Navigation im Suchergebnis

Entscheidungstext 8Ob94/09w

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

ÖBA 2010,541/1647 - ÖBA 2010/1647 = EvBl 2010/97 S 671 (Widhalm-Budak) - EvBl 2010,671 (Widhalm-Budak) = ZIK 2011/39 S 25 - ZIK 2011,25

Geschäftszahl

8Ob94/09w

Entscheidungsdatum

18.02.2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei Rechtsanwalt Dr. Bernhard E*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin R***** GmbH, *****, wegen Feststellung einer Konkursforderung (Feststellungsinteresse: 32.775,75 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. März 2009, GZ 3 R 128/08b-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. August 2008, GZ 14 Cg 28/05k-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.526,90 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 421,15 EUR USt) sowie die mit 2.987,08 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 303,18 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin lieferte und montierte für die spätere Gemeinschuldnerin eine Be- und Entlüftungsanlage unter Eigentumsvorbehalt. Sie legte gegenüber der Gemeinschuldnerin am 31. 8. 2004 Schlussrechnung über 111.089,11 EUR. Am 21. 1. 2005 war ein Teilbetrag dieser Rechnung in Höhe von 31.362,49 EUR noch nicht bezahlt.

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluss vom 11. 1. 2005 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Die Klägerin meldete im Konkursverfahren den aushaftenden Rechnungsteilbetrag zuzüglich Zinsen bis zur Konkurseröffnung als Konkursforderung in Höhe von 32.775,75 EUR an. Der Masseverwalter bestritt diese Forderung. Außerdem begehrte die Klägerin nach Ablauf der Frist des Paragraph 11, Absatz 2, KO die Aussonderung einzelner unter Eigentumsvorbehalt an die Gemeinschuldnerin gelieferter Teile der Be- und Entlüftungsanlage.

Mit der am 28. 4. 2005 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung ihrer Forderung als Konkursforderung.

Der Beklagte wandte - abgesehen von der im Revisionsverfahren nicht mehr zu behandelnden Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs mangels ausreichend konkretisierter Forderungsanmeldung - im Wesentlichen ein, dass die Klägerin am 9. 6. 2005 eine weitere, auf die Herausgabe einzelner unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Teile der Be- und Entlüftungsanlage gerichtete Klage gegen ihn eingebracht habe. Dieses Herausgabebegehren sei rechtskräftig abgewiesen worden. In der Geltendmachung des Aussonderungsanspruchs liege ein Rücktritt vom Vertrag. Die Klägerin habe daher ihr Wahlrecht konsumiert und könne nun nicht mehr die Feststellung der restlichen Entgeltforderung aus dem Vertrag begehren.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und gab dem Klagebegehren statt. Das Begehren auf Zahlung der Restschuld stehe zwar mit dem Herausgabebegehren in Widerspruch. Dennoch sei die gleichzeitige Erhebung beider Begehren als zulässig anzusehen. Dies sei gerechtfertigt, weil sich der Verkäufer durch die Erhebung der beiden einander ausschließenden Begehren nicht eindeutig erklärt habe. In der Anmeldung einer Konkursforderung sei wie in der Geltendmachung einer Aussonderung kein Verzicht auf den jeweils anderen Anspruch zu sehen. Weder liege in der Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts ein Vertragsrücktritt, noch werde ein solcher durch das klageabweisende Urteil im Aussonderungsverfahren bewirkt. Dies sei sachlich gerechtfertigt, weil die gegenteilige Ansicht zu ungerechtfertigten Härten gegenüber dem Vorbehaltsverkäufer führe. Denn dieser müsse sich in einem sehr frühen Stadium, in dem er die Erfolgsaussichten eines Prozesses noch nicht absehen könne, dafür entscheiden, ob er den strittigen Eigentumsvorbehalt mit einer Aussonderungsklage erkämpfen wolle und im Fall des Prozessverlusts leer ausginge, oder ob er sich „zähneknirschend" vorsichtshalber mit einer Ausgleichs- oder noch geringeren Konkursquote begnügen wolle.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge und änderte es im klageabweisenden Sinn ab. Ein erfolgreiches Begehren des Vorbehaltsverkäufers auf Herausgabe der in seinem Eigentum stehenden Sache setze den Rücktritt vom Vertrag voraus. Der Ausnahmefall der Vereinbarung einer Rücknahmeklausel liege hier nicht vor. Ohne Vereinbarung einer Rücknahmeklausel könne das Begehren des Vorbehaltsverkäufers auf Ausfolgung der in seinem Eigentum stehenden Sache nur ausnahmsweise dann nicht als Rücktritt vom Vertrag verstanden werden, wenn der Verkäufer die Ausfolgung der Sache für den Käufer erkennbar nicht in der Absicht begehre, vom Vertrag zurückzutreten (etwa wenn er deren Verwertung zwecks Reduzierung der Kaufpreisforderung unter Wahrung der Interessen des Käufers beabsichtige). Einen derartigen Sachverhalt habe die Klägerin aber nicht behauptet. In der klageweisen Geltendmachung einer Forderung auf Vertragserfüllung im Ausgleichsverfahren liege nach der bisherigen Judikatur kein Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt. Im umgekehrten Fall sei dies anders zu beurteilen. Der Vorbehaltsverkäufer müsse sich für eine der beiden einander ausschließenden Möglichkeiten eindeutig entscheiden. Bringe der Vorbehaltsverkäufer als Gläubiger im Konkursverfahren eine Aussonderungsklage ein, so liege darin ein Vertragsrücktritt, der zur rückwirkenden Beseitigung des Vertrags führe, weshalb das Klagebegehren abzuweisen sei. Dem für den Aussonderungsgläubiger bestehenden Risiko des Prozessverlusts werde durch die Möglichkeit der Ersatzaussonderung, aber auch durch die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüchen Rechnung getragen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Auswirkung der Einbringung einer Aussonderungsklage durch den Vorbehaltsverkäufer auf den als Konkursforderung angemeldeten Anspruch auf Vertragserfüllung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

römisch eins. Eine ausdrückliche Erklärung des Rücktritts vom Vertrag durch die Klägerin wurde hier weder behauptet, noch festgestellt. Zu prüfen ist daher, ob in der klageweisen Geltendmachung des Aussonderungsanspruchs eine solche Rücktrittserklärung gelegen ist.

römisch II. Das Berufungsgericht gibt zutreffend die Rechtsprechung wieder, wonach ein erfolgreiches Begehren des Vorbehaltsverkäufers auf Herausgabe der in seinem Eigentum stehenden Sache (vom hier nicht vorliegenden Fall einer Rücknahmeklausel abgesehen) den Rücktritt vom Vertrag voraussetzt vergleiche nur 3 Ob 84/05g mwH). Ebenso trifft es zu, dass die Rückforderung einer Sache „im Zweifel" als Rücktritt vom Vertrag anzusehen ist (RIS-Justiz RS0020714; Aicher in Rummel, ABGB³ Paragraph 1063, Rz 52). Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass in der Einbringung der Herausgabeklage in jedem Fall die Ausübung des Rücktrittsrechts liegen muss vergleiche Aicher aaO Paragraph 1063, Rz 52, der ausführt, dass die Rückforderung dann nicht als Rücktritt vom Vertrag zu deuten ist, wenn der Verkäufer zu erkennen gibt, dass er die Sache zurückhaben will, ohne den Vertrag aufzulösen). Dies kann, muss aber nicht der Fall sein und ist nach den Umständen des konkreten Falls zu beurteilen.

römisch III. Der Oberste Gerichtshof hat in seinen Entscheidungen 8 Ob 184/00t und 1 Ob 535/88 die Auffassung vertreten, dass zwar das Begehren auf Zahlung der Restschuld und das Herausgabe- bzw Aussonderungsbegehren, das den Rücktritt vom Vertrag voraussetzt, miteinander in Widerspruch stehen, dass aber die gleichzeitige Erhebung der beiden einander ausschließenden Ansprüche dennoch zulässig sei. Dies hat er damit gerechtfertigt, dass sich der Verkäufer durch die Erhebung der beiden einander ausschließenden Ansprüche nicht eindeutig erklärt hat. Im Konkursfall komme die Anmeldung des offenen Kaufpreisrestes und die gleichzeitige Geltendmachung des Aussonderungsanspruchs häufig vor. Die Anmeldung einer Konkursforderung stelle keinen Verzicht auf die Aussonderung dar, und umgekehrt hindere ein Anspruch, der als Aussonderungsanspruch geltend gemacht wird nicht, gleichzeitig die Kaufpreisforderung eventuell als Konkursforderung anzumelden. Die gegenteilige Ansicht würde zu für den Vorbehaltsverkäufer nicht gerechtfertigten Härten führen.

römisch IV. Die Auffassung des Berufungsgerichts, diese Überlegungen könnten nicht mehr zum Tragen kommen, wenn die Geltendmachung des Aussonderungsrechts und die Geltendmachung der Kaufpreisforderung wie im konkreten Fall durch Klage erfolge, entbehrt einer rechtfertigenden Grundlage. Vielmehr ist auch in diesem Fall unter Beachtung der in den zitierten Entscheidungen angestellten Überlegungen zu prüfen, ob unter den konkret im Einzelfall gegebenen Umständen im Begehren auf Herausgabe der Vorbehaltssache eine schlüssige Rücktrittserklärung liegt. Dies ist nach § 863 ABGB zu beurteilen.

Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vor allem aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Die Handlung - hier die Einbringung der Aussonderungsklage - muss nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt (1 Ob 2297/96t; Apathy in SchwimannABGB³ Paragraph 863, Rz 12 mwN; RIS-Justiz RS0013947; RS0014150). Paragraph 863, ABGB legt also für die Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf die Beurteilung eines rechtsgeschäftlichen Willens einen strengen Maßstab an (RIS-Justiz RS0014146; RS0014157).

römisch fünf. Auch im konkreten Fall ist auf dieser Grundlage davon auszugehen, dass in der Einbringung der Aussonderungsklage nicht die Erklärung des Rücktritts vom Vertrag zu sehen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die vorliegende Klage auf Feststellung der Konkursforderung - daher auf Erfüllung des Vertrags gerichtet - am 28. 4. 2005 eingebracht wurde, während die Aussonderungsklage zeitnahe, aber erst danach, nämlich am 9. 6. 2005 eingebracht wurde. Schon damit hat sich die Klägerin entgegen der Notwendigkeit, sich für eine der beiden genannten, einander ausschließenden Möglichkeiten zu entscheiden, gerade nicht eindeutig erklärt, ob sie den Vertrag aufrechterhalten oder von ihm zurücktreten will (1 Ob 535/88; 8 Ob 184/00t). Dies mag zur Folge haben, dass mangels Vereinbarung einer Rücknahmeklausel das Rückforderungsbegehren unschlüssig ist und erfolglos bleiben müsste (SZ 58/39) - in der Tat war die konkrete Aussonderungsklage (wenn auch schon aus anderen Gründen) letztlich erfolglos, ändert aber nichts daran, dass es nicht möglich ist, ohne „vernünftigen Grund, daran zu zweifeln" (Paragraph 863, ABGB) von einem Vertragsrücktritt auszugehen.

Der Revision war daher Folge zu geben und, weil die Forderung der Klägerin im Übrigen vom Masseverwalter nicht substantiiert bestritten wurde, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

römisch VI. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E93295

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00094.09W.0218.000

Im RIS seit

28.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2011

Dokumentnummer

JJT_20100218_OGH0002_0080OB00094_09W0000_000

Navigation im Suchergebnis