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Entscheidungstext 8Ob518/90

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

8Ob518/90

Entscheidungsdatum

18.01.1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois S***, Angestellter, 4600 Wels, Ing. Bachmannstraße 12, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei Friedrich H***, Inhaber einer Kfz-Werkstätte, 4631 Krenglbach, Schmiding 2, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 100.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2. Juni 1989, GZ 5 R 17/89-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 16. Dezember 1988, GZ 5 Cg 74/87-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ließ an seinem Wohnmobil in der Werkstätte des Beklagten eine Kupplungsreparatur durchführen und holte danach das Fahrzeug am 14.5.1986 wieder ab. Nach der anschließenden Zurücklegung einer Fahrstrecke von rund 500 m kam es im Fahrzeuginneren plötzlich zu einem Brand und das Fahrzeug brannte völlig aus.

Mit der Behauptung, der Brand sei durch die mangelhafte Verstauung eines zu einer Hobby-Batterie führenden Kabelstranges hervorgerufen worden, begehrt der Kläger Schadenersatz in der Höhe von S 143.827,-- s.A.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil anläßlich der Kupplungsreparatur im Bereiche der Hobby-Batterie keine Arbeiten durchgeführt worden seien und der Kläger den zu dieser Hobby-Batterie führenden Kabelstrang offenbar nicht ordnungsgemäß verwahrt und isoliert gehabt habe. Es treffe ihn daher zumindest ein überwiegendes Mitverschulden am Schadensereignis, zumal er die Leute des Beklagten auf diesen Kabelstrang auch nicht hingewiesen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Der Kläger hatte verschiedene Umbauten an seinem Wohnmobil durchgeführt und in dessen Aufenthaltsraum eine Hobby-Batterie untergebracht, welche ca. 50 cm von der in der Fahrerkabine vorhandenen Starterbatterie entfernt war. Im Zuge der Durchführung der Kupplungsreparatur klemmte der beim Beklagten als Kfz-Mechaniker beschäftigte Franz B*** die Starterbatterie ab, die sich unter einer Abdeckplatte befand. Dazu öffnete er diese Abdeckplatte mit einem Schraubenzieher. Sie hatte eine halbkreisförmige Ausnehmung, aus der der ca. 50 cm lange Kabelstrang von der im Unterbodenbereich befindlichen Starterbatterie zu der im Aufenthaltsraum befindlichen Hobbybatterie führte. Diese Hobbybatterie war "abgeklemmt", d.h. die Enden des Kabelstranges waren nicht mit ihr verbunden; sie waren aber zur Isolierung in Schaumstoff eingebettet. Nach Durchführung der Reparatur schloß B*** die Starterbatterie wieder an, startete den Motor und ließ ihn bis zur Betriebstemperatur laufen; danach führte der Sohn des Beklagten eine Probefahrt durch, bei der kein Defekt festzustellen war. Der nach Abholung des Fahrzeuges durch den Kläger entstandene Brand ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch eine Isolationszerstörung der Verbindungsleitung Autobatterie - Hobbybatterie entstanden. Die exakte Ursache der Isolationszerstörung am Kabelstrang konnte jedoch nicht ermittelt werden. Es ist auch nicht erwiesen, daß Leute des Beklagten im Zuge der Durchführung der Reparaturarbeiten eine Veränderung an der Verbindungsleitung Autobatterie - Hobbybatterie, die etwa einen Masseschluß der Leitung hervorrief, herbeiführten, zumal Kabelverlegungsarbeiten bei der gegenständlichen Reparatur nicht erforderlich waren.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, dem Kläger sei der Beweis einer für den Schaden ursächlichen, vom Beklagten zu vertretenden Sorgfaltsverletzung nicht gelungen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, sprach ihm einen Betrag von S 100.000,-- s.A. zu und wies das Mehrbegehren ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht hielt eine Behandlung der Beweisrüge des Klägers nicht für erforderlich und die in der Berufungsbeantwortung des Beklagten enthaltene Beweisrüge nicht für gerechtfertigt. Zur Rechtsrüge des Klägers führte es aus, dem Kläger sei hier der Beweis von Tatsachen gelungen, die eine Prima-facie-Schlußfolgerung auf die Ursächlichkeit eines Vorgehens des Kraftfahrzeugmechanikers B*** für die Isolationszerstörung zuließen. Da B*** die Batterieabdeckplatte, durch welche der Kabelstrang führte, mit einem Schraubenzieher geöffnet habe und solcherart mit der ganzen Anlage in Kontakt gekommen sei, erscheine es wahrscheinlich und typisch, daß dabei die Isolation des Kabelstranges zerstört worden sei. Dem stehe nicht entgegen, daß der Brand nicht schon bei der Probefahrt auftrat, da der Kläger nach Übernahme des Fahrzeuges bis zum Brand keinerlei Manipulationen vorgenommen habe. Ein Erschütterungsbeweis, also der Beweis von Tatsachen, die einen Schluß auf einen anderen Geschehensablauf, der zumindest gleich wahrscheinlich sei, zuließen, sei dem Beklagten auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen nicht gelungen. Somit sei ein vom Beklagten zu vertretendes Verhalten ursächlich für den Schaden. Aufgrund des bestehenden Vertragsverhältnisses hätte der Beklagte seine und seines Gehilfen Schuldlosigkeit beweisen müssen, doch sei ihm dies nicht gelungen, so daß er für den Schaden des Klägers hafte. Gemäß Paragraph 273, ZPO werde dieser Schaden mit insgesamt S 100.000,-- ausgemittelt und in diesem Umfang der Klage stattgegeben. In seiner auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles und subsidiär auf Urteilsaufhebung gerichteten Revision vertritt der Beklagte die Ansicht, ein bestimmter Geschehensablauf sei bei Durchführung von Reparatursarbeiten, insbesondere bei einer Kupplungsreparatur, nicht typisch. Es sei auf keinen Fall typisch und entspreche auch nicht dem gewöhnlichen Ablauf der Ereignisse, daß bei Durchführung einer Kupplungsreparatur eine Isolationszerstörung einer Verbindungsleitung

Autobatterie - Hobbybatterie erfolge, wodurch es zu einem Brand im Laderaum des Fahrzeuges kommen könne. Vor allem sei es auch nicht typisch, daß sich im Laderaum eines Fahrzeuges eine weitere Batterie befinde, die mit der Starterbatterie durch ein Verbindungskabel verbunden sei. Anläßlich der Reparatur seien jedenfalls nur die Arbeiten durchgeführt worden, die zur Vornahme dieser Reparatur an der Kupplung erforderlich gewesen seien. An der Verbindungsleitung zur Hobbybatterie sei von den Leuten des Beklagten nicht hantiert, der Kabelstrang also weder verlegt noch beseitigt worden, wie dies auch festgestellt worden sei. Ebenso stehe fest, daß eine Brandursache durch eine unsachgemäße Reparatur unwahrscheinlich erscheine. Demnach müsse davon ausgegangen werden, daß der Beweis für die Verursachung durch den Kläger nicht erbracht worden sei. Selbst mehrere Sachverständige hätten die Brandursache letztlich nicht klären können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages gerechtfertigt.

Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Frage, ob ein Prima-facie-Beweis zur Feststellung des Kausalzusammenhanges zulässig ist, weil es sich um einen Tatbestand mit typischem Geschehensablauf handelt, und ob somit eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast erfolgen kann, um eine Frage der Beweislast und damit eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die im Revisionsverfahren überprüfbar ist.

Der Beweis des ersten Anscheins beruht darauf, daß bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, daß auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (SZ 57/20; 1 Ob 1/88 ua.). Zum Wesen des Anscheinsbeweises gehört es, daß der Beweisbelastete nur bestimmte Tatsachen beweisen muß, aus denen sich nach der Lebenserfahrung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf andere Tatsachen schließen läßt, für die er die Beweislast trägt. Das Ergebnis dieser Schlußfolgerung kann vom Gegner dadurch erschüttert werden, daß dieser Tatsachen beweist, die einen Schluß auf einen ernstlich in Betracht zu ziehenden anderen Geschehensablauf zulassen. Das bloße Anzeigen anderer abstrakter Möglichkeiten reicht allerdings nicht aus (Reischauer in Rummel ABGB Rz 4 zu Paragraph 1296 und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung). Nach Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 894, ist der Anscheinsbeweis eine (auflösend bedingte) Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leichter erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht vergleiche JBl. 1988, 727). Die zu beweisende Tatsache muß sich also aus anderen feststehenden Tatsachen ergeben (Koziol Haftpflichtrecht2 römisch eins 324). Vorliegendenfalls obliegt es dem Kläger zu beweisen, daß ein Verhalten der Leute des Beklagten für die Entstehung des Brandes kausal war. Hiezu genügt es im Sinne des Prima-facie-Beweises, daß diese zu beweisende Tatsache aus anderen feststehenden Tatsachen nach der Lebenserfahrung zu erschließen ist.

Fest steht nun, daß sich die Starterbatterie des Wohnmobils des Klägers unter einer Abdeckplatte befand, durch eine Ausnehmung in dieser Abdeckplatte, also durch die Abdeckplatte hindurch, der - schließlich den Brand auslösende - Kabelstrang führte und der Mechaniker B*** die Abdeckplatte mittels eines Schraubenziehers öffnete, um die darunter versenkte Starterbatterie abklemmen zu können, und diesen Deckel nach der Reparatur und dem Wiederanbringen der Batterieklemmen wieder verschloß. Das Öffnen und Verschließen dieses Deckels war somit - ungeachtet des Umstandes, daß keine Kabelverlegungsarbeiten durchzuführen waren - notwendig mit einem Hantieren auch am Kabelstrang verbunden, weil dieser Kabelstrang ja durch den Deckel hindurchführte. Weiters steht fest, daß der gegenständliche Brand durch einen Masse- oder Kurzschluß des Kabelstranges entstand.

Nach der Lebenserfahrung stellt es einen typischen Geschehensablauf dar, daß durch das Hantieren an einem an seinen Enden nicht isolierten, unter Strom stehenden Kabelstrang ein Masse- oder Kurzschluß eintritt. Demgemäß lagen hier die Voraussetzungen für die Anwendung des Anscheinsbeweises durch das Berufungsgericht vor und seine Prima-facie-Schlußfolgerung, daß der infolge eines Masse- oder Kurzschlusses entstandene Brand durch den Mechaniker des Beklagten verursacht wurde, ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden. Eine Entkräftung des solcherart vom Kläger erbrachten Anscheinsbeweises durch den Beklagten ist nicht erfolgt. Er hat ein Vorbringen über eine ernsthafte andere Möglichkeit der Brandentstehung in erster Instanz überhaupt nicht erstattet. Die - nicht festgestellten - vom Sachverständigen lediglich aufgezählten theoretischen Möglichkeiten anderer Brandursachen (Kurzschluß durch herabfallendes Werkzeug, Vorhandensein einer durchgescheuerten Isolierung, siehe SV-Gutachten AS 66 f) sind keine erwiesenen Tatsachen.

Der vom Berufungsgericht zugrundegelegte Prima-facie-Beweis der Verursachung des Brandes durch Leute des Beklagten führt allein jedoch noch nicht zu dessen Schadenshaftung. Wohl trifft den Beklagten die Beweislastumkehr des Paragraph 1298, ABGB, so daß er den Mangel eines Verschuldens seiner Leute zu beweisen hat. Er hat hiezu jedoch vorgebracht und Beweisanbot erstellt, daß die Gefahrenlage nicht vorhersehbar gewesen sei und daß den Kläger zumindest ein überwiegendes Mitverschulden an der Herbeiführung der Gefahrenlage traf. Diese Einwendungen sind unerörtert geblieben. Im fortgesetzten Verfahren wird daher zur Beurteilung der Einwendungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären sein, a) ob ein Mechaniker vorhersehen kann, daß aus einer Lageveränderung eines für ihn wahrnehmbar von der Hauptbatterie wegführenden Kabelstranges, dessen Ende er nicht sieht, eine Gefahrenlage, insbesondere durch Kurz- oder Masseschluß, entsteht und daß er daher verpflichtet ist, sich vor Wiederanschluß dieses Kabelstranges an den Pluspol der Starterbatterie von der Lage des gesamten Kabelstranges zu überzeugen; b) ob die Isolierung des Kabelstranges durch Einbettung seiner Enden in Schaumstoff und die gegebene Fixierung grundsätzlich hinreichend waren und ob für den Kläger kein Anlaß bestand, hierauf besonders hinzuweisen, z.B., weil der Kabelstrang nach Entfernen der Abdeckplatte ohnehin "weggezogen werden mußte" (siehe AS 69 f), so daß er hinterher jedenfalls neu im Schaumstoff einzubetten war.

Der Revision war demnach Folge zu geben und nach Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E19818

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00518.9.0118.000

Dokumentnummer

JJT_19900118_OGH0002_0080OB00518_9000000_000

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