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Entscheidungstext 17Os6/17m

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Geschäftszahl

17Os6/17m

Entscheidungsdatum

12.06.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michel H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach Paragraphen 12, zweiter Fall, 302 Absatz eins, StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 93 Hv 109/14a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In der Strafsache gegen Michel H*****, AZ 93 Hv 109/14a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verfügt. Das Urteil dieses Gerichts vom 16. Jänner 2015, GZ 93 Hv 109/14a-11, wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil wurde Michel H***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach Paragraphen 12, zweiter Fall, 302 Absatz eins, StGB (römisch eins) und des Vergehens der Bestechung nach Paragraphen 12, zweiter Fall, 307 Absatz eins, StGB (römisch II) schuldig erkannt.

Danach hat er im Juli 2013 in Wien „in Kenntnis des Tatplans

römisch eins./ mittels eines abgesondert verfolgten unbekannt gebliebenen Vermittlers die abgesondert verfolgte Zaklina B*****, die zu diesem Zeitpunkt als Kanzleigehilfin der Magistratsabteilung ***** der Stadt Wien, in deren Funktion sie die Ausstellung von Bescheiden gemäß Paragraph 45, Absatz 2, StVO 1960 und Paragraphen 45, Absatz 4 a, in Verbindung mit 43 Absatz 2 a, Ziffer 2, StVO 1960 sowie die Ausstellung der bezughabenden Einlegetafeln gemäß Anlage römisch II./, römisch III./ bzw. römisch VIII./ der wr. Pauschalierungs-verordnung vorzubereiten und sodann zur Approbation durch Abteilungsleiter Ing. T***** vorzulegen hatte, bestimmt (Paragraph 12, zweiter Fall StGB), als Beamtin der Gemeinde Wien, mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, nämlich die Gemeinde Wien an ihrem Recht auf Einhebung der Parkometerabgabe vergleiche Paragraph 45, Absatz 2,, 4 und 4a StVO 1960 in Verbindung mit Paragraphen 2 und 4 wr. Pauschalierungsverordnung), ihre Befugnis, im Namen der Gemeinde Wien als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu missbrauchen und die oben beschriebene nachangeführt individualisierte Einlegetafel ohne entsprechenden formellen Antrag und ohne Prüfung des Antrags auf das Vorliegen der von der Gemeinde Wien festgelegten Ausstellungsvoraussetzungen unter Verwendung von Original-Folien und Original-Einlegetafeln für die von ihm gewünschten Bezirke, gegen Bezahlung eines nicht den festgesetzten Tarifen entsprechenden Entgelts herzustellen, indem er dem Vermittler einen Auftrag zur Herstellung einer oben beschriebenen Einlegetafel für das Kennzeichen W-***** für die Bezirke 6 und 7 befristet bis August 2015 erteilte und dafür ein Entgelt von 280 Euro bezahlte;

römisch II./ durch die zu römisch eins./ angeführte Handlung den abgesondert verfolgten bislang unbekannten Vermittler bestimmt, einem Amtsträger, nämlich abgesondert verfolgter Zaklina B*****, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil in Bezug auf einen 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert zu gewähren.“

Rechtliche Beurteilung

Bei Prüfung der Akten ergaben sich – wie die Generalprokuratur in ihrem gemäß Paragraph 362, Absatz eins, Ziffer 2, StPO gestellten Antrag zutreffend ausführt – erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zu Grunde gelegten Tatsachen:

Bei einem in gekürzter Form ausgefertigten Urteil (Paragraph 270, Absatz 4, StPO) ersetzt das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (Paragraph 260, Absatz eins, Ziffer eins, StPO) die Entscheidungsgründe als Bezugspunkt für die materiell-rechtliche Beurteilung (RIS-Justiz RS0125032).

Vorliegend gingen die Tatrichter im Wesentlichen davon aus, Michel H***** habe „in Kenntnis des Tatplans“ Zaklina B***** über einen unbekannten Vermittler dazu bestimmt, ihre Befugnis, als Kanzleigehilfin des Magistrats der Stadt Wien, Bescheide über die Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach Paragraph 45, Absatz 2 und 4a in Verbindung mit Paragraph 43, Absatz 2 a, Ziffer 2, StVO sowie die Ausstellung von Einlegetafeln vergleiche Paragraph 5, Absatz eins, der Wiener Pauschalierungsverordnung [ABl 2007/29]) vorzubereiten und ihrem Abteilungsleiter zur Approbation vorzulegen, zu missbrauchen.

Derartige – einen Hoheitsakt vorbereitende – Tätigkeiten eines Beamten (im strafrechtlichen Sinn) sind zwar grundsätzlich Amtsgeschäfte im Sinn des Paragraph 302, Absatz eins, StGB (RIS-Justiz RS0130809, vergleiche auch RS0095963). Die unmittelbare Täterin Zaklina B***** gab als Beschuldigte vernommen jedoch an, in den inkriminierten Fällen nie vorgehabt zu haben, eine (ihr zukommende) darauf gerichtete Befugnis zu gebrauchen. Vielmehr bestand ihr (nach entsprechender Vorbereitung entwickelter) Tatplan darin, Einlegetafeln ohne Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens (Prüfung von in einem formellen Antrag dargelegten Ausstellungsvoraussetzungen, Entrichtung der pauschalierten Parkometerabgabe) unter Verwendung der Original-Rohlinge und unter Fälschung der Unterschrift des Abteilungsleiters (gegen Entgelt) anzufertigen. Dies habe sie einem Mittelsmann auch mitgeteilt (ON 3 S 141, vergleiche auch ON 3 S 25).

Gegen die Sachverhaltsannahme, Michel H***** (der sich verantwortete, die Einlegetafel gutgläubig erworben und verwendet zu haben [ON 2 S 31]) habe in Kenntnis dieses Tatplans (willentlich) zum Gebrauch (irgend-)einer Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften bestimmt, bestehen demnach (in Ermangelung anderer, in diese Richtung weisender Verfahrensergebnisse) erhebliche Bedenken. Da die Vornahme eines Amtsgeschäfts aber (sachverhaltsmäßig) Voraussetzung für die Subsumtion sowohl nach Paragraphen 12, zweiter Fall, 302 Absatz eins, StGB (römisch eins) als auch nach Paragraphen 12, zweiter Fall, 307 Absatz eins, StGB (römisch II) ist, schlagen die Bedenken auf beide Schuldsprüche durch.

Bleibt mit Bezug auf die weiteren Ausführungen der Generalprokuratur anzumerken, dass die Verantwortung des Michel H*****, die erste Initiative zur Beschaffung einer (gefälschten) Einlegetafel sei nicht von ihm, sondern vom (unbekannt gebliebenen) Mittelsmann ausgegangen vergleiche ON 2 S 31), ebenso wenig wie die von Zaklina B***** geschilderte grundsätzliche Tatbereitschaft vergleiche ON 3 S 141) erhebliche Bedenken gegen die Annahme weckt, Michel H***** habe durch das ihm vorgeworfene Verhalten den Tatentschluss der weiteren Täter (in seiner konkreten Form) erst geweckt vergleiche RIS-Justiz RS0089607; Fabrizy in WK2 StGB Paragraph 12, Rz 55 f; zur Strafbarkeit eines [fehlgeschlagenen] Bestimmungsversuchs vergleiche im Übrigen RIS-Justiz RS0109797).

Es war daher im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu verfügen und das Urteil aufzuheben.

Da eine sofortige Entscheidung in der Sache in Form eines Freispruchs oder einer Verurteilung nach einem milderen Strafsatz (zur strafrechtlichen Beurteilung eines derartigen – von der Anklage erfassten – Sachverhalts vergleiche 17 Os 14/15k und 17 Os 49/14f) ohne Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens nicht in Betracht kam, tritt das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens (Paragraph 362, Absatz 4, in Verbindung mit Paragraph 358, Absatz 2, StPO; Ratz, WK-StPO Paragraph 362, Rz 10).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E118537

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00006.17M.0612.000

Im RIS seit

07.07.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2017

Dokumentnummer

JJT_20170612_OGH0002_0170OS00006_17M0000_000

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