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Entscheidungstext 9ObA139/17g

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

9ObA139/17g

Entscheidungsdatum

30.01.2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Herbert Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. M***** M*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, gegen die beklagte Partei G***** GesmbH, *****, vertreten durch Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 35.192,87 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert: 16.750,06 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 2017, GZ 10 Ra 73/17d-35, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 30. März 2017, GZ 20 Cga 112/15h-31, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.941,92 EUR (darin 490,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.606,22 EUR (darin 195,87 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war für die Beklagte aufgrund des mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Konsulentenvertrags (kurz: KonsV) ab 1. 2. 2011 tätig. Am 29. 4. 2015 kündigte die Beklagte den Vertrag zum 30. 4. 2015 auf. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass es sich bei diesem Vertragsverhältnis um keinen Werkvertrag, sondern um ein (freies) Dienstverhältnis gehandelt hat, sodass die Kündigung der Beklagten frühestens zum 31. 5. 2015 erfolgen hätte können.

Die hier interessierenden Vertragsbestimmungen lauten wie folgt:

Artikel 3 Honorar

(1) Das dem Konsulenten zu bezahlende Honorar wird nach Zeitaufwand berechnet. Grundlage dafür ist ein Tagsatz von Euro 525,00 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer.

(6) Das pro Jahr für diesen Konsulentenvertrag zur Verfügung stehende maximale Nettobudget beträgt Euro 81.600,00. Darin nicht enthalten sind etwaige Auslagenersätze gemäß (5). Insoweit sich die Laufzeit der Vorhaben gemäß (3) der Präambel über den 31. 12. 2011 hinaus erstreckt, erfolgt eine wertmäßige Anpassung dieses Nettobudgets. Unterlassen es die Vertragsparteien diese Anpassung gesondert zu vereinbaren, erfolgt diese automatisch im Ausmaß der Jahresinflation gemäß VPI 05.

(7) Als Abgeltung für die Bereitstellung seiner zeitlichen Kapazitäten steht dem Konsulenten eine Mindestvergütung von Euro 40.800,00 pro Jahr zu. Diese unterliegt den Wertanpassungen gemäß (6). Das verrechnete Honorar gemäß (1) in Verbindung mit (3) ist auf die jährliche Mindestvergütung anzurechnen.

                           Artikel 5 Beendigung

(1) Dieser Vertrag gilt für die Dauer der Laufzeit der Vorhaben gemäß (3) der Präambel.

(2) Beide Vertragsparteien sind grundsätzlich jederzeit berechtigt, diesen Vertrag ohne Angabe von Gründen zu kündigen. Eine Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

(3) Eine Kündigung durch die Auftraggeberin berührt die für auf das Jahr der Kündigung entfallende Mindestvergütung gemäß Artikel 3, (7) nicht.

(4) Insoweit keine außerordentlichen Kündigungsgründe (Verstoß gegen Verschwiegenheitspflicht, grobe Untreue, Untätigkeit und qualifizierte Verstöße gegen die Verpflichtung gemäß Artikel eins, (1) in Verbindung mit (2)) vorliegen, gebührt dem Konsulenten im Falle der Kündigung durch die Auftraggeberin eine Entschädigung im Ausmaß des zeitaliquoten jährlichen Maximalnettobudgets gemäß Artikel 3, (6) dieses Vertrages. Diese zeitliche Aliquotierung berechnet sich vom Beginn des jeweiligen Kalenderjahres der Kündigung bis zum Datum der Kündigung. Auf diese Entschädigung sind die Ansprüche gemäß (3) und verrechnete Leistungshonorare gemäß Artikel 3 (1) in Verbindung mit (3) des Jahres der Kündigung anzurechnen.“

Die im Konsulentenvertrag genannten Nettobeträge von 81.600 EUR und 40.800 EUR errechnen sich indexiert mit 86.659,20 EUR bzw 43.492,80 EUR.

Nach Klagseinbringung, und zwar am 27. 10. 2015, leistete die Beklagte auf den vom Kläger damals noch als Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV begehrten Klagsbetrag von 10.854,24 EUR sA eine Teilzahlung von 9.808,55 EUR, davon gewidmet 9.643,68 EUR (brutto) auf das Kapital und 164,87 EUR auf Zinsen.

Der Kläger begehrte von der Beklagten im ersten Rechtsgang zunächst den Betrag von 10.854,24 EUR an Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV, nach Änderung seines Begehrens (weil die richtige Berechnung der Kündigungsentschädigung Null ergebe) den Betrag von 18.442,81 EUR an Mindestvergütung gemäß Artikel 3, Absatz 7, KonsV.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Die Teilzahlung errechne sich wie folgt:

aliquotes (4 Monate) jährl. Maximalnettobudget  28.886,40

abzüglich Differenz zwischen Mindestvergütung

und Honorar 2015 (40.800 - 19.950 netto)  - 20.850,00

Summe                                                8.036,40

zuzüglich 20 % USt                     + 1.607,28

Summe                                                         9.643,68

zuzüglich Zinsen vom 3. 8. bis 20. 10. 2015 + 164,87

Gesamtsumme                                               9.808,55

Darüber hinaus habe der Kläger aus dem Konsulentenvertrag keine Ansprüche mehr.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren mit 915,13 EUR samt 8 % Zinsen aus 10.723,68 EUR vom 20. 7. 2015 bis 27. 10. 2015 sowie aus 915,13 EUR seit 28. 10. 2015 statt. Dem Kläger stehe eine Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV von 10.723,68 EUR zu, wovon der Teilzahlungsbetrag von 9.808,55 EUR abzuziehen sei. Das Mehrbegehren von 17.527,68 EUR sA wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Wenn man von einer Kündigungsfrist von fünf Monaten ausgehe, stünde dem Kläger eine Kündigungsentschädigung von 2.359,45 EUR zu, wovon ihm ein Teilbetrag von 915,13 EUR bereits rechtskräftig zugesprochen worden sei.

Im zweiten Rechtsgang dehnte der Kläger sein Begehren auf 35.192,87 EUR samt 8 % Zinsen seit 20. 7. 2016 aus. Dieses setzt sich wie folgt zusammen:

1. Mindestvergütung gemäß Artikel 3, Absatz 7, KonsV:

indexierte Mindestvergütung für 2015   43.492,80

zuzüglich 20 % USt                     + 8.698,56

Summe                                                         52.191,36

abzüglich erhaltene Honorare 2015 brutto - 23.940,00

Summe                                                         28.251,36

abzüglich Teilzahlung                                     - 9.808,55

Summe                                           18.442,81

         

2. Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV:

aliquotes (5 Monate) jährl. Maximalnettobudget  36.108,00

abzüglich Mindestvergütung                     - 18.442,82

Summe                                                17.665,19

Gesamtsumme 1. und 2.:                                      36.108,00 abzüglich Klagszuspruch im ersten Rechtsgang - 915,13 Klagsbetrag                             35.192,87

Die Beklagte bestritt das ausgedehnte Klagebegehren unter Hinweis auf die Berechnung des Berufungsgerichts und wendete Verjährung ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang auf Grundlage der vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs überbundenen Rechtsansicht hinsichtlich der Berechnung der Kündigungsentschädigung mit 1.444,32 EUR samt 8 % Zinsen seit 20. 7. 2016 statt. Das Mehrbegehren von 33.748,55 EUR sA wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung teilweise Folge. Es gab dem Klagebegehren mit insgesamt 16.750,06 EUR samt 8 % Zinsen seit 20. 7. 2016 statt. Das Mehrbegehren von 18.442,82 EUR sA wies es ab. Unter Berücksichtigung eines Rechenfehlers im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs und der vom Kläger (erstmals) im zweiten Rechtsgang seinen Berechnungen zugrunde gelegten Umsatzsteuer errechne sich der Klagszuspruch wie folgt:

aliquotes (5 Monate) jährl. Maximalnettobudget  36.108,00

abzüglich Mindestvergütung (siehe Vorbringen

des Klägers)                                - 18.442,82

Summe                                                17.665,19

abzüglich Klagszuspruch im ersten Rechtsgang - 915,13 Klagszuspruch                             16.750,06

                  Die dieser Berechnung zugrunde liegende Mindestvergütung errechne sich wie folgt:

aliquote indexierte Mindestvergütung         43.492,80

zuzüglich 20 % USt                     + 8.698,56

Summe                                                         52.191,36

abzüglich Honorare 2015            - 23.940,00

abzüglich bezahlte Beträge                            - 9.808,55

Summe                                           18.442,81

Nach der insoweit eindeutigen Vertragsgestaltung stehe dem Kläger neben der Entschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV nicht auch noch die Mindestvergütung gemäß Artikel 3, Absatz 7, KonsV zu.

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Revision wendet sich zu Recht gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung der Mindestvergütung gemäß Artikel 3, Absatz 7, KonsV, die für die Berechnung der Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV und damit für den Klagszuspruch von Relevanz ist. Nach Artikel 3, Absatz 7, letzter Satz KonsV ist auf die (aliquote und indexierte) Mindestvergütung das für dieses Jahr verrechnete Honorar anzurechnen. Ein weiterer Abzug der von der Beklagten geleisteten Teilzahlung über 9.808,55 EUR hat nicht zu erfolgen, weil es sich bei dieser Teilzahlung nicht um ein von der Beklagten im Nachhinein bezahltes Honorar handelt, sondern um eine Teilzahlung an Kapital und Zinsen des vom Kläger mit der Klage begehrten Entschädigungsbetrags gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV. Damit errechnet sich die Mindestvergütung mit 28.251,36 EUR.

Entgegen der Behauptung des Klägers in der Revisionsbeantwortung hat die Beklagte auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren (Seite 3 in ON 8 in Verbindung mit Seite 2 in ON 11) die Mindestvergütung ohne Berücksichtigung der Teilzahlung berechnet. Abgesehen davon ist die vom Senat vorgenommene Berechnung das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung, weshalb der in der Revisionsbeantwortung dagegen erhobene Einwand des Verstoßes der Beklagten gegen das Neuerungsverbot nicht greift vergleiche RIS-Justiz RS0108589; RS0016473).

Die Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV errechnet sich daher richtig wie folgt:

aliquotes (5 Monate) jährl. Maximalnettobudget  36.108,00

abzüglich Mindestvergütung               - 28.251,36

Summe                                                7.856,64

                  Davon ist die Teilzahlung an Kapital  - 9.643,68 

sowie der Klagszuspruch im ersten Rechtsgang - 915,13 abzuziehen, weshalb sich das im Revisionsverfahren noch streitverfangene Klagebegehren insgesamt als nicht berechtigt erweist.

Zu der von beiden Parteien im Revisionsverfahren aufgeworfenen Frage der behaupteten Abweichung des Berufungsgerichts von seiner im ersten Rechtsgang zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ist darauf zu verweisen, dass selbst eine Abweichung keinen Revisionsgrund darstellt, weil die Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof unabhängig von der Entscheidung des Berufungsgerichts zu lösen ist (RIS-Justiz RS0042173; RS0042181 [T10]).

Die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten „mangels Beschwer“ begründet der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung zudem damit, dass er nach dem Konsulentenvertrag neben seinem Anspruch auf Kündigungsentschädigung gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV auch einen Anspruch auf die Mindestvergütung gemäß Artikel 3, Absatz 7, KonsV iHv 18.442,81 EUR habe. Über Letzteren habe das Berufungsgericht nicht bzw unbegründet und unrichtig abschlägig entschieden. Dem ist zu entgegnen, dass das Berufungsgericht in seiner – nur von der Beklagten angefochtenen – Entscheidung das vom Kläger im zweiten Rechtsgang geltend gemachte Klagebegehren im Umfang von 18.442,81 EUR sA betreffend die Mindestvergütung gemäß Artikel 3, Absatz 7, KonsV abwies, weil es nach der Vertragsgestaltung diesen Anspruch neben dem (zugesprochenen) Entschädigungsanspruch gemäß Artikel 5, Absatz 4, KonsV für nicht berechtigt ansah. Da der Kläger gegen den klageabweisenden Teil der Berufungsentscheidung kein Rechtsmittel erhob, steht einer Berücksichtigung dieses Anspruchs im Revisionsverfahren die Bestimmung des Paragraph 504, Absatz eins, ZPO entgegen vergleiche RIS-Justiz RS0041334).

Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Schlagworte

;Arbeitsrecht;

Textnummer

E120908

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00139.17G.0130.000

Im RIS seit

19.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2018

Dokumentnummer

JJT_20180130_OGH0002_009OBA00139_17G0000_000

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