Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund mit der Maßgabe zulässig, dass es statt „§ 155 Abs 4 UGB“ „Art 7 Nr. 19 EVHGB“ zu lauten hat; er ist aber nicht berechtigt.
Die Rekurswerber bemängeln die fehlenden Feststellungen über den Inhalt der Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011; aus dieser ergebe sich, dass das Anfangskapital des Bruders höher sei als das des Klägers. Der Kläger gehe rechtsirrig von den Kapitalkontoständen der Gesellschafter Ende 2006 anstatt vom richtigen Stichtag der Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011 aus. Nach dieser Bilanz habe der Kläger keinen Anspruch. Der Kläger habe keinen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch. Der Kläger habe es unterlassen, den Liquidator anzuweisen, gemäß § 155 Abs 3 UGB die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen; es lägen daher die Voraussetzungen des § 155 Abs 4 UGB nicht vor, weshalb der Kläger nach Beendigung der Liquidation keinen Anspruch mehr gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger nach dem Bruder habe. Der Streitgegenstand sei im Betrag von 50.305,22 EUR (unzulässige Entnahmen bis 31. 12. 2005) mit dem Vorprozess ident, weshalb insoweit Streitanhängigkeit vorliege. Es gelte für die von der Aufhebung betroffenen behaupteten Ansprüche die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB, die im Dezember 2007 zu laufen begonnen habe, weshalb die geltend gemachten Forderungen bei Klagseinbringung verjährt gewesen seien.
Hierzu wurde erwogen:
1. Der Feststellungsmangel betreffend die Kapitalkonten der beiden Gesellschafter in der Liquidationsschlussbilanz zum 30. 11. 2011 besteht nicht: Diese Bilanz liegt als von den Beklagten vorgelegte Urkunde (Beilage ./5) im Akt; deren Echtheit wurde vom Kläger zugestanden und ihr Inhalt ist unstrittig. In diesem Fall könnten die Zahlen der genannten Bilanz auch im Revisionsverfahren zugrundegelegt werden (RIS-Justiz RS0121557 [T2, T3]). Im Übrigen kommt es aus den noch darzulegenden Gründen auf den Inhalt der Bilanz nicht an.
2.1. Gemäß § 907 Abs 9 UGB ist ua § 155 Abs 1 und 4 in der Fassung des Handelsrechts-Änderungsgesetzes, BGBl I Nr 120/2005, auf nach dem 31. Dezember 2006 errichtete Personengesellschaften anzuwenden, sofern unter den Gesellschaftern nichts anderes vereinbart wurde. Auf vor diesem Zeitpunkt errichtete Gesellschaften sind die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
Da die Gesellschaft vor dem 31. Dezember 2006 errichtet wurde, sind statt § 155 Abs 1 und 4 UGB die Vorgängerbestimmungen, nämlich § 155 Abs 1 HGB und Art 7 Nr 19 EVHGB (Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB2 [2010] § 155 Rz 35; U. Torggler in Straube, UGB4 [2011] § 155 Rz 2), anzuwenden.
Das nach Berichtigung der Schulden verbleibende Vermögen der Gesellschaft ist gemäß § 155 Abs 1 HGB von den Liquidatoren nach dem Verhältnisse der Kapitalanteile, wie sie sich auf Grund der Schlussbilanz ergeben, unter die Gesellschafter zu verteilen.
Reicht das
Gesellschaftsvermögen zur Deckung der Gesellschaftsschulden und der Kapitalanteile der Gesellschafter nicht aus, so haben die Gesellschafter gemäß Art 7 Nr 19 EVHGB für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis aufzukommen, nach dem sie den Verlust zu tragen haben. Kann von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden, so haben die übrigen Gesellschafter den Ausfall nach dem genannten Verhältnis zu tragen.
2.2. Nach der Entscheidung 2 Ob 597/84 (= RIS-Justiz RS0061916) ist bei einem Streit der Gesellschafter über die Verteilung das Vorliegen der
Schlussbilanz nicht Voraussetzung der Prozessführung gegen den bestreitenden Gesellschafter. Der klagende Gesellschafter muss nur seinen Anspruch nachweisen können. Das Begehren kann dahin gehen, dass die Verteilung in bestimmter Weise zu erfolgen hat. Es ist aber auch eine Feststellungsklage zulässig.
Nach – soweit zu sehen – einhelliger Lehre in Österreich und Deutschland ist eine Neuberechnung und Ausgleichung der Kapitalanteile erforderlich, wenn Gesellschaftsschulden aus welchen Gründen auch immer in die Schlussbilanz nicht aufgenommen wurden (U. Torggler in Straube, HGB3 [2003] Art 7 Nr 19 EVHGB Rz 9 mwN aus der deutschen Lehre; Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB2 [2010] § 155 Rz 31; U. Torggler in Straube, UGB4 [2011] § 155 Rz 40; Wasserer in U. Torggler, UGB2 [2016] § 155 Rz 9; Schilling in GroßkommHGB3 [1970] § 155 Anm 22).
Aus § 269 Abs 4 und § 277 Abs 1 letzter Satz UGB (vgl auch RIS-Justiz RS0127129 [T1a]) ergibt sich, dass der Jahresabschluss, der aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung besteht (vgl § 193 Abs 4 UGB), geändert werden kann.
2.3. Aus den zitierten Lehrmeinungen und Normen geht hervor, dass Positionen in einer erstellten Bilanz insoweit nicht verbindlich sind, als sie unter Einhaltung der für die Erstellung des Jahresabschlusses geltenden Normen (§§ 195–211 UGB) die wahren Verhältnisse unrichtig darstellen. Die vom Berufungsgericht genannte erhebliche Rechtsfrage ist daher folgendermaßen zu beantworten:
Der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach Art 7 Nr 19 EVHGB steht nicht entgegen, dass sich aus einer bereits vorliegenden Schlussbilanz kein negativer Liquidationsanteil des Mitgesellschafters ergibt.
3. Die Beklagten bringen vor, der Kläger habe es unterlassen, den Liquidator anzuweisen, gemäß § 155 Abs 3 UGB die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bis zur Entscheidung des Streits auszusetzen; es lägen daher die Voraussetzungen des § 155 Abs 4 UGB nicht vor, weshalb der Kläger nach Beendigung der Liquidation keinen Anspruch mehr gegen die Beklagten als Rechtsnachfolger nach dem Bruder habe.
Dieses erstmals im Rekurs erstattete Vorbringen verstößt – soweit es sich um ein Tatsachenvorbringen handelt – gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen sieht das Gesetz nicht vor, dass ein Ausgleichsanspruch nach Art 7 Nr 19 EVHGB dann erlischt, wenn das Verfahren nach § 155 Abs 3 HGB (= § 155 Abs 3 UGB) nicht eingehalten wurde.
4. Zur Verjährung gilt Folgendes:
Im Klagevorbringen ist von Schäden und rechtswidrigem und schuldhaften Verhalten des Bruders die Rede. Dies legt nahe, dass der Kläger primär an Schadenersatzansprüche gedacht hat. Der Kläger hat aber für sein Begehren keinen Rechtsgrund angegeben und sich umso weniger auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt.
Ist im Klagsvorbringen kein bestimmter Rechtsgrund geltend gemacht worden, dann verstößt das Gericht nicht gegen § 405 ZPO, wenn es unter den in concreto möglichen Ansprüchen die Wahl trifft (RIS-Justiz RS0037610 [T27]). Im Zweifel ist die Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Frage kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (RIS-Justiz RS0037610 [T36]). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hierfür angegebenen Tatsachen. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (RIS-Justiz RS0037610 [T37]). Das Tatsachenvorbringen ist vom Gericht nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (RIS-Justiz RS0037610 [T46]).
Das Tatsachenvorbringen des Klägers erfüllt auch die Voraussetzungen eines auf Art 7 Nr 19 EVHGB gestützten Ausgleichsanspruchs. Auch die Beklagten gehen im Rekurs davon aus, der Kläger mache einen solchen Anspruch geltend. Dieser Anspruch setzt aber kein Verschulden voraus und ist daher jedenfalls kein Schadenersatzanspruch.
Soweit zu sehen, existieren weder Rechtsprechung noch Lehrmeinungen zur Frage der Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs nach Art 7 Nr 19 EVHGB. Verwandte Ansprüche im Recht der OG (OHG) werden in der Lehre als Bereicherungsansprüche angesehen, so etwa der aus § 122 UGB resultierende Rückforderungsanspruch der Gesellschaft bei unzulässigen Entnahmen eines Gesellschafters (Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] Rz 2/390) oder ein bei der vorläufigen Verteilung nach § 155 Abs 2 UGB bzw § 155 Abs 2 HGB entstandener Rückforderungsanspruch (Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB2 [2010] § 155 Rz 15; U. Torggler in Straube, UGB4 [2011] § 155 Rz 15; Wasserer in U. Torggler, UGB2 [2016] § 155 Rz 3; jeweils mwN; zum HGB vgl U. Torggler in Straube, HGB3, § 155 Rz 15 mwN).
Nach der Rechtsprechung ist der Anspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens nach seinem Inhalt keinem der im § 1486 ABGB aufgezählten Fälle der kurzen Verjährung, insbesondere nicht dem der Z 1, unterworfen. Er unterliegt der allgemeinen dreißigjährigen Verjährung im Sinne des § 1478 ABGB (6 Ob 585/88 = RIS-Justiz RS0034421; 6 Ob 113/02i).
Diese Erwägungen treffen auch hier zu: Der Ausgleichsanspruch nach Art 7 Nr 19 EVHGB lässt sich unter keine spezielle Verjährungsnorm subsumieren. Die §§ 159 f UGB (bzw § 159 HGB) betreffen die hier nicht zu beurteilende Haftung von unbeschränkt haftenden (ausscheidenden: § 160 UGB) Gesellschaftern einer eingetragenen Personengesellschaft für Gesellschaftsschulden.
Der Ausgleichsanspruch nach Art 7 Nr 19 EVHGB verjährt daher gemäß § 1478 ABGB in 30 Jahren. Da der Ausgleichsanspruch mit der Auflösung, die hier mit der Bestellung des Liquidators im Jahr 2008 eintrat, entsteht (U. Torggler in Straube, UGB4 [2011] § 155 Rz 36), war er bei Klagseinbringung noch nicht verjährt.
5. Soweit die Beklagten weiterhin zu einem Teil des Klagebegehrens das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit im Hinblick auf den Vorprozess behaupten, ist darauf nicht weiter einzugehen: Dieses Prozesshindernis würde eine Nichtigkeit bewirken, die vom Berufungsgericht verneint wurde und vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden kann (RIS-Justiz RS0039226 [T3, T5]; RS0042981).
6. Da somit die behaupteten Ansprüche im Umfang der Aufhebung durch das Berufungsgericht noch nicht verjährt sind, ist deren Prüfung erforderlich, weshalb sich der Aufhebungsausspruch des Berufungsgerichts als zutreffend erweist.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.