Justiz

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Rechtssatz für 12Os90/13x 11Os51/13d 1...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Rechtssatz

Rechtsgebiet

Strafrecht

Rechtssatznummer

RS0129286

Geschäftszahl

12Os90/13x; 11Os51/13d; 17Os25/14a; 12Os59/14i; 11Os26/14d; 11Os86/14b; 13Os25/14x; 11Os103/14b (11Os104/14z); 12Os100/16x (12Os101/16v)

Entscheidungsdatum

02.03.2017

Norm

StPO §55 B
StPO §126 Abs4 B
  1. StPO § 126 heute
  2. StPO § 126 gültig ab 14.08.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2015
  3. StPO § 126 gültig von 01.01.2015 bis 13.08.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2014
  4. StPO § 126 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 195/2013
  5. StPO § 126 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010
  6. StPO § 126 gültig von 01.06.2009 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2009
  7. StPO § 126 gültig von 01.01.2008 bis 31.05.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2007
  8. StPO § 126 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2004
  9. StPO § 126 gültig von 01.01.1994 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 526/1993
  10. StPO § 126 gültig von 31.12.1975 bis 31.12.1993

Rechtssatz

Wenn ein Sachverständiger bei einem sehr allgemeinen Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft mit nicht weiter determinierten Erhebungen zu einer Straftat, insbesondere ohne Nennung eines konkreten Beweisthemas beauftragt wird und das vorhandene, nicht ohne weiteres aussagekräftige Beweismaterial aufarbeitet und auf ein strafrechtliches Verdachtssubstrat hin untersucht, dann mutiert er von einem unabhängig agierenden Experten, der bei bestehender konkreter Verdachtslage zu einem Problemfeld mit Fachwissen Stellung nehmen soll, zu einem verlängerten Arm der Ermittlungsbehörden und damit funktional zu einem Organ der Ermittlungsbehörde. Je unbestimmter daher der Anfangsverdacht, je unkonkreter der Auftrag der Staatsanwaltschaft an den beigezogenen Experten, also je weniger der Beweiserhebungsauftrag den Kriterien des Paragraph 55, StPO entspricht, desto eher muss die darauf aufbauende Befundaufnahme inhaltlich als Ermittlungstätigkeit des beauftragten Gutachters gewertet werden. Insoweit wäre der solcherart eingesetzte Sachverständige mit einem „Anzeigegutachter“ vergleichbar. Wer in derselben Strafsache als Kriminalbeamter tätig war, darf nicht später als Staatsanwalt agieren und umgekehrt. Wer daher inhaltlich als Ermittlungsorgan gewirkt hat, darf darauf folgend nicht als Sachverständiger einschreiten; vielmehr bewirkt eine solche funktional als Ermittlungsorgan erfolgte Vorbefassung als Befangenheitsgrund. Auf dieser Basis besteht für das erkennende Gericht eine Pflicht, das im Ermittlungsverfahren durch einen von der Staatsanwaltschaft bestellten, nicht an die Grundsätze des Paragraph 55, StPO gebundenen, einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt erst ermittelnden Experten hervorgerufene prozessuale Ungleichgewicht durch die Bestellung eines neuen Sachverständigen für das Hauptverfahren auszutarieren und damit ein faires Verfahren zu sichern. Solcherart bestehen keine verfassungsmäßigen Bedenken gegen Paragraph 126, Absatz 4, letzter Satz StPO.

Entscheidungstexte

  • 12 Os 90/13x
    Entscheidungstext OGH 23.01.2014 12 Os 90/13x
  • 11 Os 51/13d
    Entscheidungstext OGH 11.03.2014 11 Os 51/13d
    Vgl auch
  • 17 Os 25/14a
    Entscheidungstext OGH 11.08.2014 17 Os 25/14a
    Vgl aber
  • 12 Os 59/14i
    Entscheidungstext OGH 28.08.2014 12 Os 59/14i
    Auch
  • 11 Os 26/14d
    Entscheidungstext OGH 16.09.2014 11 Os 26/14d
    Vgl aber; Beisatz: Antrag auf Aufhebung wegen Verfassungswidrigkeit jener Bestimmungen der StPO, die im Spannungsverhältnis zu Art 6 Abs 3 lit d zweiter Fall MRK stehen. (T1)
  • 11 Os 86/14b
    Entscheidungstext OGH 28.10.2014 11 Os 86/14b
    Vgl aber; Beis wie T1
  • 13 Os 25/14x
    Entscheidungstext OGH 05.06.2014 13 Os 25/14x
    Vgl auch; Beisatz: Einer aus der Prozessstellung der Staatsanwaltschaft als einerseits Leiterin des Ermittlungsverfahrens und andererseits Partei des Hauptverfahrens in der Literatur mitunter als gegeben erachteten Anscheinsproblematik wird durch die Rechte des Angeklagten, den Sachverständigen unter Beiziehung einer Person mit besonderem Fachwissen zu befragen (§ 249 Abs 3 erster Satz StPO) und unter den Voraussetzungen des § 127 Abs 3 erster Satz StPO die Bestellung eines weiteren Sachverständigen zu begehren, hinreichend begegnet. Die Sicht, dass § 126 Abs 4 letzter Satz StPO mit Art 6 Abs 3 lit d MRK vereinbar ist, wird in der Lehre geteilt.
    Auch der EGMR hat erst unlängst ausgesprochen, dass die vorliegende Verfahrenskonstellation (Bestellung eines Sachverständigen durch das Gericht, Möglichkeit der Befragung dieses Sachverständigen durch den Angeklagten und seinen Verteidiger unter Beiziehung eines Privatgutachters) im Einklang mit den Garantien des Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d MRK steht. (T2)
  • 11 Os 103/14b
    Entscheidungstext OGH 25.11.2014 11 Os 103/14b
    Gegenteilig; Beis wie T1
  • 12 Os 100/16x
    Entscheidungstext OGH 02.03.2017 12 Os 100/16x
    Auch

Schlagworte

verfassungskonforme Interpretation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2014:RS0129286

Im RIS seit

24.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2017

Dokumentnummer

JJR_20140123_OGH0002_0120OS00090_13X0000_002