Landesverwaltungsgerichte (LVwG)

Navigation im Suchergebnis

Entscheidungstext LVwG-2014/37/2473-14

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Entscheidungsart

Erkenntnis

Geschäftszahl

LVwG-2014/37/2473-14

Entscheidungsdatum

18.03.2015

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Hirn über die Beschwerde des A, Adresse1, Ort1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 04.08.2014, Zl **-***-2013,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß Paragraph 50, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

römisch eins.       Verfahrensablauf:

1.       Verfahren vor der belangten Behörde:

Mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 der XY ImmobilienGmbH, vertreten durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer A , Adresse1, Ort1, die wasserrechtliche Bewilligung zur Versickerung von Niederschlagswässern im Zusammenhang mit der Errichtung einer Zufahrtsstraße zur Erschließung der sogenannten „Kösslergründe“ im Ortsteil Oberachen im Gemeindegebiet von Ort1 nach Maßgabe eines näher bezeichneten Einreichprojektes befristet bis zum 31.12.2017 und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Die bei der neuen Weganlage anfallenden Niederschlagswässer sollten über getrennte Ableitungskanäle in zwei Rasensickermulden (Versickerungsmulde 1 und Versickerungsmulde 2) geleitet werden.

Gemäß Spruchpunkt römisch fünf. des Bescheides vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, war die Entwässerungsanlage bis spätestens 30.11.2008 fertigzustellen.

Mit Bescheid vom 16.10.2008, Zl ***-****/**-08, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 die Frist für die Fertigstellung der mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wasserrechtlich bewilligten Versickerungsanlage bis zum 30.11.2010 verlängert.

Mit Schriftsatz vom 07.02.2011, ***-****/**/11, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 die XY ImmobilienGmbH ersucht mitzuteilen, ob die Zufahrtsstraße fertiggestellt worden sei. Laut Auskunft des Geschäftsführers der XY ImmobilienGmbH vom 10.02.2011 war deren Fertigstellung bereits im Jahr 2010 erfolgt. Es hätten sich keine Abweichungen gegenüber dem Einreichprojekt ergeben.

Der wasserrechtliche Amtssachverständige Ing. B, Ort2, hat mit Schriftsatz vom 15.03.2011, Zl ****/***/***, über das Ergebnis des am 14.03.2011 durchgeführten Lokalaugenscheins berichtet. Laut seinen Ausführungen waren die Entwässerungsanlagen für die Aufschließungsstraße „StraßeZ“ noch nicht fertiggestellt.

Wörtlich heißt es im Schriftsatz:

„Die Rasensickermulde 1 wurde noch nicht hergestellt. Mit dem Bau der Rasensickermulde 2 wurde bereits begonnen. Im Zuge des Lokalaugenscheines stellte es sich auch heraus, dass die Entwässerungsanlagen für den 1. Bauabschnitt, das ist jener Straßenabschnitt, der parallel zur Weißache verläuft, sanierungsbedürftig ist.“

Aufgrund dieser Mitteilung hat die belangte Behörde die XY ImmobilienGmbH mit Schriftsatz vom 23.03.2011, Zl ***-****/18, aufgefordert, die Rasensickermulden 1 und 2 bis zum 30.05.2011 entsprechend der wasserrechtlichen Bewilligung vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, fertigzustellen und deren Fertigstellung umgehend der Bezirkshauptmannschaft Ort2 schriftlich mitzuteilen.

Mit Schriftsatz vom 06.06.2011, Zl ***-****/19-11, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 der XY ImmobilienGmbH letztmalig eine Frist bis zum 15.07.2011 eingeräumt, um die entsprechenden Arbeiten durchzuführen und deren Fertigstellung schriftlich mitzuteilen. Für den Fall des ungenützten Verstreichens der Frist hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 die Einleitung eines Strafverfahrens angekündigt.

Mit Schriftsatz vom 08.11.2011, Zl ***-****/20-11, hat die belangte Behörde die XY ImmobilienGmbH nochmals aufgefordert, die Fertigstellung bis zum 15.12.2011 zu bewerkstelligen und der Behörde darüber entsprechende Aufzeichnungen vorzulegen.

A als Geschäftsführer der XY ImmobilienGmbH hat mit Schriftsatz vom 11.11.2011 der Bezirkshauptmannschaft Ort2 mitgeteilt, die Rasensickermulden im Frühjahr 2011 (richtig: 2012) fertigzustellen. Dies sei mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Baubezirksamtes Ort2 abgesprochen worden. Dies hat der zuständige wasserfachliche Amtssachverständige Ing. B auf eine telefonische Anfrage am 17.11.2011 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 29.05.2012, Zl ***-****/21-12, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 den Geschäftsführer der XY ImmobilienGmbH ersucht mitzuteilen, ob die Arbeiten zur Errichtung der Sickermulden im Frühjahr 2012 abgeschlossen worden seien. Dabei sei auch anzugeben, ob die Nebenbestimmungen des Bescheides vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, eingehalten worden seien.

Laut der Mitteilung der XY ImmobilienGmbH vom 28.06.2012 wurden die Arbeiten an den Sickermulden fertiggestellt und die Nebenbestimmungen des Bescheides vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, eingehalten.

Am 12.07.2012 hat eine Überprüfungsverhandlung stattgefunden. Entsprechend den Ausführungen des wasserfachlichen Amtssachverständigen Ing. B wurde die nördlich gelegene Rasensickermulde 1 zur Entsorgung der auf der verfahrensgegenständlichen Erschließungsstraße („Weganlage O“) anfallenden Niederschlagswässer falsch und nicht fachmäßig hergestellt. Die Rasensickermulde 2 war im Zuge der Besichtigung nicht mehr erkennbar.

Abschließend hat der wasserfachliche Amtssachverständige folgende Beurteilung abgegeben:

„Die unfachmännisch und zum Teil abgeänderten Entwässerungsanlagen (Rasensicker-mulden) entsprechen unter keinen Umständen dem siedlungswasserbautechnischen Standard. Auch hier werden die Nebenbestimmungen des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom … nicht bzw. nur zum Teil erfüllt. …“

Aus Sicht des wasserfachlichen Amtssachverständigen waren daher näher beschriebene Sanierungsmaßnahmen bis zum 30.09.2012 durchzuführen.

Mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 gemäß Paragraph 121, Absatz eins, Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) der XY ImmobilienGmbH, vertreten durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer A , Adresse1, Ort1, aufgetragen, die nachfolgenden Maßnahmen auf deren Kosten durchzuführen:

„1.Die Rasensickermulden sind von einer Fachfirma ordnungsgemäß, entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, und dem zugrunde gelegten Projekt, zu sanieren. Dabei ist zu beachten, dass neben der maximal zu erwartenden Einstauhöhe auch ein entsprechendes Freibord berücksichtigt wird.

2.  Die Sanierung der Versickerungsanlagen muss von einem dazu befugten Fachmann beaufsichtigt bzw. dokumentiert werden. Ein Abschlussbericht inkl. Fotodokumentation ist der Behörde zu übermitteln.

3.  Die Arbeiten sind bis zum 30.04.2013 abzuschließen und die Dokumentation der Behörde vorzulegen.“

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schriftsatz vom 21.05.2013, Zl ***-****/24-13, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 unter Hinweis auf den Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, der XY ImmobilienGmbH letztmalig eine Frist bis zum 30.06.2013 eingeräumt, die vorgeschriebene Fotodokumentation eines dazu befugten Fachmannes vorzulegen, andernfalls ein Strafverfahren gemäß Paragraph 137, WRG 1959 eingeleitet werde.

Mit Schriftsatz vom 21.08.2013, Zl ***-***/25-13, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 der XY ImmobilienGmbH die Ersatzvornahme der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahmen angedroht.

Mit Schriftsatz vom 02.09.2013, Zl **-***-2013, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 A als Geschäftsführer der XY ImmobilienGmbH und somit als verantwortlichem Organ wegen der nicht fristgerechten Umsetzung der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahmen eine Verwaltungsübertretung nach Paragraph 137, Absatz 3, Ziffer 8, WRG 1959 vorgeworfen und ihn aufgefordert, sich diesbezüglich zu rechtfertigen.

Zur angedrohten Ersatzvornahme hat sich die XY ImmobilienGmbH im Schriftsatz vom 13.09.2013 geäußert. Wörtlich heißt es darin:

„Die Ersatzvornahme ist zu Ihrer Kenntnisnahme nicht möglich bzw. nur auf Ihre Gefahr zu vollziehen.

Wie Ihrem Mitarbeiter Herrn B anlässlich einer gemeinsamen Begehung mitgeteilt wurde, befindet sich unter dieser geplanten Rasensickermulde die Hauptgasleitung welche vom Planungsbüro ganz offensichtlich nicht berücksichtigt wurde.

Anlässlich des Genehmigungsverfahrens wurde dieser Umstand offensichtlich ebenfalls übersehen und daher wohl als fehlerhaft genehmigt.

Wir ersuchen daher auf diese Rasensickermulde zu verzichten, da sie nach bisherigen Erkenntnissen auch nicht benötigt wird. Es steht auch kein Ausweichgrund zur Verfügung. Im Übrigen wurde seitens Ihrer Behörde auch im Bereich P auf die Versickerung verzichtet als es um die Gemeinde ging.“

Auf diesem Schreiben wurde vom zuständigen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Ort2 folgender handschriftlicher Vermerk angebracht:

„AV: lt. Rs TIGAS (Hr. C) stimmen die Angaben des Hr. A. Der Errichtung einer Sickeranlage kann von Seiten der TIGAS nicht zugestimmt werden.

14.11.2013 …“

Nach dem 14.11.2013 hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 offensichtlich durch einen Amtssachverständigen einen Lokalaugenschein durchführen lassen. In dem an die XY ImmobilienGmbH gerichteten Schreiben vom 18.03.2014, Zl ***-****/26-14, heißt es wörtlich:

„Zu Ihrem Schreiben vom 13.09.2013, in welchem Sie der Behörde mitteilen, dass die Rasensickermulde nicht errichtet werden kann, zumal einerseits die TIGAS Hauptgasleitung unter der geplanten Rasensickermulde verläuft und andererseits kein Ausweichgrund zur Verfügung steht.

Im Zuge eines durchgeführten Lokalaugenscheines durch die Behörde wurde festgestellt, dass eine lagemäßige Änderung der Sickermulde durchaus möglich ist. Die Rasensickermulde kann in östliche Richtung ´verschoben‘ werden und mit einer höheren Einstauhöhe als bisher geplant errichtet werden. Dadurch kann das erforderliche Retentionsvolumen erreicht werden.

Die Bezirkshauptmannschaft Ort2 fordert Sie daher auf, die Sickermulde entsprechend abgeändert zu platzieren und auszuführen. Nach Fertigstellung der Sickeranlage ist der Behörde umgehend ein entsprechendes Ausführungsprojekt (3-fach) vorzulegen. Sie werden darauf hingewiesen, dass die Arbeiten nur nach vorheriger Abstimmung mit der TIGAS (Leitungsaufsicht) durchgeführt werden dürfen. Als Frist zur Fertigstellung der Oberflächenentwässerung wird der 30.05.2014 vorgemerkt. …“

Mit Schriftsatz vom 26.06.2014, Zl **-***-2013, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 dem Geschäftsführer A der XY ImmobilienGmbH mitgeteilt, dass das Verwaltungsstrafverfahren nach Paragraph 137, Absatz 3, Ziffer 8, WRG 1959 gemäß Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt wird.

Mit dem weiteren Schriftsatz vom 26.06.2014, Zl **-***-2013, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 A als Geschäftsführer und somit verantwortlichem Organ der XY ImmobilienGmbH wegen der nicht fristgerechten Umsetzung der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahmen eine Verwaltungsübertretung nach Paragraph 137, Absatz eins, Ziffer 5, WRG 1959 vorgeworfen und ihn aufgefordert, sich diesbezüglich zu rechtfertigen.

Zu dieser Aufforderung hat sich A nicht geäußert, allerdings wurde das genannte Schriftstück entgegen Paragraph 41, Absatz 2, VStG dem Beschuldigten nicht zu eigenen Handen zugestellt.

Mit Straferkenntnis vom 04.08.2014, Zl **-***-2013, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 A als handelsrechtlichem Geschäftsführer und damit vertretungsbefugtem Organ der XY ImmobilienGmbH, Adresse1, Ort1, zur Last gelegt, den mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, gem Paragraph 121, Absatz eins, WRG 1959 erteilten Auftrag zur Beseitigung von Mängeln und Abweichungen nicht bis zum 30.04.2013 und damit nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt zu haben, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Paragraph 137, Absatz eins, Ziffer 5, Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) begangen zu haben und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 1.500,00 verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat A mit Schriftsatz vom 27.08.2014 Beschwerde erhoben. Entsprechend den darin enthaltenen Ausführungen beantragt der Beschwerdeführer, das bekämpfte Straferkenntnis vom 04.08.2014, Zl **-***-2013, aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

2.       Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol:

Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol hat die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 09.10.2014 und vom 28.10.2014, Zl **-***-2013, Aktenteile des Aktes Zl ***-**** in Kopie vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 18.11.2014, Zl LVwG-2014/37/2473-5, hat das Landesverwaltungs-gericht Tirol die belangte Behörde ersucht, sich zu den nachfolgenden Fragen zu äußern:

a)   Ist die Errichtung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wasserrechtlich bewilligten Rasensickermulden laut dem diesem Bescheid zugrunde liegenden Projekt möglich?

b)   Ersetzt die im Schriftsatz vom 18.03.2014, Zl ***-****/26-14, beschriebene Sickermulde die ursprünglich bewilligten beiden Rasensickermulden?

c)   Wie unterscheidet sich die im Schriftsatz vom 18.03.2014, Zl ***-****/26-14, beschriebene Sickermulde von den mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, bewilligten Rasensickermulden (berührtes Grundstück, Lage, Einstauhöhe etc)?

Dazu hat sich die Bezirkshauptmannschaft Ort2 im Schriftsatz vom 19.12.2014 geäußert. Der Inhalt dieser Stellungnahme lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Ø    Die Errichtung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wasserrechtlich bewilligten Rasensickermulden laut dem zugrunde liegenden Projekt ist nicht möglich, da zumindest an zwei Stellen der erforderliche Mindestabstand zur Hochdruckleitung der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH nicht eingehalten werden kann.

Ø    Die im Schreiben vom 18.03.2014 beschriebene Sickermulde ersetzt die im östlichen Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, gelegene Sickermulde. Die Sickermulde nördlich der Straßenanlage kann durch eine teilweise Aufweitung der Sickermulde das erforderliche Retentionsvolumen erreichen.

Ø    Die im Schreiben vom 18.03.2014 beschriebene Sickermulde unterscheidet sich hinsichtlich der im Projekt beschriebenen Rasensickermulde dahingehend, dass diese lagemäßig etwas in östliche Richtung verlegt wird. Darüber hinaus ist die Einstauhöhe geringer auszuführen, wodurch der erforderliche Mindestabstand zur Hochdruckleitung der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH eingehalten werden kann. Dementsprechend ist es erforderlich, die Rasensickermulde in Länge und Breite entsprechend zu vergrößern, um das erforderliche Retentionsvolumen wiederum zu erreichen. Die beschriebene Sickermulde berührt lediglich das Gst Nr 1026/1, GB 83004 Ort1. Eine Beeinträchtigung zusätzlicher fremder Rechte erfolgt nicht.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2015, Zl LVwG-2014/37/2473-6, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Darstellung des Sachverhaltes die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH ersucht, sich zu den mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, bewilligten Sickermulden zwecks Entsorgung der auf der Aufschließungsstraße „Kösslergründe“ anfallenden Niederschlagswässern zu äußern. Insbesondere sollte dargelegt werden, welche Gasleitung im verfahrensgegenständlichen Bereich verläuft und welche Sicherungsmaßnahmen (Sicherheitsabstand, etc) dabei einzuhalten seien.

Zu dieser Anfrage hat sich die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH in den Schriftsätzen vom 27.01.2015 und vom 24.02.2015 geäußert. In diesen Schreiben weist die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH darauf hin, dass im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, die von ihr betriebene Erdgashochdruckleitung DN 300/PN 70 einschließlich zugehörigem Steuerkabel sowie die von ihr betriebene Erdgasmitteldruckleitung da 110/PN 6 verlaufen. Unter Hinweis auf Punkt 5.5.2 der ÖVGW-richtlinie G E100(„Erdgasleitungen – Allgemeine Anforderungen für Planung, Errichtung und Erstprüfung von Erdgasleitungen“), und die darin vorgesehene Mindestüberdeckung von Erdgasleitungen im Ausmaß von 0,8 bis 1,0 m hebt die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH hervor, dass die Situierung einer Sickermulde oberhalb der Hochdruckleitungsanlage nicht zulässig sei. Der Bestand der Erdgasleitungen sei auch durch einen grundbücherlich sichergestellten Dienstbarkeitsstreifen in einer Breite von 4 m beidseits der Rohrtrasse abgesichert.

Ausgehend von den Darlegungen der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH hat das Landesverwaltungsgericht die für die Errichtung und den Betrieb der Erdgasleitungen erteilte gewerbebehördliche Genehmigung eingeholt.

Zu den Ergebnissen des vom Landesverwaltungsgericht Tirol durchgeführten Ermittlungsverfahrens haben sich der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 13.03.2015 und die belangte Behörde im Schriftsatz vom 18.03.2015 geäußert. Die Bezirkshauptmannschaft hat dabei auf ihre Ausführungen in der Stellungnahme vom 19.12.2014 verwiesen.

römisch II.      Beschwerdevorbringen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, das bekämpfte Straferkenntnis sei nicht begründet, da das Verwaltungsstrafverfahren zu Zl **-***-2013 entsprechend dem Schriftsatz vom 26.06.2014 eingestellt worden sei.

Außerdem sei das Projekt – also die Rasensickermulden – in der von der Bezirkshauptmannschaft Ort2 genehmigten Form nicht ausführbar.

römisch III.    Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 der XY ImmobilienGmbH, vertreten durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer A , Adresse1, Ort1, die wasserrechtliche Bewilligung zur Versickerung von Niederschlagswässern im Zusammenhang mit der Errichtung einer Zufahrtsstraße zur Erschließung der sogenannten „StraßeZ“ im Ortsteil R im Gemeindegebiet von Ort1 nach Maßgabe eines näher bezeichneten Einreichprojektes befristet bis zum 31.12.2017 und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Die bei der neuen Weganlage anfallenden Niederschlagswässer sollten über getrennte Ableitungskanäle in zwei Rasensickermulden (Versickerungsmulde 1 und Versickerungsmulde 2) geleitet werden.

Gemäß Spruchpunkt römisch fünf. des Bescheides vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, war die Entwässerungsanlage bis spätestens 30.11.2008 fertigzustellen.

Die zur Entsorgung der anfallenden Niederschlagswässer bewilligte Anlage wird im Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wie folgt beschrieben:

„Die anfallenden Niederschlagswässer werden mit Straßeneinlaufgullys gesammelt und mit getrennten Ableitungskanälen in zwei Rasensickermulden geleitet.

In die Versickerungsmulde 1 werden jene Wässer geleitet, die zwischen Baulosanfang und Stationierung 66, bzw. beim Stichweg anfallen. Diese Mulde benötigt eine Sickerfläche von etwa 50 m². Die max. Einstauhöhe soll etwa 70 cm betragen.

Die Versickerungsmulde 2 benötigt eine Sickerfläche von etwa 35 m². Die max. Einstauhöhe soll etwa 19 cm betragen….“

Beide Sickermulden sind auf dem Gst Nr ***/1, GB ***04 Ort1, zu errichten, eine im östlichen und eine im nördlichen Bereich.

Im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verläuft die von der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH betriebene Erdgashochdruckleitung DN 300/PN 70 einschließlich des zugehörigen Steuerkabels sowie eine Erdgasmitteldruckleitung da 110/PN 6. Die Errichtung und den Betrieb dieser Erdgasleitungen hat der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 18.08.2000, Zl ****-**.***/45-00, unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen gewerbebehördlich genehmigt.

Der Bestand beider Leitungen ist durch einen grundbücherlich sichergestellten Dienstbarkeitsstreifen in einer Breite von 4 m beidseits der Rohrtrasse abgesichert. Gemäß Punkt römisch II. Ziffer eins, des zwischen der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH (TIGAS) und dem Grundeigentümer abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrages vom 14.08.2000 übernimmt der Grundeigentümer „im Rahmen der zugunsten der TIGAS eingeräumten Dienstbarkeit die Verpflichtung, innerhalb des 8 m breiten Grundstücksstreifens keine Baulichkeiten zu errichten, keine über die landwirtschaftliche Nutzung, zu der auch die Einsaat von Luzerne gehört, erforderliche Bodenbearbeitung hinausgehenden Erdarbeiten vorzunehmen und keine Bäume oder Sträucher zu pflanzen.“

Gemäß Punkt 5.5.2 der ÖVGW-Richtlinie G E100 („Erdgasleitungen – Allgemeine Anforderungen für Planung, Errichtung und Erstprüfung von Erdgasleitungen“) hat die Mindestüberdeckung von Erdgasleitungen in der Regel 0,8 bis 1,0 m, gemessen vom Rohrscheitel, zu betragen. Je nach Nutzung kann jedoch eine höhere Überdeckung erforderlich sein.

Die Errichtung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wasserrechtlich bewilligten Rasensickermulden laut dem diesem Bescheid zu Grunde liegenden Projekt würde dazu führen, dass teilweise der erforderliche Mindestabstand zu der über das Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgashochdruckleitung der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH nicht eingehalten wird. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass durch die Wartung der bewilligten Rasensickermulden eine Gefährdung der Erdgasleitung eintritt.

Mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 gemäß Paragraph 121, Absatz eins, Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) der XY ImmobilienGmbH, vertreten durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer A , Adresse1, Ort1, aufgetragen, die nachfolgenden Maßnahmen auf deren Kosten durchzuführen:

„1.Die Rasensickermulden sind von einer Fachfirma ordnungsgemäß, entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, und dem zugrunde gelegten Projekt, zu sanieren. Dabei ist zu beachten, dass neben der maximal zu erwartenden Einstauhöhe auch ein entsprechendes Freibord berücksichtigt wird.

2.  Die Sanierung der Versickerungsanlagen muss von einem dazu befugten Fachmann beaufsichtigt bzw. dokumentiert werden. Ein Abschlussbericht inkl. Fotodokumentation ist der Behörde zu übermitteln.

3.  Die Arbeiten sind bis zum 30.04.2013 abzuschließen und die Dokumentation der Behörde vorzulegen.“

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schreiben vom 18.03.2014, Zl ***-****/26-14, hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer aufgefordert, die Sickermulde im östlichen Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, in östliche Richtung zu „verschieben“, somit an einem anderen Standort zu platzieren, und mit einer höheren Einstauhöhe als bewilligt zu errichten.

Demgegenüber sollte die Sickermulde nördlich der Straßenanlage eine Aufweitung erfahren.

Mit Straferkenntnis vom 04.08.2014, Zl **-***-2013, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 A als handelsrechtlichem Geschäftsführer und damit vertretungsbefugtem Organ der XY ImmobilienGmbH, Adresse1, Ort1, zur Last gelegt, den mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, gem Paragraph 121, Absatz eins, WRG 1959 erteilten Auftrag zur Beseitigung von Mängeln und Abweichungen nicht bis zum 30.04.2013 und damit nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt zu haben, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Paragraph 137, Absatz eins, Ziffer 5, Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) begangen zu haben und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 1.500,00 verhängt.

römisch IV.      Beweiswürdigung:

Die in der Sachverhaltsdarstellung angeführten Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Ort2 liegen vor. Bei der Beschreibung der zur Entsorgung der auf der Aufschließungsstraße „Kösslergründe“ anfallenden Niederschlagswässer (Errichtung von Versickerungsmulden) hat das Landesverwaltungsgericht Tirol auf die entsprechenden Ausführungen im Bewilligungsbescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, zurückgegriffen.

Die Feststellungen zu den über das Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen stützt das Landesverwaltungsgericht Tirol auf die umfangreichen Mitteilungen der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH vom 27.01.2015 und vom 24.02.2015 und den eingeholten gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheid vom 18.08.2000, Zl ***-*****/45-00. Die Mitteilungen der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH stimmen im Wesentlichen mit den von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 19.12.2014 getroffenen Angaben überein, wonach bei der Errichtung der mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wasserrechtlichen bewilligten Rasensickermulden teilweise der erforderliche Mindestabstand zu der von der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH betriebenen, über das Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgashochdruckleitung nicht eingehalten werden könne.

Dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer aufgefordert hat, die Rasensickermulde im östlichen Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, an anderer Stelle zu platzieren und mit einer abgeänderten Einstauhöhe zu errichten, ergibt sich unzweifelhaft aus dem an den Beschwerdeführer gerichteten Schriftsatz vom 18.03.2014, Zl ***-****/26-14. Die offensichtlich erforderliche teilweise Aufweitung der nördlich der Straßenanlage situierten Rasensickermulde erwähnt die belangte Behörde in ihrer an das Landesverwaltungsgericht Tirol ergangenen Stellungnahme vom 19.12.2014.

römisch fünf.       Rechtslage:

1.       Wasserrechtsgesetz 1959:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), Bundesgesetzblatt Nr 215 aus 1959, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 54 aus 2014,, lauten samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Überprüfung der Ausführung von Wasseranlagen

Paragraph 121, (1) Die Ausführung einer nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes oder unter Mitanwendung dieses Bundesgesetzes bewilligungspflichtigen Wasseranlage ist unverzüglich der für die Erteilung der Bewilligung zuständigen Behörde bekannt zu geben. Diese hat sich in einem auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung, bei Trieb- und Stauwerken insbesondere auch von der richtigen und zweckmäßigen Setzung der Staumaße, zu überzeugen, die Messungsergebnisse schriftlich festzuhalten, das Ergebnis dieser Überprüfung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung etwa wahrgenommener Mängel und Abweichungen zu veranlassen. Geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, können im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden. Wird bei einer Fristüberschreitung die Bewilligung nicht ausdrücklich für erloschen erklärt, so gilt die Anlage als fristgemäß ausgeführt (Paragraph 112, Absatz eins,).

[…]“

Strafen

Paragraph 137, (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Absatz 2,, 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 3 630 € zu bestrafen, wer

[…]

5.  einen ihm erteilten Auftrag gemäß Paragraph 29, Absatz eins, zur Durchführung letztmaliger Vorkehrungen, gemäß Paragraph 29 a, zur Setzung der erforderlichen Maßnahmen nach endgültiger Einstellung der Tätigkeit, gemäß Paragraph 47, Absatz eins, zur Instandhaltung der Gewässer, gemäß Paragraph 121, Absatz eins, zur Beseitigung von Mängeln oder Abweichungen oder einen ihm erteilten Alternativauftrag gemäß Paragraph 138, Absatz 2, nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt;

[…]

(3)  Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 36 340 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer

[…]

8.  einem ihm gemäß Paragraph 138, Absatz eins, erteilten Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht nachkommt;

[…]“

2.       Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des Paragraph 45, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, Bundesgesetzblatt Nr 52 aus 1991, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 33 aus 2013,, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.  die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.  der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.       Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.  die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.       die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.  die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

[…]“

3.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 122 aus 2013,, lauten samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Verhandlung

Paragraph 44, (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2)  Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(3)  Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn

1.       in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.       sich die Beschwerde nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.  im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

4.       sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

[…]

Erkenntnisse

Paragraph 50, Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.“

römisch VI.      Erwägungen:

1.       Zur Zuständigkeit:

Nach der Generalklausel des Artikel 131, Absatz eins, Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), Bundesgesetzblatt Nr 1 aus 1930, in der Fassung BGB römisch eins Nr 164/2013, ist das Landesverwaltungsgericht Tirol zuständig zur Entscheidung über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 04.08.2014, Zl **-***-2013.

2.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß Paragraph 7, Absatz 4, VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG vier Wochen.

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18.08.2014 zugestellt. Die am 27.08.2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Ort2 eingelangte Beschwerde war daher rechtzeitig.

3.         Zum Prüfungsumfang:

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4 VwGVG hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und das Begehren zu enthalten.

Die Beschwerde richtet sich gegen das angefochtene Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang. Dementsprechend stellt sich der Gegenstand des beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängigen Beschwerdeverfahrens dar.

4.       In der Sache:

Mit ihrem Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 der XY ImmobilienGmbH im Wesentlichen aufgetragen,

Ø    die wasserrechtlich bewilligten Rasensickermulden entsprechend dem Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, und dem zugrunde liegenden Projekt von einer Fachfirma ordnungsgemäß bis spätestens 30.04.2013 sanieren und

   die Sanierung durch einen befugten Fachmann beaufsichtigen und dokumentieren zu lassen sowie einen Abschlussbericht einschließlich einer Fotodokumentation bis spätestens 30.04.2013 der Bezirkshauptmannschaft Ort2 zu übermitteln.

Dieser Bescheid verpflichtet die XY ImmobilienGmbH auf dem Gst Nr ****/1, GB 8***04 Ort1, zwecks Entsorgung der auf der Aufschließungsstraße „StraßeZ“ anfallenden Niederschlagswässer Sickermulden zu errichten. Auf diesem Grundstück verläuft ua die von der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH betriebene Erdgashochdruckleitung. Die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH hat im Zusammenhang mit der Erhaltung dieser Erdgashochdruckleitung eine Mindestüberdeckung von 1,0 m sicherzustellen. Diese (allgemeine) Verpflichtung lässt sich aus den Paragraphen 82 b und 84c Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl Nr 194/1994idF Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 125 aus 2013,, ableiten. Die Errichtung der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, wasserrechtlich bewilligten Sickermulden auf dem Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, insbesondere jener im östlichen Bereich, ist unter Wahrung des erforderlichen Mindestabstandes von 1,0 m nicht möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass als Folge der Umsetzung der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahmen die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH die sie treffende Verpflichtung zum Betrieb und zur Erhaltung der beschriebenen Erdgashochdruckleitung nicht zu erfüllen vermag.

Im Hinblick auf die im Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen, insbesondere die Erdgashochdruckleitung, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 die XY ImmobilienGmbH mit Schriftsatz vom 18.03.2014, Zl ***-****/26-14, aufgefordert, die Sickermulde im östlichen Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, abgeändert zu platzieren und auszuführen und hierüber ein Ausführungsprojekt vorzulegen. Dieses Schreiben ist allerdings nicht als Bescheid zu qualifizieren, da es die für einen Bescheid konstitutiven Merkmale iSd Paragraph 58, AVG nicht aufweist.

Die XY ImmobilienGmbH hat nach den dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorliegenden Unterlagen bislang kein Projekt für eine gegenüber dem Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, abgeänderte Ausführung der beiden Rasenmulden zwecks Versickerung der auf der verfahrensgegenständlichen Zufahrtsstraße zur Erschließung der so genannten „StraßeZ“ anfallenden Oberflächenwässer bei der belangten Behörde eingereicht und dessen Bewilligung beantragt. Die Bezirkshauptmannschaft Ort2 hat der XY ImmobilienGmbH (bislang) nicht vorgeschrieben, eine den tatsächlichen Verhältnissen im Bereich der Aufschließungsstraße („Weganlage O“) entsprechendes Projekt zur Versickerung der dort anfallenden Oberflächenwässer vorzulegen. Ob auf der Grundlage des WRG 1959, etwa des Paragraph 21, a WRG 1959, ein solcher Bescheid erlassen werden darf, lässt sich anhand der dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht beurteilen.

Mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, hat die Bezirkshauptmannschaft Ort2 der XY ImmobilienGmbH aufgetragen, die zur Entsorgung der auf der Erschließungsstraße der sogenannten „StraßeZ“ anfallenden Niederschlagswässer vorgesehenen Rasensickermulden von einer Fachfirma entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, und dem zugrunde gelegten Projekt spätestens bis 30.04.2013 zu sanieren. Die Erfüllung der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahmen kollidiert aber mit den die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH als Betreiberin der im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen, insbesondere der Erdgashochdruckleitung, treffenden Erhaltungspflichten.

Dem in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis liegt der Vorwurf zugrunde, der Beschwerdeführer habe es als vertretungsbefugtes Organ der XY ImmobilienGmbH zu verantworten, entgegen dem Auftrag vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, die zur Entsorgung der auf der Erschließungsstraße der „StraßeZ“ anfallenden Oberflächenwässer mit Bescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, bewilligten beiden Versickerungsmulden nicht fristgerecht iSd des Bewilligungsbescheides und dem diesen Bescheid zugrunde gelegten Projektes saniert zu haben. Es ist aber nicht auszuschließen, dass in Folge der Erfüllung der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahme die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH als Betreiberin der im Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Erhaltungspflicht nicht nachzukommen vermag. Die die XY ImmobilienGmbH treffende Verpflichtung gemäß dem Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, kollidiert mit der gesetzlichen Verpflichtung der TIGAS-Erdgas Tirol GmbH als Betreiberin der im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen.

Der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der XY ImmobilienGmbH hat es als verantwortliches Organ iSd Paragraph 9, VStG zu verantworten, dass der auf Paragraph 121, Absatz eins, WRG 1959 gestützte Auftrag vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, nicht fristgerecht erfüllt wurde. Dieses rechtswidrige Verhalten stellt eine Verwaltungsübertretung iSd Paragraph 137, Absatz eins, Ziffer 5, WRG 1959 dar. Die Erfüllung der mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragenen Maßnahmen kollidiert allerdings mit der die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH treffende gesetzlichen Verpflichtung, die im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen, insbesondere die Erdgashochdruckleitung, zu erhalten und deren ordnungsgemäßen Betrieb sicherzustellen. Das vom Beschwerdeführer zu verantwortende rechtswidrige Verhalten war daher zur Auflösung der vorliegenden Pflichtenkollision gerechtfertigt [Peter Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) Paragraph 6, Rz 4 und 7]. Die rechtfertigende Pflichtenkollision hebt gemäß Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, VStG die Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer als vertretungsbefugtem Organ der XY ImmobilienGmbH vorgeworfenen Verhaltens auf.

römisch VII.    Ergebnis:

Die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ort2 vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, aufgetragene Verpflichtung, die verfahrensgegenständlichen Rasensickermulden zur Entsorgung der auf der Erschließungsstraße der „StraßeZ“ anfallenden Oberflächenwässer entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 23.07.2007, Zl ***-****/**-07, und dem zugrunde gelegten Projekt zu sanieren, kollidiert mit der die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH treffende Verpflichtung, die im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, verlaufenden Erdgasleitungen, insbesondere die Erdgashochdruckleitung, zu erhalten und deren ordnungsgemäßen Betrieb sicherzustellen. Die XY ImmobilienGmbH ist dem mit Bescheid vom 15.10.2012, Zl ***-****/23-12, erteilten Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen und hat damit ein vom Beschwerdeführer zu verantwortendes rechtswidriges Verhalten gesetzt und damit eine Verwaltungsübertretung nach Paragraph 137, Absatz eins, Ziffer 5, WRG 1959 begangen. Dieses Verhalten war allerdings unter Berücksichtigung der die TIGAS-Erdgas Tirol GmbH treffenden gesetzlichen Verpflichtung im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer Erdgashochdruckleitung im Bereich des Gst Nr ****/1, GB ***04 Ort1, gerechtfertigt, um die bestehende Pflichtenkollision aufzulösen. Es liegen daher gemäß Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, VStG Umstände vor, die die Strafbarkeit des vom Beschwerdeführer zu verantwortenden rechtswidrigen Verhaltens aufheben.

Der Beschwerde des A , Adresse1, Ort1, war daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das auf das WRG 1959 gestützte Verwaltungsstrafverfahren gemäß Paragraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, VStG einzustellen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß Paragraph 44, Absatz 2, VwGVG unterbleiben, da der angefochtene Bescheid aufgrund der Aktenlage aufzuheben war.

römisch VIII.   Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Verfahren war zu klären, ob die bestehende Pflichtenkollision - ein auf Paragraph 121, Absatz eins, WRG 1959 gestützter Auftrag kollidiert mit der im Zusammenhang mit dem Betrieb von Erdgasleitungen, insbesondere einer Erdgashochdruckleitung, bestehenden Erhaltungspflicht – die Nichterfüllung des wasserrechtlichen Auftrages rechtfertigt. Dem Landesverwaltungsgericht Tirol ist zu dieser Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bekannt. Da dieser Rechtsfrage zudem über den konkreten Fall hinaus Bedeutung zukommt, geht das Landesverwaltungsgericht Tirol von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aus und erklärt demgemäß die ordentliche Revision für zulässig.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Wolfgang Hirn

(Richter)

Schlagworte

Pflichtenkollision

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2015:LVwG.2014.37.2473.14

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2015

Dokumentnummer

LVWGT_TI_20150318_LVwG_2014_37_2473_14_00

Navigation im Suchergebnis