Entscheidungstext 30R100/21b (30R101/21z)

Gericht

OLG Wien

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

30R100/21b (30R101/21z)

Entscheidungsdatum

13.09.2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin Mag.a Fitz und den Richter Dr. Stiefsohn in der Firmenbuchsache der F*****, wegen Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31.12.2019, über die Rekurse der Gesellschaft und des Geschäftsführers K****** gegen die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 4.5.2021, 73 Fr 9586/21s-7 und 8, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird Folge gegeben; die angefochtenen Beschlüsse werden dahin abgeändert, dass das Zwangsstrafverfahren eingestellt wird.

Text

Begründung:

Die F**** GmbH ist zu FN **** im Firmenbuch eingetragen. Der Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. K**** vertritt die Gesellschaft seit 12.2.2016 selbständig.

Mit Zwangsstrafverfügungen vom 26.3.2021 verhängte das Erstgericht sowohl über die Gesellschaft (ON 1) als auch über deren Geschäftsführer K***** (ON 2) eine Zwangsstrafe von je EUR 350,--, weil der Jahresabschluss zum 31.12.2019 nicht bis zum 31.12.2020 (Paragraph 3 a, Absatz 2, Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz) vollständig beim Firmenbuchgericht eingereicht worden war.

Nach dem Einspruch der Gesellschaft (ON 3) und des Geschäftsführers (ON 4) verhängte das Erstgericht mit den angefochtenen Beschlüssen über die Gesellschaft und den Geschäftsführer jeweils eine Zwangsstrafe von EUR 350,--.

Dagegen richten sich die Rekurse der Gesellschaft und des Geschäftsführers mit dem Antrag, die Beschlüsse aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind berechtigt.

         1. Bereits im Einspruch brachten die Rekurswerber vor, ihre Steuerberatung habe den Jahresabschlusss 2019 am 15.12.2020 elektronisch übermittelt und legten dazu das Übermittlungsprotokoll vor. Dort ist vermerkt: „Der Jahresabschluss ist übernommen und wurde an das zuständige Gericht weitergeleitet.“

         2.1. Organe offenlegungspflichtiger Gesellschaften müssen ihrer Offenlegungsverpflichtung nicht persönlich nachkommen; vielmehr dürfen sie diese auch an Hilfspersonen übertragen. Es ist dann aber ihre Sache, durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung ihrer Offenlegungsverpflichtungen zu sorgen (RS0127065). Darüber hinaus treffen sie Kontrollpflichten dahin, ob die Einreichung des Jahresabschlusses auch tatsächlich erfolgte, weil Fehler nie gänzlich ausgeschlossen werden können; andernfalls haben sie die Rechtsfolgen des Paragraph 283, UGB zu tragen. Die Kontrollpflichten bestehen sowohl gegenüber Mitarbeitern (6 Ob 200/11x) als auch gegenüber berufsmäßigen Parteienvertretern (6 Ob 55/14b). Die Frage, ob die Organe ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachgekommen sind, insbesondere Hilfspersonen auch ausreichend kontrolliert haben, lässt sich regelmäßig nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten (6 Ob 200/11x). Als Kontrollmaßnahmen kommen dabei etwa eine Nachfrage, ob der Jahresabschluss tatsächlich eingereicht wurde, oder eine Einsichtnahme in das Firmenbuch in Betracht (6 Ob 200/11x; 6 Ob 55/14b).

         2.2. Bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses ist auf wirksame Weise zu kontrollieren, ob die Übermittlung auch tatsächlich geschehen ist. Dies setzt als Mindesterfordernis die Einsichtnahme in ein entsprechendes Übermittlungsprotokoll voraus (6 Ob 129/11f). Diesem Erfordernis sind die Rekurswerber bzw ihre steuerliche Vertretung hier nachgekommen. Dass darüberhinausgehende telefonische Nachfragen im Dezember 2020 – während des zweiten „harten Lockdowns“ – keine weiteren Informationen gebracht haben vergleiche das Rekursvorbringen dazu) ist nachvollziehbar. Eine weitere Kontrollpflicht traf den Geschäftsführer hier nicht, weil nach der Aktenlage kein Hinweis auf bisherige Fehler der steuerlichen Vertretung der Rekurswerber vorliegt vergleiche 6 Ob 66/17z).

         3. Damit war das Zwangsstrafverfahren einzustellen.

Textnummer

EW0001122

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2021:03000R00100.21B.0913.000

Im RIS seit

19.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2021

Dokumentnummer

JJT_20210913_OLG0009_03000R00100_21B0000_000

Navigation im Suchergebnis