Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

15.01.2008

Geschäftszahl

2007/15/0170

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2007/15/0178 E 15. Januar 2008

2007/15/0219 E 15. Januar 2008

2007/15/0186 E 20. Februar 2008

2007/15/0035 E 20. Februar 2008

2007/15/0185 E 20. Februar 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des E K in W, vertreten durch Mag. Hannes Engl, Rechtsanwalt in 4802 Ebensee, Hauptstraße 21, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 23. Februar 2007, GZ RV/0532-L/06, betreffend Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von  991,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsbürger. Er stellte im Jahr 2006 einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2006 für seine beiden minderjährigen Kinder. Im Antrag gab er an, 2002 nach Österreich eingereist zu sein und seit 13. Jänner 2003 in Österreich unselbständig beschäftigt zu sein. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Jahr 2003 nach Österreich eingereist sei.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 4. Mai 2006 ab. Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, hätten nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich gemäß Paragraphen 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 100 aus 2005, (im Folgenden NAG), rechtmäßig in Österreich aufhielten. Ein diesbezüglicher Nachweis sei vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Ergänzend zu seinem Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit Jänner 2003 entsprechend den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtmäßig unselbständig beschäftigt sei und über eine gültige Arbeitserlaubnis verfüge. Die Finanzierung der Familienbeihilfe erfolge durch Beiträge aller Dienstgeber, die im Inland Dienstnehmer beschäftigen. Dies bedeute, dass auch sein Dienstgeber Beiträge in den Familienlastenausgleichsfonds eingezahlt habe.

Bis zum Inkrafttreten der FLAG-Novelle Bundesgesetzblatt 100 aus 2005, am 1. Jänner 2006 habe der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Paragraph 3, FLAG erfüllt und auch tatsächlich ab 2003 Familienbeihilfe für seine beiden minderjährigen Kinder bezogen.

Der Beschwerdeführer sei seit 2002 als Asylwerber in Österreich. Auch seine 2003 nach Österreich eingereiste Ehefrau habe um Asyl angesucht. Die Asylverfahren seien noch nicht abgeschlossen.

Als türkischer Staatsbürger sei er durch den abweisenden Bescheid des Finanzamtes in seinem Recht auf Familienbeihilfe, in seinen Rechten auf Grund des Beschlusses 1/80 zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei sowie der "VO 1408/71" verletzt. Der EuGH habe in zwei Urteilen bereits bestätigt, dass der Beschluss 1/80 des Assoziationsrates unmittelbar anwendbar sei, sodass jede Diskriminierung auf Grund der Staatsbürgerschaft unzulässig sei.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, FLAG 1967 in der ab 1. Jänner 2006 geltenden Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, würden Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie sich nach den Paragraphen 8, und 9 des NAG rechtmäßig in Österreich aufhielten.

Der Beschwerdeführer habe keinen Aufenthaltstitel nach dieser gesetzlichen Bestimmung. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach Paragraph 19, AsylG, über welche er verfüge, reiche gemäß der ab 1. Jänner 2006 geltenden Fassung des Paragraph 3, FLAG nicht mehr aus, um einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu vermitteln.

Das vom Berufungswerber angeführte Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei sei nicht anwendbar. Der auf Grund dieses Abkommens ergangene Beschluss behandle die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und sei nicht für Personen gedacht, die vor der Türkei internationalen Schutz begehrten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch das "Fremdenrechtspaket 2005" Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, hat der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage auf dem Gebiet des Asyl- und Fremdenrechtes vorgenommen. Im Zuge dieser Reform wurde auch Paragraph 3, FLAG 1967 neu gefasst.

Paragraph 3, in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 142 aus 2004,, (vor der Neufassung durch das Fremdenrechtspaket 2005) lautete auszugsweise:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; ...

  1. Absatz 2Absatz eins, gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

    Artikel 12 des Fremdenrechtspakets 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, lautet auszugsweise:

    "Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967

    Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 157 aus 2004,, wird wie folgt geändert: ...

2. Paragraph 3, lautet:

Paragraph 3, (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach Paragraphen 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

  1. Absatz 2Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach Paragraphen 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
  2. Absatz 3Abweichend von Absatz eins, haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

3. Nach Paragraph 54, wird folgender Paragraph 55, angefügt:

Paragraph 55, Die Paragraphen 2, Absatz 8, erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, treten mit 1. Jänner 2006, nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 100, in Kraft."

Die Paragraphen 73 und 75 AsylG 2005 lauten wie folgt:

"Zeitlicher Geltungsbereich

Paragraph 73, (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

  1. Absatz 2Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 76 aus 1997, tritt mit Ausnahme des Paragraph 42, Absatz eins, mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft.
  2. Absatz 3(Verfassungsbestimmung) Paragraph 42, Absatz eins, des Asylgesetzes 1997 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft.
  3. Absatz 4Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können bereits ab dem auf seine Kundmachung folgenden Tag erlassen werden. Sie dürfen jedoch frühestens mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in Kraft gesetzt werden."

    "Übergangsbestimmungen

    Paragraph 75, (1) Alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

Paragraph 44, AsylG 1997 gilt. Die Paragraphen 24,, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. Paragraph 27, ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. Paragraph 57, Absatz 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

  1. Absatz 2Ein nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl - Asylgesetz 1991, Bundesgesetzblatt Nr. 8 aus 1992,, eingestelltes Verfahren ist bis zum 31. Dezember 2007 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Absatz eins, Ein nach dem AsylG 1997 eingestelltes Verfahren ist bis zum 31. Dezember 2007 nach den Bestimmungen des AsylG 1997 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Absatz eins,
  2. Absatz 3Karten nach dem AsylG 1997 behalten ihre Gültigkeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt.
  3. Absatz 4Ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 126 aus 1968,, des Asylgesetzes 1991, Bundesgesetzblatt Nr. 8 aus 1992,, sowie des Asylgesetzes 1997 begründen in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (Paragraph 68, AVG).
  4. Absatz 5Einem Fremden, dem am 31. Dezember 2005 die Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist, gilt, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.
  5. Absatz 6Einem Fremden, dem am 31. Dezember 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen ist, gilt der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt."

    In den Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 wird somit angeordnet, dass Asylverfahren, die am 31. Dezember 2005 bereits anhängig waren, noch nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen sind (Paragraph 75, Absatz eins, Asylgesetz 2005). Paragraph 55, FLAG verknüpft das Inkrafttreten des Paragraph 3, FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 mit den Übergangsbestimmungen des NAG und jenen des Asylgesetzes 2005.

Paragraph 55, FLAG ist dahingehend zu verstehen, dass Paragraph 3, FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, denen gegenüber gemäß Paragraph 75, Asylgesetz 2005 das Asylverfahren noch nach dem AsylG 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab 1. Jänner 2006 nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis kommt daher Paragraph 3, FLAG - unbeschadet der durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 168 aus 2006,, mit Wirkung ab 1. Juli 2006 vorgenommenen Änderungen - zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 142 aus 2004,, zur Anwendung.

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2002 einen Asylantrag gestellt hat und das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer ist seit Jänner 2003 in Österreich als Dienstnehmer beschäftigt und verfügt über eine entsprechende Arbeitserlaubnis.

Im Hinblick auf das am 31. Dezember 2005 anhängige Asylverfahren war daher Paragraph 3, FLAG noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 142 aus 2004, anzuwenden.

Da die belangte Behörde sohin in Bezug auf das Inkrafttreten des Paragraph 3, FLAG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war somit gem. Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins, VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 47 f, f, VwGG in Verbindung mit der Verordnung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 333 aus 2003,.

Wien, am 15. Jänner 2008