Gleichbehandlungskommissionen ab 2014

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Dokument GBK /910/19

Entscheidende Kommission

Gleichbehandlungskommission

Senat

I

Entscheidungsart

Einzelfallprüfungsergebnis

Geschäftszahl

GBK /910/19

Entscheidungsdatum

10.12.2019

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses

Text

GBK I/910/19

Bundeskanzleramt

Senat römisch eins der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß Paragraph 12, GBK/GAW-Gesetz

Bundesgesetzblatt Nr. 108 aus 1979, idgF)

Der Senat römisch eins der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 10. Dezember 2019 über den am 25. Juni 2019 eingelangten Antrag von A ( Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß Paragraph 3, Ziffer eins, GlBG Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 66 aus 2004, idgF) durch B ( Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß Paragraph 12, GBK/GAW-Gesetz in Verbindung mit Paragraph 11, der Gleichbehandlungskommissions-GO Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 396 aus 2004, idgF), zu GZ GBK I/910/19, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß Paragraph 3, Ziffer eins, GlBG durch B (Betreiber des Gasthauses römisch zehn) diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Antragsteller habe sich am 21. Juni 2019 beim Gasthaus römisch zehn in … telefonisch als Kellner beworben.

Im Zusammenhang mit seiner Bewerbung liege eine Diskriminierung im Sinne des GlBG vor. Folgendes habe sich zugetragen:

Der Antragsteller habe die Stellenanzeige auf Facebook erhalten und daraufhin die angeführte Nummer gewählt. Der Antragsgegner, der abgehoben habe, habe ihm, nachdem er sich vorgestellt habe, nur gesagt, ob er eigentlich nicht lesen könnte, denn es würde eine Kellnerin gesucht werden. Danach sei das Gespräch beendet worden.

Der Antragsteller fühle sich nicht nur durch das Inserat, sondern auch durch das Verhalten aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt.

In der auf Ersuchen des Senates römisch eins der GBK vom Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 18. Juli 2019 und den nachfolgenden Konkretisierungen vom 31. Juli und 7. August 2019 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Zum gegenständlichen Vorwurf teile der Antragsgegner mit, dass offensichtlich ein Schreibfehler passiert sei und das Binnen-I nicht großgeschrieben worden sei. Dies bedauere er, sehe aber gegenständlich keine Diskriminierung.

Es habe zu keinem Zeitpunkt – weder schriftlich oder mündlich in einem Telefonat – eine Diskriminierung seinerseits stattgefunden.

Der Antragsteller habe ihn wegen der offenen Stelle als KellnerIn angerufen. Im Hochbetrieb und Stress habe der Antragsgegner ihm gesagt, er würde eine Kellnerin suchen. Bedauerlicherweise habe er stressbedingt einfach aufgelegt. Natürlich tue ihm das jetzt leid.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat römisch eins der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und des Antragsgegners. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Stellenausschreibung vom Juni 2019.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 66 aus 2004, idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des Paragraph 3, GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Der Senat römisch eins der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, der Antragsteller sei im Zuge seiner Bewerbung aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden, da die Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral formuliert gewesen sei und ihm auch telefonisch mitgeteilt worden sei, dass eine Kellnerin gesucht werden würde, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Antragsteller bewarb sich am 21. Juni 2019 telefonisch auf eine fünf Tage zuvor auf der Facebook-Seite des Antragsgegners veröffentlichte Stellenausschreibung.

Die Stellenausschreibung lautete wie folgt:

„Wirt in …

sucht Kellnerin für 30-40 Stunden!

Tel.: …

Gehalt nach vereinbarung (sic!)“

Der Antragsteller kontaktierte den Antragsgegner. Im Zuge dieses Telefonats wurde ihm vom Antragsgegner mitgeteilt, dass dieser eine Kellnerin suche. Danach legte der Antragsgegner auf.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß Paragraph 3, Ziffer eins, GlBG vor.

Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des in der Regel vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen von ArbeitgeberInnen oder für diese handelnde Personen Bedacht zu nehmen (Vertragsanbahnung).4

Erfolgt die Vertragsanbahnung mit Hilfe einer Stellenausschreibung, dann muss das Gleichbehandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach Paragraph 3, Ziffer eins, vom Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gemäß Paragraph 9, abgegrenzt werden. Obwohl die beiden Regelungen in engem Zusammenhang stehen, erfüllen nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen „als solche“ in der Regel den Diskriminierungstatbestand gemäß Paragraph 3, Ziffer eins, nicht und können daher auch die im Paragraph 12, Absatz eins, für Einstellungsdiskriminierungen vorgesehenen Rechtsfolgen (Schadenersatzansprüche) nicht auslösen. Ausschreibungsmängel führen hingegen nach Paragraph 10, zu Verwarnungen5 oder zu Geldstrafen6 für die nicht normkonform ausschreibenden ArbeitgeberInnen und ArbeitsvermittlerInnen. Somit ist das Ausschreibungsverfahren selbst an Paragraph 9, zu messen; die Bearbeitung der daraufhin einlangenden Bewerbungen ist hingegen bereits nach dem Gleichbehandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach Paragraph 3, Ziffer eins, zu beurteilen. Missachtungen des Gebots der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung sind aber – zB in einem späteren Rechtsstreit – ein gewichtiges Indiz für eine darauf folgende Einstellungsdiskriminierung.7

Da der gegenständliche Sachverhalt außer Streit steht, beschränkte sich die Prüfung durch den Senat auf die Klärung der Frage, ob der Antragsteller durch die Ablehnung seiner Bewerbung aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden ist.

Die Überprüfung erfolgte im Rahmen eines Aktenverfahrens auf Grundlage der schriftlichen Eingaben des Antragstellers und des Antragsgegners.

Die beanstandete Position als KellnerIn war nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben vergleiche Paragraph 9, Absatz eins, GlBG). Die in Paragraph 9, Absatz eins, GlBG enthaltene Ausnahmebestimmung, dass geschlechtsspezifisch ausgeschrieben werden darf, wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist, kommt hier nicht zum Tragen. Es lagen keine Voraussetzungen vor, die ein Tätigwerden des Antragstellers als Kellner in einem Gasthaus praktisch oder rechtlich ausschließen. Weiters lag kein gesetzliches Beschäftigungsverbot im Einzelfall vor.8

Das Argument in der Stellungnahme vom 18. Juni 2019, es sei in der Stellenausschreibung das Binnen-I nicht großgeschrieben worden, wertet der Senat als Schutzbehauptung. Der Antragsgegner gab in seiner Stellungnahme vom 7. August 2019 zu, dass er im Zuge des Telefonats mit dem Antragsteller gesagt hat, dass er eine Kellnerin suche. Dieses Telefonat fand statt, nachdem die Stellenausschreibung auf der Facebook-Seite des Antragsgegners gepostet wurde. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass es sich nicht nur um einen Tippfehler gehandelt hat, sondern tatsächlich ausschließlich nach weiblichem Personal gesucht wurde.

Auf die fachliche (Nicht-)Eignung des Antragstellers wurde vom Antragsgegner im Telefonat in keinster Weise eingegangen. Dem Antragsteller wurde somit eindeutig eine Absage auf Grund seines Geschlechtes erteilt. Dies zeigt sich auch daran, dass der Antragsgegner, nachdem er die Bemerkung, er würde eine Kellnerin suchen, getätigt hat, auflegte.

Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist dann zu verneinen, wenn BewerberInnen, die die Mindestanforderungen für die zu besetzende Stelle offensichtlich nicht erfüllen, vom/von der ArbeitgeberIn nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen werden. Beim Fehlen jeglicher Eignung kann auch dann nicht von einer Benachteiligung wegen des Geschlechtes gesprochen werden, wenn im konkreten Einstellungsverfahren entweder nur Frauen oder nur Männer davon betroffen sind.9 Der Senat schließt aus, dass dem Antragsteller jegliche Eignung für die Tätigkeit eines Kellners fehlt.

Zur Qualifikation des Antragstellers ist zudem festzuhalten, dass eine Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses auch dann vorliegt, sollte der Antragsteller als nicht bestqualifiziertester Bewerber durch die Ablehnung seiner Bewerbung aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert worden sein (Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 2, GlBG).

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des Paragraph 12, Absatz 12, GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Antragstellers ausschlaggebend waren.

VORSCHLAG

Gemäß Paragraph 12, Absatz 3, GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Absatz 3, nicht entsprochen, kann gemäß Paragraph 12, Absatz 4, GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat römisch eins der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, B, gemäß Paragraph 12, Absatz 3, GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 10. Dezember 2019

Mag.a Stefanie Mandl, MA

Stv. Vorsitzende des Senates römisch eins der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 3, Rz 13.

5  Dies gilt gemäß Paragraph 10, Absatz 2, GlBG für den „ersten Verstoß“ des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin.

6  Vgl. Paragraph 10, Absatz eins, GlBG für ArbeitsvermittlerInnen und Paragraph 10, Absatz 2, GlBG für den/die ArbeitgeberIn bei wiederholter gesetzwidriger Ausschreibung.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 3, Rz 19.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 9, Rz 17.

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 3, Rz 29.

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020

Dokumentnummer

GBK_I_20191210_GBK__910_19

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