Unabhängiger Bundesasylsenat

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Entscheidungstext 224.170/0/13E-XIV/39/01

Entscheidende Behörde

Unabhängiger Bundesasylsenat

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Bescheid

Geschäftszahl

224.170/0/13E-XIV/39/01

Entscheidungsdatum

12.04.2007

Verfasser

Dr. Fischer-Szilagyi

Norm

AsylG 1997 §7 AsylG 1997 §12

Spruch

BESCHEID

SPRUCH

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. Fischer-Szilagyi gemäß Paragraph 66, Absatz 4, AVG in Verbindung mit Paragraph 38, Absatz eins, des Asylgesetzes 1997, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, idgF (AsylG), entschieden:

Der Berufung von B. H. vom 01.10.2001 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.09.2001, Zahl: 01 11.582-BAG, wird stattgegeben und B. H. gemäß Paragraph 7, AsylG Asyl gewährt. Gemäß Paragraph 12, AsylG wird festgestellt, dass B. H. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

BEGRÜNDUNG

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Asylantrag des nunmehrigen Berufungswerbers vom 16.05.2001 gemäß Paragraph 7, AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 8, AsylG für zulässig erklärt.

In dem dagegen eingebrachten Rechtsmittel wurde der Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten.

Die erkennende Behörde führte am 27.03.2007 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in welcher der Berufungswerber befragt sowie Beweisergebnisse erörtert wurden. Die Erstbehörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

Im Zuge dieser Verhandlung wurde vor allem die Tätigkeiten des Berufungswerbers in Österreich bei einem kurdischen Verein erörtert.

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

Der Berufungswerber, türkischer Staatsbürger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, ist in K., römisch fünf., geboren und war dort aufhältig. Er hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in Österreich eingereist und hat am 16.05.2001 gegenständlichen Asylantrag gestellt.

In Österreich trat er einem kurdischen Verein bei, wo er sich aktiv beteiligte und auch an prokurdischen Kundmachungen und Demonstrationen teilnahm, wie zuletzt:

  • Strichaufzählung
    00.00.2006 Versammlung der Kurden in Graz;
  • Strichaufzählung
    00.00.2007 Versammlung der Kurden in Wien mit Hungerstreik und Demonstration vor dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten;
  • Strichaufzählung
    00.00.2007 Demonstration Graz;
  • Strichaufzählung
    Nevroz-Feiern in Graz.

Zum Beweis legte er Fotografien, einen Zeitungsartikel betreffend die Hungerstreikaktion zu beginn 2007 sowie eine Bestätigung über die Mitgliedschaft beim Kurdistan Informations-Zentrum Graz vor. Der Berufungswerber ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Gattin ist fünf Monate vor dem Berufungswerber in Österreich eingereist, sie hat eine Niederlassungsbewilligung, ihr Vater ist österreichischer Staatsbürger. Die zwei in Österreich geborenen Kinder sind in Österreich aufhältig; das dritte Kind lebt in der Türkei.

Zum Herkunftsstaat des Berufungswerbers, insbesondere dem Punkt "Exilpolitisches Verhalten" wird Folgendes ausgeführt:

Im Bericht des Auswärtigen Amtes, Deutschland, vom 11.01.2007 (Pkt. 1.11.), wird Folgendes festgehalten:

"Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden.

Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen gemäß der gültigen Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gewertet werden können. Mit der Liberalisierung des türkischen Strafrechts ist auch die Verfolgung strafrechtlich relevanten Verhaltens von Türken im Ausland zurückgegangen. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes haben die türkischen Strafverfolgungsbehörden in der Regel nur ein Interesse an der Verfolgung im Ausland begangener Gewalttaten bzw. ihrer konkreten Unterstützung. Dazu gehört auch die Mitgliedschaft in der PKK."

In einem mündlichen Gutachten in einer mündlichen Berufungsverhandlung vor der erkennenden Behörde am 15.03.2007 hat der Sachverständige Dr. Ö. ausgeführt, dass Demonstrationen in Österreich vom türkischen Geheimdienst oder Angehörigen der türkischen Botschaft beobachtet und fotografiert, die Menschen, die darauf erkennbar sind, identifiziert und ausgewertet und die Informationen an die Sammelstelle der türkischen, politischen Polizei weitergeleitet werden. Im Falle der Rückkehr solcher Personen werden diese Leute am Flughafen oder an der Grenze festgenommen und der politischen Polizei und anschließend der Anti-Terror-Einheit übergeben, wo es dann zu Folterungen und erzwungenen Aussagen kommen kann. Eine Teilnahme an solchen Demonstrationen bedeutet eine Beleidigung des türkischen Staates und Sympathie für die PKK und damit kommt es zu einem Eingreifen der Anti-Terror-Einheit nach dem Anti-Terror-Gesetz.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß Paragraph 7, AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern", die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Betätigung in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte. Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, einerseits, ob der Asylwerber auffällig "regimekritisch" in Erscheinung getreten ist, andererseits, ob er aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden konnte vergleiche Erk. vom 22.5.2001, Zl. 2000/01/0076; Erk. vom 14.1.2003, Zl. 2001/01/0398, Erk. vom 8.4.2003, Zl. 2002/01/0078).

Im gegenständlichen Fall nimmt der Berufungswerber in Österreich regelmäßig an politischen Kundgebungen und Veranstaltungen teil. Diese Veranstaltungen haben auch Kritik an der Vorgangsweise des türkischen Staates an der Behandlung von Kurden zum Inhalt. Insbesondere auch aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei der der türkischen Polizei zur Verfügung stehenden Informationssammelstelle Daten über den Berufungswerber jedenfalls seit seiner aktiven und exponierten Teilnahme an Demonstrationen in Österreich vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber von den türkischen Behörden als "regimekritisch" eingestuft wird. Aufgrund der routinemäßig durchgeführten Kontrollen bei der Rückkehr abgeschobener Personen in die Türkei vergleiche in diesem Zusammenhang Pkt. IV/Rückkehrfragen des Berichtes des deutschen Auswärtigen Amtes vom 11.01.2007) hat der Berufungswerber mit Anhaltung und Festnahme zu rechnen und ist das Risiko, dass dem Berufungswerber aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten ein Naheverhältnis zur PKK unterstellt würde und damit Misshandlungen und Folter ausgesetzt ist, sehr hoch. Aus Gründen der politischen Gesinnung droht daher dem Berufungswerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung und war daher spruchgemäß zu entscheiden, zumal auch eine inländische Fluchtalternative aufgrund der von staatlicher Seite ausgehenden Verfolgung ausgeschlossen ist.

Das Verfahren war gemäß Paragraph 75, Absatz eins, AsylG 2005 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, zu führen.

Schlagworte

Volksgruppenzugehörigkeit, politischer Charakter, familiäre Situation, exilpolitische Aktivität, Demonstration, Geheimdienst, politische Gesinnung, gesamte Staatsgebiet

Dokumentnummer

UBAST_20070412_224_170_0_13E_XIV_39_01_00

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