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Entscheidungstext 6Ob521/92

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

6Ob521/92

Entscheidungsdatum

25.06.1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna L*****, vertreten durch Dr.Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel,wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Wolfgang Mayr und Dr.Johann Eder, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Räumung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22.November 1991, GZ 3a R 548/91-15, womit aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 2.September 1991, GZ 2 C 1028/91t-8, aufgehoben und der Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei mietete von der Klägerin in deren Haus in Wörgl mit Mietvertrag vom 24.April 1990 die gesamten ebenerdingen Geschäftsräumlichkeiten sowie einen Büroraum im ersten Stock zu einem monatlichen Mietzins von 60.500 S incl. Umsatzsteuer. Punkt römisch IX. des Mietvertrages lautet: "Die Aufrechnung allfälliger Gegenforderungen gegen den Mietzins ist unzulässig."

Die Klägerin begehrte die Räumung des Bestandobjektes mit der Behauptung, die beklagte Partei habe von Mai bis einschließlich August 1991 keinen Mietzins mehr bezahlt, was die (gleichzeitig erklärte) Aufhebung des Mietvertrages rechtfertige.

Die beklagte Partei stellte die Höhe des Mietzinsrückstandes mit 242.000 S außer Streit (ON 5 AS 23), erklärt jedoch, eine Darlehensforderung von 423.037 S gegen die gegenwärtig und künftig offenen Mietzinsforderungen der Klägerin bis zur Höhe der Darlehensforderung aufzuurechnen. Das Kompensationsverbot sei aus im einzelnen dargestellten Gründen wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Bei einer Aussprache mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der beklagten Partei Anfang Juli 1991 habe sich die Klägerin angesichts der wirtschaftlichen Situation der beklagten Partei mit der Verrechnung grundsätzlich einverstanden erklärt.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.August 1991 stellte die beklagte Partei einen Zwischenfeststellungsantrag des Inhaltes, die beklagte Partei sei berechtigt, gegen die Mietzinsforderung der klagenden Partei mit ihrer Darlehensforderung von 423.037 S aufzurechnen, in eventu, für die Dauer eigener existenzbedrohender wirtschaftlicher Schwierigkeiten und/oder der Zahlungsunfähigkeit der klagenden Partei hinsichtlich dieses Darlehensbetrages.

Das Erstgericht hat am 2.September 1991 a) mit Beschluß ON 7 gemäß Paragraph 33, Absatz 2, MRG den Mietzinsrückstand der beklagten Partei mit 242.000 S festgestellt und b) mit Zwischenurteil ON 8 den Zwischenantrag inhaltlich abgewiesen. Nach den gleichlautenden Gründen beider Entscheidungen sei das Aufrechnungsverbot im Mietvertrag seinerzeit offensichtlich deshalb insbesondere von der Klägerin gewollt gewesen, weil sie die monatlichen Mietzinszahlungen für die Rückzahlung von Bankschulden benötigt habe und deshalb die nunmehr (von der beklagten Partei) gewollte Gegenverrechnung bewußt habe ausschalten wollen. Eine Aufhebung dieser Bestimmung hätte die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin zur Folge, was mit Punkt römisch IX. des Vertrages ausgeschlossen hätte werden sollen.

Das Berufungsgericht änderte das Zwischenurteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Zwischenantrag auf Feststellung zurückwies, weil die erforderliche und zuerst vorhanden gewesenen Präjudizialiät wegen des rechtskräftigen gewordenen erstgerichtlichen Beschlusses ON 7 nun weggefallen sei. Dieser Beschluß sei eine Zwischenentscheidung, die innerprozessuale Bindungswirkung in der Weise entfalte, daß sie für die Beurteilung der Vertragsaufhebung und ihrer Voraussetzungen zugrunde gelegt werden müsse. Es müsse davon ausgegangen werden, daß der als Grundlage der Aufhebungserklärung herangezogene Mietzinsrückstand die festgestellte Höhe aufgewiesen habe. Der Schuldtilgungseinwand der beklagten Partei durch (außergerichtliche) Aufhebung, die bei der, der erstinstanzlichen Beschlußfassung unmittelbar vorangehenden Tagsatzung nach der Erklärung der beklagten Partei (On 4 AS 15) bereits abgeschlossen gewesen sei, könne in dem über das Klagebegehren noch durchzuführenden Verfahren erster Instanz nicht mehr beachtet werden. Das Erstgericht habe mit diesem Beschluß nicht nur die Höhe des Mietzinsrückstandes festgestellt, sondern implicit auch über den Grund dieses Anspruches abgesprochen, somit festgestellt, daß die beklagte Partei zur Aufrechnung mit den von ihr behaupteten Gegenforderungen nicht berechtigt sei. Damit sei aber über die Vorfragen des Mietzinsrückstandes und der Aufrechnungsberechtigung der beklagten Partei für das Räumungsbegehren bindend abgesprochen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der - neben einem gegenüber dem Rekurs nachgereihten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Rekurserhebung gegen den Beschluß ON 7 - erhobene Rekurs der beklagten Partei ist in analoger Anwendung des Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO unabhängig vom Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iS der Paragraphen 502, Absatz eins,, 528 Absatz eins, ZPO zulässig (NRsp 1991/60; 4 Ob 529, 1550/91, 4 Ob 505/91 ua; Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989 in ÖJZ 1989, 743 ff, 750). Dementsprechend bewertete die zweite Instanz das von der Klägerin nicht bewertete Räumungsbegehren und den von der beklagten Partei nicht bewerteten Zwischenantrag auf Feststellung zutreffend nicht.

Der Rekurs ist im Ergebnis gerechtfertigt.

Der entgegen dem Rekursvorbringen einem Antrag der Klägerin entsprechende (ON 5 AS 25) und formell rechtskräftige Beschluß des Erstrichters nach Paragraph 33, Absatz 2, MRG (früher Paragraph 21, Absatz 2, MG) On 7 sprach über die Vorfrage des strittigen Mietzinsrückstandes der beklagten Partei für das vorliegende Räumungsbegehren mit bindender Wirkung (JBl 1991, 321; WoBl 1991, 142; MietSlg 33.409 ua; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 30 zu Paragraph 33, MRG) ab. Ein solcher Beschluß ist entgegen dem Rekursvortrag auch zu fassen, wenn der Rückstand bloß - wie hier - dem Grunde nach strittig ist (JBl 1991, 321; WoBl 1989, 73 = MietSlg 40.479; SZ 42/128 = MietSlg 21.624 ua; Würth-Zingher, aaO; Würth in Rummel, Rz 7 zu Paragraph 33, MRG) und befaßte sich vorliegend gerade mit dem wegen der behaupteten Schuldtilgung durch Aufrechnung strittigen Grund des Mietzinsrückstands. Gemäß Paragraphen 236, Absatz eins,, 259 Absatz 2, ZPO kann auch vom Beklagten ein Zwischenantrag auf Feststellung - dessen Aufgabe sich weitestgehend einer Widerklage auf Feststellung des Nichtbestehens des präjudiziellen Rechtsverhältnisses (4 Ob 529, 1550/91; 2 Ob 127/88; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1076) nähert - gestellt werden, wenn ein Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teile abhängt (Fasching römisch III 133), im Laufe des Prozesses streitig geworden ist. Zu den auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu prüfenden (RZ 1989/55, MietSlg 37.750; SZ 46/68 ua) Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung gehört unter anderem, daß das Bestehen oder Nichtbestehen des strittigen Rechts oder Rechtsverhältnisses für die zu fällende Entscheidung präjudiziell ist, also eine Vorfrage (bedingendes Rechtsverhältnis) für das Klagebegehren bildet (7 Ob 618/88; Fasching Lehrbuch2 Rz 1078). Für die Beurteilung der Präjudizialität ist die Lage im Zeitpunkt des Beschlusses der mündlichen Streitverhandlung über den Zwischenantrag maßgebend (7 Ob 618/88; Fasching Lehrbuch2 Rz 1083 unter Hinweis auf ZBl 1935/141). Nach der innerprozessualen Bindung der formell in Rechtskraft erwachsenen Zwischenentscheidung nach Paragraph 33, Absatz 2, MRG muß für die Beurteilung derVertragsaufhebung und ihrer Voraussetzungen zugrunde gelegt werden, daß im Zeitpunkt der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.August 1991, die der erstinstanzlichen Beschlußfassung nach Paragraph 33, Absatz 2, MRG unmittelbar voranging, der als Grundlage der Aufhebungserklärung herangezogene Rückstand die festgestellte Höhe aufwies.

Die Berechtigung des Räumungsbegehrens ist aber nicht nur davon abhängig, daß nicht nur die (denkbare) verspätete Zahlung - sofern sie ohne grobes Verschulden war - des außer Streit gestellten Mietzinsrückstandes erfolgt, sondern daß auch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz kein weiterer Rückstand aufläuft. Denn auch Mietzinsrückstände , die erst im Zuge des Räumungsbegehrens aufgelaufen sind, rechtfertigen das auf Paragraph 1118, ABGB gestützte Räumungsbegehren (MietSlg 37.185, 35.226 ua). Für die Frage eines solchen weiteren Mietzinsrückstandes ist aber das Vorliegen eines Schuldtilgungsgrundes durch Aufrechnung, die sich nach dem Vorbringen der beklagten Partei auch auf in der Zukunft fällig werdende monatliche Mietzinsbeträge bezog, damit präjudiziell.

Die Präjudizialität ist daher entgegen der Auffassung der zweiten Instanz im Laufe des Verfahrens durch den rechtskräftigen erstgerichtlichen Beschluß ON 7 nicht weggefallen. Die zweite Instanz muß sich daher mit der Berufung der beklagten Partei gegen das erstinstanzliche Zwischenurteil sachlich auseinandersetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E30075

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0060OB00521.92.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19920625_OGH0002_0060OB00521_9200000_000

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