Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

29.04.2008

Geschäftszahl

11Os124/07f (11Os125/07b)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Schroll und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer, in der Medienrechtssache des Antragstellers Peter W***** gegen die Antragsgegnerin S***** GmbH wegen §§ 6 ff MedienG, AZ 094 Hv 12/04d des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Generalprokuratur gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO hinsichtlich der Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. April 2004, GZ 094 Hv 12/04d-29, und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. November 2004, AZ 17 Bs 249/04, nach Anhörung der Parteien des Medienrechtsverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Stattgebung des Antrags wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens AZ 094 Hv 12/ 04d des Landesgerichts für Strafsachen Wien verfügt. Die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. April 2004, GZ 094 Hv 12/04d-29, und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. November 2004, AZ 17 Bs 249/04, werden aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Der Medienrechtssache des Antragstellers Peter W***** gegen die Antragsgegnerin S***** GmbH als Medieninhaberin lag ein in der periodischen Druckschrift „Der S*****" am 14. April 2003 - in der Rubrik „Kommentar" - auf Seite 24 unter der Überschrift „Idee und Methode" veröffentlichter Artikel folgenden Inhalts zugrunde:

„Wahrscheinlich kann Peter W***** gar nicht anders. Das ist die Idee, wenn man im Zusammenhang mit Peter W***** von einer Idee sprechen kann: Wie der Stein, von der Hand losgelassen, zu Boden fällt, denken W***** und seinesgleichen nur an ihresgleichen.

Die Idee hat ihn groß gemacht, ihr verdankt der Ex-FPÖ-Klubmann den Job als Fußball-Bundesliga-Vorstand. Denn Frank St***** vergisst die Seinen nicht. W***** holte nun den Ex-FPÖ-Medienmenschen Kurt L***** als 'persönlichen Assistenten' in die Liga nach. Der Ex-FPÖ-Buberlpartieführer Gernot R***** darf angeblich auf Liga-Aufträge hoffen.

Nicht die Mitwirkung hoher Politiker im Profifußball ist neu - ÖGB- und Parlamentspräsident Anton B***** beschützte stets die Rapid - aber die Methode zur Idee: Erst richten wir uns ein, dann richten wir's uns. Die Methode klappt in der Bundesliga genauso wie bei der Pensions- oder Universitätsreform. W***** richtet sich die Bundesliga her, als gehöre sie ihm, Günter Stu***** (um nur einen zu nennen) die Pensionsreform. Die Umfärbung des stillen Teichs Fußball-Bundesliga in eine seichte blaue Lagune ist nur ein Tupfen auf der Leinwand des Landes. Und der Umfärbung folgt die Umdeutung. Ahnungslosigkeit wird zum Markenzeichen - der Lobbyist W***** war bei Antritt seines Jobs als Vorstand frei von belastendem Wissen um den Begriffsinhalt Lobbyist. Eine Liga mit der Schweiz, von der keiner weiß, was sie bringen soll? Machen wir eine Studie, gezahlt wird sowieso von anderen!

W***** ist Teil einer in Wiener Nachtlokalen heimischen Schickimicki-Blase, die den Fußball in Geiselhaft nimmt. St*****, der erfahrene Lobbyist, patronisiert das. Jemand wird profitieren - die Fußball-Bundesliga sicher nicht."

Im ersten Rechtsgang wies das Landesgericht St. Pölten mit Urteil vom 30. Juli 2003, GZ 32 Hv 27/03b-5, folgende Anträge ab:

1. Bezahlung einer Entschädigung gemäß § 6 MedienG,

2. Einziehung der noch zur Verbreitung bestimmten Medienstücke der periodischen Druckschrift „Der S*****" vom 14. April 2003 gemäß § 33 Abs 2 MedienG und

3. Urteilsveröffentlichung gemäß Paragraph 34, Abs 3 MedienG.

Es verpflichtete den Antragsteller gemäß § 390 StPO in Verbindung mit § 41 MedienG zum Kostenersatz.

In Stattgebung der Berufung des Antragstellers kassierte das Oberlandesgericht Wien am 11. November 2003, AZ 17 Bs 298/03 (ON 10), das erwähnte Urteil und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung zum Bedeutungsinhalt auf, um darauf aufbauend in die Prüfung einer möglichen Ehrenrührigkeit der inkriminierten Textstellen eintreten zu können. Inhaltlich ging der Rechtsmittelsenat von einer „massiven Ehrenrührigkeit" der ohne tatsächlichen Hintergrund „auf pragmatischer Ebene zugemittelten und sohin mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung bislang nicht zu vereinbarenden Information" aus, zumal dem Antragsteller primär unterstellt werde, „im Zuge seiner Tätigkeit für die Fußball-Bundesliga ausschließlich Interessen zum persönlichen Vorteil zu verfolgen", „zu Lasten des von ihm vertretenen Unternehmens - geradezu als untreuer Machthaber - (sinnlose) Studien in Auftrag zu geben" und so „das Geld der Österreichischen Fußball-Bundesliga zu verjuxen" (S 59).

Die Antragsgegnerin wurde im zweiten Rechtsgang mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. April 2004, GZ 094 Hv 12/04d-29, gemäß § 6 Abs 1 MedienG verurteilt, dem Antragsteller einen Entschädigungsbetrag in der Höhe von 4.500 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen, weil durch die Veröffentlichung des gegenständlichen Artikels mit den darin über den Antragsteller verbreiteten Behauptungen, „er, als Vorstand der österreichischen Bundesliga, könne gar nicht anders als nur an seinesgleichen zu denken; würde es sich richten; richte sich die österreichische Bundesliga her 'als gehöre sie ihm'; 'färbe' die Bundesliga 'blau um'; trage 'Ahnungslosigkeit' als 'Markenzeichen'; würde auf Kosten der österreichischen Bundesliga Studien in Auftrag geben, die nichts bringen würden; sei 'Teil einer in Wiener Nachtlokalen heimischen Schickimicki-Blase, die den Fußball in Geiselhaft nimmt'" in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB sowie jener der Verspottung nach Paragraph 115, StGB hergestellt wurde. Zudem wurde auf Urteilsveröffentlichung gemäß § 8a Abs 6 MedienG erkannt, gemäß Paragraph 33, Absatz 2, MedienG die Einziehung der zur Verbreitung bestimmten Medienstücke der Ausgabe der Tageszeitung „Der S*****" vom 14. April 2003 verfügt und die Antragsgegnerin gemäß § 389 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG zum Ersatz der Verfahrenskosten einschließlich jener für die Urteilsveröffentlichung verpflichtet.

Zum Bedeutungsinhalt des Artikels führt das Erstgericht als Vorfrage zum relevanten Adressatenkreis aus (S 157 ff), dass dem durchschnittlichen Leser der Tageszeitung „Der S*****" mit anspruchsvollem Niveau grundsätzlich die Sensibilität der Wahrnehmung von Vorwürfen zuzusinnen sei, jedoch auch beim „S*****-Leser" jenes Segment nicht außer Acht gelassen werden dürfe, das bloß überschlagsartig, ohne etwas zu hinterfragen, seinen Wissensstand zu vergrößern suche.

Nach Ansicht des Erstgerichts seien die im Urteilsspruch hervorgehobenen Textstellen im Zusammenhalt mit der „massiv negativen Grundtendenz und Untergriffigkeit des Artikels" als „abwertende, schmähende und verspottende Bewertung der Person und der Arbeit" des Antragstellers zu sehen. Diesem werde im Kontext unterstellt, als Vorstand der Bundesliga „ausschließlich Interessen zu seinem persönlichen und zum Vorteil seiner Parteifreunde zu verfolgen", es werde der Bedeutungsinhalt vermittelt, „der Antragsteller lasse sich bei seinen Entscheidungen als Bundesligavorstand ausschließlich von persönlichen und somit sachfremden, nicht objektiven, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgenden Kriterien lenken". Ohne jegliche sachliche Information oder Nennung von Hintergründen erfahre der Leser, der Antragsteller „würde in schädigender Weise zur Last seines Dienstgebers bzw des von ihm vertretenen Unternehmens, nahezu als untreuer Machthaber sinnlose und wertlose Studien in Auftrag geben und so das Geld der österreichischen Fußball-Bundesliga 'verjuxen'".

Neben der verspottenden und abwertenden Bewertung der Person und der Arbeit von Peter W***** finde sich der Verhaltensvorwurf, dieser lasse sich bei Entscheidungen - etwa der Bestellung eines persönlichen Assistenten und der Beauftragung einer von Anfang an sinnlosen Studie - ausschließlich von den zuvor skizzierten, sachfremden Motiven leiten.

Von diesem Bedeutungsinhalt ausgehend erachtete das Erstgericht die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 6 Absatz 12, MedienG als gegeben (S 171 f), weil der Vorwurf, jemand treffe seine Entscheidungen als Vorstand lediglich zu seinem und seiner Parteifreunde Vorteil und „verjuxe" das Geld des von ihm vertretenen Unternehmens nahezu als untreuer Machthaber, das Tatbild des § 111 (Absatz eins,) StGB und die im Kommentar insgesamt dem Antragsteller gegenüber zum Ausdruck gebrachte Missachtung („könne gar nicht anders, als nur an seinesgleichen zu denken", „würde es sich richten", „trage Ahnungslosigkeit als Markenzeichen", „sei Teil einer in Wiener Nachtlokalen heimischen Schickimicki-Blase, die den Fußball in Geiselhaft nehme") den Tatbestand des § 115 Absatz eins, StGB jeweils in objektiver Hinsicht erfüllten.

Es handle sich mangels zugrunde liegenden, dem Medienkonsumenten eine selbständige Beurteilung ermöglichenden Tatsachensubstrats nach Ansicht des Erstgerichts fallbezogen nicht um eine von Art 10 EMRK umfasste und dann als solche nicht tatbestandsmäßige politische oder gesellschaftliche Bewertung eines inhaltlich dargestellten Verhaltens. Zudem würden keine politischen Handlungen und Entscheidungen des Antragstellers kritisiert, sondern ausschließlich dessen Tätigkeit als Vorstand der Bundesliga. Der Leser des Artikels erfahre etwa nicht, dass es gar nicht in der Entscheidungskompetenz von Peter W***** gelegen wäre, Kurt L***** anzustellen, der überdies die Kriterien für die neu geschaffene Stelle auf Grund seiner beruflichen Vorerfahrung (zumindest formell) erfüllt habe. Die Idee der Schaffung einer gemeinsamen Fußball-Liga mit der Schweiz sei im Gesprächsstadium verblieben, eine Machbarkeitsstudie nie in Auftrag gegeben worden.

Der Beweis des guten Glaubens bzw der Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt sei ebenfalls fehlgeschlagen; zudem habe es aber bereits am überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit an der gegenständlichen Publikation (iSd § 6 Absatz 2, Z 2 lit b MedienG) gefehlt.

Der dagegen wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe erhobenen Berufung der Antragsgegnerin gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 10. November 2004, AZ 17 Bs 249/04 (ON 35), nicht Folge. Auf die erstgerichtlichen Feststellungen gestützt beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen dahingehend (S 255), dass die Bewertung der im inkriminierten Kommentar wiedergegebenen tatsächlichen Vorgänge im Einzelnen zwar durch Art 10 MRK gedeckt sein möge, jedoch durch eine Gesamtschau des durch einen „hämischen und herabsetzenden Tonfall, die unreflektierte Wiedergabe von Gerüchten" und „abwertende Werturteile" gekennzeichneten Kommentars seine Rechtfertigung verliere. Bei einem Beitrag, der „sich in einer umfassenden und in der Rhetorik gehässigen Abqualifizierung der Leistungen des erst zwei Monate davor zum Vorstand der Österreichischen Bundesliga berufenen Antragstellers" erschöpfe und „diesen als geistig minderwertig" darstelle, könne von einer ernsthaften und sachbezogenen Erörterung von Fragen im öffentlichen Interesse, somit von einem sachlichen Kommentar iSd Rechtsprechung des EGMR („fair comment") nicht gesprochen werden. Vielmehr scheine „die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung Ventil zu sein für persönliche Aversionen, die in der politischen Vergangenheit, dem Auftreten und dem kommunikativen Verhalten des Antragstellers gegründet sein dürften".

Zur Zahl 17928/05 ist derzeit wegen dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien ein Verfahren der Beschwerdeführerin S***** GmbH gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

Rechtliche Beurteilung

Nach Prüfung der Akten ergeben sich - wie die Generalprokuratur in ihrem gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO erhobenen besonderen Antrag zutreffend aufzeigt - gegen die Richtigkeit der den - im zweiten Rechtsgang ergangenen - Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien zugrunde gelegten Tatsachen - nämlich der Feststellung des Bedeutungsinhalts des Artikels dahingehend, dass dem Antragsteller unterstellt werde, er verfolge ausschließlich Interessen zu seinem persönlichen und seiner Parteifreunde Vorteil, er lasse sich bei seinen Entscheidungen ausschließlich von persönlichen und somit sachfremden, nicht objektiven, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgenden Kriterien lenken und würde in schädigender Weise zu Lasten des von ihm vertretenen Unternehmens, nahezu als untreuer Machthaber, sinn- und wertlose Studien in Auftrag geben und so das Geld der österreichischen Fußball-Bundesliga „verjuxen" - erhebliche Bedenken (§ 362 Abs 1 StPO).

Bei der Beurteilung des Bedeutungsinhalts einer Textpassage handelt es sich um eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0092588; Rami in WK² MedienG § 41 Rz 36 mwN). Dabei ist auf den situativen Kontext abzustellen, in den die fragliche Aussage einzuordnen ist. Es ist stets von deren Wortsinn auszugehen; ein verborgener Sinn darf der Äußerung nur dann beigelegt werden, wenn sich aus den Umständen des Falles hiefür konkret Anhaltspunkte ergeben vergleiche dazu EGMR 28. 9. 1999, Öztürk gegen Türkei [22479/93], Z 68, 69; EGMR 15. 6. 2000, Erdogdu gegen Türkei [25723/94], Z 69; EGMR 4. 9. 2002, Yagmurdereli gegen Türkei [29590/96], Z 53; Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 18 Rz 97). Die urteilsmäßige Feststellung des Bedeutungsinhalts - allenfalls auch in der für den Äußernden ungünstigsten Variante - einer Textstelle obliegt dem Gericht in Ausübung des ihm nach § 258 Abs 2 StPO zukommenden Beweiswürdigungsermessens. Wenn dabei jedoch mehrere verschiedene Auslegungen zur Beurteilung des Sinngehalts einer Aussage nicht ausgeschlossen werden können, ist - entsprechend dem im Strafprozess geltenden Grundsatz „in dubio pro reo" - von der für den Angeklagten günstigsten Variante auszugehen vergleiche Paragraph 14, StPO nF). Die gegenteilige Judikatur in Medienrechtssachen, wonach bei Vorliegen mehrerer Auslegungsvarianten einer Äußerung der Äußernde die für ihn ungünstigste gegen sich gelten lassen muss (11 Os 18/07t; Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG² Vor Paragraphen 28 bis 42 Rz 28; Brandstetter/Schmid, MedienG² Paragraph 9, Rz 9), ist somit - anders als bei der Prüfung nach § 485 Abs 1 Z 2 und 3 StPO vergleiche MR 1999, 16) - für Strafurteile nicht aufrecht zu halten vergleiche auch EGMR 26. 4. 1995, Prager und Oberschlick gegen Österreich [15974/90], abweichende Meinung des Richters Martens, der die Richter Pekkanen and Makaczyk, beigetreten sind, Z 9; Grote/Marauhn aaO; Berka, WBl 1997, 265 ff [269, 272 f, 275]).

Eine in Ansehung dieser Tatfrage erheblich bedenkliche Ausübung richterlichen Ermessens ist mit dem Rechtsbehelf der außerordentlichen Wiederaufnahme (§ 362 StPO) zu überprüfen (RIS-Justiz RS0108805, jüngst 13 Os 135/06m; Ratz, WK-StPO § 362 Rz 15 f). Die im Bereich der Mediengerichtsbarkeit aus einer an der MRK orientierten, somit verfassungskonformen Interpretation innerstaatlicher Verfahrensbestimmungen (Berka/Höhne/Noll/Polley aaO) abzuleitende Einschränkung des Beweiswürdigungsermessens vergleiche Rami in WK² MedienG Präambel Rz 6), hat zur Folge, dass eine aus Sicht des Obersten Gerichtshofs nicht sachgerechte Lösung der Tatfrage durch die Tatrichter viel eher als erheblich bedenklich zu qualifizieren ist, sodass die Erheblichkeitsschwelle iSd § 362 Abs 1 StPO daher bei der Kontrolle medienrechtlicher Entscheidungen in tatsächlicher Hinsicht niedriger anzusetzen ist als in anderen Fällen vergleiche Ratz, Schutz der freien Meinungsäußerung, ÖJZ 2007/81, 948 [953]).

Die vorliegend zwar ausreichend begründeten, somit nicht willkürlichen Feststellungen erweisen sich insoweit als erheblich bedenklich, als unter Berufung auf die „Gesamtaufmachung" (S 167) und eine „Gesamtschau" (S 255) des Kommentars einzelne - vom Erstgericht per se als beleidigend (S 167), vom Berufungsgericht hingegen als möglicherweise durch Art 10 MRK noch gedeckt (S 255) bewertete - Textpassagen als „eine von einer massiv negativen Grundtendenz getragene Aneinanderreihung substratloser den Antragsteller lächerlich machender und schmähender Untergriffe" (S 167) und als „Ventil" für „persönliche Aversionen, die in der politischen Vergangenheit, dem Auftreten und dem kommunikativen Verhalten des Antragstellers gegründet sein dürften" (S 255 f) bezeichnet werden. Diese, dem Verfasser des Artikels persönliche Aversionen und dem Kommentar insgesamt eine lediglich auf Diffamierung des Antragstellers abzielende Grundtendenz unterstellende Sichtweise beider Instanzen lässt die an mehrfacher Stelle der Publikation - zB durch Nennung des früheren ÖGB- und Nationalratspräsidenten Anton B*****, durch die Behauptung ähnlicher Umstände im Bereich der Pensions- oder Universitätsreform, wobei der Nationalrats-Abgeordnete Günter Stu***** ausdrücklich angeführt wird, und durch die Passagen „Die Umfärbung des stillen Teichs Fußball-Bundesliga in eine seichte blaue Lagune" ist nur ein Tupfen auf der Leinwand des Landes" und „W***** ist Teil einer in Wiener Nachtlokalen heimischen Schickimicki-Blase, die den Fußball in Geiselhaft nimmt" - enthaltenen Hinweise auf einen allgemeiner zu sehenden, für österreichische Verhältnisse insgesamt und nicht nur für den Antragsteller typischen Missstand außer Acht.

Dass der Umstand (allenfalls) parteipolitisch motivierter Postenbesetzungen sogar heftige Kritik rechtfertigt, wurde vom Berufungsgericht bereits im ersten Rechtsgang erkannt (S 57). Warum die Textpassagen über die Einstellung des ehemals für die FPÖ beschäftigten Kurt L***** im zweiten Rechtsgang unter (in dieser Strenge mit der Rechtsprechung des EGMR - der es für die Zulässigkeit einer Wertung genügen lässt, wenn sich diese entweder auf ein „dünnes Tatsachensubstrat", oder auf faktische Berichterstattung an anderer Stelle, oder auf eine öffentliche Diskussion stützen kann, sodass ein „Mitliefern" der tatsächlichen Grundlage im inkriminierten Artikel nicht in jedem Fall erforderlich ist; vergleiche Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG2 Präambel Rz 40; Litzka/Strebinger MedienG5 § 6 Rz 24 mwN; EGMR 12.7.2001, Feldek gegen Slowakei [29032/95]; EGMR 2.11.2006, Kobenter/Der Standard gegen Österreich [60899/00] - nicht zu vereinbarender) Betonung des Aspekts fehlender Tatsachengrundlage als Wertungsexzess qualifiziert wurden, erscheint nicht einsichtig. Dabei blieb auch unberücksichtigt, dass sich der inkriminierte Kommentar in eine öffentliche Debatte über derartige Postenbesetzungen allgemein und die Bestellung des Antragstellers im Besonderen einreihte, somit - entgegen der Meinung des Erstgerichts (S 175 und 179) - eine Angelegenheit überwiegenden öffentlichen Interesses betraf, sodass dem Antragsteller als „public figure" dieser (politischen Kritik) gegenüber daher bloß eingeschränkter Schutz zuzugestehen ist vergleiche Grabenwarter, EMRK³ Paragraph 23, Rz 28 f).

Die Tatsache, dass Kurt L***** bei der FPÖ beschäftigt war, über Vorschlag des Antragstellers bei der Fußball-Bundesliga angestellt wurde und dort als dessen Assistent fungierte, wurde im Beweisverfahren nicht bestritten (S 127 ff) und bot demnach eine ausreichende Grundlage für die im gegenständlichen Kommentar in scharfer Form (ähnlich: EGMR, 2. 11. 2006, Kobenter/Der Standard gegen Österreich [60899/00], Rz 31) vorgenommene Wertung. Erst durch die für den Verfasser des Artikels sehr ungünstige Auslegung dessen Inhalts dahingehend, der Antragsteller habe sich gerade auch beim genannten Einstellungsvorgang ausschließlich von persönlichen, nicht im Interesse des Dienstgebers gelegenen, somit sachfremden Motiven leiten lassen (S 57, 157 f), wurden die Anforderungen an das bezughabende Tatsachensubstrat entscheidend verschärft.

Diese Interpretation und die Feststellung, dem Antragsteller werde insgesamt unterstellt, er verfolge ausschließlich seine persönlichen und seiner Parteifreunde Interessen, lassen sich lediglich auf eine zusammenhangsbezogene Textanalyse nicht stützen.

Erheblich bedenklich erscheint auch die Interpretation, der Artikel werfe dem Antragsteller einerseits vor, er „trage Ahnungslosigkeit als Markenzeichen" und würde andererseits „in schädigender Weise zur Last seines Dienstgebers und des von ihm vertretenen Unternehmens, nahezu als untreuer Machthaber sinnlose und wertlose Studien in Auftrag geben und so das Geld der österreichischen Fußball-Bundesliga 'verjuxen'". Die vom Erstgericht und insbesondere vom Berufungsgericht als beleidigend qualifizierte Bezeichnung des Antragstellers als „ahnungslos" (S 173) bzw als „geistig minderwertig" (S 255) steht der Annahme eines - in subjektiver Hinsicht sogar erhöhte Anforderungen voraussetzenden - (nahezu) untreuen Handelns a priori entgegen. Bei verständiger Lesart vermittelt die inkriminierte Textstelle den Eindruck, Peter W***** hätte um die Sinnlosigkeit der Machbarkeitsstudie (und einen damit allenfalls verbundenen Befugnismissbrauch) nicht gewusst, vielmehr aus Ahnungslosigkeit gehandelt. Daraus ließe sich aber - der Rechtsansicht des Erstgerichts zuwider (S 173) - der Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens iSd § 111 Absatz eins, StGB nicht ableiten, woraus allein sich bereits die Entscheidungsrelevanz dieser Feststellungen ergibt.

Weil sich somit bei der auf besonderen Antrag der Generalprokuratur vorgenommenen Prüfung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Urteilen erster und zweiter Instanz zugrundegelegten Tatsachen ergaben, war - im Einklang mit der Stellungnahme der Antragsgegnerin, jedoch entgegen jener des Antragstellers - bei nichtöffentlicher Beratung vergleiche Ratz, WK-StPO § 362 Rz 10, 15) im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten der Antragsgegnerin S***** GmbH zu verfügen. Demgemäß waren die Urteile GZ 094 Hv 12/04d-29 des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. April 2004 und AZ 17 Bs 249/04 des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. November 2004 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.