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Entscheidungstext 11Os49/11g

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

EvBl 2011/142 S 973 - EvBl 2011,973 = AnwBl 2012,64 = Ratz, AnwBl 2013,229 (Judikaturübersicht) = SSt 2011/35

Geschäftszahl

11Os49/11g

Entscheidungsdatum

30.06.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Juni 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Sadoghi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Elvin D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraph 12, dritter Fall StGB, Paragraph 28 a, Absatz eins, zweiter und dritter Fall, Absatz 4, Ziffer 3, SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 2010, GZ 061 Hv 1/10b-190, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten enthält - wurde Elvin D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraph 12, dritter Fall StGB, Paragraph 28 a, Absatz eins, zweiter und dritter Fall, Absatz 4, Ziffer 3, SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien zur vorschriftswidrigen Ein- und Ausfuhr von Suchtgift in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge zumindest beigetragen, indem er sich zur Übernahme des aus den Niederlanden aus- und nach Österreich eingeführten Suchtgifts bereit erklärte, und zwar (zusammengefasst wiedergegeben) von

1) 2.962 Gramm Heroin (43,9 Gramm reine Heroinbase sowie 20,1 Gramm Monoacetylmorphinbase) gegenüber Oliver M*****, der Ganimete A***** bestimmte, zwischen 8. November 2008 und 11. November 2008 nach Amsterdam zu reisen und das Suchtgift zu übernehmen, wobei die Genannte auf der Rückreise nach Österreich mit dem Suchtgift betreten und festgenommen wurde;

2) 1.525 Gramm Heroin (Reinsubstanz 58,16 Gramm) sowie 183,2 Gramm Kokain (Reinsubstanz 50 Gramm), welches in der Folge am 25. Jänner 2008 vom unmittelbaren Täter „Andreas“ nach Österreich eingeführt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Ziffer 5,, 8 und 9 Litera a, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - keine Berechtigung zu.

Der gegen den Schuldspruch 2) gerichteten Mängelrüge (Ziffer 5, vierter Fall) zuwider ist der aus dem Ablauf der (auf US 6 festgestellten) Ereignisse (US 9) gezogene Schluss der Tatrichter, wonach sich der Angeklagte zu einem vor dem 25. Jänner 2008 gelegenen Zeitpunkt zur Übernahme des Suchtgifts bereit erklärte, nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0118317).

In diesem Zusammenhang sei zur Verdeutlichung auf die Feststellungen verwiesen, wonach dem Verteiler des Suchtgifts noch vor der am gleichen Tag erfolgten Einfuhr und noch vor der Übernahme des Suchtgifts auch die Telefonnummer des Angeklagten mitgeteilt und auch bestimmt wurde, welche Suchtgiftmenge an den Beschwerdeführer zu übergeben sei (US 6).

Soweit die Mängelrüge isoliert das Stimmvergleichsgutachten als eines der Elemente der logisch und empirisch einwandfreien Argumentation der Tatrichter mit dem Einwand bekämpft, der Sachverständige Dr. Werner D***** habe zunächst in seinem schriftlichen Gutachten (ON 171) eine Übereinstimmung von 92 % bis 95 %, in dessen Erörterung in der Hauptverhandlung aber eine solche von 80 % bis 85 % dargetan, dabei jedoch die vom Erstgericht für die Urteilsannahmen auch herangezogene Sicherstellung des Mobiltelefons in der vom Angeklagten frequentierten Wohnung übergeht (US 9), unterlässt sie die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0116877, RS0118316; Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 409, 421).

Lediglich der Vollständigkeit halber sei auf die durch den Sachverständigen erfolgte Aufklärung des Widerspruchs verwiesen (ON 179 S 25). Demnach bedurfte es auch mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (Paragraph 270, Absatz 2, Ziffer 5, StPO) keiner Erörterung der nur scheinbar unterschiedlichen Einschätzungen des Experten. Im Übrigen unterliegt die Überzeugungskraft eines iSd Paragraph 127, Absatz 3, StPO mängelfreien Gutachtens allein der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 351).

Aus Ziffer 8, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO bringt der Beschwerdeführer vor, das Erstgericht habe ohne vorangehende Information des Angeklagten eine von der Anklage als Mittäter abweichende rechtliche Beurteilung als Beitragstäter vorgenommen und dadurch die bei Änderung der Beteiligungsform analog anzuwendende Bestimmung des Paragraph 262, erster Satz StPO verletzt.

Ein Urteil ist dann nichtig aus Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 8, StPO, wenn es die Vorschriften der Paragraphen 262,, 263 und 267 StPO überschreitet. Gegenständlich kommt eine Verletzung des Paragraph 267, StPO bei Abweichungen tatsächlicher Natur und eine solche des Paragraph 262, StPO bei Abweichungen rechtlicher Natur in Frage. Gegenstand des Vergleichs von Anklage und Urteil nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist aber nicht die Form, sondern der Inhalt von Anklage einerseits und Urteil andererseits vergleiche auch Ratz, WK-StPO Vorbem zu Paragraphen 280,-296a Rz 5; Paragraph 281, Rz 627 f). Unter Beachtung dieses Maßstabs unterscheidet sich das Strafurteil weder im Tatsächlichen noch im Rechtlichen von der Anklage, zumal sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Tatrichter von einer (allein) durch Oliver M***** erfolgten Bestimmung der Ganimete A***** ausgingen, gegen ein vereinbartes Entgelt in der Höhe von 7.000 Euro nach Amsterdam zu reisen, dort mit „Nadi“ Kontakt aufzunehmen, das Suchtgift zu übernehmen und dieses sodann für den Angeklagten nach Wien zu transportieren vergleiche Anklageschrift ON 89 Punkt römisch eins). In bloßer Konkretisierung des Anklagevorwurfs gingen die Tatrichter davon aus, dass sich der Beschwerdeführer gegenüber dem die unmittelbare Täterin bestimmenden Oliver M***** zur Übernahme des Suchtgifts bereit erklärte (US 5).

Indem sich die Rüge nicht an der in der Anklage inhaltlich zum Ausdruck gebrachten Beteiligungsform orientiert, sondern an einer bloßen Fehlbezeichnung des Tatgeschehens im Anklagetenor, verfehlt sie den Bezugspunkt des anzustellenden Vergleichs. Unmittelbarer Täter nach Paragraph 12, erster Fall StGB ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzt. Dies gilt nicht nur für den Alleintäter, sondern auch für im bewussten und gewollten Zusammenwirken handelnde Mittäter, von denen jeder eine dem Tatbestand entsprechende Ausführungshandlung setzen muss (RIS-Justiz RS0117320). Ein den Beschwerdeführer betreffender Vorwurf einer Ausführungshandlung findet sich aber in der Anklage nicht, weshalb das an die bloße Fehlbezeichnung des Angeklagten als „Mittäter“ anknüpfende Vorbringen ins Leere geht. Ein direkter Blick auf Artikel 6, Absatz 3, Litera a und b MRK bestätigt dieses Ergebnis, ergibt sich doch durch die bloße Fehlbezeichnung des Beschwerdeführers als Mittäter weder eine Änderung der Art noch des Grundes der gegen ihn erhobenen Beschuldigung. Die Anpassung der in der Anklage gewählten Bezeichnung an den Anklageinhalt berührt seine Verteidigungsstrategie nicht.

Aus welchem Grund es zusätzlicher Urteilsannahmen zur inneren Tatseite bedurft hätte, obwohl das festgestellte Wissen des Beschwerdeführers (US 7) die Willenskomponente seines Vorsatzes inkludiert (RIS-Justiz RS0088835 [T4]), leitet die Rechtsrüge (Ziffer 9, Litera a,) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab und entzieht sich somit einer meritorischen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (Paragraph 285 d, Absatz eins, StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (Paragraph 285 i, StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf Paragraph 390 a, Absatz eins, StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97741

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00049.11G.0630.000

Im RIS seit

19.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2014

Dokumentnummer

JJT_20110630_OGH0002_0110OS00049_11G0000_000

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