Entscheidungstext 6Ob254/98s

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

6Ob254/98s

Entscheidungsdatum

26.11.1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ing. Karl S*****, vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Ing. Peter W*****, vertreten durch Böhmdorfer-Gheneff OEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung ehrenbeleidigender Äußerungen und Widerrufs, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 13. Juli 1998, GZ 3 R 54/98b-19, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22. Oktober 1996, GZ 39 Cg 72/96y-3, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß des Revisionsrekurses wird die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Ansprüche auf Unterlassung der Behauptungen 1. daß sich im Zusammenhang mit dem Fußballclub F***** ein "Sodom und Gomorrha" in der "ehrenwerten Gesellschaft" des Ing. Karl S***** abspiele und 2. daß Ing. Karl S***** offenkundig die Pleite des Fußballclubs F***** auf dem Rücken der Spieler und der sportinteressierten Favoritner zu verantworten habe, als nichtig aufgehoben. Das Rekursgericht wird über den Rekurs der Beklagten in diesem Umfang neuerlich zu entscheiden haben.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird vorbehalten.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger und der Beklagte sind Gemeinderäte und Abgeordnete im Wiener Gemeinderat bzw Landtag. Sie gehören verschiedenen politischen Parteien an. Der Kläger war führender Funktionär (Vizeobmann) eines Fußballvereins, der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Der Beklagte griff den Kläger in einer Presseaussendung vom 17. 3. 1995 wegen der Vorgänge rund um den Fußballclub an. Der Kläger brachte daraufhin eine auf Paragraph 1330, ABGB gestützte Klage auf Unterlassung ehrenbeleidigender und rufschädigender Äußerungen ein. Das Gericht erster Instanz wies mit Urteil vom 23. 5. 1996 (4 Cg 75/95v des LGZ Wien) das Klagebegehren, die beklagte Partei sei gegenüber der klagenden Partei schuldig, es zu unterlassen, dritten Personen mitzuteilen und/oder zu erklären oder in sonstiger Weise zu verbreiten, daß sich im Zusammenhang mit dem Fußballclub F***** ein "Sodom und Gomorrha" in der "ehrenwerten Gesellschaft" des Ing. Karl S***** abspiele, weiters daß Ing. Karl S***** offenkundig die Pleite des Fußballclubs F***** auf dem Rücken der Spieler und der sportinteresssierten Favoritner zu verantworten habe und weiters, daß die S***** diese Vereine offenbar mit ihren Freunderllogen verwechsle, bei denen ein Geflecht aus Macht, Geld und Partei im Vordergrund stehe, die beklagte Partei sei weiters schuldig, es zu unterlassen, dritten Personen gegenüber gleichsinnige Äußerungen zu verbreiten, ab. Es stellte nur den Inhalt der Presseaussendung fest und gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, daß die Äußerungen des Beklagten als Vorwürfe in einer für parteipolitische Auseinandersetzungen üblich gewordenen Ausdrucksform zu beurteilen seien, ohne daß dabei ein Wertungsexzeß feststellbar sei.

Der Beklagte ließ am 26. 7. 1996 folgende Presseaussendung veröffentlichen:

"Die F*****/W*****/S*****/***ORIGINAL- TEXT-SERVICE***

W*****: *****-S***** mit Klage abgeblitzt - Jetzt Rücktritt!

Utl.: Neuerliche Untersuchung des F***** Finanzdebakels notwendig =

Wien, 1996-07-26 (*****) - Der Klubobmann der Wiener S***** Karl S***** ist nun mit seiner Klage gegen den ***** Sportsprecher GR. Ing. Peter W***** beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien voll abgeblitzt. Die bestätigten Vorwürfe gegen S***** sind so schwer, daß jetzt nur der Rücktritt des *****-Klubobmann folgen kann.

*****

W***** hatte in mehreren Aussendungen im März 1995 schwere Vorwürfe gegen S***** in Zusammenhang mit der Verwicklung des *****-Klubobmannes in den Finanzskandal rund um den Wiener Traditionsfußballverein F***** erhoben. So sei S***** als F***** - Vizepräsident und Mitglied des fünfköpfigen Präsidiums seit Jahren Seite an Seite mit seinen kriminellen Freunderln gesessen, die die 30 Mio Schilling Pleite des Vereins zu verantworten haben. Die Klage S***** gegen W***** auf Unterlassung wurde nun vom LG Wien voll abgewiesen und es darf weiterhin behauptet werden,

*) daß sich im Zusammenhang mit dem Fußballklub F***** ein "Sodom und Gomorrha" in der "ehrenwerten Gesellschaft" des Ing. S***** abspiele,

*) daß Ing. Karl S***** offenkundig die Pleite des Fav.AC auf dem Rücken der Spieler und der sportinteressierten Favoritner zu verantworten habe und

*) daß die ***** diese Vereine offenbar mit ihren Freunderllogen verwechsle, bei denen ein Geflecht aus Macht, Geld und Partei im Vordergrund stehe.

"Damit ist S***** überfahren und soll sofort zurücktreten", forderte W*****. Das Gericht stellte weiters in seinem Urteil wortwörtlich fest, daß es sich bei den Äußerungen W***** um "eine berechtigte politische Kritik gehandelt habe, die an das aufklärungsbedürftige Verhalten des Klägers (S*****) anknüpfe".

Tatsächlich sei das Verhalten S***** beim F*****-Skandal nach wie vor höchst aufklärungsbedürftig. Der *****-Klubobmann sei nämlich als Mitglied des damaligen fünfköpfigen Pleitegremiums, dem F*****-Präsidium, auch laut Vereinsstatuten genauso mitverantwortlich für sämtliche wirtschaftliche Vereinsbelange, wie die nun in dieser Causa bereits gerichtlich verurteilten Funktionäre K***** (Ex-Präsident) und S***** (Ex-Vizepräsident). Schließlich habe es dieses Führungsgremium fertiggebracht, den F***** in eine 30 Mio S-Verschuldung und damit an den Rand des Ruins zu führen. Wäre jetzt nicht ein neuer großzügiger Gönner und Sponsor gefunden worden, so wäre der Traditionsverein vor die Hunde gegangen, erklärte W*****. Nicht zu vergessen sei auch der ebenfalls wegen Betruges angezeigte Vizepräsident und damaliges Präsidiumsmitglied, Immobilienhai Roland I*****, der als damaliger F*****-Vize ebenfalls beste persönliche Kontakte zu S***** hatte. Beim Gerichtsverfahren um den F***** habe sich auch herausgestellt, daß I***** nur deshalb in den F***** eingetreten sei, um politische Bande zu *****-S***** zu knüpfen.

"Es ist jetzt jedenfalls unbestritten, daß S***** maßgeblich am damaligen 30 Mio-Finanzdebakel des F***** mitverantwortlich war. Das ist für einen Klubobmann und Gemeinderat völlig untragbar", begründete W***** seine Rücktrittsforderung. Weiters stelle sich die Frage, warum wieder einmal mehr die sogenannten "kleinen" Funktionäre über die Klinge springen mußten, aber der mächtige *****-Klubobmann als einer der fünf Megapleitiers ungeschoren davongekommen sei. Die ***** werde jetzt auch angesichts des vorliegenden Urteils eine Neuaufnahme des gesamten F*****-Gerichtsverfahrens anstreben. "S***** hängt in diesen mafiosen Vorgängen federführend voll drinnen und das werden wir jetzt gestärkt durch das nunmehrige Urteil ans Tageslicht bringen", so W***** abschließend. (Schluß) PW

***ORIGINALTEXT-SERVICE UNTER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS***"

Mit der am 23. 8. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Unterlassung mehrerer ehrenbeleidigender und rufschädigender Behauptungen des Beklagten und stellte zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs einen auf die Unterlassung folgender Behauptungen gerichteten Sicherungsantrag:

daß sich im Zusammenhang mit dem Fußballclub F***** ein "Sodom und Gomorrha" in der "ehrenwerten Gesellschaft" des Ing. Karl S***** abspiele; weiters daß Ing. Karl S***** offenkundig die Pleite des Fußballclubs F***** auf dem Rücken der Spieler und der sportinteressierten Favoritner zu verantworten habe; weiters daß die ***** diese Vereine offenbar mit ihren Freundenlogen verwechsle, bei der ein Geflecht aus Macht, Geld und Partei im Vordergrund stehe; daß die bestätigten Vorwürfe gegen Ing. Karl S***** so schwer seien, daß jetzt nur der Rücktritt des *****-Klubobmanns folgen könne; daß Ing. Karl S***** als F*****-Vizepräsident und Mitglied des fünfköpfigen Präsidiums seit Jahren Seite an Seite mit seinen kriminellen Freunderl gesessen sei, die die 30 Mio.-Pleite des Vereins zu verantworten hätten; daß in einem Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wortwörtlich festgestellt worden wäre, daß es sich bei den Äußerung des Beklagten um "eine berechtigte, politische Kritik" gehandelt habe, die an das aufklärungsbedürftige Verhalten des Klägers anknüpfe; daß der ebenfalls wegen Betrugs angezeigte Vizepräsident und damaliges Präsidiumsmitglied, Immobilienhai Dr. Roland I*****, der als damaliger F*****-Vize ebenfalls beste politische Kontakte zu S***** gehabt habe und nur deshalb in den F***** eingetreten sei, um politische Bande zu ***** S***** zu knüpfen; daß es jedenfalls unbestritten sei, daß Ing. Karl S***** maßgeblich am 30 Mio.-Finanzdebakel des F***** mitverantwortlich gewesen sei und dies für einen Klubobmann und Gemeinderat völlig untragbar sei und der mächtige *****-Klubobmann als einer der fünf Megapleitiers ungeschoren davongekommen sei; daß Ing. Karl S***** in diesen mafiosen Vorgängen federführend voll "drinnen hänge".

Die Behauptungen des Beklagten seien unwahr. Die Klärung der Frage, wer für die Zahlungsunfähigkeit des Fußballclubs verantwortlich gewesen sei, sei nicht Gegenstand des Vorprozesses gewesen, sodaß diesbezüglich keine Vorwürfe bestätigt worden sein könnten. Das Zitat der Gerichtsentscheidung sei völlig unrichtig. Von einem aufklärungsbedürftigen Verhalten des Klägers sei in der Gerichtsentscheidung keine Rede gewesen. Es sei auch unrichtig, daß der Kläger am "Finanzdebakel" mitverantwortlich sei. Dem Kläger werde mit unwahren Behauptungen ein verbrecherisches Verhalten unterstellt. Die rufschädigenden Äußerungen des Beklagten stellten keine zulässige politische Kritik dar. Da die Behauptungen auch ehrenbeleidigend seien, müßte der Kläger für den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch nur die Verbreitung der Tatsachenbehauptungen beweisen.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es stellte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß bei unrichtigen ehrenbeleidigenden Tatsachenbehauptungen ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zustehe. Die beanstandeten Äußerungen des Beklagten seien Tatsachenbehauptungen und nicht Werturteile. Der Kläger habe nur die Verbreitung bescheinigen müssen. Die Wahrheit der Behauptungen hätte der Beklagte zu bescheinigen gehabt. Die gegen den Kläger gerichteten Vorwürfe eines strafgesetzwidrigen Verhaltens seien rufschädigend, zumal das gegen den Kläger eingeleitete gerichtliche Vorverfahren nach Paragraph 90, StPO eingestellt worden sei. Wenn auch in politischen Auseinandersetzungen die Wortwahl von Kritikern nach großzügigeren Kriterien zu bemessen sei, hätten auch Politiker Anspruch darauf, daß die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nehme. In der Presseaussendung des Beklagten sei der falsche Eindruck erweckt worden, als hätte sich ein unabhängiges Gericht mit den Vorwürfen des Beklagten inhaltlich befaßt und diese Vorwürfe als berechtigt erkannt. Tatsächlich habe das Gericht jedoch bei den Äußerungen des Beklagten nur einen Wertungsexzeß verneint.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten teilweise Folge und wies den Sicherungsantrag hinsichtlich der Begehren auf Unterlassung der Behauptungen a) daß die ***** diese Vereine offenbar mit ihren Freunderllogen verwechsle, bei der ein Geflecht aus Macht, Geld und Partei im Vordergrund stehe, b) daß Dr. Roland I***** nur deshalb in den F***** eingetreten sei, um politische Bande zum Kläger zu knüpfen und c) daß der Kläger für einen Klubobmann und Gemeinderat völlig untragbar sei, ab. Im übrigen bestätigte es die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht zusammengefaßt die Auffassung, daß bei der Verletzung des Rechtsgutes der Ehre ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch bestehe. Wenn die rufschädigenden Tatsachenbehauptungen zugleich auch eine Ehrenbeleidigung darstellten, so habe der Kläger nur die Verbreitung der Tatsachen zu behaupten. Der Beweis der Wahrheit der Behauptungen obliege dem Beklagten. Ob Tatsachenbehauptungen vorlägen, sei nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerungen zu beurteilen. Der Beklagte müsse die für ihn ungünstigste Auslegung der Äußerung gegen sich gelten lassen. Zum Einwand des Beklagten, daß hinsichtlich dreier Behauptungen Streitanhängigkeit vorliege, sei zu erwidern, daß das das Klagebegehren abweisende Urteil des Gerichtes zweiter Instanz im Vorprozeß in der Zwischenzeit in Rechtskraft erwachsen sei. Der vorliegenden Klage und dem Sicherungsantrag lägen aber nicht dieselben Erklärungen zugrunde. Hier sei die Presseaussendung vom 26. 7. 1996 zu prüfen, in welcher der Beklagte behauptet habe, aufgrund des abweisenden Urteils des LGZ Wien im Vorprozeß dürften die Äußerungen (das sind drei der im Sicherungsantrag bekämpften Behauptungen) weiterhin behauptet werden. Durch seinen Hinweis auf die Entscheidung des LGZ Wien habe der Beklagte den den Kläger herabsetzenden, aber unrichtigen Eindruck erweckt, das Gericht habe die Richtigkeit der bekämpften Äußerungen des Beklagten überprüft. Dies sei aber keineswegs richtig. Das LGZ Wien habe lediglich den Text der Presseaussendung festgestellt und die Äußerungen als Vorwürfe in einer für parteipolitische Auseinandersetzungen üblich gewordenen Ausdrucksform beurteilt und einen Wertungsexzeß verneint. Damit könne aber der Einwand der Streitanhängigkeit bzw der Rechtskraft nicht erhoben werden. Eine Bindungswirkung könne nicht eintreten, da die gegenständlichen Erklärungen in einem ganz anderen Zusammenhang stünden. Es werde nämlich nicht berichtet, daß der Beklagte damals unter den damaligen Umständen die Äußerungen machen hätte dürfen, sondern es werde behauptet, daß man nach Klageabweisung weiterhin die Äußerungen abgeben dürfe. Der rechtserzeugende Sachverhalt sei in den beiden Verfahren nicht derselbe. Dabei schade es nicht, daß der Spruch "verbal ident" sei. Das Ausmaß der Bindungswirkung werde zwar durch den Urteilsspruch bestimmt, es seien aber die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftig erledigten Anspruchs heranzuziehen. Dies gelte insbesondere bei der Beurteilung der Bindungswirkung eines abweisenden Urteils.

Zu den einzelnen Behauptungen führte das Rekursgericht aus:

1. Mit der Wendung, es herrsche ein Zustand wie in "Sodom und Gomorrha", sei ein Tatsachenkern verbunden, nämlich der von haltlosen, korrupten und gesetzlich bedenklichen Zuständen. Gleiches gelte für die Wendung "ehrenwerte Gesellschaft", die der Durchschnittsleser auf ein Mafia-Verhältnis beziehe.

2. Der Beklagte habe dem Kläger strafgesetzwidrige Machenschaften bei der "30-Millionen-Pleite" unterstellt.

3. Der Vorwurf des Zusammenspiels von "Macht, Geld und Partei" beziehe sich auf die politische Partei und nicht auf den Kläger persönlich. Hier sei das Tatbild des Paragraph 1330, ABGB nicht erfüllt.

4. Die Behauptung, daß sich Vorwürfe gegen den Kläger durch das Urteil des LGZ Wien bestätigt hätten, sei unrichtig.

5. Durch den Gesamtzusammenhang der Äußerungen des Beklagten werde deutlich, daß gegenüber dem Kläger der Vorwurf der Förderung eines kriminellen Vorgehens seiner "Freunde" erhoben worden sei.

6. Bei der "wortwörtlichen" Zitierung des Urteils des LGZ Wien werde durch die nur vom Beklagten stammende Textstelle der falsche Anschein erweckt, das Gericht hätte die Vorwürfe gegen den Kläger geprüft. Durch die falsche Zitierung werde der Vorwurf eines "aufklärungsbedürftigen" Verhaltens des Klägers erhoben.

7. Die Behauptungen des Beklagten im Zusammenhang mit dem Rechtsanwalt Dr. I***** seien nicht als gegen den Kläger gerichtete Vorwürfe zu werten.

8. Der Vorwurf des Beklagten, der Kläger sei für das Finanzdebakel mitverantwortlich, entbehre eines sachlichen Tatsachensubstrats. Es bestehe aber kein Anlaß, dem Beklagten die Äußerung zu verbieten, daß der Kläger als Klubobmann und Gemeinderat völlig untragbar sei. Dabei handle es sich um eine unüberprüfbare Wertung. Eine Rücktrittsforderung gegenüber einem anderen Politiker sei immer berechtigt. Die Vorwürfe, ein "Megapleitier" zu sein und ein Unternehmen schuldhaft in den Ruin geführt zu haben, seien aber ebenso wie die anderen angeführten Tatsachenbehauptungen ehrenbeleidigend. Der Beklagte habe den Wahrheitsbeweis seiner Behauptungen gar nicht angetreten. Die Äußerungen seien auch nicht als zulässige Kritik in der politischen Auseinandersetzung zu werten. Es gebe kein Recht auf freie Meinungsäußerung auf der Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob die zur Bindungswirkung von Vorentscheidungen entwickelten Grundsätze auch auf die Wiederholung von Ehrenbeleidigungen anwendbar seien.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen werde.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers ist verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Bindungsfrage betrifft die ersten beiden Äußerungen des Sicherungsantrags, die der Beklagte inhaltsgleich schon vorher erhoben hatte und die auch schon Gegenstand des Vorprozesses waren. Vorauszuschicken ist, daß sich hier nicht die Frage des prozessualen Prozeßhindernisses der Rechtskraft in seiner Ausprägung des ne bis in idem stellt, weil die Begehren zeitlich verschiedene, wenn auch inhaltsgleiche Äußerungen betreffen und überdies die im gegenständlichen Folgeprozeß bekämpften Äußerungen insofern einen anderen Zusammenhang haben, als sich der Beklagte bei der Wiederholung seiner Behauptungen auf ein seinen Standpunkt stützendes Gerichtsurteil berief. Von einer Identität des Streitgegenstandes könnte nur bei Identität des Begehrens und des rechtserzeugenden Sachverhalts die Rede sein. Auch bei nur teilweise neuem rechtserzeugenden Sachverhalt ist Anspruchsidentität zu verneinen (SZ 68/103). Wohl stellt sich aber die Frage der Bindungswirkung an das in der Zwischenzeit und schon zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung rechtskräftig gewordene Urteil zweiter Instanz im Vorprozeß. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung kann eine inhaltliche Bindung auf das Folgeverfahren auslösen, wenn zwar die Begehren nicht identisch sind, der rechtskräftig entschiedene Anspruch aber Vorfrage für den neuen Anspruch ist oder aber ein im Gesetz begründeter so enger inhaltlicher Zusammenhang besteht, daß aus Gründen der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie eine inhaltliche Bindung an die Vorentscheidung angenommen werden muß (SZ 68/103; JBl 1996, 463; JBl 1994, 482; SZ 55/74 ua). Die inhaltliche Bindung an strafgerichtliche Verurteilungen wird in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung seit der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 68/195 bejaht, ebenso die Bindung an präjudizielle Zivilentscheidungen, soferne die Parteienidentität vorliegt und jedenfalls dann, wenn die bindende Entscheidung im Vorprozeß dort die zu entscheidende Hauptfrage darstellte (4 Ob 187/97a; SZ 70/60 [425] mwN). Für das Ausmaß der Bindung sind sowohl der Spruch der Entscheidung als auch die diesen individualisierenden, tragenden Entscheidungsgründe maßgeblich (JBl 1996, 463 uva; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 10 zu Paragraph 411, mwN), was vor allem auch für anspruchsabweisende Entscheidungen gilt, bei denen die Bindung auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen maßgeblichen Sachverhalt beschränkt bleibt (Rechberger aaO; SZ 55/74; 5 Ob 502/96 uva). Nicht entscheidend ist, wie die Urteilsgrundlagen im Vorprozeß zustandekamen, etwa nach Beweisaufnahmen oder durch Außerstreitstellungen (4 Ob 1660/95; 6 Ob 163/98h).

Gegen die Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden auf Paragraph 1330, ABGB gestützten Unterlassungsanspruch sprechen keinerlei Gründe. Bei einem klagestattgebenden Urteil stünde einer neuerlichen Klageführung wegen einer wiederholten Ehrenbeleidigung sowohl das Prozeßhindernis der Rechtskraft als auch die aus der materiellen Wirkung der Rechtskraft erfließende Bindung an die Vorentscheidung entgegen. Der Kläger hat bereits einen Exekutionstitel, von dem er bei wiederholten ehrenbeleidigenden Äußerungen des Gegners Gebrauch machen kann. Warum sollte bei einer Klageabweisung anderes gelten? Welchen Sinn hätte ein Vorprozeß, wenn ein obsiegender Beklagter sich nicht öffentlich auf das Urteil berufen und seine Vorwürfe wiederholen dürfte? Worin liegt der Unterschied zu einer klagestattgebenden Entscheidung?

Der unterschiedliche Äußerungszeitpunkt bei inhaltsgleicher Wiederholung der ehrenbeleidigenden Tatsachenbehauptung führt zwar dazu, daß der Anspruchsgrund, also der rechtserzeugende Sachverhalt, nicht völlig identisch ist, bedeutet aber noch nicht, daß keine Bindungswirkung einer in einem Vorprozeß entschiedenen Hauptfrage (hier über den ehrenbeleidigenden Charakter und die rechtliche Zulässigkeit einer Tatsachenbehauptung) vorliegen könne. Für die Bindungsfrage kann nur entscheidend sein, über welchen Anspruch entschieden wurde und ob diese Entscheidung (nach dem überwiegenden und teilweise schon zitierten Teil der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auch bloß aus Gründen der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie; zweifelnd: 2 Ob 10/96 = SZ 69/54 und 4 Ob 46/98p) präjudiziell ist. Diese Frage ist hier entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hinsichtlich der ersten beiden im Sicherungsantrag bekämpften Behauptungen, die inhaltsgleich mit denjenigen im Vorprozeß sind, zu bejahen:

Zur Konkretisierung der Bindung an das anspruchsabweisende Urteil aus dem Vorprozeß sind - wie schon ausgeführt - die Entscheidungsgründe heranzuziehen. Da die Verletzung der Bindungswirkung nach den schon zitierten Entscheidungen der verstärkten Senate SZ 68/195 und SZ 70/60 die Nichtigkeit der Folgeentscheidung zur Folge hat, was auch von Amts wegen wahrzunehmen ist, ist hier nach der Aktenlage in Ergänzung des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts aus dem Vorprozeß folgendes festzustellen:

Das Berufungsgericht hat im Vorprozeß seiner Entscheidung die ergänzenden Feststellungen zugrundegelegt, daß der Kläger im Führungsgremium des Fußballvereins jahrelang tätig war; daß gegen ihn ein Strafverfahren wegen des Tatverdachts nach den Paragraphen 146, ff, Paragraph 159, StGB gemäß Paragraph 90, StPO eingestellt worden war und daß der geschäftsführende Vizepräsident des Vereins sowie der Präsident des Vereins wegen fahrlässiger Krida verurteilt wurden. Auf der Basis dieses Sachverhalts wurden die inhaltlich mit den ersten beiden Behauptungen des vorliegenden Sicherungsantrags identen Behauptungen von den Gerichten beider Instanzen im Vorprozeß als unter Politikern zulässige Kritik gewertet. Damit ist aber, solange der Kläger keinen neuen anspruchsbegründenden Sachverhalt geltend macht, bindend entschieden, daß die Behauptungen eben keine ehrverletzenden im Sinne des Paragraph 1330, ABGB sind, ohne daß im Folgeprozeß neuerlich die Frage der sachlichen Richtigkeit der Vorentscheidung geprüft werden dürfte. Die im Vorprozeß entschiedene Frage der Zulässigkeit der Vorwürfe des Beklagten im Zusammenhang mit dem festgestellten und schon dargelegten Sachverhalt kann bei Wiederholung der Behauptungen nicht neuerlich zum Gegenstand einer Unterlassungsklage gemacht werden. Die in Rechtskraft erwachsene Vorentscheidung hätte das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von Amts wegen zu beachten gehabt. Aus Anlaß des Revisionsrekurses ist die angefochtene Entscheidung daher hinsichtlich der von der Bindungswirkung erfaßten Äußerungen als nichtig aufzuheben. Das Rekursgericht wird bei seiner neuerlichen Entscheidung die aufgezeigte Bindungswirkung zu beachten haben.

Eine Unanfechtbarkeit einer vom Gericht zweiter Instanz behandelten, aber verneinten Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz (SZ 68/195 uva) liegt hier nicht vor, weil die Bindungswirkung im vorliegenden Fall erst nach der Erlassung der einstweiligen Verfügung durch das Erstgericht eintrat, sodaß die Verletzung der Bindungswirkung und die damit verbundene Nichtigkeit nur das Verfahren zweiter Instanz betrifft, was im Revisionsrekursverfahren wahrgenommen werden kann. Bei einer im Prozeßrecht begründeten Nichtigkeit kann das Rechtsmittelgericht nicht in merito entscheiden, sodaß wie in den zitierten Entscheidungen der verstärkten Senate vorzugehen ist.

Hinsichtlich der übrigen Unterlassungsgebote besteht keine Bindungswirkung. In diesem Umfang ist der Revisionsrekurs nicht berechtigt:

Der Beklagte vertritt zum aufgetragenen Verbot des Zitats der erstinstanzlichen Entscheidung des Vorprozesses die nicht zu teilende Auffassung, daß sein Zitat richtig und vollständig gewesen sei. Das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß der als "wortwörtliche" Wiedergabe der Gerichtsentscheidung bezeichnete Text des Beklagten nicht mit der Entscheidungsbegründung übereinstimmt. Daß die vom Gericht als zulässige politische Kritik gewerteten Äußerungen des Beklagten an ein aufklärungsbedürftiges Verhalten des Klägers anknüpften, vermittelt zumindest auch den Eindruck, das Gericht habe den Sachverhalt in die Richtung einer gegen den Kläger bestehenden Verdachtslage geprüft und eine solche in der Entscheidungsbegründung auch bejaht. Eine solche Prüfung ist im Vorprozeß aber nicht erfolgt. Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Unklarheitenregel hat der Täter seine Äußerung in der für ihn ungünstigsten Auslegungsform zu vertreten (MR 1994, 111 mwN; 6 Ob 295/97v uva). Da die zitierte Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang mit den übrigen Behauptungen des Beklagten zu lesen und auszulegen ist und es auf den dadurch vermittelten Gesamteindruck ankommt (MR 1995, 16; 6 Ob 46/98b uva), ist die Rechtsansicht des Rekursgerichtes über das Vorliegen eines unrichtigen Zitats und einer dadurch hervorgerufenen Rufschädigung und Ehrenbeleidigung des Klägers nicht zu beanstanden.

Insoweit sich der Revisionsrekurswerber zu allen Unterlassungsansprüchen auf die Zulässigkeit einer auch massiven Kritik im Rahmen der politischen Auseinandersetzung beruft, ist er auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes zu verweisen. Richtig ist vor allem die Rechtsmeinung, daß jedes in die Ehre eines anderen eingreifende Werturteil bei der gebotenen Interessenabwägung einen wahren Sachverhalt zur Grundlage haben muß. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, daß eine im Zuge eines politischen Meinungsstreits erfolgte Herabsetzung des Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen politischen Kritik überschreitet und nicht im Wege einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden kann (MR 1993, 14; 6 Ob 2105/96v mwN uva). Bei ehrenbeleidigenden Tatsachenbehauptungen hat der Beklagte die Richtigkeit des von ihm behaupteten Sachverhalts zu beweisen (MR 1995, 16; 6 Ob 218/98x uva). Diesen Wahrheitsbeweis hat der Beklagte nicht einmal angetreten. Seine im Gesamtzusammenhang zu lesenden Vorwürfe gegen den Kläger entbehren damit eines als wahr bescheinigten Tatsachensubstrats. Der Beklagte kann sich daher nicht auf die Judikatur zur Zulässigkeit von Werturteilen in der politischen Auseinandersetzung berufen.

Infolge der teilweisen Aufhebung der angefochtenen einstweiligen Verfügung kann keine abschließende Entscheidung über die Kosten im Provisorialverfahren gefällt werden. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens war daher vorzubehalten.

Die nicht in der vierzehntägigen Frist des Paragraph 402, Absatz 3, EO erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.

Anmerkung

E52223 06A02548

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00254.98S.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19981126_OGH0002_0060OB00254_98S0000_000

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