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Entscheidungstext 3Ob215/19t

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

ZFR 2020/150 S 350 (Foglar-Deinhardstein) - ZFR 2020,350 (Foglar-Deinhardstein) = ÖBA 2021,413/2744 (Dellinger) - ÖBA 2021/2744 (Dellinger)

Geschäftszahl

3Ob215/19t

Entscheidungsdatum

26.02.2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch die Torggler Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 300.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. September 2019, GZ 5 R 68/19p-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zwischen den Parteien ist die Auslegung von Emissionsbedingungen zu einer von der Beklagten (bzw deren Rechtsvorgängerin) emittierten und von der Klägerin am 12. Jänner 2004 gezeichneten Ergänzungskapitalanleihe strittig und daran anknüpfend die Berechnung des (allenfalls) von der Beklagten nach Fälligkeit am 25. August 2015 zu leistenden Rückzahlungsbetrags. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb diese als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO):

1. Da es prozessual unbedenklich ist, unstrittiges Parteienvorbringen ohne weiteres der Entscheidung zu Grunde zu legen (RIS-Justiz RS0121557 [T1 und T8]), schadet es nicht, dass die Vorinstanzen dazu keine Feststellungen trafen (3 Ob 30/02m SZ 2002/31; 3 Ob 243/13a; RS0040095; RS0040101).

2. Die Klägerin bestreitet die Zulässigkeit bei der hier gebotenen objektiven Auslegung der vereinbarten Anleihebedingungen das dispositive Recht und die dazu ergangene Judikatur zu berücksichtigen.

2.1. Sie übergeht, dass die dem Vertragsabschluss zwischen den Parteien zugrunde gelegten Anleihebedingungen ausdrücklich auf „Wertpapiere über eingezahltes Ergänzungskapital gemäß Paragraph 23, Absatz 7, des BWG“ und auf die Nachrangigkeit gemäß den Paragraphen 23, Absatz 8 und 45 Absatz 4, BWG Bezug nehmen (Paragraph 3, Ziffer eins,) und diese Bestimmungen damit zum Inhalt der Vereinbarung machen; ebenso wird übersehen, dass der mit den Worten „sind gemäß Paragraph 23, Absatz 7 und Absatz 8, BWG so vereinbart“ eingeleitete Text des Paragraph 3, zu der Ziffer 2, Litera b und c im Wesentlichen dem Text von Paragraph 23, Absatz 7, Ziffer 2 und 3 BWG in der bei Zeichnung der Anleihe durch die Klägerin am 12. Jänner 2004 geltenden Fassung (BGBl römisch eins 2000/33 und damit vor der Novelle BGBl römisch eins 2009/152 [die zu einer Änderung der Ziffer 2, führte]; in Hinkunft aF) entspricht.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, deshalb seien die gesetzlichen Vorgaben des Paragraph 23, Absatz 7, Ziffer 2 und 3 BWG aF Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Einigung gewesen, ist geradezu zwingend und daher nicht zu beanstanden vergleiche 5 Ob 4/14w).

2.2. Ebensowenig zu beanstanden ist es, wenn sich das Berufungsgericht bei der Auslegung der Paragraph 23, Absatz 7, Ziffer 3, BWG aF entsprechenden Regelung an der dazu bereits vorliegenden Judikatur orientiert.

3. Dabei handelt es sich um die Entscheidung 6 Ob 87/16m, die die hier strittige Frage beantwortete, wie die „Nettoverluste“ iSd Paragraph 23, Absatz 7, Ziffer 3, BWG aF zu ermitteln sind: Demnach ist auf den Jahresüberschuss bzw Jahresfehlbetrag im Sinne des Punktes römisch VI der Anlage 2 Teil 2 zu Paragraph 43, BWG vergleiche auch Paragraph 231, Absatz 2, Ziffer 22, UGB) abzustellen. Es sind alle Gewinne vor ihrer Verwendung zur Rücklagenbildung und zur Ausschüttung von Dividenden während der Laufzeit des Ergänzungskapitals zu addieren; aus Gewinnen abgedeckte Verlustvorträge sind den Gewinnen zuzurechnen. Diesen sind die in dieser Zeit eingetretenen Verluste gegenüberzustellen; hierbei ist von den Verlusten vor ihrer allfälligen Deckung aus Gewinnvorträgen, Eigenkapital, insbesondere Rücklagen oder aus Zuschüssen zur Verlustdeckung auszugehen. Rückstellungen, auch solche für ungewisse Verbindlichkeiten, sind grundsätzlich zu berücksichtigen (RS0129439 [T4]). Die auch hier strittige Frage wurde also dahin beantwortet, dass Rücklagenbewegungen die Höhe der Nettoverluste nicht beeinflussen.

Die ausführlich begründete und mehrfach veröffentlichte Entscheidung, zu der gegenteilige nicht vorliegen, wurde in der Lehre positiv aufgenommen (A. Foglar-Deinhardstein [in GesRZ 2016, 353] stimmt ausdrücklich zu; Dellinger [in ÖBA 2017, 181/2323] sieht die Entscheidung für die stärkere Verlustbeteiligung der Ergänzungskapitalinhaber als „nicht verkehrt“ an, widerspricht ihr aber in einem Teilaspekt, der die Bestimmung des Anteils am Nettoverlust betrifft). Die Revision weist zwar auf diese Kritik Dellingers hin, versucht aber gar nicht aufzuzeigen, dass deren Berücksichtigung für die Beurteilung des Klageanspruchs wesentlich wäre, sodass darauf nicht weiter eingegangen werden muss.

4. Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts kann sich somit auf gesicherte Rechtsprechung vergleiche RS0103384) berufen. Dem vermag die Revision nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.

4.1. Die auch von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 84/13m und 6 Ob 90/14z blieben schon zu 6 Ob 87/16m als nicht einschlägig unberücksichtigt; auch die Argumentation zur Kapitalherabsetzung nach Paragraphen 182, f AktG wurde bereits damals als unbeachtlich beurteilt.

4.2. Da die Klägerin wusste, dass die bestehende Ausfallshaftung eines Bundeslandes nur im Fall der Insolvenz schlagend geworden wäre, musste ihr als einer institutionellen Anlegerin klar sein, dass sie dennoch wegen der Regelung nach Paragraph 3, Ziffer 2, Litera c, der Anleihebedingungen (entsprechend Paragraph 23, Absatz 7, lit 3 BWG aF) am wirtschaftlichen Misserfolg der Beklagten, der nicht zur Insolvenz führt, teilnimmt. Der Hinweis der Revision, die Beklagte habe den Eindruck vermittelt, die gezeichnete Ergänzungskapitalanleihe sei „risikolos“, entspricht nicht den getroffenen Feststellungen.

4.3. Dem Vorwurf, die Gesellschafterzuschüsse hätten die Insolvenz der Beklagten und damit verhindert, dass die Klägerin die Ausfallshaftung in Anspruch nehmen habe können, und müssten deshalb bei der Ermittlung des Nettoverlustes als Rücklagenbewegungen berücksichtigt werden, hat schon das Berufungsgericht zutreffend entgegnet, dass die Klägerin von den Zuschüssen ohnehin dadurch profitierte, dass sie auch in den Jahren 2007 bis 2010 Zinsen lukrierte. Die mit der ausschließlichen Nachteiligkeit der Zuschüsse für die Position der Klägerin begründete Unbilligkeit des Auslegungsergebnisses liegt daher nicht vor. Vielmehr handelt es sich auch in der vorliegenden Konstellation bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten und der drohenden Insolvenz, die durch die Gesellschafterzuschüsse abgewendet wurde, um ein geradezu typisches Kapitalmarktrisiko, das die Klägerin als Ergänzungskapitalgläubigerin allein zu tragen hat vergleiche 5 Ob 4/14m; 6 Ob 68/15s), worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat.

4.4. Die Klägerin erblickt einen relevanten Unterschied der vorliegenden Konstellation, in der es um die Hinzurechnung von Rücklagen aus Gesellschafterzuschüssen in den Jahren 2007 bis 2010 geht, die während der Laufzeit der Ergänzungskapitalanleihe und konkret zur Abdeckung der Jahresfehlbeträge geleistet wurden, zu jener, die 6 Ob 87/16m zugrunde lag, in der es um die Hinzurechnung von Rücklagen, die aus Gewinnen gebildet worden seien, ging. Nicht nur, dass der gänzliche Ausschluss der Berücksichtigung von Rücklagenbewegungen auch die hier zu beurteilenden erfasst, ist jedoch nach der in der Vorentscheidung übernommenen und wiedergegebenen Berechnungsmethode Kastners – wie schon die zweite Instanz hervorhob – ausdrücklich von den „Verlusten vor ihrer allfälligen Deckung aus [...] Zuschüssen zur Verlustdeckung“ auszugehen.

5. Auch das Argument der Klägerin, es müsse auf die Rechtslage nach BGBl römisch eins 2009/152 (weil damit Paragraph 23, Absatz 7, Ziffer 2, BWG abgeändert worden sei, was sich auch auf die Auslegung der Ziffer 3, auswirke und 6 Ob 87/16m die Einschlägigkeit nehme), Bedacht genommen werden, ist nicht stichhältig.

5.1. Die dazu ergangene Übergangsbestimmung des Paragraph 103 l, BWG sieht vor, dass die neue Fassung der Ziffer 2, „auf jenes Ergänzungskapital anzuwenden ist, dass ab dem 1. Jänner 2010 begeben oder an diese Bestimmung vertraglich angepasst wird“, was hier nicht der Fall war. Auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Anleihe am 25. August 2015 blieb daher die Rechtslage vor BGBl römisch eins 2009/152 relevant.

5.2. Zu 1 Ob 93/16g wurde zwischen den selben Parteien nach (versuchter) Kündigung der Anleihe durch die Beklagte anlässlich einer Spaltung im August/September 2012 festgestellt, dass die Anleihe „weiterhin wirksam aufrecht ist“. Nach der Begründung der Entscheidung erfolgte die rechtliche Beurteilung ua nach Paragraph 23, Absatz 7, BWG „in der hier anzuwenden Fassung im Zeitpunkt der Kündigung nach BGBl römisch eins 2012/20“. Die Klägerin leitet daraus ab, dass damit bindend auch für das vorliegende Verfahren die Relevanz dieser Rechtslage entschieden sei.

Die im Vorverfahren entschiedene Hauptfrage betraf den weiter aufrechten Bestand der Anleihe, sodass diese Rechtsfrage aufgrund der Bindungswirkung des materiell rechtskräftigen Urteils im Vorprozess nicht mehr zu prüfen war (RS0127052; RS0041251 [T3]). Die Rechtskraftwirkung eines Urteils erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Spruch; nur soweit es für die Individualisierung des Anspruchs und dessen Tragweite erforderlich ist, sind auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RS0041357; RS0043259 uva).

Wird auf die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung zurückgegriffen, zeigt sich nicht nur, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer vorzeitigen Kündigung im August/September 2012 auf die Rechtslage „im Zeitpunkt der Kündigung“ abgestellt wurde vergleiche RS0008715; RS0070764; RS0070282), sondern auch, dass die hier bei der Beurteilung der Ansprüche der Klägerin nach Ende der Laufzeit im August 2015 relevante Rechtsfrage, wie Nettoverluste zu berechnen sind, nicht zu beantworten war und dementsprechend auch nicht beantwortet wurde. Damit unterscheiden sich die rechtserzeugenden Tatsachen, die zur Individualisierung des herangezogenen Rechtsgrundes im Vorprozess herangezogen wurden, ganz wesentlich von jenen im vorliegenden Prozess, was eine Bindungswirkung der Vorentscheidung in diesem ausschließt (RS0127052 [T2 und T5]).

Textnummer

E127983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00215.19T.0226.000

Im RIS seit

12.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2021

Dokumentnummer

JJT_20200226_OGH0002_0030OB00215_19T0000_000

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