Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

26.08.2008

Geschäftszahl

4Ob105/08g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Krüger Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichischer Rundfunk (ORF), Wien 13, Würzburggasse 30, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28. März 2008, GZ 4 R 190/07a-13, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 18. September 2007, GZ 18 Cg 99/07h-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin betreibt ein regionales Hörfunkprogramm für das Versorgungsgebiet Vorarlberg, der Beklagte als Stiftung des öffentlichen Rechts ua das bundeslandweit empfangbare Hörfunkprogramm „Radio Vorarlberg" sowie das österreichweit empfangbare Fernsehprogramm ORF 2. In diesem Fernsehprogramm wird täglich gegen 18:57 Uhr auf regionale, von den einzelnen Landesstudios des Beklagten gestaltete, Sendungen „umgeschaltet", darunter die um 19 Uhr beginnende und in Vorarlberg empfangbare Sendung „Vorarlberg Heute", die - ebenso wie „Radio Vorarlberg" - aus dem Landesstudio Vorarlberg des Beklagten kommt. Dieser Wechsel von österreichweit zu bundeslandweit ausgestrahlten Sendungen verläuft derart, dass die Programmkennung „ORF 2" eingeblendet und darüber der Schriftzug „Es folgen Sendungen aus Ihrem Bundesland" gelegt wird; vor dem Beginn der jeweiligen Regionalsendung „Bundesland Heute" werden fallweise noch Programminformationen und sonstige Hinweise ausgestrahlt. Solche Ankündigungen im bezeichneten Zeitfenster vor 19 Uhr sind Gegenstand der auf einen behaupteten Lauterkeitsverstoß gegründeten Unterlassungsklage.

Die Klägerin beantragte zuletzt, der Beklagten zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, zu Wettbewerbszwecken im Fernsehprogramm von ORF 2 in der unmittelbar vor Beginn der Sendung „Vorarlberg Heute" regionalisierten Sendestrecke das Hörfunkprogramm von Radio Vorarlberg durch die Sendung von Spots zu bewerben, die durch ihre audio-visuelle Gestaltung entweder eine Imagewerbung für dieses Programm bewirken oder den werblichen Charakter in den Vordergrund rücken, so dass bloß informative und redaktionelle Inhalte bezogen auf einzelne Sendeinhalte im Hintergrund stehen oder gar nicht vorliegen; dies gilt insbesondere für die Ausstrahlung von Fernsehspots, in denen mit Hilfe audio-visueller Darstellungen wie folgt geworben wird:

a) für die Einladung zu einem „Radio Vorarlberg Familienschitag" mit der Ankündigung eines im Programm von Radio Vorarlberg stattfindenden Gewinnspiels für Tageskarten für die ganze Familie;

b) für ein im Programm von Radio Vorarlberg stattfindendes Reisegewinnspiel für eine Wochenendreise für zwei Personen in eine europäische Hauptstadt, wobei im Fernsehspot der Gewinn der Reise im Vordergrund steht;

c) für eine Messeveranstaltung und den Besuch eines dort befindlichen Standes von Radio Vorarlberg mit der Ankündigung von Berichten über bestimmte Messeereignisse und der Durchführung eines Gewinnspiels, ohne anzugeben, zu welchem Zeitpunkt und ob nur auf der Messe selbst oder auch im Programm von Radio Vorarlberg berichtet wird;

d) für das Programm von Radio Vorarlberg durch das einige Sekunden lang andauernde Anspielen von zwei populären Musiktiteln und den gesprochenen Text „Radio Vorarlberg - Das ist Musik für den Vormittag" oder „Radio Vorarlberg - Das ist Musik für den Nachmittag" und der Ankündigung, dass diese Musiktitel innerhalb eines bestimmten Zeitraums im Programm von Radio Vorarlberg gespielt werden. Die im Antrag näher beschriebenen Ankündigungen verstießen als „cross promotion" gegen Paragraph 13, Absatz 9, ORF-G in Verbindung mit Paragraph eins, UWG, weil sie nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise nicht als bloße Hinweise auf Sendungsinhalte, sondern als reine Werbung anzusehen seien.

Der Beklagte wendete ein, die beanstandeten Sendungsinhalte hielten sich im Rahmen der genannten Norm, weil es sich dabei um bloße Hinweise auf Radioprogramme, nicht aber um Imagewerbung handle. Das Bewerben von Veranstaltungen, die von Radio Vorarlberg mitorganisiert würden, sei zulässig. Jedenfalls sei die Auslegung der genannten Bestimmung durch den Beklagten mit guten Gründen vertretbar. Es fehle an einer spürbaren Nachfrageverlängerung wegen des beanstandeten Verhaltens.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Unterlassungsbegehren sei völlig unbestimmt, weil es sich nicht allein am konkret behaupteten Verstoß orientiere, sondern sämtliche denkbaren Verstöße gegen die angeblich übertretene Bestimmung umfasse, womit die Unterlassungspflicht so undeutlich umschrieben werde, dass ihre allfällige Verletzung im Exekutionsverfahren nicht eindeutig festgestellt werden könne.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil in Wettbewerbssachen eine erhebliche Rechtsfrage auch dann vorliege, wenn zu maßgeblichen unbestimmten Rechtsbegriffen zwar schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze bestünden, die konkrete Lösung des zu entscheidenden Falls sich aber daraus noch nicht ohne Weiteres ergebe. Das Sicherungsverfahren sei ausreichend bestimmt. Paragraph 13, Absatz 9, ORF-G verfolge den Zweck, mögliche Wettbewerbsverzerrungen infolge des Wettbewerbsvorteils des Beklagten, mehrere Fernseh- und Hörfunkprogramme zu veranstalten und diese gegenseitig bewerben zu können, hintanzuhalten. Das Verbot der „cross promotion" erfasse hingegen nicht neutral gehaltene Informationen über einzelne Sendeinhalte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) sei die Ausnahmebestimmung nicht extensiv auszulegen und erfasse typische „Imagewerbung" nicht (VwGH 20.10.2004, Zl 2003/04/0179); um den Ausnahmetatbestand zu erfüllen, habe der werbende Inhalt des Hinweises im Hintergrund, der informative und redaktionelle Inhalt im Vordergrund zu stehen (VwGH 27.01.2006, Zl 2004/04/0114). Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) halte die Auslegung der Bestimmung dahin, dass ein Hinweis auf Sendungsinhalte neutral zu sein habe und keine Imagewerbung bilden dürfe, aus verfassungsrechtlicher Sicht für unproblematisch (VfGH 13.06.2005, VfSlg 17.568/2005). Der Bundeskommunikationssenat (BKS) stelle in seiner Spruchpraxis darauf ab, ob der bewerbende Charakter eines Hinweises auf eine Sendung im Vordergrund stehe (BKS 01.06.2005, 611.009/0020-BKS/2004). Die Tatsache allein, dass die Bewerbung eines Hörfunkprogramms in eine Veranstaltungsankündigung „hineinverpackt" werde, dispensiere nicht vom Verbot der „cross promotion". Es komme nicht darauf an, ob der Hinweis auf die Veranstaltung oder aber die Hinweise auf das Hörfunkprogramm im Vordergrund des Beitrags stünden; bewirke jedoch die wiederholte akustische und optische Erwähnung des Radioprogramms einen ausgeprägten werblichen Effekt beim Publikum des Fernsehprogramms zu Gunsten des Hörfunkprogramms, so werde genau jener Erfolg verwirklicht, den Paragraph 13, Absatz 9, ORF-G verhindern wolle (BKS 26.03.2007, 611.009/0006-BKS/2007).

Die Ankündigung zum Familienschitag gehe über einen neutralen Hinweis auf einen Sendungsinhalt hinaus, weil sie im Zusammenhang mit einem Gewinnspiel unter Nennung des Gewinns eine Veranstaltung werbewirksam zu nützen versuche, ohne zugleich Informationen oder nähere Auskünfte über konkrete Sendungsinhalte zu vermitteln. Auch die Ankündigung betreffend das Bodenseemagazin enthalte keine konkreten Informationen über einen Sendungsinhalt. In der Ankündigung zur Dornbirner Messe dominiere der Werbecharakter, weil nur eine Veranstaltung beworben, nicht aber der konkrete Inhalt einer Sendung erwähnt werde; es fehlten wesentliche Angaben, wie etwa Titel und Sendezeit. Auch bei der vierten Ankündigung stehe für einen unbefangenen Betrachter die Imagewerbung im Sinne der positiven Darstellung eines Hörfunkprogramms im Vordergrund; ein Hinweis auf zwei Musiktitel, die in einer Musiksendung gespielt würden, sei gegenüber dem allgemeinen Hervorheben des Radiosenders ein bloßes „Feigenblatt", um den Gesamteindruck als Imagewerbung abzuschwächen; es fehle wieder jeder Hinweis auf einen Sendungstitel und eine bestimmte Sendung. In sämtlichen Ankündigungen träten Elemente eines (erlaubten) Sendungshinweises zu Gunsten einer (unerlaubten) Imagewerbung in den Hintergrund. Die Nennung des Programmnamens „Radio Vorarlberg" stelle jeweils einen eindeutigen Bezug zum Hörfunkprogramm der Beklagten her, wodurch es zu einer Imageförderung komme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den OGH nicht bindenden (Paragraph 526, Absatz 2, ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts unzulässig; die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd Paragraph 528, Absatz eins, ZPO ab.

1. Zur Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs (OGH) in Wettbewerbssachen hat der Senat zuletzt ausgesprochen, dass die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit im Rahmen höchstgerichtlicher Leitlinien innerhalb eines gewissen Beurteilungsspielraums primär Aufgabe der Gerichte zweiter Instanz ist und der Gesetzgeber Wettbewerbssachen insofern keine Sonderstellung eingeräumt hat. Somit gelten auch in solchen Rechtssachen die allgemeinen, den Zugang zum OGH regelnden Kriterien (4 Ob 121/07h mwN).

2. Das Rekursgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Senats zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch" zugrunde gelegt und insbesondere geprüft, ob die Rechtsansicht des Beklagten vertretbar und das beanstandete Verhalten geeignet war, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. An dieser Rechtslage hat sich durch die UWG-Novelle 2007 im Kern nichts geändert (4 Ob 225/07b mwN; 4 Ob 51/08s).

3. Der OGH hat sich bereits mit Inhalt und offenkundigem Zweck des Paragraph 13, Absatz 9, ORF-G auseinandergesetzt, - vor dem Hintergrund einer nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung vertretbaren Auslegung - (4 Ob 8/03k = MR 2003, 261 [Swoboda, 264) = ÖBl 2004, 68 - cross promotion; RIS-Justiz RS0077771 [T55]). Seither sind mehrere Entscheidungen des VwGH und des VfGH zu dieser Norm ergangen, und es besteht auch eine reichhaltige - im Rechtsmittel als „verfeinert" bezeichnete - Entscheidungspraxis des für den Vollzug der genannten Norm zuständigen BKS. Das Rekursgericht hat diese reichhaltige Rechtsprechung zutreffend referiert und daraus keine unvertretbaren Schlussfolgerungen für die konkret zu beurteilenden Ankündigungen gezogen.

4. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen zulässigen Ankündigungen in Gestalt neutral gehaltener Informationen über einzelne Sendungsinhalte und nach Paragraph 13, Absatz 9, ORF-G unzulässigen, weil werblich gestalteten, Ankündigungen (einschließlich typischer „Imagewerbung") ist demnach, ob bei einer Gesamtbetrachtung aller Gestaltungselemente der werbende Inhalt oder der informative und redaktionelle Inhalt im Vordergrund stehen.

5. Inwieweit der Beklagte auf dieser Grundlage hätte erkennen müssen, dass bei den beanstandeten Ankündigungen wegen fehlender oder nicht ausreichender Hinweise auf konkrete Sendungen und deren Inhalte die allgemein werbenden Gestaltungselemente im Sinne einer Imagewerbung im Vordergrund standen, hängt von der konkreten Gestalt der jeweiligen Ankündigung ab. Eine auffallende Fehlbeurteilung bei der dem Rekursgericht obliegenden Ermessensentscheidung liegt aber - wie bereits erwähnt - in keinem der strittigen Fälle vor.

6. Um dem Verpflichteten eine Umgehung des Unterlassungsgebots nicht allzu leicht zu machen, gestattet die ständige Rechtsprechung eine weitere Fassung des Gebots. Dabei muss der Kern der Verletzungshandlung so erfasst sein, dass unter den Schutzumfang des Unterlassungsanspruchs nicht nur völlig gleichartige Handlungen sondern auch alle anderen fallen, die diesen Kern unberührt lassen (RIS-Justiz RS0037733). Ob das Unterlassungsgebot im Einzelfall diesen Voraussetzungen gerecht wird, bildet regelmäßig - vom hier nicht vorliegenden Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 180/06h; RIS-Justiz RS0037671).

7. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, jene über die Kosten des Beklagten auf Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraphen 40,, 41 50 Absatz eins, Da die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.