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Entscheidungstext 6Ob112/04w

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

RZ 2005,44 EÜ7 - RZ 2005 EÜ7

Geschäftszahl

6Ob112/04w

Entscheidungsdatum

23.09.2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Kärnten, vertreten durch Mag. Gerhard Lesjak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Robert B*****, unbekannten Aufenthalts, vertreten durch den Abwesenheitskurator Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt, 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1a/VII, wegen Abgabe einer Willenserklärung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2004, GZ 4 R 241/03y-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. September 2003, GZ 24 Cg 214/02f-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Die Entscheidung über den Antrag des für den Beklagten bestellten Kurators auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte wurde vom 5. 8. bis 12. 9. 2001 im Krankenhaus Klagenfurt stationär behandelt. Er hatte damals seinen Hauptwohnsitz in Kärnten. Jetzt ist er unbekannten Aufenthalts. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 6. 5. 2002 wurde ihm Krankenhilfe durch Übernahme der für diese stationäre Behandlung entstandenen Pflegegebührenrestkosten von 15.857,58 EUR gewährt. Der Beklagte ist zu einem Achtel Miteigentümer einer Liegenschaft. Mit Schreiben vom 24. 6. und 12. 9. 2002 forderte ihn das Amt der Kärntner Landesregierung vergeblich auf, zur Sicherstellung der ersatzfähigen Sozialhilfeleistungen von 14.271,82 EUR eine Pfandbestellungsurkunde zu unterfertigen. Diese Aufforderung wurde mit dem Hinweis auf Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG (Kärntner Sozialhilfegesetz 1996) begründet, welcher lautet: "Hat ein Hilfsbedürftiger Vermögen, dessen Verwertung ihm nicht zumutbar oder vorerst nicht möglich ist, können Hilfeleistungen von der Sicherstellung eines Ersatzanspruchs abhängig gemacht werden".

Mit am 6. 11. 2002 eingebrachter Klage begehrte das Land Kärnten, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung eines Pfandrechts für das Land auf seinem Liegenschaftsanteil durch Unterschrift der mit der Klage vorgelegten Pfandbestellungsurkunde einzuwilligen. Der Beklagte sei während seines Krankenhausaufenthalts in keinem sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis gestanden und habe kein Vermögen gehabt, das zur Deckung der Kosten des Krankenhausaufenthalts herangezogen hätte werden können. Er sei deshalb hilfebedürftig im Sinn des K-SHG gewesen. Der Sozialhilfeträger habe daher an den Träger des Krankenhauses einen Kostenersatz von 14.271,82 EUR geleistet. Amtswegige Erhebungen hätten nun ergeben, dass der Beklagte Miteigentümer einer Liegenschaft sei. Die klagende Partei sei gemäß Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG verpflichtet, die für den Beklagten aufgewendeten Sozialhilfeleistungen grundbücherlich sicherstellen zu lassen. Der Beklagte sei der mehrmaligen Aufforderung zur Unterfertigung einer entsprechenden Pfandbestellungsurkunde nicht nachgekommen.

Der für den Beklagten bestellte Abwesenheitskurator beantragte namens des Beklagten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Sicherstellung des Ersatzanspruchs gemäß Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG könne, wie sich aus dieser Bestimmung ergebe, nach bereits erbrachter Sozialhilfeleistung nicht verlangt werden. Die klagende Partei habe zudem kein ordnungsgemäßes Angebot zur Bestellung eines Pfandrechts unterbreitet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG sei infolge Größenschlusses dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Sicherstellung des Ersatzanspruchs umso mehr bei bereits geleisteter Hilfe gelten müsse, insbesondere wenn bei dringendem Hilfebedarf im Fall der Krankenhilfe gemäß Paragraph 10, Litera d, K-SHG eine Kostenersatzpflicht gegenüber demjenigen, der die Hilfe geleistet habe, nach Paragraph 45, K-SHG bestehe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinn einer Klageabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG gewähre dem Sozialhilfeträger keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Sicherstellung seines Ersatzanspruchs, und zwar weder für erst zu erbringende noch für schon erbrachte Hilfeleistungen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut sei der Sozialhilfeträger vielmehr nur berechtigt, dem Hilfsbedürftigen Sozialhilfe nur unter der Voraussetzung, dass dieser der Sicherstellung des Ersatzanspruchs zustimme, zu gewähren. Habe der Sozialhilfeträger hingegen dem Hilfsbedürftigen Sozialhilfe ohne vorherige Sicherstellung seines Ersatzanspruchs schon gewährt, könne er ausschließlich Ersatzansprüche nach dem 7. Abschnitt des K-SHG erheben. Der Empfänger der Sozialhilfe sei nach Paragraph 42, Absatz eins, K-SHG demnach zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet. Ein Anspruch des Sozialhilfeträgers auf bloße Sicherstellung der Kosten schon erbrachter Sozialhilfeleistungen ihm gegenüber bestehe nach dem Gesetz nicht, und zwar auch nicht im Fall des Paragraph 45, K-SHG, wenn der Sozialhilfeträger, wie hier, einem Dritten die Kosten der Sozialhilfe ersetzt habe. Eine analoge Anwendung des Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG auf bereits geleistete Sozialhilfe komme nicht in Betracht, weil eine planwidrige Gesetzeslücke nicht zu erkennen sei und die genannte Gesetzesstelle auch für den ausdrücklich geregelten Fall der Sicherstellung des Ersatzanspruchs für erst zu erbringende Leistungen keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch vorsehe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zur Frage fehle, ob das Kärntner Sozialhilfegesetz dem Sozialhilfeträger einen klagbaren Anspruch auf Sicherstellung seines Anspruchs auf Ersatz schon erbrachter Sozialhilfeleistungen gewähre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Nach dem oben wiedergegebenen Wortlaut des Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG 1996 ist eine Sicherstellung des Ersatzanspruchs des Sozialhilfeträgers gegen den Hilfsbedürftigen nur möglich, wenn die Hilfeleistung noch nicht gewährt wurde, kann doch andernfalls die Hilfeleistung nicht mehr von einer Sicherstellung "abhängig gemacht" werden. Ist die Sozialhilfe bereits geleistet, ist deren Empfänger auch nicht mehr "hilfsbedürftig". Paragraph 6, K-SHG ist im zweiten Abschnitt dieses Gesetzes ("Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs") enthalten. Die Regelungen über die Rückersatzansprüche bei Gewährung von Sozialhilfe finden sich im 7. Abschnitt ("Kostenersatz"). Paragraph 42, Absatz eins, K-SHG lautet: "Der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt oder wenn nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde". Diese Bestimmung sieht somit bei bereits geleisteter Hilfe eine Kostenersatzpflicht bei "hinreichendem" Einkommen oder Vermögen vor. Paragraph 45, Absatz eins, K-SHG lautet: "Musste einem Hilfsbedürftigen so dringend eine der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs entsprechende Hilfe gewährt werden, dass die Behörde nicht vorher benachrichtigt werden konnte, so sind demjenigen, der die Hilfe geleistet hat, die Kosten zu ersetzen." Demnach besteht eine Kostenersatzpflicht des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der Krankenanstalt, wenn diese einem Hilfsbedürftigen die in Paragraph 10, Litera d, K-SHG genannten Leistungen (Untersuchung, Behandlung, Unterbringung und Pflege) gewährt, ohne dass (wegen der Dringlichkeit) zunächst der Sozialhilfeträger über die geplanten Leistungen informiert werden kann. Eine Regelung dahin, dass derjenige, dem Sozialhilfe bereits gewährt wurde, bei Hervorkommen von Vermögen, dessen Verwertung "ihm nicht zumutbar oder zunächst nicht möglich" ist, nach Leistungserbringung zur Sicherstellung des Ersatzanspruchs verpflichtet ist, ist auch für diesen Fall im Gesetz nicht vorgesehen.

Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus, das heißt, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf. Es muss also eine planwidrige Unvollständigkeit, eine nicht gewollte Lücke vorliegen (RIS-Justiz RS0098756). Eine Lücke im Rechtssinn ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und seinem immanenten Zweck unvollständig und daher ergänzungsbedürftig ist, ohne dass die Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Hat der Gesetzgeber eine bestimmte Rechtsfolge zu einem bestimmten Sachverhalt bewusst nicht angeordnet, fehlt es an einer Gesetzeslücke. Dass eine Regelung wünschenswert wäre, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Gesetzeslücke (RIS-Justiz RS0008866).

Aus den zitierten Bestimmungen des K-SHG folgt zwar, dass bei einer keinen Aufschub duldenden Hilfeleistung durch Dritte (einer Krankenanstalt) der Träger der Sozialhilfe gar nicht die Wahl hat, die Gewährung der Sozialhilfe im Sinn des Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG von der Sicherstellung eines Ersatzanspruchs abhängig zu machen. Daraus ist aber noch nicht eine planwidrige, durch Analogie zu schließende Lücke dahin abzuleiten, dass der Sozialhilfeträger zumindest in diesem Fall nachträglich eine Sicherstellung des Ersatzanspruchs gegen den Hilfeempfänger auf hervorkommendes Vermögen durchsetzen könnte. Der Schluss auf ein unabsichtliches Unterbleiben einer entsprechenden Regelung ist vor allem aufgrund der Erwägung verwehrt, dass dann auch der Hilfeempfänger keine Wahl hätte, eingedenk der Verpflichtung zur Sicherstellung des Ersatzanspruchs auf seinem Vermögen von vornherein auf die Hilfeleistung zu verzichten. Derjenige, der Sozialhilfeleistungen in Anspruch nimmt, obwohl er "hinreichendes" Einkommen oder Vermögen hat oder zu solchem gelangt, muss zwar damit rechnen, dass er bei Bekanntwerden oder Eintritt dieser Tatsache auf Rückersatz belangt wird, wobei hiezu auch sein Vermögen herangezogen werden kann. Für diesen Fall ist aber ohnehin die Anspruchsdurchsetzung im Zivilrechtsweg vorgesehen (Paragraph 44, Absatz 5, K-SHG). Auf diesem Weg kann daher auch etwa die Eintragung eines (Zwangs-)Pfandrechts auf einer Liegenschaft des Hilfeempfängers erreicht werden. Allerdings muss das Vermögen "hinreichend" sein (Paragraph 42, Absatz eins, K-SHG). Insoweit bestimmt Paragraph 6, Absatz eins, K-SHG, dass die eigenen Mittel, wozu das gesamte verwertbare Vermögen und Einkommen des Hilfsbedürftigen gehören, bei der Gewährung der Sozialhilfe insoweit berücksichtigt werden dürfen, als dies mit dem Sinn der Sozialhilfe vereinbar ist oder für den Hilfsbedürftigen oder dessen Familienangehörige keine besondere Härte bedeuten würde. Die (bloße) Sicherstellung ist an geringere - bzw für den Hilfebedürftigen strengere - Voraussetzungen geknüpft. Es genügt bereits das Vorhandensein von Vermögen, auch und gerade wenn dem Hilfsbedürftigen dessen Verwertung nicht zumutbar oder vorerst nicht möglich ist. Zudem unterliegen Ersatzansprüche, die gemäß Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG sichergestellt sind, gemäß Paragraph 44, Absatz eins, letzter Satz K-SHG nicht der Verjährung. Die Sicherstellung ist aber - im Unterschied zum gerichtlich durchsetzbaren Rückersatzanspruch - bei hinreichendem Vermögen oder Einkommen des Sozialhilfeempfängers - nur mit Zustimmung des Hilfebedürftigen möglich, der vor Gewährung der Hilfe vor die Wahl zu stellen ist, diese Hilfe anzunehmen und Sicherstellung für den Rückersatz zu leisten oder überhaupt auf die Hilfe zu verzichten. Das Fehlen einer Möglichkeit für den Sozialhilfeträger, im Nachhinein auch zwangsweise eine Sicherstellung durchsetzen zu können, wenn die Voraussetzungen für die gerichtliche Durchsetzung des Rückersatzanspruchs (derzeit) mangels "hinreichenden" Vermögens nicht vorliegen, ist zwar für den Sozialhilfeträger insoweit nachteilig, als er deshalb unter Umständen die Verjährung infolge Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist für Ersatzansprüche nicht verhindern kann vergleiche Paragraph 44, Absatz eins, K-SHG). Dennoch kann der Regelung des Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG entnommen werden, dass es dem Hilfsbedürftigen freistehen soll, auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu verzichten, wenn er sein Vermögen nicht mit einer Sicherstellung für womöglich immerwährende Zeit belasten will.

Bei nachträglich hervorkommendem Vermögen, bei dessen Kenntnis die Sozialhilfe von vornherein nicht gewährt worden wäre, ist ohnehin die gerichtliche Durchsetzung des Ersatzanspruchs möglich. Die wesentliche Konsequenz der Sicherstellung besteht daher darin, dass allfällige Ersatzansprüche des Sozialhilfeträgers gegen den Hilfeempfänger nicht der Verjährung unterliegen (SZ 71/15 = SSV-NF 12/22). Die Einräumung einer Sicherheit bewirkt somit in erster Linie einen Verjährungsverzicht des Hilfebedürftigen. Ein solcher kann aber auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur aufgrund rechtsgeschäftlicher Erklärung und nicht zwangsweise erwirkt werden.

Es kann daher dem Landesgesetzgeber nicht unterstellt werden, bloß aus Versehen keine dem Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG entsprechende Regelung, die eine zwangsweise (gerichtliche) Durchsetzung einer Sicherheitsleistung nach erfolgter Hilfeleistung vorsieht, geschaffen zu haben. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung und mangels Analogiefähigkeit des Paragraph 6, Absatz 2, K-SHG auf einen solchen Fall ist das Begehren der klagenden Partei auf Einwilligung des Beklagten zur Bestellung einer Sicherheit unberechtigt. Das zutreffende klageabweisende Urteil des Berufungsgerichts ist daher zu bestätigen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß Paragraphen 40, und 50 Absatz eins, ZPO selbst zu tragen.

Zur Entscheidung über die Kosten des Kurators des Beklagten für die Revisionsbeantwortung ist der Oberste Gerichtshof funktionell unzuständig. Die Kosten sind durch das bestellende Gericht (hier durch das Erstgericht) zu bestimmen (RIS-Justiz RS0035322).

Textnummer

E74787

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:0060OB00112.04W.0923.000

Im RIS seit

23.10.2004

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2012

Dokumentnummer

JJT_20040923_OGH0002_0060OB00112_04W0000_000

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