rechtsordnung; VwGH 4.9.1990, 88/09/0013) begehen und muss die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erledigen (treu und gewissenhaft). Diese Norm verpflichtet den Beamten bei Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben die von ihm zu vollziehenden Verwaltungsvorschriften zu beachten und alles zu unterlassen, was die Interessen des Dienstgebers schädigen könnten. Die „Beachtung der geltenden Rechtsordnung“ bedeutet jedoch darüber hinaus, dass der Beamte bei der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben gerichtlich strafbare Handlungen zu unterlassen hat. Als nach Paragraph 43, Absatz eins, BDG relevante Rechtsverletzung wurde es von der Judikatur etwa erachtet, wenn ein Beamter – wie im konkreten Fall – körperliche Übergriffe (DOK 84/14-DOK/09, vom 13.06.2010) zu verantworten hat.

Im konkreten Fall ist der Disziplinarbeschuldigte überführt, in Ausübung seines Dienstes und zur Durchsetzung einer rechtmäßigen Amtshandlung, nämlich der zwangsweisen Einlieferung in das Krankenhaus (Paragraph 46, SPG, Paragraph 9, UbG), einen rechtswidrigen Übergriff auf die körperliche Unversehrtheit einer Person vorgenommen und dadurch die Strafgesetze verletzt zu haben. Er hat den von der Amtshandlung betroffenen hilflosen und körperlich offenbar weit unterlegenen Mann, der seiner Einlieferung in das Krankenhaus nicht zustimmte, aber sonst offenbar weder wesentlichen passiven Widerstand leistete, noch tätlich war, mit unverhältnismäßiger Gewaltanwendung von einer Sitzbank hochgerissen und dadurch zu Sturz gebracht. Das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten ist geeignet, die Pflicht auf rechtmäßiges und treues Verhalten während der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zu verletzen.

Dienstpflichtverletzung nach Paragraph 43, Absatz 2, BDG

Gemäß Paragraph 43, Absatz 2, BDG ist der Beamte verpflichtet in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176); insofern stellt Paragraph 43, Absatz 2, BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Paragraph 43, Absatz 2, BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen vergleiche z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen vergleiche dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu Paragraph 43, BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach entschieden hat, erfordert gerade der Exekutivdienst ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Beamten einerseits, sowie der Beamtenschaft und der Öffentlichkeit andererseits vergleiche in dieser Hinsicht beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200, vom 19.12.1996, Zl. 96/09/0153, und vom 7.5.1997, Zl. 95/09/0045). Durch die Straftat und damit in Zusammenhang stehenden Dienstpflichtverletzungen, derer der Disziplinarbeschuldigte überführt ist und die in Ausübung seines Dienstes begangen wurden, hat er das ihm vom Dienstgeber eingeräumte Vertrauen, aber auch das Vertrauen der Allgemeinheit beeinträchtigt. Es ist nicht zu tolerieren, dass ein Polizeibeamter in Ausübung seines Dienstes – wenngleich die Amtshandlung wegen der völlig mit Exkrementen verdreckten Wohnung sicherlich belastend und insofern außergewöhnlich war – mit unverhältnismäßiger körperlicher Gewalt gegen einen hilflosen Mann vorgeht, um das Einschreiten „möglichst rasch hinter sich zu bringen“. Er hat damit ein Fehlverhalten realisiert, welches auch nach der ständigen Judikatur der Disziplinaroberkommission (bis 31.12.2013) bzw. des Bundes-Verwaltungsgerichts geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstgebers im Sinne des Paragraph 43, Absatz 2, BDG zu beeinträchtigen. Gerade die uneingeschränkte Integrität des Beamtentums, ihre Unbefangenheit und Verbundenheit mit den rechtlichen Werten ist von besonderer Bedeutung für das Vertrauen des Bürgers in den gesamten Polizei- bzw. Beamtenapparat. Dem Verhalten von Beamten, welche mit wichtigsten Aufgaben der Hoheitsverwaltung betraut sind, kommt in der Öffentlichkeit besonderer Stellenwert zu. Der Bürger erwartet sich zu Recht, dass die Polizei ihre Aufgaben - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität - in kompetenter, effizienter und bürgernaher Weise erfüllt. Dazu gehört es auch, dass Polizeibeamte die von ihnen zu vollziehenden Gesetze selbst einhalten, somit auch nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten besonders gesetzestreu sind und sich auch so verhalten. Nur dadurch kann ein Polizeibeamter seine Glaubwürdigkeit und die seines Wachkörpers erhalten. Das Verhalten des damals offenbar überforderten Disziplinarbeschuldigten war wegen der überzogenen Gewaltanwendung geeignet, das Vertrauen in die Polizei und die Professionalität ihrer Mitarbeiter zu beeinträchtigen. Von ausgebildeten Polizeibeamten, die eine langjährige berufliche Erfahrung haben, muss aber erwartet werden, dass sie in der Lage sind, Amtshandlungen mit möglichster Schonung der Person durchzusetzen. Im konkreten Fall wäre es wohl ein leichtes gewesen, den Küchentisch zur Seite zu schieben und den Mann sodann mit maßhaltender Körperkraft von der Bank aufzuheben und zum bereitgestellten Sessel zu begleiten, allenfalls auch zu tragen. Dass man bei einem körperlich weit unterlegenen und hilflosen Mann einsatztaktische Griffe anwendet, wie sie grundsätzlich nur zur Brechung aktiven oder massiven passiven Widerstandes zulässig sind, wirft ein bedenkliches Bild auf die Polizei und ihre Professionalität. Die Tathandlung des Disziplinarbeschuldigten ist daher nicht nur geeignet, sein eigenes Ansehen, sondern das der gesamten mit polizeilichen Aufgaben betrauten Sicherheitsverwaltung zu schädigen.

Strafbemessung - Paragraph 93, BDG

Gemäß Paragraph 93, Absatz eins, BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezial- und Generalprävention notwendig erscheint vergleiche Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

                                                                                            

Milderungsgründe:

    Reumütiges, volles Geständnis

    disziplinäre und strafrechtliche Unbescholtenheit

    gute Dienstbeschreibung

Insgesamt liegt bereits eine schwerere Verletzung von Dienstpflichten vor, weshalb der erkennende Senat die Verhängung einer Geldstrafe sowohl in spezial- als auch in generalpräventiver Hinsicht als notwendig erachtete. Dem Antrag der Disziplinaranwaltschaft auf Verhängung einer Geldstrafe war daher stattzugeben, wenngleich sie aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens im unteren möglichen Bereich (etwas mehr als 1 Monatsbezug) angesetzt werden konnte. Wenngleich die Dienstpflichtverletzung ein beträchtliches Gewicht hat, so hat sich nunmehr doch erwiesen, dass es sich beim Beamten keinesfalls um einen gedankenlos zu besonderer Gewaltausübung bereiten Menschen handelt. Die DK gelangte im Zuge der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung, dass er aus völliger Überforderung mit der konkreten Situation (verdreckte Wohnung, verdrecktes Opfer) überschießend und unverhältnismäßig reagiert hatte. Durch die gewählte Sanktion ist der Unrechtsgehalt seiner Tat ausreichend gesühnt und bedarf es spezialpräventiv keiner höheren Strafe. Maßgebend für diese relativ milde Strafe war die auch von der DK zu berücksichtigende besondere Situation am Tatort, sowie das volle und reumütige Geständnis. Der erkennende Senat konnte bei seiner Entscheidung daher davon ausgehen, dass der Beamte zwar ein massives Fehlverhalten an den Tag legte, es aber doch ein einmaliges Versagen gewesen sein sollte.

Spruchteil II

Das durchgeführte Beweisverfahren – zum Teil in Verbindung mit dem rk Freispruch des LG NN zum Vorwurf einer weiteren Körperverletzung – hat ergeben, dass der DB diese Taten nicht begangen hat. Er war daher gemäß Paragraphen 118, Absatz eins, Ziffer 1, 126 Absatz 2, BDG vom Vorwurf der Begehung von Dienstpflichtverletzungen freizusprechen.

Zu Punkt 1b. des EB

Wie schon oben ausgeführt, ist die DK an ein rechtskräftiges Urteil eines Strafgerichtes gebunden. Der DB wurde vom Vorwurf einer (weiteren) Körperverletzung freigesprochen. Ein disziplinärer Überhang ist nicht erkennbar.

Zu Punkt 2. des EB

Aus dem zum Zeitpunkt der Tat (19. Mai 2017) noch gültigen Befehl der LPD NN vom 04.08.2014, Zahl NN, ergibt sich ausdrücklich, dass ein Anhalteprotokoll nur bei einer Verwahrung in der PI (Haftraum) bzw. Vorführungen zu erstellen ist. Ein Bezug zu Maßnahmen nach dem UbG wird – anders als bei dem ab 28. Juni 2017 (Zahl NN) geltenden Befehl - nicht hergestellt. Der Vorwurf, dass der DB die Erstellung unterlassen hat, kann daher nicht mehr aufrechterhalten werden. Selbst wenn man dies annehmen würde, wäre es die Aufgabe des zu diesem Zeitpunkt bereits informierten PI-Kommandanten gewesen, dies sicherzustellen.

Zu Punkt 3. des EB

Aus Punkt 4.2 des Befehles GZ NN vom 07.02.2017 ergibt sich, dass die zwangsausübenden Polizeibeamten zur unverzüglichen Meldung an den Dienstvorgesetzten verpflichtet sind. Alle weiteren Maßnahmen, wie insbesondere die Erstattung der schriftlichen Zwangsmittelanwendung samt Tagesmeldung, sowie der Durchführung der entsprechenden Ermittlungen obliegen sodann dem Dienstvorgesetzten. Aus der Aussage des Zeugen ergibt sich, dass die Zwangsmittelanwendung dem PI-Kommandanten sofort nach dem Einrücken gemeldet wurde. Die Pflicht für die befehlsgemäße Durchführung aller weiteren Maßnahmen samt den sich bereits aus Paragraph 45, BDG ergebenden Pflichten oblag daher ab diesem Zeitpunkt dem Inspektionskommandanten.

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2019

Dokumentnummer

DKT_BMI_20181022_19_DK_17_00

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