Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

29.02.2012

Geschäftszahl

2009/13/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der Mag. S & K als Mitges. (G Seminarinstitut) in W, vertreten durch Werner Mixan, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 7/2/7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. Jänner 2009, GZ. RV/2800- W/07, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ein Seminarinstitut. Ihre Geschäftstätigkeit besteht in der Ausbildung in der Theorie und Methodik der Sensorischen Integrationstherapie (einer Zusatzqualifikation im Rahmen des Berufsfeldes der Ergotherapie). Strittig ist im Beschwerdefall, ob die von der beschwerdeführenden Partei in den Streitjahren erzielten Umsätze der Umsatzsteuerbefreiung nach Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11, Litera a, UStG 1994 (Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen) unterliegen.

In dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wird der Gang des Verwaltungsverfahrens wiedergegeben. Sodann trifft die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin mit der Erscheinungsform der Wissensvermittlung (etwa Sekretariat, Lehrkörper, über einen längeren Zeitraum feststehendes Bildungsprogramm) "rund um die SI-Methode nach Dr. A. Jean Ayres jedenfalls die Einordnung als eine andere berufs(fort) bildende Einrichtung rechtfertigt".

In weiterer Folge führt die belangte Behörde unter dem Titel "Mit öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit" u.a. Folgendes aus:

"Ein Vergleich der Lehrpläne vergleiche http://www.donauuni.ac/de/studium/ergotherapie/11628/index.php) betreffend der künftig an einer Fachhochschule angebotenen Lehrgänge und Masterlehrgänge in SI (= Sensorische Integration) zeigt in ihren Modulen A-E weitgehende Deckung betreffend Aufbau, Inhalt, usw. auf. Der im Streitzeitraum von der (Beschwerdeführerin) angebotene berufsbegleitende Lehrgang ist mit jenem künftig an einer österreichischen Fachhochschule (mit dem Abschluss als SI-Experte) bzw. mit jenem an der USC (= University of Southern California) abgehaltenen 'OT 610' (nahezu) ident.

Eine weite Auslegung mag in Bezug auf die Art der zu befreienden Dienstleistungen etwa in Zusammenhang mit der Erteilung von Hochschulunterricht geboten sein.

Eine öffentlichen Schulen (hier Fachhochschule) vergleichbare Tätigkeit liegt nach Art, Inhalt und Umfang der angebotenen Bildungsmaßnahme daher vor.

Das vermag aber nichts daran zu ändern, dass für den Streitzeitraum eine durch die Besteuerung der Umsätze herbeigeführte Wettbewerbsverzerrung nicht konkret dargetan werden konnte, zumal die im Zuge des Bologna-Prozesses (http://de.wikipedia.org/wiki/Ergotherapie) statt findende Verlagerung von Bildungsmaßnahmen an Fachhochschulen erst ab 2006, also außerhalb des Streitzeitraumes, Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der (Beschwerdeführerin) haben konnte.

Nach dem Regelungszweck der Norm soll nicht bereits jede (einzelne) im Rahmen einer schulähnlichen Einrichtung erbrachte (Fort-)bildungsmaßnahme begünstigt werden, sondern nur solche, die auch von öffentlichen Schulen angeboten werden und durch die Besteuerung der Umsätze ein Wettbewerbsnachteil für den Unternehmer eintreten würde, was im gegenständlichen Fall unbestrittenermaßen nicht zutrifft.

Der Einwand des steuerlichen Vertreters der (Beschwerdeführerin), wonach eine ständige Marktbeobachtung unzumutbar sei, kann im Hinblick auf die Mitgestaltung des Marktgeschehens etwa durch Kooperation mit der FH-Krems und der Mitwirkung als Projektleiterin (der in Rede stehenden Lehrgänge) nicht nachvollzogen werden.

Mangels einer bezogen auf den Streitzeitraum mit öffentlichen Schulen vergleichbaren Tätigkeit hat das Finanzamt zu Recht die Steuerbefreiung versagt."

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin "durch die Nichtanerkennung der Steuerbefreiung gem. Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11 a, UStG für die Umsätze der Gesellschaft aus der Lehrtätigkeit in ihren Rechten verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach Paragraph eins, Absatz eins, Ziffer eins, UStG 1994 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Von den unter Paragraph eins, Absatz eins, Ziffer eins, UStG 1994 fallenden Umsätzen sind nach Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11, Litera a, UStG 1994 die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird.

Unionsrechtlich findet diese Befreiungsbestimmung ihre Grundlage im Artikel 13, Teil A Absatz eins, Buchstabe i der - im Beschwerdefall noch anzuwendenden - 6. EG-RL, 77/388/EWG. Diese Bestimmung umfasst "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung".

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die von der Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit nach "Art, Inhalt und Umfang der angebotenen Bildungsmaßnahme" einer öffentlichen Schule (Fachhochschule) vergleichbar sei. Sie hat allerdings die Vergleichbarkeit im Sinne des Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11, Litera a, UStG 1994 wiederum (ausschließlich) deshalb verneint, weil für den Streitzeitraum keine Wettbewerbsverzerrung dargetan worden sei (auch in der Gegenschrift weist die belangte Behörde darauf hin, dass sie im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten habe, dass wegen der fehlenden Wettbewerbssituation mit öffentlichen Schulen die Steuerbefreiung des Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11, Litera a, UStG 1994 nicht anwendbar gewesen sei).

Zu dieser von der belangten Behörde vertretenen Auffassung ist darauf zu verweisen, dass der EuGH im Urteil vom 20. Juni 2002, C- 287/00, Kommission/Bundesrepublik Deutschland (Randnr. 47), den Zweck der unionsrechtlichen Befreiungsbestimmung - im Zusammenhang mit dem Hochschulunterricht - darin gesehen hat, dass der Zugang zum (Hochschul-)Unterricht nicht durch die höheren Kosten versperrt werden soll, die im Fall der Steuerpflicht entstünden. Dieser Zweck rechtfertige es, die Befreiungsvorschrift nicht eng auszulegen vergleiche Ruppe/Achatz, UStG4, Paragraph 6, Tz 302). Dass laut angefochtenem Bescheid nach dem "Regelungszweck der Norm" die Steuerbefreiung nach Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11, Litera a, UStG 1994 nur dann zur Anwendung kommen könne, wenn durch die Besteuerung der Umsätze ein "Wettbewerbsnachteil für den Unternehmer eintreten würde", entspricht somit nicht einer richtlinienkonformen Interpretation. Es ist in diesem Sinne für die Anwendung der Befreiungsbestimmung des Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 11, Litera a, UStG 1994 auch nicht erforderlich, dass die strittige Ausbildung tatsächlich von einer öffentlichen Schule angeboten wird vergleiche z.B. Ruppe/Achatz, aaO, Paragraph 6, Tz 310).

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins, VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die Paragraphen 47, ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. Februar 2012