Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 31.08.2020 einen Antrag auf subsidiären Schutz in Österreich.
2. Am 02.09.2020 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt, wo der Beschwerdeführer unter anderem angab, somalischer Staatsangehöriger, Angehöriger des Clans XXXX und sunnitischer Muslim zu sein sowie aus XXXX zu stammen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Somalia aus Angst vor den Al Shabaab verlassen habe. Diese hätten einige Familienmitglieder getötet. Sein Vater sei Parlamentsabgeordneter der somalischen Regierung gewesen. Al Shabaab habe seinen Vater bedroht und gezwungen, dass dieser mit seiner Arbeit aufhöre. Sein Vater habe mit seiner Arbeit aufgehört und verstecke sich in der Stadt XXXX . 2. Am 02.09.2020 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt, wo der Beschwerdeführer unter anderem angab, somalischer Staatsangehöriger, Angehöriger des Clans römisch 40 und sunnitischer Muslim zu sein sowie aus römisch 40 zu stammen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Somalia aus Angst vor den Al Shabaab verlassen habe. Diese hätten einige Familienmitglieder getötet. Sein Vater sei Parlamentsabgeordneter der somalischen Regierung gewesen. Al Shabaab habe seinen Vater bedroht und gezwungen, dass dieser mit seiner Arbeit aufhöre. Sein Vater habe mit seiner Arbeit aufgehört und verstecke sich in der Stadt römisch 40 .
3. Von der belangten Behörde wurde ein Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 19.10.2020 in Auftrag gegeben, woraus sich ein spätestmögliches „fiktives“ Geburtsdatum mit XXXX ergibt. 3. Von der belangten Behörde wurde ein Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 19.10.2020 in Auftrag gegeben, woraus sich ein spätestmögliches „fiktives“ Geburtsdatum mit römisch 40 ergibt.
4. Am 11.03.2021 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Dabei gab der Beschwerdeführer u.a. an, dass er gesund sei, aus dem Dorf XXXX , dem Bezirk XXXX , der Provinz XXXX stamme und seine Muttersprache Somalisch - Dialekt XXXX sei. Er habe keine Schule besucht, sondern sein Großvater habe ihm ein bisschen Schreiben beigebracht. Er verfüge weder über eine Berufsausbildung noch über Berufserfahrung. Zu seiner Familie in Somalia habe er keinen Kontakt mehr. Seine Mutter habe mit seinen fünf Geschwistern zuletzt im Heimatdorf gelebt. Seinen Vater habe er zuletzt gesehen, als er fünf Jahre alt gewesen sei. Dabei gab der Beschwerdeführer u.a. an, dass er gesund sei, aus dem Dorf römisch 40 , dem Bezirk römisch 40 , der Provinz römisch 40 stamme und seine Muttersprache Somalisch - Dialekt römisch 40 sei. Er habe keine Schule besucht, sondern sein Großvater habe ihm ein bisschen Schreiben beigebracht. Er verfüge weder über eine Berufsausbildung noch über Berufserfahrung. Zu seiner Familie in Somalia habe er keinen Kontakt mehr. Seine Mutter habe mit seinen fünf Geschwistern zuletzt im Heimatdorf gelebt. Seinen Vater habe er zuletzt gesehen, als er fünf Jahre alt gewesen sei.
Zu seinen Fluchtgründen gab er ergänzend im Wesentlichen an, dass das Heimatdorf des Beschwerdeführers in den Händen der Al Shabaab gewesen sei. Sein Vater habe in der Stadt XXXX gelebt, wo ihn seine Mutter regelmäßig besucht habe. Als die Al Shabaab erfahren hätten, dass seine Mutter noch immer mit seinem Vater verheiratet sei, wären sie zu ihnen nachhause gekommen und hätten seine Mutter und ihn geschlagen. Sie hätten seine Mutter für einen Tag mitgenommen, gefoltert und geschlagen. Danach seien sie noch zweimal zu ihnen nachhause gekommen und hätten nach seinem Vater gefragt. Beim dritten Mal hätten sie gedroht, dass sie beim nächsten Mal den Beschwerdeführer mitnehmen würden, wenn sie nicht sage, wo ihr Mann sei. Bereits 2018 sei seine Tante getötet worden. Seine Cousine sei daraufhin nach Kenia geflohen.Zu seinen Fluchtgründen gab er ergänzend im Wesentlichen an, dass das Heimatdorf des Beschwerdeführers in den Händen der Al Shabaab gewesen sei. Sein Vater habe in der Stadt römisch 40 gelebt, wo ihn seine Mutter regelmäßig besucht habe. Als die Al Shabaab erfahren hätten, dass seine Mutter noch immer mit seinem Vater verheiratet sei, wären sie zu ihnen nachhause gekommen und hätten seine Mutter und ihn geschlagen. Sie hätten seine Mutter für einen Tag mitgenommen, gefoltert und geschlagen. Danach seien sie noch zweimal zu ihnen nachhause gekommen und hätten nach seinem Vater gefragt. Beim dritten Mal hätten sie gedroht, dass sie beim nächsten Mal den Beschwerdeführer mitnehmen würden, wenn sie nicht sage, wo ihr Mann sei. Bereits 2018 sei seine Tante getötet worden. Seine Cousine sei daraufhin nach Kenia geflohen.
Der Beschwerdeführer legte Dokumente vor und zeigte ein Video, worin laut Aussagen des Beschwerdeführers über den Tod seiner Tante berichtet worden sei.
5. Mit Schreiben vom 18.03.2021 gab der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen ab. Er führte zu den asylrelevanten Länderfeststellungen im Wesentlichen aus, dass Teile Süd- und Zentralsomalias unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der Al Shabaab stehen würden. Ziel der Al Shabaab sei es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben. Bereits gesetzte Verfolgungshandlungen könnten im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungshandlung darstellen. Die Verfolgung von Regierungsmitglieder und ihren Angehörigen sowie die Methode der Al Shabaab, Familien unter Druck zu setzen, um an die ins Visier geratene Person zu gelangen, sei bekannt. Ein weiteres Indiz sei die Tötung seiner Tante in der Hauptstadt.
6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 02.04.2021 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab und erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilte dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr. 6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 02.04.2021 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab und erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia in Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 zu. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilte dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt römisch III. gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr.
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer Somalia aufgrund der Al Shabaab verlassen habe. Für die Behörde stehe fest, dass er keiner Bedrohung bzw. Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt sei.
7. Der Beschwerdeführer erhob durch seine bevollmächtigte Vertretung mit Schreiben vom 23.04.2021 gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides fristgerecht Beschwerde. Dazu führte er im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und die getroffenen Länderfeststellungen unvollständig seien. Er verwies auf einen Bericht vom 26.11.2020 des Mediums AA (Anadolu Agency), wonach eine siebenköpfige Familie, die in der Heimatregion des Beschwerdeführers gelebt habe, durch die Al Shabaab getötet worden sei, da der Vater der Familie ein Bundessoldat und sohin der Regierung zugehörig gewesen sei. Des Weiteren brachte er vor, dass Al Shabaab erst über die Tante des Beschwerdeführers, welche 2018 umgebracht worden sei, erfahren habe, dass sein Vater und seine Mutter verheiratet seien. Daher hätten die Bedrohungen der Al Shabaab erst später angefangen. Die vorgelegten Dokumente seines Vaters seien von seiner Cousine, die Kontakt zu seinem Vater gehabt habe, die Dokumente gespeichert und dem Beschwerdeführer später zugeschickt habe. Diese befinde sich selbst in einem Flüchtlingslager und habe keinen Kontakt mehr zum Beschwerdeführer.7. Der Beschwerdeführer erhob durch seine bevollmächtigte Vertretung mit Schreiben vom 23.04.2021 gegen den Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides fristgerecht Beschwerde. Dazu führte er im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und die getroffenen Länderfeststellungen unvollständig seien. Er verwies auf einen Bericht vom 26.11.2020 des Mediums AA (Anadolu Agency), wonach eine siebenköpfige Familie, die in der Heimatregion des Beschwerdeführers gelebt habe, durch die Al Shabaab getötet worden sei, da der Vater der Familie ein Bundessoldat und sohin der Regierung zugehörig gewesen sei. Des Weiteren brachte er vor, dass Al Shabaab erst über die Tante des Beschwerdeführers, welche 2018 umgebracht worden sei, erfahren habe, dass sein Vater und seine Mutter verheiratet seien. Daher hätten die Bedrohungen der Al Shabaab erst später angefangen. Die vorgelegten Dokumente seines Vaters seien von seiner Cousine, die Kontakt zu seinem Vater gehabt habe, die Dokumente gespeichert und dem Beschwerdeführer später zugeschickt habe. Diese befinde sich selbst in einem Flüchtlingslager und habe keinen Kontakt mehr zum Beschwerdeführer.
Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
8. Die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides vom 02.04.2021 erwuchsen in Rechtskraft. 8. Die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. des Bescheides vom 02.04.2021 erwuchsen in Rechtskraft.
9. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 26.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo sie am 28.04.2021 in der Gerichtsabteilung W205 einlangten. (vgl. OZ 1)9. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Schreiben vom 26.04.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo sie am 28.04.2021 in der Gerichtsabteilung W205 einlangten. vergleiche OZ 1)
10. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.06.2022 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W205 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W265 neu zugewiesen, wo dieses am 27.06.2022 einlangte. (vgl. OZ 4)10. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.06.2022 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W205 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W265 neu zugewiesen, wo dieses am 27.06.2022 einlangte. vergleiche OZ 4)
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.09.2022 u.a. im Beisein der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher er ausführlich zu seinen Fluchtgründen und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat befragt wurde. (vgl. OZ 14)11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.09.2022 u.a. im Beisein der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher er ausführlich zu seinen Fluchtgründen und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat befragt wurde. vergleiche OZ 14)
Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.
Zu den in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderinformationen gab die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers keine Stellungnahme ab und verwies auf die Ausführungen in der Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie die Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch genannten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie die Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des im Spruch genannten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX , in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Er ist sunnitischer Muslime, Staatsangehöriger von Somalia und Angehöriger des Clans XXXX und des Subclans XXXX . Seine Muttersprache ist Somalisch. Er spricht den Dialekt XXXX . Er ist ledig und hat keine Kinder.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 im Dorf römisch 40 , im Bezirk römisch 40 , in der Provinz römisch 40 geboren und aufgewachsen. Er ist sunnitischer Muslime, Staatsangehöriger von Somalia und Angehöriger des Clans römisch 40 und des Subclans römisch 40 . Seine Muttersprache ist Somalisch. Er spricht den Dialekt römisch 40 . Er ist ledig und hat keine Kinder.
Er hat eine Koranschule besucht und verfügt weder über eine Berufsausbildung noch über Berufserfahrung. Sein Großvater hat ihm Schreiben beigebracht.
Seine Mutter lebte zuletzt mit seinen fünf Geschwistern in seinem Heimatdorf. Sie lebten von der Viehwirtschaft. Sein Vater, mit dem er seit seinem fünften Lebensjahr keinen Kontakt mehr hat, lebte zuletzt in XXXX . Sein Onkel lebte zuletzt in XXXX . Eine Cousine lebt in Kenia.Seine Mutter lebte zuletzt mit seinen fünf Geschwistern in seinem Heimatdorf. Sie lebten von der Viehwirtschaft. Sein Vater, mit dem er seit seinem fünften Lebensjahr keinen Kontakt mehr hat, lebte zuletzt in römisch 40 . Sein Onkel lebte zuletzt in römisch 40 . Eine Cousine lebt in Kenia.
Der Beschwerdeführer reiste im Juni 2020 aus Somalia aus und stellte am 31.08.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer war in Somalia keiner Verfolgung oder Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab ausgesetzt. Sein Vater arbeitete nicht als Parlamentsabgeordneter und wurde auch nicht von Al Shabaab gesucht. Ebenso wurde seine Tante im Jahr 2018 nicht von Al Shabaab Mitgliedern umgebracht.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Somalia keine konkrete und individuelle Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch Al Shabaab oder andere Gruppierungen und Personen.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Somalia nicht allein aufgrund seiner Clanzugehörigkeit die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Somalia basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia aus dem COI-CMS, Version 4 vom 27.07.2022 (LIB)
- EUAA-Leitlinien zu Somalia (Akteure der Verfolgung oder des ernsthaften Schadens; Flüchtlingseigenschaft; subsidiärer Schutz; Schutzakteure; Alternative zum internen Schutz; Ausschluss) vom Juni 2022 (EUAA)
1.3.1. Politische Lage
1.3.1.1. Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung: 22.07.2022
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird. Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (LIB).
Staatlichkeit: Trotz massiver militärischer, diplomatischer und finanzieller Unterstützung hat die Regierung in Mogadischu kaum Fortschritte gemacht. Nach anderen Angaben hat Somalia in den vergangenen Jahren auf vielen Gebieten große Fortschritte erzielt. Der Staat ist etwa bei Steuereinnahmen effektiver geworden. Junge Somalis und Angehörige der Diaspora sind in der Zivilgesellschaft aktiv, und Mogadischu selbst hat sich stark verändert. Jedenfalls zeigt das Land trotz erzielter Fortschritte auch weiterhin alle Merkmale eines failed state . Laut einer anderen Quelle ist Somalia zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, wesentliche Staatsfunktionen können von ihnen nicht ausgeübt werden. Es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Bundesregierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen, da sie nur wenige Gebiete kontrolliert. Zudem hängt die Existenz des somalischen Staates zum größten Teil von der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ab. Dies gilt natürlich auch für die Umsetzung von Aktivitäten seitens der Regierung (LIB).
Wie auch in Afghanistan wurde in Somalia durch eine fremde Kraft ein bestehendes islamistisches Regime vertrieben – namentlich die Union Islamischer Gerichte durch Äthiopien im Jahr 2006; wie auch in Afghanistan begann danach ein von Außen betriebener Prozess zur Staatsbildung unter dem Schutz ausländischer Soldaten; und wie auch in Afghanistan ist es der Regierung nicht gelungen, ein ausreichendes Maß an Legitimität aufzubauen. Die Öffentlichkeit fühlt sich ignoriert, weil die Regierung nicht daran arbeitet, das Leben der Bürger zu verbessern. Dementsprechend erachten viele Bürger die Regierung als nutzlos. Selbst in Gebieten, die von der Regierung gehalten werden, tun sich die Verwaltungen schwer, auch nur grundlegende Dienste anzubieten. Gleichzeitig kämpfen die staatlichen Institutionen mit dem Erbe von jahrzehntelanger Korruption und von Missmanagement. Somalia schneidet bei den wichtigsten Benchmarks für gute Regierungsführung - Rechtsstaatlichkeit, Effektivität der Regierung, politische Stabilität, Beteiligung der Öffentlichkeit, Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruptionsbekämpfung - erschreckend schlecht ab. Die Ausübung von Macht durch die Politik erfolgt willkürlich. Und tatsächlich ist keine der Regierungen auf Bundes- oder Bundesstaatsebene nach irgendeinem Gesetz rechenschaftspflichtig. Selbst das somalische Parlament erwägt kaum jemals die Rechtmäßigkeit einer Angelegenheit, sondern fokussiert unmittelbar auf individuelle materielle Gewinne. Die Unvorhersagbarkeit und die chaotische Praxis der Politik haben die Entwicklung staatlicher Institutionen gehemmt und die Effektivität der Regierung sowie die Reichweite des Staates eingeschränkt. Die Unfähigkeit, gegen die endemische Korruption vorzugehen, behindert den Staatsbildungsprozess und den Aufbau von Institutionen; der politische Machtkampf hat das Vertrauen der Bevölkerung in bestehende staatliche Institutionen weiter geschwächt, die politischen Konflikte haben die Kluft zwischen den Fraktionen vergrößert. All dies zehrt einerseits an der Ausdauer der Geberländer und wird andererseits von al Shabaab ausgenutzt (LIB).
Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Seit 2016 und 2017 die fünf Bundesstaaten gegründet wurden, stockt der Verfassungsprozess. Grundlegende Fragen des Staatsaufbaus sind nicht geklärt. Dies lähmt staatliches Handeln und fördert politische Spannungen zwischen Mogadischu und den föderalen Gliedstaaten, weil eben die Verfassungsgebung und Kompetenzverteilung noch immer nicht abgeschlossen sind (LIB).
Regierung: Unter der bestehenden Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 wird der Präsident für eine Amtszeit von vier Jahren von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt. Der Präsident teilt sich seine exekutive Macht mit dem Premierminister, der wiederum nur mit Unterstützung des Parlaments arbeiten kann (LIB).
2017 wurde Farmaajo als Präsident gewählt, sein Mandat endete eigentlich am 8.2.2021, er regierte aber bis Mai 2022 weiter. Somalia stürzte in eine schwere Verfassungs- und politische Krise, in deren Folge es in Mogadischu zwischen Kräften der Regierung und Kräften der Opposition auch zu Kampfhandlungen kam. Nach dieser Eskalation im April 2021 konnte im Mai 2021 eine Einigung der Umsetzungsmodalitäten der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erzielt werden. Trotz aller Bekundungen konnten die eigentlich Ende 2020 geplanten Parlamentswahlen nicht demokratisch gestaltet werden. Stattdessen wurde wieder auf einen Selektionsprozess ähnlich wie bei den Wahlen 2016 zurückgegriffen. Zudem wurde der Wahlprozess zu einem Zweikammerparlament durch innenpolitische Streitigkeiten für mehr als ein Jahr verzögert. Mit der erneuten Wahl des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud (2012-2017) am 15.5.2022 ist der Wahlprozess mit großer Verzögerung abgeschlossen. Nach mehr als 15 Monaten Streitigkeiten sind die Wahlen ruhig verlaufen. Es gab 36 Kandidaten. Im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2017 hat diesmal Geld bzw. Stimmenkauf keine entscheidende Rolle gespielt. In der letzten Wahlrunde erhielt Farmaajo 110 Stimmen, Hassan Sheikh Mohamud 214 Stimmen. Der Wahlsieg wurde allgemein akzeptiert. Am 9.6.2022 wurde der neue Präsident angelobt. Dieser ernannte am 15.6.2022 Hamza Abdi Barre, einen ehemaligen Vorsitzenden der staatlichen Wahlkommission von Jubaland, zum Premierminister (LIB).
Parlament: Die provisorische Verfassung sieht ein Zweikammernparlament mit einem 275-köpfigen Unterhaus und einem 54 Senatoren umfassenden Oberhaus vor. Die Mitglieder zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt. Die Wahlen zum Oberhaus begannen im Juli 2021 und konnten nach Monaten der Streitigkeiten im November 2021 abgeschlossen werden. Sie wurden auf voller Breite manipuliert, nur um 15 der 54 Sitze gab es tatsächlich einen Wettstreit. Die meisten Senatoren sind nunmehr de facto von den Präsidenten der Bundesstaaten nominierte Alliierte, Freunde und manchmal auch Familienangehörige. Insgesamt hat es sich nicht um einen glaubwürdigen Wahlbewerb gehandelt, der Vorgang kann kaum als „Wahl“ bezeichnet werden (LIB).
Am 28.4.2022 wurde der Wahlprozess der am 29.7.2021 begonnenen Parlamentswahlen abgeschlossen. Alle 275 Abgeordneten zum Unterhaus waren gewählt, 20% davon sind Frauen. Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (LIB).
Demokratie: Seit Jahrzehnten hat es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene mehr gegeben. In Süd-/Zentralsomalia gibt es keine demokratischen Institutionen. Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung demokratisch nicht legitimierter traditioneller Strukturen (v. a. Clanstrukturen) vergeben. Eine andere Quelle gibt zu bedenken: Auch, wenn sie nicht wirklich frei und fair waren, so haben die in den letzten zwei Jahrzehnten in Somalia durchgeführten indirekten Wahlen zu Ergebnissen geführt, die im Allgemeinen von den politischen Akteuren und der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wurden. So wurden durch einen – gewaltfreien – Wahlprozess jeweils schwache, aber akzeptierte Institutionen geschaffen (LIB).
Aktuelle Politische Lage: Der neue Präsident hat von seinem Vorgänger eine politisierte, parteiische und unfähige Bürokratie geerbt. Die Nabad iyo Nolol (N&N, Friede und Leben), die Partei von Ex-Präsident Farmaajo, hat die letzten fünf Jahre damit verbracht, die Verwaltung ohne Skrupel zu zentralisieren. Die Regierung unter Farmaajo und dem NISA-Chef Fahad Yasin wollte gemäß einer Quelle in Richtung von Verhandlungen mit al Shabaab und einer Talibanisierung Somalias. Dutzende ehemalige Dschihadisten wurden von ihnen in Schlüsselpositionen der Bundesverwaltung und der Sicherheitskräfte gehievt, politische Führungskräfte und Minister wurden auf Basis von Loyalität und nicht von Kompetenz ausgewählt. Jeder, der als Bedrohung wahrgenommen wurde, wurde angegriffen. Die Bundesregierung und regionale Führer haben alles getan, um zeitgerechte und glaubwürdige Wahlen zu verhindern. Der Versuch, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Wahlen zu manipulieren, führte das Land in politisches Chaos. Die Verzögerungen, Zusammenstöße und Ungewissheiten rund um die Wahlen haben außerdem zu einem fast vollständigen Zusammenbruch hinsichtlich der Erfüllung von Regierungsfunktionen geführt. Dies hat wiederum zur Spaltung aller Sektoren - auch des Sicherheitsapparats - beigetragen. Der mehr als ein Jahr andauernde Streit um die Wahlen hat nicht nur die Regierungsarbeit gelähmt, er hat es ermöglicht, dass al Shabaab den angeschlagenen Staat weiter ausgehöhlt hat (LIB).
Dahingegen ist Präsident Hassan Sheikh gemäß Angaben einer Quelle ein Demokrat. Er will die Staatsbildung im Konsens fortführen. Um aber den Einfluss von N&N zu tilgen und eine inklusive Politik umzusetzen, wird es Zeit brauchen. Gleichzeitig wird N&N alles daran setzen, von Hassan Sheikh vorangetriebene Reformen zu sabotieren - und zwar von innerhalb der Regierung. Folglich ist das Machtzentrum Somalias nach der Machtübernahme durch den neuen Präsidenten paralysiert. Eine Elite im Wettstreit stehender islamistischer Fraktionen, die allesamt dem Föderalismus abgeneigt sind, versucht, Reformen zu hintertreiben oder rückgängig zu machen. Die N&N ist im Begriff, sich neu zu gruppieren. Der neue Präsident möchte dem mit einer Stärkung von Dam ul-Jadiid ["Partei" bzw. politisch-islamische Strömung des Präsidenten] entgegenwirken. Der Präsident ist moderat islamisch und keine Bedrohung für demokratische Werte. Insgesamt ist die Politik in Somalia zunehmend in der Hand von Eliten und fraktioniert. Clans üben weniger Macht aus, islamistische Fraktionen gewinnen an Macht und Einfluss (LIB).
Föderalisierung: Die Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 sieht föderale Strukturen vor. Seit damals sind sechs Entitäten durch die Bundesregierung als Bundesstaaten anerkannt worden: Puntland, Galmudug, Jubaland, South-West State (SWS) und HirShabelle. Jeder dieser Bundesstaaten hat eine eigene Verfassung. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet. Die Hauptstadtregion Benadir (Mogadischu) verbleibt als Banadir Regional Administration/BRA unter direkter Kontrolle der Bundesregierung . Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (LIB).
Unter der Regierung von Präsident Farmaajo waren die Beziehungen zwischen Bundesregierung und einigen Bundesstaaten angespannt. Dabei ging es um Fragen der Machtteilung, um Ressourcen, Territorien und die Kontrolle bewaffneter Kräfte. Grundsätzlich gibt es politische Uneinigkeit über die Frage, ob Bundesstaaten semi-autonom sein sollen oder ob mehr Macht bei der Bundesregierung zentralisiert sein soll. Zahlreiche Befugnisse wurden nicht geklärt. Das betrifft die Verteidigung, welche militärischen Truppen und Polizeieinheiten vor Ort eingesetzt werden können, die Frage der Ressourcenverteilung, die Verteilung von internationalen Hilfsgeldern. Auch Entwicklungszusammenarbeitsprojekte werden über die Zentralregierung in Mogadischu abgewickelt, und die Verteilung auf die Regionen ist strittig, ebenso die Fragen, wer welche Hoheiten über welche Verträge hat. Präsident Farmaajo hatte versucht, die Macht wieder zu zentralisieren. Zudem ist es den neuen Präsidenten der Bundesstaaten aufgrund ihrer Schwäche nicht gelungen, ihre Macht zu konsolidieren und staatliche Autorität auszuüben. Immer mehr Gebiete gingen an al Shabaab verloren (LIB).
1.3.1.1.1. South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle)
Letzte Änderung: 25.07.2022
Der SWS wurde in den Jahren 2014/2015 etabliert. Im Jänner 2019 ist mit Abdulaziz Hassan Mohamed 'Laftagareen' ein neuer Präsident angelobt worden. Der Bundesregierung wird vorgeworfen, sich in den Wahlkampf eingemischt zu haben. Ein Kandidat – der ehemalige stellvertretende Kommandant von al Shabaab, Mukhtar Robow – war verhaftet worden, was zu gewaltsamen Demonstrationen geführt hat. Die Amtszeit von Präsident Laftagareen läuft im Dezember 2022 aus. Mit der Einschüchterung von Gegnern wurde bereits begonnen. (LIB)
Im März 2020 haben Clanälteste ein neues Regionalparlament ausgewählt. Im Jahr 2021 konzentrierte sich die Regierung auf den Aufbau von Lokalräten in ausgewählten Bezirken. Dieser Prozess konnte in der offiziellen Hauptstadt des SWS, Baraawe (Lower Shabelle), in Waajid und Ceel Barde (Bakool) auch abgeschlossen werden. In den Gebieten, die in Bay von der Regionalregierung kontrolliert werden, funktioniert die Verwaltung einigermaßen. Beim Aufbau der Verwaltung konnten seit 2021 keine weiteren Fortschritte erzielt werden. (LIB)
1.3.2. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung: 25.07.2022
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIB).
1.3.2.1. Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung: 25.07.2022
Die Sicherheitslage bleibt instabil bzw. volatil, mit durchschnittlich 236 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat. Die meisten Vorfälle gingen auf das Konto von al Shabaab. Die Angriffe der Gruppe richten sich in erster Linie gegen somalische Sicherheitskräfte und AMISOM. Dabei werden Angriffe vorwiegend mit improvisierten Sprengsätzen und sogenannten hit-and-run-Angriffen durchgeführt. Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt, während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in vielen Teilen Süd-/Zentralsomalias berichtet. Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (LIB).
AMISOM hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle über die seit 2012 eroberten Gebiete. Allerdings konnten trotz internationaler Unterstützung kaum weitere territoriale Gewinne verzeichnet werden. Die somalische Regierung und AMISOM können keinen Schutz vor allgemeiner oder terroristischer Kriminalität im Land garantieren. Generell ist die Regierung nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf ATMIS - aber auch auf Unterstützung anderer Staaten angewiesen. Wenn ATMIS abzieht, würde Mogadischu rasch fallen. An dieser Situation wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Zudem ist die Regierung zum eigenen Überleben schon alleine deswegen auf ausländische Truppen und Hilfe angewiesen, weil sie nicht in der Lage ist, aus eigenen Mitteln Polizisten und Soldaten zu bezahlen (LIB).
Trend: Die Bundesregierung hat es nicht geschafft, die Reichweite staatlicher Institutionen in Bezug auf die Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums über Mogadischu hinaus auszuweiten. Der Kampf gegen al Shabaab stagniert seit mehreren Jahren. Die Regierung unter Präsident Farmaajo hat die vergangenen vier Jahre damit zugebracht, einen Krieg gegen den Föderalismus, politischen Pluralismus und demokratische Normen zu führen – aber nicht gegen al Shabaab. Die Gruppe ist heute stärker denn je und hat 2021 aggressiv expandiert. Dabei sah sich al Shabaab schon zuvor durch den Abzug der USA und einen Teilabzug äthiopischer Kräfte gestärkt. Danach hat sie die große politische Unsicherheit und die damit verbundenen Spannungen genutzt, um das Tempo ihrer Aktivitäten in Mogadischu und in den Bundesstaaten auch mittel- und langfristig aufrechterhalten zu können. Die Regierung unter Präsident Farmaajo hatte den Kampf gegen al Shabaab aufgeben, und immer mehr Gebiete gingen an die Gruppe verloren. Al Shabaab gewinnt an Boden und konnte im Jahr 2021 in Gebiete vordringen, die bis dahin als geschützt gegolten hatten - etwa in den Nordwesten von Galmudug und in die zuvor friedliche Küstenzone nordwestlich von Mogadischu in Middle Shabelle. Insgesamt konnte al Shabaab unter Ausnutzung der politischen Instabilität im Jahr 2021 in Galmudug, HirShabelle, Jubaland und dem SWS-Geländegewinne erzielen (LIB).
Auch der Konflikt zwischen der Bundesregierung und einzelnen Bundesstaaten wurde immer wieder gewaltsam ausgetragen. Im April 2021 ist es in Mogadischu zu Kampfhandlungen gekommen. Auch im September 2021 war die Situation in Mogadischu höchst angespannt. Der Zusammenhalt von Bundesregierung und Bundesstaaten wäre notwendig, weil al Shabaab die Fähigkeit besitzt, Brüche zwischen Bundes- und Regionalregierungen auszunutzen (LIB).
Die Operation Badbaado – 2019 zur Sicherung der westlichen Zugänge zu Mogadischu begonnen - hat sich totgelaufen und wurde nach der Einnahme von Janaale im März 2020 nicht weiterverfolgt. Sie hat lediglich einige unzusammenhängende Vorposten zwischen Mogadischu und Janaale hinterlassen, deren Zwischengebiete von al Shabaab kontrolliert werden. Die als Folgeoperation geplante Operation Badbaado II in Middle Shabelle ist de facto nie angelaufe). Seit Badbaado ist es zu keinem geplanten offensiven Vorgehen gegen al Shabaab mehr gekommen. Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch ATMIS kann ohne Beteiligung der Truppen der Bundesregierung nicht erwartet werde). Die Fähigkeit, mittlerweile auch die am sichersten eingestuften Ziele angreifen zu können, verdeutlicht dies umso mehr. Die Bundesarmee ist teils nicht in der Lage, FOBs (Forward Operating Base) zu halten. Mehrfach hat al Shabaab erfolgreich FOBs der Bundesarmee angegriffen und überwältigt. Derartige Operationen sind mittlerweile für al Shabaab die wichtigste Quelle an militärischem Nachschub (LIB).Die Operation Badbaado – 2019 zur Sicherung der westlichen Zugänge zu Mogadischu begonnen - hat sich totgelaufen und wurde nach der Einnahme von Janaale im März 2020 nicht weiterverfolgt. Sie hat lediglich einige unzusammenhängende Vorposten zwischen Mogadischu und Janaale hinterlassen, deren Zwischengebiete von al Shabaab kontrolliert werden. Die als Folgeoperation geplante Operation Badbaado römisch II in Middle Shabelle ist de facto nie angelaufe). Seit Badbaado ist es zu keinem geplanten offensiven Vorgehen gegen al Shabaab mehr gekommen. Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch ATMIS kann ohne Beteiligung der Truppen der Bundesregierung nicht erwartet werde). Die Fähigkeit, mittlerweile auch die am sichersten eingestuften Ziele angreifen zu können, verdeutlicht dies umso mehr. Die Bundesarmee ist teils nicht in der Lage, FOBs (Forward Operating Base) zu halten. Mehrfach hat al Shabaab erfolgreich FOBs der Bundesarmee angegriffen und überwältigt. Derartige Operationen sind mittlerweile für al Shabaab die wichtigste Quelle an militärischem Nachschub (LIB).
Noch im Mai und Juni 2021 hatte die Bundesarmee bei einer Offensive in Middle Shabelle bewiesen, dass sie zu einer ausschließlich auf eigenen Kräften beruhenden Initiative kaum in der Lage war. Die Operation endete unter großen Verlusten im Fiasko. Mit Antritt von Präsident Hassan Sheikh Mohamud im Mai 2022 haben somalische Kräfte plötzlich mehrere größere Erfolge gegen al Shabaab einfahren können. Einerseits konnte die Spezialeinheit Danab Ende Juni al Shabaab in HirShabelle mit einer Offensive überraschen und mehrere Stützpunkte der Gruppe zwischen Matabaan und Jowhar einnehmen. Andererseits wurden bei einem Zusammenspiel von Macawiisley und Ahlu Sunna Wal Jama'a in Galmudug dutzende Kämpfer der al Shabaab getötet. Dies waren die größten Verluste der Islamisten in den vergangenen fünf Jahren (LIB).
Al Shabaab führt nach wie vor einen Guerillakrieg mit gewalttätigen, extremistischen Taktiken. Die Gruppe bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden, Stabilität und Sicherheit. Die Gruppe ist in hohem Maß anpassungsfähig und mobil und kann ihren Einfluss auch in Gebieten außerhalb der eigenen Kontrolle geltend machen. Mit unterschiedlichen Methoden gelingt es al Shabaab, die Bevölkerung zu kontrollieren, Einfluss auf die Politik zu nehmen und in Süd-/Zentralsomalia für ein Klima der Angst zu sorgen: Kontrolle großer Gebiete; sogenannte hit-and-run-Angriffe gegen Städte und militärische Positionen; Ausnutzung von Clanstreitigkeiten mit einer Taktik des "teile und herrsche"; Unterbrechung von Hauptversorgungsrouten und Blockade von Städten; und in wichtigen Städten (z. B. Mogadischu, Baidoa, Galkacyo, Jowhar) gezielte Attentate, Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Mörserangriffe. Zusätzlich ist die Gruppe auch weiterhin in der Lage, größere - sogenannte "komplexe" - Angriffe durchzuführen. Insgesamt verfolgt al Shabaab eine klassische Guerilla-Doktrin: Die Einkreisung von Städten aus dem ländlichen Raum heraus. Die Präsenz von al Shabaab im ländlichen Raum hat 2021 zugenommen (LIB).
Im Zuge der Wahlen hat al Shabaab ihre Anschläge verstärkt. In Bevölkerungszentren - etwa Mogadischu, Kismayo und Baidoa - greift al Shabaab vorwiegend sogenannte "weiche" Ziele an. Damit sollen psychologische und hinsichtlich medialer Reichweite "sensationelle" Effekte erzielt werden, womit die Gruppe ihre Fähigkeiten zeigt und die Menschen einschüchtern möchte. Angegriffen werden Regierungseinrichtungen und Sicherheitskräfte, aber auch Hotels, Märkte und andere öffentliche Einrichtungen (LIB).
Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es regelmäßig zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. ATMIS und al Shabaab. Die Kriegsführung von al Shabaab erfolgt weitgehend asymmetrisch mit sog. hit-and-run-attacks, Attentaten, Sprengstoffanschlägen und Granatangriffen. Das Gros der Angriffe wird mit niedriger Intensität bewertet – jedoch sind die Angriffe zahlreich, zerstörerisch und kühn. Am meisten betroffen waren davon zuletzt Mogadischu, Lower Shabelle und Bay. Generell sind insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle betroffen. Auch entlang der Hauptversorgungsrouten unterhält al Shabaab weiterhin Angriffe, und die Gruppe hat einige davon einnehmen können (LIB).
Innerhalb der von al Shabaab gehaltenen Gebiete führen Bundesarmee und AMISOM kaum Operationen durch. Es kommt dort lediglich zu sporadischen Luftschlägen der USA. Die größte Einzeloffensive der Bundesregierung der vergangenen Jahre richtete sich im Oktober 2021 gegen ASWJ in Guri Ceel. Dabei wurden 120 Menschen getötet und hunderte verwundet. Dies war die blutigste Schlacht in Somalia seit dem Angriff der al Shabaab auf den kenianischen Stützpunkt in Ceel Cadde (Gedo) Anfang 2016 (LIB).
Gebietskontrolle: Al Shabaab wurde im Laufe der vergangenen Jahre erfolgreich aus den großen Städten gedrängt. Während AMISOM (bzw. als deren Nachfolgerin die ATMIS) und die Armee die Mehrheit der Städte halten, übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes die Kontrolle aus oder kann dort zumindest Einfluss geltend machen. Gleichzeitig hat al Shabaab die Fähigkeit behalten, in Mogadischu zuzuschlagen und hat Gebiete gefestigt, wo die Gruppe zuvor unter Druck von Regierungskräften gestanden ist. Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias befinden sich also teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle von al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen. Nach anderen Angaben besitzt die Bundesregierung kaum Legitimität und kontrolliert lediglich Mogadischu - und das nicht zur Gänze. In Baidoa und Jowhar hat sie stärkeren Einfluss. Ihre Verbündeten kontrollieren viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und ATMIS sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. In Gebieten, in welchen al Shabaab keine direkte Kontrolle ausübt - sei es wegen der Präsenz von somalischen oder internationalen Sicherheitskräften, sei es wegen der Präsenz von Clanmilizen - versucht die Gruppe die lokale Bevölkerung und die Ältesten durch Störoperationen entlang der Hauptversorgungsrouten zu bestrafen bzw. deren Unterstützung zu erzwingen. Gleichzeitig erhöht al Shabaab mit der Einnahme von Wegzöllen das eigene Budget. Gegen einige Städte unter Regierungskontrolle hält al Shabaab Blockaden aufrecht (LIB).
Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia befinden sich unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss von al Shabaab. Die wesentlichen, von al Shabaab verwalteten und kontrollierten Gebiete sind
1. das Juba-Tal mit den Städten Buale, Saakow und Jilib ; de facto die gesamte Region Middle Juba;
2. Jamaame und Badhaade in Lower Juba;
3. größere Gebiete um Ceel Cadde und Qws Qurun in der Region Gedo;
4. Gebiete nördlich und entlang des Shabelle in Lower Shabelle, darunter Sablaale und Kurtunwaarey;
5. der südliche Teil von Bay mit Ausnahme der Stadt Diinsoor; sowie Rab Dhuure;
6. weites Gebiet recht und links der Grenze von Bay und Hiiraan, inklusive der Stadt Tayeeglow;
7. sowie die südliche Hälfte von Galgaduud mit den Städten Ceel Dheere und Ceel Buur; und angrenzende Gebiete von Mudug und Middle Shabelle, namentlich die Städte Xaradheere (Mudug) und Adan Yabaal (Middle Shabelle) (LIB).
Die Regierung kontrolliert Städte und Orte nur punktuell als Inseln inmitten umstrittener und umkämpfter Gebiete. Selbst in diesen Städten und Orten wird die Regierung von Rebellen unterwandert. In Süd-/Zentralsomalia kann kein Gebiet als frei von al Shabaab bezeichnet werden – insbesondere durch die Infiltration mit verdeckten Akteuren kann al Shabaab nahezu überall aktiv werden. Ein Vordringen größerer Kampfverbände von al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und ATMIS – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden (BMLV 19.7.2022). Immer wieder gelingt es al Shabaab kurzfristig kleinere Orte oder Stützpunkte - etwa Matabaan - einzunehmen, um sich nach wenigen Stunden oder Tagen wieder zurückzuziehen (LIB).
Andere Akteure: Über drei Jahrzehnte gewaltsamer Konflikte haben die sozialen Brüche größer werden lassen. Kämpfe zwischen Clanmilizen und gewaltsame Auseinandersetzungen in Bundesstaaten und zwischen Bundesstaaten und der Bundesregierung kennzeichnen den anhaltenden Konflikt um Macht und Ressourcen. Diese Konflikte um z.B. Land und Wasser führen regelmäßig zu Gewalt. Es kommt immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander sowie zwischen Milizen einzelner Subclans bzw. religiöser Gruppierungen wie ASWJ. Solche Kämpfe zwischen (Sub-)Clans - vorrangig um Land und Wasser, aber auch um Macht - haben im Jahr 2021 zugenommen. Bei Zusammenstößen in Galmudug, Jubaland und dem SWS kam es dabei zu Toten und massiven Vertreibungen. Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es auch zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Generell sind Clan-Auseinandersetzungen üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer – generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter – Gewalt verbunden sein. Das Expertenpanel der UN hat im Zeitraum Jänner bis August 2021 118 Vorfälle von Clankonflikten registriert. Dabei handelte es sich v.a. um Rachemorde und Entführungen. Insgesamt starben dabei 80 Menschen, 170 wurden verletzt; 22 Personen wurden entführt, um Blutgeld für vorhergehende Morde zu erpressen (LIB).
Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 28.6.2022, S. 19). Gewaltakte durch bewaffnete Gruppen und Banden und Armutskriminalität sind im gesamten Land weit verbreitet. Bewaffnete Überfälle, Autoraub („Carjacking“), sexueller Missbrauch und auch Morde kommen häufig vor (LIB).Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 28.6.2022, Sitzung 19). Gewaltakte durch bewaffnete Gruppen und Banden und Armutskriminalität sind im gesamten Land weit verbreitet. Bewaffnete Überfälle, Autoraub („Carjacking“), sexueller Missbrauch und auch Morde kommen häufig vor (LIB).
Im Zeitraum Feber-Mai 2022 verübte der sogenannte Islamische Staat zwei Sprengstoffanschläge auf einen Polizisten und einen Beamten sowie einen Handgranatenanschlag auf einen Checkpoint der Polizei. Alle diese Vorfälle, bei denen zwei Zivilisten und drei Angehörige der Sicherheitskräfte verletzt wurden, ereigneten sich in Mogadischu (LIB).
Zivile Opfer: Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten. Al Shabaab ist für einen Großteil der zivilen Opfer verantwortlich (siehe Tabelle weiter unten). Nach eigenen Angaben greift al Shabaab einfache Zivilisten nicht gezielt an. Jedenfalls gelten die meisten Anschläge außerhalb von Mogadischu ATMIS und somalischen Sicherheitskräften. Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIB).
Allgemein ist die Datenlage zu Zahlen ziviler Opfer unklar und heterogen. Der Experte Matt Bryden veranschaulicht dies mit den Angaben mehrerer Organisationen. So gab es laut UNMAS (Mine Action Service) 2020 wesentlich weniger zivile Tote und Verletzte: 454 zu 1.140 im Jahr 2019. Dahingegen berichtet US-AFRICOM von 776 Vorfällen mit insgesamt 2.395 Opfern im Jahr 2020 und 676 Vorfällen mit 1.799 Opfern 2019. US-AFRICOM zählt zivile und militärische Opfer zusammen. Dementsprechend wären 2020 wesentlich mehr Sicherheitskräfte untern den Opfern gewesen als Zivilisten – ein Widerspruch zu den Angaben der UN, wonach Zivilisten die Hauptlast der Sprengstoffanschläge tragen würden. Dies wird auch von AMISOM bestätigt: Demnach richteten sich 2019 28% der Anschläge direkt gegen Zivilisten, 2020 waren es nur 20% (LIB).
Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 15,4 Millionen Einwohnern lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:9367 [Anm.: Rechnung auf Basis der in vorgenannten Quellen angegebenen Zahlen] (LIB).
Luftangriffe: Immer wieder kommt es zu Luftschlägen, v.a. durch die USA. Im Jahr 2017 führten die USA 35 Luftschläge in Somalia durch, 2018 waren es 47 und 2019 63. Im Jahr 2020 ist die Zahl auf 51 gesunken. Im Jahr 2021 bestätigten die USA lediglich 11 Luftangriffe, insgesamt sollen es aber 16 gewesen sein. Die Luftangriffe auf al Shabaab und den IS, bei denen seit 2017 ca. 1.000 Kämpfer getötet worden sind konzentrierten sich vor allem auf die Regionen Lower Shabelle, Lower Juba, Middle Juba, Gedo und Bari. Auch Kenia führt nach wie vor Luftschläge in Somalia durch, z.B. am 22.6.2022 im Grenzgebiet von Gedo zu Kenia (LIB).
1.3.2.1.1. South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle)
Letzte Änderung: 25.07.2022
In den größeren von der Regierung kontrollierten Städten besteht eine grundlegende Verwaltung. Es gibt Bürgermeister, eine lokale Rechtsprechung und Ordnungskräfte. Die Regierung konnte mit internationaler Unterstützung ihre eigene, lokal rekrutierte Armee, die South West State Special Police Force (SWSSPF), weiter ausbauen. Sie wird von Äthiopien versorgt und ist in Bay der Hauptträger des Kampfes gegen al Shabaab. Al Shabaab kontrolliert viele ländliche Gebiete und nahezu alle wichtigen Hauptversorgungsrouten. Sicheres Reisen erfolgt über den Luftweg. Da der SWS maßgeblich von den Häfen Kismayo und Mogadischu abhängig ist, müssen Güter durch von al Shabaab kontrolliertes Gebiet transportiert werden. Generell haben sich zwischen al Shabaab und Sicherheitskräften das ganze Jahr 2021 über dutzende Angriffe und Gegenangriffe ereignet - auf den ganzen SWS verteilt. Al Shabaab bleibt in der Lage, die somalische Armee und AMISOM im Gebiet anzugreifen. Vor allem die Regionen Bay und Lower Shabelle sind von Angriffen und Anschlägen betroffen. (LIB)
Stößt al Shabaab auf den Widerstand lokaler Clanmilizen, so wie dies bei den Leysan (Rahanweyn) in Bay und Bakool oder den Galja'el (Hawiye) in Lower Shabelle geschehen ist, und wo es kaum Schutz durch Sicherheitskräfte gibt, dann entführt die Gruppe mitunter Älteste, und es kommt zur Zwangsvertreibung ganzer Dörfer. (LIB)
Lower Shabelle: Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM, Kurtunwaarey und Sablaale werden von al Shabaab kontrolliert. Dies gilt auch für große Teile des Hinterlandes nördlich des Shabelle. Lower Shabelle ist nach wie vor von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen den Städten liegt im Fokus der al Shabaab. (LIB)
Generell wurde der Großteil der militärischen Anstrengungen der Bundesarmee gegen al Shabaab 2020 in die Operation Badbaado investiert. Bundesarmee und AMISOM hatten damals neben Janaale auch noch Sabiid, Bariire und Aw Dheegle einnehmen können. Diese Orte sind insofern strategisch relevant, als dort Brücken über den Shabelle führen und diese für al Shabaab wichtige Nachschubwege in Richtung Mogadischu dargestellt haben. In jedem der genannten Orte wurde eine FOB (Forward Operating Base) der Bundesarmee eingerichtet. Manche Orte, die später von AMISOM an somalische Kräfte übergeben worden sind, wurden von al Shabaab wieder eingenommen. Während die Operation Badbaado 1 einige Erfolge erzielen konnte, kam die Phase 2 zu einem Stillstand. Mit dieser sollten eigentlich Hauptversorgungsrouten freigekämpft und -gehalten werden. Die Operation wurde nie umgesetzt. (LIB)
Das Jahr 2021 hat zudem gezeigt, dass die militärischen Operationen gegen al Shabaab immer mehr taktischen als strategischen Charakter haben; und dass es den Regierungskräften an Kapazitäten mangelt, erobertes Gebiet auch zu halten. Insgesamt wird immer noch auf die Stationierung einer ausreichenden Zahl an Polizisten gewartet, der Übergang zur Zivilverwaltung ist nicht erfolgt. Bislang wurden nur einige Darawish, sowie Polizeirekruten des SWS ausgebildet, ausgerüstet und im Gebiet stationiert. Anfang Juli 2021 hat die Bundespolizei 150 Darawish in Janaale und Aw Dheegle stationiert, um diese Gebiete abzusichern. Immer wieder kann al Shabaab aber in Orte vordringen - z.B. am 7.4.2022 nach Buulo Mareer. Der Ort, in dem es Stützpunkte von AMISOM und Bundesarmee gibt, wurde vorab mit Mörsern beschossen und danach kurzzeitig von al Shabaab besetzt. (LIB)
Anfang 2021 eskalierte der Konflikt zwischen al Shabaab und dem Clan der Galje’el (Hawiye). Al Shabaab vertrieb in Lower Shabelle dabei ca. 1.500 Haushalte aus 11 Dörfern. Im Zuge dieser Strafaktion ermordete die Gruppe zwei Menschen, setzte mehrere Dutzend Wohnstätten in Brand und stahl ca. 100 Kamele. Auch gegen Angehörige der Shanta Alemod (Rahanweyn) ging al Shabaab vor, dabei wurden im Feber 2021 rund 500 Haushalte aus vier Gemeinden vertrieben. Nach anderen Angaben kam es Mitte März 2021 im Bereich Wanla Weyne zu schweren Auseinandersetzungen zwischen zwei rivalisierenden Clans und al Shabaab. Zahlreicher Häuser wurden niedergebrannt, Vieh geplündert; 500 Familien sind alleine in Mogadischu als Flüchtlinge angekommen. Im Mai 2021 sind weitere Flüchtlinge aus diesem Gebiet in Mogadischu angekommen. Auch Mitte 2021 kam es im Gebiet zwischen al Shabaab, Galja'el, Shanta Alemod und Digil/Mirifle zu Auseinandersetzungen. Milizen der Galja'el griffen dabei Konvois an und beteiligten sich an Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen und Landraub. (LIB)
Afgooye liegt aufgrund seines strategischen Wertes im ständigen Fokus aller Konfliktparteien - die Stadt gilt als Schlüssel zu Mogadischu. Trotzdem kann Afgooye hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Als sicher kann die Stadt allerdings nicht bezeichnet werden. (LIB)
Merka findet sich unter Kontrolle der Regierung. Hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung kann die Stadt als konsolidiert erachtet werden. Die Kontrolle über einige Dörfer an der Küste zwischen Mogadischu und Merka ist unklar. Allerdings kann dieser Landesteil durch al Shabaab nicht mehr so einfach erreicht werden als vor der Operation Badbaado. (LIB)
Aus Baraawe gibt es auch weiterhin nur wenige sicherheitsrelevante Meldungen. Am 9.2.2022 kam es zu einem Mörserangriff auf Baraawe, vier Zivilisten wurden getötet. (LIB)
In den Gebieten von Qoryooley und Kurtunwaarey hat al Shabaab die Bewohner einiger Dörfer der Leysan (Rahanweyn) zwangsvertrieben. (LIB)
Bay: Die großen Städte – Baidoa, Buur Hakaba, Diinsoor – werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert, dies gilt auch für Qansax Dheere und Berdale. Die drei erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Im Umfeld der Stadt Diinsoor, die als Frontstadt bezeichnet werden kann, ist al Shabaab aktiv. Allerdings hält die Gruppe gegen Diinsoor eine Blockade aufrecht, die Stadt ist de facto eine Enklave. (LIB)
Al Shabaab kontrolliert große Teile von Bay. Die Gruppe kontrolliert den Ort Leego an der Straße von Wanla Weyne nach Buur Hakaba. Dort nimmt sie monatlich hunderttausende US-Dollar an Wegzoll ein. Die Straße nach Baidoa bleibt demnach für Zwecke der Regierung geschlossen. Nach anderen Angaben ist die Kontrolle über Leego ungewiss. Im April 2021 sind Flüchtlinge in Baidoa und in Berdale angelangt; sie waren vor Drohungen und möglichen Rekrutierungen durch al Shabaab geflüchtet. Auch im Gebiet von Diinsoor mussten im Feber 2022 mehr als 17.000 Menschen aufgrund von Feindseligkeiten von al Shabaab fliehen. Am 5.2.2022 konnte al Shabaab Diinsoor sogar für kurze Zeit besetzen; immer wieder wurde die Stadt auch mit Mörsern beschossen. Al Shabaab konnte immer wieder nach Daynuunay an der Straße von Baidoa in Richtung Mogadischu vordringen. Die Gruppe hat den Ort im Juni 2021 zweimal eingenommen, sich aber dort nicht permanent eingerichtet. (LIB)
Die Sicherheitslage in Baidoa ist stabil, die Stadt wird als relativ sicher beschrieben. Es gibt dort regelmäßig Sicherheitsoperationen und Razzien durch Sicherheitskräfte. Die Einsatzfähigkeit der SWS Police Force (SWSPF) hat sich nach der Aufnahme lokaler Rekruten verbessert. In Baidoa sind zudem eine sogenannte Formed Police Unit und einzelne Polizisten von AMISOM stationiert. Diese Polizisten bilden die lokale Polizei nicht nur aus, sondern unterstützen sie auch im Einsatz. Gleichzeitig ist Baidoa auf die Anwesenheit der äthiopischen ATMIS-Truppen angewiesen. Al Shabaab ist in der Lage, Baidoa in der Nacht zu infiltrieren. Allerdings weigert sich laut einer Studie aus dem Jahr 2020 rund ein Drittel der Wirtschaftstreibenden, in Baidoa Steuern an al Shabaab abzuführen. Dies weist auf einen besseren Schutz bzw. auf eine geringere Dichte an Straforganen der al Shabaab hin. Am 27.11.2021 wurde die AMISOM-Zone in Baidoa mit Mörsern beschossen. (LIB)
Bakool: Ceel Barde, Yeed, Xudur und Waajid werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Die drei letztgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Ein mindestens 20 km breiter Grenzstreifen an der Grenze zu Äthiopien, der von durch Äthiopien gesponserte, lokale Clanmilizen beherrscht wird, ist frei von al Shabaab. Teile der Region werden aber von der Gruppe kontrolliert, darunter auch die Städte Rab Dhuure und Tayeeglow. In Xudur befindet sich ein größerer Stützpunkt der Armee. Außerdem operieren in Bakool unabhängige Clanmilizen. Die Verwaltung von Bakool steht massiven Problemen gegenüber, um die Bevölkerung zu erreichen. Gegen Xudur und Waajid hält al Shabaab weiterhin eine Blockade aufrecht, es kommt zu Versorgungsengpässen. Nach anderen Angaben ist v.a. Xudur von einer Blockade betroffen. Gütertransporte werden immer wieder angegriffen. Die Versorgungsstraße nach Xudur wird nur fallweise freigekämpft. Insgesamt gibt es in Bakool nur geringe Kampfhandlungen. Allerdings wurden im ersten Halbjahr 2021 fast 30.000 Menschen aus dutzenden Dörfern um Xudur vertrieben. Dort hatte al Shabaab die Menschen von 42 Orten im April 2021 dazu aufgefordert, ihre Dörfer zu verlassen. Fast 30.000 Menschen flohen daraufhin nach Xudur. Betroffen war maßgeblich der Clan der Leysan (Rahanweyn). Auch im Juni 2021 kam es zu Vertreibungen im Umland von Xudur, diesmal waren die Rahanweyn-Subclans Hadame und Luwaay betroffen. Beiden Clans hatte al Shabaab vorgeworfen, das Handelsverbot mit Xudur zu missachten. (LIB)
Vorfälle: In den Regionen Bakool, Bay und Lower Shabelle lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 2,36 Millionen Einwohner. Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2020 insgesamt 60 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie violence against civilians). Bei 48 dieser 60 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2021 waren es 55 derartige Vorfälle (davon 44 mit je einem Toten). (LIB)
1.3.3. Al Shabaab
Letzte Änderung: 26.07.2022
Al Shabaab ist eine radikal-islamistische, mit der al Qaida affiliierte Miliz. Zuletzt hat al Shabaab an Macht gewonnen. Im Zuge der politischen Machtkämpfe 2021 ergab sich für al Shabaab die Möglichkeit, die politische Elite als korrupt und inkompetent und sich selbst als verlässliche Alternative darzustellen. Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: die Eroberung Somalias bzw. die Durchsetzung ihrer eigenen Interpretation des Islams und der Scharia in "Großsomalia" und der Errichtung eines islamischen Staates in Somalia. Der Anführer von al Shabaab ist Ahmed Diriye alias Sheikh Ahmed Umar Abu Ubaidah. Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin große Teile Süd-/Zentralsomalias und übt auf weitere Teile, wo staatliche Kräfte die Kontrolle haben, Einfluss aus. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität dort Einfluss und Macht aus (LIB).
Verwaltung: Während al Shabaab terroristische Aktionen durchführt und als Guerillagruppe agiert, versucht sie unterhalb der Oberfläche eine Art Verwaltungsmacht zu etablieren - z.B. im Bereich der humanitären Hilfe und beim Zugang zu islamischer Gerichtsbarkeit. V.a. bei der Justiz hat al Shabaab geradezu eine Nische gefunden. Im Gegensatz zur Regierung ist al Shabaab weniger korrupt, Urteile sind konsistenter und die Durchsetzbarkeit ist eher gegeben. Bei der Durchsetzung von Rechtssprüchen und Kontrolle setzt al Shabaab vor allem auf Gewalt und Einschüchterung (LIB). Verwaltung: Während al Shabaab terroristische Aktionen durchführt und als Guerillagruppe agiert, versucht sie unterhalb der Oberfläche eine Art Verwaltungsmacht zu etablieren - z.B. im Bereich der humanitären Hilfe und beim Zugang zu islamischer Gerichtsbarkeit. römisch fünf.a. bei der Justiz hat al Shabaab geradezu eine Nische gefunden. Im Gegensatz zur Regierung ist al Shabaab weniger korrupt, Urteile sind konsistenter und die Durchsetzbarkeit ist eher gegeben. Bei der Durchsetzung von Rechtssprüchen und Kontrolle setzt al Shabaab vor allem auf Gewalt und Einschüchterung (LIB).
Im eigenen Gebiet hat die Gruppe grundlegende Verwaltungsstrukturen geschaffen. Al Shabaab ist es gelungen, dort ein vorhersagbares Maß an Besteuerung, Sicherheit, Rechtssicherheit und sozialer Ordnung zu etablieren und gleichzeitig weniger korrupt als andere somalische Akteure zu sein sowie gleichzeitig mit lokalen Clans zusammenzuarbeiten. Al Shabaab sorgt dort auch einigermaßen für Ordnung. Mit der Hisbah verfügt die Gruppe über eine eigene Polizei. Völkerrechtlich kommen al Shabaab als de-facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihr kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (LIB).
Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher und stabil beschrieben, bei einer Absenz von Clankonflikten und geringer Kriminalität. Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet, sie beansprucht das Gewaltmonopol für sich. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft. Al Shabaab unterhält ein rigoroses Justizsystem, welches Fehlverhalten – etwa nicht sanktionierte Gewalt gegen Zivilisten – bestraft. Daher kommt es kaum zu Vergehen durch Kämpfer der al Shabaab. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (LIB).
Insgesamt nimmt die Gruppe im Vergleich zur Regierung effizienter Steuern ein, lukriert mehr Geld, bietet ein höheres Maß an Sicherheit, eine höhere Qualität an Rechtsprechung. Zudem ermöglicht al Shabaab Fortbildungsmöglichkeiten – auch für Frauen. In Jilib gehen laut einer Quelle Mädchen zur Schule, und Frauen werden von al Shabaab durchaus ermutigt, einer Arbeit nachzugehen (LIB).
Clans: Mitunter konsultieren lokale Verwalter der al Shabaab auch Clanälteste oder lassen bestehende Bezirksstrukturen weiterbestehen. Andererseits nutzt al Shabaab auch Spannungen und Clankonflikte aus, um eigene Ziele zu erreichen. Dies beruht jedoch auf Gegenseitigkeit, denn auch manche Clans nutzen al Shabaab, um politische Vorteile zu erlangen oder sich an Rivalen zu rächen. Manche Clans werden mit Zwang und Gewalt in Partnerschaft zu al Shabaab gehalten. Die Gruppe organisiert mitunter Feiern zur Ernennung neuer Clanältester (Nabadoon, Sultaan, Ugaas, Wabar) und stattet letztere mit z.B. einem Fahrzeug und einer Waffe aus. Dies geschah beispielsweise bei somalischen Bantu im Bezirk Jamaame, aber auch bei Elay, Wa’caysle, Sheikhal oder Mudulod (LIB).
Rückhalt: Trotz des Einflusses, den die Gruppe in weiten Teilen Somalias ausüben kann, folgen nur wenige Somali der fremden und unflexiblen Theologie, den brutalen Methoden zur Kontrolle und der totalitären Vision von Staat und Gesellschaft. Es gibt einige wenige, ideologisch positionierte Anhänger; Personen, die religiös gebildet sind und sich bewusst auf dieser Ebene mit al Shabaab solidarisieren. Es gibt aber eine viel größere Anzahl von Menschen, die pragmatisch agieren. Sie akzeptieren al Shabaab als geringeres Übel. Andere unterstützen al Shabaab, weil die Gruppe Rechtsschutz bietet. Die meisten Menschen befolgen ihre Anweisungen aber aus Angst (LIB).
Stärke: Die Hälfte der Mitglieder von al Shabaab stellt den militärischen Arm (jabhat), welcher an der Front gegen die somalische Regierung und AMISOM kämpft. Die andere Hälfte sind entweder Polizisten, welche Gesetze und Gerichtsurteile durchsetzen und Verhaftungen vornehmen; oder Richter. Außerdem verfügt al Shabaab in der Regierung, in der Armee und in fast jedem Sektor der Gesellschaft über ein fortschrittliches Spionagenetzwerk. Laut einer Schätzung vom Feber 2022 hat die Gruppe nunmehr 12.000 Kämpfer, jedenfalls mindestens 10.000 Mann an permanent verfügbarer Kampftruppe; mit einer Hinzunahme diverser Dorfmilizen ist diese Zahl vervielfachbar. Eine Quelle vom Mai 2021 spricht von 5.000-10.000 (bewaffneten) Angehörigen der al Shabaab. Die tatsächliche Größe ist schwer festzulegen, da viele Angehörige der al Shabaab zwischen Kampf und Zivilleben hin- und her wechseln. Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk. Dieser Dienst, der mehr als nur ein Geheimdienst ist, verfügt über 500 bis 1.000 Mann. Der Amniyad ist die wichtigste Stütze der al Shabaab, und diese Teilorganisation hat ihre Fähigkeiten in den vergangenen Jahren ausgebaut. Der Amniyad ist auch für die Erhebung ausnützbarer Clanrivalitäten zuständig. Al Shabaab verfügt jedenfalls über ein extensives Netzwerk an Informanten und ist in der Lage, der Bevölkerung Angst einzuflößen. Auch Namen von Nachbarn und sogar die Namen der Verwandten der Nachbarn werden in Datenbanken geführt (LIB).
Gebiete: Al Shabaab wurde zwar aus den meisten Städten vertrieben, bleibt aber auf dem Land in herausragender Position bzw. hat die Gruppe dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen. Al Shabaab kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (LIB).
Jedenfalls steht ebenso fest: Das Einsatzgebiet von al Shabaab ist fast so groß wie Deutschland. In diesem weitläufigen und infrastrukturell wenig erschlossenen Gebiet muss die Gruppe mit ca. 10.000 bewaffneten Kämpfern auskommen. Das bedeutet, dass al Shabaab zu keinem Zeitpunkt eine permanente Kontrolle über alle strategisch wichtigen Punkte ausüben kann. Die Gruppe kann nicht alle wichtigen Straßen kontrollieren, kann nicht in allen Orten des Hinterlandes mit permanenter Präsenz aufwarten, kann sich nicht um alle Konflikte vor Ort gleichzeitig kümmern. Gemäß einer Quelle hält al Shabaab in ihrem Gebiet vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus. Eine andere Quelle erklärt, dass, auch wenn es dort keine permanenten Stationen gibt, die Polizei von al Shabaab regelmäßig auch entlegene Gebiete besucht. Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuzuschlagen, bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen. In den meisten Städten verfügt die Gruppe zudem über Schattenverwaltungen. "Kontrolliert" wird - wie es ein Experte ausdrückt - durch "exemplarische Gewalt"; durch das Streuen von Gerüchten; durch terroristische Anschläge zur Einschüchterung der Bevölkerung (LIB).
Kapazitäten: Al Shabaab hat insgesamt an Stärke gewonnen - auch hinsichtlich personeller und materieller Kapazitäten. Die Gruppe weitet ihren Einfluss ständig aus – nicht nur in den eigenen Gebieten, sondern auch in den nominell unter Kontrolle der Regierung befindlichen Landesteilen. Al Shabaab hat jedoch nicht genügend Kapazitäten, um ständig und überall präsent zu sein. Sie führt z.B. Körperstrafen immer wieder exemplarisch aus; aber nur so intensiv und so oft, wie es nötig ist, um die lokale Bevölkerung zu erschrecken und dafür zu sorgen, dass ein Großteil der Menschen sich tatsächlich - zwangsläufig - mit der Herrschaft von al Shabaab arrangiert (LIB).
Steuern bzw. Schutzgeld [siehe auch Kapitel "Risiko in Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen"]: In den Gebieten der al Shabaab gibt es ein zentralisiertes Steuersystem, dort wird alles und jeder besteuert. Die Besteuerung scheint systematisch, organisiert und kontrolliert zu erfolgen (BS 2022, S. 10). Mit Steuereinnahmen kann al Shabaab genug Geld generieren, um die Rebellion auch hinkünftig aufrechterhalten zu können (LIB).Steuern bzw. Schutzgeld [siehe auch Kapitel "Risiko in Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen"]: In den Gebieten der al Shabaab gibt es ein zentralisiertes Steuersystem, dort wird alles und jeder besteuert. Die Besteuerung scheint systematisch, organisiert und kontrolliert zu erfolgen (BS 2022, Sitzung 10). Mit Steuereinnahmen kann al Shabaab genug Geld generieren, um die Rebellion auch hinkünftig aufrechterhalten zu können (LIB).
Ein Teil der Einkünfte wird an einem Netzwerk an Straßensperren eingehoben. Insgesamt ist al Shabaab in der Lage, in ganz Süd-/Zentralsomalia erpresserisch Zahlungen zu erzwingen - auch in Gebieten, die nicht unter ihrer direkten Kontrolle stehen. Wirtschaftstreibende nehmen die Macht von al Shabaab zur Kenntnis und zahlen Steuern an die Gruppe – auch weil die Regierung sie nicht vor den Folgen beschützen kann, die bei einer Zahlungsverweigerung drohen. In umstrittenen Gebieten findet sich kaum jemand, der eine Schutzgeldforderung von al Shabaab nicht befolgt. Und selbst in Städten wie Mogadischu und sogar in Bossaso (Puntland) zahlen nahezu alle Wirtschaftstreibenden Steuern an al Shabaab; denn überall dort sind Straforgane der Gruppe aktiv. Jene, welche Abgaben an al Shabaab abführen, können ungestört leben; aber jene, die sich weigern, werden bestraft und ihr Leben bedroht. Vorerst werden dabei hohe Strafzahlungen ausgesprochen oder aber der Zugang zu Märkten wird blockiert, dann folgen auch Todesdrohungen. Zur tatsächlichen Exekution kommt es aber nur in Extremfällen. Andere müssen ihre Firma schließen, ihre Kontaktdaten ändern oder aus dem Land fliehen. Nur jene können den Druck ertragen und einer Besteuerung entgehen, welche sich außerhalb der Reichweite von al Shabaab befinden. Kaum jemand bezahlt die Abgaben freiwillig, das Antriebsmittel dafür ist die Angst (LIB).
Denn al Shabaab agiert wie ein verbrecherisches Syndikat. Ziel ist es, aus kriminellen Aktivitäten Gewinn zu lukrieren. Die Religion dient nur als Deckmantel. So wandelt sich al Shabaab langsam zu einer mafiösen Entität, bei der das Eintreiben von „Steuern“ über den bewaffneten Kampf gestellt wird (LIB).
Laut einer Schätzung vom Feber 2022 kann al Shabaab pro Monat bis zu 10 Millionen US-Dollar generieren. Eingehoben werden Steuern und Gebühren etwa auf die Landwirtschaft, auf Fahrzeuge, Transport und den Verkauf von Vieh; sowie auf manche Dienstleistungen. Sogar Bundesbedienstete – darunter hochrangige Angehörige der Armee – führen Schutzgeld oder "Einkommenssteuer" an al Shabaab ab. Dieser Faktor belegt aber auch den Pragmatismus von al Shabaab als mafiöser Organisation, wo Geld vor Ideologie gereiht wird. Die Höhe der Steuer ist oft verhandelbar. Jedenfalls haben die Menschen de facto keine Wahl, sie müssen al Shabaab bezahlen (LIB).
1.3.4. Rechtsschutz, Justizwesen – Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung: 26.07.2022
Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden. Der fehlende Zugang zu einem fairen und gerechten Justizsystem ist eines der dringendsten Probleme, mit denen Somalia auf dem Weg zu Stabilität und Wiederaufbau konfrontiert ist (LIB).
Die Rechtsordnung in Somalia richtet sich nach einer Mischung des von 1962 stammenden nationalen Strafgesetzbuches sowie traditionellem („Xeer“) und islamischem Gewohnheitsrecht (Scharia). Nach dem Kollaps des Staates im Jahr 1991 kollabierte in weiten Teilen des Landes auch das formelle Recht. Gleichzeitig stieg die Bedeutung von Scharia und Xeer. Die Scharia bildet die Grundlage jeder Rechtsprechung, und der Staat muss sich religiösen Normen beugen. Aufgrund des Versagens und der Ineffektivität der formellen staatlichen Justiz sind traditionelles Recht, islamische Rechtsprechung und Gerichte von al Shabaab häufige Quellen für Streitbeilegungen (LIB).
Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung von 2012 niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere, und es gibt keine strenge Trennung der Gewalten, weder auf Bundes- noch auf Bundesstaatsebene. Ebenso gibt es keine landesweite Rechtsstaatlichkeit. Diese wird von al Shabaab etwa durch die Einhebung von Steuern und die Durchsetzung von Urteilen eigener Gerichte untergraben. Der mangelnde (Rechts-)Schutz durch die Regierung führt dazu, dass sich Staatsbürger der Schutzgelderpressung durch al Shabaab beugen. Staatlicher Schutz ist auch im Falle von Clankonflikten von geringer Relevanz, die „Regelung“ wird grundsätzlich den Clans selbst überlassen. Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Zentral- und Südsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden. Staatliche Sicherheitskräfte können und wollen oftmals nicht in Clankonflikte eingreifen. Befinden sich Angehörige eines bestimmten Clans oder von Minderheiten in Gefahr oder sind diese bedroht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Zugang zu effektivem staatlichem Schutz gewährleistet ist (LIB).
Formelle Justiz - Kapazität: De facto gibt es kein funktionierendes formelles Justizsystem. Nach anderen Angaben verfügt die somalische Justiz über sehr begrenzte Kapazitäten. In den vergangenen zehn Jahren wurden in Mogadischu Gerichte auf Bezirksebene und einige Gerichte in anderen Städten eingerichtet. Generell sind Gerichte aber nur in größeren Städten verfügbar. Der Verfassungsgerichtshof ist immer noch nicht eingerichtet worden. An allen Gerichten mangelt es dem Personal an Ausbildung. Oft werden Richter und Staatsanwälte nicht aufgrund ihrer Qualifikation ernannt. Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes. Es gibt zwar einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht und gewürdigt. Das Justizsystem ist zersplittert und unterbesetzt, v. a. außerhalb urbaner Zentren nicht vorhanden. Einige lokale Gerichte sind bei ihrer Rechtsdurchsetzung vom örtlich dominanten Clan abhängig. Durchgesetzt wird formelles Recht eher noch im urbanen als im ländlichen Kontext (LIB.
Formelle Justiz - Qualität und Unabhängigkeit: Eine landesweite Implementierung und einheitliche Anwendung der von der somalischen Bundesregierung vorgegebenen Bestimmungen ist nicht gesichert. In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt, und nicht immer respektiert die Regierung Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz. Außerdem werden Urteile durch Clan- oder politischen Überlegungen seitens der Richter beeinflusst. Die meisten der in der Verfassung vorgesehenen Rechte für ein faires Verfahren werden bei Gericht nicht angewendet. Nationales oder internationales Recht werden bei Fest- oder Ingewahrsamnahme sowie beim Vorgerichtstellen von Tatverdächtigen nur selten eingehalten. Verfahren dauern sehr lang (LIB).
Die somalische Justiz ist zudem von Korruption geprägt. Diese behindert den Zugang zu fairen Verfahren. Richter und Staatsanwälte verlangen mitunter Bestechungsgelder. In einigen Fällen wurden Häftlinge entlassen, nachdem sich Sicherheitskräfte, Angehörige der Justizwache, Politiker oder Clanälteste für sie eingesetzt hatten. Zusätzlich halten sich Behörden oft selbst nicht an gerichtliche Anordnungen). In anderen Worten ist [Zitat] 'die soalische Justiz ein Marktplatz, an welchem Gefallen, Einfluss und Geld ausgetauscht werden'. Folglich ist das Vertrauen der Menschen in die formelle Justiz gering. Sie wird als teuer, ineffizient und manipulierbar wahrgenommen. Insgesamt stehen Zivilisten also ernsten Mängeln beim Rechtsschutz gegenüber. Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung (LIB).
Formelle Justiz – Militärgerichte: Grundsätzlich sind Militärgerichte für Fälle von islamistischem Terrorismus und Milizgewalt zuständig. Allerdings verhandeln und urteilen sie weiterhin über Fälle jeglicher Art. Darunter fallen auch zivilrechtliche Fälle, die eigentlich nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen, bzw. wo unklar ist, ob diese in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Verfahren vor Militärgerichten entsprechen teilweise nicht den international anerkannten Standards für faire Gerichtsverfahren. Angeklagten wird nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung oder auf Berufung zugestanden (LIB).
Traditionelles Recht (Xeer): Das informelle Justizsystem (Scharia und Xeer) spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung von Gerechtigkeit. 90 % der Somali bevorzugen das informelle System, denn dieses ist leichter zugänglich und schneller. Auch für den sozialen Frieden bzw. den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist Xeer von Bedeutung. Es wird angenommen, dass Xeer schon vor islamischen oder kolonialen Ordnungen existiert hat. In der provisorischen Verfassung wird Xeer als traditioneller Konfliktlösungsmechanismus anerkannt. Im Jahr 2017 hat die Bundesregierung eine Policy zu traditioneller Konfliktlösung verabschiedet. Damit sollte die Anwendung von Xeer reguliert und auf "nicht-schwere" Verbrechen begrenzt werden. Tatsächlich ist die Anwendung des Xeer auf Strafverbrechen nicht standardisiert (LIB).
Im Xeer werden Vorbringen von Fall zu Fall verhandelt und von Ältesten implementiert. Clanälteste sehen sich örtliche Präzedenzfälle an, bevor sie die relevanten Passagen der Scharia heranziehen. Jedenfalls dient diese Art der Justiz im ganzen Land bei der Vermittlung in Konflikten. Xeer ist insbesondere in jenen ländlichen Gebieten wichtig, wo Verwaltung und Justiz nur schwach oder gar nicht vorhanden sind. Aber auch in den Städten wird Xeer oft zur Konfliktlösung – z. B. bei Streitfragen unter Politikern und Händlern – angewendet. Zur Anwendung kommt Xeer auch bei anderen Konflikten und bei Kriminalität. Es kommt auch dort zu tragen, wo Polizei und Justizbehörden existieren. In manchen Fällen greift die traditionelle Justiz auf Polizei und Gerichtsbedienstete zurück, in anderen Fällen behindert der Einsatz des Xeer Polizei und Justiz. Jedenfalls wiegt eine Entscheidung im Xeer schwerer als ein Urteil vor einem formellen Gericht. Im Zweifel zählt die Entscheidung im Xeer. Frauen werden im Xeer insofern benachteiligt, als sie in diesem System nicht selbst aktiv werden können und auf ein männliches Netzwerk angewiesen sind (LIB).
Clanschutz im Xeer: Maßgeblicher Akteur im Xeer ist der Jilib – die sogenannte Diya/Mag/Blutgeld-zahlende Gruppe. Das System ist im gesamten Kulturraum der Somali präsent und bietet – je nach Region, Clan und Status – ein gewisses Maß an (Rechts-)Schutz. Die sozialen und politischen Beziehungen zwischen Jilibs sind durch (mündliche) Xeer-Verträge geregelt. Mag/Diya muss bei Verstößen gegen diesen Vertrag bezahlt werden. Für Straftaten, die ein Gruppenmitglied an einem Mitglied eines anderen Jilib begangen hat – z. B. wenn jemand verletzt oder getötet wurde – sind Kompensationszahlungen (Mag/Diya) vorgesehen. Wenn einer Person etwas passiert, dann wendet sie sich nicht an die Polizei, sondern zuallererst an die eigene Familie und den Clan. Dies gilt auch bei anderen (Sach-)Schadensfällen. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind – insbesondere bei Kompensationszahlungen. Letztere werden von der ganzen Gruppe des Täters bzw. Verursachers gemeinsam bezahlt (LIB).
Der Ausdruck „Clanschutz“ bedeutet in diesem Zusammenhang also traditionell die Möglichkeit einer Einzelperson, vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Sein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Mag/Diya zu zahlen – oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Aufgrund von Allianzen werden auch Minderheiten in das System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya bei. Allerdings haben schwächere Clans und Minderheiten oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen. Der Clanschutz funktioniert generell – aber nicht immer – besser als der Schutz durch den Staat oder die Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clanmechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt. Dementsprechend wird etwa ein Tod in erster Linie durch die Zahlung von Blutgeld und nicht durch einen Rachemord ausgeglichen (LIB).
Aufgrund der Schwäche bzw. Abwesenheit staatlicher Strukturen in einem großen Teil des von Somalis besiedelten Raums spielen die Clans also auch heute eine wichtige politische, rechtliche und soziale Rolle, denn die Konfliktlösungsmechanismen der Clans für Kriminalität und Familienstreitigkeiten sind intakt. Selbst im Falle einer Bedrohung durch al Shabaab kann der Clan einbezogen werden. Bei Kriminalität, die nicht von al Shabaab ausgeht, können Probleme direkt zwischen den Clans gelöst werden. Die patrilineare Abstammungsgemeinschaft - der Clan - schaltet sich also in Konfliktfällen ein, etwa bei Landkonflikten, Unfällen mit Personenschaden, bei Tötungsdelikten und Vergewaltigungen (LIB).
Die Clanzugehörigkeit kann also manche Täter vor einer Tat zurückschrecken lassen, doch hat auch der Clanschutz seine Grenzen. Angehörige nicht-dominanter Clans und Gruppen sind etwa vulnerabler. Das traditionelle Justizsystem hat für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, Kinder, Minderheitenclans, Behinderte und IDPs oft negative Auswirkungen. Außerdem kann z. B. eine Einzelperson ohne Anschluss in Mogadischu nicht von diesem System profitieren. Problematisch ist zudem, dass im Xeer oft ganze (Sub-)Clans für die Taten Einzelner zur Verantwortung gezogen werden. Trotzdem sind die Mechanismen des Xeer wichtig, da sie nahe an den Menschen wirken und jahrhundertealte, den Menschen bekannte Verfahren und Normen nutzen. Der Entscheidungsprozess ist transparent und inklusiv usammenfassend ist Xeer ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Die traditionell vorgesehenen Kompensationszahlungen decken zahlreiche zivil- und strafrechtliche Bereiche ab und kommen z. B. bei fahrlässiger Tötung, bei Autounfällen mit Personen- oder Sachschaden oder sogar bei Diebstahl zu tragen. Nach der Art des Vorfalles richtet sich auch der zu entrichtende Betrag (LIB).
In einer Dokumentation der Deutschen Welle berichten Clan-Älteste, dass sie bzw. Sultans im ganzen Clan Geld sammeln. Bei einem Mordfall müssen z. B. 50.000 US-Dollar gesammelt werden. Die Ältesten telefonieren dann mit Clan-Mitgliedern und diese geben jeweils 5-200 US-Dollar. Die Zahlung ist dabei nicht optional, sondern verpflichtend. Bei einer Verweigerung erfolgt eine Bestrafung. Selbst zum Tode verurteilte Mörder können so gerettet werden. Diese bleiben lediglich so lange in Haft, bis der Clan des Opfers das Geld erhält. Diese Art des "Fundraising" nennt sich Qaraan (LIB).
Scharia: Grundsätzlich dient die Scharia bei Entscheidungen in Familienangelegenheiten. Die Gesetzlosigkeit in Süd-/Zentralsomalia hat jedoch dazu geführt, dass die Scharia nicht mehr nur in Zivil-, sondern auch in Strafsachen zum Einsatz kommt, da die Bezahlung von Blutgeld manchmal nicht mehr als ausreichend angesehen wird. Problematisch ist, dass die Scharia von Gerichten an unterschiedlichen Orten auch unterschiedlich interpretiert wird, bzw. dass es mehrere Versionen der Scharia gibt. Schariagerichte werden auch für andere Rechtsdienste herangezogen – sie werden als effizienter, weniger korrupt, schneller und fairer angesehen. Frauen können im Rahmen der Scharia effektiver Recht bekommen als im sehr patriarchalen und oft auch intransparenten traditionellen Recht (LIB).
Recht bei al Shabaab: In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten wird das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der theokratischen Ideologie der Gruppe nicht anerkannt. Dort ersetzt islamisches Recht auch Xeer; nach anderen Angaben kommt Xeer fallweise zum Einsatz. Jedenfalls gibt es dort kein formelles Justizsystem. Der Clanschutz ist in Gebieten unter Kontrolle oder Einfluss von al Shabaab eingeschränkt, aber nicht inexistent. Abhängig von den Umständen können die Clans auch in diesen Regionen Schutz bieten. Es kann den Schutz einer Einzelperson erhöhen, Mitglied eines Mehrheitsclans zu sein (, es gibt ein gewisses Maß an Verhandlungsspielraum (LIB).
Al Shabaab unterhält in den von ihr kontrollierten Gebieten ständige, von Geistlichen geführte Gerichte, welche ein breites Spektrum an straf- und zivilrechtlichen Fällen abhandeln. Zusätzlich gibt es auch mobile Gerichte. Diese Form der Justiz ist effektiv, aber drakonisch. Al Shabaab wendet eine zum Teil extreme Sichtweise und Auslegung der Scharia an. In von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden regelmäßig extreme Körperstrafen verhängt und öffentlich vollstreckt, darunter Auspeitschen oder Stockschläge, Handamputationen für Diebstahl oder Hinrichtungen für Ehebruch. Al Shabaab inhaftiert Personen für "Vergehen" wie Rauchen, Musikhören, den Verkauf von Khat, das Rasieren des Bartes, unerlaubte Inhalte auf dem Mobiltelefon; Fußballschauen oder -spielen und das Tragen eines BHs oder das Nicht-Tragen eines Hidschabs. Die harsche Interpretation der Scharia wird in erster Linie in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten umgesetzt, dort, wo die Gruppe auch über eine permanente Präsenz verfügt. In anderen Gebieten liegt ihr Hauptaugenmerk auf der Einhebung von Steuern (LIB).
Die Gerichte der al Shabaab werden als gut funktionierend, effektiv, weniger korrupt, schnell und im Vergleich fairer beschrieben – zumindest im Vergleich zur staatlichen Rechtsprechung. Al Shabaab urteilt oder vermittelt u. a. in Streitigkeiten zwischen Wirtschaftstreibenden. Obwohl al Shabaab Prozesskosten bzw. Gerichtsgebühren einhebt, bevorzugen viele Menschen ihre Gerichte – selbst Personen aus von der Regierung kontrollierten. So begeben sich z. B. Streitparteien aus Mogadischu extra nach Lower Shabelle, um dort bei al Shabaab Klage einzureichen. Denn der Rechtsprechung durch al Shabaab wird mehr Vertrauen entgegengebracht als jener der staatlichen Justiz. Zudem bieten die Schariagerichte von al Shabaab manchmal die einzige Möglichkeit, überhaupt Gerechtigkeit zu erfahren. So kann die Justiz von al Shabaab z. B. für benachteiligte Gruppen mit keinem oder nur eingeschränktem Zugang zu anderen Rechtssystemen anziehend wirken. So sind diese Gerichte für manche Frauen etwa die einzige Möglichkeit, um finanzielle Ansprüche an vormalige Ehemänner oder männliche Verwandte geltend zu machen. Gerichte von al Shabaab hören alle Seiten, fällen Urteile und sorgen dafür, dass Urteile auch umgesetzt bzw. eingehalten werden – wo nötig mit Gewalt. Al Shabaab setzt eigene Gerichtsbeschlüsse auch durch, mit Gewalt und Drohungen und auch in von der Regierung kontrollierten Gebieten (LIB).
Es gilt das Angebot einer Amnestie für Kämpfer der al Shabaab, welche ihre Waffen ablegen, der Gewalt abschwören und sich zur staatlichen Ordnung bekennen. Für diese Amnestiemöglichkeit gibt es aber keine rechtliche Grundlage. Allerdings wird üblicherweise ehemaligen Kämpfern im Austausch für Informationen über al Shabaab eine Amnestie gewährt (LIB).
Zu den weder von der Regierung noch von al Shabaab kontrollierten Gebieten gibt es kaum Informationen. Es ist aber davon auszugehen, dass Rechtsetzung, -Sprechung und -Durchsetzung zumeist in den Händen von v.a. Clanältesten liegen. Von einer Gewaltenteilung ist dort nicht auszugehen. Urteile werden hier häufig gemäß Xeer von Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur Rechtsstreitigkeiten innerhalb des Clans. Sind mehrere Clans betroffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden (Sippenhaft) spielen dabei eine wichtige Rolle (LIB).
1.3.5. Sicherheitsbehörden – Süd-/Zentralsomalia, Puntland
1.3.5.1. Ausländische Kräfte
Letzte Änderung: 26.07.2022
Im April 2022 hat die African Union Transition Mission in Somalia (ATMIS) von der African Union Mission in Somalia (AMISOM) übernommen, nachdem dies vom UN Security Council und zuvor vom Sicherheitsrat der Afrikanischen Union so beschlossen wurde. AMISOM war zuvor seit 2007 in Somalia aktiv. Das Mandat von ATMIS umfasst die Umsetzung des Somali Transition Plans und die Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit an somalische Kräfte und Institutionen mit Ende 2024. Das vorläufige Mandat von ATMIS erstreckt sich auf ein Jahr und ist mehr oder weniger mit jenem von AMISOM ident. Das militärische Mandat umfasst: die Ausführung gezielter Operationen in Tandem mit somalischen Sicherheitskräften, um al Shabaab und andere terroristische Gruppen zu bekämpfen; in Tandem mit somalischen Sicherheitskräften Städte zu halten und die dort ansässige Bevölkerung zu schützen und die Sicherheit zu gewährleisten; Hauptversorgungsrouten zu sichern und einzunehmen; die Kapazitäten somalischer Sicherheitskräfte zu entwickeln, damit diese Ende 2024 die Verantwortung übernehmen können (LIB).
Auch hinsichtlich der Truppenstärke ist ATMIS mit AMISOM vergleichbar, die Aufstellung soll aber ein mobileres und agileres Vorgehen gegen al Shabaab gewährleisten. ATMIS bzw. AMISOM gelten als mächtigster Gegner der al Shabaab. Die Truppe trägt einerseits seit Jahren die Führung im Kampf gegen al Shabaab und andererseits schützt sie die Bundesregierung, die in großem Maße von den Kräften der AMISOM abhängig ist (LIB).
AMISOM hat eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente. Truppenstellerstaaten für die militärische Komponente sind gegenwärtig Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia und Äthiopien mit einem Mandat für 18.586 Mann. Die Stärke beträgt seit Feber 2020: Äthiopien: 3.902; Burundi: 3.715; Dschibuti: 1.691; Kenia: 3.654; Uganda: 5.513; Hauptquartier: 111. Seit Ende 2020 verfügt AMISOM über eine zusätzliche Luftkomponente von vier Hubschraubern, die von Uganda gestellt werden. Diese dienen v. a. für Verbindung, Versorgung und medizinische Notfälle. Insgesamt verfügt ATMIS über sieben militärische Luftfahrzeuge, zwölf wären autorisiert. Bis Ende 2022 ist ein Abzug von 2.000 Mann projektiert (LIB).
AMISOM wird maßgeblich von der EU finanziert. Seit 2007 hat die EU fast 2,3 Mrd. Euro für AMISOM bzw. ATMIS ausgegeben und wird die Truppe - und maßgeblich den Sold - auch weiterhin maßgeblich finanzieren während die UN für logistische Unterstützung sorgt. Die Ausbildung für ATMIS erfolgt laufend auch im Rahmen der Einsatzvorbereitung in den Herkunftsländern und in Somalia, maßgeblich durch Großbritannien, die USA, Frankreich und die EU. In manchen Gebieten kooperiert ATMIS eng mit lokalen Milizen oder anderen Kräften (LIB).
Im Land befindet sich auch eine auf 1.040 Polizisten mandatierte ATMIS-Polizeikomponente unterschiedlicher afrikanischer Teilnehmerstaaten (Uganda, Nigeria, Ghana, Sierra Leone, Kenia und Sambia). Die Hauptaufgabe von ATMIS ist hier u. a. die Unterstützung der somalischen Polizei bei der Polizeiarbeit und die Ausbildung somalischer Polizisten (LIB).
Neben den fünf Armeen der AMISOM-Truppenstellerstaaten sind in Somalia noch Militärberater aus zahlreichen anderen Staaten aktiv. Zur Zahl der bilateral auf somalischem Territorium operierenden äthiopischen Truppen gibt es unterschiedlichste Angaben. Denn Äthiopien hat auch diese Truppenteile mit dem grünen Barett von AMISOM ausgestattet. Eine Quelle berichtet von vermutlich drei (teils verstärkten) Bataillonen und insgesamt geschätzten 2.500 Mann in Gedo, Hiiraan und Galmudug. Bereits abgezogene äthiopische Truppen wurden zumindest an der Grenze durch rund 1.500 Mann Liyu Police aus dem äthiopischen Somali Regional State ersetzt (LIB).
Die USA haben die Eliteeinheit Danaab ausgebildet. Allerdings wurden die US-Truppen abgezogen, dieser Abzug war mit Mitte Jänner 2021 offiziell abgeschlossen. 2022 wurde die Entscheidung zum Abzug revidiert. Nun sollen wieder bis zu 500 Soldaten in Somalia stationiert werden, um somalische Truppen auszubilden, zu beraten und auszurüsten. Sie werden in Bali Doogle stationiert – samt Drohnen und Hubschraubern. Zusätzlich befinden sich im Land 50 Soldaten aus Großbritannien. Diese führen ein Trainingsprogramm für somalische Kräfte in Baidoa durch (LIB).
1.3.5.2. Wehrdienst und Rekrutierungen (durch den Staat und Dritte) – Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung: 26.07.2022
Die somalische Armee ist eine Freiwilligenarmee. Es gibt keinen verpflichtenden Militärdienst. Allerdings rekrutieren Clans regelmäßig – und teils unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie – junge Männer zum Dienst in einer Miliz, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder bei al Shabaab. Dadurch soll für den eigenen Clan oder Subclan Schutz erlangt werden (LIB).
1.3.5.2.1. (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
Letzte Änderung: 26.07.2022
Kindersoldaten: Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kinder zu rekrutieren. Im Jahr 2021 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Bundesarmee, alliierte Milizen, die Sufi-Miliz Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ) und al Shabaab. Im ersten Halbjahr 2021 sind 631 Kinder rekrutiert und eingesetzt worden; weitere 348 wurden entführt - oft mit dem Ziel einer Rekrutierung. Für 77 % der Fälle zeichnet al Shabaab verantwortlich. Dahingegen waren im Vergleichszeitraum 2020 insgesamt 535 Kinder rekrutiert worden, mehr als 400 davon durch al Shabaab. Im Jahr 2019 waren noch 1.169 durch al Shabaab rekrutiert worden, 2018 waren es 2.300. Die Regierung versucht der Rekrutierung von Kindern durch die Armee mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken. Der Umstand, dass es keine Geburtenregistrierung gibt, macht diese Arbeit schwierig (LIB).
Generell wird festgestellt, dass immer dann, wenn aktive Kampfhandlungen zunehmen, in der Vergangenheit ein damit verbundener Anstieg bei der Rekrutierung von Kindern zu verzeichnen war. Gerade in umkämpften Gebieten ist wiederholt eine besonders hohe Zahl an Rekrutierungen zu verzeichnen (LIB).
Beim Konflikt in der äthiopischen Region Tigray sind auch somalische Rekruten eingesetzt worden, die sich in Eritrea zur Ausbildung befunden haben. Nach Angaben betroffener Eltern sind die Jungmänner unter Vorspiegelung falscher Aussichten in die somalische Armee und damit in den Krieg gelockt worden. Es handelt sich dabei um mindestens 929, möglicherweise aber bis zu 5.000 Rekruten (LIB).
Kindersoldaten - Al Shabaab: Al Shabaab rekrutiert und entführt auch weiterhin Kinder. Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen. Al Shabaab führt u.a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch. Es gibt Berichte über Gruppenentführungen aus Madrassen heraus. So sind etwa bei zwei Vorfällen in Bay und Hiiraan im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 35 Buben entführt und zwangsrekrutiert worden. Außerdem indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder gezielt in Schulen. Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden. Es wird mitunter auch Gewalt angewendet, um von Gemeinden und Ältesten junge Rekruten zu erpressen. Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst. Die Methoden unterscheiden sich jedenfalls. So wurde beispielsweise ein Fall dokumentiert, wo im Gebiet um Xudur (Bakool) al Shabaab in manchen Dörfern die „freiwillige“ Übergabe von Kindern zwischen 12 und 15 Jahren forderte, während in anderen Dörfern Kinder zwangsweise rekrutiert wurden. Zudem sind Clans unterschiedlich stark betroffen. So berichten etwa die Hadame [Rahanweyn], dass immer wieder Kinder von al Shabaab zwangsrekrutiert worden sind - z. B. im Februar 2021 (LIB).
In Lagern werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Kinder werden gezwungen, andere Kinder zu bestrafen oder zu exekutieren. Eingesetzt werden Kinder etwa als Munitions- und Versorgungsträger, zur Spionage, als Wachen; aber auch zur Anbringung von Sprengsätzen, in Kampfhandlungen und als Selbstmordattentäter (LIB).
Manchmal werden Kinder aus den Händen der Al Shabaab befreit, so etwa durch Sicherheitskräfte im August 2020, als 33 Buben aus einer Madrassa in Kurtunwareey (Lower Shabelle) befreit wurden. Alle Kinder wurden mit ihren Eltern wiedervereint (LIB).
(Zwangs-)Rekrutierung:
Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia. Die meisten Rekruten stammen aus ländlichen Gebieten – v. a. in Bay und Bakool. Bei den meisten neuen Rekruten handelt es sich um Kinder, die das Bildungssystem der Al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert. Etwa 40 % der Fußsoldaten von Al Shabaab stammen aus den Regionen Bay und Bakool. Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren hierbei eine Hauptquelle an Fußsoldaten. Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich hingegen um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu (LIB).
Die Rekrutierung durch Al Shabaab fand ursprünglich in urbanen Zentren statt. Seit Al Shabaab in den urbanen Zentren 2012 und 2015 Territorium verloren hat, hat die Rekrutierung in ländlichen Gebieten begonnen. Es wurde berichtet, dass Al Shabaab seine Stärke aktiver Kämpfer von geschätzten 2.000–3.000 im Jahr 2017 auf 5.000–7.000 im Jahr 2020 erhöht hat. Obwohl Al Shabaab überwiegend aus Gebieten unter seiner Kontrolle rekrutiert, gab es auch solche Berichte über Rekrutierungen aus von der Regierung kontrollierten Gebieten, insbesondere aus Mogadischu. Die Rekrutierung außerhalb des eigenen Territoriums von Al Shabaab beinhaltet häufig Aspekte von Nötigung. Auch in von der Gruppe kontrollierten Gebieten wurde über Zwangsrekrutierung berichtet (EUAA).
Al Shabaab rekrutiert in der Regel an Orten mit mehreren Clans und baut ihre Rekrutierungsstrategie auf Clan-Konflikten auf. Bis zu 40 % der einfachen Mitglieder werden aus den Regionen Bay und Bakool rekrutiert. In der Region Gedo erleichtern hohe Arbeitslosigkeit und Armut die Fähigkeit von Al-Shabaab, junge Männer als Kämpfer zu rekrutieren, indem sie stark aus dem Marehan-Clan rekrutieren und aus den Beschwerden der Marehan-Subclans Kapital schlagen, die von stärkeren Subclans an den Rand gedrängt werden. In Hirshabelle nutzt Al-Shabaab Beschwerden gegen die wahrgenommene Hawadle-Dominanz aus, indem sie erfolgreich aus den Clans Gaaljeel, Jajele und Baadi Adde rekrutiert Die Mirifle-Clan-Gruppe stellt die Hauptquelle für Fußsoldaten für Al-Shabaab dar, während in der Region Middle Shabelle die Mehrheit der Fußsoldaten von Al-Shabaab aus Gruppen mit niedrigem Status wie den Bantu/Jareer rekrutiert wurden (EUAA).
Die Rekrutierung umfasst sowohl Männer als auch Frauen und findet in allen Altersgruppen statt. Der Zweck der Rekrutierung wird durch Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund und frühere Berufe
beeinflusst. Al-Shabaab rekrutiert nicht nur Kämpfer, sondern auch Verwaltungspersonal, Finanziers, Logistikpersonal, Richter, Lehrer und Gesundheitspersonal. Sie ist auch auf Unterstützer und Sympathisanten angewiesen. Informanten werden in Gebieten rekrutiert, die nicht unter der Kontrolle von Al-Shabaab stehen. Die Organisation kann sich auf ein sehr starkes Geheimdienstnetzwerk in Mogadischu verlassen, wo Informanten einfache Studenten, Beamte, Sicherheitskräfte usw. sein können. Einige Rekruten arbeiten in Teilzeit für die Gruppe und gehen ihren täglichen Aufgaben wie der Landwirtschaft oder Geschäftstätigkeit nach (EUAA).
Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet, jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen. Alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet sind als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z. B. bei militärischen Operationen im Bereich oder zur Aufklärung. Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen. Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen aber oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen. Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren. Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss. Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen. Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM oder die Regierung äußern (LIB).
Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan. Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (LIB).
Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt. Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können, trotz fehlenden religiösem Verständnis, auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle. Bei manchen spielt auch Abenteuerlust eine Rolle. Etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab sind der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden. Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 %. Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen. Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent. Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (LIB).
Im Übrigen ist auch die Loyalität von al Shabaab ein Anreiz. Während die Regierung kriegsversehrten Soldaten keinerlei Unterstützung zukommen lässt, sorgt al Shabaab für die Hinterbliebenen gefallener Kämpfer. Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans. Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern. Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet. So z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft Tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (LIB).
Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (LIB).
Sich einer Rekrutierung zu entziehen ist möglich, aber nicht einfach. Die Flucht aus von al Shabaab kontrolliertem Gebiet gestaltet sich mit Gepäck schwierig, eine Person würde dahingehend befragt werden (LIB).
Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat. Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird. Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt (LIB).
Menschen, die Rekrutierungsanträge abgelehnt haben, einschließlich lokaler Gemeindemitglieder, die sich geweigert haben, jüngere Familienmitglieder für die Organisation bereitzustellen, wurden bedroht und als Ungläubige bezeichnet, die den Islam und die Scharia ablehnen, und einige wurden getötet, um andere zu warnen. In anderen Fällen verlässt sich Al-Shabaab auf Älteste, die sich angesichts der Androhung von Vergeltungsmaßnahmen, Angriffen, Verhaftungen und Zwangsvertreibungen im Falle einer Weigerung nicht weigern können, Dutzende oder sogar Hunderte junger Menschen aus ihrem Clan an die Organisation auszuliefern (EUAA).
1.3.6. Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 26.07.2022
Die somalische Bevölkerung bekennt sich zu über 99 % zum sunnitischen Islam. Eine Konversion zu einer anderen Religion bleibt in einigen Gebieten verboten und gilt als sozial inakzeptabel. Nur eine sehr kleine Minderheit hängt tatsächlich einer anderen Religion oder islamischen Richtung an. Somalis folgten traditionell der Shafi’i-Schule des islamischen Rechts, geführt von mehreren dominanten Sufi-Orden bzw. Sekten (turuuq). Trotz des aggressiven Vordringens des importierten Salafismus’ schätzen viele Somali nach wie vor ihren Sufi-Glauben und ihre Sufi-Bräuche. Allerdings macht sich seit 20 Jahren der Einfluss des Wahhabismus und damit der Vormarsch einer konservativen Auslegung des Islams bemerkbar (LIB).
1.3.6.1. Gebiete unter Regierungskontrolle
Letzte Änderung: 26.07.2022
Somalia ist seinem verfassungsmäßigen Selbstverständnis nach ein islamischer Staat, der nicht vorrangig auf religiöse Vielfalt und Toleranz ausgelegt ist. Die Verfassungen von Somalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam als Staatsreligion. Das islamische Recht (Scharia) wird als grundlegende Quelle der staatlichen Gesetzgebung genannt, alle Gesetze müssen mit den generellen Prinzipien der Scharia konform sein. Auch die Verfassungen der anderen Bundesstaaten erklären den Islam zur offiziellen Religion (LIB).
Der Übertritt zu einer anderen Religion ist gesetzlich nicht explizit verboten, wohl aber wird die Scharia entsprechend interpretiert. Blasphemie und "Beleidigung des Islam" sind Straftatbestände. Nach anderen Angaben ist es Muslimen verboten, eine andere Religion anzunehmen. Jedenfalls sind Missionierung bzw. die Werbung für andere Religionen laut Verfassung verboten. Andererseits bekennt sich die Verfassung zu Religionsfreiheit. Auch sind dort ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion sowie die
freie
Glaubensausübung festgeschrieben (LIB).
Unabhängig von staatlichen Bestimmungen und insbesondere jenseits der Bereiche, in denen die staatlichen Stellen effektive Staatsgewalt ausüben können, sind islamische und lokale Traditionen und islamisches Gewohnheitsrecht weit verbreitet. Es herrscht ein starker sozialer Druck, den Traditionen des sunnitischen Islam zu folgen. Eine Konversion vom Islam zu einer anderen Religion wird als sozial inakzeptabel erachtet. Jene, die unter dem Verdacht stehen, konvertiert zu sein, sowie deren Familien müssen mit Belästigungen seitens ihrer Umgebung rechnen (LIB).
1.3.6.2. Gebiete von al Shabaab
Letzte Änderung: 26.07.2022
In Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab ist die Praktizierung eines moderaten Islams sowie anderer Religionen untersagt. Al Shabaab setzt in den von ihr kontrollierten Gebieten gewaltsam die eigene Interpretation des Islam und der Scharia durch. Al Shabaab drangsaliert, verletzt oder tötet Menschen aus unterschiedlichen Gründen, u. a. dann, wenn sich diese nicht an die Edikte der Gruppe halten. Eltern, Lehrer und Gemeinden, welche sich nicht an die Vorschriften von al Shabaab halten, werden bedroht. Zudem droht al Shabaab damit, jeden Konvertiten zu exekutieren. Auf Apostasie steht die Todesstrafe. Scheinbar gilt dies auch für Blasphemie, denn am 5.8.2021 wurde ein 83-Jähriger in der Nähe der Stadt Ceel Buur (Galmudug) von al Shabaab durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Dem urteilenden Gericht zufolge hatte der Mann gestanden, den Propheten beleidigt zu haben (LIB).
In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab sind Politik und Verwaltung von religiösen Dogmen geprägt. Al Shabaab verbietet dort generell „un-islamisches Verhalten“ - Kinos, Fernsehen, Musik, Internet, das Zusehen bei Sportübertragungen, der Verkauf von Khat, Rauchen und weiteres mehr. Es gilt das Gebot der Vollverschleierung. Allerdings scheint al Shabaab bei der Durchsetzung derartiger Normen zunehmend pragmatisch zu sein (LIB).
1.3.7. Minderheiten und Clans
Letzte Änderung: 26.07.2022
[Zu Clanschutz siehe auch Kapitel Rechtsschutz / Justizwesen]
Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen. Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben. Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt. In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz und für ökonomische sowie politische Partizipation. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten. Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung. Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (LIB).
Recht: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor. Weder das traditionelle Recht (Xeer) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen. Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile. Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet. Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei. Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIB).
Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (LIB).
Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten. Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert. Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen. So ist also selbst die gegebene, formelle Vertretung nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die 4.5-Formel hat bisher nicht zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bezogenen Gleichberechtigung beigetragen (LIB).
Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion. Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt. Zudem mangelt es ihnen an Remissen. Haushalte, die einer Minderheit angehören, stehen einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u. a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (LIB).
Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden. In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (LIB).
Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt. Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten. Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet. Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab. Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (LIB).
1.3.7.1. Bevölkerungsstruktur
Letzte Änderung: 26.07.2022
Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen. Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar. Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft. Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist. Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden. Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren. Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt. Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (LIB).
Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern. Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB).
Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden:
● Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
● Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
● Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
● Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.
● Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie. Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (LIB).
Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern. In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (LIB).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene
Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind. Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine „falsche“ Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (LIB).
1.3.7.2. Süd-/Zentralsomalia, Puntland – Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation
Letzte Änderung: 13.06.2022
Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums. Die soziale Stellung der einzelnen ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich. Sie werden aber als minderwertig und mitunter als Fremde erachtet. So können Angehörige ethnischer Minderheiten auf Probleme stoßen - bis hin zu Staatenlosigkeit - wenn sie z. B. in einem Flüchtlingslager außerhalb Somalias geboren wurden (LIB).
Generell sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Verfolgung mehr ausgesetzt, wie dies Anfang der 1990er der Fall war. Dies gilt auch für Mogadischu. Allerdings sind dort all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler. In den Städten ist die Bevölkerung aber allgemein gemischt, Kinder gehen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit in die Schule und Menschen ins Spital (LIB).
Nach anderen Angaben drohen ethnischen Minderheiten Stigmatisierung, soziale Absonderung, Verweigerung von Rechten und ein niedriger sozialer, ökonomischer und politischer Status, Arbeitslosigkeit und ein Mangel an Ressourcen. Sie werden am Arbeitsmarkt diskriminiert und vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen. Die meisten Angehörigen marginalisierter Gruppen haben keine Aussicht auf Rechtsschutz, nur selten werden solche Personen in die Sicherheitskräfte aufgenommen. Auch im Xeer werden sie marginalisiert. In Mogadischu mangelt es den Minderheiten auch an politischem Einfluss. Andererseits ändert sich die Situation langsam zum Besseren, die Einstellung v.a. der jüngeren Generation ändert sich; die Clanzugehörigkeit ist für diese nicht mehr so wichtig wie für die Älteren (LIB).
1.3.8. Relevante Bevölkerungsgruppen
1.3.8.1. Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab und andere terroristische Gruppen
Letzte Änderung: 27.07.2022
Folgende Personengruppen sind bezüglich eines gezielten Attentats durch al Shabaab einem erhöhten Risiko ausgesetzt:
● Angehörige der AMISOM bzw. ATMIS;
● nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter;
● Angehörige der Sicherheitskräfte;
● Regierungsangehörige, Parlamentarier und Offizielle; al Shabaab greift z. B. gezielt Örtlichkeiten an, wo sich Regierungsvertreter treffen;
● mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten;
● Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen;
● Wirtschaftstreibende, insbesondere dann, wenn sie sich weigern, Schutzgeld ("Steuer") an al Shabaab abzuführen
● Älteste und Gemeindeführer;
● Wahldelegierte und deren Angehörige; dabei hat al Shabaab in der Vergangenheit Delegierte vor die Wahl gestellt, entweder zu ihnen zu kommen und sich zu entschuldigen, oder aber einem Todesurteil zu unterliegen. Die große Mehrheit entschuldigte sich. Immer wieder werden jedenfalls an Wahlen Beteiligte ermordet, so z. B. ein Delegierter und Ältester am 13.6.2022 sowie ein weiterer Delegierter Mitte April 2022 – beide in Hodan (Mogadischu). Al Shabaab bekennt sich nicht immer zu derartigen Attentaten, hat in der Vergangenheit allerdings betont, jede an Wahlen beteiligte Person zum Ziel zu machen;
● Angehörige diplomatischer Missionen;
● prominente und Menschenrechts- und Friedensaktivisten;
● religiöse Führer;
● Journalisten und Mitarbeiter von Medien;
● Telekommunikationsarbeiter;
● mutmaßliche Kollaborateure und Spione;
● Deserteure;
● als glaubensabtrünnig Bezeichnete (Apostaten);
● (vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des IS; den IS hat al Shabaab als Seuche bezeichnet, welche ausgerottet werden müsse (LIB).
Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie kein Schutzgeld bzw. "Steuern" an al Shabaab abführen. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde auf o. g. Personengruppen politisch motiviert oder einfache Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (LIB).
Kollaboration: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. Al Shabaab tötet - meist nach unfairen Verfahren - Personen, denen Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung oder ausländischen Kräften vorgeworfen wird. Z.B. wurde im Feber 2022 in Buulo Fulay (Bay) ein Mann hingerichtet, dem Spionage für die äthiopischen Streitkräfte und die Kräfte des SWS vorgeworfen wurde. Alleine im Zeitraum Mai-Juli 2021 wurden von al Shabaab 19 Zivilisten öffentlich hingerichtet – 18 davon wegen vorgeblicher Spionage und eine Person wegen Mordes (LIB).
Al Shabaab bedroht Menschen, die mit der Regierung in Verbindung gebracht werden. Zivilisten können bestraft oder auch getötet werden, wenn sie für die Regierung oder die Armee arbeiten. Die Schwelle dessen, was al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. So wurden etwa im Feber 2021 in Mogadischu drei Frauen erschossen, die im Verteidigungsministerium als Reinigungskräfte gearbeitet hatten. Nach eigenen Angaben greift al Shabaab solche Personen hingegen nicht gezielt an. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. So wurden etwa Anfang Juli 2021 fünf Zivilisten im Gebiet Jowhar von al Shabaab entführt, weil sie Soldaten der Armee mit Erfrischungen bewirtet bzw. mit ihnen gehandelt hatten. Mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden angezündet. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt. Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (LIB).
Auf der anderen Seite kollaborieren viele Menschen mit al Shabaab. Verwaltungsstrukturen und Sicherheitskräfte sind unterwandert. Eine derartige Kollaboration kann aus finanziellen oder ideologischen Gründen erfolgen, oft aber auch aus Angst. Es scheint wenig ratsam, ein "Angebot" von al Shabaab abzulehnen (LIB).
Kapazitäten: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und AMISOM [nunmehr ATMIS]. Grundsätzlich richten sich die Angriffe der al Shabaab in nahezu allen Fällen gegen Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (LIB).
Al Shabaab greift Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, nicht spezifisch an. Für diese besteht das größte Risiko darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden. So greift al Shabaab etwa Cafés, Restaurants oder Hotels an, die von Behördenvertretern oder Wirtschaftstreibenden frequentiert werden. Zwar richten sich diese Angriffe also gegen Personengruppen, die von al Shabaab als Feinde erachtet werden, doch kommen dabei auch Zivilisten zu Schaden, welche sich am oder in der Nähe des Ziels aufhalten. Nach einem Anschlag im Dezember 2019 hat sich al Shabaab sogar dafür entschuldigt, dass derart viele Zivilisten ums Leben gekommen sind. Nach anderen Angaben ist es zwar Zufall, wer konkret einem Anschlag zum Opfer fällt; aber al Shabaab greift wahllos und doch gezielt Zivilisten an. Die Intention ist, der Bevölkerung vor Augen zu führen, dass die Regierung sie nicht beschützen kann. Dies führt Zivilisten in eine Art endemisch-alltägliche Unsicherheit in allen Lebensbereichen - und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit, von einem Anschlag getroffen zu werden, relativ gering ist (LIB).
Ausweichmöglichkeiten: Aufgrund der überregionalen Aktivitäten und der Vernetzung des Amniyad [Nachrichtendienst der al Shabaab] sind – vor allem prominente – Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet. Nach Angaben eines Journalisten wiederum kann sich ein Mensch in Mogadischu vor al Shabaab verstecke). Dies kann beispielsweise für eine Person gelten, die vom eigenen Clan z. B. im Bezirk Jowhar für eine Rekrutierung bei al Shabaab vorgesehen gewesen wäre, und sich nach Mogadischu abgesetzt hat; nicht aber prominentere Personen, die vor al Shabaab auf der Flucht sind. Al Shabaab verfügt also generell über die Kapazitäten, menschliche Ziele – auch in Mogadischu – aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Personen al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clandynamiken. Die Gruppe ist bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (LIB).
Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (LIB).
Der sogenannte Islamische Staat (IS) operiert nahezu ausschließlich in Puntland bzw. mit einigen Zellen in Mogadischu. Die Hauptziele des IS in Puntland sind Regierungsangestellte und Politiker, Soldaten, Mitarbeiter des Nachrichtendienstes, Polizisten und Angehörige von al Shabaab. In Mogadischu wendet sich der IS gegen Angehörige von al Shabaab sowie gegen jene Personen (v.a. Händler und Geschäftsleute), die sich weigern, Abgaben bzw. Schutzgeld zu entrichten (LIB).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Die zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffenen Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Verfahren.
Die Feststellungen zur Staats- und Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Somalia deckenden – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Dass der Beschwerdeführer ledig und kinderlos ist, geht aus seinen Aussagen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung hervor.
Die Feststellungen zu seinem Geburtsort, Lebenslauf, zu seiner Ausreise aus Somalia und seinen familiären Anknüpfungspunkten ergeben sich aus seinem im Verfahren getätigten, im Wesentlichen gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (vgl. Strafregisterauszug vom 20.09.2022).Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister vergleiche Strafregisterauszug vom 20.09.2022).
2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. 2.2.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.
Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss – unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten –genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über ihre Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatlandes minderjährig war. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und die Dichte dieses Vorbringens kann nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist entsprechend diesen höchstgerichtlichen Vorgaben eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung erforderlich (Ra 2018/18/0150).
2.2.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sein Vater Parlamentsabgeordneter gewesen sei und deshalb seine Mutter und er von den Al Shabaab geschlagen und bedroht worden seien sowie, dass der Beschwerdeführer sich diesen anschließen hätte sollen, ist aufgrund von etlichen Unstimmigkeiten und Widersprüchen in Gesamtbetrachtung der Umstände nicht glaubhaft. Ebenso wenig ist nicht glaubhaft, dass seine Tante im Jahr 2018 von den Al Shabaab getötet worden sei. (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 7 ff; AS 305 ff)2.2.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sein Vater Parlamentsabgeordneter gewesen sei und deshalb seine Mutter und er von den Al Shabaab geschlagen und bedroht worden seien sowie, dass der Beschwerdeführer sich diesen anschließen hätte sollen, ist aufgrund von etlichen Unstimmigkeiten und Widersprüchen in Gesamtbetrachtung der Umstände nicht glaubhaft. Ebenso wenig ist nicht glaubhaft, dass seine Tante im Jahr 2018 von den Al Shabaab getötet worden sei. vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 7 ff; AS 305 ff)
In der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Somalia aus Angst vor den Al Shabaab verlassen habe. Diese hätten einige Familienmitglieder getötet. Sein Vater sei Parlamentsabgeordneter der somalischen Regierung gewesen. Al Shabaab habe seinen Vater bedroht und gezwungen, dass dieser mit seiner Arbeit aufhöre. Sein Vater habe mit seiner Arbeit aufgehört und verstecke sich in der Stadt XXXX . (vgl. AS 39)In der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Somalia aus Angst vor den Al Shabaab verlassen habe. Diese hätten einige Familienmitglieder getötet. Sein Vater sei Parlamentsabgeordneter der somalischen Regierung gewesen. Al Shabaab habe seinen Vater bedroht und gezwungen, dass dieser mit seiner Arbeit aufhöre. Sein Vater habe mit seiner Arbeit aufgehört und verstecke sich in der Stadt römisch 40 . vergleiche AS 39)
In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass das Heimatdorf des Beschwerdeführers in den Händen der Al Shabaab gewesen sei. Sein Vater habe in der Stadt XXXX gelebt, wo ihn seine Mutter regelmäßig besucht habe. Als die Al Shabaab 2020 erfahren hätten, dass seine Mutter mit seinem Vater verheiratet sei, wären sie zu ihnen nachhause gekommen. Sie hätten seine Mutter aus der Hütte geholt, geschlagen und gefoltert. Er sei dabei gewesen und hätte seine Mutter danach gehalten. Sie hätten ihn dann mit dem Gewehrkolben geschlagen, sodass er zwei Zähne verloren habe und Narben im Schulterbereich und am Oberarm davongetragen habe. Seine Mutter hätten sie für einen Tag mitgenommen, wo sie wiederum gefoltert und geschlagen worden sei. Ein paar Tage später seien sie wieder zu ihnen nachhause gekommen, er sei jedoch nicht dabei gewesen. Sie hätten seine Mutter angeschrien und nach seinem Vater gefragt. Sie sagte, dass sie nicht wisse wo er sei. Daraufhin hätten sie gesagt, dass sie wiederkommen würden. Beim dritten Mal sei der Beschwerdeführer wieder nicht dabei gewesen. Sie hätten seiner Mutter gedroht, dass sie beim nächsten Mal den Beschwerdeführer mitnehmen würden, wenn sie nicht sage, wo ihr Mann sei. Sie habe nicht gewollt, dass er zu den Al Shabaab gehe, daher habe er flüchten müssen. Seine Mutter habe zwei Kühe verkauft und hätte ihn in einem LKW, der Schafe transportiert habe, versteckt. Er sei über XXXX nach XXXX gebracht worden. Dort hätte seine Mutter seinen Verwandten kontaktiert und gesagt, dass die Al Shabaab wieder bei ihnen zuhause gewesen seien und gedroht hätten, dass sie den Beschwerdeführer umbringen würden, wenn sie ihn finden würden. Sein Verwandter sagte ihm, dass er keine Sicherheit versprechen könne. Bereits seine Tante sei 2018 von den Al Shabaab in XXXX umgebracht worden, da sie als Reinigungskraft beim Geheimdienst gearbeitet hätte, woraufhin seine Cousine nach Kenia geflüchtet sei. Sein Verwandter in XXXX sei nach der Ausreise des Beschwerdeführers festgenommen worden, weil er dem Beschwerdeführer geholfen habe, auszureisen. (vgl. AS 303-308)In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass das Heimatdorf des Beschwerdeführers in den Händen der Al Shabaab gewesen sei. Sein Vater habe in der Stadt römisch 40 gelebt, wo ihn seine Mutter regelmäßig besucht habe. Als die Al Shabaab 2020 erfahren hätten, dass seine Mutter mit seinem Vater verheiratet sei, wären sie zu ihnen nachhause gekommen. Sie hätten seine Mutter aus der Hütte geholt, geschlagen und gefoltert. Er sei dabei gewesen und hätte seine Mutter danach gehalten. Sie hätten ihn dann mit dem Gewehrkolben geschlagen, sodass er zwei Zähne verloren habe und Narben im Schulterbereich und am Oberarm davongetragen habe. Seine Mutter hätten sie für einen Tag mitgenommen, wo sie wiederum gefoltert und geschlagen worden sei. Ein paar Tage später seien sie wieder zu ihnen nachhause gekommen, er sei jedoch nicht dabei gewesen. Sie hätten seine Mutter angeschrien und nach seinem Vater gefragt. Sie sagte, dass sie nicht wisse wo er sei. Daraufhin hätten sie gesagt, dass sie wiederkommen würden. Beim dritten Mal sei der Beschwerdeführer wieder nicht dabei gewesen. Sie hätten seiner Mutter gedroht, dass sie beim nächsten Mal den Beschwerdeführer mitnehmen würden, wenn sie nicht sage, wo ihr Mann sei. Sie habe nicht gewollt, dass er zu den Al Shabaab gehe, daher habe er flüchten müssen. Seine Mutter habe zwei Kühe verkauft und hätte ihn in einem LKW, der Schafe transportiert habe, versteckt. Er sei über römisch 40 nach römisch 40 gebracht worden. Dort hätte seine Mutter seinen Verwandten kontaktiert und gesagt, dass die Al Shabaab wieder bei ihnen zuhause gewesen seien und gedroht hätten, dass sie den Beschwerdeführer umbringen würden, wenn sie ihn finden würden. Sein Verwandter sagte ihm, dass er keine Sicherheit versprechen könne. Bereits seine Tante sei 2018 von den Al Shabaab in römisch 40 umgebracht worden, da sie als Reinigungskraft beim Geheimdienst gearbeitet hätte, woraufhin seine Cousine nach Kenia geflüchtet sei. Sein Verwandter in römisch 40 sei nach der Ausreise des Beschwerdeführers festgenommen worden, weil er dem Beschwerdeführer geholfen habe, auszureisen. vergleiche AS 303-308)
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass beim ersten Besuch der Al Shabaab fünf bewaffnete und mit Holzstöcke ausgestattete Männer gekommen wären und seine Mutter in der Hütte, ohne etwas zu fragen, geschlagen hätten. Er habe versucht dazwischen zu gehen, sei jedoch von diesen zur Seite geschoben worden. Einer der fünf Männer habe ihm mit dem Gewehrkolben zwei Zähne ausgeschlagen und ihn mit dem Holzstock geschlagen. Beide seien in der Hütte geschlagen worden. Nachdem sie ein drittes Mal bei ihnen zuhause gewesen wären, hätte seine Mutter zu ihm gesagt, dass sie nicht wolle, dass er mitgehe und mit ihnen zusammenarbeite, er solle weggehen. Seine Mutter habe eines von ihren Rindern verkauft, um den Beschwerdeführer wegzuschicken. Er sei mit einem LKW, der Rinder transportiert habe, über XXXX nach XXXX mitgefahren. Während er unterwegs gewesen sei, hätte seine Mutter einen Verwandten in XXXX kontaktiert, der ihn von einer Haltestelle abgeholt habe. Er habe den Verwandten nicht gekannt, dieser ihn jedoch schon. Er habe ihn zu seinem Haus gebracht, wo er bis zu seiner Ausreise geblieben sei. (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 7 ff)In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass beim ersten Besuch der Al Shabaab fünf bewaffnete und mit Holzstöcke ausgestattete Männer gekommen wären und seine Mutter in der Hütte, ohne etwas zu fragen, geschlagen hätten. Er habe versucht dazwischen zu gehen, sei jedoch von diesen zur Seite geschoben worden. Einer der fünf Männer habe ihm mit dem Gewehrkolben zwei Zähne ausgeschlagen und ihn mit dem Holzstock geschlagen. Beide seien in der Hütte geschlagen worden. Nachdem sie ein drittes Mal bei ihnen zuhause gewesen wären, hätte seine Mutter zu ihm gesagt, dass sie nicht wolle, dass er mitgehe und mit ihnen zusammenarbeite, er solle weggehen. Seine Mutter habe eines von ihren Rindern verkauft, um den Beschwerdeführer wegzuschicken. Er sei mit einem LKW, der Rinder transportiert habe, über römisch 40 nach römisch 40 mitgefahren. Während er unterwegs gewesen sei, hätte seine Mutter einen Verwandten in römisch 40 kontaktiert, der ihn von einer Haltestelle abgeholt habe. Er habe den Verwandten nicht gekannt, dieser ihn jedoch schon. Er habe ihn zu seinem Haus gebracht, wo er bis zu seiner Ausreise geblieben sei. vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 7 ff)
Sein Vater heiße XXXX und sei Mitglied des Parlaments in der vorletzten Regierung gewesen. Wie lange sein Vater Parlamentsabgeordneter gewesen sei, konnte er nicht beantworten. Die Nachfragen, ob er unter dem Präsidenten XXXX Parlamentsabgeordneter gewesen sei und, ob sein Vater im Jahr 2017 seine Tätigkeit als Abgeordneter niedergelegt habe, bejahte er. Von sich aus konnte der Beschwerdeführer keine genauen Zeitangaben geben und antwortete auf Nachfragen nur sehr kurz und vage. Seine Mutter habe seinen Vater immer wieder in XXXX besucht. Der Beschwerdeführer habe, bis nach dem Besuch der Al Shabaab, wo ihm seine Mutter davon erzählt habe, nichts von den Besuchen seiner Mutter gewusst. Sein Vater sei nie in seinem Dorf gewesen. Als er das letzte Mal seinen Vater gesehen habe, sei er fünf Jahre alt gewesen. (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 8)Sein Vater heiße römisch 40 und sei Mitglied des Parlaments in der vorletzten Regierung gewesen. Wie lange sein Vater Parlamentsabgeordneter gewesen sei, konnte er nicht beantworten. Die Nachfragen, ob er unter dem Präsidenten römisch 40 Parlamentsabgeordneter gewesen sei und, ob sein Vater im Jahr 2017 seine Tätigkeit als Abgeordneter niedergelegt habe, bejahte er. Von sich aus konnte der Beschwerdeführer keine genauen Zeitangaben geben und antwortete auf Nachfragen nur sehr kurz und vage. Seine Mutter habe seinen Vater immer wieder in römisch 40 besucht. Der Beschwerdeführer habe, bis nach dem Besuch der Al Shabaab, wo ihm seine Mutter davon erzählt habe, nichts von den Besuchen seiner Mutter gewusst. Sein Vater sei nie in seinem Dorf gewesen. Als er das letzte Mal seinen Vater gesehen habe, sei er fünf Jahre alt gewesen. vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 8)
Befragt zu seiner Tante gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass diese früher auch in seinem Heimatdorf gelebt hätte, aber später nach XXXX gegangen sei um zu arbeiten. Sie habe als Reinigungskraft in einem Regierungsgebäude gearbeitet und sei deswegen von den Al Shabaab getötet worden. (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10) Der Beschwerdeführer zeigte in der Einvernahme vor der belangten Behörde ein „Youtube“ Video, welches, laut Dolmetscher, von der Ermordung einer Frau namens XXXX im Jahr 2018 handle, die an der Universität in XXXX an einem Lehrgang für Islamlehrer teilgenommen habe und in der Klasse erschossen worden sei (vgl. AS 303). Dazu führte der Beschwerdeführer noch aus, dass es sich bei dieser Frau um seine Tante mütterlicherseits handle, deren Tochter sich nun in Kenia in einem Flüchtlingslager befinde. Die Tochter (Cousine des Beschwerdeführers) habe dem Beschwerdeführer die Dokumente seines Vaters geschickt, welche er vor der belangten Behörde vorlegte (Passkopie und Dienstausweis, vgl. AS 311-317). Bei dem Verwandten in XXXX , wo der Beschwerdeführer untergekommen sei, handle es sich um seinen Onkel (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 12).Befragt zu seiner Tante gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass diese früher auch in seinem Heimatdorf gelebt hätte, aber später nach römisch 40 gegangen sei um zu arbeiten. Sie habe als Reinigungskraft in einem Regierungsgebäude gearbeitet und sei deswegen von den Al Shabaab getötet worden. vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10) Der Beschwerdeführer zeigte in der Einvernahme vor der belangten Behörde ein „Youtube“ Video, welches, laut Dolmetscher, von der Ermordung einer Frau namens römisch 40 im Jahr 2018 handle, die an der Universität in römisch 40 an einem Lehrgang für Islamlehrer teilgenommen habe und in der Klasse erschossen worden sei vergleiche AS 303). Dazu führte der Beschwerdeführer noch aus, dass es sich bei dieser Frau um seine Tante mütterlicherseits handle, deren Tochter sich nun in Kenia in einem Flüchtlingslager befinde. Die Tochter (Cousine des Beschwerdeführers) habe dem Beschwerdeführer die Dokumente seines Vaters geschickt, welche er vor der belangten Behörde vorlegte (Passkopie und Dienstausweis, vergleiche AS 311-317). Bei dem Verwandten in römisch 40 , wo der Beschwerdeführer untergekommen sei, handle es sich um seinen Onkel vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 12).
Zunächst ist nicht nachvollziehbar, dass Al Shabaab erst im Jahr 2020 von der Ehe seines Vaters mit seiner Mutter erfahren hätte, obwohl dieser Jahre lang Parlamentsabgeordneter gewesen sei, seine Mutter ihn regelmäßig besucht hätte und er im Jahr 2020 bereits seit drei Jahren diese Tätigkeit nicht mehr ausgeführt hätte (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 8). Zunächst ist nicht nachvollziehbar, dass Al Shabaab erst im Jahr 2020 von der Ehe seines Vaters mit seiner Mutter erfahren hätte, obwohl dieser Jahre lang Parlamentsabgeordneter gewesen sei, seine Mutter ihn regelmäßig besucht hätte und er im Jahr 2020 bereits seit drei Jahren diese Tätigkeit nicht mehr ausgeführt hätte vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 8).
Völlig widersprüchlich zu den Aussagen in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass Al Shabaab durch die Schwester seiner Mutter, welche durch Al Shabaab Mitglieder 2018 umgebracht worden sei, erfahren habe, mit wem seine Mutter verheiratet gewesen sei, obwohl er in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung angab, dass Al Shabaab erst 2020 von der Ehe seines Vaters mit seiner Mutter erfahren hätte. Wodurch die Al Shabaab dies nun erfahren hätten, konnte er nicht beantworten. (vgl. AS 593; Niederschrift vom 22.09.2022, S. 8) Außerdem gab er sowohl in der Einvernahme als auch in der mündlichen Verhandlung an, dass seine Tante als Reinigungskraft beim Geheimdienst bzw. in einem Regierungsgebäude als Reinigungskraft gearbeitet habe und dadurch von den Al Shabaab getötet worden sei, während jene Frau in dem, in der Einvernahme, vorgezeigten Video in einer Klasse an der Universität in XXXX erschossen worden sei, wovon er im gesamten Verfahren nie etwas erwähnte. (vgl. AS 303 und Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10)Völlig widersprüchlich zu den Aussagen in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass Al Shabaab durch die Schwester seiner Mutter, welche durch Al Shabaab Mitglieder 2018 umgebracht worden sei, erfahren habe, mit wem seine Mutter verheiratet gewesen sei, obwohl er in der Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung angab, dass Al Shabaab erst 2020 von der Ehe seines Vaters mit seiner Mutter erfahren hätte. Wodurch die Al Shabaab dies nun erfahren hätten, konnte er nicht beantworten. vergleiche AS 593; Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 8) Außerdem gab er sowohl in der Einvernahme als auch in der mündlichen Verhandlung an, dass seine Tante als Reinigungskraft beim Geheimdienst bzw. in einem Regierungsgebäude als Reinigungskraft gearbeitet habe und dadurch von den Al Shabaab getötet worden sei, während jene Frau in dem, in der Einvernahme, vorgezeigten Video in einer Klasse an der Universität in römisch 40 erschossen worden sei, wovon er im gesamten Verfahren nie etwas erwähnte. vergleiche AS 303 und Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10)
Des Weiteren ist auf Unstimmigkeiten in der Fluchtgeschichte zu verweisen, wie insbesondere, dass er in der Einvernahme angab, er sei mit dem LKW, der Schafe transportiert hätte, über XXXX nach XXXX gebracht worden, wogegen er in der mündlichen Verhandlung aussagte, dass er mit einem LKW, der Rinder transportiert hätte, über XXXX nach XXXX mitgefahren sei. (vgl. AS 305, Niederschrift vom 22.09.2022, S. 8) Weiters gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er und seine Mutter von den Al Shabaab in der Hütte geschlagen worden seien (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 9). Auf Vorhalt, dass er bei der Einvernahme noch angab, dass seine Mutter von der Hütte geholt und vor dem Haus geschlagen und gefoltert worden sei, sagte er in der mündlichen Verhandlung wiederum, dass die Al Shabaab in der Hütte begonnen hätten sie zu schlagen und sie dann hinausgebracht hätten. (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10) In der Einvernahme gab er an, dass seine Mutter, nachdem sie von den Al Shabaab mitgenommen worden wäre, einen Tag später in der Früh nachhause gekommen sei, wohingegen er in der mündlichen Verhandlung sagte, dass sie zwischen Mittagsgebet und Nachmittagsgebet zurückgekommen sei. (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10)Des Weiteren ist auf Unstimmigkeiten in der Fluchtgeschichte zu verweisen, wie insbesondere, dass er in der Einvernahme angab, er sei mit dem LKW, der Schafe transportiert hätte, über römisch 40 nach römisch 40 gebracht worden, wogegen er in der mündlichen Verhandlung aussagte, dass er mit einem LKW, der Rinder transportiert hätte, über römisch 40 nach römisch 40 mitgefahren sei. vergleiche AS 305, Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 8) Weiters gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er und seine Mutter von den Al Shabaab in der Hütte geschlagen worden seien vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 9). Auf Vorhalt, dass er bei der Einvernahme noch angab, dass seine Mutter von der Hütte geholt und vor dem Haus geschlagen und gefoltert worden sei, sagte er in der mündlichen Verhandlung wiederum, dass die Al Shabaab in der Hütte begonnen hätten sie zu schlagen und sie dann hinausgebracht hätten. vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10) In der Einvernahme gab er an, dass seine Mutter, nachdem sie von den Al Shabaab mitgenommen worden wäre, einen Tag später in der Früh nachhause gekommen sei, wohingegen er in der mündlichen Verhandlung sagte, dass sie zwischen Mittagsgebet und Nachmittagsgebet zurückgekommen sei. vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10)
Widersprüchlich blieben auch die Angaben des Beschwerdeführers zur zeitlichen Abfolge der Besuche der Al Shabaab sowie zur geplanten Mitnahme des Beschwerdeführers durch die Al Shabaab. Während er in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausführte, dass zwischen den ersten beiden Besuchen ein oder zwei Wochen vergangen seien (vgl. AS 306), gab er in der mündlichen Verhandlung auf die zeitliche Abfolge der Besuche durch die Al Shaabab zunächst an, er könne sich nicht an alles erinnern, aber er schätze, sie seien in der Zeit von zwei Wochen gekommen (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10). Ferner gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die Frage, wann die Al Shaabab seiner Mutter gegenüber die Mitnahme des Beschwerdeführers in Aussicht gestellt hätten, an, dass sie gesagt hätten, den Beschwerdeführer eine Woche später abzuholen (vgl. AS 305). Demgegenüber führte er in der mündlichen Verhandlung auf die konkrete Frage durch die zuständige Richterin aus, dass die Al Shabaab in zwei Wochen zurückkommen wollten, um den Beschwerdeführer abzuholen (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10).Widersprüchlich blieben auch die Angaben des Beschwerdeführers zur zeitlichen Abfolge der Besuche der Al Shabaab sowie zur geplanten Mitnahme des Beschwerdeführers durch die Al Shabaab. Während er in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausführte, dass zwischen den ersten beiden Besuchen ein oder zwei Wochen vergangen seien vergleiche AS 306), gab er in der mündlichen Verhandlung auf die zeitliche Abfolge der Besuche durch die Al Shaabab zunächst an, er könne sich nicht an alles erinnern, aber er schätze, sie seien in der Zeit von zwei Wochen gekommen vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10). Ferner gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die Frage, wann die Al Shaabab seiner Mutter gegenüber die Mitnahme des Beschwerdeführers in Aussicht gestellt hätten, an, dass sie gesagt hätten, den Beschwerdeführer eine Woche später abzuholen vergleiche AS 305). Demgegenüber führte er in der mündlichen Verhandlung auf die konkrete Frage durch die zuständige Richterin aus, dass die Al Shabaab in zwei Wochen zurückkommen wollten, um den Beschwerdeführer abzuholen vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10).
Zudem machte er unplausible und nicht nachvollziehbare Aussagen, wie etwa, dass der Beschwerdeführer beim zweiten bzw. dritten Besuch der Al Shabaab draußen unbemerkt bei den Rindern hätte seien oder draußen hätte spielen können, während sich Al Shabaab Mitglieder auf dem Grundstück befunden und seiner Mutter gedroht hätten, dass sie ihren Sohn mitnehmen würden (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, S. 10). Zudem machte er unplausible und nicht nachvollziehbare Aussagen, wie etwa, dass der Beschwerdeführer beim zweiten bzw. dritten Besuch der Al Shabaab draußen unbemerkt bei den Rindern hätte seien oder draußen hätte spielen können, während sich Al Shabaab Mitglieder auf dem Grundstück befunden und seiner Mutter gedroht hätten, dass sie ihren Sohn mitnehmen würden vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, Sitzung 10).
Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Al Shabaab, nachdem sie seine Mutter einmal bereits mitgenommen, sie geschlagen und gefoltert hätten, noch zweimal zu ihnen nachhause gekommen wären und seiner Mutter gedroht hätten, ohne zu handeln und somit auch mit jedem Mal riskiert hätten, dass der Beschwerdeführer flüchten würde.
In weiterer Folge ist auch nicht glaubhaft, dass er zwei Monate unbehelligt in XXXX leben hätte können, bevor er aus Somalia im Juni 2020 ausgereist sei, obwohl die Al Shabaab bereits von den familiären Beziehungen zu seiner vermeintlich getöteten Tante und seinem Onkel in XXXX gewusst hätten, bereits viermal seine Mutter bedroht und später auch seinen Onkel entführt hätten. (vgl. AS 302)In weiterer Folge ist auch nicht glaubhaft, dass er zwei Monate unbehelligt in römisch 40 leben hätte können, bevor er aus Somalia im Juni 2020 ausgereist sei, obwohl die Al Shabaab bereits von den familiären Beziehungen zu seiner vermeintlich getöteten Tante und seinem Onkel in römisch 40 gewusst hätten, bereits viermal seine Mutter bedroht und später auch seinen Onkel entführt hätten. vergleiche AS 302)
Ebenso wenig erachtet das zuständige Gericht die Ausführungen des Beschwerdeführers dahingehend als glaubhaft, dass seine in Kenia lebende Cousine die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente deshalb übermitteln habe können, weil sie in XXXX gewohnt habe und seinem Vater, einem Parlamentsabgeordneten, unter anderem beim Anfertigen von Kopien von Dokumenten und/oder beim Einkaufen geholfen habe, weshalb sie im Besitz der Dokumente gewesen sei (vgl. Niederschrift vom 22.09.2022, AS 11). Ebenso wenig erachtet das zuständige Gericht die Ausführungen des Beschwerdeführers dahingehend als glaubhaft, dass seine in Kenia lebende Cousine die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente deshalb übermitteln habe können, weil sie in römisch 40 gewohnt habe und seinem Vater, einem Parlamentsabgeordneten, unter anderem beim Anfertigen von Kopien von Dokumenten und/oder beim Einkaufen geholfen habe, weshalb sie im Besitz der Dokumente gewesen sei vergleiche Niederschrift vom 22.09.2022, AS 11).
Schließlich deckt sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in mehrfacher Hinsicht auch nicht mit den vorliegenden Länderberichten zur Situation in Somalia. Zur Praxis der Zwangsrekrutierung durch Al-Shabaab wird darin (siehe Punkt 1.3.5.2.1.) unter anderem ausgeführt, dass dabei nur selten direkter Zwang ausgeübt wird und die Rekrutierung in der Regel über Clan- bzw. Dorfstrukturen, nicht individuell, abläuft. Üblicherweise richtet Al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Sobald Al Shabaab ein Gebiet besetzt, wird von den Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend jungen Menschen oder Waffen verlangt. Auch die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt daher üblicherweise der Clan. Zwar wird in den Berichten ausgeführt, dass „die Möglichkeit“ besteht, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Beispiele dafür, dass Al-Shabaab tatsächlich einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat, fänden sich aber nicht. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht plausibel, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Somalia Zwangsrekrutierung drohe.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung, dies insbesondere im Hinblick auf die Schilderung der Fluchtgeschichte bedarf und aufgrund seiner damaligen Minderjährigkeit Unstimmigkeiten im Aussageverhalten bzw. Lücken und Unschärfen des Erinnerungsvermögens vorliegen können und auch hinzunehmen sind (etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020). Dies bedeutet allerdings nicht, dass jegliche Angaben eines Minderjährigen als wahr anzusehen sind. Dass der Beschwerdeführer die seine Flucht auslösende Bedrohung derart unterschiedlich und widersprüchlich darstellt kann nicht nachvollzogen werden.
Die vorgelegten Dokumente (Passkopie und Dienstausweis) sowie die bei der belangten Behörde vorgezeigten Verletzungen waren im Hinblick auf den unglaubhaften Gesamteindruck nicht geeignet das Fluchtvorbringen zu untermauern. Die Person auf den Ausweisen konnte außerdem nicht als der Vater des Beschwerdeführers identifiziert werden. (vgl. AS 311-317)Die vorgelegten Dokumente (Passkopie und Dienstausweis) sowie die bei der belangten Behörde vorgezeigten Verletzungen waren im Hinblick auf den unglaubhaften Gesamteindruck nicht geeignet das Fluchtvorbringen zu untermauern. Die Person auf den Ausweisen konnte außerdem nicht als der Vater des Beschwerdeführers identifiziert werden. vergleiche AS 311-317)
2.2.3. Das erkennende Gericht geht angesichts der zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten sowie der detailarmen Aussagen im Vorbringen des Beschwerdeführers und in Bezug auf die fehlende Plausibilität aufgrund der Länderinformationen davon aus, dass die angeblichen fluchtauslösenden Ereignisse in Somalia in der vom Beschwerdeführer geschilderten Form in Wahrheit nicht stattgefunden haben und die behaupteten Bedrohungen für den Beschwerdeführer in Somalia nicht bestehen.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Somalia weder psychische noch physische Gewalt durch Al Shabaab oder andere Gruppierungen oder Personen.
2.2.4. Auch in Bezug auf die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers kann keine asylrelevante Gefährdung erkannt werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer keinerlei Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit geltend machte.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation Somalia:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte und die Anfragebeantwortung auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A.)
3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).3.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, Paragraph 45,, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde vergleiche VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
3.1.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sein Vater Parlamentsabgeordneter gewesen sei und seine Tante durch die Al Shabaab getötet worden sei und er aufgrund dessen durch die Al Shabaab geschlagen und bedroht worden sei und ihm bei einer Rückkehr Verfolgung und Zwangsrekrutierung drohe, nicht glaubhaft.
Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Somalia kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
3.1.3. Wie ebenfalls feststellt und beweiswürdigend ausgeführt, wird der Beschwerdeführer in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht von Gewalt bedroht. Es besteht daher auch in diesem Zusammenhang keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung.
3.1.4. Da sich auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat ableiten ließ, war die Beschwerde, die sich ausschließlich nur gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtete (vgl. AS 557), zur Gänze als unbegründet abzuweisen. 3.1.4. Da sich auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat ableiten ließ, war die Beschwerde, die sich ausschließlich nur gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides richtete vergleiche AS 557), zur Gänze als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.