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Entscheidungstext 14Os47/14i

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

JBl 2014,815 = ZWF 2015/19 S 82 - ZWF 2015,82 = SSt 2014/29

Geschäftszahl

14Os47/14i

Entscheidungsdatum

11.09.2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Strafsache gegen August S***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach Paragraph 209, StGB, AZ 6 römisch fünf r 474/99, Hv 262/99 des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens nach Paragraph 363 a, StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit (am 28. Mai 1999) unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Mai 1999, GZ 6 römisch fünf r 474/99, Hv 262/99-33, wurde August S***** - soweit hier von Bedeutung - des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach Paragraph 209, StGB (in der am 13. August 2002 außer Kraft getretenen Fassung BGBl 1988/599) schuldig erkannt, hiefür zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach Paragraph 21, Absatz 2, StGB angeordnet.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 9. Jänner 2001, GZ 2 BE 73/00-27, sprach dieses die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Paragraph 47, StGB unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit aus, ordnete Bewährungshilfe an und erteilte Weisungen.

Diese Verurteilung, die Einweisung nach Paragraph 21, Absatz 2, StGB sowie die vorerst bedingte und seit 12. Februar 2007 (ON 69 des genannten BE-Aktes) endgültige Entlassung sind (bis heute unverändert) aus der Strafregisterauskunft des Verurteilten ersichtlich.

Mit Erkenntnis des VfGH vom 21. Juni 2002, AZ G 6/02, wurde Paragraph 209, StGB unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Mit Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl römisch eins 2002/134, wurde mit Ablauf des 13. August 2002 (Artikel 49, Absatz eins, B-VG in der Fassung BGBl 1996/659 in Verbindung mit Art römisch IX BGBl römisch eins 2002/134) die Strafbestimmung des Paragraph 209, StGB durch jene des Paragraph 207 b, StGB ersetzt.

Gestützt auf eine Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), mit welchen, beginnend mit dem Erkenntnis vom 9. Jänner 2003 (L & V gegen Österreich, Nr 39392/98 und 39829/98; ÖJZ 2003/19, 394), der Gerichtshof eine Verletzung des Artikel 14, in Verbindung mit Artikel 8, MRK durch die diesen - das gegenständliche Strafverfahren nicht betreffenden - Beschwerdefällen zu Grunde gelegenen Verurteilungen nach Paragraph 209, StGB feststellte, beantragte der Verurteilte August S***** daraufhin gemäß Paragraph 363 a, StPO die Erneuerung des Strafverfahrens.

Diesen Antrag wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 13. November 2007, AZ 14 Os 140/06d, mit der Begründung zurück, dass er nicht rechtzeitig, also

innerhalb von

sechs Monaten nach der endgültigen (innerstaatlichen) Entscheidung eingebracht wurde (Artikel 35, Absatz eins, MRK).

Mit (auch) über die im Jahr 2007 erhobene Beschwerde des August S***** („Mr A.S. [the third applicant]“) ergangenem Erkenntnis vom 7. November 2013 (31913/07, 38357/07, 48098/07, 48777/07 und 48779/07, E.B. ua/Österreich, Rz 32 ff) stellte der EGMR in Ansehung der unverändert bestehenden Eintragung der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Paragraph 209, StGB im österreichischen Strafregister Verletzungen des Artikel 14, in Verbindung mit Artikel 8, sowie des Artikel 13, EMRK fest (Rz 83 und 93 der EGMR-Entscheidung).

Rechtliche Beurteilung

Mit Schriftsatz vom 21. April 2014 (elektronisch eingebracht am 23. April 2014) beantragt August S***** nun ein weiteres Mal die Erneuerung des Strafverfahrens nach Paragraph 363 a, StPO.

Darin behauptet er zunächst - gänzlich wortident mit seinem Vorbringen im früheren Erneuerungsantrag - eine durch die Verurteilung wegen Paragraph 209, StGB bewirkte Verletzung von Artikel 8 und 14 MRK, die in grundrechtswidriger Weise durch die „fortgesetzte Speicherung und Verarbeitung“ dieser Verurteilung (sowie der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und die „bloß bedingte Entlassung aus derselben“) im Strafregister „auf Jahre hinaus“ fortwirke und zudem die „Tilgungsfrist für die anderen im Strafregister eingetragenen Verurteilungen“ (Paragraph 4, TilgG) verlängere.

Ausdrücklich macht er nunmehr geltend, durch die nach wie vor aufrechte Eintragung der Verurteilung (und Einweisung) im Strafregister nicht nur in seinen gemäß Artikel 8 und 14 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, sondern - für den Fall der Abweisung des unter einem gestellten Antrags auf Aufhebung der konventionswidrigen Verurteilung und Freispruch von dem wider ihn erhobenen Vorwurf - auch in seinem Recht auf wirksame Beschwerde nach Artikel 13, MRK verletzt zu sein, und beruft sich zum Ganzen in einem Klammerausdruck auf die (dem Antrag in Kopie angeschlossene) zuvor angeführte Entscheidung des EGMR

vom 7. November 2013.

Soweit sich der

Erneuerungsantrag gegen den Schuldspruch im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Mai 1999, GZ 6 römisch fünf r 474/99, Hv 262/99-33, richtet, stützt er sich - zu Recht - nicht auf dieses Erkenntnis des EGMR, weil darin eine dadurch bewirkte Konventionsverletzung gerade nicht festgestellt, vielmehr mehrfach betont wurde, dass sich die der Entscheidung zugrunde liegenden Beschwerden nicht gegen die Verurteilungen wegen Paragraph 209, StGB „per se“, (Rz 66, 70 der EGMR-Entscheidung; vergleiche auch NLMR 6/2013-EGMR, 403 [404]), sondern bloß gegen deren fortgesetzte Speicherung im Strafregister wendeten (Rz 63, 66, 70, 84, 87 der EGMR-Entscheidung; vergleiche dazu auch Reindl-Krauskopf, WK-StPO Paragraph 363 a, Rz 34).

Einer Erneuerung des Strafverfahrens ohne vorangegangenes Erkenntnis des EGMR im Sinn der seit 1. August 2007 etablierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (statt vieler RIS-Justiz RS0122228) steht wiederum nicht nur die unterbliebene Ausschöpfung des nationalen Instanzenzugs, sondern auch der Umstand entgegen, dass der gegenständliche Antrag (insoweit) im Wesentlichen mit dem vom Obersten Gerichtshof am 13. November 2007 zu AZ 14 Os 140/06d geprüften Erneuerungsantrag übereinstimmt (Artikel 35, Absatz 2, MRK; vergleiche RIS-Justiz RS0122737; Reindl-Krauskopf, WK-StPO Vor Paragraphen 363 a,-c Rz 16; Paragraph 363 a, Rz 24, 30 ff).

Voraussetzung für eine Verfahrenserneuerung nach Paragraph 363 a, StPO ist zu dem die Verletzung eines Grundrechts durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts, wobei der EGMR - aus der Art der ihm obliegenden Grundrechtskontrolle (nämlich der Feststellung der Staatenverantwortlichkeit überhaupt) resultierend -
regelmäßig (so auch im vorliegenden Fall) keine ausdrücklichen Feststellungen dazu trifft, welche Staatsgewalt und welches konkrete Staatsorgan (auch innerhalb einer Staatsgewalt) die staatliche Verantwortlichkeit ausgelöst hat. Erneuerung des Strafverfahrens kommt darauf aufbauend (nur) in Betracht, wenn sich aus dem Urteil insgesamt ergibt, dass die Verletzung der MRK der Strafgerichtsbarkeit zuzurechnen ist vergleiche zum Ganzen Reindl-Krauskopf, WK-StPO Paragraph 363 a, Rz 5, 10 in Verbindung mit Vor Paragraphen 363 a,-c Rz 5).

Vorliegend basiert zwar die in Rede stehende Eintragung im Strafregister auf Entscheidungen und Verfügungen eines Strafgerichts, nämlich der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers (Paragraph 2, Absatz eins und Absatz 3, StRegG; vergleiche dazu Kert, WK-StPO StRegG Paragraph 2, Rz 63 ff mwN) und der mit Endverfügung des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. Juni 1999 - gesetzeskonform und vor Außerkrafttreten der Strafbestimmung des Paragraph 209, StGB am 13. August 2002 - angeordneten diesbezüglichen Verstän-digung der - damals für die Führung des Strafregisters zuständigen - Bundespolizeidirektion Wien (Paragraph 3, Absatz eins, StRegG). Eine durch die Übermittlung der Strafkarte an das Strafregisteramt bewirkte Konventionsverletzung wurde weder vom EGMR festgestellt, noch vom Erneuerungswerber behauptet.

Dass keine Löschung der Eintragung der Verurteilung des Beschwerdeführers im (österreichischen) Strafregister erfolgte, obwohl die dieser zugrunde liegende Strafbestimmung vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben wurde, und insoweit kein Recht besteht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, worin alleine der EGMR vorliegend eine Verletzung von Artikel 14, in Verbindung mit Artikel 8, sowie Artikel 13, MRK erblickte, ist eine zwingende gesetzliche Folge einer strafgerichtlichen Entscheidung samt Verfügung (Paragraph 3, Absatz eins, StRegG), hinsichtlich derer eine Konventionsverletzung durch den EGMR (oder den OGH) im Sinn des Paragraph 363 a, Absatz eins, StPO gerade nicht festgestellt wurde, weshalb eine darauf gestützte Verfahrenserneuerung von vornherein nicht in Betracht kommt. Eine Beseitigung dieses vom EGMR als grundrechtswidrig konstatierten Zustands ist vorliegend daher - auch mit Blick auf Paragraph 8, StRegG und die dazu etablierte Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts (etwa VfGH 4. 10. 2006, B 742/06; VwGH 21. 3. 2007, 2006/05/0076- (nur) durch den Gesetzgeber vergleiche Rz 81 des den Antragsteller betreffenden EGMR-Erkenntnisses; vergleiche auch EGMR 6. 4. 2000, 34369/97, Thlimmenos/Griechenland Rz 48) oder (in Bezug auf Artikel 14, in Verbindung mit Artikel 8, MRK) mittels Tilgung im Gnadenweg durch den Bundespräsidenten (Artikel 65, Absatz 2, Litera c, B-VG; Paragraphen 507, ff StPO) möglich.

Der Erneuerungsantrag war daher gemäß Paragraph 363 b, Absatz 2, StPO (teilweise analog; vergleiche dazu 17 Os 11/12i) zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass für ein - unter einem angeregtes - Vorgehen gemäß Artikel 89, Absatz 2, B-VG schon mangels Präjudizialität des Paragraph 207 b, StGB kein Anlass besteht (Mayer, B-VG4 Artikel 89, Anmerkung römisch II.1.ff).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E108731

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00047.14I.0911.000

Im RIS seit

26.10.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2017

Dokumentnummer

JJT_20140911_OGH0002_0140OS00047_14I0000_000

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