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Entscheidungstext 10ObS30/92

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

10ObS30/92

Entscheidungsdatum

25.02.1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helmut H*****, Zimmerer, ***** vertreten durch Dr.Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (Landesstelle Graz), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Weitergewährung der Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.Oktober 1991, GZ 7 Rs 101/91-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23.Mai 1991, GZ 23 Cgs 23/91-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 11.7.1955 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Tischlers und übte diesen in den Jahren 1973 und 1974 aus. Von 1975 bis 1987 war er bei der V***** Gesellschaft mbH bzw deren Rechtsvorgänger als Zimmerer erwerbstätig. Am 23.10.1987 erlitt er einen Unfall, in dessen Folge ihm die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wegen dauernder Invalidität ab 1.12.1988 die Invaliditätspension gewährte.

Mit Bescheid vom 20.7.1989 wurde die Invaliditätspension mit Ablauf des Monates August 1989 gemäß Paragraph 99, ASVG entzogen, weil der Kläger nicht mehr invalid iS des Paragraph 255, ASVG sei.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das auf Weitergewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.1989 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger erlernte in den Jahren 1970 bis 1973 den Lehrberuf des Bau- und Möbeltischlers, welchen er bis 1974 ausübte. Nach Ableistung des Präsenzdienstes war der Kläger von 1975 bis 1989 bei der V***** in D***** beschäftigt, wo er in der rund 28 Personen umfassenden Zimmererabteilung als Zimmerer eingesetzt wurde. Im Zimmereibetrieb wurden ausschließlich jene Arbeiter eingesetzt, die den Lehrberuf des Zimmerers oder des Tischlers erlernt hatten. Bei seinem letzten Arbeitgeber war der Kläger mit Gerüst- und Schalungsarbeiten, dem Errichten von Bauhütten, dem Herstellen von großen Verpackungskisten sowie mit schweren Transport- und Hebearbeiten verschiedener Werkstücke befaßt. Er hatte auch wiederholt Holzbearbeitungsmaschinen zu bedienen, nämlich Abricht- und Dickenhobelmaschinen, Kreis- und Kappsägen, Maschinen zum Lochstemmen und Fräsen. Er hatte die einschlägigen Sicherheitsvorschriften bei der Bedienung der Holzbearbeitungsmaschinen zu beachten und Pläne zu lesen, so daß es ihm durchaus möglich war, die Planmaße schnell und exakt auf das jeweilige Werkstück zu übertragen. Im Zimmererberuf ist Leistung von körperlicher Schwerarbeit typisch. Für gelernte Tischler gibt es auch einen Arbeitsmarkt als Maschintischler in der industriellen Fertigung z.B. von Fenstern und Stiegen. Solche Tischler arbeiten üblicherweise im Sitzen, bedienen computergesteuerte Holzbearbeitungsmaschinen und brauchen nicht Lasten über 15 kg zu heben oder zu tragen. Die gute Intelligenz des Klägers ermöglicht ihm die Bedienung einer solchen Holzbearbeitungsmaschine. Er besitzt auch die Holzkenntnisse, die zur Bedienung dieser Maschinen erforderlich sind.

Zum Zeitpunkt der Gewährung der Invaliditätspension (Gewährungsgutachten vom 9.1.1989) bestand eine vordere Kreuzbandlockerung und deutliche Gangstörung. Die Verrichtung geregelter Arbeit war damals nicht zumutbar. Nunmehr ist der Schienbeinbruch knöchern fest verheilt. Dem Kläger sind leichte und mittelschwere geregelte Arbeiten überwiegend im Sitzen, für ein Drittel des Arbeitstages auch im Gehen und Stehen, auch in gebückter Haltung, im Freien und in geschlossenen Räumen unter Hebe- und Tragebelastung bis zu 15 kg, auch an Maschinen sowie unter hohem Zeitdruck zumutbar. Der Kläger kann bei guten Anforderungen an die praktische Intelligenz auch umgeschult werden. Lediglich völlig neue Kenntnisse in anderen Berufen kann er nicht mehr erlernen. Der Kläger ist nicht mehr in der Lage, als angelernter Zimmerer zu arbeiten. Er ist aber imstande, die Tätigkeiten des Maschintischlers in einem Industriebetrieb auszuüben. Ein Arbeitsmarkt für Maschintischler ist vorhanden:

Hiezu zählt der gesamte Bereich der industriellen Fenster- und Stiegenfertigung.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, im körperlichen Zustand des Klägers sei gegenüber dem Gewährungszeitpunkt eine wesentliche Änderung insofern eingetreten, als der Schienbeinbruch nun knöchern fest verheilt sei. Es stelle sich daher die Frage, welche bisherigen oder innerhalb der Berufsgruppe des Klägers liegenden Erwerbstätigkeiten er noch ausüben könne. Zimmermannsarbeit könne er wegen der Schwere dieser Arbeit nicht mehr leisten. Der Kläger habe als Zimmerer von 1974 bis 1987 aber Arbeiten verrichtet, zu deren Bewältigung er die als Tischler erlernten Kenntnisse und Fähigkeiten nachhaltig habe anwenden können. Aus den Berufsbildern der Ausbildungsvorschriften für Zimmerer und Tischler ergebe sich eine weitgehende Überschneidung der für jeden der beiden Berufe erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Tätigkeit des Klägers als Zimmerer stelle daher nur eine Erweiterung seines Tätigkeitsbereiches als Tischler dar. Er habe daher auch den erlernten Beruf eines Tischlers ausgeübt und müsse sich als solcher auf die leichtere Ersatztätigkeit eines Maschintischlers verweisen lassen, die seinem nunmehrigen Leistungskalkül entspreche. Invalidität liege nicht mehr vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Vor Eintritt der Invalidität habe der Kläger durch 12 Jahre Tätigkeiten eines Zimmerers verrichtet. Zu diesen sei er wegen der damit auch verbundenen schweren körperlichen Belastung nicht in der Lage. Auch Ersatztätigkeiten innerhalb des Berufes des Zimmermannes, die dem Leistungskalkül des Klägers noch entsprechen, könnten nicht genannt werden. Sei die in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG im Zeitraum 2.12.1973 bis 1.12.1988 (Beobachtungszeitraum), somit überwiegend verrichtete Tätigkeit des Klägers zugleich aber auch Ausübung des Tischlerberufes, so müßte sich der Kläger eine Verweisung innerhalb der Berufsgruppe der Tischler gefallen lassen und wäre dann etwa bei der hier jedenfalls in Betracht kommenden Verweisung auf die Tätigkeiten eines Maschintischlers, aber auch auf jene eines Kassetten-, Kisten-, Parketten-, Rahmen- sowie Kunst- und Antiquitätentischlers nicht invalid. Nach den Feststellungen habe der Kläger aber auch als Zimmerer wesentliche Teiltätigkeiten eines Tischlers verrichtet. Er habe dadurch nicht nur den Berufsschutz als Tischler erhalten, sondern sei umgekehrt auch gegenüber der Versichertengemeinschaft zur Ausübung dieses Berufes verpflichtet. In der Berufsgruppe der Tischler sei er aber auf die seinem Leistungskalkül noch entsprechende leichteren Tätigkeiten verweisbar, daher nicht invalid.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber führt im wesentlichen aus, daß zwischen den Lehrberufen des Tischlers und des Zimmerers keine Verwandtschaft bestehe. Darauf kommt es aber ebensowenig an wie auf die von den Vorinstanzen für wesentlich gehaltene Frage, ob die Ausübung des Zimmererberufes den Berufsschutz des Klägers als Tischler erhalten konnte. War nämlich der Versicherte überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig, gilt er nach Paragraph 255, Absatz eins, ASVG als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt hat (SSV-NF 4/143), ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, daß der Versicherte danach nur dann als invalid gilt, wenn seine Arbeitsfähigkeit nicht nur im zuletzt ausgeübten, sondern in jedem der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübten (erlernten) Berufe auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der sogenannte Berufsschutz eines überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen Tätigen bezieht sich daher nicht nur auf den in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend ausgeübten erlernten (angelernten) Beruf, sondern erstreckt sich auf alle während dieses Zeitraumes ausgeübten erlernten (angelernten) Berufe (so auch SSV-NF 5/65 mwN). Würde man der Meinung folgen, daß ein Versicherter nur in dem erlernten oder angelernten Beruf Berufsschutz genieße, den er während der letzten 15 Jahre überwiegend ausgeübt habe, dann wäre ein Versicherter, der während dieses Zeitraumes zwar in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate insgesamt überwiegend zwei oder mehrere erlernte oder angelernte Berufe ausgeübt hat, keinen von ihnen aber überwiegend, hinsichtlich keines Berufes geschützt. War also ein Versicherter während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in mehreren erlernten (angelernten) Berufen tätig, so ist er nur dann invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit in jedem dieser Berufe auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (SSV-NF 5/65).

Der Antrag auf Weitergewährung einer gemäß Paragraph 99, ASVG wegen Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Anspruchsberechtigten entzogenen Invaliditätspension ist nicht geeignet, einen neuen Stichtag iS des Paragraph 223, Absatz 2, ASVG auszulösen. In der zuletzt genannten Bestimmung bestehen Sonderregelungen lediglich für den Stichtag nach der Entziehung einer Leistung gemäß Paragraph 99, Absatz 3, Ziffer 2, bzw 3 ASVG, die hier nicht gegenständlich ist. Die Frage des Berufsschutzes ist daher auch bei einem Antrag auf Weitergewährung der entzogenen Invaliditätspension nach jenem Stichtag zu beurteilen, der der Gewährung der Invaliditätspension zugrunde lag, das ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, im Fall des Klägers der 1.12.1988. Solange der Kläger die Invaliditätspension bezog, übte er ja gar keinen Beruf iS des Paragraph 255, Absatz eins, ASVG aus. Eine andere Auslegung fände nicht nur im Gesetz keine Grundlage, sondern könnte auch dazu führen, daß bei längerem Bezug der Invaliditätspension ein ursprünglich gegebener Berufsschutz in vielen Fällen wegfallen würde, wobei dies der Versicherungsträger durch eine unbegründete Entziehung der Pension bewirken könnte. Der Meinung des Revisionswerbers, der Berufsschutz des Klägers sei nach dem Stichtag 1.9.1989 zu prüfen, ist daher verfehlt. Innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag 1.12.1988 hat aber der Kläger, wenn auch nur wenige Monate, den erlernten Beruf des Tischlers ausgeübt, was auch in der Revision nochmals ausdrücklich zugestanden wird. Da im übrigen nach dem festgestellten Sachverhalt kein Zweifel daran besteht, daß der Kläger als Tischler verweisbar ist, während er im Zeitpunkt der Gewährung der Pension völlig arbeitsunfähig war, sind die Voraussetzungen für die Entziehung der Invaliditätspension nach Paragraph 99, ASVG gegeben. Damit erübrigt sich aber nicht nur ein Eingehen auf die weiteren Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zur Qualifikation der vom Kläger als Zimmerer geleisteten Arbeiten, sondern auch ein weiteres Eingehen auf den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mit dem in Wahrheit der Rechtsrüge zuzuordnende Feststellungsmängel geltend gemacht werden.

Der Revision war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Anmerkung

E28448

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:010OBS00030.92.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19920225_OGH0002_010OBS00030_9200000_000

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