Begründung:
Der Kläger suchte am 16. 5. 2011 die Augenambulanz eines Klinikums auf, dessen Rechtsträgerin die Beklagte ist. OA Dr. J***** J***** untersuchte den Kläger am rechten Auge und diagnostizierte eine Choriorethinopathia Centralis Serosa (CCS; Flüssigkeitsansammlung unter der zentralen Netzhaut). Er beschrieb dies dem Kläger als eine stressbedingte Erkrankung und nannte zwei Behandlungsmethoden, nämlich eine konservative mit Augentropfen und eine – als „nicht die vordringlichste“ bezeichnete – Laserbehandlung. Er schlug dem Kläger vor, vorerst abzuwarten und Stress zu vermeiden, weil eine sofortige Behandlung nicht notwendig sei und es sein könne, dass die Krankheit von allein ausheilt.
Tatsächlich heilt CCS in 80 bis 90 % der Fälle innerhalb von einem bis sechs Monaten spontan ab. Es gibt für diese Krankheit keine evidenzbasierte, zugelassene Therapie, daher wird in den meisten Fällen zunächst auf eine spontane Verbesserung durch Resorption der Flüssigkeit gewartet.
Tritt innerhalb von zwölf Wochen keine wesentliche Abflachung und/oder Resorption der Flüssigkeitsansammlung unter der Netzhaut ein, kommt es binnen drei Monaten zu einer Zunahme von verzerrtem Sehen oder zu einer weiteren Sehverschlechterung – der Verlauf der CCS sollte regelmäßig mit einer Schichtanalyse der Netzhaut (OCT) evaluiert werden –, sollte die Durchführung einer dosisreduzierten photodynamischen Therapie („PDT“;„Lasertherapie“) erwogen werden. Die Rezidivrate der Erkrankung liegt bei ca 30 %. 10 % der Patienten erleiden mehrere Rezidive. Häufige Rezidive reduzieren die Visusprognose (Sehleistungsprognose), weil die Abheilung oft mit Defekten in der Netzhautschicht unter den Sehzellen einhergeht und zentrale Netzhautsinneszellen und feine Aderhautgefäße absterben und/oder Gefäßwucherungen in der Aderhaut auftreten. Wenn keine Flüssigkeitsansammlung mehr vorhanden ist, ist grundsätzlich keine Behandlung mehr erforderlich; weitere regelmäßige Kontrollen der Sehleistung zur Dokumentation von Rezidiven sind auch nach kompletter Resorption der subretinalen Flüssigkeit sinnvoll.
Am 16. 8. 2011 nahm der Kläger den am 16. 5. 2011 vereinbarten Kontrolltermin im Klinikum wahr. Nach diversen Untersuchungen teilte ihm die Ärztin Dr. K***** W***** mit, dass die Flüssigkeitsansammlungen bzw die Durchlöcherungen der Netzhaut verheilt seien, alles in Ordnung sei und seine Sehkraft wieder 100 % betrage. Sie erklärte ihm, dass bei neuerlichen Beschwerden jederzeit eine Kontrolle oder eine Wiedervorstellung möglich sei. Anlässlich dieses Kontrolltermins wurde mit dem Kläger nicht über die Ursache und die Art der Krankheit und darüber gesprochen, auf welche konkreten Beschwerden er zukünftig zu achten habe, bei deren Auftreten aufgrund des Risikos von bleibenden Schäden ein Augenarzt aufzusuchen ist. Er wurde nicht darüber aufgeklärt, dass die Krankheit, wenn sie wieder auftritt und zu spät behandelt wird, einen bleibenden Sehkraftverlust zur Folge haben kann, weil eine längere Flüssigkeitsansammlung die Sehzellen schädigt, weshalb regelmäßig der Gesundheitszustand zu kontrollieren und Augenarzttermine wahrzunehmen seien.
Im Sommer und Herbst 2011 hatte der Kläger keine Probleme mit seinen Augen. Um die Weihnachtszeit 2011 bemerkte er eine mit der im Mai 2011 aufgetretenen nicht vergleichbare Sehschwäche („unscharfes Sehen“), die er auf altersbedingte Weitsichtigkeit zurückführte. Die im Mai 2011 aufgetretene Erkrankung erachtete er als ausgeheilt. Der Kläger wäre noch im Dezember 2011 zu einer Augenuntersuchung gekommen, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass bei einer CCS die Rezidivrate 30 % beträgt, bleibende Schäden möglich sind und deshalb bei jeder Art von Sehverschlechterung regelmäßige Kontrollen empfehlenswert sind. Nach einer Untersuchung im Dezember 2011 hätte ein behandelnder Augenarzt bei fehlender Rückbildung des Ödems nach ein bis drei Monaten „am ehesten eine reduzierte photodynamische Therapie indiziert“ (PDT-Lasertherapie), welche mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 bis 50 % eine „Visusverbesserung über zwei Zeilen“ (auf der augenärztlichen Sehprobentafel) ermöglicht hätte.
Tatsächlich suchte der Kläger erst am 31. 5. 2012 das Klinikum auf, wo OA Dr. J***** am rechten Auge des Klägers CCS im Sinn eines Rezidivs diagnostizierte. Nachdem Dr. J***** den Kläger wieder über die zwei Behandlungsmethoden, nämlich Augentropfen oder „PDT mit reduzierter Fluens“, aufgeklärt hatte, wurde in Absprache mit dem Kläger vorerst mit einer Therapie zugewartet und ein Kontrolltermin in fünf Wochen vereinbart. Anlässlich des Kontrolltermins am 6. 7. 2012 legte Dr. J***** dem Kläger nahe, zur Abklärung einen Untersuchungstermin an der Universitätsklinik G***** zu vereinbaren, wo am 18. 10. 2012 ebenfalls CCS diagnostiziert wurde. Anlässlich dieses Untersuchungstermins an der Universitätsklinik wurde dem Kläger erstmals erklärt – dass ihm Dr. J***** dies schon zuvor erklärt hatte, steht nicht fest –, dass durch die Flüssigkeit im Auge Sehzellen irreversibel geschädigt wurden.
Derzeit hat der Kläger am rechten Auge ein Restsehvermögen von 5 %.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzengeldes von 30.000 EUR sA und die Feststellung ihrer Haftung „für sämtliche künftigen Schäden aus der zwischenzeitig kausalen 100%-igen Sehkraftminderung des rechten Auges, die dem Kläger in Zukunft entstehen“. Die ärztlichen Erfüllungsgehilfen der Beklagten hätten ihn darüber aufklären müssen, dass seine Netzhauterkrankung jederzeit wieder auftreten könne, daher, insbesondere bei neuerlichen Beschwerden, regelmäßige augenärztliche Kontrollen erforderlich seien, weil sonst ein irreversibler Sehkraftverlust drohe. Wäre eine solche Aufklärung erfolgt, hätte sich der Kläger beim neuerlichen Auftreten von Symptomen sofort in Behandlung begeben und alle empfohlenen Behandlungen wahrgenommen, wodurch ein neuerlicher Netzhautschaden vermieden worden wäre. Beim Kläger liege ein Dauerschaden vor, der zu Spätfolgen führen könne.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Der Kläger sei über das mögliche Wiederauftreten der Erkrankung aufgeklärt und ihm aufgetragen worden, bei Wiederauftreten von Beschwerden sofort vorstellig zu werden. Die reduzierte photodynamische Therapie, deren Anwendung im Ermessen des jeweiligen Arztes stehe, hätte nur theoretisch die Sehkraft des Klägers verbessern können. Da der Kläger erst am 31. 5. 2012, also ein halbes Jahr nach dem Auftreten von Beschwerden, die Augenambulanz im Klinikum aufgesucht habe, treffe ihn ein Mitverschulden.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzengeldes von 10.000 EUR sA und stellte fest, dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche künftigen Schäden hafte resultierend aus dem Umstand, dass er aufgrund mangelhafter Aufklärung betreffend seine Augenerkrankung am rechten Auge im Jahr 2011 per 8. 11. 2016 (Verhandlungsschluss) am rechten Auge nur mehr einen Visus von 5 % statt 20 % aufweise. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 20.000 EUR sA und das Feststellungsmehrbegehren wies das Erstgericht ab. Es führte rechtlich aus, die Ärzte der Beklagten hätten allenfalls schon am 16. 5. 2011, jedenfalls aber am 16. 8. 2011 ihre Aufklärungspflicht verletzt. Der Kläger wäre darüber aufzuklären gewesen, welche Risiken ein mit 30%-iger Wahrscheinlichkeit auftretendes Rezidiv berge, dass nämlich häufigere oder längere Flüssigkeitsansammlungen die Sehleistung bleibend reduzieren könnten, weshalb auch nach kompletter Resorption der subretinalen Flüssigkeit regelmäßige Kontrollen, insbesondere bei jeder Art von Visusverschlechterung, empfehlenswert seien. Damit wäre zu verhindern gewesen, dass der Kläger die im Dezember 2011 aufgetretene Sehschwäche auf eine scheinbar „harmlose“ Altersweitsichtigkeit zurückgeführt habe. Den Beweis, dass dadurch die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht bloß unwesentlich erhöht worden sei, habe der Kläger erbracht. Bei entsprechender Aufklärung und sofortiger ärztlicher Betreuung, in die sich der Kläger begeben hätte, wäre nach 1 –3 Monaten ohne Rückbildung des Ödems eine Behandlung indiziert gewesen, die mit Wahrscheinlichkeit von ca 30 – 50 % eine Visusverbesserung über 2 Zeilen (20 %) ermöglicht hätte. Eine umfassende Aufklärung hätte also dazu geführt, dass der Kläger am rechten Auge statt einer bleibenden Visusverschlechterung auf 5 % nur eine solche auf 20 % erlitten hätte. Als Schmerzengeld sei ein Betrag von 10.000 EUR angemessen und das Feststellungsbegehren sei an den tatsächlichen Kausalverlauf anzupassen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht, jener der Beklagten dagegen Folge und wies die Klagebegehren zur Gänze ab. Die Beweisrüge des Klägers zum Ausmaß seiner Visusverschlechterung für den Fall einer augenärztlicher Behandlung binnen ein bis drei Monaten ab Dezember 2011 erledigte das Berufungsgericht nicht, weil es keine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Ärzte der Beklagten erkannte. Es vertrat die Rechtsansicht, dass zur „vollständigen“ therapeutischen Aufklärung und Beratung im vorliegenden Fall nämlich nicht nur die Rezidivrate, die Gefahr irreversibler Schäden und die Empfehlung augenärztlicher Kontrollen, sondern auch die Information gehört hätte, dass es für die Erkrankung des Klägers keine evidenzbasierte zugelassene Behandlungsmethode gebe und dass die dosisreduzierte photodynamische Therapie, über deren Risken ebenfalls aufzuklären gewesen wäre, im günstigsten Fall mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 bis 50 % eine Sehleistungsverbesserung über zwei Zeilen auf der augenärztlichen Sehprobentafel erreicht hätte. Der Kläger wäre mit einer Fülle von Informationen, insbesondere statistischen Wahrscheinlichkeiten möglicher zukünftiger Erkrankungen und – wissenschaftlich noch nicht anerkannten – Therapiemöglichkeiten, versorgt worden, die ihm die Einschätzung seiner Lage nicht erleichtert, sondern erschwert hätte. Ein ärztlicher Aufklärungsfehler liege daher nicht vor.
Wenn keine wissenschaftlich anerkannte ärztliche Behandlungsmethode zur Verfügung stehe und die einzige erwägenswerte Methode im für den Patienten günstigsten Fall mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 bis 50 % seine Sehkraft um zwei Zeilen auf der augenärztlichen Sehprobentafel verbessern könne, sei dem Patienten überdies nicht einmal der Anscheinsbeweis dafür gelungen, dass die vollständige therapeutische Aufklärung auch nur einen Teil des Schadens an seiner Gesundheit verhindert hätte. Das angefochtene Urteil sei daher in eine Klagsabweisung abzuändern gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten gewesen seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn des Zuspruchs von 30.000 EUR sA und der Haftungsfeststellung für künftige Schäden aus einer Sehkraftverminderung von 95 %. Hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte erstattete eine ihr freigestellte Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.