Entscheidende Behörde

Datenschutzkommission

Entscheidungsdatum

12.05.2010

Geschäftszahl

K202.094/0004-DSK/2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet-)Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E römisch eins D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. ZIMMER, Mag. HUTTERER, und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Dr. KÖNIG in ihrer Sitzung vom 12. Mai 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der Technischen Universität Wien, Institut für *** (Antragstellerin) vom 21. Dezember 2009 (ha. eingelangt am 23. Dezember 2009), auf Genehmigung der Ermittlung und Verarbeitung durch Speicherung und Auswertung von Bilddaten von Personen, die sich an Bahnsteigen bzw. Haltestellen von Straßen- und U-Bahnen sowie im Fahrzeuginnenraum aufhalten, zum Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung von Fahrgastwechselzeiten sowie basierend darauf der ergonomischen Analyse der Innenraumgestaltung wird gemäß Paragraph 46, Absatz 3, des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 165 aus 1999, idgF, entschieden:

  1. Ziffer eins
    Dem Antragsteller wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke des Forschungsprojekts „Fahrgastwechselzeiten“ Bilddaten zu ermitteln und auszuwerten.

  1. Ziffer 2
    Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen werden folgende Auflagen erteilt:

  1. Litera a
    Örtlichkeit und genauer Zeitpunkt der Videoaufnahmen werden zwischen der Antragstellerin und den Wiener Linien GmbH & Co KG einvernehmlich festgelegt, wobei maximal drei Termine vorgesehen sein dürfen.

  1. Litera b
    Die Kamerapositionen sowie die Bildauflösung sind so zu wählen, dass tunlichst keine Gesichter der Betroffenen erkennbar sind.

              c.              Die Betroffenen sind gemäß Paragraph 24, Absatz eins, DSG 2000 (Beschilderung) über Name und Adresse des Auftraggebers (Paragraph 4, Ziffer 4, DSG 2000) sowie über den Zweck der Datenanwendung zu informieren.

  1. Litera d
    Die aufgezeichneten Bilddaten sind entsprechend Paragraph 14, Ziffer 5, DSG 2000 sicher zu verwahren.

  1. Litera e
    Die Einsicht in die und die Auswertung der aufgezeichneten Bilddaten darf nur durch bestimmte, geschulte, über Paragraph 15, DSG 2000 aufgeklärte MitarbeiterInnen der Antragstellerin erfolgen, deren Verlässlichkeit im Umgang mit sensiblen Daten entsprechend Paragraph 46, Absatz 3, DSG 2000 gewährleistet ist.

  1. Litera f
    Die aufgezeichneten Bilddaten sind, sobald sie für das gegenständliche Forschungsprojekt nicht mehr benötigt werden, jedenfalls aber mit Abschluss des Forschungsprojekts zu löschen.

  1. Litera g
    Eine Veröffentlichung der Bilddaten darf nur in anonymisierter Form erfolgen.

Gemäß Paragraph 78, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, idgF, in Verbindung mit Paragraphen eins,, 3 Absatz eins und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, Bundesgesetzblatt Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß Paragraph 2, Absatz eins, BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.

Begründung

Die Antragstellerin begehrt für Zwecke des Forschungsprojektes „Fahrgastwechselzeiten“ am Bahnsteig bzw. an Haltestellen von Straßen- und U-Bahnen der Wiener Linien GmbH & Co KG sowie im Fahrgastinnenraum Videoaufnahmen zur Untersuchung der Fahrgastwechselzeiten und darauf basierend zur ergonomischen Analyse der Innenraumgestaltung durchzuführen.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Die Antragstellerin möchte im Rahmen des Forschungsprojektes „Fahrgastwechselzeiten“ mit *** GmbH die Fahrgastwechselzeiten und darauf basierend die ergonomische Analyse der Innenraumgestaltung von öffentlichen Verkehrsmittel durch Videoaufnahmen ermitteln und wissenschaftlich auswerten. Gerade in Verkehrsspitzenzeiten kann es zur Verlängerung der Haltezeiten, insbesondere durch Mobilitätseinschränkungen (Gepäck, Kinderwägen), kommen. Dies wirke sich einerseits auf die Fahrgastzufriedenheit, andererseits auf die Zuverlässigkeit des Fahrbetriebes aus. Auch Barrieren im Wageninneren sollen analysiert werden.

Die Videoaufnahmen sollen an verschiedenen Haltestellen des Straßen- und U-Bahnnetzes der Wiener Linien ermittelt werden. Dabei werden vom Bahnsteig aus die Ein- bzw. Ausstiegsprozesse der Fahrgäste und aus dem Wageninneren die Bewegung (oder auch Stau) sowie die Verteilung der Fahrgäste gefilmt. Die Aufnahmen sollen an mehreren Tagen an verschiedenen Haltestellen von Straßen- und U-Bahnen durchgeführt werden. Dabei wird punktuell zu verschiedenen Zeiten gefilmt (Stoßzeiten und außerhalb davon). Die Zustimmung der Wiener Linien GmbH & Co KG dazu ist durch Vereinbarung zwischen ihr sowie der Antragstellerin und der *** GmbH, unterzeichnet am ***, nachgewiesen.

Unter Berücksichtigung der technischen Konstruktion des Ein- und Ausstiegsbereichs, der Innenraumgestaltung, der erfasstem Zugtypen und der Haltestellen bzw. Bahnsteige werden für jeden Fahrgast das Geschlecht, das ungefähre Alter, vorhandene Mobilitätseinschränkungen (zB Gepäck aller Art) und physikalische Einschränkungen (zB Rollstuhl, temporäre Verletzungen wie etwa Krücken) sowie die exakte Dauer des Ein- bzw. Aussteigevorgangs aus den Videodaten durch reflektiertes mehrmaliges Ansehen ermittelt. Darüber hinaus wird das generelle Fahrgastverhalten im Hinblick auch auf etwaige Staubildungen beobachtet. Es findet eine qualitative wie quantitative (statistische Auswertung nach zeitlichen und demografischen Kriterien) Analyse statt. Die gewonnenen Daten werden anonymisiert veröffentlicht, etwaige Exemplaraufnahmen werden vor Veröffentlichung ebenfalls anonymisiert. Als wichtigste Einflussparameter gelten Ergonomie der Türen und des Ein- und Ausstiegsbereichs innerhalb und außerhalb des Zuges, das generelle Fahrgastverhalten sowie Mobilitätseinschränkungen.

Der Projektleiter S*** hat 2003 das Studium Maschinenbau-Wirtschaftsingenieurswesen abgeschlossen und hat seit 2000 weitreichende Projekterfahrung ua. im Bereich Ergonomie, auch auf europäischer Ebene.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 21. Dezember 2009, sowie dem Schreiben der Antragstellerin vom 23. April 2010 und der Website der Technischen Universität Wien.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß Paragraph 4, Ziffer eins, DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.

Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem Paragraph 46, eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

Paragraph 46, (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

1. öffentlich zugänglich sind oder

2. er für andere Untersuchungen oder auch andere Zwecke zulässigerweise ermittelt hat oder

              3.              für ihn nur indirekt personenbezogen sind.

Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Absatz 2, Ziffer eins bis 3 verwendet werden.

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Absatz eins, fallen, dürfen Daten nur

1. gemäß besonderen gesetzlichen Vorschriften oder

2. mit Zustimmung des Betroffenen oder

3. mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Absatz 3, verwendet werden.

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn

  1. Ziffer eins
    die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und

  1. Ziffer 2
    ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und

  1. Ziffer 3
    die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.

Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.

(3a) Einem Antrag nach Absatz 3, ist jedenfalls eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsbefugten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (Paragraph 367, Absatz eins, der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Die Antragstellerin plant für Zwecke des Forschungsprojektes „Fahrgastwechselzeiten“ am Bahnsteig bzw. an Haltestellen von Straßen- und U-Bahnen der Wiener Linien GmbH & Co KG Videoaufnahmen durchzuführen und diese Aufnahmen zur ergonomischen Analyse der Innenraumgestaltung auszuwerten.

Die Datenschutzkommission hat schon mehrfach festgestellt, dass Bilddaten (bestimmbare) personenbezogene Daten iSd Paragraph 4, Ziffer eins, DSG 2000 sind vergleiche für viele den Bescheid vom 21. Jänner 2009, GZ K121.425/0003-DSK/2009). Das DSG 2000 ist somit einschlägig.

Bilddaten sollen nun für wissenschaftliche Zwecke ermittelt und ausgewertet werden. Die Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik unterliegt der Sondervorschrift des Paragraph 46, DSG 2000 (und nicht etwa den Paragraphen 50 a, ff DSG 2000, die Videoüberwachung zu anderen Zwecken regeln). Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des Paragraph 46, Absatz eins, (insbesondere Ziffer 3,, da direkt personenbezogene Daten übermittelt werden) und Absatz 2, Ziffer eins und Ziffer 2, nicht vorliegen, sodass die geplante Datenverwendung nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß Paragraph 46, Absatz 2, Ziffer 3, in Verbindung mit Absatz 3, DSG 2000 erfolgen kann.

Diese Genehmigung hat die Datenschutzkommission zu erteilen, wenn

1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und

2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und

3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.

Da u.a. auch sensible Daten (wie etwa Krücken, die Aufschluss über Verletzungen oder Krankheiten geben) explizit ermittelt werden sollen, muss überdies ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen und gewährleistet sein, dass die Daten nur von Personen verwendet werden, die einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verlässlichkeit sonst glaubhaft ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller hat dafür ausreichend das wichtige öffentliche Interesse (Fahrgastzufriedenheit, Zuverlässigkeit des Fahrbetriebes von öffentlichen Verkehrsmitteln) an der beantragten Verwendung (Paragraph 46, Absatz 3, Ziffer 2, DSG 2000) dargelegt sowie die fachliche Eignung (Ziffer 3, leg. cit.) (Universität) in der Person des Projektleiters glaubhaft gemacht. Auch die Voraussetzung des Paragraph 46, Absatz 3, Ziffer eins, DSG 2000 ist im gegenständlichen Fall gegeben: die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich, weil der Kreis der Betroffenen ein von vornherein unbestimmter ist.

Die Genehmigung war daher zu erteilen, allerdings an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen. Auflage a. spiegelt dabei den von den Wiener Linien GmbH & Co KG zugelassenen Umfang von Bildaufnahmen wieder. Die Auflagen b., f. und g. sind notwendig, um im Sinn des Paragraph 7, Absatz 3, DSG 2000 (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) sowie des Paragraph 46, Absatz 5, DSG 2000 (Beseitigung des Personenbezugs, sobald für die wissenschaftliche Arbeit nicht mehr notwendig) einen möglichst schonenden Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz vorzunehmen. Auflage c. dient der Rechtsverpflichtung des Auftraggebers zur Information gemäß Paragraph 24, DSG 2000. Die Auflagen d. und e. dienen der Datensicherheit bzw. dem Datengeheimnis.

Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des Paragraph 53, Absatz eins, DSG 2000 umfasst.