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Entscheidungstext 14Os12/12i

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

EvBl 2012/83 S 564 - EvBl 2012,564 = Jus-Extra OGH-St 4640 = AnwBl 2012,469 = Ratz, AnwBl 2013,229 (Judikaturübersicht) = SSt 2012/12

Geschäftszahl

14Os12/12i

Entscheidungsdatum

03.04.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. April 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Peter S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach Paragraph 153, Absatz eins und Absatz 2, zweiter Fall StGB, AZ 8 Hv 136/09b des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Angeklagten Dr. Peter S***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß Paragraph 363 a, StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 30. März 2011, AZ 8 Hv 136/09b, wurde - soweit hier wesentlich - Dr. Peter S***** des Verbrechens der Untreue nach Paragraph 153, Absatz eins und Absatz 2, zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des Paragraph 153, Absatz 2, StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Dagegen hat dieser Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 12. Jänner 2012, AZ 9 Fss 2/11h, wurde sein Antrag vom 5. Dezember 2011, dem Landesgericht für Strafsachen Graz eine Frist für die Ausfertigung des mündlich verkündeten Urteils zu setzen (Paragraph 91, Absatz eins, GOG), mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass „die geltend gemachte Säumnis bei der Ausfertigung des Urteils (noch) nicht anzunehmen“ sei.

Die in Rede stehende Verfahrenshandlung wurde am 30. Jänner 2012 nachgeholt vergleiche die vom Obersten Gerichtshof eingeholte Stellungnahme des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 1. Februar 2012), eine Urteilsausfertigung dem Verteidiger am 7. Februar 2012 zugestellt.

Mit seiner am 30. Jänner 2012 beim Obersten Gerichtshof (somit rechtzeitig innerhalb der sechsmonatigen Frist des Artikel 35, Absatz eins, MRK [13 Os 135/06m, EvBl 2007, 154, 832]) eingelangten Eingabe begehrt Dr. Peter S***** gestützt auf die Behauptung einer Verletzung in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6, Absatz eins, MRK (durch Verletzung des allgemeinen Beschleunigungsgebots in Strafsachen) - in Bezug auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 12. Jänner 2012 - die Erneuerung des gegen ihn geführten Strafverfahrens (Paragraph 363 a, StPO).

Rechtliche Beurteilung

Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Artikel 34 und 35 Absatz eins und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden.

Dem Erfordernis der Ausschöpfung des Rechtswegs wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen (also solchen, die eine wirksame Beschwerde iSd Artikel 13, MRK darstellen; Grabenwarter/Pabel Europäische Menschenrechtskonvention5 Paragraph 24, Rz 168) Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vergleiche Grabenwarter/Pabel Europäische Menschenrechtskonvention5 Paragraph 13, Rz 26 ff, 34 ff; RIS-Justiz RS0122737).

Rechtsbehelfe gegen Verletzungen des Gebots angemessener Verfahrensdauer sind dann wirksam iSd Artikel 13, MRK, wenn sie den behaupteten Verstoß oder dessen Fortsetzung verhindern, dadurch das Verfahren also präventiv beschleunigt wird, oder wenn sie (nachfolgend) angemessene Wiedergutmachung für eine bereits erfolgte Verletzung gewähren. Auch der EGMR räumt den Staaten eine Wahlmöglichkeit zwischen solcherart präventiv oder kompensatorisch ausgerichteten Rechtsmitteln ein (Grabenwarter/Pabel Europäische Menschenrechtskonven-tion5 Paragraph 24, Rz 182 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR; RIS-Justiz RS0126050).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Möglichkeit der Erneuerung eines Strafverfahrens nach Paragraph 363 a, StPO aufgrund eines darauf gerichteten, nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrags nicht unbedingt auf in rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren ergangene (End-)Entscheidungen beschränkt ist. Subsidiarität in einem solchen Erneuerungsverfahren bedeutet demnach (bloß) Erschöpfung des Instanzenzugs in Ansehung der nach grundrechtlichen Maßstäben zu prüfenden (Einzel-)Entscheidung. Solcherart können Fehlentwicklungen im noch anhängigen Strafverfahren aufgezeigt und die Grundrechtskonformität einzelner gerichtlicher Entscheidungen im Interesse einer einheitlichen, menschenrechtlichen Standards entsprechenden Rechtsanwendung klargestellt werden vergleiche grundlegend: 13 Os 16/09s mwN).

Hintanhaltung der geltend gemachten Verfahrensverzögerung oder deren Fortsetzung steht hier nicht mehr in Rede, weil die versäumte Verfahrenshandlung vom Gericht bereits am 30. Jänner 2012 (am Tag des Einlangens des Erneuerungsantrags beim Obersten Gerichtshof) nachgeholt wurde.

Anerkennung der durch die gegenständliche Säumnis bei der Urteilsausfertigung bereits bewirkten

unangemessen langen

Verfahrensdauer als Konventionsverstoß (Artikel 6, Absatz eins, MRK) und dessen Ausgleich (durch

ausdrückliche und

messbare Strafmilderung) aber kann - iSd Artikel 13, MRK gleichermaßen - wirksam im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde (

zur Möglichkeit der Geltendmachung von Konventionsverstößen mittels Sanktionsrüge vergleiche ausführlich Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 86, 724; 14 Os 187/10x) und die - entgegen dem in der Äußerung des Antragstellers zur Stellungnahme der Generalprokuratur (Paragraph 363 a, Absatz 2, StPO) vertretenen Auffassung keineswegs „von vorneherein aussichtslose“ - Berufung vergleiche Paragraph 34, Absatz 2, StGB) durchgesetzt werden, womit dem

Erneuerungsantrag insoweit mangelnde Rechtswegausschöpfung (Artikel 35, Absatz eins, MRK) entgegensteht vergleiche mit Beziehung auf im Hauptverfahren durchsetzbare Beschuldigtenrechte, die im Ermittlungsverfahren verweigert wurden: RIS-Justiz RS0126370).

Der Erneuerungsantrag des Dr. Peter S***** war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (Paragraph 363 b, Absatz 2, StPO).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E100658

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2012:0140OS00012.12I.0403.000

Im RIS seit

23.05.2012

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2015

Dokumentnummer

JJT_20120403_OGH0002_0140OS00012_12I0000_000

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