Entscheidungstext 1Ob78/16a

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Geschäftszahl

1Ob78/16a

Entscheidungsdatum

24.05.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** K*****, gegen die beklagte Partei Rechtsanwaltskammer Wien, Wien 1, Rotenturmstraße 13, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 19.590 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.500 EUR), über das als „neuerliche außerordentliche Revision“ bezeichnete Rechtsmittel der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Mai 2015, GZ 14 R 28/15p-26, bzw dessen Beschluss vom 14. März 2016, GZ 14 R 28/15p-32, mit dem ua der Antrag auf nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger erhebt mehrere Begehren, denen unterschiedliche anspruchsbegründende Sachverhalte zugrundeliegen. Aus dem Vorwurf, die Organe der beklagten Rechtsanwaltskammer hätten zu Unrecht ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, leitet er ein Zahlungsbegehren von 15.500 EUR samt Zinsen ab. Mit der seiner Ansicht nach unvertretbar unrichtigen disziplinarrechtlichen Verurteilung in drei Punkten begründet er ein weiteres Zahlungsbegehren in Höhe von 4.090 EUR samt Zinsen sowie sein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Folgen aus seiner Verurteilung. Letztlich begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte als Aufsichtsbehörde über einen anderen Rechtsanwalt für alle Schäden inklusive entgangenen Gewinn aus dessen Einschreiten gegen den Kläger, insbesondere für einen bestimmten Klienten, hafte.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert „des Entscheidungsgegenstands“ insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Seinen Bewertungsausspruch begründete es damit, dass sich die Bewertung an der unbedenklichen Streitwertangabe des Klägers orientiere; dieser hatte die beiden Feststellungsbegehren zusammen mit 10.500 EUR bewertet.

Der erkennende Senat stellte die Akten dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurück, die drei unterschiedlichen Entscheidungsgegenstände, die nicht gemäß Paragraph 55, Absatz eins, JN zusammenzurechnen seien, einzeln zu bewerten, soweit es sich nicht um ein reines Geldbegehren handelt (1 Ob 133/15p).

Mit Beschluss vom 14. 3. 2016 berichtigte das Berufungsgericht seinen Bewertungsausspruch dahin, dass sowohl hinsichtlich der Ansprüche des Klägers aus der seiner Ansicht nach unrichtigen disziplinarrechtlichen Verurteilung (4.090 EUR Zahlung und Feststellung) als auch hinsichtlich des auf die Verletzung von Verpflichtungen der Beklagten als Aufsichtsbehörde gestützten Feststellungsbegehrens ein Entscheidungswert vorliegt, der jeweils 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteige. Zugleich wurde seine als außerordentliche Revision bezeichnete Eingabe als Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision qualifiziert und samt der „(als ordentliche anzusehenden)“ Revision zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 22. 3. 2016 zugestellt.

Mit seinem am 19. 4. 2016 eingebrachten, als „neuerliche außerordentliche Revision“ bezeichneten Rechtsmittel beantragt der Kläger nun, der Oberste Gerichtshof möge die außerordentliche Revision als zulässig behandeln, das angefochtene Urteil aufheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverweisen. Neben der (neuerlichen) inhaltlichen Ausführung eines Rechtsmittels gegen das Berufungsurteil wendet er sich eingangs gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung der einzelnen Teilbegehren und die unterlassene Zusammenrechnung der jeweiligen Werte. Zusammengefasst macht er in diesem Zusammenhang inhaltlich geltend, sein letztes Feststellungsbegehren hätte angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache mit einem über 30.000 EUR liegenden Betrag festgesetzt werden müssen; auf seine eigene, erheblich geringere Bewertung könne es dabei nicht ankommen. In einer Konstellation wie der vorliegenden sei ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, weil dieser an die offenbare Unterbewertung nicht gebunden sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als unzulässig, unabhängig davon, ob es als Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts oder als Revision gegen das diesem vorangegangene Urteil zu qualifizieren ist.

Die Bewertung durch das Berufungsgericht ist zwar grundsätzlich unanfechtbar (RIS-Justiz RS0042410) und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0042385; RS0042515), doch wird von der zweiten Regel insoweit eine Ausnahme gemacht, als das Berufungsgericht zwingende Bewertungsvorschriften verletzt oder eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen hat vergleiche nur RIS-Justiz RS0118748, RS0042450 [T8, T19] ua). Den zweitgenannten Bewertungsfehler macht der Rechtsmittelwerber im vorliegenden Fall geltend.

Will eine durch die Entscheidung des Berufungsgerichts beschwerte Partei in einem Rechtsmittel geltend machen, dass eine offenkundige Unterbewertung vorgenommen worden sei, an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden wäre, und bei zutreffender Bewertung eine Anrufung des Höchstgerichts in Betracht käme, steht ihm - im Bereich zwischen 5.000 und 30.000 EUR - regelmäßig die Möglichkeit offen, ungeachtet der Bewertung durch das Berufungsgericht ein außerordentliches Rechtsmittel (allenfalls verbunden mit einem eventualiter gestellten Antrag nach Paragraph 508, ZPO) zu erheben und in diesem geltend zu machen, dass die Wertgrenze von 30.000 EUR bei zutreffender Bewertung des berufungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstands überschritten sei. Schließt sich der Oberste Gerichtshof dieser Beurteilung an, steht der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels der abweichende Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts nicht entgegen.

Im vorliegenden Fall liegt die Sache nun etwas anders, hat doch das Berufungsgericht ursprünglich - wenn auch zu Unrecht - alle Entscheidungsgegenstände gemeinsam - mit einem insgesamt 30.000 EUR übersteigenden Betrag - bewertet, weshalb der Kläger keine Veranlassung hatte, eine mögliche Unterbewertung in seiner außerordentlichen Revision gegen das Berufungsurteil zur Sprache zu bringen. Die Frage nach einer möglichen gravierenden - und damit den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Fehlbewertung stellte sich erst mit dem Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. 3. 2016, mit dem einerseits - in Berichtigung des ursprünglichen Ausspruchs - eine Einzelbewertung der unterschiedlichen Entscheidungsgegenstände vorgenommen und andererseits die ursprüngliche Eingabe des Klägers als Antrag nach Paragraph 508, ZPO qualifiziert und zurückgewiesen wurde. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der Rechtsschutz des Klägers auch unter den hier vorliegenden besonderen Umständen nicht grundsätzlich schlechter sein als in den häufigeren Fällen, in denen der endgültige Bewertungsausspruch bereits im Berufungsurteil enthalten ist und die Partei eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbewertung geltend machen will.

Auch wenn gemäß Paragraph 508, Absatz 4, letzter Satz ZPO ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es einen Antrag nach Absatz eins, samt der ordentlichen Revision zurückgewiesen hat, weil es den Antrag für nicht stichhältig erachtet hat, unzulässig ist, gilt dieser Rechtsmittelausschluss nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0112034, RS0115271) nur für die inhaltliche Beurteilung der Stichhaltigkeit des Antrags, nicht aber dafür, ob überhaupt ein Fall des Paragraph 508, ZPO vorliegt (RIS-Justiz RS0112034 [T1, T5, T6, T7]).

Wurde der Kläger nun erstmals durch den berufungsgerichtlichen Berichtigungsbeschluss von der endgültigen Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht in Kenntnis gesetzt und wurde - wegen der unter 30.000 EUR liegenden Bewertung - (konsequenterweise) gleichzeitig seine gegen das Berufungsurteil gerichtete Eingabe als Antrag nach Paragraph 508, ZPO qualifiziert und zurückgewiesen, ist ihm im Sinne der dargestellten Judikatur die Möglichkeit einzuräumen, die Zurückweisung mit dem Argument zu bekämpfen, das Berufungsgericht habe zu Unrecht seine Entscheidungskompetenz (im Wertbereich zwischen 5.000 und 30.000 EUR) angenommen, wogegen aber bei richtiger Bewertung (über 30.000 EUR) das Berufungsgericht nicht zu entscheiden gehabt hätte.

Da sich das Rechtsmittel des Klägers somit inhaltlich gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet, käme dafür allein der Rekurs in Betracht, als der die Eingabe im Sinne des Paragraph 84, Absatz 2, letzter Satz ZPO zu verstehen ist, auch wenn sie der Kläger als „neuerliche außerordentliche Revision“ bezeichnet hat; ebenso hat er aber auf die seiner Ansicht nach gegebene Zulässigkeit eines Rekurses hingewiesen. Mit der Möglichkeit eines Rekurses wird der Partei in Fällen wie dem vorliegenden auch ausreichender Rechtsschutz gewährt. Führte nämlich eine Überprüfung des Bewertungsausspruchs durch den Obersten Gerichtshof als Rekursgericht zum Ergebnis, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt, wäre der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts aufzuheben, was zur Folge hätte, dass der Oberste Gerichtshof das ursprüngliche Rechtsmittel als außerordentliche Revision zu erledigen hätte.

Damit ist jedoch für den Kläger im Ergebnis nichts gewonnen, steht doch für den Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts nur die 14-tägige Frist des Paragraph 521, Absatz eins, Satz 1 ZPO zur Verfügung, die aber nicht eingehalten wurde. Sein Rechtsmittel ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Verfahrensstadium eine „neuerliche“ außerordentliche Revision unzulässig wäre, stünde ihr doch der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels entgegen vergleiche dazu nur die Nachweise bei Kodek in Rechberger4 Vor Paragraph 461, ZPO Rz 12). Der Kläger ist dem Berufungsurteil schon einmal mit einer als „außerordentlichen Revision“ bezeichneten Eingabe entgegengetreten, die das Berufungsgericht als Antrag nach Paragraph 508, ZPO behandelt und - gemeinsam mit der inhaltlichen Ausführung der Revision - zurückgewiesen hat. Nachdem dieser (bekämpfbare) Zurückweisungsbeschluss - wie dargestellt - mittlerweile in Rechtskraft erwachsen ist, kommt es nicht in Betracht, anstelle (oder neben) der Bekämpfung des Zurückweisungsbeschlusses einen zweiten Revisionsschriftsatz einzubringen.

Schlagworte

Gruppe: Amtshaftungsrecht

Textnummer

E114766

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00078.16A.0524.000

Im RIS seit

13.06.2016

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2016

Dokumentnummer

JJT_20160524_OGH0002_0010OB00078_16A0000_000

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