Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

21.01.2009

Geschäftszahl

15Os125/08h (15Os126/08f, 15Os127/08b)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Dr. Bachner-Foregger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Nikolaus A***** gegen Thomas R***** wegen § 111 Abs 1 und 2 StGB sowie die S***** mbH als Antragsgegnerin wegen §§ 6 Abs 1, 33 und 34 MedienG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichts St. Pölten vom 16. Oktober 2003, GZ 32 Hv 1005/01y-43, und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2004, AZ 17 Bs 8/04, weiters über den Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die genannten Urteile, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Vertreters des Privatanklägers und Antragstellers, Dr. Rami, sowie der Verteidigerin und Vertreterin der Antragsgegnerin, Dr. Windhager, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2004, AZ 17 Bs 8/04, verletzt § 474 StPO aF in Verbindung mit § 489 Abs 1 StPO.

Dieses Urteil wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Wien die neue Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Antragsgegnerin aufgetragen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihrem Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Generalprokuratur auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

In der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers Nikolaus A***** gegen Thomas R***** wegen § 111 Abs 1 und 2 StGB sowie die S***** mbH als Antragsgegnerin wegen §§ 6 Abs 1, 33 und 34 MedienG wurde Thomas R***** mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 16. Oktober 2003, GZ 32 Hv 1005/01y-43, im dritten Rechtsgang des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt, hiefür nach § 111 Abs 2 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe, sowie die Antragsgegnerin S***** mbH gemäß § 6 Abs 1 MedienG zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 5.000 Euro verurteilt, zudem gemäß § 33 (richtig:) Abs 1 MedienG auf Einziehung der noch zur Verbreitung bestimmten Medienstücke der Ausgabe der periodischen Druckschrift „Der Standard" vom 16. März 2001 sowie gemäß § 34 (richtig:) Abs 1 MedienG auf Urteilsveröffentlichung erkannt und gemäß § 35 Abs 1 MedienG die Mithaftung der Antragsgegnerin für die verhängte Geldstrafe und die dem Angeklagten (gemäß § 389 Abs 1 StPO) auferlegten Kosten ausgesprochen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Thomas R***** am 16. März 2001 in Tulln durch die Veröffentlichung eines Artikels in der periodischen Druckschrift „Der Standard" unter dem Titel „FPÖ verspricht ,ausländerfreien' Bezirk" Nikolaus A***** durch die in diesem Artikel aufgestellte Behauptung, er habe bei einer Wahlkampfveranstaltung im Kolpinghaus Wien-Alsergrund versprochen, seine Partei werde dafür sorgen, dass der neunte Bezirk ausländerfrei werde, in einem Medienwerk in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen bzw eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet sei, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen (US 9 ff) wurde in dem in Rede stehenden Artikel, der über eine im Kolpinghaus Alsergrund abgehaltene Wahlkampfveranstaltung der FPÖ berichtet, unter anderem Folgendes ausgeführt: „Die FPÖ habe vorab zugesichert, keine ausländerfeindlichen Parolen zu dreschen, so Österreichs Kolping-Präses Ludwig Z*****. ,Sonst hätten wir den Saal nicht hergegeben.' Am Podium habe FP-Gemeinderat Nikolaus A***** allerdings anders geklungen: Seine Partei werde dafür sorgen, dass der neunte Bezirk ,ausländerfrei' wird, erinnert sich Z*****: ,wörtlich'."

Nach den Urteilskonstatierungen zum Bedeutungsinhalt gewinnt der durchschnittliche, an einer Information über aktuelle politische Themen interessierte Leser der Tageszeitung „Der Standard" durch den Artikel den Eindruck, dass der Antragsteller bei seiner Rede anlässlich der Wahlkampfveranstaltung gesagt habe, „seine Partei werde dafür sorgen, dass der neunte Bezirk ausländerfrei werde". Dem durchschnittlich an dem Artikel interessierten Leser wird auch klar, dass es sich dabei um eine von Ludwig Z***** der Zeitung weitergegebene Äußerung handelt und dieser wegen der fremdenfeindlichen Äußerungen des Privatanklägers bestürzt ist. Damit wird dem durchschnittlichen Leser zwischen den Zeilen vermittelt, dass es sich bei den vom Privatankläger angeblich gewählten Worten um eine über eine sachliche Auseinandersetzung bzw politische Forderung im Zusammenhang mit der Ausländerfrage hinausgehende fremdenfeindliche Äußerung handelt.

Nach den weiteren Urteilsfeststellungen hielt der Antragsteller und Privatankläger Nikolaus A***** als Funktionär der Freiheitlichen Partei und Landtagsabgeordneter anlässlich einer am 14. März 2001 im Kolpinghaus Wien-Alsergrund stattgefundenen Wahlkampfveranstaltung zur Wiener Gemeinderatswahl vor etwa 300 Zuhörern eine Rede, in der es vorwiegend um behauptete Probleme des neunten Wiener Gemeindebezirks, wie Verkehr, Drogen und Ausländerwahlrecht, ging. Bereits im Vorfeld dieser Veranstaltung ersuchte der Präses des Kolpingverbandes, Ludwig Z*****, den Antragsteller, von ausländerfeindlichen Parolen Abstand zu nehmen, und gab erst nach dessen diesbezüglicher Zusage seine Einwilligung zur Durchführung der Wahlveranstaltung im Kolpinghaus. Während der Rede des Antragstellers, die dieser damit beendete, dass er die von ihm angesprochenen Themenkreise kurz zusammenfasste und dabei unter anderem die Worte verwendete, „der neunte Bezirk müsse drogenfrei werden und österreichisch bleiben", befand sich Ludwig Z***** unter den Zuhörern. Er bewertete diese Aussagen aufgrund seiner Sensibilisierung in punkto Ausländerthema als extrem ausländerfeindlich und gewann die Überzeugung, dass Nikolaus A***** - entgegen den tatsächlich gebrauchten Worten - in seiner Rede versprochen hatte, er werde dafür Sorge tragen, dass der neunte Bezirk „ausländerfrei" werde.

Nachdem Thomas R***** über den vermeintlichen Inhalt dieser Rede Kenntnis erlangt hatte, setzte er sich mit Ludwig Z***** in Verbindung. Anlässlich mehrerer zwischen den beiden am 15. März 2002 (richtig: 2001) geführter Telefonate bestätigte Ludwig Z***** auch auf ausdrückliche Rückfragen, dass der inkriminierte Satz - der Privatkläger werde dafür sorgen, dass der neunte Bezirk ausländerfrei werde - gefallen sei. Der Präses des Kolpingverbandes berief sich zum Beweis der Wahrheit seiner Angaben auf einige weitere Zeugen und war zudem mit seiner namentlichen Anführung als Informant in einem etwaigen Artikel ausdrücklich einverstanden.

Im Anschluss daran versuchte Thomas R*****, Nikolaus A***** zu einer Stellungnahme zu erreichen, nahm hievon letztlich aber aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Redaktionsschlusses nach einigen erfolglosen telefonischen Kontaktversuchen (unter anderem auch im Club der FPÖ) Abstand. In der Folge gab er den in Rede stehenden Beitrag in Druck, ohne hierüber mit Nikolaus A***** gesprochen zu haben. Erst am nächsten Tag erfuhr er von ihm, dass dieser die kolportierten Worte nicht geäußert habe. Deshalb erschien am darauffolgenden Tag (17. März 2001) in der Tageszeitung „Der Standard" eine Richtigstellung.

In rechtlicher Hinsicht sah der Einzelrichter den Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB als erfüllt an, weil der Privatankläger im Hinblick auf den mit der ihm zugeschriebenen inkriminierten Äußerung verbundenen Vorwurf einer auch offen dargetanen ausländerfeindlichen Haltung einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen bzw eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt worden sei, das geeignet sei, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Den Wahrheitsbeweis erachtete der Erstrichter - ohne Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der konstatierten tatsächlichen Äußerung des Privatanklägers getroffen zu haben - als nicht erbracht, weil die vorgeworfene Äußerung „auf diese Weise nicht" getätigt worden sei. Auch sei der Strafausschließungsgrund der Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt (§ 29 Abs 1 MedienG) nicht verwirklicht. Zwar sei im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Standpunkten von politischen Parteien bzw deren Funktionären zu aktuellen Themen in einem Wahlkampf das überwiegende öffentliche Interesse an der Veröffentlichung zu bejahen, doch sei die - hier unterbliebene - Einholung einer Stellungnahme der von der Berichterstattung betroffenen Person „Grunderfordernis" der Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt, woran auch ein etwaiger „journalistischer Zeitdruck" nichts ändere. Im Übrigen sei der inkriminierte Artikel - „keinen allzu großen Zeitdruck" indizierend - ohnehin erst zwei Tage nach der Wahlkampfveranstaltung erschienen, sodass dem Beschuldigten ein Zuwarten mit der Veröffentlichung für einen weiteren Tag mit abgesicherter Information zuzumuten gewesen wäre. Schließlich sei der Beschuldigte durch bloße Rückfragen bei ein und derselben Person, ohne zugleich auch andere zur Verfügung stehende Beweismittel in Anspruch zu nehmen, dem Gebot der Wahrung des beiderseitigen Gehörs nicht ausreichend nachgekommen.

Wegen Herstellung des objektiven Tatbestands der üblen Nachrede sah der Erstrichter den Entschädigungstatbestand des § 6 Abs 1 MedienG als verwirklicht an, wobei er wegen Nichterbringung des Wahrheitsbeweises und des Beweises der Wahrnehmung der journalistischen Sorgfalt die Ausschlussgründe des § 6 Abs 2 Z 2 Litera a, MedienG und des § 6 Abs 2 Z 2 lit b MedienG verneinte. Der vom Beschuldigten und der Antragsgegnerin überdies geltend gemachte (S 375 in Verbindung mit ON 6) Ausschlussgrund wahrheitsgetreuer Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (§ 6 Abs 2 Z 4 MedienG) blieb - mangels Feststellungen zur Frage einer Identifikation der Veröffentlichung mit der (nach den Urteilskonstatierungen indes) wahrheitsgetreu zitierten (US 10) inkriminierten Äußerung - sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht unerörtert.

Den gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen des Angeklagten und der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruches über die Schuld und die Strafe (ON 44) gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 10. März 2004, AZ 17 Bs 8/04 (ON 48 des HV-Aktes), nicht Folge.

Das Erstgericht sei nämlich zu Recht von der Nichterbringung des Wahrheitsbeweises ausgegangen, weil die „Wendungen" (gemeint: der Sinngehalt der tatsächlichen Äußerung), „der neunte Bezirk müsse drogenfrei werden und österreichisch bleiben", und (jener der publizierten Äußerung), „er werde dafür Sorge tragen, dass der neunte Bezirk ausländerfrei werde", in ihrer Kernaussage nicht deckungsgleich seien. Denn letztere Formulierung stelle vielmehr eine Polarisierung im Sinne von „Ausländer raus" dar, während die vom Privatankläger tatsächlich verwendeten Worte „darauf abzielen, den ,österreichischen Charakter' dieses Bezirkes zu erhalten".

Die Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt habe das Erstgericht ausgehend vom Grunderfordernis der Einhaltung des Grundsatzes des beiderseitigen Gehörs zutreffend verneint, wobei überdies zu berücksichtigen sei, dass Zeugen (wie gegenständlich) unbewussten Wahrnehmungstäuschungen unterliegen können; ihre Aussagen dürften daher, auch wenn sie subjektiv überzeugt dargelegt werden, zur Vermeidung derartiger Übermittlungsfehler nicht ohne Kontaktierung des Betroffenen veröffentlicht werden.

Der Ausschlussgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG liege mangels einer wertneutralen Berichterstattung nicht vor. Die inkriminierte Textstelle offenbare nämlich im Gesamtzusammenhang eine gegen den Antragsteller und Privatankläger gerichtete Tendenz, welche die Annahme einer distanzierten Berichterstattung ausschließe. Denn zwischen den Zeilen erfolge eine Identifizierung mit dem Zitat, werde doch von „Entsetzen beim österreichischen Kolpingwerk" ebenso gesprochen wie davon, dass Stimmen, die österreichischen Kindern Schulklassen mit zu vielen Ausländern nicht zumuten wollen, im Vergleich dazu geradezu harmlos wirken. Der Zusicherung, keine ausländerfeindlichen Parolen zu verwenden, werde entgegengesetzt, am Podium habe der Privatankläger und Antragsteller allerdings anders geklungen. Durch diese Formulierungen werde solcherart geschickt zwischen den Zeilen eine Identifizierung mit dem Zitierten vorgenommen.

Mit Beziehung auf das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht ist derzeit ein Verfahren über eine Individualbeschwerde des Thomas R***** und der S***** GmbH gegen die Republik Österreich (zu Beschwerde Nr. 36409/04) beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

Die Generalprokuratur hat hinsichtlich der Urteile des Landesgerichts St. Pölten und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht folgende Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erhoben:

1./ Welche Verhaltskriterien die Straf- bzw Sanktionslosigkeit bedingende „Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfalt" (§ 29 Abs 1 zweiter Fall MedienG; gleichlautend § 6 Abs 2 Z 2 Litera b, MedienG) erfordert, wird weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien konkretisiert. Der Anforderungsmaßstab zur Klärung der Frage, ob der Journalist „bei Beurteilung der Verdachtsmomente, Anhaltspunkte und Beweismittel die Sorgfalt eines mit der besonderen Verantwortung und den Berufsgrundsätzen verbundenen Journalisten aufgewendet" (EBRV zum MedienG 1981, 2 BlgNR 15. GP, 42) und solcherart „ausreichend recherchiert" (JAB 743 BlgNR 15. GP, 11) hat, ist an der (grundsätzlichen; vgl aber §§ 29 Abs 3; 33 Abs 2, 34 Abs 3 MedienG) Gleichstellung dieser Haftungsfreistellung mit dem Fall des erbrachten Wahrheitsbeweises (§ 29 Abs 1 erster Fall MedienG; § 6 Abs 2 Z 2 Litera a, MedienG) zu orientieren. Ist somit zwar - im Fall eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung - die objektive Wahrheit der Berichterstattung nicht notwendige Bedingung der Sanktionslosigkeit, so ist die Presse gleichwohl zur Wahrhaftigkeit, der einzelne Journalist damit zu objektivem und ernstlichem Bemühen um eine wahrheitsgemäße Darstellung verpflichtet (RIS-Justiz RS0031856). Der Umfang der solcherart geschuldeten journalistischen Nachforschungspflicht ist nicht schematisiert, sondern einzelfallbezogen zu beurteilen (arg. „gebotenen" journalistischen Sorgfalt; 6 Ob 357/04z; Polley in: Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 29 Rz 19). Dessen Ausgangs- und wesentlicher Richtpunkt ist mit Blick auf die in Rede stehende journalistische Pflicht zur Wahrhaftigkeit die (objektiv zu beurteilende) Verlässlichkeit der vom Journalisten herangezogenen Informationsquellen.

Demgemäß ist - nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0108415, RS0031856) und der Lehre (mit unterschiedlicher Akzentuierung; Berka, Das Recht der Massenmedien 219; Ozlberger, Ehrenschutz und Medienstrafrecht2 89 f; Brandstetter/Schmid MedienG2 § 29 Rz 8 ff; Polley aaO § 29 Rz 15 ff; Swoboda, Das Recht der Presse2 69, 153; Burkhardt in: Wenzel/Burkhardt/Gamer/Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung5 402 ff, 408 f, 411 f) - die Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen nicht ausnahmslos Erfordernis für die Einhaltung der in Rede stehenden Sorgfaltsanforderung, das vielmehr zum Grad der Zuverlässigkeit der vom Journalisten für die Veröffentlichung herangezogenen Informationsquellen - nach Art eines „beweglichen Systems" - im Verhältnis einer Wechselwirkung steht. Demnach bedarf es zur Wahrung der journalistischen Sorgfaltspflicht beispielsweise bei Kenntnis amtlicher Urkunden und im Falle amtlicher oder behördlicher Berichte, somit allgemein bei einer aus besonderen Gründen indizierten Verlässlichkeit des Informanten (grundsätzlich) keiner Einholung einer Stellungnahme des von der Mitteilung Betroffenen.

Zudem ist bei der Prüfung der Erfüllung der journalistischen Sorgfaltspflicht die besondere Situation des Medienmitarbeiters in dem Zeitpunkt, in dem er den Beitrag verfasst hat, zu beurteilen (EBRV zum MedienG 1981, 2 BlgNR 15. GP, 42), sodass ein aus dem Zwang zur Aktualität resultierender besonderer Zeitdruck („Eilbedürftigkeit" einer Meldung, etwa wegen bevorstehender Wahlen) zu Abstrichen in Bezug auf die Intensität der sonst erforderlichen Nachforschungen, auch zur fehlenden Sorgfaltswidrigkeit einer unterlassenen Rückfrage beim Betroffenen, führen kann (Berka aaO 219; Ozlberger aaO 90; Swoboda aaO 153; Burkhardt aaO 402 ff, Schippan, Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht, ZUM 5/1996, 402). Für den hier erörterten Sorgfaltsmaßstab ist schließlich auch ins Kalkül zu ziehen, ob die Einholung einer Stellungnahme des von der Mitteilung Betroffenen - wiederum unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten zeitlichen Dimension der Berichterstattung - leicht möglich gewesen wäre (Burkhardt aaO 403, 411 f).

Das Unterbleiben der Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen verletzt daher etwa dann nicht die gebotene journalistische Sorgfalt, wenn der Informant des Journalisten (aus fallbezogen besonderen Gründen) als verlässliche Quelle anzusehen ist und der Betroffene trotz entsprechender Versuche nicht umgehend zu erreichen war, obgleich die Zeit zur Veröffentlichung des Artikels aufgrund der Aktualität der Ereignisse knapp war (6 Ob 78/99k).

Die Einholung einer Stellungnahme des von der Berichterstattung Betroffenen vor der Veröffentlichung ist daher - entgegen der Rechtsansicht des Landesgerichts St. Pölten und des Oberlandesgerichts Wien - nicht absolut notwendige Bedingung der Wahrnehmung der gebotenen journalistischen Sorgfalt (§ 29 Abs 1 MedienG; § 6 Abs 2 Z 2 Litera b, MedienG). Ein derart undifferenziert-schematisiertes Verständnis des Maßstabes journalistischer Sorgfalt widerspräche (mit Blick auf das Gebot einer verfassungskonformen Interpretation) nicht allein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art 10 Abs 2 MRK; dazu Grabenwarter EMRK3 § 18 Rz 14 f; Grote, Wenzel in: Grote/Marauhn, EMRK/GG [2006] Kapitel 18 RN 95); es hätte überdies zur Konsequenz, dass bei Nichterreichen des Betroffenen wegen längerer Abwesenheit oder gar einem Verleugnen-Lassen desselben der Haftungsausschließungsgrund der §§ 29 Abs 1, 6 Abs 2 Z 2 Litera b, MedienG gänzlich unterlaufen werden könnte und dadurch das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung ausgehöhlt wäre (vgl mit Beziehung auf § 11 Abs 1 Z 7 MedienG 11 Os 73/06d, 74/06a, EvBl 2007/71).

Solcherart ist auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Einholung einer Stellungnahme des von der Berichterstattung Betroffenen vor Veröffentlichung per se nicht Erfordernis für die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Der Gerichtshof stellt dabei in ständiger Rechtsprechung vielmehr darauf ab, dass zwar besondere Gründe dafür erforderlich sind, die Medien von ihrer normalerweise bestehenden Verpflichtung zu dispensieren, für Privatpersonen diffamierende Tatsachenbehauptungen durch eigene Recherche zu „verifizieren", derartige Nachforschungen aber - wie im vorigen dargelegt - (insoweit) unterbleiben können, wenn (als) bei ex ante-Betrachtung vernünftigerweise davon ausgegangen werden konnte, dass die herangezogene Informationsquelle zuverlässig ist (Grote, Wenzel aaO Kapitel 18 RN 134; EGMR, Standard Verlags GmbH gegen Österreich, MRK 2007/16; Lindon ua gegen Frankreich, MR 2007, 419; Bladet Tromso gegen Norwegen, ÖJZ 2000/3 [MRK] = EuGRZ 1999, 453).

Fallaktuell versicherte Ludwig Z***** an dem der Wahlveranstaltung folgenden Tag (15. März 2001) in mehreren Telefonaten gegenüber Thomas R***** auch auf ausdrückliche Rückfragen die Richtigkeit der sodann publizierten Äußerungen. Er war dabei mit seiner namentlichen Anführung als Informant in einem etwaigen Artikel ausdrücklich einverstanden und berief sich zudem zum Beweis der Wahrheit seiner Angaben auf einige weitere Zeugen. Dazu ist der Vollständigkeit halber zu bemerken, dass eine Nachfrage bei jenen namhaft gemachten Gewährspersonen (Juliana H***** und Markus S*****; vergleiche AS 21) kein anderes Ergebnis erbracht hätte, weil diese in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme die Richtigkeit der in Rede stehenden verfahrensgegenständlichen Äußerungen bestätigten (AS 102, 106). Im Anschluss an die mit Ludwig Z***** geführten Telefonate versuchte Thomas R***** Nikolaus A***** wiederholt telefonisch zu einer Stellungnahme zu erreichen, nahm hievon letztlich aber aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Redaktionsschlusses Abstand.

Im Hinblick darauf, dass der Präses des Kolpingverbandes Ludwig Z***** als Geistlicher, der zudem trotz mehrfacher Rückfrage die Richtigkeit der Information versicherte und überdies mit seiner namentlichen Erwähnung als Informant ausdrücklich einverstanden war, als fallbezogen aus besonderen Gründen verlässliche Informationsquelle angesehen werden konnte und Nikolaus A***** weiters trotz entsprechender wiederholter Versuche nicht umgehend zu erreichen war, obgleich die Zeit zur Veröffentlichung des Artikels aufgrund der Aktualität der Wahlkampfereignisse knapp war, konnte Thomas R*****, ohne dass die vorliegend gebotene journalistische Sorgfalt die erfolgreiche Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen erfordert hätte, zufolge hinreichender Gründe die inkriminierte, von Ludwig Z***** transportierte Behauptung für wahr halten. Das vom Oberlandesgericht Wien ins Treffen geführte Argument einer aufgrund möglicher unbewusster Wahrnehmungstäuschungen angenommenen generellen potentiellen Unzuverlässigkeit von Zeugen ist nicht zielführend, weil die Begrenzung menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit ein - auch die Person des von einer Berichterstattung Betroffenen begreifendes - allgemeines Phänomen menschlicher Erkenntnisfähigkeit ist, das für die angesprochene konkrete ex ante-Prüfung der Zuverlässigkeit von Informationsquellen nichts austrägt.

Aufgrund des im Übrigen mit Blick auf die gegenständliche Wahlkampfberichterstattung vorgelegenen überwiegenden Interesses der Öffentlichkeit an der in Rede stehenden Veröffentlichung war daher - der Rechtsansicht des Landesgerichts St. Pölten und des Oberlandesgerichts Wien zuwider - der Straflosigkeits- und Haftungsausschlussgrund nach § 29 Abs 1 MedienG sowie § 6 Abs 2 Z 2 Litera b, MedienG verwirklicht.

2./ Der Wahrheitsbeweis ist (bereits) dann erbracht (§ 29 Abs 1 MedienG [§ 111 Abs 3 erster Satz StGB]; § 6 Abs 2 Ziffer 2, Litera a, MedienG), wenn die inkriminierte Behauptung sich in ihrem wesentlichen Inhalt, somit im Aussagekern, nicht notwendigerweise aber auch in sämtlichen Einzelheiten oder unwesentlichen Begleitumständen als richtig erweist (RIS-Justiz RS0115118, 15 Os 44/01 = EvBl 2001/188; Leukauf/Steininger Komm3 § 111 RN 29 mwN; Kienapfel/Schroll BT I5 § 112 Rz 10). Die Erbringung des Wahrheitsbeweises mit Beziehung auf die Behauptung einer getätigten Äußerung ist daher - entgegen der dem Urteil des Landesgerichts St. Pölten offensichtlich zu Grunde gelegenen Rechtsansicht - nicht schon bei Nichterweislichkeit einer Wortgleichheit der tatsächlich getätigten mit der inkriminierten Äußerung zu verneinen; zur Klärung der in Rede stehenden Rechtsfrage (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 9b E 7) bedarf es vielmehr - vorliegend aber vom Landesgericht St. Pölten (unter Verletzung der §§ 29 Abs 1 MedienG [111 Abs 3 erster Satz StGB], 6 Abs 2 Ziffer 2, Litera a, MedienG) unterlassener - Feststellungen (auch) zum Bedeutungsinhalt der nach den Verfahrensergebnissen tatsächlich getätigten Äußerung, um eine Kongruenz im wesentlichen Aussagekern mit der inkriminierten Äußerung beurteilen zu können.

Gemäß der zufolge § 489 Abs 1 StPO (aF und gF) auch im Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Einzelrichters des Landesgerichts durch das Oberlandesgericht anzuwendenden Vorschrift des § 473 Abs 2 StPO (aF und gF) ist das Berufungsgericht grundsätzlich an den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt gebunden und darf von diesem nur nach Beweiswiederholung oder -ergänzung abgehen. Auch darf es (in Erledigung einer Berufung wegen Nichtigkeit) vom Erstgericht unterlassene rechtlich erhebliche Feststellungen, um den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit zu entsprechen - und solcherart den Verfahrensparteien überhaupt Gelegenheit zu geben, im Gerichtstag zu den noch zu klärenden Tatfragen Stellung zu nehmen (S. Mayer Commentar § 474 Rz 29 f, 32) -, nur dann selbst treffen, wenn es die für die Beurteilung der betreffenden Tatumstände in Betracht kommenden Beweise im Wege der Ergänzung des Beweisverfahrens selbst aufgenommen hat (RIS-Justiz RS0101766; Fabrizy StPO10 § 473 Rz 3). Der Vorgang, dass das Oberlandesgericht Wien ohne entsprechende Beweisaufnahme im Gerichtstag zur Verhandlung über die Berufung (ON 47) Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der tatsächlich getätigten Äußerung des Privatanklägers und Antragstellers getroffen hat, verletzt daher das Gesetz in der genannten Bestimmung.

3./ Der - unter denselben Voraussetzungen für Medieninhaltsdelikte als Rechtsfertigungsgrund anerkannte (Polley aaO Vor §§ 28 bis 42 Rz 48 bis 50) - Ausschlussgrund wahrheitsgetreuer Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (§ 6 Abs 2 Z 4 MedienG) erfordert neben der Erkennbarkeit der Äußerung als Zitat und einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Kenntnis der zitierten Äußerung das Fehlen einer Identifikation der Veröffentlichung mit den zitierten Vorwürfen (Berka in: Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG2 § 6 Rz 47 ff). Im Hinblick auf die Bejahung eines überwiegenden öffentlichen Veröffentlichungsinteresses (im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Wahrnehmung der journalistischen Sorgfalt; US 16) und die Konstatierungen zur wahrheitsgetreuen Zitierung der inkriminierten Äußerung (US 10) hätte das Landesgericht St. Pölten zur Beurteilung des Vorliegens des, wie erwähnt, vom Beschuldigten und der Antragsgegnerin geltend gemachten in Rede stehenden Ausschlussgrundes - indes unter Verletzung des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG unterbliebene - Feststellungen zur Frage einer Identifizierung der Veröffentlichung mit den zitierten Vorwürfen oder aber deren neutraler Wiedergabe zu treffen gehabt.

Da das Oberlandesgericht Wien auch zu dieser Tatfrage ohne entsprechende Beweisaufnahme im Gerichtstag ergänzende Urteilsfeststellungen getroffen hat, wurde das Gesetz aus den zuvor dargelegten Erwägungen auch in dieser Hinsicht in § 473 Abs 2 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO verletzt.

Darüber hinaus hat die Generalprokuratur folgenden Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 362 Abs 1 Ziffer 2, StPO gestellt:

Im Übrigen ergeben sich gegen die Richtigkeit dieser für die Ablehnung des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs 2 Ziffer 4, MedienG entscheidenden Tatsachenannahmen einer nicht distanzierten, sondern identifizierenden Berichterstattung erhebliche Bedenken:

Für den dabei anzuwendenden Prüfungsmaßstab ist zum einen davon auszugehen, dass als Folge der im Bereich der Mediengerichtsbarkeit aus einer an der MRK orientierten Interpretation innerstaatlicher Verfahrensbestimmungen abzuleitenden Einschränkung des Beweiswürdigungsermessens eine aus Sicht des Obersten Gerichtshofs nicht sachgerechte Lösung der Tatfrage durch die Tatrichter viel eher als erheblich bedenklich zu qualifizieren ist und daher die Erheblichkeitsschwelle im Sinne des § 362 Abs 1 StPO bei der Kontrolle medienrechtlicher Entscheidungen in tatsächlicher Hinsicht niedriger anzusetzen ist als in anderen Fällen; zum anderen aber davon, dass - entgegen der gegenteiligen, für Strafurteile nicht aufrechterhaltenen Judikatur in Medienrechtssachen, wonach bei Vorliegen mehrerer Auslegungsvarianten einer Äußerung der Äußernde regelmäßig die für ihn ungünstigste gegen sich gelten lassen muss - im Fall, dass verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehaltes einer Aussage nicht ausgeschlossen werden können, entsprechend dem im Strafprozess geltenden Grundsatz „in dubio pro reo" vergleiche § 14 StPO nF) von der für den Angeklagten günstigsten Variante auszugehen ist (RIS-Justiz RS0123503, RS0123504).

Bei Anlegung dieses Beurteilungsmaßstabes erweist sich die Tatsachenannahme einer „zwischen den Zeilen" erfolgten Identifizierung des Berichtes mit dem inkriminierten Zitat als schlechterdings spekulativ. Über sämtliche im Artikel mitgeteilten Vorgänge bei der im Kolpingheim abgehaltenen Wahlkampfveranstaltung der FPÖ wird in Form von Zitaten des Kolping-Präses Ludwig Z***** berichtet, wobei auch die daran anschließenden, die publizierte (vermeintliche) Äußerung des Privatanklägers und Antragstellers kommentierenden Anmerkungen, aus der durchgehenden Verwendung des Konjunktivs und Setzung von Anführungszeichen klar ersichtlich, Zitate des Ludwig Z***** darstellen. Eine Identifizierung mit dem solcherart in neutraler Weise Zitierten nahelegende Darstellungsmerkmale sind dem in Rede stehenden Artikeltext - auch bei gebotener Gesamtbetrachtung der Veröffentlichung - weder in gestaltungsformaler noch semantischer Hinsicht zu entnehmen. Daran vermag schließlich auch das zu Beginn des Textes berichtete „Entsetzen beim Österreichischen Kolpingwerk" über die angesprochene Wahlkampfveranstaltung nichts zu ändern, weil der sowohl im Text als auch Sinnzusammenhang unmittelbar darauffolgende Beginn der Zitierung des Kolping-Präses Ludwig Z***** unmissverständlich klarstellt, dass damit - abseits einer identifizierend-wertenden Betrachtung des Journalisten - über ein von jenem selbst geäußertes Entsetzen berichtet wird.

Auf der Tatsachengrundlage einer somit vorliegend distanzierten Berichterstattung - eine (dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit nach Art 10 MRK zuwiderlaufende) Verpflichtung der Presse zu systematischer und förmlicher Distanzierung vom Inhalt eines diffamierenden Zitates besteht nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht (Albert-Engelmann-Gesellschaft mbH gegen Österreich, MRK 2006/15; Standard Verlags GmbH gegen Österreich, MR 2007, 17) - war mithin der Rechtfertigungs- bzw Ausschlussgrund wahrheitsgetreuer Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (§ 6 Abs 2 Ziffer 4, MedienG) verwirklicht.

Die Wahrnehmung des Haftungsausschlusses der Aufwendung journalistischer Sorgfalt (§ 292 letzter Satz StPO) hätte den Freispruch vom Anklagevorwurf der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages gemäß § 6 Abs 1 MedienG zur Folge, ließe aber die in §§ 29 Abs 3, 33 Abs 1 letzter Satz und 34 Abs 3 MedienG (neben der Kostenersatzpflicht des Beschuldigten) für Urteilsveröffentlichung und Einziehung angeordneten Sanktionsfolgen unberührt.

Nach den mit der Mediengesetz-Novelle 2005 (BGBl I 2005/49) eingefügten Bestimmungen der §§ 33 Abs 2a und 34 Abs 3a MedienG ist die Einziehung und Urteilsveröffentlichung im Fall der Wiedergabe der Äußerung eines Dritten im Sinn des § 6 Abs 2 Ziffer 4, MedienG jedenfalls unzulässig. Nach der zu dieser Novelle ergangenen Übergangsbestimmung des Art römisch VI b sind (auch) die §§ 33 und 34 in der in Rede stehenden Fassung der Mediengesetz-Novelle 2005 nur auf nach deren Inkrafttreten (1. Juli 2005; Art VI a Abs 3) verbreitete Mitteilungen und Darbietungen anzuwenden. Die zum Inkrafttreten des Mediengesetzes 1981 (BGBl 1981/314) ergangene Übergangsbestimmung des Art römisch VI Abs 4 sieht dem gegenüber mit Beziehung (auch) auf die §§ 33 und 34 dieses Bundesgesetzes - auch für den Fall eines bei Inkrafttreten bereits gefällten, aber infolge eines Rechtsmittels oder einer Wiederaufnahme des Strafverfahrens aufgehobenen Urteils erster Instanz (Art römisch VI Abs 5) - einen Günstigkeitsvergleich dahin vor, dass diese auch auf vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangene Taten anzuwenden sind, es sei denn, dass die Bestimmungen, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung günstiger wären. Im Hinblick auf die für die Einfügung der genannten Bestimmungen der §§ 33 Abs 2a und 34 Abs 3a MedienG maßgeblichen - auf grundlegende Bedenken einer mangelnden Verfassungskonformität der bisherigen Urteilsveröffent- lichung und Einziehung auch bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gerechtfertigter und wahrheitsgetreuer Wiedergabe der Äußerung eines Dritten (§ 6 Abs 2 Ziffer 4, MedienG) zulassenden Rechtslage im Lichte des Art 10 MRK gegründeten - legistischen Erwägungen (EBRV 784 BlgNR 22. GP, 17 f) ist in Ansehung des Unterbleibens einer der genannten Übergangsbestimmung nach Art VI Abs 4 (und 5) entsprechenden Anordnung eines Günstigkeitsvergleiches in der erwähnten Übergangsbestimmung des Art VI b von einer im Sinne eines auch in Anbetracht der §§ 33 Abs 2a und 34 Abs 3a MedienG vorzunehmenden Günstigkeitsvergleiches zu schließenden planwidrigen Lücke auszugehen. Daraus folgt die fallaktuelle Anwendbarkeit dieser für den Beschuldigten und die Antragsgegnerin jedenfalls günstigeren Bestimmungen.

Ein Vorgehen nach § 362 Abs 2 StPO ermöglichte dem Obersten Gerichtshof solcherart eine sofortige gänzliche Sanktionsbereinigung.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

ad 1./:

Bei der Prüfung, ob die journalistische Sorgfalt eingehalten wurde, ist von der Maßfigur eines verantwortungsvollen, gewissenhaften, verständigen, sach- und fachkundigen Journalisten auszugehen, der sorgfältige Recherchen anstellt und dabei dem Grundsatz „audiatur et altera pars" - welchem in der Regel durch Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zu entsprechen ist - Rechnung trägt. Dies ist nicht in allen Fällen absolut notwendig. vielmehr kann in Ausnahmefällen darauf verzichtet werden, insbesondere dann, wenn die Informationsquelle eine besonders verlässliche ist und die Einholung einer Stellungnahme aus besonderen Umständen innerhalb angemessener Zeit nicht möglich war. Der bloße Wunsch, möglichst rasch berichten zu können, entbindet hievon jedoch nicht vergleiche Rami in WK2 MedienG § 29 Rz 9).

Im konkreten Fall liegt ein solcher Ausnahmefall - entgegen der Wahrungsbeschwerde - nicht vor. Denn zum einen kann allein darin, dass der vom Journalisten einzig kontaktierte Informant ein Geistlicher und mit seiner Namensnennung einverstanden war, noch nicht jene besondere (jegliche Verifizierung bzw Gegenrecherche überflüssig machende) Verlässlichkeit der Informationsquelle gesehen werden, wie etwa bei Vorliegen einer echten amtlichen Urkunde vergleiche WK2 MedienG aaO; Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 § 29 Rz 19), zum anderen bestand schon deshalb keine tagesaktuelle Dringlichkeit der Veröffentlichung, weil die bezughabende Wiener Gemeinderatswahl am 25. März 2001, somit erst neun Tage nach Erscheinen des Artikels stattfand.

Die erkennenden Gerichte durften daher ohne Gesetzesverletzung davon ausgehen, dass die journalistische Sorgfaltspflicht im konkreten Fall nicht erfüllt worden ist.

ad 2./ und 3./:

Das Berufungsgericht hat seine - zur Beurteilung der Frage, ob eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung des Privatanklägers vorlag, notwendigen - Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der tatsächlichen Äußerung des Privatanklägers und zur Frage einer Identifikation der Veröffentlichung mit den zitierten Vorwürfen ohne jedes Beweisverfahren getroffen, sodass es § 474 StPO aF in Verbindung mit § 489 Abs 1 StPO verletzt hat, weil in erster Instanz unterlassene Feststellungen vom Berufungsgericht nur nach Maßgabe des vierten und fünften Abschnitts des römisch XVII. (seit 1. Jänner 2008: 14.) Hauptstücks nachgeholt werden können (Ratz, WK-StPO § 473 Rz 13, 17; 15 Os 15/08g). Unabdingbare prozessuale Voraussetzung für Feststellungen des Oberlandesgerichts zu diesen Fragen wäre somit eine Verlesung des inkriminierten Artikels in der Berufungsverhandlung gewesen.

Entgegen der Äußerung des Privatanklägers haben sich Verurteilter und Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren auf den Ausschlussgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG berufen (ON 6, S 41), eines darüber hinaus gehenden Vorbringens in der am 16. Oktober 2003 neu durchgeführten Hauptverhandlung bedurfte es nicht (Rami in WK2 MedienG § 8 Rz 13; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 24).

Die zum Nachteil der Antragsgegnerin wirkende Gesetzesverletzung war festzustellen, es war das Urteil des Oberlandesgerichts aufzuheben und diesem die neue Verhandlung und Entscheidung über die Berufungen aufzutragen.

Darin liegt - der Äußerung des Privatanklägers zuwider - kein Verstoß gegen Art 1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK, weil der Eingriff in seine Vermögensposition durch Aufhebung eines rechtskräftig zuerkannten Entschädigungsanspruchs auf gesetzlicher Grundlage beruht, dem öffentlichen Interesse der richtigen Rechtsanwendung dient und sogar innerhalb der Zeit erfolgt, in der noch beim EGMR in Bezug auf das rechtskräftige Urteil ein Verfahren über eine Individualbeschwerde anhängig ist, sodass sich der Privatankläger auch nicht auf das Prinzip der Rechtssicherheit berufen kann vergleiche EGMR 2. 11. 2004, 61333/00 [Trebugenko/UA]; EGMR 18. 1. 2007, 55531/00 [Sitkov/RUS]; EGMR 3. 4. 2008, 3236/03 [Ponomaryov/UA]).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zu verwerfen.

Mit ihrem Antrag auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß Paragraph 362, Abs 1 Z 2 StPO zufolge behaupteter erheblicher Bedenklichkeit der (prozessfehlerhaft zustande gekommenen) Feststellungen des Oberlandesgerichts hinsichtlich einer identifizierenden Berichterstattung war die Generalprokuratur auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Äußerung des Verurteilten und der Antragsgegnerin zur Wahrungsbeschwerde bedarf es nicht, setzt sich diese doch nicht mit den geltend gemachten Gesetzesverletzungen auseinander und zeigt mit der Behauptung der Ausgeschlossenheit der erkennenden Richter des Oberlandesgerichts auch keinen - gegebenenfalls amtswegig wahrzunehmenden, einem materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund gleichkommenden - Rechtsfehler (§ 290 Abs 1 StPO) des angefochtenen Urteils auf.