Verfassungsgerichtshof (VfGH)

Rechtssatz für G41/2014 G170/2014 G177...

Entscheidungsart

Beschluss

Dokumenttyp

Rechtssatz

Geschäftszahl

G41/2014; G170/2014; G177/2014

Entscheidungsdatum

23.09.2014

Index

L1030 Gemeindestruktur

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Stmk GemeindestrukturreformG §3 Abs1 Z5
Stmk GdO 1967 §19, §23
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Unzulässigkeit des Individualantrags eines Bürgermeisters auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk GemeindestrukturreformG mangels Darlegung eines Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers

Rechtssatz

Zurückweisung des Individualantrags des Bürgermeisters der Gemeinde Ganz auf Aufhebung des §3 Abs1 Z5 Stmk GemeindestrukturreformG - StGsrG betr die Zusammenlegung der Gemeinden Ganz und Mürzzuschlag.

Das - sich aus dem passiven Wahlrecht ergebende - Recht auf Ausübung einer Funktion erstreckt sich auf den Schutz eines durch Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper, nicht aber auf den Schutz eines durch Wahl seitens eines solchen Vertretungskörpers empfangenen Mandates; daher sind lediglich Gemeinderatsmitglieder, nicht aber auch durch den Gemeinderat gewählte Bürgermeister - diese werden in der Steiermark ausschließlich vom Gemeinderat gewählt vergleiche §23 Stmk GdO 1967) - berechtigt, ein ihren Funktionsverlust bewirkendes Gesetz mit Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG zu bekämpfen. Gesetzliche Bestimmungen, die die Funktionsperiode eines vom Gemeinderat gewählten Bürgermeisters beenden, greifen daher nicht in seine Rechtssphäre ein.

Da gemäß §19 Stmk GdO 1967 der Bürgermeister nicht Mitglied des Gemeinderates sein muss, kommt ihm - anders als in VfSlg 9655/1983 - daher nicht "automatisch" ein Antragsrecht als Gemeinderat zu. Der Antragsteller hat daher keine Befugnis zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG betreffend das StGsrG bzw einzelne seiner Bestimmungen.

Soweit der Antragsteller als "Privatperson" die Aufhebung des ganzen StGsrG bzw von Teilen dieses Gesetzes begehrt, ist festzustellen, dass sich das StGsrG weder an "Privatpersonen" richtet noch in sonstiger Weise in ihre Rechtssphäre eingreift. "Privatpersonen" sind daher nicht Normadressaten des Gesetzes.

(Ebenso mit bloßem Verweis auf die vorliegende Entscheidung: G170/2014 betr Eisbach und G177/2014 betr St Marein bei Neumarkt, beide B v 08.10.2014).

Entscheidungstexte

  • G41/2014
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 23.09.2014 G41/2014
  • G170/2014
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 08.10.2014 G170/2014
  • G177/2014
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 08.10.2014 G177/2014

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Bürgermeister, Gemeinderecht Organe, Organ Organwalter, Wahlrecht passives, Gemeinderecht Zusammenlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G41.2014

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2014

Dokumentnummer

JFR_20140923_14G00041_01

Entscheidungstext G41/2014

Entscheidungsart

Beschluss

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Geschäftszahl

G41/2014

Entscheidungsdatum

23.09.2014

Index

L1030 Gemeindestruktur

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Stmk GemeindestrukturreformG §3 Abs1 Z5
Stmk GdO 1967 §19, §23
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Unzulässigkeit des Individualantrags eines Bürgermeisters auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk GemeindestrukturreformG mangels Darlegung eines Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

römisch eins. Antrag und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG begehrt der Bürgermeister der Gemeinde Ganz "als Privatperson[…] sowie in seiner Funktion als Bürgermeister und Repräsentant der Bewohner der Gemeinde Ganz" die Aufhebung des Steiermärkischen Gemeindestrukturreformgesetzes – StGsrG, Landesgesetzblatt 31 aus 2014, (berichtigt durch Landesgesetzblatt 36 aus 2014,), in seinem gesamten Inhalt, in eventu §3 Abs1 Z5 StGsrG, und zwar die Wortfolge "Die Stadtgemeinde Mürzzuschlag mit der Gemeinde Ganz zur Stadtgemeinde Mürzzuschlag", als verfassungswidrig aufzuheben.

Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, dass das StGsrG unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreife. Mit Inkrafttreten des Gesetzes werde er seine Position als Bürgermeister verlieren, ihm werde folglich das Recht entzogen, 'seine' Gemeinde gem. Art116 B-VG selbst zu verwalten". Das StGsrG werde ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam. Auch sei er durch das StGsrG aktuell betroffen; die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes könne nicht auf anderem Weg geltend gemacht werden.

2. Die Stmk. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages beantragt wird. Zur Antragslegitimation führt die Stmk. Landesregierung aus, dass der Antragsteller die aktuelle Betroffenheit und das Fehlen eines zumutbaren anderen Weges lediglich behauptet, jedoch nicht näher konkretisiert habe, weshalb der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen sei.

römisch II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des StGsrG, Landesgesetzblatt 31 aus 2014, (berichtigt durch Landesgesetzblatt 36 aus 2014,), lauten:

"§1

Ziele der Strukturreform

(1) Ziel der Reform der gemeindlichen Strukturen im Land Steiermark ist die Stärkung der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur sachgerechten und qualitätsvollen Erfüllung der eigenen und übertragenen Aufgaben und Funktionen zum Wohle der Bevölkerung. Die Strukturreform soll wirtschaftliche und leistungsfähige Gemeinden schaffen, die dauerhaft in der Lage sind, ihre Angelegenheiten ohne Haushaltsabgang zu erfüllen. Die Leistungsfähigkeit der gemeindlichen Ebene soll gestärkt und langfristig gesichert werden, um insbesondere die gemeindliche Infrastruktur effizient zu nutzen, die Grundversorgung der Bevölkerung mit privaten und öffentlichen Dienstleistungen im jeweiligen Gemeindegebiet abzudecken und der demografischen Entwicklung gerecht zu werden.

[…]

§2

Umsetzung der Strukturreform

Die in §1 genannten Ziele werden durch Vereinigung angrenzender Gemeinden (§8 Abs3 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967) und durch Aufteilung von Gemeinden auf angrenzende Gemeinden (§10 Abs2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967) unter Beachtung der in §6 Abs2 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 geregelten öffentlichen Interessen erreicht.

[…]

§3

Vereinigung von Gemeinden eines politischen Bezirkes

(1) Im politischen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag werden folgende Gemeinden zu einer neuen Gemeinde vereinigt:

[…]

5. die Stadtgemeinde Mürzzuschlag mit der Gemeinde Ganz zur Stadtgemeinde Mürzzuschlag;

[…]

§7

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit 1. Jänner 2015 in Kraft."

römisch III. Erwägungen

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich das anzufechtende Gesetz wendet, der diesem gegenüber Normadressat ist (VfSlg 8009/1977, 14.321/1995, 15.127/1998, 15.665/1999, 19.271/2010 uva). Bei der Beurteilung der Antragslegitimation kommt es ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und – im Fall der Verfassungswidrigkeit – verletzt vergleiche zB VfSlg 9185/1981, 10.353/1985, 11.610/1988, 17.768/2006).

Kraft §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 Z1 litc B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten.

2. Der Antragsteller bringt vor, dass er als "Privatperson[…] sowie in seiner Funktion als Bürgermeister und Repräsentant der Bewohner der Gemeinde Ganz" zur Stellung des vorliegenden Individualantrages legitimiert sei, weil er mit Inkrafttreten des StGsrG seine Position als Bürgermeister verliere und ihm "das Recht entzogen [werde,] 'seine' Gemeinde […] selbst zu verwalten".

2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass ein Bürgermeister lediglich Organ und als solches Träger von Kompetenzen ist, ihm jedoch keine subjektiven Rechte zukommen vergleiche etwa VfSlg 13.169/1992, 15.025/1997, 19.649/2012 und 19.681/2012; ähnlich VfSlg 17.234/2004). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes erstreckt sich das – sich aus dem passiven Wahlrecht ergebende – Recht auf Ausübung einer Funktion auf den Schutz eines durch Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper, nicht aber auf den Schutz eines durch Wahl seitens eines solchen Vertretungskörpers empfangenen Mandates vergleiche zB VfSlg 13.169/1992, 19.649/2012); daher sind lediglich Gemeinderatsmitglieder, nicht aber auch durch den Gemeinderat gewählte Bürgermeister – diese werden in der Steiermark ausschließlich vom Gemeinderat gewählt vergleiche §23 Stmk. GemO) – berechtigt, ein ihren Funktionsverlust bewirkendes Gesetz mit Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG zu bekämpfen. Gesetzliche Bestimmungen, die die Funktionsperiode eines vom Gemeinderat gewählten Bürgermeisters beenden, greifen daher nicht in seine Rechtssphäre ein.

Der Antragsteller hat in seinem Antrag auf Gesetzesprüfung nicht dargelegt, Mitglied des Gemeinderates zu sein; vielmehr stellte er den Antrag ausschließlich in seiner Funktion als Bürgermeister und "Privatperson". Da gemäß §19 Stmk. GemO der Bürgermeister nicht Mitglied des Gemeinderates sein muss, kommt ihm – anders als in VfSlg 9655/1983 – daher nicht "automatisch" ein Antragsrecht als Gemeinderat zu. Der Antragsteller hat daher keine Befugnis zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG betreffend das StGsrG bzw. einzelne seiner Bestimmungen.

2.2. Soweit der Antragsteller als "Privatperson" die Aufhebung des ganzen StGsrG bzw. von Teilen dieses Gesetzes begehrt, ist festzustellen, dass sich das StGsrG weder an "Privatpersonen" richtet noch in sonstiger Weise in ihre Rechtssphäre eingreift. "Privatpersonen" sind daher nicht Normadressaten vergleiche zB VfSlg 15.157/1998, 15.665/1999) des Gesetzes. Auch wenn die im StGsrG vorgesehenen Gemeindestrukturreformen allenfalls faktische Auswirkungen auf den Antragsteller als "Privatperson" haben können, wird er nicht in seiner Rechtssphäre verletzt.

3. Der Gesetzesprüfungsantrag ist daher schon mangels Darlegung eines Eingriffes in die Rechtssphäre des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der übrigen Prozessvoraussetzungen bedarf.

römisch IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Bürgermeister, Gemeinderecht Organe, Organ Organwalter, Wahlrecht passives, Gemeinderecht Zusammenlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G41.2014

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2014

Dokumentnummer

JFT_20140923_14G00041_00