Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

18.11.1986

Geschäftszahl

14Ob192/86

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Mag. Karl Dirschmied und Dr. Anton Haschka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert H***, Alleininhaber der C***-F*** und P***, Wien 7., Neubaugasse 25,

vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dorothee (Dorle) W***, Schauspielerin, Bad Vilbel, Huizener Straße 20 a, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 20.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 14. November 1985, GZ. 44 Cg 215/85-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 29. April 1985, GZ. 9 Cr 871/84-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 7.185,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 565,95 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 28. September 1981 in München einen Vertrag, mit dem die Beklagte dem Kläger als Alleininhaber der C***-F*** und P*** in Wien sämtliche Rechte für das Drehbuch und die Idee des Stoffes "Das französische Frühstück/Annabella" um DM 20.000,-- verkaufte und die Hauptrolle der Annabella in dem Film übernahm. Im Berufungsverfahren stellte der Kläger außer Streit, daß es sich "bei dem Film um Geschlechtsszenen" (also einen Pornofilm) handelt. Als männlicher Hauptdarsteller war ursprünglich Rolf Z*** vorgesehen. Die Beklagte lehnte es jedoch dann ab, mit diesem die Szenen zu spielen, und erklärte sich zur Mitarbeit nur bereit, wenn ihr damaliger Ehemann Sigi B*** die männliche Hauptrolle spiele. Der Vertrag wurde im Sinne dieser Forderung geändert. Geplant war ursprünglich, den Film bis Ende März 1982 fertigzustellen. In einem Vertragsnachtrag erklärte sich die Beklagte bereit, den Vertrag wegen etwaiger Nachdreharbeiten bis 31. Oktober 1982 zu verlängern. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe sich geweigert, an den restlichen Dreharbeiten zwischen 15. und 23. September 1982 mitzuwirken. Daher hätten das Drehbuch geändert und viele Szenen des Films neu gedreht werden müssen. Um wenigstens eine szenische Verbindung mit bereits gedrehten Szenen zu ermöglichen, sei mit der Beklagten vereinbart worden, daß sie für einen weiteren Drehtag zur Herstellung einer Verbindungsszene zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe sich bereit erklärt, dazu am 5. März 1983 in Hamburg zu filmen. Am 3. März 1983 habe sie jedoch mitgeteilt, nicht nach Hamburg zu kommen. Durch diese Weigerung sei dem Kläger ein Schaden von DM 50.000,-- entstanden. Der Kläger begehrt - aus prozeßökonomischen Gründen vorerst nur - Zahlung von DM 20.000,--.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, sie habe einer (weiteren) Verlängerung der Drehzeit über den 31. Oktober 1982 hinaus nicht zugestimmt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Streitteile vereinbarten, daß die Beklagte 24 Drehtage zur Verfügung stehe. Der Film sollte voraussichtlich in 16 bis 20 Tagen gedreht werden. Die Dreharbeiten begannen im Mai 1982, mußten aber nach 14 Tagen abgebrochen werden, weil das Kamerateam der vom Kläger beauftragten Firma J*** mangels Bezahlung durch diesen Dienstgeber die Weiterarbeit ablehnte.

Im September 1982 sollten weitere Dreharbeiten in Wien stattfinden, doch mußte der Kläger diese wegen organisatorischer Schwierigkeiten kurzfristig absagen. Am 1. September 1982 hatte der Kläger die restlichen Dreharbeiten der Firma Horst R*** übergeben. Diese begann Anfang November 1982 mit den Arbeiten am Film. Das Drehbuch mußte geringfügig geändert werden. Vor dem 28. Februar 1983 sprach Horst R*** mehrmals fernmündlich mit der Beklagten. Er schlug ihr vor, am 5. März 1983 für 8 Drehstunden nach Hamburg zu kommen. Die Klägerin antwortete, sie komme nicht gern, aber sie komme, um den Film zu beenden. Am 28. Februar 1983 telefonierte Horst R*** neuerlich mit der Beklagten. Er schlug ihr vor, erst am 6. März 1983 nach Hause zurückzufliegen, damit der ganze Tag für die Dreharbeiten zur Verfügung stehe. Dies lehnte die Beklagte ab und erklärte, sie müsse noch am 5. März 1983 mit der Spätmaschine zurückfliegen. Im übrigen war aber die Beklagte mit dem Termin einverstanden, sagte zu, ihn wahrzunehmen, und unterhielt sich mit Horst R*** auch noch über Detailfragen. Am 3. März 1983 rief jedoch Peter W***, der nunmehrige Ehemann der Beklagten bei Horst R*** an und teilte ihm mit, daß die Beklagte nicht kommen werde; er sei (damit) nicht einverstanden.

Die Mitwirkung der Beklagten am letzten Drehtag war wichtig, weil diese in dem Film eine Schlüsselrolle hatte. Infolge ihres Nichterscheinens konnte das ursprüngliche Konzept des Filmes nicht mehr durchgeführt werden; das Drehbuch mußte geändert und ein neuer Schluß gefunden werden. Durch das Nichterscheinen der Beklagten entstand dem Kläger ein Schaden von 18.000,-- bis 20.000,-- DM. Das Erstgericht war der Ansicht, die Beklagte wäre nach den zunächst getroffenen Vereinbarungen nicht verpflichtet gewesen, über den 31. Oktober 1982 hinaus für Filmarbeiten zur Verfügung zu stehen. Dann habe sie sich jedoch bereit erklärt, zu einem Drehtag nach Hamburg zu kommen, und sei wegen Nichteinhaltung dieser Zusage für den dadurch entstandenen Schaden haftbar.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß Paragraph 25, Absatz eins, Ziffer 3, ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht, gab der Berufung der Beklagten, in der sich diese auf die Sittenwidrigkeit des abgeschlossenen Vertrages berief, statt, und wies das Klagebegehren ab.

Die zweite Instanz war der Ansicht, daß auf den Arbeitsvertrag der Klägerin das Recht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden sei. Nach dieser Rechtsordnung sei der Vertrag gemäß Paragraph 138, römisch eins BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil Gegenstand des Vertrages die filmische Darstellung von Geschlechtsszenen durch die Beklagte sei. Ein solcher Vertrag verstoße nach Inhalt, Zweck und Beweggründen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Aus dem gemäß Paragraph 138, römisch eins BGB sittenwidrigen Vertrag hätten keine Rechtsansprüche entstehen können. Daran ändere es auch nichts, daß der nichtige Vertrag durch die Aufnahme der "Arbeit" aktualisiert worden und ein sogenanntes "faktisches Arbeitsverhältnis" entstanden sei. Wesentlicher Inhalt des Vertrages, sohin die geschuldete Leistung der Beklagten, sei die Vorführung des Geschlechtsverkehrs bzw. die Darstellung von Geschlechtsszenen gewesen. Ein bloße Teilnichtigkeit gemäß Paragraph 139, BGB komme nicht in Betracht. Der Kläger könne aus dem insgesamt nichtigen Vertrag keine Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten durchsetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Vereinbarung der Streitteile über die Übernahme einer Filmrolle durch die Beklagte - die Übertragung der Alleinrechte am Drehbuch des herzustellenden Films an den Revisionswerber ist nicht Gegenstand des Rechtsstreites vergleiche Paragraph 34, Absatz eins und 2 IPRG) - nach dem Rechte der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen ist. Gemäß Paragraph 44, Absatz eins, IPRG sind Arbeitsverträge nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dieses Recht bleibt auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandt wird. Als Arbeitsverträge in diesem Sinn sind in der Regel auch Verträge zwischen Filmproduzenten und Schauspielern über deren Mitwirkung in einem Film anzusehen. Schwierig ist wohl die Einordnung kurzzeitiger Engagementverträge, wenn Künstler wie Dirigenten, Solisten, Regisseure für Aufgaben bestellt werden, bei denen sie weitgehend weisungsfrei arbeiten, weil hier die Grenze zum Werkvertrag fließend ist vergleiche Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 1 zu Paragraph 44, IPRG). Diese ausnahmsweisen Voraussetzungen treffen aber auf die Beklagte nicht zu, weil sie, wie das Erstgericht in der unbekämpft gebliebenen Entscheidung über die Zurückweisung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ausführte, während der Dreharbeiten weisungsgebunden und abhängig zu arbeiten hatte. Ob "Arbeitsvertrag" auf Leistungen gerichtet war, die zur Befriedigung ideeller oder materieller Bedürfnisse dienten, die mit der Rechtsordnung in Einklang stehen vergleiche BAG 1.4.1976, NJW 1976, 1958 mwN), ist für die kollisionsrechtliche Anknüpfung an den Begriff "Arbeitsvertrag" ohne Bedeutung. Da als Drehort Hamburg und München vorgesehen waren und dort auch tatsächlich die Dreharbeiten stattfanden - die Durchführung von Dreharbeiten in Wien, die ohnehin als Entsendung iS des Paragraph 44, Absatz eins, Satz 2 IPRG anzusehen gewesen wäre, kam nicht zustande - gilt die Bundesrepublik Deutschland als gewöhnlicher Arbeitsort der Beklagten aus diesem Vertrag. Gemäß Paragraph 138, römisch eins BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Der Revisionswerber bestreitet nicht mehr, daß nach der deutschen Lehre und Rechtsprechung nach Paragraph 138, römisch eins BGB auch Arbeitsverträge nichtig sind, wenn die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung in der Vorführung des Geschlechtsverkehrs (auf einer Bühne) oder in der Darbietung geschlechtlicher Betätigung in einem "scharfen" Sexfilm besteht (NJW 1976, 1958 mwN; Mayer-Maly in MünchKomm Rz 52 zu Paragraph 138 ;, iglS zu Paragraph 879, ABGB unter Verweisung auf die genannten Fundstellen Krejci in Rummel, aaO Rz 76 zu Paragraph 879,). Er will aber die Sittenwidrigkeit der vereinbarten Leistung nur für die sogenannte "Hardcore-Version" des mit der Klägerin gedrehten Films gelten lassen, und behauptet, die sogenannte "Softcore-Version" des Films sei nicht sittenwidrig und die Verbindungsszene, in der die Beklagte am 5. März 1983 hätte mitspielen sollen, sei als reine Dialogszene ohne jede geschlechtliche Darstellung konzipiert gewesen. Die Beklagte hätte daher die Zusage, zum Drehen dieser Szene am 5. März 1983 nach Hamburg zu kommen, einhalten müssen, weil diese Bestandteil des gültigen Teiles des Vertrages gewesen sei. Das Verhalten der Beklagten, die selbst das Drehbuch zu dem Sexfilm geschrieben habe, verstoße überdies gemäß Paragraph 242, BGB gegen Treu und Glauben.

Diese weitgehend auf unzulässige Neuerungen beruhenden Ausführungen können der Revision zu keinem Erfolg verhelfen. Der Kläger wurde durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit der von der Beklagten geschuldeten Leistung zur Gänze nichtig, nicht überrascht, weil die Beklagte in der Berufung - und damit im arbeitsgerichtlichen Verfahren rechtzeitig - die Sittenwidrigkeit der mit ihr vereinbarten Leistungen behauptet hatte und Gründe vorbrachte, warum sie zur weiteren Mitwirkung in diesem Sexfilm nicht verpflichtet gewesen sei. Der Kläger hatte die Möglichkeit, auf dieses Vorbringen zu erwidern und besondere Umstände vorzutragen, aus denen sich eine teilweise Gültigkeit des sonst nichtigen Vertrages ergeben könnte. Er stellte jedoch, als das Berufungsgericht die Frage der Sittenwidrigkeit der vereinbarten Leistungen in der mündlichen Berufungsverhandlung erörterte, nur außer Streit, daß es sich bei dem Film "um Geschlechtsszenen handle", ohne ein tatsächliches Vorbringen darüber zu erstatten, worin der Unterschied zwischen der "Hardcore"- und der "Softcore"-Version des Films bestehe. Der Kläger behauptete damals insbesondere auch nicht, daß die am 5. März 1983 zu drehende Verbindungsszene eine reine Dialogszene ohne geschlechtliche Darstellungen sei, mit der nur die "Softcore-Version" des Films abgeschlossen werden sollte. Das erst in der Revision dazu erstattete Vorbringen bildet somit eine unzulässige Neuerung.

Paragraph 139, BGB bestimmt: "Ist ein Teil eines Rechtsgeschäftes nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde." Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergeben soll, daß ein Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, liegt bei dem, der die Gültigkeit des übrigen Geschäftes für sich in Anspruch nimmt (Mayer-Maly aaO Rz 29). Die Annahme, daß ein Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, ist nicht nach dem tatsächlichen, sondern nach dem hypothetischen Willen der Parteien zu beurteilen. Entscheidend ist, ob eine objektive Bewertung ergibt, daß das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vernünftigerweise vorgenommen worden wäre (Mayer-Maly aaO Rz 24). Da der Beklagte im Berufungsverfahren zugegeben hat, daß "es sich bei dem Film .... um Geschlechtsszenen handelt", und keine Umstände vorbrachte, die auf das Vorliegen einer bloßen Teilnichtigkeit hindeuten, nahm das Berufungsgericht mit Recht an, daß die Vorführung des Geschlechtsverkehrs und die Darstellung von Geschlechtsszenen für Filmzwecke wesentlicher Inhalt des Vertrages sein sollten, woraus folgt, daß das Rechtsgeschäft nicht ohne diesen nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Ohne solche Szenen vermag ein solcher Film die Erwartungen der Interessenten nicht zu erfüllen. Er würde damit auch den wirtschaftlichen Zweck seiner Herstellung verfehlen. Auch die Berufung des Revisionswerbers auf einen Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben (Paragraph 242, BGB) versagt. Wie das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung NJW 1976, 1958, in der es um einen ähnlichen Sachverhalt (Vorführung des Geschlechtsverkehrs auf der Bühne) ging, ausführte, kommt gegenüber den zwingenden Rechtswirkungen des Paragraph 138, römisch eins BGB ein Einwand aus Paragraph 242, BGB nicht in Betracht. Gerade weil über eine Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben die Rechtswirkungen des Paragraph 138, römisch eins BGB nicht wieder beseitigt werden sollen, dh einem sittenwidrigen Geschäft über den Umweg der unzulässigen Rechtsausübung nicht wieder rechtliche Geltung verschafft werden soll, kann sich jedermann auf die Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Vereinbarung berufen, also auch derjenige, der seinerseits selbst gegen die guten Sitten verstoßen hat (NJW 1976, 1959 mwN). Der Revisionswerber macht somit vergeblich geltend, daß die Beklagte mit ihrer Mitwirkung in dem Pornofilm einverstanden war und sogar das Drehbuch dazu verfaßt hatte. Gemäß Paragraphen 138,, 139 BGB ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, so daß es auch nicht Grundlage für das erhobene Schadenersatzbegehren sein kann.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die Paragraphen 41 und 50 ZPO.