Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

16.10.1981

Geschäftszahl

B209/81

Sammlungsnummer

9246

Leitsatz

Vereinsgesetz 1951; rechtmäßige Untersagung der beabsichtigten Bildung des Vereines "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Österreich - W. J."

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins.1. Der Beschwerdeführer hat gemeinsam mit anderen Personen am 14. August 1980 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Ktn. die beabsichtigte Bildung eines Vereines mit dem Namen "Wiking-Jugend, volkstreue nordländische Jugendbewegung Österreich - W. J." mit dem Sitz in Klagenfurt angezeigt.

Dem §1 Z2 der vorgelegten Statuten zufolge erstreckt der Verein seine Tätigkeit auf ganz Österreich. Er "gehört nach Zulassung automatisch der Föderation der europäischen und Weltorganisation der Wiking-Jugend an".

Nach §1 Z4 ist "das Symbol der Wiking-Jugend der aus der Sonne aufsteigende Adler. Daneben trägt die W. J. als Symbol der Einordnung in die Föderation der europäischen und Weltorganisation die Odalrune".

Im §2 der Statuten wird der Vereinszweck wie folgt umschrieben:

"Die Tätigkeit der Wiking-Jugend ist nicht auf Gewinn gerichtet. Sie ist ein jugendpflegerischer Bund, deren Schwerpunkt auf Fahrt, Lager, Volks- und Brauchtumspflege, der Körperertüchtigung (alle Sportarten incl. Motor-, Wasser-, Flug- und Schützensport mit der dazugehörigen handwerklichen Weiterbildung). Im Rahmen freiheitlich-volkstreuer Erziehung will sie die Anteilnahme der jungen Generation am politischen Geschehen wecken."

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Ktn. hat mit Bescheid vom 23. September 1980 die beabsichtigte Bildung dieses Vereines gemäß §6 Abs1 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl. 233, in der Fassung Bundesgesetzblatt 102 aus 1962, (VerG), untersagt.

Der Bundesminister für Inneres hat der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung mit Bescheid vom 2. März 1981 keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Vereinsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

römisch II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer trat im Administrativverfahren als einer der Proponenten des Vereines auf, dessen beabsichtigte Bildung untersagt wurde.

Er ist beschwerdelegitimiert vergleiche zB VfSlg. 8567/1979).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. Nach §6 Abs1 VerG ist die behördliche Untersagung der beabsichtigten Bildung eines Vereines unter anderem dann zulässig, wenn der Verein nach seinem Zweck oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist.

§4 Abs3 VerG schreibt vor, daß die Statuten einen Vereinsnamen enthalten müssen. Hinsichtlich der Auswahl eines bestimmten Namens normiert diese Bestimmung:

"Der Name muß so beschaffen sein, daß er einen Schluß auf den Vereinszweck zuläßt und Verwechslungen mit anderen Vereinen oder Einrichtungen ausschließt."

Jeder Bescheid, der entgegen den Bestimmungen des VerG - also ohne daß eine der in §6 Abs1 VerG umschriebenen Voraussetzungen vorliegt - die beabsichtigte Bildung eines Vereines untersagt, verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit vergleiche zB VfSlg. 8567/1979 und die dort zitierte Vorjudikatur).

3. Die belangte Behörde hat den bekämpften Bescheid im wesentlichen wie folgt begründet:

a) Gemäß §1 Z2 der vorgelegten Statuten würde der Verein nach seiner Zulassung automatisch der Föderation der europäischen und der Weltorganisation der Wiking-Jugend angehören. Nun sei bekannt, daß sich der bundesdeutsche Zweig der Wiking-Jugend in neonazistischem Sinne betätige; es sei zu befürchten, daß der in Bildung befindliche österreichische Verein vom bundesdeutschen Verein beeinflußt werden würde; dies insbesondere deshalb, weil die Bildungsanzeige ua. die Unterschrift des W. N. trage, der Bundesführer der Wiking-Jugend e. römisch fünf., volkstreue nordländische Jugendbewegung Deutschland, sei. Die Bildung des Vereines würde daher gegen Art9 des Staatsvertrages von Wien, Bundesgesetzblatt 152 aus 1955,, verstoßen.

b) Der Vereinszweck sei in den Statuten unbestimmt umschrieben; dies sei deshalb im vorliegenden Fall besonders bedeutsam, weil der Vereinsname ("volkstreue nordländische Jugendbewegung") Ziele andeute, die im Vereinszweck nicht erwähnt worden seien und die allein auch nicht mit dem Satz "im Rahmen freiheitlich-volkstreuer Erziehung will sie die Anteilnahme der jungen Generation am politischen Geschehen wecken" erklärbar seien. Immerhin sei von der Wiking-Jugend in der BRD bekannt, daß sie ähnlich wie die seinerzeitige Hitler-Jugend organisiert sei, den "Reichsgedanken" vertrete und sich im nationalsozialistischen Sinn betätige. Die enge Anlehnung des untersagten österreichischen Vereines an den deutschen Verein sei nicht nur durch die Person des Proponenten N., der auch Bundesführer der Wiking-Jugend e. römisch fünf. volkstreue nordländische Jugend Deutschland sei, sondern auch durch die innere Organisation des Vereines, die gleichfalls an die der Hitlerjugend und an die des Bundes deutscher Mädchen erinnere, unverkennbar. Unter diesen Voraussetzungen sei es naheliegend, daß mit dem Wort "nordländisch" in Wahrheit "deutsch" gemeint sei und daß sich in dem Wort "nordländisch" ein Bekenntnis zum "Reichsgedanken", zur großdeutschen Idee, verberge. Bestrebungen dieser Art müssen aber im Hinblick auf Art4 des Staatsvertrages von Wien 1955 bereits im Ansatz unterbunden werden. Den somit möglichen Deutungen über eine künftige, rechtswidrige Tätigkeit hätte aber von den Proponenten durch eine umfassende und unmißverständliche Textierung der Statuten vorgebeugt werden können.

c) Eine weitere Rechtswidrigkeit sei in der in §1 Z4 der Statuten vorgesehenen Verwendung der sogenannten Odalrune zu erblicken. Diese sei das Symbol der verbotenen Organisation nach §1 des Verbotsgesetzes, StGBl. 13/1945, gewesen; daher sei die Verwendung dieser Runen nach §1 des Abzeichengesetzes 1960, Bundesgesetzblatt 84 aus 1960,, strafbar.

4. Der Beschwerdeführer meint, daß keiner dieser Untersagungsgründe zutreffe:

a) Der von der Behörde geäußerte Verdacht, daß sich der zur Bildung angezeigte Verein neonazistisch betätigen würde, werde durch keine Bestimmung der Statuten gedeckt.

b) Die Worte im Vereinsnamen "volkstreue nordländische Jugend" stünden mit dem Vereinszweck in Einklang. Nordländisch sei im Zusammenhang mit "Wikinger" zu verstehen, die aus dem nordischen Raum stammten; sie hätten weite Züge (Vereinszweck: Fahrt und Lager) unternommen; sie seien staatenbildend in einer Art gewesen, die engstirnigem Nationalismus widerspreche und dem heutigen Europagedanken entgegenkomme. Es sei durch nichts gerechtfertigt, den Begriff "nordländisch" mit "großdeutsch" gleichzusetzen.

c) Die Odalrune sei ebensowenig wie eine andere Rune verboten. Niemand wisse, daß sie das Abzeichen einer kleinen militärischen Einheit der seinerzeitigen Waffen-SS gewesen sei. Die Odalrune sei seit Jahrhunderten an niedersächsischen und holländischen Bauernhäusern verwendet worden und sei in der deutschen Bundeswehr das Dienstgradabzeichen für Hauptfeldwebel.

5. Die Beschwerde ist unbegründet:

a) Es trifft zwar zu, daß die Staatsgefährlichkeit eines Vereines nur nach seinem Zweck oder seiner Einrichtung, nicht aber danach zu beurteilen ist, ob die Möglichkeit besteht, daß der Verein künftig eine mißbräuchliche Tätigkeit entfalten wird. Die Staatsgefährlichkeit darf nicht aus bloßen Vermutungen abgeleitet werden vergleiche zB VfSlg. 2332/1952 und 3496/1959).

Aus dem gewählten Vereinsnamen ist nun hier nicht bloß zu vermuten, sondern mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu erschließen, daß sich der Verein in neonazistischer Weise betätigen werde:

Nach §1 Z2 der vorgelegten Statuten des zur Bildung angezeigten (österreichischen) Vereines soll er nach seiner Zulassung automatisch der europäischen und der Weltorganisation der Wiking-Jugend angehören. Die belangte Behörde legt - daran anknüpfend - in der Begründung des angefochtenen Bescheides dar, daß einer der Proponenten des zur Bildung angezeigten (österreichischen) Vereines, W. N., auch gleichzeitig Führer des deutschen Vereines "Wiking-Jugend e. römisch fünf., volktreue nordländische Jugend Deutschland" sei. Dieser Zusammenhang rechtfertigt den im bekämpften Bescheid gezogenen Schluß, daß der sich aus dem Vereinsnamen ergebende Vereinszweck jenem gleichen werde, den der deutsche Verein anstrebe.

In der Gegenschrift führt die belangte Behörde folgendes aus:

"... So ist evident, daß einer der Proponenten des Vereines, W. N., auch gleichzeitig Führer des Vereines 'Wiking-Jugend e. römisch fünf., volkstreue nordländische Jugend Deutschland' ist. Gegen W. N. wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit a.d. Glan, Ktn., vom 19. 7. 1980, Zahl 163.104/1980-12, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches auch rechtskräftig geworden ist. Bezüglich der Tätigkeit der Wiking-Jugend in der Bundesrepublik Deutschland konnte auf amtliche Feststellungen zurückgegriffen werden. Der Verfassungsschutzbericht 1979 des Bayrischen Staatsministeriums des Innern führt zu der im Jahre 1952 gegründeten Wiking-Jugend aus, daß diese eine straff nach dem Führerprinzip geleitete 'volkstreue' Jugendorganisation ist, die sich als 'heranzubildende Elite' und als 'Grundstock zur Reinerhaltung der Nordlandrasse' betrachtet. Sie will den 'Reichsgedanken' fördern und bekennt sich zum Soldatentum und zu einer 'Lebensgemeinschaft auf völkerischer Grundlage'. Nach dem Verfassungsschutzbericht 1979 des Bundesministers des Innern der BRD huldigt diese Jugendorganisation den 'germanischen Rassegedanken', die auch im Berichtsjahr zunehmend militanter hervortrat. Einige Führer dieser Jugendorganisation wurden laut diesem Bericht wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. In dem Publikationsorgan der Wiking-Jugend in der BRD wird Österreich neben der 'Reichshauptstadt Berlin' als deutscher Gau und nicht etwa unter der Anschrift 'Ausland' erwähnt."

Diese Sachverhaltsdarstellung ist unbestritten geblieben. Der VfGH sieht keine Veranlassung, sie zu bezweifeln.

Aus dem Vereinsnamen ergibt sich sohin, daß der zur Bildung angezeigte Verein bezweckt, nationalsozialistische Bestrebungen und Gedankengänge zu stärken. Vor allem angesichts der Formulierung des letzten Satzes des §2 der vorgelegten Statuten stehen dieser Annahme die Bestimmungen der Statuten über den Vereinszweck nicht entgegen.

Die Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut durch einen Verein ist jedoch allein schon deswegen staatsgefährlich, weil sich Österreich durch Art4 und 9 des Staatsvertrages von Wien, Bundesgesetzblatt 152 aus 1955,, völkerrechtlich verpflichtet hat, großdeutsche Propaganda zugunsten der Vereinigung mit Deutschland sowie "alle nazistische oder militaristische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern" vergleiche VfSlg. 8610/1979). Unter diesen Umständen würde die in §1 Z4 vorgesehene Verwendung der sogenannten Odalrune gegen das Abzeichengesetz 1960, BGBl. 84, verstoßen. Dieses bestimmt nämlich in §1, daß Abzeichen einer in Österreich verbotenen Organisation öffentlich weder getragen noch zur Schau gestellt, dargestellt oder verbreitet werden dürfen. Das als Verfassungsgesetz erlassene Verbotsgesetz, StGBl. 13/1945, bestimmt im §1, daß die NSDAP, ihre Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK), ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände sowie alle nationalsozialistischen Organisationen und Einrichtungen überhaupt aufgelöst sind und daß ihre Neubildung verboten ist.

§1 des AbzeichenG 1960 findet somit auf die nach §1 VerbotsG verbotenen Organisationen Anwendung.

Die Odalrune war das Divisionszeichen der 7. SS-Division Prinz Eugen und diente den Angehörigen der SS, Rasse- und Siedlungs-Hauptamt als Abzeichen. Es kann unerörtert bleiben, unter welchen Umständen die Verwendung der Odalrune nicht gegen das AbzeichenG verstößt; jedenfalls aber wird die Verwendung der Odalrune von der Strafsanktion dieses Gesetzes erfaßt, wenn sie geeignet ist, den Geist der verbotenen Organisation darzutun oder wachzurufen vergleiche VfSlg. 7962/1976, 7963/1976, 8242/1978 und 8610/1979, 9191/1981); dies wäre - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - bei dem zur Bildung angezeigten Verein jedoch der Fall gewesen.

Der Verein war sohin nach seinem Zweck staatsgefährlich und gesetzwidrig. Daraus folgt, daß die Vereinsbildung zu Recht untersagt worden ist.

Der Beschwerdeführer ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vereinsrecht nicht verletzt worden.

b) Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kommt angesichts der festgestellten Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht vergleiche VfSlg. 8567/1979).

Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken vergleiche VfSlg. 8141/1977 und 8567/1979).

Der Beschwerdeführer ist mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.