Der Nationalrat hat beschlossen: Der Abschluß des nachstehenden Staatsvertrages, dessen Artikel 3, Absatz eins, und Artikel 9, Absatz eins, und 2 verfassungsändernd sind, wird genehmigt. Die Republik Österreich und die Bundesrepublik Deutschland — überzeugt von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten mit dem Ziel, die gegenseitige Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen zu erleichtern — sind wie folgt übereingekommen: Artikel 1 Gegenstand (1) Dieses Abkommen regelt die Rahmenbedingungen für freiwillige Hilfeleistungen bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen im anderen Vertragsstaat auf dessen Ersuchen hin, insbesondere für Einsätze von Mannschaften und Material. (2) Hilfeleistungen im Rahmen der herkömmlichen grenzüberschreitenden Nachbarschaftshilfe bleiben unberührt. Artikel 2 Definitionen Im Sinne dieses Abkommens bedeuten die Begriffe: „Einsatzstaat" derjenige Vertragsstaat, dessen zuständige Behörden um Hilfeleistung, insbesondere um Entsendung von Hilfsmannschaften oder -material aus dem anderen, ersuchen; „Entsendestaat" derjenige Vertragsstaat, dessen zuständige Behörden einem Ersuchen des anderen um Hilfeleistung, insbesondere um Entsendung von Hilfsmannschaften oder -material, stattgeben; „Ausrüstungsgegenstände" das Material, die Fahrzeuge, die Güter für den Eigenbedarf (Betriebsgüter) und die persönliche Ausstattung der Hilfsmannschaften; „Hilfsgüter" die zusätzlichen Ausstattungen und Waren, die zur Abgabe an die betroffene Bevölkerung bestimmt sind. Artikel 3 Zuständigkeiten (1) Die für die Stellung und die Entgegennahme von Hilfeersuchen zuständigen Behörden sind: — auf der Seite der Republik Österreich: der Bundesminister für Inneres und die Landesregierungen der Grenzländer; — auf der Seite der Bundesrepublik Deutschland: der Bundesminister des Innern und die Innenminister der Grenzländer. (2) Die in Absatz 1 genannten Behörden können nachgeordnete Behörden bezeichnen, die zur Stellung oder zur Entgegennahme von Hilfeersuchen befugt sind. (3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Behörden der beiden Vertragsstaaten sind ermächtigt, bei der Durchführung dieses Abkommens unmittelbar miteinander in Verbindung zu treten. (4) Die beiden Vertragsstaaten geben einander die Adressen und Fernmeldeverbindungen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Behörden bekannt. Artikel 4 Vorgängige Absprache Art und Umfang der Hilfeleistung werden von Fall zu Fall im Einvernehmen zwischen den in Artikel 3 genannten Behörden abgesprochen, ohne auf Einzelheiten der Durchführung eingehen zu müssen.

Artikel 5 Einsatzarten (1) Die Hilfe wird durch solche Hilfsmannschaften geleistet, die insbesondere in der Bekämpfung von Bränden, von nuklearen und chemischen Gefahren und in Sanitätshilfe, Rettung, Bergung oder behelfsmäßigen Instandsetzung ausgebildet sind und die über das für diese Aufgaben erforderliche Material und Spezialgerät verfügen; falls erforderlich, kann die Hilfe auf jede andere Weise erbracht werden. (2) Die Hilfsmannschaften können auf dem Land-, Luft- oder Wasserweg entsandt werden. Artikel 6 Grenzübertritt und Aufenthalt (1) Die Angehörigen einer Hilfsmannschaft sind vom Paßzwang und dem Erfordernis einer Aufenthaltsbewilligung/-erlaubnis oder eines Sichtvermerkes befreit. Es kann lediglich vom Leiter der Hilfsmannschaft ein seine Stellung bezeugender Ausweis verlangt werden. (2) Bei besonderer Dringlichkeit kann die Grenze auch außerhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen ohne Beachtung der sonst hierfür geltenden Vorschriften überschritten werden. In diesem Fall sind die für die Grenzüberwachung zuständigen Behörden oder der nächste Grenzposten unverzüglich davon zu unterrichten. (3) Die Erleichterungen beim Grenzübertritt nach den Absätzen 1 und 2 gelten auch für Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall evakuiert werden müssen. Artikel 7 Grenzübergang des Materials (1) Die Vertragsstaaten erleichtern den Grenzübergang für die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter. Der Leiter einer Hilfsmannschaft hat den Grenzkontrollorganen des Einsatzstaats beim Grenzübertritt lediglich ein Verzeichnis der mitgeführten Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter zu übergeben; erfolgt bei besonderer Dringlichkeit der Grenzübergang außerhalb zugelassener Grenzübergangsstellen, ist dem bei der zuständigen Zollstelle bei erster Gelegenheit zu entsprechen. (2) Die Hilfsmannschaften dürfen außer den für Hilfseinsätze notwendigen Ausrüstungsgegenständen und Hilfsgütern keine sonstigen Waren mitführen. (3.) Für die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter finden die Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze keine Anwendung. Die Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter, die bei einer Hilfeleistung nicht verbraucht wurden, sind wieder auszuführen. Lassen besondere Verhältnisse die Wiederausfuhr nicht zu, so sind Art und Menge sowie der Verbleib dieser Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter der für die Hilfeleistung verantwortlichen Behörde anzuzeigen, welche die zuständige Zollstelle hiervon benachrichtigt. In diesem Fall gilt das nationale Recht des Einsatzstaates. (4) Absatz 3 findet auch Anwendung auf die Einfuhr von Suchtgiften/Betäubungsmitteln in den Einsatzstaat und die Wiederausfuhr der nicht verbrauchten Mengen in den Entsendestaat. Dieser Warenverkehr gilt nicht als Ein- und Ausfuhr im Sinne der internationalen Suchtgift-/Betäubungsmittelübereinkommen. Suchtgifte/Betäubungsmittel dürfen nur nach Maßgabe des dringlichen medizinischen Bedarfs mitgeführt und nur durch qualifiziertes medizinisches Personal nach den gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsstaates eingesetzt werden, dem die Hilfsmannschaft angehört. (5) Die Republik Österreich wird bei Gegenseitigkeit die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter im Einsatzstaat — ohne förmliches Verfahren und ohne Leistung einer Sicherstellung zur abgabenfreien vorübergehenden Verwendung zulassen und — diese frei von allen Eingangsabgaben lassen, soweit sie verbraucht sind. Artikel 8 Einsätze mit Luftfahrzeugen (1) Luftfahrzeuge können nicht nur für die schnelle Heranführung der Hilfsmannschaften nach Artikel 5 Absatz 2, sondern auch unmittelbar für andere Arten von Hilfeleistungen benutzt werden. (2) Jeder Vertragsstaat gestattet, daß Luftfahrzeuge, die vom Gebiet des anderen Vertragsstaats aus gemäß Absatz 1 eingesetzt werden, sein Gebiet überfliegen und auch außerhalb von Zollflugplätzen und genehmigten Flugfeldern landen und abfliegen. (3) Die Absicht, bei einem Hilfseinsatz Luftfahrzeuge zu verwenden, ist der ersuchenden Behörde unverzüglich mit möglichst genauen Angaben über Art und Kennzeichen des Luftfahrzeuges, Besatzung, Beladung, Abflugzeit, voraussichtliche Route und Landeort mitzuteilen. (4) Sinngemäß werden angewandt: a) Artikel 6 auf die Besatzungen und mitfliegenden Hilfsmannschaften; b) Artikel 7 auf die Luftfahrzeuge und sonstigen mitgeführten Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter. Sofern dies zur üblichen Ausrüstung zählt, sind die Besatzungen berechtigt, bei Einsätzen auf dem

Gebiet des anderen Vertragsstaats Uniform zu tragen, sowie als Dienstwaffen Faustfeuerwaffen (Pistolen und Revolver) samt Munition mit sich zu führen. (5) Soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt, sind die luftrechtlichen Verkehrsvorschriften jedes Vertragsstaats anwendbar, insbesondere die Pflicht, den zuständigen Kontrollstellen Angaben über die Flüge zu übermitteln. Artikel 9 Koordination und Gesamtleitung (1) Die Koordination und Gesamtleitung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen obliegt in jedem Fall den Behörden des Einsatzstaats. (2) Aufträge an die Hilfsmannschaften des Entsendestaats werden ausschließlich an ihre Leiter gerichtet, welche Einzelheiten der Durchführung gegenüber den ihnen unterstellten Kräften anordnen. (3) Die Behörden des Einsatzstaats leisten den Hilfsmannschaften des Entsendestaats Schutz und Hilfe. Artikel 10 Einsatzkosten (1) Der Entsendestaat hat gegenüber dem Einsatzstaat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Hilfeleistung. Dies gilt auch für Kosten, die durch Verbrauch, Beschädigung oder Verlust des Materials entstehen. Kosten der Hilfeleistungen durch natürliche und juristische Personen, die der Entsendestaat auf Ersuchen hin lediglich vermittelt, trägt der Einsatzstaat. (2) Im Falle der gänzlichen oder teilweisen Wiedereinbringung der Kosten der durchgeführten Hilfsmaßnahmen gilt Absatz 1 Satz 1 nicht. Der Entsendestaat wird vorrangig entschädigt. (3) Die Hilfsmannschaften des Entsendestaats werden während der Dauer des Einsatzes im Einsatzstaat auf dessen Kosten verpflegt und untergebracht sowie mit Gütern für den Eigenbedarf versorgt, wenn die mitgeführten Bestände aufgebraucht sind. Sie erhalten im Bedarfsfall logistische einschließlich medizinischer Hilfe. Artikel 11 Schadensersatz und Entschädigung (1) Jeder Vertragsstaat verzichtet auf alle ihm gegen den anderen Vertragsstaat oder dessen Helfer zustehenden Ansprüche auf den Ersatz von a) Vermögensschäden, die von einem Helfer des anderen Vertragsstaates im Zusammenhang mit der Erfüllung seines Auftrages verursacht worden sind; b) Schäden, die auf einer Körperverletzung, einer Gesundheitsschädigung oder dem Tod eines Helfers im Zusammenhang mit der Erfüllung seines Auftrages beruhen. (2) Wird durch einen Helfer des Entsendestaats im Zusammenhang mit der Erfüllung seines Auftrages im Gebiet des Einsatzstaats Dritten ein Schaden zugefügt, so haftet der Einsatzstaat für den Schaden nach Maßgabe der Vorschriften, die im Fall eines durch eigene Helfer verursachten Schadens Anwendung fänden. Ein Regreß des Einsatzstaats, der den Schaden ersetzt hat, gegen den Entsendestaat oder dessen Helfer besteht nicht. (3) Die Behörden der Vertragsstaaten arbeiten eng zusammen, um die Erledigung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen zu erleichtern. Insbesondere tauschen sie alle ihnen zugänglichen Informationen über Schadensfälle im Sinne dieses Artikels aus. Artikel 12 Unterstützung und Wiederaufnahme von Helfern und Evakuierten (1) Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall als Helfer oder Evakuierte von einem Vertragsstaat in den anderen gelangt sind, erhalten dort bis zum Zeitpunkt der frühesten Rückkehrmöglichkeit Unterstützung nach den Vorschriften der innerstaatlichen Sozialhilfe. Der Abgangsstaat erstattet die Kosten der Unterstützung und der Rückführung dieser Personen, sofern sie nicht Angehörige des anderen Vertragsstaats sind. (2) Jeder Vertragsstaat nimmt Personen, die als Helfer oder Evakuierte von seinem Gebiet auf dasjenige des anderen Vertragsstaates gelangt sind, wieder auf. Soweit es sich um Personen handelt, die nicht Angehörige des wiederaufnehmenden Vertragsstaats sind, bleiben sie dem gleichen ausländerrechtlichen Status wie vor dem Grenzübertritt unterstellt. Artikel 13 Weitere Formen der Zusammenarbeit (1) Die in Artikel 3 genannten Behörden arbeiten nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts zusammen, insbesondere: a) zur Durchführung von Hilfeleistungen; b) zur Vorbeugung und Bekämpfung von Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, indem sie alle zweckdienlichen Informationen wissenschaftlich-technischer Art austauschen und Tagungen, Forschungsprogramme, Fachkurse und Übungen von Hilfseinsätzen auf dem Gebiet beider Vertragsstaaten vorsehen;

Litera c zum Austausch von Informationen über Gefahren und Schäden, die sich auf das Gebiet des anderen Vertragsstaats auswirken können; die gegenseitige Unterrichtung umfaßt auch die vorsorgliche Übermittlung von Meßdaten. (2) Für gemeinsame Übungen, bei denen Hiifsmannschaften des einen Vertragsstaats auf dem Gebiet des anderen zum Einsatz kommen, gelten die Bestimmungen dieses Abkommens sinngemäß. Artikel 14 Fernmeldeverbindungen Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten treffen gemeinsam die erforderlichen Vorkehrungen, damit Fernmelde- und insbesondere Funkverbindungen zwischen den in Artikel 3 genannten Behörden, zwischen diesen Behörden und den von ihnen entsandten Hiifsmannschaften, zwischen den Hilfsmannschaften untereinander und zwischen den entsandten Hilfsmannschaften und der jeweiligen Einsatzleitung ermöglicht werden. Artikel 15 Beilegung von Meinungsverschiedenheiten Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung dieses Abkommens, die nicht unmittelbar zwischen den in Artikel 3 genannten Behörden beigelegt werden können, werden auf diplomatischem Weg bereinigt. Artikel 16 Kündigung Dieses Abkommen kann jederzeit auf diplomatischem Wege gekündigt werden; es tritt sechs Monate nach dem Zugang der Kündigung außer Kraft. Artikel 17 Andere vertragliche Regelungen Bestehende vertragliche Regelungen zwischen den Vertragsstaaten bleiben unberührt. Artikel 18 Artikel 18 ist nach der am 3. Oktober 1990 erfolgten Wiedervereinigung Deutschlands obsolet. Berlin-Klausel Mit Ausnahme der Bestimmungen dieses Abkommens über den Luftverkehr gilt das Abkommen auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung der Republik Österreich innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Abkommens eine gegenteilige Erklärung abgibt. Artikel 19 Inkrafttreten (1) Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden so bald wie möglich in Bonn ausgetauscht. (2) Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des dritten Monats nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. GESCHEHEN ZU Salzburg, am 23. Dezember 1988 in zwei Urschriften in deutscher Sprache. Für die Bundesrepublik Deutschland: Graf von Brühl Dr. Zimmermann Für die Republik Österreich: Blecha Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 8. Juli 1992 ausgetauscht; das Abkommen tritt gemäß seinem Artikel 19, Absatz 2, mit 1. Oktober 1992 in Kraft.

Vranitzky